Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 02. Mai 2018 - 3 Ss OWi 490/18

bei uns veröffentlicht am02.05.2018

Gericht

Oberlandesgericht Bamberg

Gründe

Mit Bußgeldbescheid vom 29.08.2017 setzte die Bußgeldstelle gegen den Betr. wegen einer am 26.06.2017 als Fahrer eines Pkw auf einer Bundesstraße vorsätzlich begangenen außerörtlichen Geschwindigkeitsüberschreitung um 53 km/h eine Geldbuße von 480 € fest und ordnete gegen ihn ein einmonatiges Fahrverbot an. Das AG hat den Betr. nach Einlegung des Einspruchs, der auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt wurde, zu einer Geldbuße von 1.200 € verurteilt; von der Verhängung eines Fahrverbots hat es dagegen abgesehen. Zur Begründung hat es insoweit im Wesentlichen ausgeführt, der Betr. sei aus beruflichen Gründen „dringend auf den Führerschein angewiesen“, weil er als Leiter der Qualitätssicherung seine Arbeitgeberin „mindestens wöchentlich bundesweit vertreten müsse“, wobei die Termine teilweise sehr kurzfristig wahrzunehmen seien. Eine Vertretung - außer durch den „Chef“ - sei nicht geregelt. Außerdem bekomme der Betr. keinen „vierwöchigen Urlaub am Stück“. Schließlich hielt das AG dem verkehrsrechtlich nicht vorbelasteten Betr. zugute, dass es sich wegen des „kurzfristigen Überholvorgangs“ um ein „Augenblicksversagen“ gehandelt habe. Der Betr. hat im Anschluss an die Urteilsverkündung zu Protokoll Rechtsmittelverzicht erklärt. Mit ihrer hiergegen eingelegten Rechtsbeschwerde rügt die StA die Verletzung materiellen Rechts; sie beanstandet, dass das AG zu Unrecht von einem Fahrverbot abgesehen habe. Das Rechtsmittel führte zur Urteilsaufhebung und neben der Verurteilung zu einer Geldbuße von 480 € zu Anordnung eines Fahrverbots für die Dauer eines Monats durch das OLG.

Die gemäß § 79 I 1 Nr. 3 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde der StA ist aufgrund der Sachrüge begründet.

1. Zwar ist das angefochtene Urteil nicht schon deshalb aufzuheben, weil – wie die GStA meint – ein Protokollurteil vorliege, bei dem die nachträgliche Urteilsbegründung gemäß § 77b II OWiG unzulässig sei.

a) Allerdings trifft die Ansicht der GStA zur Frage der unzulässigen Begründung eines zunächst ohne Gründe zugestellten Protokollurteils im Ausgangspunkt zu. Die Anfertigung der Urteilsgründe ist, wenn das Gericht ein sog. Protokollurteil aus dem inneren Dienstbereich herausgegeben hat, grundsätzlich unzulässig, es sei denn, es liegen die Voraussetzungen für eine nachträgliche Urteilsbegründung nach § 77b II OWiG vor (st.Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 08.05.2013 – 4 StR 336/12 = BGHSt 58, 243 = DAR 2013, 477 = NJW 2013, 2837 = NZV 2013, 557 = NStZ 2013, 730; OLG Bamberg, Beschluss vom 06.06.2016 – 3 Ss OWi 646/16 = StraFo 2016, 385; 30.08.2016 – 2 Ss OWi 1105/16 = DAR 2017, 384, jew. m.w.N.). Mit der gerichtlichen Anordnung (§ 36 I 1 StPO) der Übersendung der Akten einschließlich eines ohne Gründe in das Hauptverhandlungsprotokoll aufgenommenen bzw. als Anlage zum Hauptverhandlungsprotokoll genommenen Urteils an die StA „gemäß § 41“ [StPO] hat sich der Tatrichter für die Hinausgabe einer nicht mit Gründen versehenen Urteilsfassung endgültig entschieden. Damit hat ein „Protokollurteil ohne Gründe“ den inneren Dienstbereich des Gerichts verlassen und ist mit der Zustellung an die StA nach außen in Erscheinung getreten. Da der Tatrichter in diesem Fall das Urteil der StA in Urschrift und eindeutig erkennbar im Wege der förmlichen Bekanntmachung einer Entscheidung zugeleitet hat, muss er sich an dieser Erklärung festhalten lassen (BGH a.a.O. m.w.N.).

b) Indes sind die Voraussetzungen der hier allein in Betracht kommenden Bestimmung des § 77b II Alt. 2 OWiG für eine nachträgliche Anfertigung der Urteilsgründe erfüllt (BGH, Beschluss vom 13.03.1997 – 4 StR 455/96 = BGHSt 43, 22 = VkBl. 1997, 498 = EBE/BGH 1997, 154 = NJW 1997, 1862 = MDR 1997, 682 = NZV 1997, 315 = ZfS 1997, 274 = VersR 1997, 984 = DAR 1997, 316 = BGHR OWiG § 77b Nachholen der Urteilsbegründung 1 = VRS 93 [1997], 309 = VM 1998, Nr 2 = JR 1998, 74 = NStZ 1998, 454). Hiernach ist bei Einlegung der Rechtsbeschwerde durch die StA, die nicht an der Hauptverhandlung teilgenommen hat, eine Nachholung der Urteilsbegründung innerhalb der Frist des § 275 I 2 StPO gestattet.

c) Etwas anderes gilt auch nicht etwa deshalb, weil die StA vor der Hauptverhandlung eine Urteilsbegründung verlangt hatte. Zwar ist in diesem Fall § 77b I 2 Halbs. 2 OWiG eine schriftliche Urteilsbegründung - in Abweichung von § 77b I S. 1 und 2 Halbs. 1 OWiG - erforderlich. Damit ist aber keineswegs die in § 77b II Alt. 2 OWiG vorgesehene nachträgliche Anfertigung der Urteilsgründe untersagt. Vielmehr kann (und muss) der Tatrichter, der zunächst ein Urteil ohne Gründe zugestellt hat, die Anfertigung der Urteilsgründe auch dann nachholen, wenn die StA vor der Hauptverhandlung die Urteilsbegründung beantragt hatte. Die gesetzliche Regelung ist insoweit eindeutig. Die Bestimmung des § 77b II Alt. 2 OWiG, durch welche die nachträgliche Anfertigung der Urteilsgründe ausdrücklich gestattet wird, nimmt ausschließlich auf § 77b I S. 2 Halbs. 1 OWiG Bezug. Mit der Verweisung fordert das Gesetz allein, dass die StA nicht an der Hauptverhandlung teilgenommen hat. Die Frage, ob die StA vorher einen Antrag auf Urteilsbegründung nach § 77b I 2 Halbs. 2 OWiG gestellt hat, ist mithin völlig irrelevant (im Ergebnis ebenso BGH a.a.O. Rn. 20, der darauf hinweist, dass nach dem Wortlaut des § 77b II OWiG die Zulässigkeit der nachträglichen Urteilsbegründung nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass die StA vor der Hauptverhandlung eine schriftliche Urteilsbegründung verlangt hat). Eine entgegen dem klaren Gesetzeswortlaut einschränkende Interpretation des § 77b II OWiG auf den Fall, dass die StA keinen Antrag auf schriftliche Urteilsbegründung gestellt hat (so etwa OLG Celle, Beschluss vom 19.07.1988 – 3 Ss [OWi] 156/88 = VRS 76 [1989], 33) ist auch nicht durch den Normzweck geboten. Vielmehr würde dies der Ratio des § 77b OWiG, der auf Prozesswirtschaftlichkeit angelegt ist, zuwiderlaufen (BGH a.a.O.).

d) Es bedurfte auch keiner Ermittlungen, weshalb die Tatrichterin das Protokollurteil an die StA zugestellt hatte, insbesondere ob sie den vorher gestellten Antrag der StA auf schriftliche Urteilsbegründung „übersehen“ hat oder ob andere Gründe hierfür ausschlaggebend waren. Auch wenn der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13.03.1997 (a.a.O.) die Konstellation zugrunde lag, dass das AG den Begründungsantrag der StA „übersehen“ hatte, ist dies nicht etwa als zusätzliche, vom Gesetz nicht vorgesehene Prämisse für die nachträgliche Begründung des Urteils zu verstehen, sondern ist Ausfluss der insoweit vom vorlegenden OLG gestellten Vorlagefrage. Denn wenn der Bundesgerichtshof – wie bereits dargelegt – eine nachträgliche Begründung des Urteils auch dann mit Wortlaut und Normzweck für vereinbar hält, wenn vor der Hauptverhandlung ein Begründungsantrag gestellt worden war, kann es auf ein „Übersehen“ eines solchen Antrags für die Zulässigkeit der nachträglichen Anfertigung der Urteilsgründe von vornherein nicht ankommen.

2. Das angefochtene Urteil kann aber deswegen keinen Bestand haben, weil das AG mit rechtsfehlerhafter Begründung von der Anordnung des an sich verwirkten Regelfahrverbots abgesehen hat.

a) Gegen den Betr. kommt gemäß §§ 24, 25 I 1 StVG, § 4 I 1 Nr. 1 BKatV i.V.m. lfd. Nr. 11.3.8 Tab. 1 BKat neben einer Geldbuße die Anordnung eines Fahrverbots für die Dauer eines Monats wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers in der Regel in Betracht, weil er, wie aufgrund des der wirksamen Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch nach § 67 II OWiG feststeht, die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften und 53 km/h überschritten hat. Die diesbezügliche Beweiswürdigung zur Geschwindigkeitsüberschreitung, die das AG vorgenommen hat, war wegen der horizontalen Teilrechtskraft des Bußgeldbescheids, die infolge der wirksamen Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch eintrat, nicht nur überflüssig, sondern auch unzulässig, weil aufgrund dieser prozessualen Situation der Schuldspruch der Entscheidungsbefugnis durch das AG entzogen war (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 07.08.2017 – 3 Ss OWi 996/17 = BA 55 [2018], 78 = NStZ-RR 2018, 89 [Ls]).

b) Die Begründung, mit der das AG von der Verhängung des Regelfahrverbots gegen den Betr. abgesehen hat, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

aa) Zwar folgt aus § 4 I 1 BKatV nicht, dass ausnahmslos ein Fahrverbot zu verhängen wäre. Vielmehr steht dem Tatrichter ein Ermessensspielraum zu, um Verstößen im Straßenverkehr mit der im Einzelfall angemessenen Sanktion zu begegnen (BVerfG [2. Kammer des 2. Senats], Beschluss vom 24.03.1996 – 2 BvR 616/91 = DAR 1996, 196 = ZfS 1996, 193 = NJW 1996, 1809 = NZV 1996, 284 = VD 1996, 177 = NStZ 1996, 391 = VM 1996, Nr 79 = DVBl. 1996, 1421). Die Frage, ob die Würdigung der Tat und der Persönlichkeit des Täters besondere Umstände ergibt, nach denen es ausnahmsweise der Warn- und Denkzettelfunktion eines Fahrverbots im Einzelfall nicht bedarf, liegt grundsätzlich in seinem Verantwortungsbereich. Der Tatrichter hat innerhalb des ihm eingeräumten Beurteilungsspielraums die Wertungen nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen zu treffen. Seine Entscheidung kann vom Rechtsbeschwerdegericht deshalb nur daraufhin überprüft werden, ob er sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat, weil er die anzuwendenden Rechtsbegriffe verkannt, die Grenzen des Ermessens durch unzulässige Erwägungen überschritten und sich nicht nach den Grundsätzen und Wertmaßstäben des Gesetzes gerichtet hat. In Zweifelsfällen hat das Rechtsbeschwerdegericht die Bewertung des Tatrichters zu respektieren, und zwar auch dann, wenn es selbst hinsichtlich der Frage des Fahrverbots zu einem abweichenden Ergebnis gelangte.

bb) Im vorliegenden Fall hat das AG jedoch mit rechtsfehlerhaften Erwägungen von der Anordnung des Regelfahrverbots Abstand genommen. Aufgrund der auch von den Gerichten zu beachtenden Vorbewertung des Verordnungsgebers in § 4 I BKatV ist das Vorliegen einer groben Pflichtverletzung i.S.d. § 25 I 1 [1. Alt.] StVG indiziert, so dass es regelmäßig der Anordnung eines Fahrverbotes als Denkzettel und Besinnungsmaßnahme bedarf (BGH, Beschluss vom 28.11.1991 – 4 StR 366/91 = BGHSt 38, 125 = ZfS 1992, 30 = NJW 1992, 446 = VM 1992, Nr 11 = NStZ 1992, 135 = DAR 1992, 69 = ZAP Fach 9 R, 13 = NZV 1992, 117 = MDR 1992, 275 = BGHR StVG § 25 Fahrverbot 1 = NJ 1992, 174 = VRS 82 [1992], 216; 17.03.1992 – 4 StR 367/91 = BGHSt 38, 231 = NJW 1992, 1397 = ZfS 1992, 214 = NZV 1992, 286 = MDR 1992, 703 = DAR 1992, 265 = BGHR StVG § 25 Fahrverbot 2 = VM 1992, Nr 68 = VRS 83 [1992], 212; st.Rspr. des Senats, vgl. zuletzt nur OLG Bamberg, Beschluss vom 04.05.2017 – 3 Ss OWi 550/17 = BA 54, 383; 27.01.2017 – 3 Ss OWi 50/17 = VM 2017, Nr 25 = OLGSt OWiG § 11 Nr. 6). Diese Bindung der Sanktionspraxis dient nicht zuletzt der Gleichbehandlung der Verkehrsteilnehmer und der Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit der durch bestimmte Verkehrsverstöße ausgelösten Rechtsfolgen (BVerfG a.a.O.; OLG Bamberg a.a.O.). Demgemäß entspricht es gefestigter höchstrichterlicher und obergerichtlicher Rechtsprechung, dass ein Absehen vom Regelfahrverbot auf Ausnahmefälle, wie etwa eines Augenblicksversagens (vgl. hierzu nur BGH, Beschluss vom 11.09.1997 – 4 StR 638/96 = BGHSt 43, 241 = NJW 1997, 3252 = MDR 1997, 1024 = ZfS 1997, 432 = DAR 1997, 450 = NZV 1997, 525 = BGHR StVG § 25 Fahrverbot 4 = VersR 1998, 204 = VRS 94 [1998], 221 = VM 1998, Nr 30; OLG Bamberg, Beschl. vom 04.01.2016 - 3 Ss OWi 1490/15 = OLGSt StVG § 25 Nr 65; 22.12.2015 - 3 Ss OWi 1326/15 [bei juris], jew. m.w.N.) oder eines sonstigen Härtefalls, wie etwa der Bedrohung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage durch die Vollstreckung des Fahrverbots (st.Rspr., vgl. hierzu nur OLG Bamberg, Beschluss vom 09.11.2017 – 3 Ss OWi 1556/17 = DAR 2018, 91 = StraFo 2018, 84 = VM 2018, Nr 18; 07.08.2017 – 3 Ss OWi 996/17 = BA 55 [2018], 78; 04.05.2017 – 3 Ss OWi 550/17 = BA 54 [2017], 383; 17.01.2017 - 3 Ss OWi 1620/16 = ZfS 2017, 233), beschränkt sein muss.

c) Ein derartiger Ausnahmefall liegt indes nicht vor.

aa) Soweit das AG ohne weiteres und deshalb per se fragwürdig allein aufgrund des Umstandes, dass es sich um einen „kurzfristigen Überholvorgang“ gehandelt habe, ein Augenblicksversagen angenommen hat, ist dies schon deswegen rechtsfehlerhaft, weil der Betr., wovon aufgrund des rechtskräftigen Schuldspruchs ausgegangen werden muss, vorsätzlich gehandelt hat. Ein Augenblicksversagen ist nur im Falle einer momentanen Unaufmerksamkeit bzw. eines kurzzeitiges Fehlverhaltens gegeben (BGH, Urt. v. 29.01.2003 - IV ZR 173/01 = NJW 2003, 1118 = VersR 2003, 364 = ZfS 2003, 242 = DAR 2003, 217 = VRS 105 [2003], 118 = BGHR VVG § 61 Fahrlässigkeit, grobe 9 = Schaden-Praxis 2003, 173 = MDR 2003, 505), wie es auch dem sorgfältigen und pflichtbewussten Kraftfahrer unterlaufen kann (BGH, Beschluss vom 11.09.1997 – 4 StR 638/96 a.a.O.; Urt. v. 29.01.2003 - IV ZR 173/01 = NJW 2003, 1118 = VersR 2003, 364 = ZfS 2003, 242 = DAR 2003, 217 = VRS 105 [2003], 118 = BGHR VVG § 61 Fahrlässigkeit, grobe 9 = Schaden-Praxis 2003, 173 = MDR 2003, 505; OLG Bamberg, Beschluss vom 27.01.2017 – 3 Ss OWi 50/17 = VM 2017, Nr 25 = OLGSt OWiG § 11 Nr 6; 04.01.2016 - 3 Ss OWi 1490/15 [bei juris]). Es ist mithin dadurch gekennzeichnet, dass der Handelnde für eine kurze Zeit die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (BGH, Urt. v. 10.05.2011 – VI ZR 196/10 = VersR 2011, 916 = RuS 2011, 290 = MDR 2011, 848 = Grundeigentum 2011, 950 = NJW-RR 2011, 1055 = ZfS 2011, 571 = WuM 2011, 575 = NZM 2011, 894; OLG Bamberg, Beschluss vom 22.12.2015 – 3 Ss OWi 1326/15 = OLGSt StVG § 25 Nr 64 jew. m.w.N.), kommt also von vornherein nur bei einfacher Fahrlässigkeit in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 11.09.1997 – 4 StR 638/96 [a.a.O.]; OLG Bamberg, Beschluss vom 01.12.2015 – 3 Ss OWi 834/15 = StraFo 2016, 116 = OLGSt OWiG § 11 Nr 5) und scheidet deshalb aus, wenn der Betr. - wie hier - vorsätzlich gehandelt und sich damit bewusst über das Recht hinweggesetzt hat.

bb) Die weiteren Erwägungen, mit denen das AG von der Anordnung des Regelfahrverbots abgesehen hat, halten rechtlicher Nachprüfung ebenfalls nicht stand. Es wird zwar von beruflichen Schwierigkeiten gesprochen, freilich ohne insoweit auch nur annähernd eine Beweiswürdigung vorzunehmen. Ein besonderer Härtefall, etwa in Form einer Existenzgefährdung durch den drohenden Verlust des Arbeitsplatzes oder dergleichen, wodurch es gerechtfertigt sein könnte, von der Verhängung des Regelfahrverbots abzusehen, ist gerade nicht festgestellt. Berufliche Schwierigkeiten, denen überdies durch entsprechende Maßnahmen wie etwa zumindest teilweise Überbrückung durch Urlaub, Inanspruchnahme von öffentlichen Verkehrsmitteln, Taxis, Fahrdienste von Angehörigen oder notfalls vorübergehende Einstellung eines Fahrers begegnet werden kann, sind vom Betr. hinzunehmen (vgl. nur OLG Bamberg, Beschluss vom 22.02.2017 – 3 Ss OWi 178/17 = DAR 2017, 384 = VM 2017, Nr 38) und rechtfertigen schon wegen des Gebots der Gleichbehandlung eine Ausnahme vom verwirkten Regelfahrverbot nicht.

3. Der Senat sieht, nachdem keine weiteren Feststellungen erforderlich sind, davon ab, die Sache an das AG zurückzuverweisen, sondern macht von der Möglichkeit zur eigenen Sachentscheidung (§ 79 Abs. 6 OWiG) Gebrauch.

a) Für den vorsätzlich verwirklichten Verstoß ist die vorgesehene Regelgeldbuße in Höhe von 480 € (§ 4 I Nr. 1 BKatV i.V.m. Nr. 11.3.8 der Anlage zu § 1 I BKatV i.V.m. § 3 IVa BKatV), von der abzuweichen kein Anlass besteht, angemessen.

b) Außerdem wird das Regelfahrverbot wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers (§ 25 I 1 [1. Alt.] StVG i.V.m. § 4 I Nr. 1 BKatV i.V.m. Nr. 11.3.8 der Anlage zu § 1 I BKatV) verhängt. Einen Härtefall in Form einer Existenzgefährdung kann der Senat aufgrund der vom AG getroffenen Feststellungen ausschließen. Auch sonst sind keine Besonderheiten gegeben, die Anlass für ein Absehen von der Anordnung des Regelfahrverbots sein könnten.

b) Die Anordnung des beschränkten Vollstreckungsaufschubs hinsichtlich des Fahrverbots hat in § 25 IIa 1 StVG ihre Grundlage. […]

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 79 Rechtsbeschwerde


(1) Gegen das Urteil und den Beschluß nach § 72 ist Rechtsbeschwerde zulässig, wenn 1. gegen den Betroffenen eine Geldbuße von mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist,2. eine Nebenfolge angeordnet worden ist, es sei denn, daß es sich

Straßenverkehrsgesetz - StVG | § 25 Fahrverbot


(1) Wird gegen die betroffene Person wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24 Absatz 1, die sie unter grober oder beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, eine Geldbuße festgesetzt, so kann ihr die Verwaltungsbeh

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 61 Beratungs- und Dokumentationspflichten des Versicherungsvermittlers


(1) Der Versicherungsvermittler hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedü

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 11 Irrtum


(1) Wer bei Begehung einer Handlung einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Die Möglichkeit der Ahndung wegen fahrlässigen Handelns bleibt unberührt. (2) Fehlt dem Täter bei Begehung der Handlung

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 77b Absehen von Urteilsgründen


(1) Von einer schriftlichen Begründung des Urteils kann abgesehen werden, wenn alle zur Anfechtung Berechtigten auf die Einlegung der Rechtsbeschwerde verzichten oder wenn innerhalb der Frist Rechtsbeschwerde nicht eingelegt wird. Hat die Staatsanwal

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Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 336/12
vom
8. Mai 2013
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
____________________________
Im Bußgeldverfahren dürfen die Urteilsgründe auch dann innerhalb der Frist
des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO zu den Akten gebracht werden, wenn der
Staatsanwaltschaft, die an der Hauptverhandlung nicht teilgenommen hat, auf
Veranlassung des Richters zunächst ein von diesem unterzeichnetes Hauptverhandlungsprotokoll
, das bereits alle nach § 275 Abs. 3 StPO erforderlichen
Angaben enthält und dem ein ebenfalls durch den Richter unterzeichnetes Urteilsformular
mit vollständigem Tenor und der Liste der angewandten Vorschriften
als Anlage beigefügt ist, mit der Bitte um Kenntnisnahme vom Protokoll der
Hauptverhandlung sowie der Anfrage zugeleitet worden ist, ob auf Rechtsmittel
verzichtet werde, und der Betroffene, dessen Verzichtserklärung nicht gemäß
§ 77b Abs. 1 Satz 3 OWiG entbehrlich war, nachfolgend Rechtsbeschwerde
eingelegt hat.
BGH, Beschluss vom 8. Mai 2013 – 4 StR 336/12 – OLG Oldenburg
in der Bußgeldsache
gegen
wegen Führens eines Kraftfahrzeugs unter Einfluss von Alkohol mit einer
Blutalkoholkonzentration von 0,5 Promille oder mehr
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Betroffenen am 8. Mai 2013 beschlossen:
Im Bußgeldverfahren dürfen die Urteilsgründe auch dann innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO zu den Akten gebracht werden, wenn der Staatsanwaltschaft, die an der Hauptverhandlung nicht teilgenommen hat, auf Veranlassung des Richters zunächst ein von diesem unterzeichnetes Hauptverhandlungsprotokoll , das bereits alle nach § 275 Abs. 3 StPO erforderlichen Angaben enthält und dem ein ebenfalls durch den Richter unterzeichnetes Urteilsformular mit vollständigem Tenor und der Liste der angewandten Vorschriften als Anlage beigefügt ist, mit der Bitte um Kenntnisnahme vom Protokoll der Hauptverhandlung sowie der Anfrage zugeleitet worden ist, ob auf Rechtsmittel verzichtet werde, und der Betroffene, dessen Verzichtserklärung nicht gemäß § 77b Abs. 1 Satz 3 OWiG entbehrlich war, nachfolgend Rechtsbeschwerde eingelegt hat.

Gründe:


I.


1
1. Das Amtsgericht Papenburg hat den Betroffenen durch Urteil vom 2. März 2012 wegen Führens eines Kraftfahrzeugs unter Einfluss von Alkohol mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,5 Promille oder mehr zu einer Geld- buße von 500 € verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Die Staatsanwaltschaft hatte an der Hauptverhandlung nicht teilgenommen und eine Begründung des Urteils nur für den Fall beantragt, dass nicht auf ein Fahrverbot erkannt werde.
2
Mit Verfügung vom selben Tag hat das Amtsgericht Papenburg die Akten der Staatsanwaltschaft Osnabrück mit der Bitte um Kenntnisnahme vom Protokoll der Hauptverhandlung und der Anfrage zugeleitet, ob auf Rechtsmittel und Begründung des Urteils verzichtet werde. Zugleich bestimmte das Gericht eine Wiedervorlagefrist von zwei Wochen mit dem in Klammern gesetzten Zusatz „fallskein Rechtsmittel abgekürztes Urteil vorbereiten: Gründe: Von einer Begründung des Urteils ist abgesehen worden, § 77b Abs. 1 OWiG. Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs. 1 StPO i.V.m. §§ 105 Abs. 1, 46 Abs. 1 OWiG“. Aus dem in den Akten befindlichen und vom Richter unterzeichneten Protokoll der Hauptverhandlung ergibt sich u.a., dass das „aus der Anlage er- sichtliche Urteil“ durch Verlesung der Urteilsformel und durch mündliche Mittei- lung des wesentlichen Inhalts der Urteilsgründe verkündet wurde. Bei diesem dem Protokoll als Anlage beigefügten Schriftstück handelt es sich um einen von dem Tatrichter ausgefüllten Vordruck, der – handschriftlich ergänzt – den vollständigen Urteilstenor nebst den angewendeten Vorschriften enthält und vom Richter unterzeichnet ist.
3
Die Staatsanwaltschaft hat die Akten ausweislich eines Stempelvermerks „nach Kenntnisnahme und Zustellung“ mit dem handschriftlichen Zusatz „Rechtsmittelverzicht“ am 8. März 2012 zurückgesandt. Am selben Tag hat der Betroffene per Telefax Rechtsbeschwerde gegen das Urteil eingelegt. Die Akten gingen am 12. März 2012 beim Amtsgericht ein.
4
Am 4. April 2012 hat das Amtsgericht ein mit Gründen versehenes Urteil zu den Akten gebracht und zugleich dessen Zustellung an die Staatsanwalt- schaft „gemäß § 41 StPO“ verfügt. Diese hat die Akten wiederum mit dem Stempelvermerk „nach Kenntnisnahme und Zustellung“ am 12. April 2012 zu- rückgesandt.
5
Dem Verteidiger ist das Urteil am 10. April 2012 zugestellt worden. Dieser hat die Rechtsbeschwerde mit einem am 8. Mai 2012 beim Amtsgericht Papenburg eingegangenen Schriftsatz unter Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch begründet. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt , das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch zu ändern und festzustellen , dass das Fahrverbot durch die Zeit der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis bereits abgegolten sei.
6
2. Das zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde berufene Oberlandesgericht Oldenburg beabsichtigt, das mit Gründen versehene Urteil seiner auf die Sachrüge hin vorzunehmenden Prüfung zu Grunde zu legen. Da das Urteil ausreichende Feststellungen zu der dem Betroffenen angelasteten Ordnungswidrigkeit enthalte und deshalb eine vom Schuldspruch losgelöste rechtliche und tatsächliche Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs möglich sei, erweise sich die Beschränkung des Rechtsmittels als wirksam. Durch die Übersendung des Hauptverhandlungsprotokolls (mit handschriftlich ergänztem Urteilsvordruck) lediglich zum Zwecke der Kenntnisnahme vom Ausgang des Verfahrens habe das Gericht sich ersichtlich vorbehalten, ein schriftliches Urteil innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO abzusetzen.
7
An der beabsichtigten Vorgehensweise sieht sich das Oberlandesgericht Oldenburg jedoch durch den Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg vom 10. November 2011 – 3 Ss OWi 1444/11 – gehindert. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Bamberg liegt eine die nachträgliche Anfertigung von Urteilsgründen innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO sperrende Hinaus- gabe eines sog. „Protokollurteils“ auch dann vor, wenn das ohne Gründe in das Hauptverhandlungsprotokoll aufgenommene oder diesem als Anlage beigegebene bzw. nachgeheftete Urteil zur Herbeiführung einer (frühzeitigen) Rechtsmittelerklärung der Staatsanwaltschaft auf gerichtliche Anordnung der Staatsanwaltschaft bekannt gegeben wird. Es sei insbesondere auch ohne Belang, ob die Bekanntgabe zur Zustellung (§ 41 StPO) oder aber nur „zur Kenntnis“ des Hauptverhandlungsprotokolls und unter dem ausdrücklichen „Vorbehalt“ einer (späteren) Urteilszustellung gemäß § 41 StPO erfolge.
8
Das vorlegende Oberlandesgericht Oldenburg teilt die Auffassung des Oberlandesgerichts Bamberg nicht. Es entspreche allgemeiner Auffassung, dass ein vollständig in das Sitzungsprotokoll aufgenommenes oder diesem als Anlage beigefügtes Urteil unbeschadet der in § 77b Abs. 2 OWiG geregelten Ausnahmen nicht mehr verändert werden dürfe, sobald es dadurch auf Anordnung des Gerichts aus dessen innerem Dienstbereich herausgegeben worden sei, dass es der Staatsanwaltschaft zum Zwecke der Zustellung gemäß § 41 StPO übersandt worden sei. Im vorliegenden Fall habe jedoch noch kein „Urteil“ in diesem Sinne den Dienstbereich verlassen. Sowohl im Strafverfahren als auch im Bußgeldverfahren sei dem Gericht die Möglichkeit eröffnet, das Urteil entweder schriftlich zu den Akten zu geben oder vollständig in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen. Während sich im Strafverfahren bereits aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ergebe, ob das Gericht unter Aufnahme der vollstän- digen Urteilsgründe ein „Protokollurteil“ habe fertigen wollen oder aber beab- sichtige, das Urteil im Nachhinein schriftlich niederzulegen, finde in Bußgeldsachen eine entsprechende Entscheidung des Richters nicht zwingend Nieder- schlag im Protokoll. Denn hier bestehe die zusätzliche Möglichkeit, unter den Voraussetzungen des § 77b OWiG von Urteilsgründen gänzlich abzusehen. Ebenso wie es im Strafverfahren im Ermessen des Vorsitzenden stehe zu entscheiden , ob das Urteil in das Protokoll aufgenommen oder schriftlich zu den Akten gegeben werde, bedürfe es auch im Bußgeldverfahren einer Ermessensentscheidung des erkennenden Richters. Obwohl jedes Hauptverhandlungsprotokoll zwingend die erforderlichen Bestandteile eines der Gründe entkleideten Urteils enthalte, liege ein „Protokollurteil“ erst dann vor, wenn der Tatrichter die Entscheidung getroffen habe, es hierbei zu belassen und von einer schriftlichen Begründung abzusehen. Eine derartige Entscheidung habe der Richter erkennbar zum Ausdruck gebracht, wenn er die Akten gemäß § 41 StPO der Staatsanwaltschaft zum Zwecke der Zustellung zuleite. Andernfalls liege in der (formlosen ) Zuleitung nur die Übersendung des Hauptverhandlungsprotokolls, die keine Sperrwirkung für die nachträgliche Fertigung von Urteilsgründen entfalte.
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Das Oberlandesgericht Oldenburg hat die Sache daher dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung folgender Rechtsfrage vorgelegt: „Ist ein nachträgliches Absetzen der Urteilsgründe innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO vorgesehenen Frist in Bußgeldsachen zulässig, wenn der zu einer zweihundertfünfzig Euro übersteigenden Geldbuße verurteilte Betroffene von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen entbunden war und in der Hauptverhandlung durch einen Verteidiger vertreten wurde, die Staatsanwaltschaft nicht an der Hauptverhandlung teilgenommen hat und dieser zunächst ein durch den Richter unterzeichnetes Hauptverhandlungsprotokoll, welches alle für den Urteilskopf nach § 275 Abs. 3 StPO erforderlichen Angaben enthält, nebst eines ebenfalls durch den Richter unterzeichneten, als Anlage zum Protokoll genommenen Urteilsformulars, welches den vollständigen Tenor sowie die Auflistung der angewandten Vorschriften enthält, auf Veranlassung des Tatrichters mit der Bitte um Kenntnisnahme vom Protokoll der Hauptverhandlung sowie der Anfrage, ob auf Rechtsmittel und Begründung des Urteils verzichtet werde, zugeleitet und nachfolgend seitens des Betroffenen Rechtsbeschwerde eingelegt worden ist?“
10
3. Der Generalbundesanwalt hat unter Zusammenfassung der Vorlegungsfrage beantragt zu beschließen: „Ein nachträgliches Absetzen der Urteilsgründe innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO vorgesehenen Frist ist in Bußgeldsachen auch dann zulässig, wenn der Staatsanwaltschaft bereits zuvor ein durch den Richter unterzeichnetes Hauptverhandlungsprotokoll, welches bereits alle für § 275 Abs. 3 StPO erforderlichen Angaben enthält, nebst eines ebenfalls durch den Richter unterzeichneten, als Anlage zum Protokoll genommenen Urteilsformulars, welches den vollständigen Tenor sowie die Auflistung der angewandten Vorschriften enthält, auf Veranlassung des Tatrichters mit der Bitte um Kenntnisnahme vom Protokoll der Hauptverhandlung sowie der Anfrage, ob auf Rechtsmittel und Begründung des Urteils verzichtet werde, zugeleitet wurde und nachfolgend seitens des Betroffenen Rechtsbeschwerde eingelegt worden ist.“

II.


11
1. Die Vorlegungsvoraussetzungen sind erfüllt. Die Vorschrift des § 121 Abs. 2 GVG ist gemäß § 79 Abs. 3 OWiG für die Rechtsbeschwerde im Sinne des Ordnungswidrigkeitengesetzes entsprechend heranzuziehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. März 1992 – 2 StR 371/91, BGHSt 38, 251, 254, und vom 18. Juli 2012 – 4 StR 603/11, BGHSt 57, 282). Das Oberlandesgericht Oldenburg kann nicht seiner Absicht gemäß entscheiden, ohne von der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Bamberg abzuweichen. Dürfte das nachträglich zu den Akten gebrachte Urteil der Überprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht zu Grunde gelegt werden, wäre die Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch mangels tatsächlicher Feststellungen zum Schuldspruch unwirksam und das Urteil müsste schon aus diesem Grund insgesamt aufgehoben werden (vgl. BGH, Beschluss vom 13. März 1997 – 4 StR 455/96, BGHSt 43, 22, 25).
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2. In der Vorlegungsfrage teilt der Senat die Auffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts Oldenburg. Das Amtsgericht Papenburg durfte die Urteilsgründe nachträglich innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO zu den Akten bringen. Dieses mit Gründen versehene Urteil ist der im Rechtsbeschwerdeverfahren vorzunehmenden Prüfung zu Grunde zu legen.
13
Der Senat hat die zu beantwortende Rechtsfrage lediglich aus Gründen der Übersichtlichkeit nach Maßgabe der Beschlussformel zum Teil neu gefasst.
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a) Die Bestimmung des § 275 Abs. 1 StPO gilt gemäß § 46 Abs. 1, § 71 Abs. 1 OWiG im gerichtlichen Bußgeldverfahren entsprechend (vgl. BayObLG, NJW 1976, 2273; Göhler/Seitz, OWiG, 16. Aufl., § 71 Rn. 45). Dies bedeutet, dass das vollständige Urteil unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO zu den Akten gebracht werden muss, sofern es nicht bereits vollständig in das Protokoll aufgenommen wurde. Liegt ein sog. „Protokollurteil“ vor, gelten die Fristen für die Urteilsabsetzung nach § 275 Abs. 1 StPO nicht (vgl. KG, NZV 1992, 332; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 275 Rn. 1).
15
Wie im Strafverfahren steht es auch im Bußgeldverfahren im nicht anfechtbaren Ermessen des Vorsitzenden zu entscheiden, ob das Urteil mit den Gründen als besondere Niederschrift (also mit Urteilskopf, Urteilsformel und Gründen) zu den Akten zu bringen ist oder die Gründe vollständig in das Protokoll mit aufzunehmen sind (vgl. Göhler/Seitz, OWiG, 16. Aufl., § 71 Rn. 45; Stuckenberg in LR-StPO, 26. Aufl., § 275 Rn. 19). Hinsichtlich Form und Inhalt unterliegt das in das Protokoll aufgenommene Urteil den gleichen Anforderungen wie die in einer getrennten Urkunde erstellten Urteile (vgl. RGSt 19, 233). Wenn sich die nach § 275 Abs. 3 StPO erforderlichen Angaben bereits aus dem Protokoll ergeben, ist ein besonderer Urteilskopf jedoch entbehrlich. Die Urteilsformel und die Gründe müssen im Protokoll von sämtlichen mitwirkenden Richtern unterschrieben werden (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 275 Rn. 1).
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b) Im Bußgeldverfahren eröffnet § 77b Abs. 1 OWiG – über § 267 Abs. 4 und Abs. 5 Satz 2 StPO hinausgehend – aus Gründen der Verfahrensvereinfachung und zur Entlastung der Tatsacheninstanz die Möglichkeit, von einer schriftlichen Begründung des Urteils gänzlich abzusehen (vgl. KK-Senge, OWiG, 3. Aufl., § 77b Rn. 1). Dies ist dann der Fall, wenn alle zur Anfechtung Berechtigten auf die Einlegung der Rechtsbeschwerde verzichtet haben oder wenn innerhalb der Frist keine Rechtsbeschwerde eingelegt wird (§ 77b Abs. 1 Satz 1 OWiG) oder wenn die Verzichtserklärungen der Staatsanwaltschaft und des Betroffenen ausnahmsweise entbehrlich sind (§ 77b Abs. 1 Sätze 2 und 3 OWiG). Im Bußgeldverfahren steht somit der Umstand, dass in dem Hauptverhandlungsprotokoll keine Urteilsgründe niedergelegt sind, der Annahme eines im Sinne von § 46 Abs. 1, § 71 Abs. 1 OWiG, § 275 Abs. 1 Satz 1 StPO voll- ständig in das Sitzungsprotokoll aufgenommenen Urteils nicht entgegen. Es genügt, dass das Hauptverhandlungsprotokoll alle für den Urteilskopf nach § 275 Abs. 3 StPO erforderlichen Angaben sowie den vollständigen Tenor einschließlich der angewendeten Vorschriften enthält und von dem erkennenden Richter unterzeichnet ist (vgl. OLG Bamberg, ZfS 2009, 175; StraFo 2010, 468; OLG Celle, NZV 2012, 45, 46; KG, NZV 1992, 332; OLG Oldenburg, NZV 2012, 352).
17
c) Es entspricht gefestigter Rechtsprechung und einer verbreiteten Meinung in der Literatur, dass die nachträgliche Ergänzung eines Urteils grundsätzlich nicht zulässig ist – und zwar auch nicht innerhalb der Urteilsabsetzungsfrist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO –, wenn es bereits aus dem inneren Dienstbereich des Gerichts herausgegeben worden ist (BGH, Beschluss vom 13. März 1997 – 4 StR 455/96, BGHSt 43, 22, 26 mwN). Für das Bußgeldverfahren folgt daraus, dass ein vollständig in das Sitzungsprotokoll aufgenommenes, nicht mit Gründen versehenes Urteil, das den inneren Dienstbereich des Gerichts bereits verlassen hat, nicht mehr verändert werden darf, es sei denn, die nachträgliche Urteilsbegründung ist gemäß § 77b Abs. 2 OWiG zulässig (vgl. OLG Bamberg, ZfS 2009, 175; StraFo 2010, 468; Brandenburgisches OLG, VRS 122, 151; OLG Celle, VRS 75, 461; NStZ-RR 2000, 180; NZV 2012, 45; OLG Dresden, NZV 2012, 557; KG, NZV 1992, 332; OLG Oldenburg, NZV 2012, 352, 353). Die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise nachträgliche Ergänzung der Urteilsgründe waren im vorliegenden Fall schon deshalb nicht gegeben, weil der Betroffene zu einer 250 € übersteigenden Geldbuße verurteilt worden ist (§ 77b Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 OWiG). Gleichwohl durfte das Amtsgericht die Urteilsgründe innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO zu den Akten bringen. Denn durch die Übersendung des Hauptverhandlungsprotokolls an die Staatsanwaltschaft zum Zwecke der Kenntnisnahme ist noch keine die nach- trägliche Fertigung von Urteilsgründen sperrende Hinausgabe eines „Protokollurteils“ erfolgt. Diesergibt sich hier unzweifelhaft aus dem Vorbehalt, den der Richter in die Begleitverfügung aufgenommen hat.
18
d) Die Entscheidung, ob ein Urteil als verfahrensabschließend gewollt ist und deshalb aus dem inneren Dienstbetrieb herausgegeben werden soll, trifft der erkennende Richter (vgl. BGH, Beschluss vom 6. August 2004 – 2 StR 523/03, BGHSt 49, 230, 234). Voraussetzung für die Annahme der Hinausgabe eines nicht begründeten „Protokollurteils“ ist der erkennbar zum Aus- druck gebrachte Wille des Gerichts, dass es von den Möglichkeiten des § 77b Abs. 1 OWiG sowie des § 275 Abs. 1 Satz 1 StPO in Verbindung mit § 71 Abs. 1 OWiG Gebrauch macht, also von einer schriftlichen Begründung des Urteils gänzlich absieht und das Urteil allein durch Aufnahme in das Hauptverhandlungsprotokoll fertigt (vgl. OLG Celle, VRS 75, 461, 462). Der Richter muss sich bewusst für eine derart abgekürzte Fassung des Urteils entschieden haben (vgl. OLG Bamberg, ZfS 2009, 175; KG, NZV 1992, 332). Solange ein Urteil bewusst unvollständig ist, also noch keine endgültig gebilligte Urteilsfassung vorliegt, ist es nicht Bestandteil der Akten, und zwar selbst dann nicht, wenn der Entwurf diesen einliegen sollte (Stuckenberg in LR-StPO, 26. Aufl., § 275 Rn. 3). Erst mit der gerichtlichen Anordnung (§ 36 Abs. 1 Satz 1 StPO) der Übersendung der Akten einschließlich eines ohne Gründe ins Hauptverhandlungsprotokoll aufgenommenen bzw. als Anlage zum Hauptverhandlungsprotokoll genommenen Urteils an die Staatsanwaltschaft „zur Zustellung gemäß § 41 StPO“ hat sich der Tatrichter für die Hinausgabe einer nicht mit Gründen versehenen Urteilsfassung endgültig entschieden. Damit hat ein „Protokollurteil ohne Gründe“ den inneren Dienstbereich des Gerichts verlassen und ist mit der Zu- stellung an die Staatsanwaltschaft nach außen in Erscheinung getreten. Da der Tatrichter in diesem Fall das Urteil der Staatsanwaltschaft in Urschrift und ein- deutig erkennbar im Wege der förmlichen Bekanntmachung einer Entscheidung zugeleitet hat, muss er sich an dieser Erklärung festhalten lassen (vgl. OLG Bamberg, ZfS 2009, 175; StraFo 2010, 468; Brandenburgisches OLG, VRS 122, 151; OLG Celle, VRS 75, 461; NStZ-RR 2000, 180; NZV 2012, 45, 46; OLG Oldenburg, NZV 2012, 352 f.). Dabei wird den Anforderungen an eine Zustellung gemäß § 41 StPO bereits dadurch genügt, dass die Staatsanwaltschaft aus der Übersendungsverfügung in Verbindung mit der aus den Akten zu ersehenden Verfahrenslage erkennen kann, mit der Übersendung an sie werde die Zustellung nach § 41 StPO bezweckt. Es bedarf keines ausdrücklichen Hinweises auf diese Vorschrift (vgl. RGSt 61, 351, 352; KK-Maul, StPO, 6. Aufl., § 41 Rn. 3; Graalmann-Scheerer in LR-StPO, 26. Aufl., § 41 Rn. 1).
19
Hat der Tatrichter demgegenüber lediglich die formlose Übersendung der Akten und des Hauptverhandlungsprotokolls an die Staatsanwaltschaft verfügt, um diese über den Ausgang des Verfahrens zu informieren und die Frage des Rechtsmittelverzichts möglichst frühzeitig zu klären, so behält er sich ersichtlich die Entscheidung vor, gegebenenfalls innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO ein mit Gründen versehenes Urteil als besondere Niederschrift zu den Akten zu bringen. Für die Annahme einer Zustellung im Sinne von § 41 StPO durch Vorlegung der Urschrift des Urteils ist kein Raum, weil auf Seiten des Tatrichters ein entsprechender Zustellungswille fehlt und dies in der Zuleitungsverfügung auch deutlich zum Ausdruck kommt (vgl. OLG Celle, VRS 75, 461, 462; NStZ-RR 2000, 180; NZV 2012, 45, 46; Göhler/Seitz, OWiG, 16. Aufl., § 77b Rn. 3, 8; KK-Senge, OWiG, 3. Aufl., § 77b Rn. 5, 15). Der Richter will dann noch kein fertiges Urteil in den Geschäftsgang geben. So verhielt es sich insbesondere in dem Fall, der dem Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg vom 10. November 2011 – 3 Ss OWi 1444/11 – zu Grunde lag. Auf den Willen und das Handeln der Staatsanwaltschaft, der zugestellt werden soll, kommt es dabei nicht an (vgl. RGSt 57, 55).
20
e) Dem Tatrichter die Möglichkeit zu nehmen, durch formlose Übersendung des Hauptverhandlungsprotokolls an die Staatsanwaltschaft frühzeitig zu klären, ob diese auf Rechtsmittel verzichtet, und damit Zeit für den Fall zu gewinnen , dass auch der Betroffene kein Rechtsmittel einlegt, würde zudem eine unnötige formale Beschränkung darstellen. Diese wäre mit dem Zweck des Bußgeldverfahrens, der auf eine einfache, schnelle und summarische Erledigung ausgerichtet ist (BGH, Beschluss vom 13. März 1997 – 4 StR 455/96, BGHSt 43, 22, 26), nicht vereinbar.
Roggenbuck Cierniak Franke
Bender Reiter

(1) Von einer schriftlichen Begründung des Urteils kann abgesehen werden, wenn alle zur Anfechtung Berechtigten auf die Einlegung der Rechtsbeschwerde verzichten oder wenn innerhalb der Frist Rechtsbeschwerde nicht eingelegt wird. Hat die Staatsanwaltschaft an der Hauptverhandlung nicht teilgenommen, so ist ihre Verzichterklärung entbehrlich; eine schriftliche Begründung des Urteils ist jedoch erforderlich, wenn die Staatsanwaltschaft dies vor der Hauptverhandlung beantragt hat. Die Verzichtserklärung des Betroffenen ist entbehrlich, wenn er von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden worden ist, im Verlaufe der Hauptverhandlung von einem Verteidiger vertreten worden ist und im Urteil lediglich eine Geldbuße von nicht mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist.

(2) Die Urteilsgründe sind innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 der Strafprozeßordnung vorgesehenen Frist zu den Akten zu bringen, wenn gegen die Versäumung der Frist für die Rechtsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 erster Halbsatz von der Staatsanwaltschaft oder in den Fällen des Absatzes 1 Satz 3 von dem Betroffenen Rechtsbeschwerde eingelegt wird.

(1) Wird gegen die betroffene Person wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24 Absatz 1, die sie unter grober oder beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, eine Geldbuße festgesetzt, so kann ihr die Verwaltungsbehörde oder das Gericht in der Bußgeldentscheidung für die Dauer von einem Monat bis zu drei Monaten verbieten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder oder einer bestimmten Art zu führen. Wird gegen die betroffene Person wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a eine Geldbuße festgesetzt, so ist in der Regel auch ein Fahrverbot anzuordnen.

(2) Das Fahrverbot wird mit der Rechtskraft der Bußgeldentscheidung wirksam. Für seine Dauer werden von einer deutschen Behörde ausgestellte nationale und internationale Führerscheine amtlich verwahrt. Dies gilt auch, wenn der Führerschein von einer Behörde eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ausgestellt worden ist, sofern der Inhaber seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat. Wird er nicht freiwillig herausgegeben, so ist er zu beschlagnahmen.

(2a) Ist in den zwei Jahren vor der Ordnungswidrigkeit ein Fahrverbot gegen die betroffene Person nicht verhängt worden und wird auch bis zur Bußgeldentscheidung ein Fahrverbot nicht verhängt, so bestimmt die Verwaltungsbehörde oder das Gericht abweichend von Absatz 2 Satz 1, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft der Bußgeldentscheidung in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

(2b) Werden gegen die betroffene Person mehrere Fahrverbote rechtskräftig verhängt, so sind die Verbotsfristen nacheinander zu berechnen. Die Verbotsfrist auf Grund des früher wirksam gewordenen Fahrverbots läuft zuerst. Werden Fahrverbote gleichzeitig wirksam, so läuft die Verbotsfrist auf Grund des früher angeordneten Fahrverbots zuerst, bei gleichzeitiger Anordnung ist die frühere Tat maßgebend.

(3) In anderen als in Absatz 2 Satz 3 genannten ausländischen Führerscheinen wird das Fahrverbot vermerkt. Zu diesem Zweck kann der Führerschein beschlagnahmt werden.

(4) Wird der Führerschein in den Fällen des Absatzes 2 Satz 4 oder des Absatzes 3 Satz 2 bei der betroffenen Person nicht vorgefunden, so hat sie auf Antrag der Vollstreckungsbehörde (§ 92 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten) bei dem Amtsgericht eine eidesstattliche Versicherung über den Verbleib des Führerscheins abzugeben. § 883 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.

(5) Ist ein Führerschein amtlich zu verwahren oder das Fahrverbot in einem ausländischen Führerschein zu vermerken, so wird die Verbotsfrist erst von dem Tag an gerechnet, an dem dies geschieht. In die Verbotsfrist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt wird.

(6) Die Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozessordnung) wird auf das Fahrverbot angerechnet. Es kann jedoch angeordnet werden, dass die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten der betroffenen Person nach Begehung der Ordnungswidrigkeit nicht gerechtfertigt ist. Der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis steht die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozessordnung) gleich.

(7) Wird das Fahrverbot nach Absatz 1 im Strafverfahren angeordnet (§ 82 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten), so kann die Rückgabe eines in Verwahrung genommenen, sichergestellten oder beschlagnahmten Führerscheins aufgeschoben werden, wenn die betroffene Person nicht widerspricht. In diesem Fall ist die Zeit nach dem Urteil unverkürzt auf das Fahrverbot anzurechnen.

(8) Über den Zeitpunkt der Wirksamkeit des Fahrverbots nach Absatz 2 oder 2a Satz 1 und über den Beginn der Verbotsfrist nach Absatz 5 Satz 1 ist die betroffene Person bei der Zustellung der Bußgeldentscheidung oder im Anschluss an deren Verkündung zu belehren.

(1) Wer bei Begehung einer Handlung einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Die Möglichkeit der Ahndung wegen fahrlässigen Handelns bleibt unberührt.

(2) Fehlt dem Täter bei Begehung der Handlung die Einsicht, etwas Unerlaubtes zu tun, namentlich weil er das Bestehen oder die Anwendbarkeit einer Rechtsvorschrift nicht kennt, so handelt er nicht vorwerfbar, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte.

(1) Wird gegen die betroffene Person wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24 Absatz 1, die sie unter grober oder beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, eine Geldbuße festgesetzt, so kann ihr die Verwaltungsbehörde oder das Gericht in der Bußgeldentscheidung für die Dauer von einem Monat bis zu drei Monaten verbieten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder oder einer bestimmten Art zu führen. Wird gegen die betroffene Person wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a eine Geldbuße festgesetzt, so ist in der Regel auch ein Fahrverbot anzuordnen.

(2) Das Fahrverbot wird mit der Rechtskraft der Bußgeldentscheidung wirksam. Für seine Dauer werden von einer deutschen Behörde ausgestellte nationale und internationale Führerscheine amtlich verwahrt. Dies gilt auch, wenn der Führerschein von einer Behörde eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ausgestellt worden ist, sofern der Inhaber seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat. Wird er nicht freiwillig herausgegeben, so ist er zu beschlagnahmen.

(2a) Ist in den zwei Jahren vor der Ordnungswidrigkeit ein Fahrverbot gegen die betroffene Person nicht verhängt worden und wird auch bis zur Bußgeldentscheidung ein Fahrverbot nicht verhängt, so bestimmt die Verwaltungsbehörde oder das Gericht abweichend von Absatz 2 Satz 1, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft der Bußgeldentscheidung in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

(2b) Werden gegen die betroffene Person mehrere Fahrverbote rechtskräftig verhängt, so sind die Verbotsfristen nacheinander zu berechnen. Die Verbotsfrist auf Grund des früher wirksam gewordenen Fahrverbots läuft zuerst. Werden Fahrverbote gleichzeitig wirksam, so läuft die Verbotsfrist auf Grund des früher angeordneten Fahrverbots zuerst, bei gleichzeitiger Anordnung ist die frühere Tat maßgebend.

(3) In anderen als in Absatz 2 Satz 3 genannten ausländischen Führerscheinen wird das Fahrverbot vermerkt. Zu diesem Zweck kann der Führerschein beschlagnahmt werden.

(4) Wird der Führerschein in den Fällen des Absatzes 2 Satz 4 oder des Absatzes 3 Satz 2 bei der betroffenen Person nicht vorgefunden, so hat sie auf Antrag der Vollstreckungsbehörde (§ 92 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten) bei dem Amtsgericht eine eidesstattliche Versicherung über den Verbleib des Führerscheins abzugeben. § 883 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.

(5) Ist ein Führerschein amtlich zu verwahren oder das Fahrverbot in einem ausländischen Führerschein zu vermerken, so wird die Verbotsfrist erst von dem Tag an gerechnet, an dem dies geschieht. In die Verbotsfrist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt wird.

(6) Die Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozessordnung) wird auf das Fahrverbot angerechnet. Es kann jedoch angeordnet werden, dass die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten der betroffenen Person nach Begehung der Ordnungswidrigkeit nicht gerechtfertigt ist. Der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis steht die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozessordnung) gleich.

(7) Wird das Fahrverbot nach Absatz 1 im Strafverfahren angeordnet (§ 82 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten), so kann die Rückgabe eines in Verwahrung genommenen, sichergestellten oder beschlagnahmten Führerscheins aufgeschoben werden, wenn die betroffene Person nicht widerspricht. In diesem Fall ist die Zeit nach dem Urteil unverkürzt auf das Fahrverbot anzurechnen.

(8) Über den Zeitpunkt der Wirksamkeit des Fahrverbots nach Absatz 2 oder 2a Satz 1 und über den Beginn der Verbotsfrist nach Absatz 5 Satz 1 ist die betroffene Person bei der Zustellung der Bußgeldentscheidung oder im Anschluss an deren Verkündung zu belehren.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 173/01 Verkündet am:
29. Januar 2003
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
Es gibt keinen Grundsatz, nach dem das Nichtbeachten des Rotlichts einer Verkehrsampel
stets als grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls anzusehen
ist. Aus der Entscheidung BGHZ 119, 147 ergibt sich nichts anderes.
BGH, Urteil vom 29. Januar 2003 - IV ZR 173/01 - OLG Frankfurt am Main
LG Darmstadt
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Seiffert und Wendt, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung
vom 29. Januar 2003

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 24. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 11. Mai 2001 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger verlangt vom Beklagten, seinem Kaskoversicherer, aus einem Verkehrsunfall Schadensersatz in Höhe von 26.900 DM. Er fuhr mit seinem PKW am 28. Oktober 1998 gegen 6.00 Uhr in Darmstadt in eine weitläufige Kreuzung ein, obwohl die für ihn maßgebliche Ampel Rotlicht zeigte. Im Kreuzungsbereich stieß er mit dem von rechts herankommenden Fahrzeug eines anderen Verkehrsteilnehmers zusammen, der bei Grünlicht in die Kreuzung eingefahren war. Der Beklagte hält sich nach § 61 VVG für leistungsfrei, weil der Kläger den Unfall durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt habe.

Der Kläger behauptet, er habe sich der Kreuzung bei Rotlicht genähert und als erstes Fahrzeug auf der linken Geradeausspur angehalten. Rechts neben ihm hätten keine Fahrzeuge gestanden. Direkt neben ihm auf der Linksabbiegespur habe ein anderes Fahrzeug gestanden. Darin habe er einen Arbeitskollegen erkannt und diesen gegrüßt. Als er wieder nach rechts geschaut habe, habe er "Grün" gesehen und sei in der Meinung losgefahren, das Umschalten der Ampel während des Hinüberschauens zu seinem Arbeitskollegen verpaßt zu haben. Seinen Irrtum könne er sich nur so erklären, daß er das Umschalten eines anderen Elements der Ampelanlage mißgedeutet habe oder durch das im Rückspiegel registrierte Grünlicht einer hinter ihm an der zurückliegenden Kreuzung installierten Ampelanlage getäuscht worden sei.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht (r+s 2001, 313) hat ihr stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Die Revision des Beklagten hat keinen Erfolg. Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
I. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts zum Unfallverlauf hat der Kläger zunächst bei Rotlicht angehalten, seinen Arbeitskollegen gesehen und gegrüßt und ist erst danach angefahren, weil er durch irgendein nachträglich nicht exakt

zu konkretisierendes, in seinem Blickfeld liegendes optisches Signal und dessen fehlerhafte Verarbeitung zu dem gleichsam natürlichen Eindruck gekommen sei, die Ampel sei auf "Grün" umgesprungen. Zu dieser Überzeugung ist das Berufungsgericht aufgrund der Zeugenaussage des Arbeitskollegen und des persönlich glaubwürdigen Eindrucks vom Kläger gelangt, den es auf seine früheren schriftlichen Äußerungen und seine Anhörung in der mündlichen Verhandlung gestützt hat.
Das Berufungsgericht meint, bei dem von ihm festgestellten Sachverhalt wäre auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 8. Juli 1992 - IV ZR 223/91 - VersR 1992, 1085 = BGHZ 119, 147 und vom 18. Dezember 1996 - IV ZR 321/95 - VersR 1997, 351) Leistungsfreiheit nach § 61 VVG wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls anzunehmen. Dieser Rechtsprechung sei aber nicht zu folgen, weil ihr Sinn und Zweck von § 61 VVG entgegenstünden. Der Begriff der groben Fahrlässigkeit sei nicht für alle Rechtsgebiete gleich, sondern bei einer Verknüpfung mit der Leistungspflicht eines Versicherers nach dem Zweck der konkreten Versicherung zu bestimmen. Es würde eine mit dem Zweck der Vollkaskoversicherung unvereinbare Aushöhlung des Versicherungsschutzes bedeuten, die Folgen eines durch typisch menschliche Unzulänglichkeit verursachten Augenblicksversagens aus dem Kreise der versicherten Risiken auszunehmen. Mit dem regelhaften Schluß vom objektiv groben Pflichtverstoß auf die subjektive Unentschuldbarkeit dieses Verstoßes werde auch die nach § 61 VVG erforderliche positive Feststellung der besonderen subjektiven Vorwerfbarkeit in ein negatives Merkmal umgewandelt. Nunmehr müsse der Versicherungsnehmer das Gericht davon überzeugen, daß ein äußerlich grober Mißgriff ausnahmsweise zu entschuldigen sei.

Auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung nimmt das Berufungs- gericht an, der Kläger habe den Unfall zwar durch einen objektiv groben Verstoß gegen die Regeln des Straßenverkehrs schuldhaft herbeigeführt. Subjektive Unentschuldbarkeit lasse sich aber nicht feststellen, weil sich das Fehlverhalten des Klägers den Umständen nach nur durch ein Augenblicksversagen erklären lasse, das nicht auf Sorglosigkeit oder Gleichgültigkeit im Umgang mit dem versicherten Fahrzeug beruhe.
II. Die rechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichts geben keinen Anlaß, die Rechtsprechung des Senats zu ändern. Auf der Grundlage der Entscheidungen des Senats zur grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls im Sinne von § 61 VVG, auch der Entscheidung in BGHZ 119, 147, ist das angefochtene Urteil im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Nach ständiger Rechtsprechung der Zivilsenate des Bundesgerichtshofs wird der Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit grundsätzlich einheitlich bestimmt (vgl. Urteil vom 17. Oktober 1966 - II ZR 123/64 - VersR 1966, 1150 unter III; Urteil vom 8. Februar 1989 - IVa ZR 57/88 - VersR 1989, 582 unter 2; Urteil vom 29. September 1992 - XI ZR 265/91 - NJW 1992, 3235 unter I 2 a und b; Urteil vom 30. Januar 2001 - VI ZR 49/00 - NJW 2001, 2092 unter II 1 a). An diesem Grundsatz ist schon aus Gründen der Rechtssicherheit festzuhalten. Die vom Berufungsgericht befürwortete unterschiedliche Definition des Begriffs jeweils nach der konkreten Versicherung würde im Versicherungsrecht wegen der zahlreichen verschiedenen Arten von Versicherungen zu einer kaum

noch überschaubaren Aufsplitterung des Begriffs der groben Fahrlässigkeit im Sinne von § 61 VVG und damit zu einer nicht hinnehmbaren Rechtsunsicherheit führen.
2. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und unbeachtet läßt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Im Gegensatz zur einfachen Fahrlässigkeit muß es sich bei einem grob fahrlässigen Verhalten um ein auch in subjektiver Hinsicht unentschuldbares Fehlverhalten handeln, das ein gewöhnliches Maß erheblich übersteigt (BGH, Urteil vom 18. Dezember 1996 - IV ZR 321/95 - VersR 1997, 351 unter II 2 c; vgl. ferner die oben unter II. 1. aufgeführten Urteile). Diese Begriffsbestimmung berücksichtigt den Grundgedanken des § 61 VVG. Danach soll der Versicherungsnehmer, der sich in bezug auf das versicherte Interesse völlig sorglos oder sogar unlauter verhält, keine unverdiente Vergünstigung erhalten. So hat § 61 VVG ähnlich wie § 162 BGB den Gedanken von Treu und Glauben übernommen (BGH, Urteil vom 8. Februar 1989 aaO unter 1 a m.w.N.).
3. a) Aus dem Senatsurteil in BGHZ 119, 147 ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kein Grundsatz abzuleiten, nach dem die Mißachtung des roten Ampellichts stets grob fahrlässig ist (Römer, NVersZ 2001, 539 unter II; ders. ZfS 2001, 289 unter I 2 c). Der Senat hat lediglich die Ansicht der Vorinstanz als rechtsfehlerfrei bezeichnet, das Überfahren einer roten Ampel sei in aller Regel objektiv als grob fahrlässig zu bewerten (aaO S. 148 unter 1 der Gründe). Über eventuelle Ausnahmen in objektiver Hinsicht war nichts auszuführen, weil das Berufungsgericht mit Recht keine Ausnahme in Betracht gezogen hatte.


b) Das Nichtbeachten des roten Ampellichts wird wegen der damit verbundenen erheblichen Gefahren in aller Regel als objektiv grob fahr- lässig anzusehen sein. Nach den jeweiligen Umständen kann es jedoch schon an den objektiven oder an den subjektiven Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit fehlen. Dies kann der Fall sein, wenn die Ampel nur schwer zu erkennen oder verdeckt ist und bei besonders schwierigen , insbesondere überraschend eintretenden Verkehrssituationen (vgl. OLG Hamm VersR 2002, 603 f.; OLG Köln NVersZ 1999, 331 f.; OLG Nürnberg NJW-RR 1996, 986 f.; OLG Köln r+s 1991, 82 f.). Eine Beurteilung als nicht grob fahrlässig kann auch in Betracht kommen, wenn der Fahrer zunächst bei "Rot" angehalten hat und dann in der irrigen Annahme , die Ampel habe auf "Grün" umgeschaltet, wieder angefahren ist (so neuerdings wieder OLG Hamm r+s 2000, 232; OLG Jena VersR 1997, 691 f.; OLG München NJW-RR 1996, 407). Diese Beispiele sind nicht abschließend. Wegen der "Verschlingung" objektiver und subjektiver Gesichtspunkte und der Notwendigkeit, die Würdigung auf die besonderen Umstände des Einzelfalles abzustellen, lassen sich nur mit großen Vorbehalten allgemeine Regeln darüber entwickeln, wann eine unfallursächliche Fahrlässigkeit als grobe zu qualifizieren ist (BGH, Urteil vom 11. Juli 1967 - VI ZR 14/66 - VersR 1967, 909).

c) Ob die Fahrlässigkeit im Einzelfall als einfach oder grob zu werten ist, ist Sache der tatrichterlichen Würdigung. Sie erfordert eine Abwägung aller objektiven und subjektiven Tatumstände und entzieht sich deshalb weitgehend einer Anwendung fester Regeln (BGH, Urteil vom 5. Dezember 1966 - II ZR 174/65 - VersR 1967, 127 unter 1 und 2; BGH, Urteil vom 5. April 1989 - IVa ZR 39/88 - VersR 1989, 840 unter 2;

Römer, VersR 1992, 1187 unter II 3). Diese tatrichterliche Würdigung ist mit der Revision nur beschränkt angreifbar. Nachgeprüft werden kann nur, ob in der Tatsacheninstanz der Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit verkannt worden ist oder ob beim Bewerten des Grades der Fahrlässigkeit wesentliche Umstände außer Betracht geblieben sind (BGH, Urteil vom 8. Februar 1989 aaO unter 1 b).
4. a) Aus dem Senatsurteil in BGHZ 119, 147 ergibt sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht, daß aus einem objektiv groben Pflichtverstoß regelhaft auf die subjektive Unentschuldbarkeit geschlossen werden könne und entgegen der anerkannten Beweislast des Versicherers für das Eingreifen eines Risikoausschlusses der Versicherungsnehmer den Entschuldigungsbeweis zu führen habe (siehe dazu Römer, NVersZ 2001, 539 f.; Rixecker, ZfS 2001, 550 f.). Der Senat hat vielmehr daran festgehalten, daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom äußeren Geschehensablauf und vom Ausmaß des objektiven Pflichtverstoßes auf innere Vorgänge und deren gesteigerte Vorwerfbarkeit geschlossen werden könne (BGHZ 119, 147, 151) und dazu auf sein Urteil vom 8. Februar 1989 (aaO unter 4 d) hingewiesen. Dort ist ausdrücklich klargestellt, daß auch für die subjektive Seite des Schuldvorwurfs gemäß § 61 VVG der Versicherer darlegungs- und beweispflichtig ist. Dabei sind die Grundsätze des Anscheinsbeweises nicht anwendbar (BGH, Urteil vom 21. April 1970 - VI ZR 226/68 - VersR 1970, 568 unter II 2). Allerdings ist es Sache des Versicherungsnehmers, ihn entlastende Tatsachen vorzutragen. Das entspricht dem allgemeinen prozessualen Grundsatz, wonach die nicht beweisbelastete Partei ausnahmsweise eine Substantiierungslast treffen kann. Ein solcher Fall liegt vor, wenn der darlegungspflichtige Gegner außerhalb des von ihm dar-

zulegenden Geschehensablaufs steht und die maßgebenden Tatsachen nicht näher kennt, während sie der anderen Partei bekannt sind und ihr ergänzende Angaben zuzumuten sind (BGH, Urteil vom 3. Februar 1999 - VIII ZR 14/98 - NJW 1999, 1404 unter II 2 b aa m.w.N.; Zöller/Greger, ZPO 23. Aufl. vor § 284 Rdn. 24, 34 ff.). Bei einem Verkehrsunfall wird diese Konstellation regelmäßig gegeben sein. An der Beweislast ändert dies nichts (OLG Hamm VersR 2002, 603).

b) Der Senat hält daran fest, daß die bloße Berufung des Kraftfahrers auf ein "Augenblicksversagen" kein ausreichender Grund ist, grobe Fahrlässigkeit zu verneinen. Die nur momentane Unaufmerksamkeit kann unterschiedliche Ursachen haben. Trägt der Versicherungsnehmer zur Ursache des kurzzeitigen Fehlverhaltens und den sonstigen Umständen nichts vor, kann der Tatrichter den Schluß ziehen, daß ein objektiv grob fahrlässiges Mißachten des Rotlichts auch subjektiv als unentschuldbares Fehlverhalten zu werten ist.
5. Das Berufungsurteil ist nicht deshalb aufzuheben, weil das Berufungsgericht der Ansicht ist, die von ihm gefundene Rechtsauffassung weiche von der Senatsrechtsprechung ab. Diese Ansicht beruht im wesentlichen auf einem nicht zutreffenden Verständnis der Senatsurteile vom 8. Juli 1992 (BGHZ 119, 147) und vom 18. Dezember 1996 (IV ZR 321/95 - VersR 1997, 351). Auch auf der Grundlage dieser Urteile und der vorstehend dargestellten sonstigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat die Würdigung des Berufungsgerichts Bestand, subjektiv grobe Fahrlässigkeit sei dem Kläger nicht anzulasten. Der Kläger hat sich nicht lediglich auf ein "Augenblicksversagen" berufen. Er hat im einzelnen dargelegt, was der Fehlreaktion vorausgegangen ist und wie es

nach seiner Erinnerung dazu gekommen ist oder gekommen sein muß. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der Kläger bei "Rot" zunächst angehalten und ist nur deshalb noch bei "Rot" wieder angefahren , weil er aufgrund der Fehldeutung irgendeines in seinem Blickfeld liegenden optischen Signals zu der Überzeugung gelangt sei, die Ampel sei soeben auf "Grün" umgesprungen. Daß das Berufungsgericht dies nicht als ein in subjektiver Hinsicht unentschuldbares Fehlverhalten bewertet hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Es ist auszuschließen, daß das Berufungsgericht nach einer Zurückverweisung zu einem anderen Ergebnis gelangt.
Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch

(1) Der Versicherungsvermittler hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags nach § 62 zu dokumentieren.

(2) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung oder die Dokumentation nach Absatz 1 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherungsvermittler ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf die Möglichkeit des Versicherungsnehmers auswirken kann, gegen den Versicherungsvermittler einen Schadensersatzanspruch nach § 63 geltend zu machen. Handelt es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinn des § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs, kann der Versicherungsnehmer in Textform verzichten.

(1) Wer bei Begehung einer Handlung einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Die Möglichkeit der Ahndung wegen fahrlässigen Handelns bleibt unberührt.

(2) Fehlt dem Täter bei Begehung der Handlung die Einsicht, etwas Unerlaubtes zu tun, namentlich weil er das Bestehen oder die Anwendbarkeit einer Rechtsvorschrift nicht kennt, so handelt er nicht vorwerfbar, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 196/10 Verkündet am:
10. Mai 2011
Böhringer-Mangold
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Frage der groben Fahrlässigkeit bei der Verursachung eines Brandschadens
durch Erhitzung von Fett auf einem Küchenherd.
BGH, Urteil vom 10. Mai 2011 - VI ZR 196/10 - LG Osnabrück
AG Nordhorn
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Mai 2011 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter
Zoll, die Richterin Diederichsen, den Richter Pauge und die Richterin von Pentz

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 30. Juni 2010 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger, Feuerversicherer des Hauseigentümers, nimmt den beklagten Wohnungsmieter aus gemäß § 67 VVG a.F. übergegangenem Recht wegen eines von diesem verursachten Brandschadens in Regress. Der Beklagte bewohnte eine Dachgeschosswohnung, in die er am 3. Februar 2007 gegen 4:00 Uhr zurückkehrte. Er wollte sich auf dem Küchenherd in einem Kochtopf mit Frittiereinsatz Kartoffelröllchen zubereiten und erhitzte dazu Fett. Als dieses geschmolzen und warm war, gab er die tiefgefrorenen Kartoffelröllchen hinein. Sodann verließ er die Küche und begab sich ins Wohnzimmer. Während er dort war, erhitzte sich das im Topf befindliche Fett so stark, dass es sich entzündete. Der Brand ergriff die Küchenzeile und den Deckenbereich. Von dort breitete sich das Feuer auf den Dachstuhl aus und erfasste schließlich das gesamte Haus. Der Beklagte wurde rechtskräftig wegen fahrlässiger Brandstiftung zu einer Geldstrafe verurteilt.
2
Der Kläger hält die Brandverursachung für grob fahrlässig. Er behauptet, er habe den Brandschaden mit 145.689,77 € reguliert und darüber hinaus Sachverständigenkosten von 2.076,79 € und 48,12 € sowie vorgerichtliche Anwaltskosten von 2.475,80 € erstattet.
3
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt er sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Beklagte habe objektiv grob fahrlässig gehandelt. Das Erhitzen von Öl oder Fett in einem offenen Kochtopf sei wegen des damit verbundenen sehr hohen Gefahrenpotentials mit höchster Aufmerksamkeit durchzuführen und zumindest im Grundsatz stetig zu überwachen. Diese Sorgfaltspflicht habe der Beklagte in besonders gravierender Weise verletzt, als er sich nach dem Anstellen der Herdplatte für etwa fünf bis 15 Minuten aus der Küche entfernt und Fett und Frittiergut unbeaufsichtigt gelassen habe. Jedoch sei der Vorwurf eines besonders schwerwiegenden persönlichen Verschuldens in subjektiver Hinsicht nicht gerechtfertigt. Ein Anscheinsbeweis komme dafür nicht in Betracht. Von Bedeutung sei lediglich, ob die gebotene Sorgfalt hätte bekannt sein müssen, wie erheblich gegen die Sorgfaltsanforderungen verstoßen worden sei und ob insgesamt ein schweres persönliches Verschulden vorliege. Im Streitfall liege ein Augenblicksversagen des Beklagten vor, das unter Berücksichtigung seiner Vorkenntnisse und der konkreten Umstände der Brandentstehung den Pflichtenverstoß insgesamt in einem milderen Licht erscheinen lasse. Es sei zu berücksichtigen, dass der Beklagte erst seit kurzer Zeit eigene Erfahrungen mit der Essenszubereitung gesammelt habe. Den Topf mit dem Frittiereinsatz habe er zuvor für die Zubereitung anderer Speisen benutzt, ohne dass es zu einem Brand gekommen sei. Unwiderlegt sei, dass der als Hausmann unerfahrene Beklagte hinsichtlich der erheblichen Brandgefahr nicht ausreichend sensibilisiert gewesen sei. Unbewiesen sei, dass er wegen seiner Alkoholisierung zu einer sicheren Bedienung des Herdes nicht mehr in der Lage gewesen oder vor dem Fernseher eingeschlafen sei.

II.

5
Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
6
1. Zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass ein Regressanspruch des Klägers nur unter der Voraussetzung besteht, dass der Beklagte den Brandschaden vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat. Diese Auffassung entspricht der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach in der Gebäudefeuerversicherung eine ergänzende Vertragsauslegung einen konkludenten Regressverzicht des Versicherers für die Fälle ergibt, in denen der Wohnungsmieter einen Brandschaden durch einfache Fahrlässigkeit verursacht hat (BGH, Urteile vom 8. November 2000 - IV ZR 298/99, BGHZ 145, 393, 395 ff. und vom 13. September 2006 - IV ZR 273/05, BGHZ 169, 86 Rn. 8 ff.; - IV ZR 378/02, VersR 2006, 1530 Rn. 14 ff. und - IV ZR 116/05, VersR 2006, 1533 Rn. 10 f.). Da im Streitfall Anhaltspunkte für ein vorsätzliches Verhalten nicht gegeben sind und der Beklagte einfache Fahrlässigkeit nicht in Abrede stellt, kommt es für seine Haftung allein darauf an, ob ihm grobe oder lediglich einfache Fahrlässigkeit anzulasten ist. Mit Recht nimmt das Berufungsgericht auch an, dass der Kläger als Versicherer die Voraussetzungen für die Annahme eines grob fahrlässigen Verhaltens des Beklagten darzulegen und zu beweisen hat (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2000 - IV ZR 298/99, aaO S. 400).
7
2. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, das Verhalten des Beklagten bei der Zubereitung der Kartoffelröllchen sei in objektiver Hinsicht grob fahrlässig gewesen. Diese tatrichterliche Beurteilung wird von der Revision als ihr günstig hingenommen.
8
3. Die Revision wendet sich allein dagegen, dass das Berufungsgericht ein grob fahrlässiges Verhalten des Beklagten in subjektiver Hinsicht für nicht bewiesen erachtet hat. Damit hat sie keinen Erfolg.
9
a) Die tatrichterliche Entscheidung, ob dem Schädiger der Vorwurf grober Fahrlässigkeit zu machen ist, ist mit der Revision nur beschränkt angreifbar. Der Nachprüfung unterliegt lediglich, ob der Tatrichter den Begriff der groben Fahrlässigkeit verkannt oder bei der Beurteilung des Verschuldensgrades wesentliche Umstände außer Betracht gelassen hat (st. Rspr.; vgl. Senatsurteile vom 12. Juli 2005 - VI ZR 83/04, BGHZ 163, 351, 353; vom 8. Mai 1984 - VI ZR 296/82, VersR 1984, 775, 776; vom 12. Januar 1988 - VI ZR 158/87, VersR 1988, 474; vom 18. Oktober 1988 - VI ZR 15/88, VersR 1989, 109; vom 30. Januar 2001 - VI ZR 49/00, VersR 2001, 985 und vom 17. Februar 2009 - VI ZR 86/08, VersR 2009, 839 Rn. 9).
10
b) Das Berufungsgericht hat den Begriff der groben Fahrlässigkeit nicht verkannt. Es hat seinem Urteil die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze zugrunde gelegt, wonach grobe Fahrlässigkeit einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraussetzt. Diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maß verletzt und es muss dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ein objektiv grober Pflichtenverstoß rechtfertigt für sich allein noch nicht den Schluss auf ein entsprechend gesteigertes persönliches Verschulden, nur weil ein solches häufig damit einhergeht. Vielmehr erscheint ein solcher Vorwurf nur dann als gerechtfertigt , wenn eine auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegt, die das in § 276 Abs. 2 BGB bestimmte Maß erheblich überschreitet (st. Rspr.; vgl. Senatsurteile vom 12. Juli 2005 - VI ZR 83/04, VersR 2005, 1559, insoweit in BGHZ 163, 351 nicht abgedruckt und vom 30. Januar 2001 - VI ZR 49/00, VersR 2001, 985, 986; BGH, Urteil vom 29. Januar 2003 - IV ZR 173/01, VersR 2003, 364). Hiernach ist es in aller Regel erforderlich, nicht nur zur objektiven Schwere der Pflichtwidrigkeit, sondern auch zur subjektiven (personalen) Seite konkrete Feststellungen zu treffen (Senatsurteile vom 12. Januar 1988 - VI ZR 158/87, aaO, 474 f. und vom 17. Februar 2009 - VI ZR 86/08, aaO Rn. 10).
11
c) Die tatrichterliche Beurteilung des Berufungsgerichts, brandursächlich sei ein Augenblicksversagen, das in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der Vorkenntnisse des Beklagten und der konkreten Umstände der Brandentstehung den Vorwurf eines schlechthin unentschuldbaren Fehlverhaltens nicht rechtfertige, ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
12
aa) Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht den Begriff des Augenblicksversagens nicht verkannt. Der Ausdruck "Augenblicksversagen" beschreibt nur den Umstand, dass der Handelnde für eine kurze Zeit die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht ließ (BGH, Urteil vom 8. Juli 1992 - IV ZR 223/91, BGHZ 119, 147, 149). Die Beurteilung des Berufungsgerichts , ein solcher Fall sei vorliegend gegeben, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht nicht offen gelassen, in welchem konkreten Umstand das Augenblicksversagen gelegen habe. Es hat berücksichtigt, dass der Beklage nach eigenen Angaben den Garzustand der Kartoffelröllchen in gewissen Zeitabständen überprüfen wollte, jedoch nach dem Einschalten des Fernsehgeräts von dem Frittiervorgang vollständig abgelenkt wurde. Seine Unaufmerksamkeit dauerte demnach nur kurze Zeit und war für ihn nicht vorhersehbar, als er die Küche verließ, um das Fernsehgerät einzuschalten. Er war nach eigenen Angaben nicht etwa, wie die Revision ausführt, zum Fernsehen in das Wohnzimmer gegangen, sondern vielmehr nur, um das Gerät einzuschalten und sodann in die Küche zurückzukehren. Die Annahme eines Augenblicksversagens setzt, anders als die Revision wohl meint, auch nicht voraus, dass der Schädiger irrtümlich annimmt, der gefahrträchtige Vorgang sei bereits beendet. Dass der Beklagte beim "Zappen" durch die Programme hängengeblieben ist und sich bei seiner mehr als drei Jahre nach dem Brandereignis erfolgten Anhörung vor dem Berufungsgericht an konkrete Programminhalte nicht mehr erinnern konnte, spricht ebenfalls nicht gegen eine kurzfristige Unaufmerksamkeit.
13
bb) Das Berufungsgericht hat bei der Prüfung der subjektiven Seite der groben Fahrlässigkeit auch nicht verkannt, dass die Bejahung eines Augenblicksversagens für sich allein nicht ausreicht, um grobe Fahrlässigkeit zu verneinen. Es hat, ausgehend von seiner Annahme, dass die objektiven Merkmale der groben Fahrlässigkeit gegeben seien, zutreffend darauf abgestellt, dass vorliegend weitere subjektive Umstände hinzukämen, die es im konkreten Einzelfall gerechtfertigt erscheinen ließen, unter Abwägung aller Umstände den Schuldvorwurf geringer als grob fahrlässig zu bewerten (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 1992 - IV ZR 223/91, aaO, 149 ff.). Als solche Umstände hat das Beru- fungsgericht zugunsten des Beklagten berücksichtigt, dass er erst seit relativ kurzer Zeit eigene Erfahrungen mit der Essenszubereitung gesammelt habe. Hiergegen wendet die Revision ohne Erfolg ein, das Berufungsgericht habe die mangelnde Erfahrung bereits bei der Prüfung der objektiven Merkmale der groben Fahrlässigkeit berücksichtigt und in diesem Zusammenhang selbst entkräftet. Insoweit weist die Revisionserwiderung mit Recht darauf hin, dass das Berufungsgericht bei der Erörterung der objektiven Merkmale ausschließlich darauf abgestellt hat, ob der zum Schadenszeitpunkt 33-jährige Beklagte in objektiver Hinsicht einem durchschnittlichen Verkehrskreis zuzurechnen sei, in dem ein verantwortungsvoller Umgang mit Kochplatten und mit siedendem Öl bzw. Fett ohne Einschränkung erwartet werden könne. Subjektive Merkmale hat das Berufungsgericht dabei nicht geprüft. Entgegen der Auffassung der Revision lässt die Berücksichtigung der Unerfahrenheit des Beklagten infolge des späten Beginns seiner eigenen Haushaltsführung auch keinen Verfahrensfehler erkennen.
14
cc) Die Revision hat auch keinen Erfolg, soweit sie geltend macht, das Berufungsgericht habe die Verneinung der subjektiven Merkmale grober Fahrlässigkeit auch damit begründet, dass der Beklagte die Herdplatte gerade erst angestellt gehabt und das Öl gerade erst angefangen habe sich zu erhitzen, als er die Küche verließ. Richtig ist, dass dieser Teil der Urteilsbegründung auf Antrag des Klägers durch Beschluss vom 18. August 2010 berichtigt und durch folgenden Satz ersetzt worden ist: "Das Fett war zerschmolzen und schon warm, als der Beklagte die tiefgefrorenen Kartoffelröllchen hineingab und die Küche verließ." Die Revisionserwiderung weist aber mit Recht darauf hin, dass der Beklagte auch nach der in dieser Weise berichtigten Urteilsfassung die Küche am Anfang des Frittiervorgangs verlassen hat. Die tatrichterliche Beurteilung , dass sich dieses Verhalten des Beklagten noch nicht als unvertretbares Fehlverhalten darstelle, wird auch von der berichtigten Fassung der getroffenen Feststellungen getragen.
15
dd) Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe verkannt, dass den Schädiger, soweit die objektiven Merkmale der groben Fahrlässigkeit gegeben seien, eine besondere Substantiierungspflicht hinsichtlich der ihn entlastenden subjektiven Umstände treffen könne. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Gebäudeversicherung ist für die Frage eines Regressverzichts im Falle leichter Fahrlässigkeit des Wohnungsmieters die versicherungsrechtliche Lösung maßgebend (BGH, Urteil vom 8. November 2000 - IV ZR 298/99, aaO, 398 ff.). Danach obliegt es dem Versicherer darzulegen und zu beweisen, dass die Voraussetzungen für einen Regress beim Mieter vorliegen, dass dieser also grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat (BGH, Urteil vom 8. November 2000 - IV ZR 298/99, aaO, 400). Demgemäß ist der Kläger nicht nur für die objektiven Merkmale grober Fahrlässigkeit, sondern auch für die subjektive Seite des Pflichtenverstoßes des Beklagten darlegungsund beweispflichtig (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 2003 - IV ZR 173/01, VersR 2003, 364, 365). Die Revision verkennt nicht, dass insoweit die Grundsätze des Anscheinsbeweises nicht anwendbar sind (vgl. Senatsurteil vom 21. April 1970 - VI ZR 226/68, VersR 1970, 568, 569). Sie meint jedoch, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass bei der Prüfung der Voraussetzungen grober Fahrlässigkeit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom äußeren Geschehensablauf und vom Ausmaß des objektiven Pflichtverstoßes auf innere Vorgänge und deren gesteigerte Vorwerfbarkeit geschlossen werden könne (vgl. BGH, Urteile vom 8. Juli 1992 - IV ZR 223/91, aaO, 151 und vom 8. Februar 1989 - IVa ZR 57/88, NJW 1989, 1354, 1355) und dass es in diesem Zusammenhang Sache des Beklagten sei, in seiner Person liegende entlastende Umstände vorzutragen (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 2003 - IV ZR 173/01, VersR 2003, 364, 365). Dabei vernachlässigt die Revision indessen, dass der Beklagte sich ausdrücklich auf seine mangelnde Erfahrung mit der Zubereitung von Speisen berufen hat und Unerfahrenheit ein subjektiver Umstand ist, der es im Einzelfall rechtfertigen kann, einen Pflichtenverstoß geringer als grob fahrlässig zu bewerten. Die tatrichterliche Beurteilung des Berufungsgerichts, die subjektiven Merkmale grober Fahrlässigkeit seien hier deshalb nicht gegeben, weil der Beklagte unwiderlegt hinsichtlich der erheblichen Brandgefahr eines solchen Topfes nicht ausreichend sensibilisiert gewesen sei, berücksichtigt die besonderen Umstände des Einzelfalls und lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
16
ee) Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb geboten, weil der Beklagte zum Zeitpunkt des Vorfalls unter Alkoholeinwirkung stand. Das Maß seiner Alkoholisierung ist nicht festgestellt worden. Eine Blutprobe wurde nicht entnommen. Konkrete Umstände, die auf den Grad der Alkoholisierung schließen lassen könnten, hat der Kläger nicht dargetan. Sie lassen sich entgegen der Auffassung der Revision auch nicht dem von dem Polizeikommissar B. erstellten Brandbefundbericht entnehmen. Das Berufungsgericht hat in dem Inhalt der dort wiedergegebenen Befragung des Beklagten durch B. und in dessen subjektiver Einschätzung der Alkoholisierung des Beklagten mit Recht keine hinreichend tragfähige Grundlage für die Bejahung subjektiver Merkmale grober Fahrlässigkeit gesehen. Es war deshalb nicht verfahrensfehlerhaft, dass es von einer Vernehmung des als Zeugen benannten Polizeikommissars B. abgesehen hat, zumal das Amtsgericht, auf dessen Tatsachenfeststellungen das Berufungsgericht Bezug genommen hat, ausgeführt hat, der Beklagte habe glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt, dass er im Verlaufe des Abends zwar vier bis fünf Flaschen Bier à 0,33 l getrunken, sich aber angesichts des Umstands, dass er den Alkohol über einen längeren Zeitraum hinweg zu sich genommen habe, absolut "fit" gefühlt habe. Diese tatrichterliche Würdigung des Amtsgerichts , der das Berufungsgericht gefolgt ist, lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
Sie trägt die Beurteilung, dass sich die erforderlichen subjektiven Merkmale grober Fahrlässigkeit im Streitfall nicht feststellen lassen.

III.

17
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Galke Zoll Diederichsen
Pauge von Pentz
Vorinstanzen:
AG Nordhorn, Entscheidung vom 23.09.2009 - 3 C 445/09 -
LG Osnabrück, Entscheidung vom 30.06.2010 - 1 S 446/09 -

(1) Wird gegen die betroffene Person wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24 Absatz 1, die sie unter grober oder beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, eine Geldbuße festgesetzt, so kann ihr die Verwaltungsbehörde oder das Gericht in der Bußgeldentscheidung für die Dauer von einem Monat bis zu drei Monaten verbieten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder oder einer bestimmten Art zu führen. Wird gegen die betroffene Person wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a eine Geldbuße festgesetzt, so ist in der Regel auch ein Fahrverbot anzuordnen.

(2) Das Fahrverbot wird mit der Rechtskraft der Bußgeldentscheidung wirksam. Für seine Dauer werden von einer deutschen Behörde ausgestellte nationale und internationale Führerscheine amtlich verwahrt. Dies gilt auch, wenn der Führerschein von einer Behörde eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ausgestellt worden ist, sofern der Inhaber seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat. Wird er nicht freiwillig herausgegeben, so ist er zu beschlagnahmen.

(2a) Ist in den zwei Jahren vor der Ordnungswidrigkeit ein Fahrverbot gegen die betroffene Person nicht verhängt worden und wird auch bis zur Bußgeldentscheidung ein Fahrverbot nicht verhängt, so bestimmt die Verwaltungsbehörde oder das Gericht abweichend von Absatz 2 Satz 1, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft der Bußgeldentscheidung in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

(2b) Werden gegen die betroffene Person mehrere Fahrverbote rechtskräftig verhängt, so sind die Verbotsfristen nacheinander zu berechnen. Die Verbotsfrist auf Grund des früher wirksam gewordenen Fahrverbots läuft zuerst. Werden Fahrverbote gleichzeitig wirksam, so läuft die Verbotsfrist auf Grund des früher angeordneten Fahrverbots zuerst, bei gleichzeitiger Anordnung ist die frühere Tat maßgebend.

(3) In anderen als in Absatz 2 Satz 3 genannten ausländischen Führerscheinen wird das Fahrverbot vermerkt. Zu diesem Zweck kann der Führerschein beschlagnahmt werden.

(4) Wird der Führerschein in den Fällen des Absatzes 2 Satz 4 oder des Absatzes 3 Satz 2 bei der betroffenen Person nicht vorgefunden, so hat sie auf Antrag der Vollstreckungsbehörde (§ 92 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten) bei dem Amtsgericht eine eidesstattliche Versicherung über den Verbleib des Führerscheins abzugeben. § 883 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.

(5) Ist ein Führerschein amtlich zu verwahren oder das Fahrverbot in einem ausländischen Führerschein zu vermerken, so wird die Verbotsfrist erst von dem Tag an gerechnet, an dem dies geschieht. In die Verbotsfrist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt wird.

(6) Die Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozessordnung) wird auf das Fahrverbot angerechnet. Es kann jedoch angeordnet werden, dass die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten der betroffenen Person nach Begehung der Ordnungswidrigkeit nicht gerechtfertigt ist. Der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis steht die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozessordnung) gleich.

(7) Wird das Fahrverbot nach Absatz 1 im Strafverfahren angeordnet (§ 82 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten), so kann die Rückgabe eines in Verwahrung genommenen, sichergestellten oder beschlagnahmten Führerscheins aufgeschoben werden, wenn die betroffene Person nicht widerspricht. In diesem Fall ist die Zeit nach dem Urteil unverkürzt auf das Fahrverbot anzurechnen.

(8) Über den Zeitpunkt der Wirksamkeit des Fahrverbots nach Absatz 2 oder 2a Satz 1 und über den Beginn der Verbotsfrist nach Absatz 5 Satz 1 ist die betroffene Person bei der Zustellung der Bußgeldentscheidung oder im Anschluss an deren Verkündung zu belehren.

(1) Wer bei Begehung einer Handlung einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Die Möglichkeit der Ahndung wegen fahrlässigen Handelns bleibt unberührt.

(2) Fehlt dem Täter bei Begehung der Handlung die Einsicht, etwas Unerlaubtes zu tun, namentlich weil er das Bestehen oder die Anwendbarkeit einer Rechtsvorschrift nicht kennt, so handelt er nicht vorwerfbar, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte.

(1) Gegen das Urteil und den Beschluß nach § 72 ist Rechtsbeschwerde zulässig, wenn

1.
gegen den Betroffenen eine Geldbuße von mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist,
2.
eine Nebenfolge angeordnet worden ist, es sei denn, daß es sich um eine Nebenfolge vermögensrechtlicher Art handelt, deren Wert im Urteil oder im Beschluß nach § 72 auf nicht mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist,
3.
der Betroffene wegen einer Ordnungswidrigkeit freigesprochen oder das Verfahren eingestellt oder von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen worden ist und wegen der Tat im Bußgeldbescheid oder Strafbefehl eine Geldbuße von mehr als sechshundert Euro festgesetzt, ein Fahrverbot verhängt oder eine solche Geldbuße oder ein Fahrverbot von der Staatsanwaltschaft beantragt worden war,
4.
der Einspruch durch Urteil als unzulässig verworfen worden ist oder
5.
durch Beschluß nach § 72 entschieden worden ist, obwohl der Beschwerdeführer diesem Verfahren rechtzeitig widersprochen hatte oder ihm in sonstiger Weise das rechtliche Gehör versagt wurde.
Gegen das Urteil ist die Rechtsbeschwerde ferner zulässig, wenn sie zugelassen wird (§ 80).

(2) Hat das Urteil oder der Beschluß nach § 72 mehrere Taten zum Gegenstand und sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 oder Satz 2 nur hinsichtlich einzelner Taten gegeben, so ist die Rechtsbeschwerde nur insoweit zulässig.

(3) Für die Rechtsbeschwerde und das weitere Verfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Revision entsprechend. § 342 der Strafprozeßordnung gilt auch entsprechend für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 72 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1.

(4) Die Frist für die Einlegung der Rechtsbeschwerde beginnt mit der Zustellung des Beschlusses nach § 72 oder des Urteils, wenn es in Abwesenheit des Beschwerdeführers verkündet und dieser dabei auch nicht nach § 73 Abs. 3 durch einen mit nachgewiesener Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten worden ist.

(5) Das Beschwerdegericht entscheidet durch Beschluß. Richtet sich die Rechtsbeschwerde gegen ein Urteil, so kann das Beschwerdegericht auf Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil entscheiden.

(6) Hebt das Beschwerdegericht die angefochtene Entscheidung auf, so kann es abweichend von § 354 der Strafprozeßordnung in der Sache selbst entscheiden oder sie an das Amtsgericht, dessen Entscheidung aufgehoben wird, oder an ein anderes Amtsgericht desselben Landes zurückverweisen.