Hanseatisches Oberlandesgericht Beschluss, 18. Aug. 2017 - 7 U 72/17

Gericht
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 30. Januar 2017 durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
Gründe
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Die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO liegen vor, insbesondere hat das Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO.
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Der erneute Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung kommt nicht in Betracht, weil es inzwischen an einem Verfügungsgrund fehlt. Nach überwiegender Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. KG, MDR 2009, 888 m.w.N.; OLG Köln, Beschl. v. 19.1.2012 - 15 U 195/11 -; OLG Celle, Beschl. v. 17.9.2015 - 13 U 72/15 -; ebenso der Senat mit Beschlüssen vom 13.12.2011 - 7 U 78/11 - und vom 15.12.2015 - 7 U 82/15 -) gibt der erstinstanzlich unterlegene Antragsteller, der sich die Berufungsbegründungsfrist nicht unerheblich verlängern lässt und diese verlängerte Frist nicht unerheblich ausnutzt, im Allgemeinen zu erkennen, dass es ihm mit der Verfolgung seines Anspruchs im einstweiligen Rechtsschutz nicht (mehr) dringlich ist. Die gesetzliche Frist des § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO reicht im Regelfall aus, um zu entscheiden, ob und wie die Berufung begründet werden soll.
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Im vorliegenden Fall lief die zweimonatige Berufungsbegründungsfrist am 12. Juli 2017 ab. Mit Schriftsatz vom 5. Juli 2017 hat der Antragsteller unter Hinweis auf die Arbeitsbelastung seines Prozessbevollmächtigten eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 30. Juli 2017 beantragt, die ihm gewährt worden ist. Am 24. Juli 2017 ist die Berufungsbegründung bei Gericht eingegangen. Durch diese Vorgehensweise hat der Antragsteller gezeigt, dass der Erlass der einstweiligen Verfügung tatsächlich nicht so dringend ist.
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In seinem Beschluss vom 15. Dezember 2015 - 7 U 82/15 - hat der Senat Folgendes ausgeführt:
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„Einzuräumen ist dem Antragsteller, dass - soweit ersichtlich - in veröffentlichten Entscheidungen die sogenannte „Selbstwiderlegung der Dringlichkeit“ nur in Fällen angenommen worden ist, in denen die Berufungsbegründungsfrist um mehrere Wochen verlängert worden ist. So haben das OLG Nürnberg (GRUR 1987, 727) und das OLG München (NJW-RR 1991, 624) die Dringlichkeit jeweils verneint bei einer Verlängerung um drei Wochen. Andererseits gibt es - soweit ersichtlich - keine veröffentlichte Entscheidung, in der eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist als unschädlich angesehen worden ist, es sei denn, es wurden für die Verlängerung besondere Gründe, wie z.B. Erkrankung des Prozessbevollmächtigten (OLG Karlsruhe WRP 2005, 1188, 1189), angeführt. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist die Eilbedürftigkeit für den Erlass einer einstweiligen Verfügung in der Regel dann zu bejahen, wenn der Betroffene innerhalb von fünf Wochen nach Kenntnisnahme der Veröffentlichung den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt (vgl. Beschl. v. 8.3.2012 - 7 W 32/12 -). An der Dringlichkeit fehlt es auch dann, wenn sich der Antragsteller, der rechtzeitig einen Verfügungsantrag bei Gericht eingereicht hat, im Laufe des Verfahrens durch sein Verhalten zu erkennen gibt, dass die Sache nicht (mehr) eilbedürftig ist. So hat das LG Hamburg die Dringlichkeit zu Recht in einem Fall verneint, weil der Antragsteller auf einen telefonischen Hinweis des Gerichts, dass ergänzender Vortrag erfolgen müsse, nicht binnen fünf Wochen reagiert habe (Beschl. v. 29.5.2007 - 324 O 240/07). Nichts anderes kann für die zweitinstanzliche Entscheidung über den Erlass einer einstweiligen Verfügung gelten. Zwar darf dem Antragsteller die volle Ausschöpfung der ihm gesetzlich eingeräumten Berufungsbegründungsfrist nicht verwehrt werden (OLG München, a.a.O.). Bei einem längeren Zuwarten ist die Dringlichkeitsvermutung ohne Darlegung besonderer Gründe indes widerlegt. Hieran ändert die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit der Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nichts.“.
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An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch nach erneuter Überprüfung fest. Erst in einer kürzlich ergangenen Entscheidung hat der Senat erneut die oben genannte „Fünf-Wochen-Frist“ für angemessen erachtet (Beschl. v. 9.5.2017 - 7 W 33/17). Vor diesem Hintergrund wäre es inkonsequent, in der zweiten Instanz, in der bereits ein Rechtsanwalt mit der Sache befasst ist und auf den Streitstoff der ersten Instanz zurückgegriffen werden kann, einen großzügigeren Maßstab anzulegen, zumal die Berufungsbegründungsfrist bereits erheblich über 5 Wochen hinausgeht. Besondere Gründe, die die „Selbstwiderlegung der Dringlichkeit“ entfallen lassen könnten, sind vorliegend nicht ersichtlich. Der Umstand, dass das Landgericht sein Urteil mit Beschluss vom 21. Juni 2017 gemäß § 319 ZPO berichtigt und in den Gründen das Wort „wahr“ durch das Wort „zulässig“ ersetzt hat, hat vorliegend keinen Einfluss auf Beginn und Lauf der Berufungsbegründungsfrist. Die Zustellung des Berichtigungsbeschlusses setzt grundsätzlich keine neue Rechtsmittelfrist in Lauf; ein Ausnahmefall (vgl. dazu Vollkommer in Zöller, 30. Aufl., ZPO, § 319 Rn. 25) ist ersichtlich nicht gegeben. Die erfolgte Berichtigung - die sich (so der Hinweis der Kammer vom 1. Juni 2017) dazu verhält, ob das Landgericht die beanstandete Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Meinungsäußerung einordnet - hatte auch keinen wesentlichen Einfluss auf den Inhalt der Berufungsbegründung. Die Parteien streiten über eine Äußerung des Antragsgegners, dass der Antragsteller in einer E-Mail Informationen weitergeleitet habe, die der Geheimhaltung unterlegen hätten, wobei der Antragsteller vorträgt, dass die Informationen bereits bekannt gewesen seien. Mit der Berufungsbegründung vertieft der Antragsteller diesen Vortrag. Einer Auseinandersetzung mit der Rechtsfrage, ob die Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Meinungsäußerung einzuordnen sei, erfolgt in der Berufungsbegründung des Antragstellers nicht, zumal diese Rechtsfrage für den Fall, dass die vom Antragsteller weitergeleiteten Informationen bereits bekannt waren, auch keine streitentscheidende Bedeutung haben dürfte. Darüber hinaus wurden bereits in erster Instanz beide Rechtsauffassungen diskutiert, so dass der Streitstoff insoweit keiner vertiefenden Ausführungen bedurfte.
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Der Antragsteller erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

Annotations
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
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die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
(1) Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in dem Urteil vorkommen, sind jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen.
(2) Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.
(3) Gegen den Beschluss, durch den der Antrag auf Berichtigung zurückgewiesen wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, findet sofortige Beschwerde statt.