Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 10. Apr. 2014 - VII-Verg 4/13
Gericht
Tenor
Die Erinnerung der Antragstellerin vom 10.07.2013 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 25.07.2013 - VII-Verg 4/13 – wird zurückgewiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
Wert: 1.357,01 €
1
G r ü n d e :
2I.
3Im November 2012 schrieb der Antragsgegner den Auftrag „Durchführung von Rettungsdienstleistungen (Notfallrettung i. S. v. § 2 Abs. 1 RettG NRW und qualifizierter Krankentransport i. S. v. § 2 Abs. 2 RettG NRW) im Ennepe-Ruhr-Kreis“ unionsweit im offenen Verfahren aus. Die Angebotsfrist wurde auf den 14.01.2013 festgesetzt. Der Zuschlag sollte am 29.01.2013 erfolgen. Vertragsbeginn sollte der 01.02.2013 sein. Die Antragstellerin erhob mit anwaltlichem Schreiben vom 10.12.2012 mehrere Rügen. Sie vertrat die Auffassung, dass sowohl die Ausgestaltung der Ausschreibungsbedingungen als auch der vorgesehene Zeitplan der Ausschreibung dem Zweck diene, Wettbewerb zu verhindern, neue Anbieter abzuschrecken und die bisher als Rettungsdienstleister tätigen Hilfsorganisationen zu bevorzugen. Dies stelle eine unzulässige Diskriminierung dar. Da der Antragsgegner den erhobenen Rügen nicht abhalf, reichte die Antragstellerin, die kein Angebot abgab, Nachprüfungsantrag ein.
4Die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Arnsberg hat dem Nachprüfungsantrag stattgegeben, dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens einschließlich der Aufwendungen der Antragstellerin auferlegt und die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten für die Antragstellerin für notwendig erklärt. Die gegen den Beschluss der Vergabekammer gerichtete sofortige Beschwerde des Antragsgegners hat der Senat mit Beschluss vom 19.06.2013 zurückgewiesen und ihm die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.
5Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 24.06.2013 hat die Antragstellerin die Festsetzung der ihr im Nachprüfungsverfahren und im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten gegen den Antragsgegner begehrt und unter anderem Erstattung von Flug- und Fahrtkosten ihres in Leipzig ansässigen Verfahrensbevollmächtigten für die Terminswahrnehmungen in Arnsberg und Düsseldorf verlangt. Mit Beschluss vom 25.07.2013 hat der Rechtspfleger des Oberlandesgerichts Düsseldorf dem Antrag nur teilweise statt gegeben und eine Festsetzung der Reisekosten in dem beantragten Umfang abgelehnt. Des Weiteren hat er auf die von der Antragstellerin begehrte Verfahrensgebühr für das Beschwerdeverfahren die hälftige Geschäftsgebühr für das Nachprüfungsverfahren angerechnet. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin im Wege der Erinnerung. Der Antragsgegner tritt dem Vorbringen der Erinnerung entgegen.
6Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss und die Schriftsätze Bezug genommen.
7II.
8Die Erinnerung ist unbegründet. Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers vom 25.07.2013 ist nicht zu beanstanden.
91. Die Antragstellerin kann vom Antragsgegner keine über die für einen an ihrem Geschäftssitz in Hamm ansässigen Rechtsanwalt festgesetzten Reisekosten hinausgehende Erstattung der Reisekosten ihres in Leipzig ansässigen Verfahrensbevollmächtigten verlangen, die ihm für die Terminswahrnehmungen vor der Vergabekammer in Arnsberg und dem Oberlandesgericht Düsseldorf entstanden sind. Denn die weitergehenden Reisekosten waren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung weder für eine Vertretung vor der Vergabekammer noch für eine Vertretung vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf notwendig (§ 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO).
10Eine Partei, die einen Rechtsstreit zu führen beabsichtigt oder selbst verklagt wird, wird in aller Regel einen Rechtsanwalt in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftsorts aufsuchen, um dessen Rat in Anspruch zu nehmen, ihn gegebenenfalls zu beauftragen und für eine sachgemäße Information zu sorgen. Kann diese sachgerechte Information nur in einem persönlichen Gespräch erfolgen, so ist die Zuziehung eines nicht bei dem Prozessgericht zugelassenen, aber in der Nähe des Wohn- oder Geschäftsorts ansässigen Rechtsanwalts regelmäßig zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig (BGH, Beschl. v. 20.12.2011, XI ZB 12/11, Rn. 7; BGH, Beschl. v. 16.10.2002 - VIII ZB 30/02, NJW 2003, 898, 900; OLG München, Beschl. v. 16.02.2005, Verg 28/04, Rn. 12). Die für den zivilrechtlichen Bereich geltenden Erstattungsgrundsätze lassen sich auf die Vertretung im Vergabenachprüfungsverfahren im Wesentlichen übertragen (OLG München, a.a.O., Rn. 13).
11Die Reisekosten des an einem dritten Ort ansässigen Rechtsanwalts sind jedoch nur bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts erstattungsfähig, wenn dessen Beauftragung - was dem Regelfall entspricht - zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung erforderlich gewesen wäre. Denn eine vernünftige und kostenbewusste Partei darf den für sie einfacheren und naheliegenden Weg wählen, einen an ihrem Wohn- oder Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten zu beauftragen. Sie ist allerdings nicht gehindert, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung einen an einem dritten Ort ansässigen Rechtsanwalt ihres Vertrauens zu beauftragen. Die Partei, die die Mühen auf sich nimmt, einen nicht in ihrer Nähe ansässigen Rechtsanwalt ihres Vertrauens aufzusuchen, wird hierfür sachliche Gründe haben. Schutzwürdige Belange der gegnerischen Partei, nicht mit zusätzlichen Kosten belastet zu werden, werden jedoch durch eine Begrenzung der Kostenerstattung auf die Reisekosten des am Wohn- oder Geschäftsorts ansässigen Rechtsanwalts gewahrt (BGH, Beschl. v. 18.12.2003, I ZB 21/03, Rn. 6 ff.).
12Eine darüber hinausgehende Kostenerstattung rechtfertigt sich weder aus dem Umstand, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin Rechtsanwalt ihres Vertrauens ist, noch aus seiner Spezialisierung auf dem Gebiet der Vergabe von Rettungsdienstleistungen. Allein die wiederholte Beauftragung eines Verfahrensbevollmächtigten reicht nicht aus, die schutzwürdigen Belange der gegnerischen Partei, nicht mit zusätzlichen Kosten belastet zu werden, unbeachtet zu lassen. Denn das durch eine wiederholte Beauftragung unter Beweis gestellte Vertrauensverhältnis zwischen einem Mandanten und einem Rechtsanwalt geht über das in einer intakten Geschäftsbeziehung gegenseitig aufgebrachte und erforderliche Vertrauen nicht hinaus. Dass Besonderheiten des Nachprüfungsverfahrens ein gesteigertes Vertrauen der Antragstellerin zu ihrem Verfahrensbevollmächtigten erforderlich machten und deshalb nur seine Beauftragung notwendig erscheinen ließen, ist weder dargetan noch sonst wie ersichtlich. Bei der Antragstellerin handelt es sich um die einem Konzern angehörende Tochtergesellschaft, die in einer Geschäftsbeziehung zum Verfahrensbevollmächtigten steht, ohne dass persönliche Beziehungen oder personengebundene Auftragsinhalte eine Rolle spielen. Auch die Spezialisierung des Verfahrensbevollmächtigten auf dem Gebiet der Vergabe von Rettungsdienstleistungen ließen seine Beauftragung nicht als die einzig mögliche und vertretbare Wahl erscheinen. Wie der Antragsgegner zutreffend in seiner Beschwerdeerwiderung ausgeführt hat, waren Spezialkenntnisse auf dem Gebiet des Rechts der Rettungsdienstleistungen nicht erforderlich, um die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren erfolgreich vertreten zu können. Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens waren vielmehr vorwiegend allgemeine vergaberechtliche Fragen ohne besonderen Bezug zum Recht der Rettungsdienstleistungen. Hierfür reichten vertiefte Kenntnisse des Vergaberechts aus, die ohnehin bereits eine Spezialisierung darstellen. Am Geschäftssitz der Antragstellerin sind mehrere auf das Vergaberecht spezialisierte Rechtsanwälte ansässig, deren Beauftragung möglich und in Ansehung der im Nachprüfungsverfahren zu klärenden Sach- und Rechtsfragen vertretbar gewesen wäre (vgl. BGH, Beschl. v. 20.12.2011, XI ZB 12/11, Rn. 9 m.w.N.).
132. Die Antragstellerin muss sich auf die vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf entstandene Verfahrengebühr (Nr. 3200 VV RVG) die Hälfte der vor der Vergabekammer entstandenen Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV RVG) anrechnen lassen. Dies ergibt sich aus § 15a Abs. 1 RVG, Vorbemerkung 3 (4) VV RVG, wonach eine Geschäftsgebühr, die wegen desselben Gegenstands nach Teil 2 VV RVG entsteht, zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet wird. Vorbemerkung 3 (4) VV RVG ist auf die Gebühr, die der Rechtsanwalt für seine Tätigkeit im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer erhält, anzuwenden (BGH Beschl. v. 29.09.2009, X ZB 1/09 – juris Tz. 12 zur Divergenzvorlage des OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.01.2009, VII-Verg 17/08).
14Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, § 11 Abs. 2 RPflG.
15Der Gegenstandswert ergibt sich aus dem mit der Erinnerung verfolgten Kosteninteresse.
16Dicks Brackmann Rubel
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(1) Sieht dieses Gesetz die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr vor, kann der Rechtsanwalt beide Gebühren fordern, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren.
(2) Sind mehrere Gebühren teilweise auf dieselbe Gebühr anzurechnen, so ist der anzurechnende Betrag für jede anzurechnende Gebühr gesondert zu ermitteln. Bei Wertgebühren darf der Gesamtbetrag der Anrechnung jedoch denjenigen Anrechnungsbetrag nicht übersteigen, der sich ergeben würde, wenn eine Gebühr anzurechnen wäre, die sich aus dem Gesamtbetrag der betroffenen Wertteile nach dem höchsten für die Anrechnungen einschlägigen Gebührensatz berechnet. Bei Betragsrahmengebühren darf der Gesamtbetrag der Anrechnung den für die Anrechnung bestimmten Höchstbetrag nicht übersteigen.
(3) Ein Dritter kann sich auf die Anrechnung nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Gegen die Entscheidungen des Rechtspflegers ist das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist.
(2) Kann gegen die Entscheidung nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Rechtsmittel nicht eingelegt werden, so findet die Erinnerung statt, die innerhalb einer Frist von zwei Wochen einzulegen ist. Hat der Erinnerungsführer die Frist ohne sein Verschulden nicht eingehalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Erinnerung binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Die Wiedereinsetzung kann nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, nicht mehr beantragt werden. Der Rechtspfleger kann der Erinnerung abhelfen. Erinnerungen, denen er nicht abhilft, legt er dem Richter zur Entscheidung vor. Auf die Erinnerung sind im Übrigen die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die sofortige Beschwerde sinngemäß anzuwenden.
(3) Gerichtliche Verfügungen, Beschlüsse oder Zeugnisse, die nach den Vorschriften der Grundbuchordnung, der Schiffsregisterordnung oder des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit wirksam geworden sind und nicht mehr geändert werden können, sind mit der Erinnerung nicht anfechtbar. Die Erinnerung ist ferner in den Fällen der §§ 694, 700 der Zivilprozeßordnung und gegen die Entscheidungen über die Gewährung eines Stimmrechts (§ 77 der Insolvenzordnung) ausgeschlossen.
(4) Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei.