Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 06. Feb. 2014 - 1 Ws 36/14
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Verurteilten (§ 473 Abs. 1 StPO) verworfen.
1
Gründe
2I.
3Der schon vielfach (meistens) wegen Diebstahls vorbestrafte Verurteilte wurde durch das Amtsgericht Bonn mit Urteil vom 12.09.2007 wegen Diebstahls in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt. Nach Verbüßung von 2/3 die-ser Strafe hat die Strafvollstreckungskammer die Vollstreckung der Reststrafe mit Beschluss vom 02.04.2009 (rechtskräftig ab dem 17.04.2009) zur Bewährung ausgesetzt und die Entlassung des Verurteilten nach Verbüßung von 2/3 zum 16.06.2009 angeordnet. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt. Mit Schreiben vom 18.06.2012 hat die Strafvollstreckungskammer den Verurteilten unter Hinweis auf eine Reihe laufender Ermittlungsverfahren darauf hingewiesen, dass ein Straferlass zur Zeit ausscheide und der Verurteilte auch mit einem Widerruf rechnen müsse.
4Wegen Taten, die in der Bewährungszeit begangen wurden, ist der Verurteilte inzwischen mehrfach rechtskräftig verurteilt worden. Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Koblenz wurde gegen ihn wegen Diebstahls eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 10 Euro verhängt. Die Tat hatte der Verurteilte am 16.07.2011 begangen. Mit Urteil des Landgerichts Dortmund vom 05.12.2012 (45 Ns 56/12 – 221 Js 877/09) wurde gegen ihn eine Freiheitsstrafe von 3 Monaten verhängt. Den zu Grunde liegenden Diebstahl (CDs im Gesamtwert von 180 Euro) hatte der Verurteilte am 25.04.2009 begangen. Schließlich wurde gegen ihn mit Strafbefehl des Amtsgerichts Siegburg vom 19.12.2013 (208 Ds 64/11 – 665 Js 1721/10) eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr wegen Diebstahls in vier Fällen verhängt. Die Vollstreckung dieser Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Zu Grunde lagen dem u.a. Dieb-stahlstaten, die am 31.03.2012 und am 20.07.2012 begangen worden waren. Es handelte sich um Ladendiebstähle (u.a. Modelautos im Wert von 154 Euro). Der Strafbefehl ist nach §§ 407, 408a StPO erlassen worden, weil der Verurteilte zur Hauptverhandlung nicht erschienen war,
5Nach schriftlicher Anhörung des Verurteilten hat die Strafvollstreckungskammer mit dem angefochtenen Beschluss die Reststrafenaussetzung zur Bewährung unter Hinweis auf die neue Verurteilung durch das Landgericht Dortmund nach § 56f Abs. 1 StGB widerrufen.
6Gegen den Beschluss wendet sich der Betroffene mit der sofortigen Beschwerde, mit der er geltend macht, dass mildere Maßnahmen nach § 56f Abs. 2 StGB ausreichend seien. Er bemühe sich um eine Therapie, mit der er sein „pathologisches Kaufen“ aufarbeiten wolle. Vom 12.12.2013 an bis Ende Januar sei er zu diagnostischen Zwecken in der Uniklinik Bonn, Abteilung für Neurologie/Psychiatrie gewesen. Danach könne man sich ein konkretes Bild von seiner Krankheit machen.
7Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
8II.
9Das statthafte und zulässige Rechtsmittel des Verurteilten ist unbegründet. Ein Widerrufsgrund i.S.d. § 56f Abs. 1 Nr. 1 StGB liegt mit der Tat vom 25.04.2009, im Übrigen aber mit den Taten vom 16.07.2011 und vom 31.03.2012 vor. Die Bewäh-rungszeit begann mit der Rechtskraft des Aussetzungsbeschlusses (vgl. § 56a Abs. 2 StGB; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 57 Rdn. 37; Stree/Kinzig in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl., § 56a Rdn. 3) am 17.04.2009, nicht erst mit der Entlassung des Verurteilten aus der Strafhaft.
10Mildere Mittel i.S.d. § 56f Abs. 2 StGB reichen hier nicht aus. Zwar liegt die letzte aktenkundig gewordene Straftat des Verurteilten inzwischen über 1 ½ Jahre zurück. Der Verurteilte zeigt auch Therapiebemühungen, um seine von ihm behauptete Krankheit des „pathologischen Kaufens“ zu bekämpfen. Andererseits ist zu sehen, dass der Verurteilte über mehrere Jahrzehnte hinweg immer wieder wegen Dieb-stahls in Erscheinung getreten ist und ihn weder bereits vollstreckte Freiheitsstrafen noch laufende Bewährungen von der Begehung neuer Straftaten abgehalten haben. Gerade auch die in größeren Zeitabständen begangenen neuen Straftaten in der hier relevanten Bewährungszeit zeigen, dass der bisher nach der letzten bekannt gewor-denen Tat eingetretene Zeitablauf nicht hinreichend relevant für eine günstige Prog-nose ist. Die –wenn auch späten - Therapiebemühungen des Verurteilten sind zwar anerkennenswert, letztlich begründen aber auch sie keine günstige Prognose. In dem Urteil des Landgerichts Dortmund vom 05.12.2012 wird zwar eine Behand-lungsbedürftigkeit des Kauf- bzw. Stehlverhaltens des Verurteilten gesehen. Eine erfolgreiche Therapie hat aber insoweit noch nicht stattgefunden. Ausweislich des Entlassungsberichts der Therapieeinrichtung N vom 27.06.2013 wurden die Therapieziele nicht erreicht. Der Aufenthalt in der Uniklinik C diente bisher nur der Diagnose, nicht aber der Therapie.
11Auch der Umstand, dass in der zuletzt erfolgten Verurteilung durch Strafbefehl des Amtsgerichts Siegburg vom 13.12.2013 die Strafe wiederum zur Bewährung aus-gesetzt worden ist, gebietet nicht, vom Widerruf abzusehen. Grundsätzlich ist es zwar naheliegend, sich bei der Stellung der Prognose der sachnäheren Einschätzung des Tatrichters anzuschließen. Dies gilt jedoch nicht, wenn die neue Entscheidung nicht nachvollziehbar oder nur formelhaft begründet worden ist (vgl. u.a. OLG Hamm, Beschl. v. 03.02.2009 – 2 Ws 15/09 = BeckRS 2009, 23031 m.w.N.). Die Straf-aussetzung zur Bewährung im genannten Strafbefehl wurde überhaupt nicht be-gründet. Der Tatrichter hat den Verurteilten in der Hauptverhandlung überhaupt nicht gesehen. Seine Erkenntnisse hinsichtlich einer Legalprognose gingen daher nicht über die hinaus, die der Senat hat. Einem solchen Strafbefehl kann daher keinerlei präjudizielle Wirkung zukommen.
12Der Widerruf ist auch nach Ende der Bewährungszeit möglich. Auf einen Ver-trauensschutz kann sich der Verurteilte angesichts des entsprechenden Hinweises der Strafvollstreckungskammer nicht berufen.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 06. Feb. 2014 - 1 Ws 36/14
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 06. Feb. 2014 - 1 Ws 36/14
Referenzen - Gesetze
(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.
(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.
(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.
(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.
(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.
(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag
- 1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder - 2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.
(1) Im Verfahren vor dem Strafrichter und im Verfahren, das zur Zuständigkeit des Schöffengerichts gehört, können bei Vergehen auf schriftlichen Antrag der Staatsanwaltschaft die Rechtsfolgen der Tat durch schriftlichen Strafbefehl ohne Hauptverhandlung festgesetzt werden. Die Staatsanwaltschaft stellt diesen Antrag, wenn sie nach dem Ergebnis der Ermittlungen eine Hauptverhandlung nicht für erforderlich erachtet. Der Antrag ist auf bestimmte Rechtsfolgen zu richten. Durch ihn wird die öffentliche Klage erhoben.
(2) Durch Strafbefehl dürfen nur die folgenden Rechtsfolgen der Tat, allein oder nebeneinander, festgesetzt werden:
- 1.
Geldstrafe, Verwarnung mit Strafvorbehalt, Fahrverbot, Einziehung, Vernichtung, Unbrauchbarmachung, Bekanntgabe der Verurteilung und Geldbuße gegen eine juristische Person oder Personenvereinigung, - 2.
Entziehung der Fahrerlaubnis, bei der die Sperre nicht mehr als zwei Jahre beträgt, - 2a.
Verbot des Haltens oder Betreuens von sowie des Handels oder des sonstigen berufsmäßigen Umgangs mit Tieren jeder oder einer bestimmten Art für die Dauer von einem Jahr bis zu drei Jahren sowie - 3.
Absehen von Strafe.
(3) Der vorherigen Anhörung des Angeschuldigten durch das Gericht (§ 33 Abs. 3) bedarf es nicht.
(1) Ist das Hauptverfahren bereits eröffnet, so kann im Verfahren vor dem Strafrichter und dem Schöffengericht die Staatsanwaltschaft einen Strafbefehlsantrag stellen, wenn die Voraussetzungen des § 407 Abs. 1 Satz 1 und 2 vorliegen und wenn der Durchführung einer Hauptverhandlung das Ausbleiben oder die Abwesenheit des Angeklagten oder ein anderer wichtiger Grund entgegensteht. In der Hauptverhandlung kann der Staatsanwalt den Antrag mündlich stellen; der wesentliche Inhalt des Strafbefehlsantrages ist in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen. § 407 Abs. 1 Satz 4, § 408 finden keine Anwendung.
(2) Der Richter hat dem Antrag zu entsprechen, wenn die Voraussetzungen des § 408 Abs. 3 Satz 1 vorliegen. Andernfalls lehnt er den Antrag durch unanfechtbaren Beschluß ab und setzt das Hauptverfahren fort.
(1) Das Gericht widerruft die Strafaussetzung, wenn die verurteilte Person
- 1.
in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, daß die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat, - 2.
gegen Weisungen gröblich oder beharrlich verstößt oder sich der Aufsicht und Leitung der Bewährungshelferin oder des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlaß zu der Besorgnis gibt, daß sie erneut Straftaten begehen wird, oder - 3.
gegen Auflagen gröblich oder beharrlich verstößt.
(2) Das Gericht sieht jedoch von dem Widerruf ab, wenn es ausreicht,
- 1.
weitere Auflagen oder Weisungen zu erteilen, insbesondere die verurteilte Person einer Bewährungshelferin oder einem Bewährungshelfer zu unterstellen, oder - 2.
die Bewährungs- oder Unterstellungszeit zu verlängern.
(3) Leistungen, die die verurteilte Person zur Erfüllung von Auflagen, Anerbieten, Weisungen oder Zusagen erbracht hat, werden nicht erstattet. Das Gericht kann jedoch, wenn es die Strafaussetzung widerruft, Leistungen, die die verurteilte Person zur Erfüllung von Auflagen nach § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 oder entsprechenden Anerbieten nach § 56b Abs. 3 erbracht hat, auf die Strafe anrechnen.
(1) Das Gericht bestimmt die Dauer der Bewährungszeit. Sie darf fünf Jahre nicht überschreiten und zwei Jahre nicht unterschreiten.
(2) Die Bewährungszeit beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung über die Strafaussetzung. Sie kann nachträglich bis auf das Mindestmaß verkürzt oder vor ihrem Ablauf bis auf das Höchstmaß verlängert werden.
(1) Das Gericht widerruft die Strafaussetzung, wenn die verurteilte Person
- 1.
in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, daß die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat, - 2.
gegen Weisungen gröblich oder beharrlich verstößt oder sich der Aufsicht und Leitung der Bewährungshelferin oder des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlaß zu der Besorgnis gibt, daß sie erneut Straftaten begehen wird, oder - 3.
gegen Auflagen gröblich oder beharrlich verstößt.
(2) Das Gericht sieht jedoch von dem Widerruf ab, wenn es ausreicht,
- 1.
weitere Auflagen oder Weisungen zu erteilen, insbesondere die verurteilte Person einer Bewährungshelferin oder einem Bewährungshelfer zu unterstellen, oder - 2.
die Bewährungs- oder Unterstellungszeit zu verlängern.
(3) Leistungen, die die verurteilte Person zur Erfüllung von Auflagen, Anerbieten, Weisungen oder Zusagen erbracht hat, werden nicht erstattet. Das Gericht kann jedoch, wenn es die Strafaussetzung widerruft, Leistungen, die die verurteilte Person zur Erfüllung von Auflagen nach § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 oder entsprechenden Anerbieten nach § 56b Abs. 3 erbracht hat, auf die Strafe anrechnen.