Oberlandesgericht Bamberg Urteil, 10. Jan. 2017 - 3 OLG 7 Ss 114/16
Tatbestand
Das AG verurteilte den Angekl. bereits am
Gründe
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(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.
(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.
(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.
(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.
Tatbestand
Das AG verurteilte den Angekl. wegen Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten. Auf seine hiergegen eingelegte Berufung änderte das LG das erstinstanzliche Urteil dahin ab, dass es den Angekl. zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilte. Nach den Feststellungen und Wertungen des LG richtete der vielfach (auch) zu langjährigen Freiheitsstrafen vorbestrafte Angekl., nachdem er aufgrund eines Haftbefehls zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe festgenommen und inhaftiert worden war, an die zuständige Vollstreckungsrechtspflegerin der StA ein Schreiben, in welchem er sich über seine Festnahme und Inhaftierung mokierte. Das Schreiben schloss mit den Worten: „Im Übrigen wollte ich noch mitteilen, dass bei uns im Moment die DUSCHLampe kaputt ist, aber ich gehe von einer baldigen Reparatur aus ...“. Das LG hat die Äußerung des Angekl. dahingehend gewertet, dass er die Rechtspflegerin als „Du Schlampe“ titulieren wollte. Gegen das Berufungsurteil wenden sich der Angekl. und die StA mit ihrer jeweils mit der Verletzung sachlichen Rechts begründeten Revision, letztere beschränkt auf den Rechtsfolgenausspruch. Während das Rechtsmittel des Angekl. ohne Erfolg blieb, führte die Revision der StA zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung an eine andere Strafkammer des LG.
Gründe
I.
II.
a) Zum einen zieht die Berufungskammer bei der Strafzumessung zugunsten des Angekl. Umstände heran, denen keine für die Schuld des Angekl. maßgebliche Bedeutung zukommt.
aa) So ist es bereits rechtsfehlerhaft, soweit das LG zugunsten des Angekl. berücksichtigt, dass er sich bei der Verletzten mit Schreiben vom 23.08.2012 entschuldigt habe. Zwar kann eine Entschuldigung beim Tatopfer durchaus für die Strafzumessung von Bedeutung sein. Im vorliegenden Fall war es nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil jedoch so, dass der Angekl. mit weiterem Schreiben vom 06.10.2012 gegenüber der Verletzten geäußert hat, dass „sich sein Entschuldigungsschreiben lediglich auf das ‚Sehr geehrte‘ bezogen“ habe. Damit hat der Angekl. seine ursprüngliche Entschuldigung nicht nur vollends zurückgenommen, was das LG zu Unrecht als bloße „Relativierung“ einstuft, sondern obendrein einen erneuten Angriff auf den Achtungsanspruch der Verletzten unternommen. Eine strafmildernde Bedeutung kann damit der ursprünglichen, vom Angekl. selbst wieder zurückgenommenen ‚Entschuldigung‘ nicht mehr beigemessen werden.
bb) Ferner hat das LG eine „nachvollziehbare Verärgerung“ des Angekl. angenommen und zu seinen Gunsten bei der Strafzumessung berücksichtigt, dass er sich „ungerecht behandelt gefühlt“ habe. Auch diesem Gesichtspunkt hätte schon deshalb keine relevante Bedeutung beigemessen werden dürfen, weil ein Zusammenhang mit der Person der Verletzten nicht bestand, zumal nach den Urteilsgründen gerade nicht davon ausgegangen werden kann, dass diese einen „nachvollziehbaren Anlass“ für die Verärgerung des Angeklagten gegeben hatte.
cc) Ebenfalls nicht plausibel sind die Strafzumessungserwägungen im angefochtenen Urteil, soweit dort der Umstand, dass der Angekl. im vorliegenden Verfahren „mehr als 100 Tage“ im Hinblick auf die Verschubung „nach den Bedingungen eines Untersuchungshäftlings und nicht nach denen eines Strafgefangenen untergebracht war“, zu seinen Gunsten berücksichtigt wurde. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, inwiefern dies eine besondere, den Angekl. belastende Tatsache darstellen sollte, die im Rahmen der Strafzumessung für ihn sprechen könnte.
b) Zum anderen ist [...] die verhängte Geldstrafe aber auch deswegen rechtsfehlerhaft, weil es sich dabei um eine unvertretbar milde Strafe handelt, die ihre Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, nicht erfüllt. Es handelt sich vielmehr um eine derart milde Strafe, die bei zutreffender Gewichtung der im vorliegenden Fall zu berücksichtigenden gravierenden Strafverschärfungsgründe unter keinen Umständen mehr vertretbar ist. Sie steht in keinem angemessenen Verhältnis zum Unrechtsgehalt und zum Grad der persönlichen Schuld des Angekl. und unterschreitet somit den dem Tatrichter bei der Strafzumessung eingeräumten Spielraum (vgl. hierzu nur BGHSt 24, 132; NJW 1977, 1247). Die von der Strafkammer verhängte Geldstrafe von 30 Tagessätzen orientiert sich innerhalb des zur Verfügung stehenden Strafrahmens des § 185 StGB am unteren Ende und damit in einem Bereich, der an sich für einen nicht oder nur geringfügig vorbestraften Täter, der Schuldeinsicht und Reue erkennen lässt, als angemessen erscheint. Zwar hat das LG im Zusammenhang mit den gegen den Angekl. sprechenden Gesichtspunkten dessen Vorleben, insbesondere seine zahlreichen Vorstrafen, erwähnt. Die Strafkammer hat aber keine entsprechende Gewichtung vorgenommen und aus dem Vorleben nicht die gebotenen Schlüsse gezogen. Denn andernfalls ist es nicht zu erklären, weshalb das LG von der Verhängung einer Freiheitsstrafe abgesehen und stattdessen nur eine - überdies - außerordentlich milde Geldstrafe ausgesprochen hat. Der Angekl. musste seit dem Jahr 1989, und zwar schon als Jugendlicher, immer wieder wegen der Begehung verschiedenster Straftaten strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden. Bewährungschancen hat er häufig nicht genutzt, vielmehr kam es in einer großen Anzahl von Fällen zum Bewährungswiderruf. Weder Geldstrafen noch die Verhängung von Freiheitsstrafen konnten ihn auf den rechten Weg führen. Selbst (zusammengerechnet) langjähriger Strafvollzug hatte keinen läuternden Einfluss auf ihn. Die verfahrensgegenständliche Tat wurde überdies aus der Haft heraus begangen. Bei dieser Situation ist ersichtlich, dass das LG nicht nur eine unvertretbar milde Strafe verhängt, sondern zudem fehlerhaft die Voraussetzungen des § 47 I StGB verneint hat. Denn bei Berücksichtigung der genannten Umstände, insbesondere der Tatsache, dass der Angekl. sich bislang durch die Vorstrafen völlig unbeeindruckt gezeigt hat, ist die Annahme des LG, es lägen keine besonderen Umstände in der Tat oder der Persönlichkeit des Angekl. vor, welche die Verhängung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf diesen oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen, schlechterdings nicht mehr verständlich. Gerade unter spezialpräventiven Gesichtspunkten ist die Annahme, der Angekl. könnte nunmehr durch eine (geringfügig bemessende) Geldstrafe auf den rechten Weg geführt werden, unter keinen Umständen berechtigt. [...]
(1) Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich machen.
(2) Droht das Gesetz keine Geldstrafe an und kommt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder darüber nicht in Betracht, so verhängt das Gericht eine Geldstrafe, wenn nicht die Verhängung einer Freiheitsstrafe nach Absatz 1 unerläßlich ist. Droht das Gesetz ein erhöhtes Mindestmaß der Freiheitsstrafe an, so bestimmt sich das Mindestmaß der Geldstrafe in den Fällen des Satzes 1 nach dem Mindestmaß der angedrohten Freiheitsstrafe; dabei entsprechen dreißig Tagessätze einem Monat Freiheitsstrafe.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die weiteren Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
I.
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten von den in der Anklage der Staatsanwaltschaft Aschaffenburg näher bezeichneten Vorwürfen, eine Vielzahl von Schusswaffen, wesentliche Teile von Schusswaffen, Munition, Kriegswaffenmunition sowie Explosionsstoffe und Zündmittel besessen zu haben, wegen Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB freigesprochen und eine Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB wegen fehlender Gefährlichkeit des Angeklagten für die Allgemeinheit abgelehnt.
- 2
- Mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft im Wesentlichen gegen die Nichtanordnung der Unterbringung des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts.
II.
- 3
- 1. Der 1953 geborene Angeklagte, welcher nach seiner Schulausbildung gerne Büchsenmacher geworden wäre, was aber an den finanziellen Verhältnissen seiner Familie scheiterte, beging nach einer wegen der Verbüßung von Freiheitsstrafe abgebrochenen Dachdeckerlehre von 1967 an eine Vielzahl unterschiedlicher Straftaten und wurde zuletzt in den Jahren 1998 und 1999 wegen verschiedener Waffendelikte zu Freiheitsstrafen von einem Jahr vier Monaten bzw. einem Jahr sechs Monaten verurteilt, welche er jeweils verbüßte. Die Vollstreckung der letzten Freiheitsstrafe endete am 16. März 2001. Dazwischen war er immer wieder und auch bis heute als Dachdecker berufstätig.
- 4
- Im Jahr 1998 wurde bei ihm ein Hauttumor festgestellt, welcher folgenlos entfernt wurde. Außer einer Hörminderung wurden sonstige gesundheitliche Einschränkungen bis zur Festnahme in der vorliegenden Sache am 9. Juli 2009 nicht festgestellt.
- 5
- 2. Zu den dem Angeklagten zur Last gelegten Taten hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
- 6
- In der Zeit nach seiner Entlassung nach Verbüßung der letzten Freiheitsstrafe am 16. März 2001 bis zu seiner Festnahme am 9. Juli 2009 kaufte der als Waffennarr bekannte Angeklagte zu nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkten auf Antiquitätenausstellungen und Waffenbörsen im Ausland unterschiedliche Waffen, Waffenteile und Munition sowie Explosionsstoffe und http://beck-online.beck.de/?typ=reference&y=100&g=StGB&p=63 - 5 - Zündmittel und verbrachte sie nach Deutschland, obwohl er wusste, dass das Verbringen und der Besitz solcher Gegenstände in Deutschland ohne entsprechende Erlaubnis, über die er nicht verfügte, verboten ist.
- 7
- Die erworbenen Gegenstände, darunter funktionstüchtige Pistolen und Revolver, neugefertigte Läufe für Selbstladepistolen und eine Maschinenpistole , Griffstücke unterschiedlicher Art, Patronen für Pistolen und Maschinenpistolen , Sprengschnüre und Sprengzünder sowie eine als Kriegswaffenmunition einzuordnende Leuchtspurmunitionspatrone lagerte der Angeklagte, wie auch bereits bei den genannten Vortaten, teilweise museumsartig (UA S. 56) und ohne weitere Schutzvorrichtungen in seiner Wohnung.
- 8
- Der Angeklagte äußerte hierzu, er wisse, dass es für ihn verboten sei, diese Waffen zu besitzen. Jedoch sei der Waffenbesitz sein verfassungsmäßiges Recht, für das er eintreten und kämpfen werde. Wenn ihm die Gerichte sein Recht nicht geben würden, werde er „inein Land umziehen, wo man mir das mir zustehende Recht auch gibt. Ein Verbot würde ich nicht akzeptieren“ (UA S. 58).
- 9
- 3. Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen, da er nach Überzeugung der Strafkammer wegen Vorliegens einer wahnhaften Störung ohne Schuld i.S.d. § 20 StGB handelte. Weil das Landgericht sich nicht in der Lage sah, in der Hauptverhandlung den konkreten Verlauf der angenommenen Krankheit des Angeklagten aufzuklären, ging es davon aus, dass die wahnhafte Störung bereits schon beim Erwerb der ersten Waffen bzw. Waffenteile und auch in dem gesamten Zeitraum zwischen 2001 und 2009 vorlag.
- 10
- Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB hat das Landgericht abgelehnt, weil der http://beck-online.beck.de/?typ=reference&y=100&g=StGB&p=63 [Link] http://beck-online.beck.de/?typ=reference&y=200&ge=BGH&d=2001/01/10&az=2STR50000 [Link] http://beck-online.beck.de/?typ=reference&y=300&z=BGHSt&b=46&s=257 [Link] http://beck-online.beck.de/?typ=reference&y=300&z=BGHSt&b=46&s=257&i=259 - 6 - Angeklagte zwar als notorischer Rechtsbrecher anzusehen sei, aber als solcher mangels Eingriffs in die Rechte Dritter keine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle.
III.
- 11
- 1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft ist das freisprechende Urteil aufzuheben.
- 12
- Dabei kann dahinstehen, ob die Staatsanwaltschaft, wenn auch nicht ausdrücklich ausgesprochen, die Revision auf die Frage der Nichtanordnung der Unterbringung beschränken wollte. Eine etwaige Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch ist vorliegend unwirksam, weil die Feststellungen des Landgerichts keine tragfähige Grundlage für die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten bieten. Sie ermöglichen dem Revisionsgericht deshalb auch nicht die isolierte Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 63 StGB für eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2001 - 2 StR 500/00, BGHSt 46, 257, 259).
- 13
- Das Urteil leidet an durchgreifenden Darstellungsmängeln. Zunächst wird ausgeführt, dass der Angeklagte durchaus weiß, dass der Besitz von Waffen in der Bundesrepublik Deutschland ohne besondere Genehmigung verboten ist, weshalb er zum Ankauf der Waffen und Waffenteile jeweils auf Waffenmessen ins Ausland fuhr. Das Landgericht hat weiter festgestellt, dass der Angeklagte der Auffassung ist, dieses Verbot gelte aus verfassungsrechtlichen Gründen ihm gegenüber nicht. Auch wenn die Strafkammer weiter mitteilt, der Sachverständige sei zum Schluss gekommen, der Angeklagte unterliege insoweit einer wahnhaften Störung, weshalb der Tatrichter der Überzeugung sei, dass die Vo- raussetzungen des § 20 StGB vorliegen, vermag der Senat aufgrund allein dieser Feststellungen nicht nachzuvollziehen, weshalb das vom Angeklagten ohne nähere Begründung behauptete Recht auf Waffenbesitz trotz der gleichzeitig vorhandenen Kenntnis des gesetzlichen Verbots seine Unfähigkeit begründet, das Unrecht seiner Handlungen einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. In diesem Zusammenhang hat das Landgericht auch nicht erörtert, dass der Angeklagte durchaus sieht, dass die Gerichte ihm sein Recht nicht geben könnten, weshalb er dann in ein anderes Land umziehen wolle, wo ihm das Recht zusteht, Waffen zu besitzen. Auch war ihm offensichtlich genau bewusst, dass der Besitz von Sprengkabeln und Sprengzündern auf Grund von deren Gefährlichkeit und Bestimmung nicht erlaubt war und er deswegen durch die Polizei „womöglichÄrger bekommen“ hätte (UA S. 57), was darauf hindeuten könnte, dass er jedenfalls insoweit das Unrecht seiner Tat einsieht. Schließlich kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Angeklagte über viele Jahre seine Besuche auf ausländischen Waffenmessen etc. plante und durchführte, gerade weil er wusste, dass solche Käufe und der daraus folgende Besitz von Waffen im Inland verboten sind. Auch hielt er es für möglich, dass er seine Auffassung vor Gericht nicht durchsetzen würde, und plante für diesen Fall seine Auswanderung. Angesichts dieser Umstände waren entsprechende Erörterungen im Hinblick auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 20 StGB keinesfalls entbehrlich.
- 14
- Unabhängig davon ist auch nicht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Angeklagte während des gesamten möglichen Tatzeitraums an der angenommenen wahnhaften Störung litt und dass er bei keinem seiner zahlreichen Waffenkäufe und dem sich anschließenden Besitz nicht in der Lage war, das Unrecht seiner Taten einzusehen. Erstreckt sich das Handeln eines Täters, wie hier der jahrelange Ankauf und die sich daran anschließende Ausübung der http://www.juris.de/jportal/portal/t/1nub/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001270871BJNE008702307&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 8 - tatsächlichen Gewalt über die sichergestellten Waffen, Waffenteile und Munition über einen längeren Zeitraum, findet § 20 StGB nur dann Anwendung, wenn der die Schuldunfähigkeit begründende Zustand während des gesamten Tatzeitraums gegeben ist (BGH, Beschluss vom 15. Juni 2004 - 4 StR 176/04). Bei nur teilweiser Schuldunfähigkeit ist umgekehrt die Verantwortlichkeit des Täters für die Taten gegeben, bei denen die wahnhafte Störung noch nicht den Grad erreicht hatte, dass er das gesetzliche Verbot des unerlaubten Waffenbesitzes nicht mehr erkennen konnte.
- 15
- Das Landgericht hat sich insoweit auf die Feststellung beschränkt, in der Hauptverhandlung habe der konkrete Krankheitsverlauf nicht aufgeklärt werden können. Weshalb solche Feststellungen unmöglich gewesen seien, wird nicht näher ausgeführt, obwohl es gerade angesichts der Einlassungen des Angeklagten und der festgestellten Umstände seiner Käufe dafür Anlass gegeben hätte. So weist das vom Angeklagten eingeräumte Verhalten durchaus planvolle Überlegungen auf, indem er schilderte, weshalb und wie er seine Waffenkäufe im Ausland durchführte, um die Verbote in Deutschland zu umgehen. Hinzu kommt, dass offenbar bei den beiden Vorverurteilungen der Jahre 1998 und 1999 keine Anzeichen für eine wahnhafte Störung festzustellen waren, so dass nicht unbedingt etwas dafür spricht, dass der Angeklagte bereits unmittelbar im Anschluss an den Vollzug der letzten Freiheitsstrafe schon die bejahte wahnhafte Störung aufgewiesen hätte.
IV.
- 16
- Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
- 17
- http://beck-online.beck.de/?typ=reference&y=100&g=StGB&p=63 - 9 - 1. Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB setzt die Prognose voraus, dass vom Täter infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Insoweit hat die Strafkammer festgestellt, dass eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades vorliegt, dass der Angeklagte auch in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Diese Feststellung findet ihre zusätzliche Begründung darin, dass der Angeklagte offensichtlich der festen Überzeugung ist, er habe das Recht dazu, Waffen zu besitzen (UA S. 57 f.), und deswegen auch in Zukunft kaum davon absehen wird, sich erneut den Besitz von Waffen zu verschaffen.
- 18
- 2. a) Hinsichtlich der weiteren Prognose einer Gefährlichkeit für die Allgemeinheit kann neben anderen Merkmalen auch Art und Schutzgut der erwarteten Straftaten nicht außer Acht bleiben. Hinsichtlich der Vorschriften des Waffengesetzes sind dies die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (§ 1 Abs. 1 WaffG), also die sicherheitsrechtlichen Interessen des Staates und seiner Bürger (vgl. MüKo-StGB/Heinrich, § 1 WaffG Rn. 2). Insoweit ist jeder verbotene Besitz von Waffen ein Sicherheitsrisiko, insbesondere dann, wenn die Waffen nicht so aufbewahrt werden, dass ein Zugriff Dritter darauf ausgeschlossen ist. In diesem Fall kommt es dann nicht mehr allein auf eine mögliche geringere Gefährlichkeit des Besitzers an, weil er eine zufällige Änderung der Gefahrenlage nicht mehr beherrschen kann. Dies gilt gerade auch für den Angeklagten, welcher die Waffen in seiner Wohnung museumsartig gelagert hatte, so dass jeder Besucher oder auch Einbrecher bei dem als „Waffennarr“ bekannten Angeklagten ungehindert hätten zugreifen können.
- 19
- b) Zur berücksichtigen wird auch sein, dass nach den Ausführungen des Sachverständigen 20 % der Betroffenen, welche unter einer wahnhaften Störung leiden, im Laufe der Zeit schizophren und damit für ihre Umwelt ungleich gefährlicher werden (UA S. 68). Die insoweit fehlende Auseinandersetzung hiermit und mit der Frage, inwieweit man beim Angeklagten mit einer solchen Entwicklung rechnen muss, wird vom neuen Tatrichter zu beantworten sein, soweit sich die Entscheidung über die Anordnung einer Unterbringung gemäß § 63 StGB erneut stellt.
- 20
- 3. Keinen Einfluss kann vorliegend der Umstand haben, dass der Angeklagte seit mehr als zehn Jahren nicht mehr verurteilt wurde (UA S. 69), nachdem das Landgericht festgestellt hat, dass er jedenfalls einen erheblichen Teil dieses Zeitraums unerlaubt Waffen in den Geltungsbereich des Waffengesetzes verbracht und hier besessen hat. Nack Wahl Graf Jäger Sander
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.