Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 15. Dez. 2017 - 3 Ss OWi 1702/17

bei uns veröffentlicht am15.12.2017

Gericht

Oberlandesgericht Bamberg

Tatbestand

Das AG hat den in Ungarn wohnhaften Betr. im Beschlussverfahren (§ 72 OWiG) am 19.05.2017 wegen fahrlässigen Führens eines Kfz. unter der Wirkung eines berauschenden Mittels zu einer Geldbuße von 500 Euro verurteilt und gegen ihn ein einmonatiges Fahrverbot angeordnet. Gegen den am 03.07.2017 zugestellten Beschluss legte der vom Betr. beauftragte und in Ungarn ansässige Rechtsanwalt des Betr. mit am 24.08.2017 beim AG eingegangenem Schreiben vom 14.08.2017 Rechtsbeschwerde ein und begründete die gleichzeitig beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Wesentlichen damit, dass es notwendig gewesen sei, „die ganzen Unterlagen“ übersetzen zu lassen.

Wiedereinsetzung und Rechtsbeschwerde erwiesen sich als unzulässig.

Gründe

Die nach § 79 I 1 Nrn. 1 und 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des AG ist als unzulässig (§ 349 I StPO i.V.m. § 79 III 1 OWiG) zu verwerfen, weil sie nicht […] innerhalb einer Woche ab Zustellung der angefochtenen Entscheidung eingelegt und überdies auch nicht formgerecht gem. § 345 I, II StPO i.V.m. § 79 III 1 OWiG begründet wurde.

1. Die Zustellung des angefochtenen Beschlusses erfolgte an den Betr. am 03.07.2017, so dass die einwöchige Einlegungsfrist am 10.07.2017 ablief. Die mit Schriftsatz vom 14.08.2017 eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ging jedoch erst am 24.08.2017 beim Ausgangsgericht ein. Dies war verspätet.

2. Die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde ist auch nicht dadurch gewahrt, dass dem Betr. auf seinen als solchen auszulegenden Antrag im Schriftsatz vom 14.08.2017 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Hierbei ist nicht entscheidungserheblich, ob der insoweit unklare Wiedereinsetzungsantrag darauf abhebt, dass es durch die Übersetzung des Beschlusses des AG oder der Rechtsmittelschrift zu Verzögerungen kam.

a) Sollte der Vortrag so zu verstehen sein, dass die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde nicht eingehalten werden konnte, weil der entsprechende Schriftsatz erst übersetzt werden musste, fehlt es bereits an Ausführungen dahingehend, ob und ggf. zu welchem Zeitpunkt der Betr. seinen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung beauftragt hatte (st.Rspr.; vgl. u.a. neben BGH, Beschluss vom 12.07.2017 - 1 StR 240/17 [bei juris] auch OLG Bamberg, Beschluss vom 23.03.2017 – 3 Ss OWi 330/17 und 24.10.2017 – 3 Ss OWi 1254/17 [jeweils bei juris]). Ohne solchen Sachvortrag kann der Senat nicht beurteilen, ob der Betr. die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde überhaupt wahren wollte oder ob es möglicherweise infolge seines Verschuldens zu einer verspäteten Beauftragung zur Rechtsmitteleinlegung kam.

b) Sollte das Vorbringen so zu verstehen sein, dass die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde deshalb nicht eingehalten werden konnte, weil der Betr. erst den Beschluss des AG vom 19.05.2017 übersetzen lassen musste, fehlte es an der erforderlichen Glaubhaftmachung (§ 46 I OWiG i.V.m. § 45 II 1 StPO), dass der Beschluss ohne Übersetzung zugestellt wurde und gerade dieser Umstand den Betr. an der rechtzeitigen Einlegung des Einspruchs hinderte. Einer solchen Glaubhaftmachung bedurfte es hier schon deshalb, weil sich aus der richterlichen Verfügung vom 19.05.2017 ergibt, dass die angefochtene Entscheidung und die Rechtsmittelbelehrungmit Übersetzung zugestellt werden sollten und keine Umstände ersichtlich sind, dass die Verfügung nicht ordnungsgemäß ausgeführt wurde.

3. Darüber hinaus ist die Rechtsbeschwerde auch deshalb unzulässig (§ 349 I StPO i.V.m. § 79 III 1 OWiG), weil sie unter Verstoß gegen § 345 I, II StPO i.V.m. § 79 III 1 OWiG nicht in einer von einem Verteidiger oder einem im Geltungsbereich der StPO zugelassenen Rechtsanwalt (Meyer-Goßner/Schmitt StPO 60. Aufl. § 345 Rn. 12 m.w.N.) unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des AG begründet worden ist. Dem ungarischen Rechtsanwalt des Betr., welcher als dienstleistender europäischer Rechtsanwalt mit Kanzleisitz in Ungarn tätig wurde, kommt eine solche Eigenschaft nicht zu. Er hatte auch keinen sog. ‚Einvernehmensanwalt‘ eingeschaltet.

a) Zwar kann der dienstleistende europäische Rechtsanwalt grundsätzlich gemäß § 28 I EuRAG in Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten auch in Deutschland tätig werden. Soweit sich der Mandant allerdings nicht selbst verteidigen kann, kann dies nur im Einvernehmen mit einem Rechtsanwalt (sog. ‚Einvernehmensanwalt‘) geschehen, der zur Vertretung oder Verteidigung bei dem zuständigen Gericht befugt sein muss (§ 28 II EuRAG).

b) Damit ist nicht nur der Fall der notwendigen Verteidigung nach § 140 StPO gemeint. Vielmehr wird hiervon auch die Begründung der Rechtsbeschwerde erfasst (vgl. SK/Frisch StPO 5. Aufl. § 345 Rn. 25; LR/Franke StPO 26. Aufl. § 345 Rn. 19), weil diese – sofern sie nicht zu Protokoll der Geschäftsstelle erfolgt – gemäß § 345 I, II StPO i.V.m. § 79 III 1 OWiG gerade nicht vom Betr. selbst vorgenommen werden kann.

c) Nachdem der ausländische Rechtsanwalt auch nicht nach § 138 II 1 StPO mit der Genehmigung des Gerichts als Verteidiger gewählt wurde, konnte er auch nicht als solcher die Rechtsbeschwerdebegründung anfertigen. […]

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Strafprozeßordnung - StPO | § 140 Notwendige Verteidigung


(1) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt vor, wenn 1. zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht, dem Landgericht oder dem Schöffengericht stattfindet;2. dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last g

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 72 Entscheidung durch Beschluß


(1) Hält das Gericht eine Hauptverhandlung nicht für erforderlich, so kann es durch Beschluß entscheiden, wenn der Betroffene und die Staatsanwaltschaft diesem Verfahren nicht widersprechen. Das Gericht weist sie zuvor auf die Möglichkeit eines solch

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Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juli 2017 - 1 StR 240/17

bei uns veröffentlicht am 12.07.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 240/17 vom 12. Juli 2017 in der Strafsache gegen wegen gewerbsmäßigen Schmuggels ECLI:DE:BGH:2017:120717B1STR240.17.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach An

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(1) Hält das Gericht eine Hauptverhandlung nicht für erforderlich, so kann es durch Beschluß entscheiden, wenn der Betroffene und die Staatsanwaltschaft diesem Verfahren nicht widersprechen. Das Gericht weist sie zuvor auf die Möglichkeit eines solchen Verfahrens und des Widerspruchs hin und gibt ihnen Gelegenheit, sich innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Hinweises zu äußern; § 145a Abs. 1 und 3 der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. Das Gericht kann von einem Hinweis an den Betroffenen absehen und auch gegen seinen Widerspruch durch Beschluß entscheiden, wenn es den Betroffenen freispricht.

(2) Geht der Widerspruch erst nach Ablauf der Frist ein, so ist er unbeachtlich. In diesem Falle kann jedoch gegen den Beschluß innerhalb einer Woche nach Zustellung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter den gleichen Voraussetzungen wie gegen die Versäumung einer Frist beantragt werden; hierüber ist der Betroffene bei der Zustellung des Beschlusses zu belehren.

(3) Das Gericht entscheidet darüber, ob der Betroffene freigesprochen, gegen ihn eine Geldbuße festgesetzt, eine Nebenfolge angeordnet oder das Verfahren eingestellt wird. Das Gericht darf von der im Bußgeldbescheid getroffenen Entscheidung nicht zum Nachteil des Betroffenen abweichen.

(4) Wird eine Geldbuße festgesetzt, so gibt der Beschluß die Ordnungswidrigkeit an; hat der Bußgeldtatbestand eine gesetzliche Überschrift, so soll diese zur Bezeichnung der Ordnungswidrigkeit verwendet werden. § 260 Abs. 5 Satz 1 der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. Die Begründung des Beschlusses enthält die für erwiesen erachteten Tatsachen, in denen das Gericht die gesetzlichen Merkmale der Ordnungswidrigkeit sieht. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Ferner sind die Umstände anzuführen, die für die Zumessung der Geldbuße und die Anordnung einer Nebenfolge bestimmend sind.

(5) Wird der Betroffene freigesprochen, so muß die Begründung ergeben, ob der Betroffene für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die als erwiesen angenommene Tat nicht als Ordnungswidrigkeit angesehen worden ist. Kann der Beschluß nicht mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Betroffenen zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist.

(6) Von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn die am Verfahren Beteiligten hierauf verzichten. In diesem Fall reicht der Hinweis auf den Inhalt des Bußgeldbescheides; das Gericht kann unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen zusätzliche Ausführungen machen. Die vollständigen Gründe sind innerhalb von fünf Wochen zu den Akten zu bringen, wenn gegen den Beschluß Rechtsbeschwerde eingelegt wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 240/17
vom
12. Juli 2017
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßigen Schmuggels
ECLI:DE:BGH:2017:120717B1STR240.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 12. Juli 2017 gemäß § 44 Satz 1, § 46 Abs. 1, § 349 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 30. Januar 2017 wird als unzulässig verworfen. 2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unzulässig verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
1. Das Landgericht hat den Angeklagten, einen türkischen Staatsangehörigen , wegen gewerbsmäßigen Schmuggels in zwei tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt und dieses Urteil in der Sitzung vom 30. Januar 2017 in dessen Anwesenheit verkündet. Im Anschluss daran hat es den Verurteilten entsprechend § 35a Satz 1 und 3 StPO belehrt. Die Belehrung wurde ihm in Anwesenheit seines Verteidigers durch eine Dolmetscherin in die türkische Sprache übersetzt.
2
Danach wurde der bis dahin in Untersuchungshaft befindliche Angeklagte auf freien Fuß gesetzt und er verließ ohne weitere Erklärung das Gerichtsgebäude , um am nächsten Tag in die Türkei zurück zu fliegen. Mit seinem Verteidiger hatte er in der Folge zunächst keinen Kontakt mehr.
3
Erst am 20. Februar 2017 meldete er sich telefonisch bei seinem Verteidiger , fragte, ob das schriftlich abgefasste Urteil bereits vorliege, und teilte mit, dass er beabsichtige, hiergegen Rechtsmittel einzulegen. Mit Schriftsatz vom 27. Februar 2017 hat sein Verteidiger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionseinlegungsfrist beantragt und gleichzeitig Revision eingelegt.
4
Mit Schreiben vom 6. Juli 2017 hat der Verurteilte sich selbst dahingehend geäußert, dass er die Belehrung des Vorsitzenden bezüglich der einwöchigen Revisionsfrist und deren Übersetzung in die türkische Sprache überhaupt nicht verstanden habe.
5
2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision ist unzulässig.
6
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist demjenigen zu gewähren, der ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 Satz 1 StPO). Der Antrag ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO). Die für die Gewährung der Wiedereinsetzung erforderlichen Angaben sind ebenso wie ihre Glaubhaftmachung Zulässigkeitsvoraussetzungen des Antrags (BGH, Beschlüsse vom 24. Juli 2012 – 1 StR 341/12; vom 7. Juni 2013 – 1 StR 232/13; vom 14. Januar 2015 – 1 StR 573/14, NStZ-RR 2015, 145 f. und vom 21. November 2016 – 1 StR 526/16 [in NStZ-RR 2017, 48 nur redaktioneller Leitsatz] mwN). Darzulegen und glaubhaft zu machen sind auch diejenigen Umstände, aus denen sich ergibt, dass der Antragsteller ohne eigenes Verschulden gehindert war, die versäumte Rechtsmittelfrist einzuhalten (BGH, Beschlüsse vom 14. Januar 2015 – 1 StR 573/14, NStZ-RR 2015, 145 f. und vom 21. November 2016 – 1 StR 526/16 [in NStZRR 2017, 48 nur redaktioneller Leitsatz] mwN; vgl. auch BeckOK StPO/ Cirener, 27. Edition, § 45 Rn. 6; Maul in KK-StPO, 7. Aufl., § 45 Rn. 6). Dazu gehört der Vortrag eines Lebenssachverhalts, der das fehlende Verschulden an der Säumnis belegt und Alternativen ausschließt, die der Wiedereinsetzung sonst entgegenstehen (BeckOK StPO/Cirener aaO).
7
Diesen Anforderungen genügt weder das Wiedereinsetzungsgesuch vom 27. Februar 2017 noch der Schriftsatz vom 6. Juli 2017 einschließlich der darin durch den Verteidiger mitgeteilten E-Mail des Angeklagten selbst.
8
a) Der Antrag vom 27. Februar 2017 legt keinen Sachverhalt dar, aus dem sich eine seitens des Angeklagten unverschuldete Säumnis ergibt. Er lässt bereits nicht deutlich erkennen, dass der Angeklagte seinen Verteidiger mit der Einlegung eines Rechtsmittels gegen das Urteil beauftragt hatte, was aber für eine unverschuldete Säumnis des Angeklagten erforderlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2015 – 1 StR 573/14, NStZ-RR 2015, 145, 146; BeckOK StPO/Cirener aaO § 44 Rn. 24a mwN). Ausweislich des Wiedereinsetzungsgesuchs hatte der Angeklagte einen solchen Auftrag zwar vor dem letzten Termin zur mündlichen Verhandlung für den Fall einer Verurteilung erteilt. Zeit- lich danach hat der bis dahin bestreitende Angeklagte aber „nach Vorbereitung durch den Unterzeichner“ (seinem Verteidiger) ein Teilgeständnisin dem Termin zur Hauptverhandlung abgelegt, in dem auch das Urteil verkündet worden ist. Angesichts der gegenüber dem Zeitpunkt der behaupteten Beauftragung erheblich veränderten Sachlage war der Angeklagte gehalten, sich zu vergewissern , dass sein Verteidiger den vor dem Teilgeständnis erteilten Rechtsmittelauftrag auch tatsächlich erfüllen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 23. September 2015 – 4 StR 364/15, NStZ 2017, 172 f.). Dazu verhält sich der Antrag nicht. Vielmehr spricht der weitere Vortrag gerade dafür, dass sich der Angeklagte nach der Urteilsverkündung und seiner unmittelbar nachfolgenden Aus- reise in die Türkei jedenfalls bis zum 20. Februar 2017 gar nicht mehr um die Revisionseinlegung gekümmert hat.
9
Auch wenn ein Angeklagter seinen Verteidiger grundsätzlich hinsichtlich der zugesagten Einlegung von Rechtsmitteln und deren Begründung nicht zu überwachen braucht (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2016 – 1 StR 435/15, wistra 2016, 163), bestand wegen der dargelegten Veränderung der Situation hier die Obliegenheit des Angeklagten zu einer Klarstellung gegenüber seinem Verteidiger, gegen das verkündete Urteil Rechtsmittel einzulegen. Dass er dem nachgekommen wäre, ergibt sich aus dem Antrag ebenfalls nicht.
10
b) Soweit sich der Angeklagte selbst in der genannten E-Mail vom 6. Juli 2017 darauf beruft, die Belehrung des Vorsitzenden bezüglich der einwöchigen Frist zur Einlegung der Revision und deren Übersetzung in die türkische Sprache überhaupt nicht verstanden zu haben, zeigt dies abgesehen von der Nichteinhaltung der Wochenfrist aus § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO ebenfalls keinen Sachverhalt auf, aufgrund dessen der Angeklagte unverschuldet an der Einhaltung der Revisionseinlegungsfrist gehindert gewesen wäre. Ohne nähere Darlegungen dazu, warum er die Übersetzung in seine Muttersprache nicht verstanden habe, ist den in § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO geregelten Begründungsanforderungen nicht genügt (dazu OLG Oldenburg, Beschluss vom 18. Januar 2008 – 1 Ws 41/08, NStZ-RR 2008, 150; siehe auch Maul in KK-StPO aaO § 45 Rn. 7).
11
Da der Angeklagte ausweislich der Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs vom 27. Februar 2017 bereits ab dem 20. Februar 2017 Kenntnis von der Fristversäumnis hatte, wäre der Schriftsatz vom 6. Juli 2017 auch als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist aus § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO unzulässig.
12
3. Die Revision des Angeklagten ist ebenfalls unzulässig. Die Frist aus § 341 Abs. 1 StPO ist versäumt. Raum Graf Radtke Bär Hohoff

(1) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt vor, wenn

1.
zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht, dem Landgericht oder dem Schöffengericht stattfindet;
2.
dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird;
3.
das Verfahren zu einem Berufsverbot führen kann;
4.
der Beschuldigte nach den §§ 115, 115a, 128 Absatz 1 oder § 129 einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorzuführen ist;
5.
der Beschuldigte sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet;
6.
zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten seine Unterbringung nach § 81 in Frage kommt;
7.
zu erwarten ist, dass ein Sicherungsverfahren durchgeführt wird;
8.
der bisherige Verteidiger durch eine Entscheidung von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen ist;
9.
dem Verletzten nach den §§ 397a und 406h Absatz 3 und 4 ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist;
10.
bei einer richterlichen Vernehmung die Mitwirkung eines Verteidigers auf Grund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten erscheint;
11.
ein seh-, hör- oder sprachbehinderter Beschuldigter die Bestellung beantragt.

(2) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt auch vor, wenn wegen der Schwere der Tat, der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann.

(3) (weggefallen)