Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 17. Okt. 2013 - 1 WF 204/13
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers vom 11.09.2013 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bielefeld vom 04.09.2013 wird zurückgewiesen.
1
Gründe
2I.
3Die Beteiligten haben türkische Wurzeln. Sie haben am 12.12.2012 standesamtlich geheiratet. Die traditionelle große Hochzeitsfeier war für den 24.12.2012 geplant, wurde aber abgesagt, weil es bei den nur kurzen Zusammentreffen der Brautleute vor diesem Termin zu nicht überbrückbaren Streitigkeiten gekommen war.
4Der Antragsteller hat daher im März 2013 einen Antrag auf Eheaufhebung, hilfsweise auf Scheidung der Ehe eingereicht und dafür Verfahrenskostenhilfe beantragt. Er hat geltend gemacht, er und seine Braut seien sich einig gewesen, dass die standesamtliche Trauung noch keine Rechtsfolgen haben würde. Die Ehe habe vielmehr erst mit der traditionellen Hochzeitsfeier zustande kommen sollen. Deshalb seien die Voraussetzungen für eine Eheaufhebung gemäß § 1314 BGB gegeben.
5Hilfsweise sei die Ehe zu scheiden, ohne dass es auf den Ablauf des Trennungsjahres ankomme.
6Das Amtsgericht hat den VKH-Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, es lägen weder die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Ehe gemäß § 1314 BGB vor noch könne im vorliegenden Fall trotz Zustimmung der Ehefrau auf den Ablauf des Trennungsjahres verzichtet werden.
7Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde und stellt die Rechtsauffassung des Amtsgerichts zur Überprüfung.
8II.
9Die Beschwerde ist gemäß den §§ 113 FamFG, 127, 567 ff. ZPO zulässig, bleibt aber ohne Erfolg, denn das Amtsgericht hat die Erfolgsaussichten der verfolgten Anträge völlig zu Recht verneint.
101.
11Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Ehe gemäß § 1314 BGB liegen ersichtlich nicht vor.
12a)
13Die Behauptung des Antragstellers, bei der standesamtlichen Trauung sei man sich einig gewesen, dass diese noch keine Rechtsfolgen haben, sondern die Ehe erst mit der traditionellen Hochzeitsfeier zustande kommen solle, erfüllt nicht den Tatbestand von § 1314 Abs. 2 Nr. 2.
14Da keiner der Ehepartner geltend macht, dass er der deutschen Sprache nur unzureichend mächtig sei, müssen sie auch die Erläuterungen des Standesbeamten bei der zivilrechtlichen Trauung verstanden haben. Es mag zwar sein, dass sie trotz der zivilrechtlich gültigen Eheschließung die Ehe noch nicht vollzogen haben, sondern damit bis zur traditionellen türkischen Hochzeitsfeier warten wollten, das schließt aber das Wissen um die Bedeutung der standesamtlichen Trauung nicht aus. Also liegt kein Fall einer Eheschließung in Unkenntnis ihrer rechtlichen Bedeutung vor.
15b)
16Es liegt auch kein Fall gemäß § 1314 Abs. 2 Ziffer 5 BGB vor. Diese Alternative betrifft die Scheinehe, also den Fall, dass eine Ehe nur formal ohne eine Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft geschlossen wird.
17Davon kann hier keine Rede sein, auch wenn die Antragsgegnerin bestätigt hat, dass die eigentliche Hochzeit erst am 22. oder 24.12.2012 gefeiert werden sollte. Beiden war aber offensichtlich klar, dass eine gültige Eheschließung den vorhergehenden Gang zum Standesamt voraussetzte und nicht allein durch die traditionelle Hochzeitsfeier begründet werden konnte. Also war die standesamtliche Trauung keine Scheinehe, sondern ein notwendiger Schritt zu der damals gewollten religiösen Eheschließung.
182.
19Auch die Voraussetzungen für eine Scheidung vor Ablauf des Trennungsjahres liegen ersichtlich nicht vor.
20a)
21Gesetzlich vorgesehen ist eine Scheidung vor Ablauf des Trennungsjahres nur in dem Ausnahmefall, dass die Fortsetzung der Ehe, genauer das Fortbestehen des Ehebandes aus in der Person des anderen Ehegatten liegenden Gründen eine unzumutbare Härte darstellen würde (§ 1565 Abs. 2 BGB). Davon kann hier schon deshalb keine Rede sein, weil es nie zu einem Zusammenleben mit körperlichen oder seelischen Verletzungen gekommen ist.
22b)
23Die Überlegung der Beschwerde, dass das Trennungsjahr auch dann nicht eingehalten werden müsse, wenn trotz Fehlens einer unzumutbaren Härte ein Wieder-zueinander-Finden ausgeschlossen erscheine, findet im Gesetz keine Stütze.
24Die gesetzliche Forderung nach Einhaltung des Trennungsjahres soll die Eheleute vor einem übereilten Scheidungsentschluss bewahren. Auch wenn hier beide Ehegatten ausgeschlossen haben, noch einmal die (erstmalige) Aufnahme der ehelichen Gemeinschaft in Betracht zu ziehen, erscheint ein künftiger Sinneswandel doch möglich, denn die Absage der Hochzeitsfeier ist offenbar spontan erfolgt, ohne dass ein gravierendes Zerwürfnis mit gegenseitigen Verletzungen vorausgegangen wäre. Ist aber die ursprüngliche Sympathie, die Grundlage des Heiratsentschlusses war, nicht völlig zerstört, ist unabdingbar, die Wartefrist einzuhalten, die eheerhaltenden Überlegungen der Partner Raum geben soll.
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Referenzen - Gesetze
(1) Eine Ehe kann aufgehoben werden, wenn sie
- 1.
entgegen § 1303 Satz 1 mit einem Minderjährigen geschlossen worden ist, der im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr vollendet hatte, oder - 2.
entgegen den §§ 1304, 1306, 1307, 1311 geschlossen worden ist.
(2) Eine Ehe kann ferner aufgehoben werden, wenn
- 1.
ein Ehegatte sich bei der Eheschließung im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit befand; - 2.
ein Ehegatte bei der Eheschließung nicht gewusst hat, dass es sich um eine Eheschließung handelt; - 3.
ein Ehegatte zur Eingehung der Ehe durch arglistige Täuschung über solche Umstände bestimmt worden ist, die ihn bei Kenntnis der Sachlage und bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten hätten; dies gilt nicht, wenn die Täuschung Vermögensverhältnisse betrifft oder von einem Dritten ohne Wissen des anderen Ehegatten verübt worden ist; - 4.
ein Ehegatte zur Eingehung der Ehe widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist; - 5.
beide Ehegatten sich bei der Eheschließung darüber einig waren, dass sie keine Verpflichtung gemäß § 1353 Abs. 1 begründen wollen.
(1) In Ehesachen und Familienstreitsachen sind die §§ 2 bis 22, 23 bis 37, 40 bis 45, 46 Satz 1 und 2 sowie die §§ 47 und 48 sowie 76 bis 96 nicht anzuwenden. Es gelten die Allgemeinen Vorschriften der Zivilprozessordnung und die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Landgerichten entsprechend.
(2) In Familienstreitsachen gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung über den Urkunden- und Wechselprozess und über das Mahnverfahren entsprechend.
(3) In Ehesachen und Familienstreitsachen ist § 227 Abs. 3 der Zivilprozessordnung nicht anzuwenden.
(4) In Ehesachen sind die Vorschriften der Zivilprozessordnung über
- 1.
die Folgen der unterbliebenen oder verweigerten Erklärung über Tatsachen, - 2.
die Voraussetzungen einer Klageänderung, - 3.
die Bestimmung der Verfahrensweise, den frühen ersten Termin, das schriftliche Vorverfahren und die Klageerwiderung, - 4.
die Güteverhandlung, - 5.
die Wirkung des gerichtlichen Geständnisses, - 6.
das Anerkenntnis, - 7.
die Folgen der unterbliebenen oder verweigerten Erklärung über die Echtheit von Urkunden, - 8.
den Verzicht auf die Beeidigung des Gegners sowie von Zeugen oder Sachverständigen
(5) Bei der Anwendung der Zivilprozessordnung tritt an die Stelle der Bezeichnung
(1) Eine Ehe kann aufgehoben werden, wenn sie
- 1.
entgegen § 1303 Satz 1 mit einem Minderjährigen geschlossen worden ist, der im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr vollendet hatte, oder - 2.
entgegen den §§ 1304, 1306, 1307, 1311 geschlossen worden ist.
(2) Eine Ehe kann ferner aufgehoben werden, wenn
- 1.
ein Ehegatte sich bei der Eheschließung im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit befand; - 2.
ein Ehegatte bei der Eheschließung nicht gewusst hat, dass es sich um eine Eheschließung handelt; - 3.
ein Ehegatte zur Eingehung der Ehe durch arglistige Täuschung über solche Umstände bestimmt worden ist, die ihn bei Kenntnis der Sachlage und bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten hätten; dies gilt nicht, wenn die Täuschung Vermögensverhältnisse betrifft oder von einem Dritten ohne Wissen des anderen Ehegatten verübt worden ist; - 4.
ein Ehegatte zur Eingehung der Ehe widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist; - 5.
beide Ehegatten sich bei der Eheschließung darüber einig waren, dass sie keine Verpflichtung gemäß § 1353 Abs. 1 begründen wollen.
(1) Eine Ehe kann geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Die Ehe ist gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen.
(2) Leben die Ehegatten noch nicht ein Jahr getrennt, so kann die Ehe nur geschieden werden, wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde.