Oberlandesgericht Köln Beschluss, 06. Sept. 1999 - 27 UF 185/99

Gericht
Tenor
1) Auf die Beschwerde des Antragstellers vom 20. Juli 1999 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Jülich vom 4. Juni 1999 - 10 F 448/98 - aufgehoben. Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet. 2) Das Ablehnungsgesuch des Antragstellers vom 20. Juli 1999 gegen Richter am Amtsgericht B. wegen Besorgnis der Befangenheit wird als unbegründet zurückgewiesen.1
G r ü n d e
2- Die zulässige Beschwerde des Antragsstellers führt im Ergebnis zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.
Der Beschluss des Familiengerichts, durch den es dem Antragsteller als Vormund des Kindes die Vertretungsmacht bezüglich des Aufenthaltsbestimmungsrechts und bezüglich Pass- und Ausweisangelegenheiten entzogen und auf den Kindesonkel als Pfleger übertragen hat, unterliegt der Aufhebung, weil die sachliche Zuständigkeit des Familiengerichts für die getroffenen Maßnahmen nicht gegeben ist.
4Gemäß § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Familiengericht für Familiensachen zuständig, die die elterliche Sorge für ein Kind betreffen, soweit sich die Zuständigkeit aus den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches ergibt. Das Familiengericht hat hiernach zwar über die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Antragsteller nach § 1680 Abs. 2 BGB zu entscheiden. Dies gilt auch, soweit mit einer entsprechenden, dem Antrag stattgebenden Entscheidung die elterliche Sorge des Antragstellers an die Stelle der ihm übertragenen Vormundschaft tritt. Aus der Zuständigkeit für das Verfahren nach § 1680 Abs. 2 BGB ergibt sich jedoch keine Zuständigkeit des Familiengerichts für sonstige Abänderungen der von dem Vormundschaftsgericht getroffenen Entscheidung über die Vormundschaft, insbesondere nicht für die Entlassung eines Vormunds nach den §§ 1886 ff BGB und die Bestellung eines anderen Vormunds oder auch für die den Vormund betreffende Entziehung der Vertretungsmacht nach § 1796 BGB. Diese sind dem Vormundschaftsgericht vorbehalten. Dies gilt auch für im Wege der einstweiligen Anordnung vom Familiengericht getroffene Maßnahmen ungeachtet dessen, dass sie bis zu ihrer Aufhebung wirksam bleiben (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 58. Aufl, Einl. v. § 1773 Rn. 2).
5Im Rahmen der Kindschaftsrechtsreform ist bewußt davon abgesehen worden, die Verfahren betreffend die Vormundschaft über Minderjährige in die Zuständigkeit der Familiengerichte zu übertragen (vgl. BT.-Drs. 13/4899, S. 71). Ausgeweitet worden ist die Zuständigkeit der Familiengerichte allerdings bei Anordnungen von Vormundschaften oder Pflegschaften im Rahmen von § 1697 BGB; die Anwendung dieser Vorschrift setzt jedoch voraus, dass wegen - die elterliche Sorge betreffenden - Maßnahmen des Familiengerichts (etwa bei Entziehung der elterlichen Sorge nach § 1666 BGB) eine Vormundschaft oder Pflegschaft anzuordnen ist. Ein solcher Fall ist hier indes nicht gegeben, weil die getroffene Maßnahme nicht die elterliche Sorge, sondern die Vormundschaft des Antragstellers betrifft. Die Entscheidung, durch die dem bestellten Vormund die Vertretungsmacht für einzelne Angelegenheiten oder einen bestimmten Kreis von Angelegenheiten entzogen wird (§ 1796 BGB), ist mithin ebenso wie die Änderung sonstiger vom Vormundschaftsgericht getroffener, auch nach der neuen Rechtslage in seine Zuständigkeit fallender Anordnungen (§ 1696 BGB) auch weiterhin von dem Vormundschaftsgericht in eigener Zuständigkeit zu treffen.
6Zuständig wäre das Familiengericht allerdings im Rahmen des in seiner Zuständigkeit liegenden Verfahrens nach § 1680 Abs. 2 BGB für die Bestellung eines Verfahrenspflegers für das Kind nach § 50 FGG gewesen, auch soweit eine solche Bestellung einen Eingriff in die Vertretungsbefugnis des Vormunds beinhaltet. Ersichtlich hat jedoch das Familiengericht eine solche Verfahrenspflegschaft nicht anordnen wollen, sondern eine einstweilige Anordnung auf der Grundlage der §§ 1796, 1909 Abs. 1 Satz 1 BGB getroffen und auch treffen wollen. Ein anderes Verständnis der angefochtenen Entscheidung kommt im Streitfall auch deswegen nicht in Betracht, weil die Anordnung einer Verfahrenspflegschaft ohnehin die Wahrnehmung von Pass- und Ausweisangelegenheiten für das Kind nicht umfassen dürfte.
7Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a FGG.
82) Das Befangenheitsgesuch gegen Richter am Amtsgericht B. ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
9Nach § 42 Abs. 2 ZPO, der nach § 621 a Abs. 1 Satz 2 ZPO in isolierten Sorgesachen entsprechend anzuwenden ist, kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen seine Unparteilichkeit zu wecken. Ein solcher Grund ist anzunehmen, wenn objektive Umstände gegeben sind, die vom Standpunkt des Ablehnenden bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 21. Aufl., § 42 Rn. 9 m.w.N.).
10Solche objektiven Gründe hat der Antragsteller weder hinreichend dargetan noch glaubhaft gemacht (§ 44 Abs. 2 ZPO). Hierfür reicht insbesondere der gegen den abgelehnten Richter erhobene Vorwurf nicht aus, er habe den "vernünftigen Vorschlag" des Antragstellers "abgekanzelt". Der Hinweis des abgelehnten Richters im dem Schreiben vom 20. Februar 1999 darauf, der Antragsteller möge seine Meinung noch einmal überdenken und nicht auf "Garantien für ein bestimmtes grundsätzlich vom Gericht und nicht von ihm zu bestimmendes Verfahren" bestehen, ist lediglich als ein - in der Sache zutreffender - Hinweis des Gerichts zu verstehen, dass es den Vorschlag des Antragstellers zwar als Anregung zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, sich gleichwohl aber entsprechend seinem Selbstverständnis nicht das konkrete - aus seiner Sicht auch unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten zu bestimmende - Vorgehen bei der Durchführung der Anhörung des Kindes von einer Partei vorschreiben lassen kann.
11Dass der abgelehnte Richter dem Vorschlag des Antragstellers für den Verfahrensablauf nicht gefolgt ist, ist bei objektiver Betrachtung kein Grund für die Annahme, er stehe dessen Begehren nicht mehr unvoreingenommen gegenüber. Dies gilt insbesondere auch deswegen, weil die Befürchtung des Antragstellers, die Verwandten würden das Kind beeinflussen, wenn sie es nach Deutschland brächten, nicht gerechtfertigt erscheint. Denn das Kind lebt bereits seit geraumer Zeit gemeinsam mit ihnen in Tschechien, so dass sie ohnehin genügend Gelegenheit haben, mit dem Kind über das anhängige Verfahren zu sprechen und auf es Einfluss auszuüben. Mit der Begleitung nach Deutschland würde insofern lediglich ein ohnehin bestehender Zustand fortgesetzt. Umgekehrt mag die von dem Antragsteller geäußerte Vermutung einer Einflussnahme durch die Verwandten des Kindes ein Hinweis darauf sein, dass er möglicherweise seinerseits mit einem Abholen des Kindes in Tschechien die Hoffnung verbindet, vor der Anhörung durch das Gericht mit dem Kind über eine dauerhafte Rückkehr nach Deutschland sprechen zu können. Sofern der Antragsteller befürchtet, mit der Zustimmung zur Ausstellung eines Passes "sein letztes Pfand" heraus zu geben, sind nach dem bisherigen Verhalten in dem Verfahren keine konkreten Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die tschechischen Verwandten nach Ausstellung eines Passes für das Kind einer Ladung zur Anhörung vor dem Familiengericht nicht Folge leisten könnten. Ohnehin musste es aus Sicht des abgelehnten Richters zumindest zweifelhaft erscheinen, ob es dem Antragsteller mit dem deutschen Kinderausweis überhaupt gelingen würde, das Kind, das im heutigen Tschechien - der früheren Tschechoslowakei - geboren ist und dessen Mutter tschechische Staastbürgerin war - über die tschechisch-deutsche Grenze mit nach Deutschland zu bringen. Dass der abgelehnte Richter bei dieser Sachlage mit dem Ziel, baldmöglich eine Anhörung des Kindes zu ermöglichen - dies erscheint gerade auch im vehementen Interesse des Antragstellers dringend geboten -, die entsprechenden Anordnungen in dem Beschluss vom 4. Juni 1999 getroffen hat, vermag die Besorgnis der Befangenheit nicht zu begründen.
12Nichts anderes gilt schließlich für den Umstand, dass das Familiengericht nach Ansicht des Senats (siehe unter 1) für die im Beschluss vom 4. Juni 1999 getroffenen Anordnungen sachlich nicht zuständig ist. Fehlerhafte Entscheidungen sind grundsätzlich kein Ablehnungsgrund, wenn nicht Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass die Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung gegenüber der ablehnenden Partei beruht. Hierfür besteht im Streitfall kein Anhaltspunkt.
13Bei dieser Sachlage muss das Ablehnungsgesuch ohne Erfolg bleiben.
14Beschwerdewert: 2.000 DM

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(1) Stand die elterliche Sorge den Eltern gemeinsam zu und ist ein Elternteil gestorben, so steht die elterliche Sorge dem überlebenden Elternteil zu.
(2) Ist ein Elternteil, dem die elterliche Sorge gemäß § 1626a Absatz 3 oder § 1671 allein zustand, gestorben, so hat das Familiengericht die elterliche Sorge dem überlebenden Elternteil zu übertragen, wenn dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, soweit einem Elternteil die elterliche Sorge entzogen wird.
(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.
(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.
(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere
- 1.
Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen, - 2.
Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen, - 3.
Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält, - 4.
Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen, - 5.
die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge, - 6.
die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.
(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.
(1) Eine Entscheidung zum Sorge- oder Umgangsrecht oder ein gerichtlich gebilligter Vergleich ist zu ändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist. Entscheidungen nach § 1626a Absatz 2 können gemäß § 1671 Absatz 1 geändert werden; § 1671 Absatz 4 gilt entsprechend. § 1678 Absatz 2, § 1680 Absatz 2 sowie § 1681 Absatz 1 und 2 bleiben unberührt.
(2) Eine Maßnahme nach den §§ 1666 bis 1667 oder einer anderen Vorschrift des Bürgerlichen Gesetzbuchs, die nur ergriffen werden darf, wenn dies zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung oder zum Wohl des Kindes erforderlich ist (kindesschutzrechtliche Maßnahme), ist aufzuheben, wenn eine Gefahr für das Wohl des Kindes nicht mehr besteht oder die Erforderlichkeit der Maßnahme entfallen ist.
(3) Eine Anordnung nach § 1632 Absatz 4 ist auf Antrag der Eltern aufzuheben, wenn die Wegnahme des Kindes von der Pflegeperson das Kindeswohl nicht gefährdet.
(1) Stand die elterliche Sorge den Eltern gemeinsam zu und ist ein Elternteil gestorben, so steht die elterliche Sorge dem überlebenden Elternteil zu.
(2) Ist ein Elternteil, dem die elterliche Sorge gemäß § 1626a Absatz 3 oder § 1671 allein zustand, gestorben, so hat das Familiengericht die elterliche Sorge dem überlebenden Elternteil zu übertragen, wenn dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, soweit einem Elternteil die elterliche Sorge entzogen wird.
(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.
(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.
(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.
(1) Das Ablehnungsgesuch ist bei dem Gericht, dem der Richter angehört, anzubringen; es kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.
(2) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf die Partei nicht zugelassen werden. Zur Glaubhaftmachung kann auf das Zeugnis des abgelehnten Richters Bezug genommen werden.
(3) Der abgelehnte Richter hat sich über den Ablehnungsgrund dienstlich zu äußern.
(4) Wird ein Richter, bei dem die Partei sich in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, so ist glaubhaft zu machen, dass der Ablehnungsgrund erst später entstanden oder der Partei bekannt geworden sei. Das Ablehnungsgesuch ist unverzüglich anzubringen.