Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 21. Aug. 2014 - 1 Vollz (Ws) 379/14
Gericht
Tenor
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens fallen dem Betroffenen zur Last (§ 121 Abs. 2 StVollzG).
1
Gründe
2I.
3Nach den Feststellungen des angefochtenen Beschlusses hat sich der Betroffene mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen das Anhalten von vier Briefen durch die Justizvollzugsanstalt H gewandt. Bzgl. dreier Briefe war er vor dem Landgericht erfolgreich, bzgl. eines Briefes nicht. Insoweit wendet er sich mit der Rechtsbeschwerde gegen die Zurückweisung seines Antrages. In diesem Fall war das Schreiben angehalten worden, weil es mit „Kopfrunen“ begann und weil es den Satz enthielt: „Ich spucke auf denen ihre Meinung“. Dieser bezog sich auf Bedienstete der Anstalt. Das Landgericht meinte, dass zwar § 31 Abs. 1 Nr. 4 StVollzG ein Anhalten wegen dieses Satzes, gerichtet an eine dem Betroffenen nahestehende Person, nicht rechtfertige, wohl aber die Verwendung der „Kopfrunen“ einen Anhaltegrund nach § 31 Abs. 1 Nr. 6 StVollzG ergebe, weil es sich um eine Geheimschrift handele.
4Mit der Rechtsbeschwerde trägt der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen vor, dass die Runenschrift keine Geheimschrift sei. Selbst im Bundesland Hessen, aus dem er stamme und welches nicht im Ruf stünde, über ein elitäres Schulsystem zu verfügen, habe er die Runenschrift in der Schule gelernt. Auch sei es unverhältnismäßig, den ganzen Brief anzuhalten, von dem maximal 2% in Runenschrift verfasst gewesen seien.
5Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hat beantragt, die Rechtsbeschwerde in Ermangelung eines Zulassungsgrundes zu verwerfen.
6II.
7Die Rechtsbeschwerde war zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, da zur Einordnung der Runenschrift hinsichtlich des Vorliegens eines möglichen Anhaltegrundes nach § 31 StVollzG – soweit ersichtlich – noch keine obergerichtliche Rechtsprechung vorliegt (§ 116 StVollzG).
8III.
9Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Zurückweisung des Antrages auf gerichtliche Entscheidung bzgl. des einen Briefes ist im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden.
10Es liegt der Anhaltegrund des § 31 Abs. 1 Nr. 6 StVollzG vor, weil der inkriminierte Brief wegen der Verwendung von Runen teilweise „unlesbar“ war.
11Nach welchen Kriterien sich die Lesbarkeit eines Schreibens beurteilt, ist im Gesetz nicht geregelt. Verbindliche Vorschriften darüber, welche Schriftart im Schriftverkehr zu verwenden ist, existieren in Deutschland nicht. Es finden sich nur Regelungen der Bundesländer darüber, welche Schriften im schulischen Schreibunterricht gelehrt werden. Dies sind nach heutigem Stand die Druckschrift als Erstschrift sowie die Lateinische Ausgangsschrift und die Vereinfachte Ausgangsschrift als weitere Schriften. Was hiernach im Allgemeinen als „lesbar“ angesehen wird, ist somit davon abhängig, welche Schriften der Bevölkerungsdurchschnitt in der Schule zu lesen gelernt hat und wie „formklar“ diese Schrift dann vom jeweiligen Verfasser in der Ausprägung seiner persönlichen Handschrift verwendet wird (OLG Celle, Beschl. v. 19.05.2009 – 1 Ws 248/09 – juris). Es ist allgemeinkundig, dass die Runenschrift vom Bevölkerungsdurchschnitt im Schreibunterricht in der Schule nicht erlernt wird und vom allgemeinen Bevölkerungsdurchschnitt daher auch nicht beherrscht wird. Dementsprechend ist sie (anders als – gegenwärtig noch – die Sütterlinschrift, vgl.OLG Celle a.a.O.) als unlesbar einzustufen.
12Ob die Runenschrift dazu auch eine Geheimschrift ist, kann der Senat dahinstehen lassen. Dagegen spricht aber, sofern es sich um die bloße Verwendung des normalen Runenalphabets handelt, dass dieses anhand allgemein zugänglicher Quellen erlernt bzw. entziffert werden kann.
13Vor diesem Hintergrund ist es nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Justizvollzugsanstalt das Schreiben insgesamt anhält, da nicht geprüft werden kann, ob es in dem unlesbaren Teil inkriminierte Inhalte enthält. Wegen der teilweisen Unlesbarkeit kann auch nicht festgestellt werden, ob eine teilweise Weiterleitung (etwa in Form einer Teilkopie) als milderes Mittel sich nicht sinnentstellend auf das Gesamtschreiben auswirkt und den Inhalt insgesamt verfälschen könnte. Ein solches Vorgehen schied daher aus.
Annotations
(1) In der das Verfahren abschließenden Entscheidung ist zu bestimmen, von wem die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen zu tragen sind.
(2) Soweit der Antragsteller unterliegt oder seinen Antrag zurücknimmt, trägt er die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen. Hat sich die Maßnahme vor einer Entscheidung nach Absatz 1 in anderer Weise als durch Zurücknahme des Antrags erledigt, so entscheidet das Gericht über die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen nach billigem Ermessen.
(3) Bei erstinstanzlichen Entscheidungen des Gerichts nach § 119a fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last. Absatz 2 Satz 2 gilt nicht im Falle des § 115 Abs. 3.
(4) Im übrigen gelten die §§ 464 bis 473 der Strafprozeßordnung entsprechend.
(5) Für die Kosten des Verfahrens nach den §§ 109ff. kann auch ein den dreifachen Tagessatz der Eckvergütung nach § 43 Abs. 2 übersteigender Teil des Hausgeldes (§ 47) in Anspruch genommen werden.
(1) Der Anstaltsleiter kann Schreiben anhalten,
- 1.
wenn das Ziel des Vollzuges oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet würde, - 2.
wenn die Weitergabe in Kenntnis ihres Inhalts einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklichen würde, - 3.
wenn sie grob unrichtige oder erheblich entstellende Darstellungen von Anstaltsverhältnissen enthalten, - 4.
wenn sie grobe Beleidigungen enthalten, - 5.
wenn sie die Eingliederung eines anderen Gefangenen gefährden können oder - 6.
wenn sie in Geheimschrift, unlesbar, unverständlich oder ohne zwingenden Grund in einer fremden Sprache abgefaßt sind.
(2) Ausgehenden Schreiben, die unrichtige Darstellungen enthalten, kann ein Begleitschreiben beigefügt werden, wenn der Gefangene auf der Absendung besteht.
(3) Ist ein Schreiben angehalten worden, wird das dem Gefangenen mitgeteilt. Angehaltene Schreiben werden an den Absender zurückgegeben oder, sofern dies unmöglich oder aus besonderen Gründen untunlich ist, behördlich verwahrt.
(4) Schreiben, deren Überwachung nach § 29 Abs. 1 und 2 ausgeschlossen ist, dürfen nicht angehalten werden.
(1) Gegen die gerichtliche Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ist die Rechtsbeschwerde zulässig, wenn es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.
(2) Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, daß die Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.
(3) Die Rechtsbeschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. § 114 Abs. 2 gilt entsprechend.
(4) Für die Rechtsbeschwerde gelten die Vorschriften der Strafprozeßordnung über die Beschwerde entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.
(1) Der Anstaltsleiter kann Schreiben anhalten,
- 1.
wenn das Ziel des Vollzuges oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet würde, - 2.
wenn die Weitergabe in Kenntnis ihres Inhalts einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklichen würde, - 3.
wenn sie grob unrichtige oder erheblich entstellende Darstellungen von Anstaltsverhältnissen enthalten, - 4.
wenn sie grobe Beleidigungen enthalten, - 5.
wenn sie die Eingliederung eines anderen Gefangenen gefährden können oder - 6.
wenn sie in Geheimschrift, unlesbar, unverständlich oder ohne zwingenden Grund in einer fremden Sprache abgefaßt sind.
(2) Ausgehenden Schreiben, die unrichtige Darstellungen enthalten, kann ein Begleitschreiben beigefügt werden, wenn der Gefangene auf der Absendung besteht.
(3) Ist ein Schreiben angehalten worden, wird das dem Gefangenen mitgeteilt. Angehaltene Schreiben werden an den Absender zurückgegeben oder, sofern dies unmöglich oder aus besonderen Gründen untunlich ist, behördlich verwahrt.
(4) Schreiben, deren Überwachung nach § 29 Abs. 1 und 2 ausgeschlossen ist, dürfen nicht angehalten werden.