Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 10. Apr. 2014 - VII-Verg 4/13
Tenor
Die Erinnerung der Antragstellerin vom 10.07.2013 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 25.07.2013 - VII-Verg 4/13 – wird zurückgewiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
Wert: 1.357,01 €
1
G r ü n d e :
2I.
3Im November 2012 schrieb der Antragsgegner den Auftrag „Durchführung von Rettungsdienstleistungen (Notfallrettung i. S. v. § 2 Abs. 1 RettG NRW und qualifizierter Krankentransport i. S. v. § 2 Abs. 2 RettG NRW) im Ennepe-Ruhr-Kreis“ unionsweit im offenen Verfahren aus. Die Angebotsfrist wurde auf den 14.01.2013 festgesetzt. Der Zuschlag sollte am 29.01.2013 erfolgen. Vertragsbeginn sollte der 01.02.2013 sein. Die Antragstellerin erhob mit anwaltlichem Schreiben vom 10.12.2012 mehrere Rügen. Sie vertrat die Auffassung, dass sowohl die Ausgestaltung der Ausschreibungsbedingungen als auch der vorgesehene Zeitplan der Ausschreibung dem Zweck diene, Wettbewerb zu verhindern, neue Anbieter abzuschrecken und die bisher als Rettungsdienstleister tätigen Hilfsorganisationen zu bevorzugen. Dies stelle eine unzulässige Diskriminierung dar. Da der Antragsgegner den erhobenen Rügen nicht abhalf, reichte die Antragstellerin, die kein Angebot abgab, Nachprüfungsantrag ein.
4Die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Arnsberg hat dem Nachprüfungsantrag stattgegeben, dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens einschließlich der Aufwendungen der Antragstellerin auferlegt und die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten für die Antragstellerin für notwendig erklärt. Die gegen den Beschluss der Vergabekammer gerichtete sofortige Beschwerde des Antragsgegners hat der Senat mit Beschluss vom 19.06.2013 zurückgewiesen und ihm die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.
5Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 24.06.2013 hat die Antragstellerin die Festsetzung der ihr im Nachprüfungsverfahren und im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten gegen den Antragsgegner begehrt und unter anderem Erstattung von Flug- und Fahrtkosten ihres in Leipzig ansässigen Verfahrensbevollmächtigten für die Terminswahrnehmungen in Arnsberg und Düsseldorf verlangt. Mit Beschluss vom 25.07.2013 hat der Rechtspfleger des Oberlandesgerichts Düsseldorf dem Antrag nur teilweise statt gegeben und eine Festsetzung der Reisekosten in dem beantragten Umfang abgelehnt. Des Weiteren hat er auf die von der Antragstellerin begehrte Verfahrensgebühr für das Beschwerdeverfahren die hälftige Geschäftsgebühr für das Nachprüfungsverfahren angerechnet. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin im Wege der Erinnerung. Der Antragsgegner tritt dem Vorbringen der Erinnerung entgegen.
6Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss und die Schriftsätze Bezug genommen.
7II.
8Die Erinnerung ist unbegründet. Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers vom 25.07.2013 ist nicht zu beanstanden.
91. Die Antragstellerin kann vom Antragsgegner keine über die für einen an ihrem Geschäftssitz in Hamm ansässigen Rechtsanwalt festgesetzten Reisekosten hinausgehende Erstattung der Reisekosten ihres in Leipzig ansässigen Verfahrensbevollmächtigten verlangen, die ihm für die Terminswahrnehmungen vor der Vergabekammer in Arnsberg und dem Oberlandesgericht Düsseldorf entstanden sind. Denn die weitergehenden Reisekosten waren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung weder für eine Vertretung vor der Vergabekammer noch für eine Vertretung vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf notwendig (§ 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO).
10Eine Partei, die einen Rechtsstreit zu führen beabsichtigt oder selbst verklagt wird, wird in aller Regel einen Rechtsanwalt in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftsorts aufsuchen, um dessen Rat in Anspruch zu nehmen, ihn gegebenenfalls zu beauftragen und für eine sachgemäße Information zu sorgen. Kann diese sachgerechte Information nur in einem persönlichen Gespräch erfolgen, so ist die Zuziehung eines nicht bei dem Prozessgericht zugelassenen, aber in der Nähe des Wohn- oder Geschäftsorts ansässigen Rechtsanwalts regelmäßig zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig (BGH, Beschl. v. 20.12.2011, XI ZB 12/11, Rn. 7; BGH, Beschl. v. 16.10.2002 - VIII ZB 30/02, NJW 2003, 898, 900; OLG München, Beschl. v. 16.02.2005, Verg 28/04, Rn. 12). Die für den zivilrechtlichen Bereich geltenden Erstattungsgrundsätze lassen sich auf die Vertretung im Vergabenachprüfungsverfahren im Wesentlichen übertragen (OLG München, a.a.O., Rn. 13).
11Die Reisekosten des an einem dritten Ort ansässigen Rechtsanwalts sind jedoch nur bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts erstattungsfähig, wenn dessen Beauftragung - was dem Regelfall entspricht - zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung erforderlich gewesen wäre. Denn eine vernünftige und kostenbewusste Partei darf den für sie einfacheren und naheliegenden Weg wählen, einen an ihrem Wohn- oder Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten zu beauftragen. Sie ist allerdings nicht gehindert, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung einen an einem dritten Ort ansässigen Rechtsanwalt ihres Vertrauens zu beauftragen. Die Partei, die die Mühen auf sich nimmt, einen nicht in ihrer Nähe ansässigen Rechtsanwalt ihres Vertrauens aufzusuchen, wird hierfür sachliche Gründe haben. Schutzwürdige Belange der gegnerischen Partei, nicht mit zusätzlichen Kosten belastet zu werden, werden jedoch durch eine Begrenzung der Kostenerstattung auf die Reisekosten des am Wohn- oder Geschäftsorts ansässigen Rechtsanwalts gewahrt (BGH, Beschl. v. 18.12.2003, I ZB 21/03, Rn. 6 ff.).
12Eine darüber hinausgehende Kostenerstattung rechtfertigt sich weder aus dem Umstand, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin Rechtsanwalt ihres Vertrauens ist, noch aus seiner Spezialisierung auf dem Gebiet der Vergabe von Rettungsdienstleistungen. Allein die wiederholte Beauftragung eines Verfahrensbevollmächtigten reicht nicht aus, die schutzwürdigen Belange der gegnerischen Partei, nicht mit zusätzlichen Kosten belastet zu werden, unbeachtet zu lassen. Denn das durch eine wiederholte Beauftragung unter Beweis gestellte Vertrauensverhältnis zwischen einem Mandanten und einem Rechtsanwalt geht über das in einer intakten Geschäftsbeziehung gegenseitig aufgebrachte und erforderliche Vertrauen nicht hinaus. Dass Besonderheiten des Nachprüfungsverfahrens ein gesteigertes Vertrauen der Antragstellerin zu ihrem Verfahrensbevollmächtigten erforderlich machten und deshalb nur seine Beauftragung notwendig erscheinen ließen, ist weder dargetan noch sonst wie ersichtlich. Bei der Antragstellerin handelt es sich um die einem Konzern angehörende Tochtergesellschaft, die in einer Geschäftsbeziehung zum Verfahrensbevollmächtigten steht, ohne dass persönliche Beziehungen oder personengebundene Auftragsinhalte eine Rolle spielen. Auch die Spezialisierung des Verfahrensbevollmächtigten auf dem Gebiet der Vergabe von Rettungsdienstleistungen ließen seine Beauftragung nicht als die einzig mögliche und vertretbare Wahl erscheinen. Wie der Antragsgegner zutreffend in seiner Beschwerdeerwiderung ausgeführt hat, waren Spezialkenntnisse auf dem Gebiet des Rechts der Rettungsdienstleistungen nicht erforderlich, um die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren erfolgreich vertreten zu können. Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens waren vielmehr vorwiegend allgemeine vergaberechtliche Fragen ohne besonderen Bezug zum Recht der Rettungsdienstleistungen. Hierfür reichten vertiefte Kenntnisse des Vergaberechts aus, die ohnehin bereits eine Spezialisierung darstellen. Am Geschäftssitz der Antragstellerin sind mehrere auf das Vergaberecht spezialisierte Rechtsanwälte ansässig, deren Beauftragung möglich und in Ansehung der im Nachprüfungsverfahren zu klärenden Sach- und Rechtsfragen vertretbar gewesen wäre (vgl. BGH, Beschl. v. 20.12.2011, XI ZB 12/11, Rn. 9 m.w.N.).
132. Die Antragstellerin muss sich auf die vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf entstandene Verfahrengebühr (Nr. 3200 VV RVG) die Hälfte der vor der Vergabekammer entstandenen Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV RVG) anrechnen lassen. Dies ergibt sich aus § 15a Abs. 1 RVG, Vorbemerkung 3 (4) VV RVG, wonach eine Geschäftsgebühr, die wegen desselben Gegenstands nach Teil 2 VV RVG entsteht, zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet wird. Vorbemerkung 3 (4) VV RVG ist auf die Gebühr, die der Rechtsanwalt für seine Tätigkeit im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer erhält, anzuwenden (BGH Beschl. v. 29.09.2009, X ZB 1/09 – juris Tz. 12 zur Divergenzvorlage des OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.01.2009, VII-Verg 17/08).
14Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, § 11 Abs. 2 RPflG.
15Der Gegenstandswert ergibt sich aus dem mit der Erinnerung verfolgten Kosteninteresse.
16Dicks Brackmann Rubel
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BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 646,97 festgesetzt.
Gründe:
I. Die in Ulm ansässige Verfügungsbeklagte wurde von der Verfügungsklägerin vor dem Landgericht Hamburg in einem Verfahren der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung einer Werbeaussage in Anspruch genommen. Das Landgericht Hamburg hob die mit Beschluß vom 18. November 2002 erlassene
einstweilige Verfügung auf den Widerspruch der Verfügungsbeklagten wieder auf. Der Verfügungsklägerin legte es die Kosten des Verfahrens auf.
Im Kostenfestsetzungsverfahren hat die Verfügungsbeklagte beantragt, unter anderem auch die Kosten der Reise ihrer Stuttgarter Prozeßbevollmächtigten zu dem Verhandlungstermin in Hamburg einschließlich eines Tage- und Abwesenheitsgeldes festzusetzen. Das Landgericht hat dem Antrag insoweit nicht entsprochen und ausgeführt, daß die von der Verfügungsbeklagten beantragten Reisekosten ihres Rechtsanwalts nicht erstattungsfähig seien, da der Anwalt seine Kanzlei nicht am Sitz der Partei, sondern an einem dritten Ort habe. Die sofortige Beschwerde der Verfügungsbeklagten ist ohne Erfolg geblieben. Das Beschwerdegericht hat es offengelassen, ob der Verfügungsbeklagten als einem gewerblichen Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung nicht ohnehin die Zuziehung eines Rechtsanwalts am Prozeßgericht zumutbar gewesen wäre. Die Reisekosten seien jedenfalls deshalb nicht zu erstatten, weil die Verfügungsbeklagte durch die Auswahl eines Rechtsanwalts, der weder am Wohnoder Geschäftsort der Partei noch im Bezirk des Prozeßgerichts, also an einem dritten Ort, ansässig sei, gezeigt habe, daß sie eines unmittelbaren Kontaktes zu ihrem Prozeßbevollmächtigten nicht bedürfe. Daher komme auch die Erstattung fiktiver Reisekosten nicht in Betracht.
Hiergegen richtet sich die (zugelassene) Rechtsbeschwerde der Verfügungsbeklagten , mit der sie ihren Kostenfestsetzungsantrag hinsichtlich der Reisekosten und des Tage- und Abwesenheitsgeldes weiterverfolgt.
II. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
Die Erstattungsfähigkeit der im Streit befindlichen Reisekosten hängt davon ab, ob es für die Verfügungsbeklagte notwendig war, einen Rechtsanwalt mit der Prozeßvertretung zu beauftragen, der nicht am Ort des Prozeßgerichts in Hamburg ansässig ist (§ 91 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO). Hierzu sind weitere tatsächliche Feststellungen des Beschwerdegerichts erforderlich.
1. Die Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Reisekosten scheitert nicht schon daran, daß der Rechtsanwalt an einem dritten Ort residiert.
a) Eine Partei, die einen Rechtsstreit zu führen beabsichtigt oder selbst verklagt wird, wird in aller Regel einen Rechtsanwalt in der Nähe ihres Wohnoder Geschäftsorts aufsuchen, um dessen Rat in Anspruch zu nehmen, ihn gegebenenfalls zu beauftragen und für eine sachgemäße Information des Rechtsanwalts zu sorgen. Kann diese sachgerechte Information nur in einem persönlichen mündlichen Gespräch erfolgen, so ist die Zuziehung eines nicht bei dem Prozeßgericht zugelassenen, aber in der Nähe des Wohn- oder Geschäftsorts ansässigen Rechtsanwalts regelmäßig zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig (vgl. BGH, Beschl. v. 16.10.2002 - VIII ZB 30/02, NJW 2003, 898, 900).
b) Im vorliegenden Fall hat die Verfügungsbeklagte keinen in der Nähe ihres Geschäftsorts ansässigen Prozeßbevollmächtigten beauftragt. Die Reisekosten des an einem dritten Ort ansässigen Rechtsanwalts sind gleichwohl bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts erstattungsfähig, wenn dessen Beauftragung - was dem Regelfall entspricht - zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung erforderlich gewesen wäre. Denn darf bei einem Streitfall eine vernünftige und kostenbewußte Partei den für sie einfacheren und naheliegen-
den Weg wählen, einen an ihrem Wohn- oder Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten zu beauftragen, ist sie, soweit dessen Reisekosten nicht überschritten werden, nicht daran gehindert, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung einen an einem dritten Ort ansässigen Rechtsanwalt ihres Vertrauens zu beauftragen. Die Partei, die die Mühen auf sich nimmt, einen nicht in ihrer Nähe ansässigen Rechtsanwalt ihres Vertrauens aufzusuchen, wird hierfür sachliche Gründe haben. Schutzwürdige Belange der gegnerischen Partei, nicht mit zusätzlichen Kosten belastet zu werden, werden wegen der Begrenzung der Kostenerstattung auf die Reisekosten des am Wohn- oder Geschäftsorts ansässigen Rechtsanwalts nicht betroffen.
2. Ob die Reisekosten des in Stuttgart ansässigen Prozeßbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten im Streitfall gleichwohl nicht erstattungsfähig sind, bedarf jedoch weiterer tatsächlicher Feststellungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt es sich bei den Reisekosten eines Rechtsanwalts nicht um notwendige Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, wenn schon im Zeitpunkt der Beauftragung des nicht am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalts feststand, daß ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozeßführung nicht erforderlich sein würde. Dies ist unter anderem regelmäßig der Fall, wenn es sich bei der Partei um ein gewerbliches Unternehmen handelt, das über eine eigene, die Sache bearbeitende Rechtsabteilung verfügt (vgl. BGH, Beschl. v. 10.4.2003 - I ZB 36/02, GRUR 2003, 725, 726 = WRP 2003, 894 - Auswärtiger Rechtsanwalt II; Beschl. v. 9.10.2003 - VII ZB 45/02, Umdr. S. 4 f., m.w.N.). In diesen Fällen ist im allgemeinen davon auszugehen, daß der Rechtsstreit durch die sachkundigen Mitarbeiter der Rechtsabteilung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vorbereitet und die Partei daher in der Lage sein wird, einen am Sitz des Prozeßgerichts ansässigen Prozeßbevollmächtigten umfassend schriftlich zu instruieren.
Die Rechtsbeschwerde hat hierzu geltend gemacht, im Rahmen des Verfahrens der einstweiligen Verfügung seien Spezialfragen des Arzneimittelzulassungsrechts und der Arzneimittelsicherheit inzident streitentscheidend gewesen. Diese hätten eine persönliche Kontaktaufnahme erforderlich gemacht. Dazu hat das Beschwerdegericht von seinem Standpunkt folgerichtig keine Feststellungen getroffen. Diese wird es nachzuholen haben. Der Senat sieht sich nicht in der Lage, die Frage selbst zu beurteilen, ob im Streitfall eine umfassende schriftliche Information nicht ausreichte, sondern ein eingehendes persönliches Mandantengespräch zwischen der Verfügungsbeklagten und ihrem Rechtsanwalt erforderlich war, obwohl die Verfügungsbeklagte rechtskundiges Personal beschäftigte. Denn der Senat ist von den in § 577 Abs. 2 Satz 4, § 559 Abs. 1 Satz 2 ZPO geregelten Verfahrensrügen abgesehen in der Beurteilung
auf den vom Beschwerdegericht festgestellten Sachverhalt und den Inhalt der Sitzungsprotokolle beschränkt (§ 577 Abs. 2 Satz 4, § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Diesen läßt sich nichts dazu entnehmen, daß die Verfügungsbeklagte ihren Rechtsanwalt ausschließlich schriftlich unterrichten konnte.
Ullmann Bornkamm Büscher
Schaffert Bergmann
(1) Sieht dieses Gesetz die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr vor, kann der Rechtsanwalt beide Gebühren fordern, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren.
(2) Sind mehrere Gebühren teilweise auf dieselbe Gebühr anzurechnen, so ist der anzurechnende Betrag für jede anzurechnende Gebühr gesondert zu ermitteln. Bei Wertgebühren darf der Gesamtbetrag der Anrechnung jedoch denjenigen Anrechnungsbetrag nicht übersteigen, der sich ergeben würde, wenn eine Gebühr anzurechnen wäre, die sich aus dem Gesamtbetrag der betroffenen Wertteile nach dem höchsten für die Anrechnungen einschlägigen Gebührensatz berechnet. Bei Betragsrahmengebühren darf der Gesamtbetrag der Anrechnung den für die Anrechnung bestimmten Höchstbetrag nicht übersteigen.
(3) Ein Dritter kann sich auf die Anrechnung nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- I. Durch Beschluss vom 14. Mai 2008 wies der vorlegende Vergabesenat auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurück, erlegte ihr die Kosten des Beschwerdeverfahrens auf, verpflichtete die Antragstellerin, der Antragsgegnerin die im Verfahren vor der Vergabekammer entstandenen, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, und sprach die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin im erstinstanzlichen Nachprüfungsverfahren aus. Die Antragsgegnerin , die schon erstinstanzlich durch die von ihr im Beschwerdeverfahren bevollmächtigten Rechtsanwälte vertreten worden war, hat, abgesehen von Post- und Telekommunikationspauschalen sowie Reisekosten, für das Verfahren vor der Vergabekammer eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG sowie für das Verfahren vor dem Vergabesenat eine Verfahrens- sowie eine Terminsgebühr (Nr. 3200 und Nr. 3202 VV RVG) zur Festsetzung gegen die Antragstellerin beantragt. Der Rechtspfleger beim Oberlandesgericht hat die Geschäftsgebühr mit Blick auf die Regelung in Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG in Höhe von 0,75 auf die Verfahrensgebühr des Beschwerdeverfahrens angerechnet , den zur Festsetzung begehrten Betrag entsprechend gekürzt und zu Gunsten der Antragsgegnerin zu erstattende Kosten von 5.211,84 € (rechnerisch richtig: 5.199,94 €) festgesetzt. Gegen die anteilige Anrechnung der Geschäftsgebühr in dem Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Antragsgegnerin sich mit einem als "sofortige Beschwerde" bezeichneten Rechtsbehelf, den der Vergabesenat als Erinnerung behandelt hat, gewandt.
- 2
- Der vorlegende Vergabesenat hält die Anrechnung für rechtens und möchte die Erinnerung deshalb zurückweisen, sieht sich daran aber durch Entscheidungen des Kammergerichts (VergabeR 2005, 402) und der Oberlandesgerichte München (VergabeR 2009, 106) und Celle (Beschl. v. 23.6.2008 - 13 Verg 10/07) gehindert und hat die Sache deshalb dem Bundesgerichtshof nach § 124 Abs. 2 GWB vorgelegt.
- 3
- II. Die Vorlage ist in entsprechender Anwendung von § 124 Abs. 2 GWB zulässig.
- 4
- 1. Nach dieser Vorschrift legt ein Oberlandesgericht, das über eine sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung einer Vergabekammer zu befinden hat, die Sache, sofern sie nicht einen Antrag nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB oder § 121 GWB zum Gegenstand hat, dem Bundesgerichtshof vor. Die Vorlagepflicht gilt, wie der Senat bereits entschieden hat, auch bei sofortigen Be- schwerden gegen die in Kostenfestsetzungsverfahren ergangenen Entscheidungen der Vergabekammern (Sen.Beschl. v. 23.9.2008 - X ZB 19/07, VergabeR 2009, 39 - Geschäftsgebühr im Nachprüfungsverfahren). Eine solche Konstellation liegt hier allerdings nicht vor. Vielmehr hat der Rechtspfleger beim Beschwerdegericht - wie bundesweit in den Fällen, in denen ein Nachprüfungsverfahren in die Beschwerdeinstanz gelangt ist, üblich - in entsprechender Anwendung von § 104 Abs. 1 Satz 1 ZPO die vor der Vergabekammer entstandenen Kosten (mit-)festgesetzt. Gegen diese Entscheidung ist nicht die sofortige Beschwerde statthaft, sondern die Erinnerung (§ 567 ZPO; § 11 Abs. 1 und 2 RPflG).
- 5
- Die Vorschrift des § 124 Abs. 2 GWB ist auf Erinnerungen gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Rechtspflegers beim Oberlandesgericht entsprechend anzuwenden, um eine planwidrige Lücke im Anwendungsbereich von § 124 Abs. 2 GWB zu vermeiden. Der Sinn und Zweck dieser Regelung, eine bundeseinheitliche Rechtsprechung in Vergabesachen zu gewährleisten, schließt, wie der Senat bereits ausgesprochen hat, vergaberechtsbezogene Gebührenfragen ein (Sen., aaO Tz. 5). Dass davon solche Entscheidungen ausgenommen sein sollen, die ein Vergabesenat aufgrund der Regelung in § 11 Abs. 1 und 2 RPflG im Erinnerungsverfahren trifft, ist nicht anzunehmen.
- 6
- 2. Die Vorlage ist auch im Übrigen zulässig.
- 7
- Die Voraussetzungen für eine Divergenzvorlage nach § 124 Abs. 2 GWB sind erfüllt, wenn das vorlegende Oberlandesgericht als tragende Begründung seiner Entscheidung einen Rechtssatz zugrunde legen will, der mit einem die Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts tragenden Rechtssatz nicht übereinstimmt (vgl. BGHZ 179, 84 - Rettungsdienstleistungen).
- 8
- So verhält es sich hier. Das Oberlandesgericht Düsseldorf möchte die sofortige Beschwerde mit der Begründung zurückweisen, die Anrechnungsregel in Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG finde auch Anwendung, wenn es sich bei der anzurechnenden Geschäftsgebühr um eine solche handelt, die im erstinstanzlichen Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer verdient worden ist. Dieser Rechtssatz kollidierte mit der vom vorlegenden Gericht angeführten Rechtsprechung des Kammergerichts und der Oberlandesgerichte München und Celle.
- 9
- III. Die nach § 11 Abs. 2 RPflG statthafte Erinnerung ist auch sonst zulässig , insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.
- 10
- IV. In der Sache tritt der Senat der Ansicht des vorlegenden Oberlandesgerichts bei.
- 11
- 1. Für die Beantwortung der Divergenzfrage, deretwegen der Vergabesenat die Sache dem Bundesgerichtshof vorgelegt hat, ist zu unterscheiden zwischen dem Problem, ob die Regelung in Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG überhaupt Anwendung findet, wenn es um die Anrechnung der vom Rechtsanwalt für seine Tätigkeit im erstinstanzlichen Vergaberechtsnachprüfungsverfahren verdienten Gebühr auf die Verfahrensgebühr des nachfolgenden Beschwerdeverfahrens geht, und - wenn dies bejaht wird - der Frage, wie die Anrechnungsbestimmung in der Kostenfestsetzung zu handhaben ist.
- 12
- a) Die Regelung in Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG ist auf die Gebühr, die der Rechtsanwalt für seine Tätigkeit im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer erhält, anzuwenden. Nach dieser Regelung wird, soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr nach den Nrn. 2300 bis 2303 entsteht, diese Gebühr zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75, auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet. Im Verfahren vor der Vergabekammer verdient der Rechtsanwalt in Ermangelung eines konkreten Gebührentatbestands eine Geschäftsgebühr nach Teil 2 Abschn. 3 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (Sen.Beschl. v. 23.9.2008 - X ZB 19/07, aaO; allg. Ansicht), namentlich nach den Gebührentatbeständen 2300 und 2301.
- 13
- b) Das Oberlandesgericht München vertritt die Ansicht, Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG sei schon nicht anzuwenden, weil die Regelung nur Fälle betreffe, in denen ein Verwaltungsverfahren dem erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren vorausgegangen sei (VergabeR 2009, 106). Dem kann nicht beigetreten werden. Eine solche Geltungsbeschränkung ist der Regelung nicht zu entnehmen. Der Gebührentatbestand von Nr. 2300 VV RVG betrifft grundsätzlich die gesamte außergerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts (vgl. Hartung /Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., Vertrag 2300 Rdn. 1; Sermond in: Lutje /v. Seltmann, Beck'scher Online-Komm. z. RVG, VV 2300 Rdn. 1). Die gesetzliche Regelung sieht lediglich eine einschränkende Modifikation des Gebührenrahmens von Nr. 2300 VV RVG vor, wenn eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist, die nach der Rechtsprechung des Senats auch bei Vertretung im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren anzuwenden ist, die aber nichts daran ändert, dass diese Gebühr dem Geltungsbereich von Vorbemerkung 3 Abs.4 VV RVG unterliegt.
- 14
- c) Eine Nichtanwendung der ihrem Wortlaut nach einschlägigen Regelung käme danach nur in Betracht, wenn die Rechtsfolge aus der Anwendung der Norm in planwidrigem Widerspruch zu sonstigen gesetzlichen Regelungen oder zu von der Rechtsordnung anerkannten allgemeinen Grundsätzen stünde, deren weitere Geltung der Gesetzgeber offensichtlich nicht antasten wollte. Das ist indes nicht der Fall.
- 15
- aa) Die Anrechnung der im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer verdienten Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des Beschwerdeverfahrens vor dem Vergabesenat wird in der Rechtsprechung, von der das vorlegende OLG Düsseldorf abweichen möchte, und in der Fachliteratur im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, beim Beschwerdeverfahren handle es sich der Sache nach um ein Rechtsmittelverfahren gegen die Entscheidung in einem kontradiktorisch und gerichtsähnlich ausgestalteten Verfahren vor der Vergabekammer, welches seinerseits mit einem herkömmlichen Verwaltungsverfahren nicht zu vergleichen sei (KG, OLG München, OLG Celle, aaO; Rojahn, VergabeR 2004, 454, 456 f.; Wiese in Kulartz/Kus/Portz, Komm. zum GWB-Vergaberecht § 128 Rdn. 51; Noelle in Byok/Jaeger, Komm. zum Vergaberecht , 2. Aufl. Rdn. 1450p).
- 17
- Es trifft zwar zu, dass das Nachprüfungsverfahren vor den Vergabekammern Rechtsschutz in einem gerichtsähnlich ausgestalteten Verfahren gewährleisten soll. Gleichwohl handelt es sich dabei, wie der Senat bereits ausgesprochen hat, um ein in die Exekutive eingebettetes Verwaltungsverfahren (Sen.Beschl. v. 9.12.2003 - X ZB 14/03, VergabeR 2004, 414). Kostenrechtlich ist es, wie sich aus der Regelung in § 128 Abs. 4 Satz 4 GWB n.F. ergibt, dem verwaltungsrechtlichen Widerspruchsverfahren gleichgesetzt (vgl. auch Sen.Beschl. v. 23.9.2008, aaO Tz. 11).
- 18
d) Dass die Vergabekammern eine streitentscheidende Tätigkeit ausüben und diese kostenrechtlich gleichwohl als Verwaltungstätigkeit behandelt und nicht einem Gerichtsverfahren gleichgesetzt wird, steht im Übrigen in Einklang mit allgemeiner verwaltungsrechtlicher Anschauung. Auch außerhalb des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen werden bisweilen unparteiische, aber ebenfalls in die Exekutive eingebundene Stellen in ähnlicher Weise tätig wie die Vergabekammern, indem sie im Konflikt zwischen Bürgern und Behörden in einem möglichst gerichtsähnlichen Verfahren durch gestaltenden, streitentscheidenden Verwaltungsakt eine Regelung treffen, ohne dass der Charakter dieser Entscheidungen als Maßnahmen der Exekutive angezweifelt und die gerichtliche Überprüfung solcher streitentscheidenden Verwaltungsakte als justizielles Rechtsmittelverfahren aufgefasst würde (vgl. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 35 Rdn. 221).
- 19
- e) Das Verhältnis zwischen der Vergabekammer und dem Vergabesenat lässt sich auch nicht deswegen demjenigen zwischen einem Eingangs- und einem Rechtsmittelgericht gleichsetzen, weil kostenrechtlich für das Verfahren vor dem Vergabesenat die für das Berufungsverfahren erhobenen Gebühren gelten (Vorbemerkung 3.2.1 Abs. 1 Nr. 4 VV RVG). Diese Bestimmung gilt nämlich nicht nur für Beschwerden nach § 116 GWB, sondern gleichermaßen für Beschwerden gegen erlassene oder unterlassene Verfügungen der Kartellbehörden (§ 63 Abs. 1 und 2 GWB). Die Kartellbehörde wird im Kartellverwaltungsverfahren nicht streitentscheidend, sondern originär als Organ der vollziehenden Gewalt tätig und erlässt eine Abschlussverfügung durch Verwaltungsakt oder unterlässt es, eine Einzelfallregelung zu treffen. Die Beschwerde dagegen tritt an die Stelle der Klage vor dem Verwaltungsgericht (vgl. Immenga /Mestmäcker, WettbR - GWB, 4. Aufl., § 63 Rdn. 1). Die gebührenrechtliche Regelung in Vorbemerkung 3.2.1 Abs. 1 Nr. 4 VV RVG erklärt sich dement- sprechend nicht aus der vermeintlichen Natur des Beschwerdeverfahrens als eines Rechtsmittelverfahrens, sondern vielmehr durch den Umstand, dass das (erstinstanzliche) gerichtliche Verfahren vor einem Gericht im Range eines Oberlandesgerichts stattfindet.
- 20
- 2. Für die Frage der Anrechnung der Geschäftsgebühr im vorliegenden Kostenfestsetzungsverfahren gilt Folgendes:
- 21
- a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird die Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr angerechnet und nicht umgekehrt (grundlegend BGH, Urt. v. 7.3.2007 - VIII ZR 86/06, NJW 2007, 2049 und - in Auseinandersetzung mit gegenteiligen Ansichten - Beschl. v. 22.1.2008 - VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323; v. 30.4.2008 - III ZB 8/08, NJW-RR 2008, 1095; v. 25.9.2008 - IX ZR 133/07; v. 2.10.2008 - I ZB 30/08, WRP 2009, 75). Nach der Rechtsprechung des VIII., des III. und des I. Zivilsenats ist diese Anrechnungsregel auch im Außenverhältnis zum Prozessgegner in der Kostenfestsetzung anzuwenden (BGH NJW 2008, 1323; NJW-RR 2008, 1095; WRP 2009, 75). Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung entsteht die Verfahrensgebühr nur in der um den Anrechnungsbetrag verminderten Höhe. Danach erweist die Berechnung des Rechtspflegers sich - abgesehen von einem Rechnungsfehler , den der Senat, wie aus dem Tenor ersichtlich, entsprechend § 319 Abs. 1 ZPO berichtigt hat - als richtig. Wegen der Übergangsregelung in § 60 Abs. 1 RVG kommt hiernach ein Rückgriff auf den erst nachträglich durch Art. 7 Abs. 4 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften (BGBl. I S. 2449) in das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz eingefügten § 15a RVG nicht in Betracht.
- 22
b) Demgegenüber hat der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs nunmehr die Auffassung vertreten, die Anrechnungsregel in Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG wirke sich im Verhältnis zu Dritten, also namentlich im Kostenfestsetzungsverfahren , grundsätzlich nicht aus. Das Verfahren nach § 132 Abs. 2, 3 GVG zu beschreiten hat der II. Zivilsenat nicht für erforderlich erachtet, weil seiner Meinung nach der Gesetzgeber das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bezüglich der Anrechnung nicht geändert, sondern lediglich die auch nach Ansicht des Gesetzgebers vor Einfügung von § 15a RVG bestehende Gesetzeslage in dem Sinne klargestellt hat, dass sich die Anrechnung gemäß Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG grundsätzlich im Verhältnis zu Dritten, also insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren , nicht auswirken soll (Beschl. v. 2.9.2009 - II ZB 35/07 Tz. 8).
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- c) Der beschließende Senat hat durchgreifende Zweifel, dieser Auffassung beizutreten. Der II. Zivilsenat mag zwar darauf verweisen können, dass ausweislich einer Pressemitteilung das Bundesministerium der Justiz die Meinung geäußert hat, durch § 15a RVG werde klargestellt, dass sich die Anrechnung im Verhältnis zu Dritten nicht auswirke. Die Presserklärung des zuständigen Ministeriums lässt jedoch keine tragfähigen Rückschlüsse auf den Willen des Gesetzgebers im Sinne der historischen Auslegungsmethode zu. Dass der Gesetzgeber die seiner Ansicht nach bereits bestehende Gesetzeslage (lediglich ) hat klarstellen wollen, lässt sich den Gesetzgebungsmaterialien, auf die der II. Zivilsenat ferner verweist, nicht entnehmen. Vielmehr wird dort das Anliegen artikuliert, für den bisher im Gesetz nicht definierten Begriff der Anrechnung eine Legaldefinition zu schaffen bzw. diesen Begriff inhaltlich zu bestimmen (BT-Drucks. 16/12717, S. 2 und 68). Dass die vom VIII. Zivilsenat aufgrund seines Verständnisses der Anrechnungsregel in Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG für das Kostenfestsetzungsverfahren gezogenen Konsequenzen der bisherigen Rechtslage entsprechen, wird in den Materialien nicht infrage gestellt, sondern es wird darin lediglich der Wille zum Ausdruck gebracht, die bestehende Rechtslage zu modifizieren. Das spricht dafür, dass auch § 15a RVG - wie bei Gesetzesänderungen üblich - eine neue Gesetzeslage geschaffen hat. Im Übrigen hat der Senat Bedenken, die Materialien zu einem Gesetzgebungsverfahren im Rahmen der historischen Auslegungsmethode nicht nur zur Auslegung der Neuregelung heranzuziehen, sondern auch des bisherigen, insbesondere des in einer früheren Legislaturperiode verabschiedeten Rechts.
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- Angesichts der wiedergegebenen Gesetzesbegründung bestehen ebenfalls Bedenken, die Anwendbarkeit des § 15a RVG auch auf am 5. August 2009 noch nicht abgeschlossene Kostenfestsetzungsverfahren aus dem Grundsatz herzuleiten, dass bei Verfahrensrecht eine Gesetzesänderung ab deren Inkrafttreten gilt (vgl. Müller-Rabe, NJW 2009, 2913, 2916 und die dortigen Nachw.). Denn ausgehend von der Auslegung des bisherigen Rechts, die auf die Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats zurückgeht, kann kaum davon gesprochen werden , dass § 15a RVG ausschließlich verfahrensrechtliche Fragen (neu) regele.
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- d) Im Streitfall bedürfen die Meinungsverschiedenheiten über das richtige Verständnis des bisherigen Rechts keiner abschließenden Klärung. Auch bei Anwendung des § 15a RVG könnte die Antragsgegnerin nicht mehr als das, was zu ihren Gunsten bereits festgesetzt ist, beanspruchen, weil ein Fall des § 15a Abs. 2, 3. Alt. RVG vorliegt. Im Streitfall werden die Geschäftsgebühr und die Verfahrensgebühr in demselben Verfahren geltend gemacht. "Dasselbe Verfahren" i.S. von § 15a Abs. 2 RVG ist hier das vorliegende Kostenfestsetzungsverfahren. Die Antragstellerin kann sich auf die Anrechnung berufen, weil die Antragsgegnerin aufgrund des in der Beschwerdeentscheidung des Vergabesenats enthaltenen Kostenausspruchs die Erstattung der Geschäftsgebühr zwar grundsätzlich verlangen kann, diese Gebühr aber aus den dargelegten Gründen (oben IV 1) auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist und die Antragsgegnerin jedenfalls in einem solchen Fall nach allen Auffassungen nur den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren geltend machen kann (vgl. auch das eine gleichgelagerte Konstellation betreffende Beispiel bei Müller-Rabe NJW 2009, 2913, 2914 unter IV 2 d, 2. Spiegelstrich).
Vorinstanz:
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 26.01.2009 - VII-Verg 17/08 -
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Gegen die Entscheidungen des Rechtspflegers ist das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist.
(2) Kann gegen die Entscheidung nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Rechtsmittel nicht eingelegt werden, so findet die Erinnerung statt, die innerhalb einer Frist von zwei Wochen einzulegen ist. Hat der Erinnerungsführer die Frist ohne sein Verschulden nicht eingehalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Erinnerung binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Die Wiedereinsetzung kann nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, nicht mehr beantragt werden. Der Rechtspfleger kann der Erinnerung abhelfen. Erinnerungen, denen er nicht abhilft, legt er dem Richter zur Entscheidung vor. Auf die Erinnerung sind im Übrigen die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die sofortige Beschwerde sinngemäß anzuwenden.
(3) Gerichtliche Verfügungen, Beschlüsse oder Zeugnisse, die nach den Vorschriften der Grundbuchordnung, der Schiffsregisterordnung oder des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit wirksam geworden sind und nicht mehr geändert werden können, sind mit der Erinnerung nicht anfechtbar. Die Erinnerung ist ferner in den Fällen der §§ 694, 700 der Zivilprozeßordnung und gegen die Entscheidungen über die Gewährung eines Stimmrechts (§ 77 der Insolvenzordnung) ausgeschlossen.
(4) Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei.