Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 16. Juni 2016 - 3 OLG 8 Ss 54/16

bei uns veröffentlicht am16.06.2016

Gericht

Oberlandesgericht Bamberg

Tatbestand

Zum Sachverhalt:

Wegen Diebstahls, Computerbetrugs und versuchten Computerbetrugs in 3 Fällen verurteilte das AG den Angekl. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten. Die hiergegen gerichtete, auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angekl. hat das LG mit Urteil vom 31.03.2016 als unbegründet verworfen. Die hiergegen gerichtete Revision des Angekl. führte zur Aufhebung der Urteile von LG und AG sowie zur Einstellung des Verfahrens durch das OLG.

Gründe

Die statthafte (§ 333 StPO) und auch im Übrigen zulässige Revision führt zur Einstellung des Verfahrens wegen Bestehens eines Verfahrenshindernisses.

1. Auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts ist von Amts wegen zu prüfen, ob ein Verfahrenshindernis besteht. Dies ist hier der Fall, weil es - wie die GenStA zutreffend feststellt - an einem Eröffnungsbeschluss gemäß den §§ 203, 207 StPO fehlt. Eine solche Wirkung kann auch nicht dem Haftbefehlserlass vom 04.01.2016 beigemessen werden, zumal die Anklageschrift vom 16.12.2015 dem Angekl. unter Einräumung einer Stellungnahmefrist von 3 Wochen erst am 04.01.2016 zugestellt wurde und daher die Einlassungsfrist noch lief.

2. Das von Amts wegen zu beachtende Verfahrenshindernis hat die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Einstellung des Verfahrens zur Folge (vgl. BGH, Beschl. v. 13.03.2014 - 2 StR 516/13 [bei juris] m. w. N.). Mitaufzuheben ist das erstinstanzliche Urteil des AG, weil bereits seinem Erlass das Fehlen des Eröffnungsbeschlusses entgegenstand und das Urteil daher schon durch das Berufungsgericht nach § 328 I StPO hätte aufgehoben werden müssen (vgl. KG, Beschl. v. 16.03.2015 - 161 Ss 20/15 [bei juris]). Eine Zurückverweisung an das LG scheidet aus, weil der Eröffnungsbeschluss durch das Berufungsgericht nicht mehr nachgeholt werden kann (KG a. a. O. m. w. N.).

3. Die Einstellung des Verfahrens hat trotz der wirksamen Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch und der hierdurch eingetretenen (horizontalen) Teilrechtskraft des amtsgerichtlichen Urteils zu erfolgen; denn diese entbindet die Gerichte im Berufungs- und Revisionsverfahren nicht von der Prüfung und Berücksichtigung von Verfahrenshindernissen, die - wie im Falle eines fehlenden Eröffnungsbeschlusses - bereits zu einem sog. Befassungsverbot führen (BGHSt 21, 242 [zum Fall der Revisionsbeschränkung]; KG a. a. O.; vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt StPO 59. Aufl. Einl. Rn. 151c m. w. N.). [...]

4. Eine Entscheidung über die Frage einer etwaigen Entschädigung des Angekl. für die im Anschluss an eine bis zum 21.01.2016 in anderer Sache vollzogene Strafhaft erlittene Untersuchungshaft gemäß § 8 I 1 StrEG ist nicht veranlasst. Da der zur Einstellung des Verfahrens führende fehlende Eröffnungsbeschluss jedenfalls bis zum Eintritt von Verfolgungsverjährung in einem - wenn auch neuen - Verfahren nachgeholt werden kann, mithin eine Verurteilung des Angekl. weiterhin in Betracht kommt, fehlt es an einer das Verfahren abschließenden Entscheidung i. S. d. genannten Bestimmung (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 03.03.2006 - 3 Ws 61/06 = NStZ-RR 2006, 159; vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt § 8 StrEG Rn. 2 m. w. N.).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 16. Juni 2016 - 3 OLG 8 Ss 54/16

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 16. Juni 2016 - 3 OLG 8 Ss 54/16

Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 16. Juni 2016 - 3 OLG 8 Ss 54/16 zitiert 6 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 203 Eröffnungsbeschluss


Das Gericht beschließt die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint.

Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen - StrEG | § 8 Entscheidung des Strafgerichts


(1) Über die Verpflichtung zur Entschädigung entscheidet das Gericht in dem Urteil oder in dem Beschluß, der das Verfahren abschließt. Ist die Entscheidung in der Hauptverhandlung nicht möglich, so entscheidet das Gericht nach Anhörung der Beteiligte

Strafprozeßordnung - StPO | § 207 Inhalt des Eröffnungsbeschlusses


(1) In dem Beschluß, durch den das Hauptverfahren eröffnet wird, läßt das Gericht die Anklage zur Hauptverhandlung zu und bezeichnet das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll. (2) Das Gericht legt in dem Beschluß dar, mit welchen

Strafprozeßordnung - StPO | § 333 Zulässigkeit


Gegen die Urteile der Strafkammern und der Schwurgerichte sowie gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Urteile der Oberlandesgerichte ist Revision zulässig.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 16. Juni 2016 - 3 OLG 8 Ss 54/16 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 16. Juni 2016 - 3 OLG 8 Ss 54/16 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. März 2014 - 2 StR 516/13

bei uns veröffentlicht am 13.03.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR516/13 vom 13. März 2014 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwer

Referenzen

Gegen die Urteile der Strafkammern und der Schwurgerichte sowie gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Urteile der Oberlandesgerichte ist Revision zulässig.

Das Gericht beschließt die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint.

(1) In dem Beschluß, durch den das Hauptverfahren eröffnet wird, läßt das Gericht die Anklage zur Hauptverhandlung zu und bezeichnet das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll.

(2) Das Gericht legt in dem Beschluß dar, mit welchen Änderungen es die Anklage zur Hauptverhandlung zuläßt, wenn

1.
wegen mehrerer Taten Anklage erhoben ist und wegen einzelner von ihnen die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wird,
2.
die Verfolgung nach § 154a auf einzelne abtrennbare Teile einer Tat beschränkt wird oder solche Teile in das Verfahren wieder einbezogen werden,
3.
die Tat rechtlich abweichend von der Anklageschrift gewürdigt wird oder
4.
die Verfolgung nach § 154a auf einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Straftat begangen worden sind, beschränkt wird oder solche Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbezogen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 und 2 reicht die Staatsanwaltschaft eine dem Beschluß entsprechende neue Anklageschrift ein. Von der Darstellung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen kann abgesehen werden.

(4) Das Gericht beschließt zugleich von Amts wegen über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft oder der einstweiligen Unterbringung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR516/13
vom
13. März 2014
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 13. März 2014 gemäß
§§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 1, 206a StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 24. Juni 2013, soweit der Angeklagte verurteilt wurde, aufgehoben. 2. Das Verfahren wird insoweit eingestellt. 3. Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten u.a. wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in 29 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt. Seine Revision hat Erfolg, weil es an einem wirksamen Eröffnungsbeschluss fehlt.
2
Der Eröffnungsbeschluss vom 5. April 2013 ist lediglich vom Vorsitzenden und einem Beisitzer unterschrieben. Der weitere auf eine richterliche Beisitzerin hinweisende Schriftzug stammt nicht von dieser, sondern vom Vorsitzenden der Strafkammer.
3
Zwar berührt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine fehlende oder nicht von allen Richtern vorgenommene Unterzeichnung des Eröffnungsbeschlusses dann nicht dessen Wirksamkeit, wenn nachgewiesen ist, dass der Beschluss tatsächlich von allen hierzu berufenen Richtern gefasst worden ist (vgl. zuletzt BGH, NStZ 2012, 225). Dies lässt sich aber hier nicht feststellen. Nach der dienstlichen Erklärung der beisitzenden Richterin, deren Unterschrift auf dem Eröffnungsbeschluss fehlt, hat sie keine Erinnerung, ob es in dieser Sache eine mündliche Beschlussfassung oder eine dahin zu verstehende gemeinsame Besprechung oder Beratung über die Eröffnung gegeben habe.
4
Das Fehlen des Eröffnungsbeschlusses führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Einstellung des Verfahrens (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli 2008 - 4 StR 251/08).
Fischer Schmitt Krehl
Eschelbach Zeng

(1) Über die Verpflichtung zur Entschädigung entscheidet das Gericht in dem Urteil oder in dem Beschluß, der das Verfahren abschließt. Ist die Entscheidung in der Hauptverhandlung nicht möglich, so entscheidet das Gericht nach Anhörung der Beteiligten außerhalb der Hauptverhandlung durch Beschluß.

(2) Die Entscheidung muß die Art und gegebenenfalls den Zeitraum der Strafverfolgungsmaßnahme bezeichnen, für die Entschädigung zugesprochen wird.

(3) Gegen die Entscheidung über die Entschädigungspflicht ist auch im Falle der Unanfechtbarkeit der das Verfahren abschließenden Entscheidung die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung zulässig. § 464 Abs. 3 Satz 2 und 3 der Strafprozeßordnung ist entsprechend anzuwenden.