Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 26. Nov. 2015 - L 3 R 119/14

ECLI:ECLI:DE:LSGST:2015:1126.L3R119.14.0A
bei uns veröffentlicht am26.11.2015

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 14. Januar 2014 geändert und die Klage auch im Übrigen abgewiesen.

Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI) für die Zeit vom 1. Oktober 2009 bis zum 30. September 2015.

2

Die am ... 1960 geborene Klägerin war bis Juli 1991 in ihrem erlernten Beruf als Köchin versicherungspflichtig beschäftigt. Sie war seitdem im Wesentlichen arbeitslos und nahm an mehreren Umschulungsmaßnahmen teil, zuletzt im Jahr 2002 im Bereich Verkauf/Floristik. In Ausführung des Urteils des Sozialgerichts Magdeburg vom 2. Juli 2007 (S 9 R 321/06) in einem ersten Rentenverfahren bewilligte die Beklagte der Klägerin Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab dem 1. August 2005 auf Dauer. Im Übrigen bezieht die Klägerin Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II).

3

Die Klägerin beantragte am 14. April 2009 bei der Beklagten erneut die Bewilligung von Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Beklagte zog zunächst die medizinischen Unterlagen aus dem vorausgegangenen Rentenverfahren bei. In dem Gutachten, das in der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie der Universität M. unter Leitung von Prof. Dr. G. unter dem 1. November 2005 erstattet wurde, wird beschrieben, dass bei der Klägerin erstmals 2001 ein dyshidrosiformes Hand- und Fußekzem mit Streureaktion auf Unterarme und Oberkörper aufgetreten sei. Auf Grund der Schwere der Hautveränderungen sei zweimalig ein stationärer Aufenthalt erforderlich gewesen. Die in Abständen durchgeführten Epikutantestungen bei Rezidiven hätten ein kontinuierlich erweitertes Spektrum an Typ IV-Sensibilisierungen sowohl in Zahl als auch in Intensität der Reaktion gezeigt. Teilweise sei sogar eine systemische Intervention mit Prednisolon erforderlich gewesen, um schwere Rezidive der Hautveränderungen zu beherrschen. Als Diagnosen lägen bei der Klägerin vor:

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Chronisch-rezidivierendes z.T. hyperkeratorisches allergisches Kontaktekzem der Hände und Füße mit Streuung auf die Unterarme bei

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polyvalenter schwerster Typ IV-Sensibilisierung gegenüber Kaliumchromat Thiuram Mix, Kobalt (II)-chlorid, Kolophonium, Wollwachsalkoholen, p-tert.-Butylphenol-Formaldehydharz, Formaldehyd, Duftstoff-Mix, Terpentin, Propylenglycol, tert.-Butylhydrochonon, Amerchol L-101, Tetramethylthiurammonosulfid, Phenol-Formaldehydharz (Novolak), Propolis, Lyral, Butylhydroxytoluol (BHT), Cocamidopropylbetain und Octylgallat mit mykotischer Besiedelung.

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Atophische Diathese mit massiver Erhöhung des Gesamt-IgG () 8000 kU/l) und möglicherweise ätiologisch assoziiertem Keratokonus (Zustand nach (Z.n.) Keratoplastik).

7

Rhinitis und Konjunktivitis allergica.

8

Typ I-Sensibilisierung gegenüber Hausstaubmilben, Eiche, Beifuß, Penicillium notatum und Eimischung.

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V.a. Intertrigo.

10

Cataracta complicata links, Astigmatismus myopicus compositus rechts.

11

Verdacht auf (V.a.) Autoimmun-Thyreopathie mit positivem MAK-Antikörpern bei hypothyreoter Stoffwechsellage (Erstdiagnose 6/2005).

12

Degeneratives LWS-Syndrom.

13

Hyperalimentäre Adipositas.

14

Nikotinabusus.

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In den bei der Begutachtung durchgeführten Testungen seien multiple und überwiegend schwerste Typ IV-Sensibilisierungen festgestellt worden. Gegenüber den unter Nr. 2 der Diagnosen genannten Stoffen gebe es im Beruf und beim Umgang mit Haushaltsgegenständen zahlreiche Kontaktmöglichkeiten. Anhand des immensen Spektrums der Allergene und der ausgeprägten klinischen Reaktionsbereitschaft werde die Schwere der Hauterkrankung der Versicherten deutlich. Die kontinuierliche klinische Relevanz der Allergene sei durch deren weite Verbreitung und deren große Anzahl begründet. Eine strikte Meidung aller Allergene sei nicht möglich, sodass die Klägerin dauerhaft auf eine fachdermatologische Behandlung angewiesen sein werde und sich auch in Zukunft Rezidive der Hautveränderung nicht vollständig vermeiden ließen. Trotzdem sei die Klägerin aus dermatologischer Sicht durchaus auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit einer täglichen achtstündigen Arbeitszeit vermittelbar. Bei der Auswahl der Tätigkeit müssten allerdings strikte Kriterien berücksichtigt werden, d.h. es müsse sich um einen hautschonenden Arbeitsplatz handeln. Auszuschließen seien Schmutz- und Feuchtarbeit oder Kontakt zu hautbelastenden Stoffen (Desinfektionsmittel, irritative Detergentien). Des Weiteren dürften keine Gummihandschuhe getragen werden. Allergene sollten, soweit dies bei der ubiquitären Verbreitung möglich sei, gemieden werden. Damit werde deutlich, dass die Klägerin nicht, wie in der Vergangenheit geschehen, als Raumpflegerin, Floristin, zur Pflege von Grünanlagen oder Ähnlichem eingesetzt werden könne. Aus dermatologischer Sicht könne die Klägerin auf einem hautschonenden Arbeitsplatz, z.B. als Pförtnerin, Telefonistin, in der Materialausgabe von z.B. Schreibutensilien oder zur Postverteilung in Verwaltungsbehörden, beschäftigt werden. Zum zusätzlichen Schutz vor Allergenen sei das dauerhafte Tragen von Baumwoll-Schutzhandschuhen bei allen Tätigkeiten zu empfehlen. Außerdem sei die Bereitstellung von Hautschutzpräparaten, deren Zusammensetzung fachdermatologisch auf die Kontaktallergene abgestimmt werden müsse, zur Aufrechterhaltung der Hautbarriere, deren Störung die Empfänglichkeit für weitere Ekzematisierungen und Allergenisierungen steigere, unbedingt erforderlich. Die normale Alkaliresistenz spreche für einen insgesamt guten Pflegezustand der Haut. Unter Beachtung dieser Einschränkungen sei die Klägerin vollschichtig einsetzbar.

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Auf den dem vorliegenden Berufungsverfahren zugrunde liegenden Rentenantrag holte die Beklagte das Gutachten von dem Facharzt für Dermatologie, Allergologie, Phlebologie Dr. W. vom 18. Oktober 2009 ein. Bei der Untersuchung am 16. Oktober 2009 habe sich bei der Klägerin ein subakutes, mäßiggradig ausgeprägtes Ekzem im Bereich der Füße gezeigt. Es lägen an den Oberschenkeln innen beidseits ein flächiges Ekzem, am Stamm seitlich sowie an den Unterarmen flächige ekzematöse Veränderungen mittelgradiger Ausprägung und ein geringes Mamillenekzem vor. An den Händen bestehe eine Sebostase mit Schuppung im Bereich der Fingerzwischenräume und an den Fingerseiten, teils auch über den Fingergelenken. Die Klägerin befinde sich in laufender ambulanter dermatologischer Behandlung. Das Ekzem sei in letzter Zeit von zumindest mittelgradiger Ausprägung. Es bestünden multiple und schwerwiegende Kontaktsensibilisierungen gegen ubiquitäre Allergene, deren Kontakt nicht vollständig gemieden werden könne und die zumindest als Teilursache der ekzematösen Veränderungen anzusehen seien. Insbesondere die Sensibilisierungen gegen Gummiinhaltsstoffe und Chromate hätten dabei in der Vergangenheit zu schweren Ekzemschüben geführt. Im Ergebnis der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung könne die Klägerin Arbeiten mit Kontakt zu den genannten Allergenen nicht ausführen. Insbesondere müsse der Kontakt zu Gummi, Duftstoffen, Chromaten (wie z.B. in Lederschuhen vorkommend) sowie der Kontakt zu Irritantien (wie Desinfektions- und Reinigungsmitteln) gemieden werden. Auch Feuchtarbeiten, schmutzige Arbeiten, Arbeiten mit stärkerer körperlicher Belastung, Wärme- oder Kälteexposition sowie das Tragen okklusiver Handschuhe seien auf Grund des Ekzems nicht möglich. In Frage kämen aus dermatologischer Sicht trockene, saubere Arbeiten ohne Kontakt zu den genannten Allergenen und ohne starke Temperaturschwankungen. Solche Arbeiten könnten vollschichtig ausgeführt werden. Die Einschränkung der Sehfähigkeit müsse durch einen Augenarzt beurteilt werden.

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Die Beklagte lehnte den Antrag auf Bewilligung von Rente wegen voller Erwerbsminderung nach Einholung des Befundberichtes von der Fachärztin für Augenheilkunde Dr. H. vom 1. Dezember 2009 mit Bescheid vom 8. Januar 2010 ab.

18

Zur Begründung ihres Widerspruchs führte die Klägerin aus, sie leide an einem allergischen Kontaktekzem und einer funktionellen Einäugigkeit. Die Hautkrankheit sei so ausgeprägt, dass ein kompletter Faustschluss nicht mehr möglich sei. Durch die ausgeprägten Wundflächen an beiden Füßen und Oberschenkeln sei sie beim Laufen erheblich behindert. Sie leide deshalb auch an einer Depression.

19

Die Beklagte holte im Widerspruchsverfahren erneut einen Befundbericht von Dr. H. vom 13. Juli 2010 ein. Bei der Klägerin lägen ein Keratokonus rechts, ein Zustand nach Keratoplastik links 1997 wegen eines Keratokonus links und nach Catarakt-Operation links mit Hinterkammerlinse sowie ein Zustand nach YAG-Kapsulotome im Dezember 2005 wegen einer Nachstarrmembran links und einer Konjunktivitis sicca beidseits vor. Die Klägerin befinde sich seit 1994 in ihrer Behandlung. Der Visus rechts mit Kontaktlinse betrage 0,6-0,7, der Visus links 0,1. Gläser besserten nicht. Die Klägerin komme mit der verordneten Kontaktlinse für das rechte Auge gut zurecht. Mit dieser erziele die Klägerin ein deutlich besseres Sehvermögen. Der Keratokonus habe damit stabilisiert werden können.

20

Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 2. September 2010 als unbegründet zurück. Bei der Klägerin liege ein Leistungsvermögen für mindestens sechs Stunden und mehr täglich für leichte bis mittelschwere Arbeiten - ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Gefährdung durch Nässe, extrem schwankende Temperaturen, Allergene und Hautreizstoffe, Schmutz- und Staubarbeiten, Feucht- und Nassarbeiten, Tätigkeiten mit erhöhter Unfallgefahr (insbesondere jeglichen Höhenarbeiten) sowie ohne Anforderungen an das räumliche Sehen - vor. Mit diesem Leistungsvermögen könne sie Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten. Das Vorliegen einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung werde nicht gesehen.

21

Mit ihrer am 23. September 2010 vor dem Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie sei auf Grund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen nicht in der Lage, mindestens drei Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein. Sie leide an einem chronisch rezidivierenden allergischen Kontaktekzem an den Händen und den Füßen mit Streuung auf die Unterarme, einer polyvalenten Kontaktsensibilisierung mit mykotischer Besiedelung, einer atophischen Diathese und einem Syndrom der Lendenwirbelsäule (LWS). Als Einschränkungen mit dem Erfordernis unüblicher Arbeitsbedingungen seien ihr verminderter Faustschluss und ihre funktionelle Einäugigkeit zu berücksichtigen.

22

Das Sozialgericht hat zunächst durch Einholung von Befundberichten ermittelt. In dem Befundbericht der Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten Dr. Q. vom 3. März 2012 wird zur Frage von funktionellen Einschränkungen für die allgemeine Erwerbsfähigkeit der Klägerin angegeben, durch die Licheninfektion und Restödeme seien die Beweglichkeit der Sprunggelenke und Hände sowie die Beugefähigkeit der Finger eingeschränkt. Die Klägerin solle nicht bei großer Hitze, Staubentwicklung oder Einfluss von hautreizenden Stoffen und den bekannten Allergenen arbeiten. Gummi- oder Latexhandschuhe seien durch Vinyl-Einweghandschuhe zu ersetzen. Gummistiefel oder Lederschuhe auf unbekleideter Haut seien zu meiden. Dr. H. verwies in ihrem Befundbericht vom 13. März 2012 auf eine erhebliche Verbesserung des Sehvermögens der Klägerin auf dem linken Auge infolge der am 12. Januar 2011 durchgeführten Keratoplastik-Operation. Der Visus auf diesem Auge habe sich von 0,1 auf 0,7 bis 0,8 erhöht. Es ergäben sich von Seiten der Augen keine Einschränkungen für die allgemeine Erwerbsfähigkeit zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Im Übrigen wird zu den Einzelheiten auf Blatt 32 bis 33, 34 bis 36 und 37 bis 42 Band I der Gerichtsakten Bezug genommen.

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Das Sozialgericht hat sodann das Gutachten von dem Hautarzt, Berufsdermatologen, Allergologen und Phlebologen Dr. K. vom 29. August 2013 eingeholt, der die Klägerin am 29. August 2013 ambulant untersucht hat. Die Klägerin habe angegeben, ihren Haushalt selbst zu führen. Sie trage bei allen Hausarbeiten keine Handschuhe. Die Klägerin befinde sich in einem altersentsprechenden Allgemeinzustand und überreichlichen Ernährungszustand (155 cm/88 kg). Beide Handrücken wiesen gruppiert stehende, mäßiggradig gerötete Papeln (entzündliche Knötchen) bei geringgradiger feinlamelliger Schuppung auf. Es fänden sich mehrere oberflächliche Exkoriationen (punktförmige, verkrustete Hautabschilferungen), die Schwimmhäute sowie die Tabatieren zeigten eine trockene Ekzematisation mit angedeuteten Hyperkeratosen (Verhornungsstörungen), einzelnen Verkrustungen und oberflächlichen Rhagaden (Hauteinrissen). Die Greifflächen beider Hände zeigten eine flächenhafte, trockene Ekzematisation mit fest anhaftender, feinlamellärer Schuppung, insgesamt trockener und spröder Haut bei nur geringgradiger Entzündungssituation. Sämtliche Fingerkuppen wiesen eine glatt atrophische Haut im Sinne einer so genannten Pulpitis sicca (fehlende Linienzeichnung, verdünnte Oberhaut) auf. Die angrenzenden beugeseitigen Handwurzeln zeigten gleichartige Hautveränderungen, ebenso beide Ellenbeugen. Es fänden sich multiple, teilweise oberflächenverkrustete entzündliche Papeln im Bereich der gesamten Bauchhaut. Beide Oberschenkelinnenseiten und die angrenzenden Leistenbereiche zeigten eine flächenhafte bräunlich-rote Verfärbung mit mehreren entzündlich geröteten Papeln. Das übrige Hautorgan sei bis auf die ausgeprägte Trockenheitsneigung klinisch sonst nicht auffällig. Im Bereich beider Füße fänden sich keine beurteilungsrelevanten Ekzemreaktionen. Das Gutachten enthält Fotos der Außen- und Innenflächen der Hände und der Bauchhaut. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf Blatt 73 bis 75 Bd. I der Gerichtsakten Bezug genommen. Bei der Klägerin lägen folgende Diagnosen und Befunde vor:

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Chronisch rezidivierendes atopisches Ekzem der Hände und Unterarme.

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Chronisch rezidivierendes atopisches Körperekzem.

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Anamnestisch bekannte Typ IV-Sensibilisierung gegenüber verschiedenen Umweltallergenen.

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Anamnestisch bekannte Typ I-Sensibilisierung auf Kiwi und Beifuß.

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Es handele sich bei dem Befund der Klägerin um ein seit 1995 chronisch rezidivierend aufgetretenes atopisches Ekzem, welches aktuell im Bereich der Hände und Unterarme sowie der Bauchhaut vorliege. Des Weiteren bestünden anamnestisch bekannte multiple Kontaktsensibilisierungen (Typ IV-Sensibilisierungen), wie sie aktenkundig beschrieben und im Allergiepass dokumentiert worden seien. Die subjektiven Beschwerden der Klägerin in Form von Juckreiz, Brennen bei Feuchtkontakt, Bewegungsschmerzen bei tiefen Hauteinrissen seien aus gutachterlicher Sicht glaubhaft und ließen sich durch die beschriebenen krankhaften Hautveränderungen hinreichend erklären. Bezüglich der festgestellten Chronifizierungsneigung der Ekzemkrankheit im Bereich der Hände bei derzeit abgeheilten Füßen müsse aus gewerbedermatologischer Sicht festgestellt werden, dass die Klägerin nach eigenen Angaben alle häuslichen Verrichtungen grundsätzlich ohne Handschuhe durchführe, sodass die damit verbundenen irritativen Einwirkungen durch Feuchtbelastung und Kontakt zu basischen Reinigungsmitteln eine dauerhafte Triggerung der Ekzemkrankheit bewirkten. Es wäre der Klägerin erneut dringend zu empfehlen, hautbelastende Tätigkeiten mit geeigneten Handschuhen zu verrichten. So sollten bei Trockenarbeiten entsprechende feingewebte Baumwollhandschuhe getragen werden, bei allen Feuchtarbeiten allergenfreie Vinylhandschuhe. Das bedeute, dass die Klägerin geeignete bzw. notwendige Präventionsmaßnahmen in der Regel nicht durchführe. Die aktuellen Therapiemaßnahmen beträfen die kaum verbesserungswürdige Verwendung kortisonhaltiger Salben für die Körperhaut sowie eine steroidfreie Ekzemsalbe für die Hände und Ellenbogen. Bedauerlicherweise finde eine zusätzliche, dringend zu empfehlende Allgemeinpflege der ekzematös veränderten Haut beider Hände mit entsprechenden rückfettend wirkenden Produkten nicht statt, sodass die erforderliche Regeneration der obersten Hautschicht (Epidermis) bisher nicht eingetreten sei. Zur Verbesserung oder gar Abheilung der vorhandenen Ekzemreaktionen der Hände biete sich eine so genannte antiproliferative Behandlungsmaßnahme (Beseitigung der Verhornungsstörungen) an, wie sie z.B. mit Vitamin A-Säurepräparaten erreicht werden könne. Von besonderer Bedeutung sei die zusätzliche möglichst konsequente Verwendung geeigneter, regenerierend wirkender Pflegepräparate. Die Hautveränderungen im Bereich der Bauchhaut und der Oberschenkelinnenseiten seien behandlungsbedürftig. Bezüglich der anamnestisch bekannt gewordenen Kontaktsensibilisierungen gegenüber den verschiedenen Ekzematogenesen sei auf die erschöpfenden Ausführungen in dem dermatologischen Gutachten vom 1. November 2005 zu verweisen. Ergänzend hierzu sei festzustellen, dass die bekannt gewordenen Allergene überwiegend als berufstypisch für bestimmte Tätigkeitsfelder anzusehen seien. Dies gelte insbesondere für die Ekzematogene Kaliumdichromat, Formaldehyd, Terpentin und Collophonium. Die übrigen Allergene kämen teilweise auch im allgemeinen Alltag vor, wie z.B. in Kosmetikartikeln oder in manchen metallischen Gegenständen. In Bezug auf eine Vermeidung eines entsprechenden Allergenkontaktes seien der Klägerin Berufe, in denen die beurteilungsrelevanten Allergene als berufstypisch und nicht gänzlich vermeidbar vorkämen, selbstverständlich verschlossen. Die auch im Alltag vorkommenden Allergene, insbesondere in Gummiartikeln (Gummihandschuhe) oder Kosmetikartikeln, könnten in Kenntnis der Verbreitung dieser Substanzen in aller Regel problemlos gemieden werden. Offensichtlich verwende die Klägerin aus gutachterlicher Sicht auch keine allergenhaltigen Kosmetik- oder Pflegeprodukte, da entsprechend zu erwartende allergische Reaktionen anamnestisch nicht beschrieben worden seien. Berufe, in denen keine typischen allergenhaltigen Berufsschadstoffe vorkämen, und Tätigkeiten, von denen keine unvermeidliche ständige Hautirritation ausgehe, seien aus gewerbedermatologischer Sicht als unbedenklich und zumutbar einzustufen. Wie bereits in dem Gutachten aus dem Jahr 2005 festgestellt worden sei, sei die Verbreitung aller bei der Klägerin festgestellten Allergene im Erwerbsleben unter evidenzbasierter Betrachtungsweise mit 30 Prozent anzunehmen, sodass die übrigen Tätigkeitsfelder hiervon nicht betroffen seien. Neben dieser allergologischen Situation müssten typische Feuchtberufe, wie Köchin, Friseurin, Altenpflegerin oder Raumpflegerin, als gänzlich ungeeignet eingestuft werden. Gleiches gelte für typisch hautirritierend wirkende Tätigkeitsfelder, wie Garten und Floristik, Metall- und Chemieberufe. Diese Einschränkungen seien auf Dauer zu berücksichtigen. Demgegenüber seien leidensgerechte leichte körperliche Tätigkeiten im Rahmen einer trockenen und nicht hautbelastenden Tätigkeit, wie z.B. alle administrativen Arbeiten und leichte Sortier- und Büroarbeiten, der Klägerin für mindestens sechs Stunden täglich und auch im Vollerwerb zumutbar und möglich. Eine Einschränkung der Gehfähigkeit der Klägerin liege nicht vor. Bei angemessener Würdigung aller beurteilungsrelevanten Faktoren stimme er in den grundsätzlichen und wesentlichen Punkten mit den Ausführungen der Gutachten vom 1. November 2005 und vom 18. Oktober 2009 überein. Die gutachterlich beschriebenen Hautveränderungen wie auch die bekannt gewordenen Allergien hätten nach Aktenlage mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung im April 2009 bestanden. Aus medizinischer Sicht sei der Sachverhalt geklärt. Bei richtiger Behandlung sei eine Besserung oder Abheilung der Hauterscheinungen möglich.

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Das Sozialgericht hat die Klägerin sodann mit Richterbrief vom 14. Oktober 2013 darauf hingewiesen, dass die Behördenentscheidung nicht zu beanstanden sein dürfte. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 14. Januar 2014 ausweislich des Protokolls mitgeteilt, die ihr verordneten Kontaktlinsen nicht vertragen zu haben und diese deshalb nicht mehr zu tragen. Das Sehvermögen schwanke immer. Mal gehe es besser und mal gehe es schlechter. Nach der Laserbehandlung im Jahr 2005 habe sich das Sehvermögen schon verbessert. Sie könne "so circa zehn Meter weit schauen". Auf Nachfrage des ehrenamtlichen Richters hat die Klägerin dort mitgeteilt, dass die Allergene, auf die sie reagiere, auch zu Hause aufträten. Ein vollständiger Schutz sei nicht möglich. Auf den Hinweis der Klägerin, bei ihr sei auf Grund der vielen Kontaktallergien in Zusammenhang mit dem Augenleiden von einer spezifischen Leistungseinschränkung auszugehen, hat die Beklagte hilfsweise den Verweisungsberuf des Pförtners an der Nebenpforte benannt.

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Das Sozialgericht hat mit Urteil auf diese mündliche Verhandlung den angefochtenen Bescheid geändert (ausdrücklich: aufgehoben), die Beklagte verurteilt, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Oktober 2009 bis zum 30. September 2015 zu gewähren, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Klägerin habe zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Rentengewährung erfüllt. Sie sei zur Überzeugung der Kammer auch voll erwerbsgemindert. Sie sei zwar noch fähig, einer körperlich leichten Erwerbstätigkeit regelmäßig sechs Stunden täglich (und mehr) nachzugehen. Die Klägerin könne ihr Restleistungsvermögen jedoch nicht gewinnbringend im Erwerbsleben umsetzen, weil es für sie keine Arbeitsplätze mehr gebe, die sie unter Berücksichtigung ihrer übrigen Leistungseinschränkungen und ihrer ihr Reaktionsvermögen mindernden Wesenseigentümlichkeiten noch vollwertig ausüben könne. Bei der Klägerin ergäben sich zur Überzeugung der Kammer aus dermatologischer Sicht Einschränkungen der Leistungsfähigkeit insoweit, als sie Tätigkeiten in Kontakt mit den allergenen Stoffen nicht ausführen könne. Feuchtarbeiten, schmutzige Arbeiten, Arbeiten mit stärkerer körperlicher Belastung, Wärme- und Kälteexposition sowie das Tragen okklusiver Handschuhe seien nicht möglich. Sie könne aus dermatologischer Sicht nur saubere Arbeiten ohne Kontakt zu den zu meidenden Allergenen und starke Temperaturschwankungen ausführen. Nicht zumutbar seien auch Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, mit Gefährdung durch Nässe, bei extremen Temperaturschwankungen, mit Allergenen durch Hautreizstoffe, mit Schmutz, Staub, Feuchtigkeit, Nässe, erhöhter Unfallgefahr und Arbeiten in der Höhe. Aus Sicht der Kammer bestünden zudem Einschränkungen wegen des nicht durchführbaren Faustschlusses, auf Grund der psychischen Beeinträchtigung sowie der Sehfähigkeit. Die Klägerin leide unter depressiven Stimmungslagen bei einer elementaren Persönlichkeit mit Beeinträchtigung der konzentrativen Belastbarkeit. Zwar lägen bei der Klägerin nur Einschränkungen der Sehfähigkeit, nicht aber eine funktionelle Einäugigkeit vor. Die Klägerin habe jedoch in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass sie die ihr verordneten Kontaktlinsen nicht vertragen habe und nicht mehr trage. Ihr Sehvermögen sei sehr schwankend. Die Klägerin sei nach alledem nicht mehr in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig zu sein. In Bezug auf das Restleistungsvermögen folge die Kammer nicht der Bewertung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. K., der zumindest leichte Sortier- und Büroarbeiten als der Klägerin möglich halte. Das ergebe sich aus der durch den Gutachter nicht hinreichend beachteten fehlenden Fähigkeit der Klägerin, den Faustschluss auf Grund der Lichenifikation und von Restödemen der Hände auszuüben. Hinzukomme die Staubbelastung bei Büro- und Verwaltungstätigkeiten sowie der Kontakt mit den sonstigen, die Ekzeme auslösenden Allergenen. Auch auf Grund der fehlenden konzentrativen Belastbarkeit seien Bürotätigkeiten ausgeschlossen. Die durch die Beklagte in der mündlichen Verhandlung benannte Verweisungstätigkeit der Pförtnerin an der Nebenpforte könne die Klägerin nach Wertung der Kammer - unabhängig davon, ob die Benennung der Verweisungstätigkeit verspätet stattgefunden habe - nicht ausführen. Die Kammer schließe sich den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) Sachsen-Anhalt zu den Anforderungen für die Verweisungstätigkeit des Pförtners an der Nebenpforte (Urteil vom 13. Juli 2001 - L 3 R 330/07 - juris) an. Die Klägerin sei bereits mehr als drei Monate vor der Antragstellung voll erwerbsgemindert gewesen, sodass die Rente nach § 99 Abs. 1 i.V.m. § 101 Abs. 1 SGB VI ab dem 1. Oktober 2009 zu gewähren sei. Die Befristung der Rente ergebe sich aus § 102 Abs. 2 SGB VI, da es sich um eine so genannte Arbeitsmarktrente handele.

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Die Beklagte hat gegen das ihr am 20. Februar 2014 zugestellte Urteil am 12. März 2014 Berufung bei dem LSG Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begründung ihres Rechtsmittels führt sie im Wesentlichen aus, die Klägerin erfülle die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente für die Zeit vom 1. Oktober 2009 bis zum 30. September 2015 nicht. Der von dem Sozialgericht für die Notwendigkeit von unüblichen Arbeitsbedingungen herangezogene eingeschränkte Faustschluss der Klägerin sei für die Handhabung von Gegenständen nicht erforderlich. Eine nennenswerte Staubexposition mit Beeinträchtigungen eines endogenen Ekzems bei Gebrauch von Büromaterialien oder im ständigen Umlauf befindlichen Aktenmaterials sei nicht gegeben. Die von dem Sozialgericht angenommene Einschränkung der konzentrativen Belastbarkeit der Klägerin werde nicht durch aktuelle Befunde gestützt. Eine psychiatrische Behandlung der Klägerin erfolge nicht. Das bei der Klägerin bestehende Sehvermögen schränkte ihr Leistungsvermögen nach den Angaben der behandelnden Fachärztin für Augenheilkunde in ihrem Befundbericht vom 13. März 2012 nicht rentenrelevant ein.

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Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 14. Januar 2014 zu ändern und die Klage auch im Übrigen abzuweisen.

34

Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Beklagte gehe insbesondere fehl in der Annahme, der Faustschluss sei für die Handhabung von Gegenständen nicht erforderlich. Maßgebend sei allein, dass eine Funktionsminderung durch eine fehlende Nutzbarkeit bestehe. U.a. durch das Arbeitsamtsgutachten seien ihre psychischen Beeinträchtigungen in Form insbesondere einer erheblich geminderten Konzentrationsfähigkeit und Belastungseinschränkung belegt.

37

Die Klägerin hat unter dem 3. September 2014 auf die Anfrage des Senats die laufende Behandlung durch ihre Hausärztin, ihre Hautärztin und ihre Augenärztin angegeben. Der Senat hat von diesen Ärzten Befundberichte eingeholt. Dr. H. hat in ihrem Befundbericht vom 7. Oktober 2014 nach einer vorausgegangenen Konsultation durch die Klägerin am 2. Juli 2014 deren Sehvermögen mit optimaler Korrektur von rechts 0,5 und links 0,9 (binocular 0,9) angegeben. Dr. Q. hat in ihrem Befundbericht von November 2014 ein persistierendes blandes Ekzem mit massiven akuten Schüben unterschiedlicher Genese angegeben. Eine dauerhafte Besserung bzw. Erscheinungsfreiheit sei nicht zu erwarten. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. S. hat unter dem 16. Dezember 2014 im Wesentlichen gleich gebliebene Befunde mitgeteilt. Bezüglich der Einzelheiten wird auf Blatt 175 bis 179, 180 bis 182 und 184 bis 185 Bd. II der Gerichtsakten verwiesen.

38

Im Rahmen der nichtöffentlichen Sitzung vor dem Berichterstatter am 30. April 2015 hat die Klägerin u.a. mitgeteilt, sich bei Hausarbeiten um den Schutz ihrer Hände zu bemühen, dies aber manchmal zu vergessen. Sie verweist auf eine an sie adressierte Befundmitteilung von Dr. Q. vom 30. Juni 2015, in der im Wesentlichen ausgeführt wird, dass für bestimmte Allergene und erhöhte Allergiebereitschaft bei einer auch aerogen möglichen Aufnahme der Stoffe Ekzemrezidive allein durch das Tragen von Schutzhandschuhen nicht vermieden werden könnten.

39

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

40

Im Übrigen wird zu dem Sach- und Streitstand auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

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Mit Einverständnis der Beteiligten hat der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden können (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

42

Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin deshalb nicht in ihren Rechten (§§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

43

Nach § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Versicherte sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI voll erwerbsgemindert, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

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Die Klägerin war in dem hier streitigen Zeitraum seit dem 1. April 2009 nicht voll erwerbsgemindert im vorgenannten Sinne. Sie war zumindest noch in der Lage, sechs Stunden und mehr täglich körperlich leichte körperliche Arbeiten zu verrichten. Zu vermeiden waren Arbeiten, die berufstypisch mit dem Kontakt zu den von der Klägerin zu meidenden Allergenen belastet sind. Arbeiten, die eine durchschnittliche Gebrauchsfähigkeit beider Hände erforderten, waren der Klägerin zuzumuten. Bei Arbeiten mit trockenen Gegenständen war das Tragen von Baumwollhandschuhen, bei Feuchtarbeiten, die nicht den überwiegenden Teil der Arbeitszeit einnehmen sollten, das Tragen von allergenfreien Vinylhandschuhen erforderlich. An das Seh- und Hörvermögen der Klägerin und ihre geistig-psychisch-mnestischen Fähigkeiten konnten bis durchschnittliche Anforderungen gestellt werden.

45

Dieses Leistungsbild ergibt sich insbesondere aus dem vom Sozialgericht eingeholten Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. K. vom 29. August 2013. Dieses Gutachten knüpft an die Feststellungen in dem von der Beklagten eingeholten Gutachten von Prof. Dr. G. vom 1. November 2005 an und bestätigt das darin festgestellte Leistungsvermögen der Klägerin.

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Eine fachärztliche Bestätigung einer gravierenden psychischen Beeinträchtigung der Klägerin ist nicht erkennbar. Damit kann der Senat dahinstehen lassen, ob die von dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. K. angegebene regelmäßige Triggerung von Schüben der Hauterkrankung durch das Unterlassen von notwendigen Schutzmaßnahmen im Haushalt bei einer sich daraus ergebenden psychischen Belastung für sich genommen einen Rentenanspruch der Klägerin begründen könnte. Da die Klägerin intellektuell in der Lage wäre, sich den Notwendigkeiten anzupassen, neigt der Senat eher dazu, die Krankheitsschübe der Hauterkrankung, soweit sie durch selbstschädigendes Verhalten ausgelöst werden, nicht als rentenrelevant anzusehen. Im Ergebnis kann diese Frage offen bleiben, da ein längerer Zeitraum von mehreren Monaten, in dem die Klägerin erheblich psychisch in ihrer Belastungsfähigkeit eingeschränkt war, nicht feststellbar ist.

47

Bei der Klägerin liegt weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, die trotz des Leistungsvermögens von mehr als sechs Stunden täglich zur Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes führen würden. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt einen konkreten Arbeitsplatz zu benennen (vgl. Beschluss des Großen Senats (GS) des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 - SozR 3-2600 § 44 Nr. 8 = BSGE 80, 24, 33 f.; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 78/09 R - juris). Das Leistungsvermögen der Klägerin reicht vielmehr noch für körperlich leichte Tätigkeiten wie z.B. ein Zureichen, Abnehmen, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen aus. In diesem Zusammenhang ist zwischen der Beeinträchtigung der Hände der Klägerin bei einer Tätigkeit unter weitgehendem Ausschluss des Kontakts mit den von ihr nicht vertragenen Allergenen und einem Einsatz der Hände in einem nicht mit Allergenstoffen belasteten betrieblichen Umfeld zu differenzieren.

48

Ein mit Allergenstoffen belastetes Umfeld, in dem die Klägerin die Allergene z.B. auch aerogen aufnehmen würde, prägt nach den Feststellungen der gerichtlichen Sachverständigen Dr. K. circa 30 Prozent der Arbeitsplätze. Damit ist eine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes hier ausgeschlossen. Bei einer sich aus den allgemein zugänglichen Quellen ergebenden Gesamtzahl der Erwerbstätigen von 43,40 Millionen Bürgern (vgl. Bundesagentur für Arbeit, Der Arbeits- und Ausbildungsmarkt in Deutschland - Monatsbericht Oktober 2015) ist bei einem auszunehmenden Bereich von weniger als einem Drittel des Arbeitsmarktes für die Annahme einer gravierenden Einschränkung des Arbeitsfeldes allein unter dem Gesichtspunkt der betriebstypischen Allergenbelastung kein Raum.

49

In Bezug auf die in allen Bereichen des Lebens, z.B. auch im Haushalt, nicht zu vermeidenden Kontakte zu Allergenen (z.B. Berührung mit Türklinken) ist nicht erkennbar geworden, dass insoweit das Tragen von Baumwoll- bzw. Vinylhandschuhen den Kontakt nicht in der Weise abmildern würde, dass die Klägerin unter Benutzung dieses Schutzes keine regelmäßig wiederkehrenden Schübe der Erkrankung erleiden würde. Das Tragen von Baumwollhandschuhen hat der erkennende Senat auch in seiner bisherigen Rechtsprechung für zumutbar erachtet (vgl. Urteil vom 29. April 2010 - L 3 R 109/09 - juris). Gleiches gilt für die Verwendung von Vinylhandschuhen. Die Fähigkeit der Klägerin, z.B. einfache Sortier- und Büroarbeiten durchzuführen, ist zuletzt in dem Gutachten von Dr. K. bestätigt worden.

50

Die Notwendigkeit der Benennung einer Verweisungstätigkeit durch die Beklagte wird vom Senat nicht gesehen. Vor dem Hintergrund der im Wesentlichen normalen Sehfunktionen und geistig-psychisch-mnestischen Fähigkeiten vermag der Senat sich allerdings auch der Einschätzung nicht anzuschließen, dass der Klägerin der Einsatz in einer Tätigkeit als Pförtnerin an der Nebenpforte gesundheitlich unzumutbar wäre.

51

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

52

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.


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Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 26. Nov. 2015 - L 3 R 119/14 zitiert 9 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 153


(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. (2) Das Landessozialgericht

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 43 Rente wegen Erwerbsminderung


(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind,2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 102 Befristung und Tod


(1) Sind Renten befristet, enden sie mit Ablauf der Frist. Dies schließt eine vorherige Änderung oder ein Ende der Rente aus anderen Gründen nicht aus. Renten dürfen nur auf das Ende eines Kalendermonats befristet werden. (2) Renten wegen vermind

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 101 Beginn und Änderung in Sonderfällen


(1) Befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet. (1a) Befristete Renten wegen voller Erwerbsminderung, auf die Anspruch un

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Bundessozialgericht Urteil, 19. Okt. 2011 - B 13 R 78/09 R

bei uns veröffentlicht am 19.10.2011

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 30. September 2009 aufgehoben.

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 29. Apr. 2010 - L 3 R 109/09

bei uns veröffentlicht am 29.04.2010

Tenor Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand 1 Die Beteiligten streiten über die Voraussetzungen der Bewilligung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Er

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(1) Befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet.

(1a) Befristete Renten wegen voller Erwerbsminderung, auf die Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet, wenn

1.
entweder
a)
die Feststellung der verminderten Erwerbsfähigkeit durch den Träger der Rentenversicherung zur Folge hat, dass ein Anspruch auf Arbeitslosengeld entfällt, oder
b)
nach Feststellung der verminderten Erwerbsfähigkeit durch den Träger der Rentenversicherung ein Anspruch auf Krankengeld nach § 48 des Fünften Buches oder auf Krankentagegeld von einem privaten Krankenversicherungsunternehmen endet und
2.
der siebte Kalendermonat nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit noch nicht erreicht ist.
In diesen Fällen werden die Renten von dem Tag an geleistet, der auf den Tag folgt, an dem der Anspruch auf Arbeitslosengeld, Krankengeld oder Krankentagegeld endet.

(2) Befristete große Witwenrenten oder befristete große Witwerrenten wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit werden nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet.

(3) Ist nach Beginn der Rente ein Versorgungsausgleich durchgeführt, wird die Rente der leistungsberechtigten Person von dem Kalendermonat an um Zuschläge oder Abschläge an Entgeltpunkten verändert, zu dessen Beginn der Versorgungsausgleich durchgeführt ist. Der Rentenbescheid ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden. Bei einer rechtskräftigen Abänderung des Versorgungsausgleichs gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe, dass auf den Zeitpunkt nach § 226 Abs. 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit abzustellen ist. § 30 des Versorgungsausgleichsgesetzes bleibt unberührt.

(3a) Hat das Familiengericht über eine Abänderung der Anpassung nach § 33 des Versorgungsausgleichsgesetzes rechtskräftig entschieden und mindert sich der Anpassungsbetrag, ist dieser in der Rente der leistungsberechtigten Person von dem Zeitpunkt an zu berücksichtigen, der sich aus § 34 Abs. 3 des Versorgungsausgleichsgesetzes ergibt. Der Rentenbescheid ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden.

(3b) Der Rentenbescheid der leistungsberechtigten Person ist aufzuheben

1.
in den Fällen des § 33 Abs. 1 des Versorgungsausgleichsgesetzes mit Wirkung vom Zeitpunkt
a)
des Beginns einer Leistung an die ausgleichsberechtigte Person aus einem von ihr im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht (§ 33 Abs. 1 des Versorgungsausgleichsgesetzes),
b)
des Beginns einer Leistung an die ausgleichspflichtige Person aus einem von ihr im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht (§ 33 Abs. 3 des Versorgungsausgleichsgesetzes) oder
c)
der vollständigen Einstellung der Unterhaltszahlungen der ausgleichspflichtigen Person (§ 34 Abs. 5 des Versorgungsausgleichsgesetzes),
2.
in den Fällen des § 35 Abs. 1 des Versorgungsausgleichsgesetzes mit Wirkung vom Zeitpunkt des Beginns einer Leistung an die ausgleichspflichtige Person aus einem von ihr im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht (§ 36 Abs. 4 des Versorgungsausgleichsgesetzes) und
3.
in den Fällen des § 37 Abs. 3 des Versorgungsausgleichsgesetzes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Aufhebung der Kürzung des Anrechts (§ 37 Abs. 1 des Versorgungsausgleichsgesetzes).
Die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden.

(4) Ist nach Beginn der Rente ein Rentensplitting durchgeführt, wird die Rente von dem Kalendermonat an um Zuschläge oder Abschläge an Entgeltpunkten verändert, zu dessen Beginn das Rentensplitting durchgeführt ist. Der Rentenbescheid ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden. Entsprechendes gilt bei einer Abänderung des Rentensplittings.

(5) Ist nach Beginn einer Waisenrente ein Rentensplitting durchgeführt, durch das die Waise nicht begünstigt ist, wird die Rente erst zu dem Zeitpunkt um Abschläge oder Zuschläge an Entgeltpunkten verändert, zu dem eine Rente aus der Versicherung des überlebenden Ehegatten oder Lebenspartners, der durch das Rentensplitting begünstigt ist, beginnt. Der Rentenbescheid der Waise ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden. Entsprechendes gilt bei einer Abänderung des Rentensplittings.

(1) Sind Renten befristet, enden sie mit Ablauf der Frist. Dies schließt eine vorherige Änderung oder ein Ende der Rente aus anderen Gründen nicht aus. Renten dürfen nur auf das Ende eines Kalendermonats befristet werden.

(2) Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und große Witwenrenten oder große Witwerrenten wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit werden auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn. Sie kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn. Verlängerungen erfolgen für längstens drei Jahre nach dem Ablauf der vorherigen Frist. Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann; hiervon ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren auszugehen. Wird unmittelbar im Anschluss an eine auf Zeit geleistete Rente diese Rente unbefristet geleistet, verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn.

(2a) Werden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht, ohne dass zum Zeitpunkt der Bewilligung feststeht, wann die Leistung enden wird, kann bestimmt werden, dass Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder große Witwenrenten oder große Witwerrenten wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit mit Ablauf des Kalendermonats enden, in dem die Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben beendet wird.

(3) Große Witwenrenten oder große Witwerrenten wegen Kindererziehung und Erziehungsrenten werden auf das Ende des Kalendermonats befristet, in dem die Kindererziehung voraussichtlich endet. Die Befristung kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn.

(4) Waisenrenten werden auf das Ende des Kalendermonats befristet, in dem voraussichtlich der Anspruch auf die Waisenrente entfällt. Die Befristung kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn.

(5) Renten werden bis zum Ende des Kalendermonats geleistet, in dem die Berechtigten gestorben sind.

(6) Renten an Verschollene werden längstens bis zum Ende des Monats geleistet, in dem sie nach Feststellung des Rentenversicherungsträgers als verstorben gelten; § 49 gilt entsprechend. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Feststellung des Rentenversicherungsträgers haben keine aufschiebende Wirkung. Kehren Verschollene zurück, lebt der Anspruch auf die Rente wieder auf; die für den Zeitraum des Wiederauflebens geleisteten Renten wegen Todes an Hinterbliebene sind auf die Nachzahlung anzurechnen.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1.
teilweise erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1.
voll erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch
1.
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2.
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(4) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:

1.
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2.
Berücksichtigungszeiten,
3.
Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt,
4.
Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.

(5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

(6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 30. September 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.

2

Der 1964 geborene Kläger ist gelernter Instandhaltungsmechaniker und war zuletzt von 1997 bis 2004 als LKW-Fahrer beschäftigt. Im Januar 2004 kam es zu einem Arbeitsunfall, der ua die Amputation seines linken Unterarms zur Folge hatte. Im März 2004 erlitt er einen Herzinfarkt. Der Kläger erhält Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung wegen des Arbeitsunfalls.

3

Den im August 2004 gestellten Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung lehnte die Beklagte ab, weil weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vorliege (Bescheid vom 17.8.2005). Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24.1.2007). Das SG Gotha hat die Beklagte verurteilt, Rente wegen voller Erwerbsminderung befristet vom 1.2.2005 bis zum 31.1.2009 zu gewähren (Urteil vom 4.3.2008). Das Leistungsvermögen des Klägers sei auf leichte Arbeiten begrenzt, die er grundsätzlich sechs bis acht Stunden täglich mit Einschränkungen verrichten könne. Es liege jedoch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung mit der Pflicht zur Benennung einer Verweisungstätigkeit vor, da er die linke Hand nach Amputation des Unterarms allenfalls als Beihand einsetzen könne. Für solche leistungseingeschränkten Versicherten sei der allgemeine Arbeitsmarkt nicht als offen anzusehen. Die von der Beklagten benannten leichten Montier-, Sortier-, Verpacker- oder Kontrolleurtätigkeiten könne der Kläger nicht ausüben, weil es sich um bimanuelle Tätigkeiten handele. Auch eine Tätigkeit als Pförtner oder Telefonist scheide aus, da der Kläger dem damit verbundenen Zeitdruck nach der Einschätzung des Sachverständigen Dr. K. nicht gewachsen sei.

4

Das LSG hat das Urteil des SG auf die Berufung der Beklagten aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 30.9.2009). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei nach den Feststellungen des vom SG gehörten Sachverständigen noch in der Lage, eine Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts zu verrichten. Die linksseitige Unterarmamputation sowie die Schmerzsymptomatik im Bereich der Lenden- und Halswirbelsäule erforderten allerdings eine Begrenzung auf körperlich leichte Arbeiten. Wegen der orthopädischen Leiden und der Schmerzzustände im Bereich der Lenden- und Halswirbelsäule seien Tätigkeiten mit längeren Zwangshaltungen, Überkopfarbeiten, häufigem Klettern oder Gehen auf unebenen Böden, Tätigkeiten mit Absturzgefahr auf Leitern und Gerüsten sowie lang anhaltende Vibrationen und Erschütterungen nicht zuzumuten. Die koronare Herzerkrankung und der arterielle Hypertonus erlaubten keine Nachtschichten und Überstunden, keine Tätigkeiten mit besonderer Verantwortung für Mensch und Technik, besondere geistige und seelische Beanspruchung sowie auch taktgebundene Arbeiten oder Arbeiten unter Zeitdruck. Der Zugang zu alkoholischen Getränken sollte während der Arbeitszeit wegen der Alkoholerkrankung nicht ermöglicht werden. Tätigkeiten mit besonderen manuellen Anforderungen bzw bimanuelle Tätigkeiten seien dem Kläger ebenfalls nicht möglich. Diese qualitativen Einschränkungen stünden einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter den üblichen Bedingungen nicht entgegen. Insbesondere könne der Kläger eine zumutbare Wegstrecke zurücklegen.

5

Dem Kläger sei eine konkrete Verweisungstätigkeit nicht zu benennen. Dabei sei schon fraglich, ob eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliege. Die - zu dem vor dem 1.1.2001 geltenden Recht - ergangene Rechtsprechung zur Prüfung und Feststellung von Rentenansprüchen wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit im Falle der Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder des Vorliegens einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung könne auf das aktuelle Recht nicht übertragen werden. Bereits der Wortlaut "übliche Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts" schließe eine konkrete, dh individualisierte Betrachtungsweise aus. Die Gesetzesbegründung sei in sich widersprüchlich, wenn dort auf die Entscheidung des Großen Senats (BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8) verwiesen werde, wonach mit "konkreter Betrachtungsweise" - dann aber anders als das BSG - arbeitsmarktbedingte Erwerbsminderungsrenten gemeint seien. Unter dem "allgemeinen Arbeitsmarkt" verstehe die Gesetzesbegründung "jede nur denkbare Tätigkeit, die es auf dem Arbeitsmarkt gebe". Hingegen erfasse die Rechtsprechung des BSG damit nur körperlich leichte und fachlich einfache Arbeiten (Hinweis auf das Senatsurteil vom 23.5.2006 - B 13 RJ 38/05 R - BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 9). Zudem habe der Gesetzgeber eine spezielle zeitliche Komponente eingeführt (sechs Stunden und mehr). Auch dies verbiete eine Fortgeltung der Rechtsprechung zur Summierung. Der Gesetzgeber habe vielmehr den gesamten Komplex der Benennung von Verweisungstätigkeiten einschränken bzw abschaffen wollen.

6

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 43 SGB VI. Zu Unrecht gehe das LSG davon aus, dass es auf die bei ihm vorliegende schwere spezifische Leistungseinschränkung nicht ankomme. Auch die aktuelle Rechtslage erfordere eine individuelle Betrachtung mit der Folge, dass bei Vorliegen einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder der Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen Erwerbsfähigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts nur gegeben sei, wenn eine konkrete Verweisungstätigkeit benannt werden könne. Daran fehle es hier.

7

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 30. September 2009 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 4. März 2008 zurückzuweisen.

8

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

9

Sie meint, § 43 SGB VI in der seit 2001 geltenden Fassung enthalte nicht nur neue Begrifflichkeiten, sondern auch neue Beurteilungsmaßstäbe. Bei den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts handele es sich um objektive Maßstäbe. Solange ein Versicherter vollschichtig, ohne betriebsunübliche Pausen und ohne infolge einer ekelerregenden Krankheit für andere Betriebsangehörige unzumutbar zu sein, irgendeine Arbeit des allgemeinen Arbeitsmarkts verrichten und den Weg zum Arbeitsplatz zurücklegen könne, sei er nicht erwerbsgemindert. Selbst wenn die konkrete Betrachtungsweise bei Versicherten mit einer Summierung von ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung beibehalten werde, ändere dies hier im Ergebnis nichts. Das Fehlen des linken Unterarms müsse nicht zwangsläufig eine schwere spezifische Leistungsbehinderung sein, etwa wenn eine Prothese getragen und der Arm noch zur Unterstützung verwendet werde. Tätigkeiten eines Nebenpförtners könnten durchaus auch an außerhalb eines Betriebs stehende Personen vermittelt werden.

10

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2, § 153 Abs 1, § 165 Halbs 1 SGG).

Entscheidungsgründe

11

II. Die Revision hat im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das LSG Erfolg (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Auf der Grundlage der Feststellungen des LSG kann nicht entschieden werden, ob der Kläger einen Anspruch auf Rente wegen (voller oder teilweiser) Erwerbsminderung hat.

12

1. Der Anspruch richtet sich nach § 43 SGB VI in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.2.2002 (BGBl I 754). Bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (Abs 1 Satz 1 bzw Abs 2 Satz 1, jeweils Nr 2 und 3) haben danach Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Abs 1 Satz 1 Nr 1), bzw auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Abs 2 Satz 1 Nr 1). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Abs 1 Satz 2). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Abs 2 Satz 2). Erwerbsgemindert ist hingegen nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Abs 3).

13

2. Nach den Feststellungen des LSG ist der Kläger mit dem ihm verbliebenen Restleistungsvermögen noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts eine Tätigkeit zu verrichten. Nicht entschieden werden kann unter Berücksichtigung der qualitativen Leistungseinschränkungen indes, ob der Kläger in der Lage ist, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch erwerbstätig zu sein, und ob ihm eine konkrete Verweisungstätigkeit benannt werden muss. Das LSG hat dies offengelassen, da eine Benennung von Verweisungstätigkeiten nach § 43 SGB VI idF des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit(RRErwerbG) vom 20.12.2000 (BGBl I 1827) - § 43 SGB VI nF - generell nicht mehr erforderlich sei.

14

Die Ansicht des LSG hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Grundsätze, die das BSG zur Erwerbsunfähigkeit nach der vor Inkrafttreten des RRErwerbG geltenden Rechtslage herausgearbeitet hat (hierzu a), sind auch für Ansprüche auf Renten wegen Erwerbsminderung nach dem ab dem 1.1.2001 geltenden Recht weiter anzuwenden (hierzu b). Eine Änderung der insoweit maßgeblichen Rechtslage lässt sich weder mit dem Wortlaut des Gesetzes noch der Gesetzesbegründung oder sonstigen Erwägungen begründen (hierzu c). Der im vorliegenden Fall geltend gemachte Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hängt daher davon ab, ob der Kläger noch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts im zeitlichen Rahmen erwerbstätig sein kann (hierzu d), bzw ob bei ihm eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt, so dass ihm eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen ist (hierzu e). Entsprechende Feststellungen wird das LSG daher nachzuholen haben (hierzu f).

15

a) Nach der zu § 44 SGB VI aF ergangenen Rechtsprechung des BSG war die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit bei Versicherten mit einem, wenn auch mit qualitativen Einschränkungen vollschichtigen Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten erforderlich, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorlag(BSGE 80, 24, 33 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 26 mwN). Bereits nach den §§ 1246 und 1247 RVO knüpfte der Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit an ein Herabsinken der Fähigkeit des Versicherten an, auf dem Arbeitsmarkt ein Einkommen zu erzielen. Die RVO differenzierte zwischen Renten wegen Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit: Während der Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit nach § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO ua davon abhängig war, ob dem Versicherten eine ihm nach seinem gesundheitlichen Leistungsvermögen noch mögliche Berufstätigkeit unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden konnte, setzte der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 1247 Abs 2 RVO voraus, dass der Versicherte eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit nicht mehr ausüben konnte. Diese Struktur wurde in den §§ 43 und 44, jeweils aF, SGB VI inhaltlich unverändert übernommen(vgl Blaser, Der Begriff der "üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts" im Sozialrecht, 2009, S 81 mwN). Das Leistungsvermögen und dessen Umsetzungsfähigkeit war an den individuellen Verhältnissen des Versicherten und den konkreten Bedingungen des Arbeitsmarkts zu messen (BSG stRspr, vgl nur BSGE 80, 24, 31 f = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24 f; BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 5 RdNr 18 und Nr 9 RdNr 18 ff; SozR 3-2600 § 43 Nr 13 S 22 ff, Nr 14 S 41 ff, Nr 17 S 58 ff und Nr 21 S 72 ff).

16

Die Ablehnung einer Rente mangels Minderung der Erwerbsfähigkeit setzte danach regelmäßig die konkrete Benennung zumindest einer Tätigkeit (Verweisungstätigkeit) voraus, die die den Rentenfall begründende Minderung der Erwerbsfähigkeit ausschloss, weil der Versicherte diese Tätigkeit noch ausüben konnte (BSGE 80, 24, 31 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24). Zu benennen war eine Berufstätigkeit mit ihren typischen, das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmalen (BSGE 80, 24, 31 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24; BSG SozR 2200 § 1246 Nr 72 S 229 und Nr 74 S 234; SozR 3-2200 § 1246 Nr 50 S 229). Die Angabe einzelner Arbeitsvorgänge oder Tätigkeitsmerkmale war hingegen nicht ausreichend (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 34 S 130 f mwN; Senatsurteil vom 27.3.2007 - B 13 R 63/06 R - Juris RdNr 30). Andererseits war aber auch nicht die Benennung eines konkreten Arbeitsplatzes erforderlich (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 104 S 324). Die zu benennende Tätigkeit musste auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tatsächlich in ausreichendem Umfang vorkommen (BSGE 80, 24, 35 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 28), dh es mussten grundsätzlich mehr als 300 Stellen (besetzt oder offen) vorhanden sein (BSGE 78, 207, 222 f = SozR 3-2600 § 43 Nr 13 S 34 f; BSG Urteil vom 29.7.2004 - B 4 RA 5/04 R - Juris RdNr 24, 33; vom 26.4.2007 - B 4 R 5/06 R - Juris RdNr 18).

17

Abweichend von diesem Grundsatz war die Benennung einer Verweisungstätigkeit dann nicht erforderlich, wenn der Versicherte - wenn auch mit qualitativen Einschränkungen - noch vollschichtig zu mittelschweren oder leichten Arbeiten in der Lage war und auf eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden durfte (BSGE 80, 24, 31 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24 mwN). Auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden durften bei der Prüfung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit grundsätzlich alle Versicherten (BSGE 19, 147, 149 f = SozR Nr 6 zu § 1247 RVO S Aa4; BSG SozR 2200 § 1247 Nr 7 S 12 f; SozR 5850 § 2 Nr 12 S 25; SozR 3-2200 § 1247 Nr 8 S 18), bei der Prüfung der Rente wegen Berufsunfähigkeit hingegen nur ungelernte Arbeiter bzw sog Angelernte unteren Ranges (BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 21 S 72 f mwN). In diesen Fällen war regelmäßig davon auszugehen, dass das Restleistungsvermögen dem Versicherten noch körperliche Verrichtungen erlaubte, wie sie in ungelernten Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen (wie zB Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw). Dem lag die Überlegung zugrunde, dass sich die nicht oder nur ganz wenig qualifizierten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts ("Hilfsarbeiten") einerseits einer knappen Benennung, die aussagekräftig Art und Anforderungen der Tätigkeiten beschreiben würde, entzogen, das Arbeitsfeld andererseits aber so heterogen war, dass mit einem Restleistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten jedenfalls noch von ausreichenden Erwerbsmöglichkeiten ausgegangen werden konnte (BSGE 80, 24, 31 ff = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24 ff).

18

Trotz der praktischen Schwierigkeiten war - im Sinne einer Rückausnahme - die konkrete Benennung zumindest einer Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorlag: In diesen Fällen einer überdurchschnittlich starken Leistungsminderung bestanden - entgegen der oben skizzierten grundsätzlichen Annahme - ernsthafte Zweifel, dass der allgemeine Arbeitsmarkt für die dem Versicherten an sich noch mögliche Vollzeittätigkeit eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen bereithielt oder dass der Versicherte mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen in einem Betrieb einsetzbar war (BSGE 80, 24, 34 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 27; BSG SozR 2200 § 1246 Nr 104 S 324 und Nr 136 S 434). Auch die Möglichkeit der praktischen Verschlossenheit des Arbeitsmarkts ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung (BSGE 80, 24, 34 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 27).

19

b) Diese Maßstäbe haben - wie bereits der 5. Senat entschieden hat (BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 5 RdNr 18)- auch für die seit dem 1.1.2001 geltende Rechtslage weiterhin Gültigkeit (vgl insoweit auch bereits die Senatsbeschlüsse vom 10.7.2002 - B 13 RJ 101/02 B - Juris RdNr 7 und vom 27.2.2003 - B 13 RJ 215/02 B - Juris RdNr 12). Durch das RRErwerbG wurden die oben skizzierten Voraussetzungen eines Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht abgeschafft, sondern vielmehr für den Anspruch auf Rente wegen (voller oder teilweiser) Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI nF übernommen: Erwerbsfähigkeit iS des § 43 Abs 3 SGB VI nF setzt nicht nur voraus, dass der Versicherte in der Lage ist, "unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts eine Tätigkeit zu verrichten", sondern darüber hinaus, dass er damit in der Lage ist, "erwerbstätig" zu sein, dh unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts ein Erwerbseinkommen zu erzielen. Das Tatbestandsmerkmal der Fähigkeit zur Ausübung einer "Erwerbstätigkeit" in § 43 Abs 3 SGB VI nF ist § 44 Abs 2 SGB VI aF entnommen. Das Tatbestandsmerkmal der "üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts" knüpft an die - oben wiedergegebene - Rechtsprechung des BSG zu den §§ 1246 und 1247 RVO bzw den §§ 43 und 44 SGB VI aF und die dort verwendete Begrifflichkeit an.

20

c) Die vom LSG gegen eine Weitergeltung dieser Grundsätze nach § 43 SGB VI nF angeführten Argumente überzeugen nicht.

21

aa) Insbesondere steht der Wortlaut des Gesetzes einem Vergleich zwischen der individuellen Leistungsfähigkeit des einzelnen Versicherten und den auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tatsächlich vorkommenden Erwerbsmöglichkeiten bei der Prüfung der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht entgegen, sondern gebietet diesen. Denn die - von § 43 SGB VI nF nach dessen Wortlaut geforderte - Möglichkeit der Erzielung eines Erwerbseinkommens unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts besteht nur, wenn die dem Versicherten noch möglichen Tätigkeiten überhaupt auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeübt werden können. Auch die Gesetzesbegründung bringt dies klar zum Ausdruck, indem sie auf die Entscheidung des Großen Senats vom 19.12.1996 ("BSGE 80, 24, 34") Bezug nimmt und ausführt, maßgeblich für die Feststellung des Leistungsvermögens sei die Erwerbsfähigkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, dh in jeder nur denkbaren Tätigkeit, die es auf dem Arbeitsmarkt gebe, wobei allerdings nur Tätigkeiten in Betracht kämen, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt üblich seien. Damit werde sichergestellt, dass für die Feststellung des Leistungsvermögens solche Tätigkeiten nicht in Betracht zu ziehen seien, für die es für den zu beurteilenden Versicherten einen Arbeitsmarkt schlechthin nicht gebe. Der Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente werde nicht allein vom Gesundheitszustand des Versicherten abhängig gemacht (sog abstrakte Betrachtungsweise), sondern auch davon, ob er noch in der Lage sei, bei der konkreten Situation des (Teilzeit-) Arbeitsmarkts die ihm verbliebene Erwerbsfähigkeit zur Erzielung eines Erwerbseinkommens einzusetzen (BT-Drucks 14/4230 S 25). In Bezug genommen werden durch diese Formulierung - entgegen der Ansicht des LSG - die Möglichkeiten der Erzielung eines Erwerbseinkommens auf dem Teilzeit- und dem Vollzeitarbeitsmarkt. Durch den Hinweis auf die Entscheidung des Großen Senats vom 19.12.1996 (BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8) und die Übernahme der dort verwendeten Begrifflichkeit macht die Gesetzesbegründung darüber hinaus deutlich, dass keine Abkehr von der zitierten Rechtsprechung des BSG beabsichtigt war, sondern dass vielmehr an diese angeknüpft werden sollte.

22

bb) Wenn die Gesetzesbegründung (BT-Drucks 14/4230 S 23, 25) den der abstrakten Betrachtungsweise entgegengesetzten Begriff "konkrete Betrachtungsweise" in anderem Zusammenhang gebraucht, nämlich in Bezug auf sog "Arbeitsmarktrenten" bei teilweiser Erwerbsminderung, ändert dies hieran nichts. Jedenfalls kann daraus, dass der Gesetzgeber die sog "Arbeitsmarktrenten" beibehalten wollte, nicht geschlossen werden, dass er die konkrete Betrachtungsweise in Bezug auf die Fähigkeit eines Versicherten, mit seinem individuellen Leistungsvermögen eine Tätigkeit auszuüben, mit der auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein Erwerbseinkommen erzielt werden kann, abschaffen wollte. Hierfür ergeben sich aus der Gesetzesbegründung ebenso wenige Anhaltspunkte wie für die Annahme des LSG, der Gesetzgeber habe "den gesamten Komplex der Benennung von Verweisungstätigkeiten einschränken bzw abschaffen" wollen.

23

Die Gesetzesbegründung benennt als Ausgangspunkt für die Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vielmehr zum einen, dass die Rentenversicherung bei einem beträchtlichen Teil der Versicherten nicht nur das Invaliditätsrisiko, sondern auch das Arbeitsmarktrisiko trage, und zum anderen, dass die Rente wegen Berufsunfähigkeit - wegen der dort typischen Bevorzugung von Versicherten mit besonderer Qualifikation in herausgehobenen Positionen - zunehmend in die Kritik geraten sei (BT-Drucks 14/4230 S 1). Ziel des Gesetzgebers war es damit, das durch die Arbeitslosenversicherung abzusichernde Arbeitsmarktrisiko von dem durch die Rentenversicherung abzusichernden Invaliditätsrisiko sachgerecht abzugrenzen (insbesondere auch durch Erstattungsleistungen der Bundesagentur für Arbeit an die Rentenversicherung, vgl BT-Drucks 14/4230 S 1); weiteres Ziel war die Abschaffung der Rente wegen Berufsunfähigkeit. Der Verzicht auf die Prüfung der Verschlossenheit des Arbeitsmarkts, dh der fehlenden Möglichkeit der Erzielung eines Erwerbseinkommens auf dem konkret offenstehenden Arbeitsmarkt, gehörte - entgegen der Ansicht des LSG - nicht zu den in den Gesetzesmaterialien aufgeführten Zielen. Im Gegenteil legt die Gesetzesbegründung dar, dass eine Erwerbsminderungsrente, bei der (ohne Berücksichtigung der dem Versicherten verbliebenen Möglichkeit, auf dem [Teilzeit-]Arbeitsmarkt ein Erwerbseinkommen zu erzielen) allein auf den Gesundheitszustand des Versicherten abgestellt werden sollte, nicht beabsichtigt war (so ausdrücklich BT-Drucks 14/4230 S 25).

24

cc) Eine Ungleichbehandlung von Versicherten mit unterschiedlicher fachlicher Qualifikation ist darin nicht zu sehen. Es liegt vielmehr in der Natur der Sache, dass ein Versicherter nur auf diejenigen Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verwiesen werden kann, die er mit seiner individuellen fachlichen Qualifikation auch ausüben kann, da ihm nur mit diesen Tätigkeiten die Erzielung eines Erwerbseinkommens möglich ist.

25

dd) Maßgeblich ist damit für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung (auch) nach § 43 SGB VI nF, ob der jeweilige Versicherte mit seinem individuellen gesundheitlichen und beruflichen Leistungsvermögen Tätigkeiten ausüben kann, mit denen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein Erwerbseinkommen zu erzielen ist(so auch Mey, SGb 2007, 217 ff; Blaser, Der Begriff der "üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts" im Sozialrecht, 2009, S 84 ff; KomGRV, § 43 SGB VI Anm 1.3, 4, 7, Stand April 2008; Gürtner in Kasseler Komm, § 43 SGB VI RdNr 47, Stand April 2010; Kamprad in Hauck/Noftz, K § 43 SGB VI RdNr 31 ff, 41, Stand Juni 2011; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, 3. Aufl, § 43 SGB VI RdNr 81 ff, Stand September 2009; Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung im SGB, § 43 SGB VI Anm 2, Stand März 2008; Lange in Jahn, SGB für die Praxis, § 43 SGB VI RdNr 26 ff, Stand Februar 2008; Steiner, SGb 2011, 310 ff; 365 ff; Dünn, MedSach 2011, 131 f; aA Apidopoulos, SGb 2006, 720 ff).

26

d) Im vorliegenden Fall kommt es mithin darauf an, ob der Kläger mit dem ihm verbliebenen Restleistungsvermögen - wenn auch mit qualitativen Einschränkungen - in der Lage ist, zumindest körperlich leichte Tätigkeiten arbeitstäglich für mindestens sechs Stunden zu verrichten, er also in diesem zeitlichen Umfang unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein kann (§ 43 Abs 1 Satz 2, Abs 3 Halbs 1 SGB VI). Dies setzt voraus, dass es solche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt überhaupt gibt; nicht entscheidend ist hingegen, ob der Kläger eine konkrete Arbeitsstelle tatsächlich auch findet.

27

aa) Der "allgemeine Arbeitsmarkt" in diesem Sinne umfasst jede nur denkbare Tätigkeit, die es auf dem Arbeitsmarkt gibt (vgl BT-Drucks 14/4230, S 25). Das Merkmal "allgemein" grenzt den Arbeitsmarkt lediglich von Sonderbereichen ab, wie beispielsweise Werkstätten für Behinderte und andere geschützte Einrichtungen (Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung - SGB VI, aaO RdNr 85; Kamprad in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 43 RdNr 35 f, Stand Juni 2011). Eine Beschränkung auf körperlich leichte und fachlich einfache Arbeiten erfolgt durch die Bezeichnung "allgemeiner Arbeitsmarkt" entgegen der Meinung des LSG hingegen nicht.

28

Eine solche Beschränkung galt auch bei der früheren Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht. Vielmehr waren bei der Prüfung der Erwerbsunfähigkeit alle Versicherten unabhängig von ihrem Beruf auf alle geeigneten Tätigkeiten verweisbar (BSGE 80, 24, 27 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 20; BSGE 19, 147, 149 f = SozR Nr 6 zu § 1247 RVO S Aa4; BSG SozR 2200 § 1247 Nr 7 S 12; SozR 5850 § 2 Nr 12 S 25; SozR 3-2200 § 1247 Nr 8 S 18). Wenn Versicherte, die zu körperlich leichten oder mittelschweren Arbeiten noch vollschichtig in der Lage waren, "auf eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder -feld (das meint ungelernte Tätigkeiten)" verwiesen werden durften (BSGE 80, 24, 31 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24), so deshalb, weil dies die Tätigkeiten waren, auf die jedenfalls alle Versicherten - unabhängig von ihrem Bildungsstand - verwiesen werden konnten. Ein grundsätzlicher Ausschluss der Verweisung eines qualifizierten Versicherten auf eine seiner beruflichen Qualifikation entsprechende Tätigkeit erfolgte hierdurch jedoch nicht. Deswegen geht auch der Hinweis des LSG auf das Senatsurteil vom 23.5.2006 (SozR 4-2600 § 43 Nr 9) fehl: Wenn dort Feststellungen zu "körperlich leichten und fachlich einfachen Arbeiten, wie sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt angeboten werden" (aaO RdNr 24) gefordert wurden, bedeutet dies nicht, dass sich der allgemeine Arbeitsmarkt in solchen Tätigkeiten erschöpfen würde; vielmehr ging es in dieser Entscheidung um die Erwerbsfähigkeit einer ungelernten Versicherten, bei der lediglich eine Verweisung auf Tätigkeiten mit diesem Anforderungsprofil in Betracht kam.

29

bb) Unter den "üblichen Bedingungen" iS des § 43 SGB VI nF ist das tatsächliche Geschehen auf dem Arbeitsmarkt und in den Betrieben zu verstehen, dh unter welchen Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt die Entgelterzielung üblicherweise tatsächlich erfolgt. Hierzu gehören sowohl rechtliche Bedingungen, wie etwa Dauer und Verteilung der Arbeitszeit, Pausen- und Urlaubsregelungen, Beachtung von Arbeitsschutzvorschriften sowie gesetzliche und tarifvertragliche Vorschriften, als auch tatsächliche Umstände, wie zB die für die Ausübung einer Verweisungstätigkeit allgemein vorausgesetzten Mindestanforderungen an Konzentrationsvermögen, geistige Beweglichkeit, Stressverträglichkeit und Frustrationstoleranz (vgl zB Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung - SGB VI, aaO RdNr 86 ff, Stand September 2009). Üblich sind Bedingungen, wenn sie nicht nur in Einzel- oder Ausnahmefällen anzutreffen sind, sondern in nennenswertem Umfang und in beachtlicher Zahl (BSG SozR 4100 § 103 Nr 17 S 40, 42; SozR 2200 § 1247 Nr 43 S 86 f). Eine Einsatzfähigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts ist insbesondere nicht mehr gegeben, wenn einer der in der Rechtsprechung des BSG anerkannten sog Katalogfälle einschlägig ist (vgl im Einzelnen BSGE 80, 24, 34 f = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 28 f).

30

cc) Hieran ändert auch nichts, dass die jeweilige Arbeitsmarktlage nach § 43 Abs 3 Halbs 2 SGB VI nF nicht zu berücksichtigen ist. Denn hiermit ist lediglich gemeint, dass konjunkturelle Schwankungen des Arbeitsmarkts unberücksichtigt zu bleiben haben. Wird eine bestimmte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aber aus strukturellen Gründen nicht (mehr) nachgefragt, kann man mit ihr auch kein Erwerbseinkommen erzielen, mit ihr also nicht erwerbstätig sein iS des § 43 Abs 3 SGB VI.

31

dd) Für den Regelfall kann damit davon ausgegangen werden, dass ein Versicherter, der nach seinem verbliebenen Restleistungsvermögen noch körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten - wenn auch mit qualitativen Einschränkungen - täglich mindestens sechs Stunden verrichten kann, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen noch erwerbstätig sein kann. Denn dem Versicherten ist es mit diesem Leistungsvermögen in der Regel noch möglich, diejenigen Verrichtungen auszuführen, die in meist ungelernten Tätigkeiten in der Regel gefordert werden (zB Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw - vgl BSGE 80, 24, 31 f = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24 f).

32

Der Senat hält diese beispielhaft genannten Verrichtungen bzw Tätigkeiten nach wie vor für geeignet, um zu überprüfen, ob tatsächlich von ausreichenden Erwerbsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgegangen werden kann. Er übersieht hierbei nicht, dass sich die Erwerbsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seit Anfang der 1980iger Jahre (vgl hierzu BSGE 80, 24, 32 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 25 unter Hinweis auf BSG SozR 2200 § 1246 Nr 81 und Nr 90) verändert haben. Neue Arbeitsfelder, insbesondere im Dienstleistungsbereich und im Bereich der Informationstechnik mögen hinzugekommen sein; gleichwohl ist anhand der og Verrichtungen bzw Tätigkeiten eine Überprüfung, ob mit dem verbliebenen Restleistungsvermögen ausreichende Erwerbsmöglichkeiten für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tatsächlich vorhanden sind, jedenfalls auch für dort zu verrichtende ungelernte Tätigkeiten weiterhin möglich.

33

e) Es besteht jedoch dann die Pflicht zur Benennung zumindest einer Verweisungstätigkeit, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSGE 80, 24, 33 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 26). Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, dass es sich hierbei um unbestimmte Rechtsbegriffe handelt, die einer Konkretisierung schwer zugänglich sind (Senatsurteile vom 19.8.1997 - BSGE 81, 15, 19 = SozR 3-2200 § 1247 Nr 23 S 69; vom 20.8.1997 - SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 60 f). Eine vernünftige Handhabung dieser weiten Begriffe sichert, dass immer dann, wenn "ernsthafte Zweifel" bestehen, ob der Versicherte "in einem Betrieb einsetzbar" ist (oder ein Katalogfall vorliegen könnte), die konkrete Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit erfolgen muss, die nicht nur zu dem Vergleich von Leistungsfähigkeit und Anforderungsprofil führt, sondern auch zu der individuellen Prüfung, ob dem Versicherten der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen ist oder nicht (so BSGE 80, 24, 39, 34 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 33, 27: "ernste Zweifel"; vgl schon BSG 4. Senat vom 30.11.1982 - SozR 2200 § 1246 Nr 104 LS; Senatsurteile vom 19.8.1997 - 13 RJ 55/96 - SozSich 1998, 112 - Juris RdNr 24; vom 20.8.1997 - BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 59; vom 30.10.1997 - 13 RJ 49/97 - Juris RdNr 20, vom 11.5.1999 - SozR 3-2600 § 43 Nr 21 S 73; vom 23.8.2001 - B 13 RJ 13/01 R - Juris RdNr 21; BSG 5. Senat vom 24.2.1999 - SozR 3-2600 § 44 Nr 12 S 43 und vom 10.12.2003 - BSG SozR 4-2600 § 44 Nr 1 RdNr 11).

34

aa) Insofern richtet sich der hierbei anzustellende Prüfungs- und Begründungsaufwand nach den konkreten Umständen des Einzelfalls; insbesondere hängt er von der Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab. Je mehr diese geeignet erscheinen, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter muss der Rentenversicherungsträger bzw das Tatsachengericht die Entscheidung zur Frage einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung begründen. Erforderlich ist eine Untersuchung, welche Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen durch die beim Versicherten vorliegenden Gesundheitsstörungen im Einzelnen ausgeschlossen sind (Senatsurteile vom 23.5.2006 - SozR 4-2600 § 43 Nr 9 RdNr 23; vom 19.8.1997 - BSGE 81, 15, 19 = SozR 3-2200 § 1247 Nr 23 S 70; vom 20.8.1997 - BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 61; vom 30.10.1997 - 13 RJ 49/97 - Juris RdNr 24 ff). Diesen aufgezeigten abstrakten Maßstäben ist allerdings Kritik entgegengesetzt worden im Hinblick auf die Praktikabilität dieser Rechtsprechung (Köbl in Ruland/Försterling, Gemeinschaftskommentar zum SGB VI, § 43 RdNr 168, Stand Oktober 2006)und den damit verbundenen Begründungsaufwand für die Rentenversicherungsträger und die Instanzgerichte (Blaser, Der Begriff der "üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes" im Sozialrecht, 2009, S 107).

35

bb) Aus diesem Grund weist der Senat erneut darauf hin, dass sich aus Zweckmäßigkeits- und aus Effektivitätsgründen die rentenrechtliche Prüfung in zwei Schritten anbietet:

36

(1) Bei Versicherten, die trotz qualitativer Leistungseinschränkungen noch zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten können, ist die Einsatzfähigkeit des Versicherten in einem Betrieb nicht ernsthaft in Zweifel zu ziehen (noch kommt die Möglichkeit einer praktischen Verschlossenheit des Arbeitsmarkts in Betracht). Auf der ersten Prüfstufe ist daher festzustellen, ob das Restleistungsvermögen dem Versicherten Verrichtungen oder Tätigkeiten (wie zB Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw <vgl BSGE 80, 24, 32 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 25>)erlaubt, die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden. In diesem Fall genügt die Benennung von "Arbeitsfeldern", von "Tätigkeiten der Art nach" oder von "geeigneten Tätigkeitsfeldern", die der Versicherte ausfüllen könnte (vgl BSGE 80, 24, 31 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24; Senatsurteile vom 19.8.1997 - 13 RJ 29/95 - SozSich 1998, 111 - Juris RdNr 30; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 62 f; vom 9.9.1998 - B 13 RJ 35/97 R - Juris RdNr 24; vom 14.7.1999 - B 13 RJ 65/97 R - Juris RdNr 32; BSG 5. Senat vom 24.2.1999 - SozR 3-2600 § 44 Nr 12 S 43; vom 11.5.1999 - SozR 3-2600 § 43 Nr 21 S 73 f; vom 10.12.2003 - SozR 4-2600 § 44 Nr 1 RdNr 23; sog "kleines Benennungsgebot": vgl Köbl, aaO RdNr 168; Gürtner in Kasseler Komm, § 43 SGB VI RdNr 47, Stand April 2010; Spiolek, SGb 1999, 509, 510; kritisch Kamprad in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 43 RdNr 42, Stand Juni 2011; aA wohl Blaser, Der Begriff der "üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes" im Sozialrecht, 2009, S 108). Damit können "ernste Zweifel" an der oben beschriebenen Einsatzfähigkeit des Versicherten als Folge von qualitativen Leistungseinschränkungen ausgeräumt werden.

37

(2) Erst dann, wenn sich solche Bereiche des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht beschreiben lassen, in denen es Arbeitsplätze gibt, die der Versicherte unter Berücksichtigung seines Restleistungsvermögens noch ausfüllen kann und insofern "ernste Zweifel" an der tatsächlichen Einsatzfähigkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen aufkommen, stellt sich die Prüfpflicht, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine besondere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (vgl Senatsurteile vom 20.8.1997 - SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 62 f; vom 9.9.1998 - B 13 RJ 35/97 R - Juris RdNr 24; vom 11.5.1999 - SozR 3-2600 § 43 Nr 21 S 73 f; BSG 5. Senat vom 24.2.1999 - SozR 3-2600 § 44 Nr 12 S 44). Verbleibt es bei den ernsten Zweifeln an der Einsatzfähigkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung der individuellen Leistungseinschränkungen, ist mindestens eine konkrete Verweisungstätigkeit mit ihren typischen, das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmalen (kein konkreter Arbeitsplatz) zum Ausschluss der Voraussetzungen des Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung erforderlich (vgl BSGE 80, 24, 39 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 33).

38

f) Ob dem Kläger ein Verweisungsberuf benannt werden muss, kann anhand der Feststellungen des LSG nicht entschieden werden. Sollte sich das LSG nicht davon überzeugen können, dass der Kläger mit seinem Restleistungsvermögen noch bestimmte "Arbeitsfelder" ausfüllen bzw og "Tätigkeiten der Art nach" noch verrichten kann - um Zweifel an der betrieblichen Einsetzbarkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuräumen -, wird das LSG das Vorliegen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung zu prüfen haben. Bejaht es die eine oder andere Alternative, wird es Feststellungen nachzuholen haben, ob dem Kläger ein konkreter Verweisungsberuf benannt werden kann, den er mit seinen individuellen gesundheitlichen Leistungseinschränkungen und seiner fachlichen Qualifikation noch ausüben kann. Hierbei wird zu berücksichtigen sein, ob der Kläger den Bedingungen und Anforderungen, unter denen die entsprechende Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Erzielung eines Erwerbseinkommens ausgeübt wird, noch gewachsen ist.

39

Das LSG wird abschließend über die gesamten Kosten des Rechtsstreits nach § 193 SGG zu befinden haben(BSG SozR 5870 § 2 Nr 62 S 201 f).

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Voraussetzungen der Bewilligung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI).

2

Die am ... 1966 geborene Klägerin durchlief nach dem Abschluss der 10. Schulklasse vom 1. September 1983 bis zum 15. Juli 1985 erfolgreich eine Lehre zum Facharbeiter für Anlagentechnik. Im Anschluss daran war sie bis zum 17. Oktober 1989 im erlernten Beruf, vom 18. Oktober 1989 bis 14. April 1994 als Stationshilfe und zuletzt vom 15. April 1994 bis zum 31. März 1996 als Mitarbeiterin der Wäscherei eines Senioren- und Pflegezentrums versicherungspflichtig tätig. Ab dem 1. April 1996 war sie arbeitslos. Später bezog sie Arbeitslosengeld II.

3

Sie verfügt über einen Führerschein und einen Pkw.

4

Die Klägerin hatte am 8. Februar 1996 bei der Beklagten, damals noch Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt, die Bewilligung von Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit beantragt unter Hinweis auf eine Wirbelsäulenverletzung, die sie sich bei einem Sturz am 27. Februar 1993 aus einem Fenster ihrer im dritten Stockwerk gelegenen Mietwohnung zugezogen hatte. Die Beklagte hatte mit Bescheid vom 19. August 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. April 1998 den Rentenantrag abgelehnt. Die dagegen gerichtete Klage (S 1 RJ 143/98) hatte das Sozialgericht Dessau mit rechtskräftigem Urteil vom 12. August 1999 abgewiesen.

5

Am 27. April 2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Sie machte geltend, wegen eines akuten Rückenleidens, eines Zustands nach Fraktur und Gebärmutterentfernung, Allergien, Schlaf- und Essstörungen, Depressionen und Bewegungseinschränkungen im Sprunggelenk rechts keine Tätigkeiten mehr verrichten zu können.

6

Die Beklagte zog zunächst Unterlagen von dem Gemeinde-Unfallversicherungsverband Sachsen-Anhalt aus dem Verfahren zur Anerkennung einer Berufskrankheit bei, u.a. das fachärztlichdermatologische Gutachten des Ärztlichen Direktors der Dermatologischen Klinik und Poliklinik der Medizinischen Hochschule H. Prof. Dr. K. vom 25. März 1995, die nach Aktenlage erstellte ärztliche Stellungnahme des Ärztlichen Direktors des Instituts für Arbeits- und Sozialmedizinische Allergiediagnostik der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster Prof. Dr. S. vom 12. März 1996 sowie den Widerspruchsbescheid des Gemeinde-Unfallversicherungsverband Sachsen-Anhalt vom 25. November 1996, mit welchem eine allergische Kontaktdermatitis als Berufskrankheit anerkannt, ein Anspruch der Klägerin auf Rente mangels einer rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit jedoch abgelehnt worden war.

7

Ferner lagen der Beklagten die medizinischen Unterlagen aus dem ersten Rentenverfahren vor. In dem Entlassungsbericht des Eisenmoorbades Bad Schmiedeberg vom 26. Juni 1995 wurden nach einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme der Klägerin vom 11. Mai bis zum 8. Juni 1995 die Diagnose eines thorakolumbalen Schmerzsyndroms (Respondylodese L 1 bis L 3 am 24. April 1995 nach Fraktur der Lendenwirbelkörper (LWK) 2 3/93) berücksichtigt und der Klägerin ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen ohne Bücken und Heben und Tragen schwerer Lasten bescheinigt. In dem Gutachten vom 22. Dezember 1997 hatte der Facharzt für Orthopädie Dr. H. mitgeteilt, die 1993 operativ stabilisierten Kompressionsfrakturen der LWK 1 und 2 seien ohne stärkeren Gibbus fest verheilt. Es bestehe jetzt ein Übergewicht von über zehn kg bei einem muskelschwachen Rundrücken. Aktive Maßnahmen zur Beseitigung dieses Folgezustande wie Wirbelsäulengymnastik und Rückenkräftigungsübungen lehne die Klägerin strikt ab. Sie sei vollschichtig erwerbsfähig für leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne lang andauernde Zwangshaltungen (Bücken) und Arbeiten mit schwerem Heben und Tragen.

8

In dem auf Veranlassung des Sozialgerichts Dessau in dem Verfahren S 1 RJ 143/98 erstatteten Gutachten vom 3. März 1999 hatte der Chefarzt der Abteilung Orthopädie des Rehazentrums Bad D. Dr. E. angegeben, bei der Klägerin bestünden ein wiederkehrendes Schmerzsyndrom im Bereich des Brust-Lendenüberganges bei Lockerung des Segmentes LWK 2/3 und einem Zustand nach Verschmelzungsoperation zwischen dem ersten und zweiten LWK wegen einer am 28. Februar 1993 stattgehabten LWK-2- und -3-Fraktur, ein Pseudoradikulärsyndrom nach Spondylodese wegen LWK 2/3 Fraktur vom 28. Februar 1993, eine erhebliche Unterfunktion der Rumpfmuskulatur (Rumpfmuskelinsuffizienz) und eine allergische Kontaktdermatitis. Durch ein konsequentes Training zur Stabilisierung der Rumpfmuskulatur seien eine deutliche Stabilisierung der Wirbelsäule und damit auch eine Reduzierung der Beschwerden zu erreichen. Dies setze allerdings ein hohes Maß an Krankheitseinsicht und starken Willen zur Bekämpfung dieser Beschwerden durch Selbstbeteiligung bei der Klägerin voraus, welches beides momentan nicht sehr ausgeprägt zu sein scheine. Die Klägerin sei in der Lage, körperlich leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen bzw. im Wechsel von Sitzen und Gehen ohne Zwangshaltungen, Überkopfarbeiten, gehäuftes Heben und Tragen von Lasten über fünf kg, Exposition von Kälte, Nässe und Zugluft, ohne Zeitdruck sowie Akkord- und Fließbandarbeit und Arbeiten an laufenden Maschinen vollschichtig zu verrichten.

9

Darüber hinaus zog die Beklagte die in den medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen berücksichtigten Unterlagen bei. In dem Gutachten des Ärztlichen Dienstes des Arbeitsamtes W., erstellt von Dipl.-Med. S. unter dem 28. Juni 2001 nach einer Untersuchung der Klägerin, wurde ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Arbeiten im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen beschrieben ohne Heben und Tragen schwerer und mittelschwerer Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, ohne Tätigkeiten auf Leitern, Treppen und Gerüsten, überwiegendes Klettern oder Steigen, Zwangshaltungen, erhebliche Witterungseinflüsse und ohne Tätigkeiten, bei denen die Haut im erhöhten Maße physikalischen und insbesondere chemischen Reizen ausgesetzt sei. Der Facharzt für Orthopädie/Chirotherapie/Physikalische Therapie Dr. A. zeigte in seinem zum Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben eingeholten Gutachten vom 13. April 2005 einen deutlich muskelschwachen Rundrücken und eine Bauchmuskelinsuffizienz auf; neurologische Defizite seien nicht festzustellen. Er berücksichtigte als Diagnosen ein chronisches Lumbalsyndrom bei Zustand nach einer LWK-1- bis -2-Fraktur, eine Adipositas und psychosomatische Störungen. Die Klägerin sei für ihren erlernten Beruf als Facharbeiter in der Anlagentechnik und für ihre letzte Tätigkeit als Stationshilfe sowie für jede andere Tätigkeit (leicht bis mittelschwer) auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen ohne Zwangshaltungen der Wirbelsäule vollschichtig erwerbsfähig. Er empfahl eine Reduzierung des Körpergewichts sowie ein aktives Training der Rücken- und Bauchmuskulatur. Die Klägerin sei in der Lage, viermal täglich eine einfache Wegstrecke von mehr als 500 Meter innerhalb 20 Minuten zurückzulegen; auch könne sie einen Pkw fahren.

10

In dem streitgegenständlichen Rentenverfahren holte die Beklagte zunächst einen Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Weiße vom 15. Februar 2006 ein, der zwei Arztbriefe des Facharztes für Orthopädie Dr. W. vom 5. Januar 2005 und 28. September 2005 beifügte. Dr. W. diagnostizierte in dem ersten Arztbrief einen Zustand nach Spondylodese L 1/2 sowie eine lumbosacrales Spondylolisthesis und empfahl dringend eine intensive Bauchmuskelkräftigung zur Kompensation der lumbalen Hyperlordose als Langzeitbehandlung. In dem weiteren Arztbrief diagnostizierte er ein Sprunggelenk-Ganglion talocrural rechts und ein Cervicalsyndrom. In der ebenfalls mit übersandten Epikrise der Geburtshilflich-Gynäkologischen Abteilung der Paul Gerhardt Stiftung Lutherstadt W. vom 4. September 2001 über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 15. bis zum 28. August 2001 wurden die Durchführung einer Hysterektomia abdominales, Adhäsiolyse und Tubenexstirpation links am 17. August 2001 mitgeteilt.

11

Daraufhin ließ die Beklagte den Facharzt für Orthopädie, Rheumatologie, Sportmedizin und Chefarzt der Orthopädie der Rehabilitationsklinik Eisenmoorbad Dr. M. das Gutachten vom 1. August 2006 erstatten. Dieser stellte bei der Untersuchung am 12. Juli 2006 ein situationsadäquates Verhalten der Klägerin ohne ein Verhalten für einen psychosomatischen Symptomenkomplex fest. Er diagnostizierte ein posttraumatisches Vertebralsyndrom nach einer Wirbelkörperfraktur LWK 2/3, eine durch die vermehrte Brustkyphose bedingte sekundäre Thoraxdeformierung, eine posttraumatische Funktionseinschränkung des rechten Sprunggelenkes nach Fraktur, eine allergische Kontaktdermatitis bei Typ 4-Sensibilisierung und eine Beckenbodeninsuffizienz nach Hysterektomie 2001. Bei der Klägerin bestünden deutliche sekundäre Veränderungen infolge der LWK-2- und -3-Fraktur von 1993 mit mehrfachen operativen Revisionen und dem Versuch einer Spondylodese. Trotz der operativen Behandlung sei es zu einer zunehmenden kyphotischen Fehlstellung im Lendenwirbelsäulen (LWS)- und sich daran anschließenden Brustwirbelsäulen (BWS)- Bereich gekommen. Außerdem hätten sich sowohl klinisch als auch röntgenologisch Instabilitäten im unteren BWS- und oberen LWS-Bereich gezeigt. Die Klägerin habe schon bei leichten bis mittelschweren Tätigkeiten im Haushalt deutliche und nachvollziehbare Beschwerden angegeben. Durch die starke Brustkyphose sei es zu sekundären Thoraxveränderungen gekommen, die im rechtsseitigen Bereich zwischen Thorax und Skapula ein schmerzhaftes Schnappen bedingten und somit die Schulterfunktion besonders bei Überkopfarbeiten einschränkten. Im Bereich des rechten oberen Sprunggelenkes liege eine posttraumatische Arthrose Stadium I - II vor, die bei längerem Stehen und besonders beim Gehen Beschwerden verursache. Die Klägerin sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen für alle leichten Tätigkeiten unter Meidung von schwerem Heben und Tragen und Zwangshaltungen sowie unter Ausschluss von allergisierenden Stoffen für sechs Stunden und mehr täglich leistungsfähig.

12

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 28. September 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2007 den Rentenantrag der Klägerin ab. Die Klägerin verfüge über ein Leistungsvermögen für sechs Stunden und mehr täglich für leichte Arbeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes.

13

Hiergegen hat die Klägerin am 27. März 2007 Klage beim Sozialgericht Dessau erhoben. Sie hat vorgetragen, sie leide an schmerzvollen wirbelsäulenbedingten ganzkörperlichen Bewegungseinschränkungen, einem ständig stechenden Schmerz im Rückenbereich, akuten Schlafstörungen und einem stark herabgesetzten Konzentrationsvermögen bei Dauermüdigkeit. Bereits bei den geringsten täglichen Verrichtungen im Haushalt seien längere Ruhepausen zur Schmerzlinderung und Erholung erforderlich. Ferner habe die Beklagte die depressive Verstimmung nicht in die Entscheidung mit einbezogen. Allergiebedingt sei die Gebrauchsfähigkeit beider Hände sehr stark herabgesetzt. Ihre Wegefähigkeit sei nicht mehr gegeben.

14

Das Sozialgericht hat Befund- und Behandlungsberichte eingeholt. Herr W. hat unter dem 19. Oktober 2007 als Diagnosen eine posttraumatische Arthrose rechts und eine Synovialitis des rechten Sprunggelenks benannt und dies als einen Dauerzustand beurteilt. Ausweislich der beigefügten Epikrise des Fachkrankenhauses für Orthopädie der MediClin Waldkrankenhaus Bad D. über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 12. bis zum 18. September 2007 ist am 13. September 2007 eine Arthroskopie des rechten oberen Sprunggelenkes durchgeführt worden. In dem ferner mit übersandten Arztbrief vom 10. Oktober 2007 hat Dr. W. als klinischen Befund eine mäßige Kapselschwellung talocrural rechts, verschorfte Arthroskopie-Eintrittstellen sowie ein rechts betontes Gangbild an zwei Unterarmstützen beschrieben.

15

Sodann hat das Sozialgericht den stellvertretenden Klinikdirektor der Orthopädischen Universitätsklinik der Ottovon-Guericke-Universität M. Prof. Dr. G. das Gutachten vom 7. Juli 2008 erstatten lassen. Die Klägerin habe bei der Untersuchung über ständige Rückenschmerzen, besonders im LWS-Bereich, ein Taubheitsgefühl im Gesäßbereich rechts sowie über Nacken-Schulter-Beschwerden links mehr als rechts mit einem Einschlafen der Hände beidseits sowie zusätzliche Schmerzen im Bereich des rechten Sprunggelenkes bei Belastung, die sich nach der Arthroskopie jedoch gebessert hätten, geklagt. Bei längerem Gehen und Stehen trage sie ein Stützkorsett, welches sie auch bei der Untersuchung benutzt habe. Prof. Dr. G. hat einen Zustand nach Fraktur des zweiten und dritten Lendenwirbels mit Ausheilung durch Blockwirbelbildung in leichter Fehlstellung und posttraumatischem vertebragenem lokalem Schmerzsyndrom, eine vermehrte Kyphose der BWS mit leichter Fehlstellung der rechten Scapula und eine posttraumatische Funktionseinschränkung des rechtes Sprunggelenkes nach einer Fraktur mit einer arthroskopisch nachgewiesenen posttraumatischen Arthrose als Diagnosen benannt. Im Hinblick auf die Diskrepanz zwischen den geschilderten Symptomen und den objektiv nachweisbaren Veränderungen sowie unter Berücksichtigung der laufenden psychologischen Betreuung der Klägerin müsse an das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung gedacht werden. - Die Klägerin sei aus orthopädischer Sicht noch in der Lage, körperlich leichte Arbeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen auch im Freien unter Witterungsschutz mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Zu vermeiden seien Arbeiten unter Zeitdruck, in Wechselschicht, in Zwangshaltungen, Arbeiten mit häufigem Bücken, Heben und Tragen und unter Exposition von Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe. Die Gebrauchsfähigkeit der Hände sei nicht eingeschränkt. Die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens sechs Stunden täglich an fünf Wochentagen arbeiten. Bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden sei eine zusätzliche Pause von 30 Minuten einzulegen. Die Frage, ob die Klägerin noch in der Lage sei, eine leichte Beschäftigung - z. B. leichte Sortierarbeiten oder Büroarbeiten - überwiegend im Sitzen mit den üblichen Ruhepausen mehr als sechs Stunden auszuüben, hat der Gutachter dahingehend beantwortet, dass sie eine leichte Beschäftigung, wie z.B. Sortier- oder Büroarbeiten, in wechselnder Körperhaltung ausführen könne. Die Gehfähigkeit der Klägerin sei aufgrund der posttraumatischen Sprunggelenksarthrose rechts beeinträchtigt, jedoch könnten noch mehr als 500 Meter ohne unzumutbare Beschwerden ohne lange Pausen viermal täglich zu Fuß zurückgelegt werden. Ferner sei aufgrund der körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen die Leistungsfähigkeit der Klägerin herabgesunken, sodass im Rahmen einer Erwerbstätigkeit häufiger mit krankheitsbedingten Ausfallzeiten zu rechnen sei. Da auch der Verdacht auf ein psychosomatisches Geschehen bestehe, sei eine Begutachtung durch dieses Fachgebiet zu empfehlen.

16

Die Klägerin hat sich mit diesem Gutachten nicht einverstanden erklärt und insbesondere angeführt, die Gebrauchsfähigkeit ihrer Hände, vor allem die Feinmotorik bei einem gleichzeitigen Taubheitsgefühl, sei erheblich eingeschränkt. Zudem müsse sie nach einem Weg von 50 Metern zur Schmerzlinderung eine Pause einlegen. Ihre Leistungsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt sei auf unter drei Stunden gesunken.

17

Das Sozialgericht hat sodann einen Befundbericht der Psychologischen Psychotherapeutin und Psychologischen Schmerztherapeutin DGSS Dipl.-Psych. P. vom 28. November 2008 eingeholt. Einen vollständigen Befund habe diese nicht erheben können, da die Klägerin den ausgehändigten Schmerzfragebogen nicht bearbeitet habe. Die Klägerin fühle sich in der Opferrolle, durch Leistungsschwäche sei ein Selbstwertverlusterleben zu verzeichnen; sie bringe aber kaum Anstrengungsbereitschaft auf, um aktiv zu Lösungen zu gelangen. Die Schmerzschilderung und das Schmerzverhalten differierten in der Praxis erheblich. Es bestünde kein Anhalt für Depressivität oder Suizidalität. Dipl.-Psych. P. hat als Diagnosen eine biopsychosoziale Störung aufgrund anderer Erkrankungen, eine Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen und den Verdacht auf eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung mitgeteilt. Sie hat einen an sich gerichteten Arztbrief der Fachärztin für Anästhesiologie und Oberärztin des Fachkrankenhauses für Orthopädie der MediClin Waldkrankenhaus Bad Düben Dr. T. vom 9. April 2008 beigefügt, in welchem diese um Übernahme der psychologischen Mitbehandlung gebeten hat. Dr. T. hat berichtet, die Klägerin habe auf der VAS-Skala 1 bis 10 eine Schmerzstärke bei Belastung im Durchschnitt von 8 und in Ruhe von 2 bis 4 angegeben. Hochgradig auffällig sei das Erreichen von 55 Punkten im affektiven Bereich nach der Schmerzempfindungsskala nach Geissner und von 43 Punkten nach der Depressivitätsskala nach Zerssen. In ihrem an Dr. T. gerichteten Arztbrief vom 29. Juli 2008 hat Dipl.-Psych. P. aufgezeigt, weniger eine anhaltende Depressivität als eher ein persönlichkeitsbedingter Mangel an Selbstreflektion, Antrieb sowie Anstrengungs- und Durchhaltebereitschaft seien auffällig. Die Klägerin betreibe ferner einen Nikotin- und Kaffeeabusus und halte ihr therapeutisches Sportprogramm nicht ein. Da mit ihr derzeit kein tragfähiges eigenes Anliegen an psychologischen Interventionen (Beratung sei erfolgt) habe herausgearbeitet werden können, sei keine weiterführende Therapievereinbarung getroffen worden.

18

Mit Urteil vom 16. Februar 2009 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei noch in der Lage, leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung unter Vermeidung von Zwangshaltungen, Wechselschichten, Zeitdruck, häufigem Bücken, Heben und Tragen in einem zeitlichen Umfang von täglich sechs Stunden und mehr zu verrichten. Dieses Leistungsvermögen ergebe sich aus orthopädischer Sicht aus dem ausführlichen Gutachten des Sachverständigen Prof. G. vom 7. Juli 2008 sowie dem Gutachten von Dr. M. vom 1. August 2006. Die Klägerin sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert.

19

Gegen das ihr am 13. März 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 1. April 2009 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und geltend gemacht, ihre behandelnde Orthopädin Dipl.-Med. W. sei nicht gehört worden. Ferner sei der Tatbestand der Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen erfüllt.

20

Die Klägerin beantragt,

21

das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 16. Februar 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 28. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. April 2006 zu gewähren.

22

Die Beklagte beantragt,

23

die Berufung zurückzuweisen.

24

Der Senat hat Befund- und Behandlungsberichte von der Fachärztin für Orthopädie Dipl.-Med. W. vom 5. Oktober 2009 und von dem Facharzt für Allgemeinmedizin Weiße vom 28. Oktober 2009 eingeholt. Dipl.-Med. W. hat seit April 2007 auf unveränderte Befunde verwiesen. Im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) liege eine verspannte Schulter-Nacken-Muskulatur ohne motorische oder sensible Ausfälle bei einem röntgenologisch altersgerechten Befund vor. Die LWS zeige degenerative Veränderungen in Höhe L 5/S 1 sowie einen engen Spinalkanal; motorische oder sensible Störungen seien nicht zu verzeichnen. Dipl.-Med. W. hat Berichte der Fachärztin für diagnostische Radiologie Dr. H. über die Auswertung von Magnetresonanztomographien (MRT.) der HWS vom 11. Dezember 2008 und LWS vom 2. Januar 2009 beigefügt. Ausweislich eines ebenfalls mit übersandten Arztbriefes vom 20. Januar 2009 über eine ambulante Behandlung der Klägerin am 4. Januar 2009 in der Universitätsklinik und Poliklinik für Orthopädie und Physikalische Medizin des Universitätsklinikums H. lägen röntgenologisch ein insgesamt altersgerechter Befund der HWS sowie auch in der MRT keine dem Alter vorauseilende Degeneration vor. Die Röntgenaufnahme der LWS zeige aber eine Degeneration des Segmentes L 5/S 1; in der MRT werde der segmental enge lumbale Spinalkanal bestätigt. Nach einem weiteren Schreiben vom 2. April 2009 der Universitätsklinik habe sich die Symptomatik unter konservativer Therapie völlig zurückgebildet; die mögliche Operationsindikation werde nicht mehr gestellt. Herr W. hat schließlich unter dem 28. Oktober 2009 eine Verschlechterung seit Oktober 2007 und als neuen Befund eine Arthrose des rechten Sprunggelenks mitgeteilt.

25

Die Beteiligten haben sich im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 24. März 2010 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

26

Wegen der weiteren Einzelheiten des Gerichts- und des Verwaltungsverfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten und der Ergebnisse der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senates waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

27

Der Senat konnte den Rechtsstreit entscheiden, ohne eine mündliche Verhandlung durchzuführen, da sich die Beteiligten übereinstimmend hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

28

Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG statthafte sowie gemäß § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nicht begründet.

29

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der Klägerin kein Anspruch auf Bewilligung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. April 2006 zusteht. Die ablehnenden Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin deshalb nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG).

30

Nach § 43 Abs. 1, Abs. 2 SGB VI in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

31

Die Klägerin war bei der Beklagten versichert und hatte zum Zeitpunkt der Antragstellung am 29. Januar 2004 die allgemeine Wartezeit nach § 50 Abs. 1 SGB VI von fünf Jahren (60 Monaten) erfüllt. Ausweislich der in der Verwaltungsakte enthaltenen Wartezeitaufstellung lagen bis zu diesem Zeitpunkt 268 Monate mit Beitragszeiten vor. Im maßgeblichen Zeitraum von fünf Jahren vor dem Rentenantrag sind 57 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt, sodass auch die so genannte Drei-Fünftel-Belegung erfüllt ist.

32

Die Klägerin ist weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

33

Die Klägerin ist nicht voll oder teilweise erwerbsgemindert, weil sie nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Dabei geht der Senat von folgendem Leistungsbild aus: Die Klägerin ist noch in der Lage, körperlich leichte Arbeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Arbeiten mit Zwangshaltungen, häufigem Bücken, Heben und Tragen von Lasten mehr als zehn kg, Überkopfarbeiten sowie Arbeiten unter Exposition von Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe sind zu meiden. Ferner ist die Klägerin Arbeiten unter Zeitdruck sowie in Wechselschicht nicht mehr gewachsen. Zudem sind nur noch Arbeiten unter Ausschluss von allergisierenden Substanzen möglich. Die Gebrauchsfähigkeit der Hände ist darüber hinaus nicht eingeschränkt. Die Klägerin verfügt über ein normales Seh- und Hörvermögen und ist zumindest einfachen Anforderungen an geistige und mnestische Fähigkeiten gewachsen.

34

Dieses Leistungsbild ergibt sich für den Senat insbesondere aus der Einschätzung von Prof. Dr. G. in seinem Gutachten vom 7. Juli 2008 sowie den insoweit übereinstimmenden Feststellungen von Dr. M. in dem Gutachten vom 11. August 2006 und Dr. A. in dem Gutachten vom 13. April 2005.

35

Die Klägerin leidet vorrangig auf orthopädischem Gebiet an einem posttraumatischen Vertebralsyndrom nach einer im Jahr 1993 erlittenen Wirbelkörperfraktur im Bereich LWK 2 bis 3 mit einer nachfolgenden operativen Spondylose, einer Metallentfernung 1994 und einer Respondylose L 1 bis L 3 1995 und einer erneuten Metallentfernung im Jahr 1997. Die Fraktur des zweiten bis dritten Lendenwirbelkörpers ist zwar verheilt, jedoch ist eine Blockwirbelbildung in leichter Fehlstellung verblieben. Ferner bestehen eine ausgeprägte Rundrückenbildung besonders im lumbodorsalen Übergang sowie eine geringe Links-Rechts-Linkskoliose. Motorische und sensible Störungen waren nicht nachweisbar. Zum Auftrainieren des muskelschwachen Rundrückens und auch zur Reduzierung der Beschwerden haben sämtliche Gutachter ein konsequentes Training empfohlen, welches die Klägerin jedoch nicht durchführt. Es bestehen sowohl klinische als auch röntgenologische Instabilitäten der untere BWS und oberen LWS. Ausweislich der MRT der LWS vom 2. Januar 2009 war ein segmental enger lumbaler Spinalkanal nachweisbar. Unter konservativer Therapie hat sich diese Symptomatik jedoch vollständig zurückgebildet.

36

Darüber hinaus bestehen bei der Klägerin eine posttraumatische Funktionseinschränkung des rechten Sprunggelenks sowie noch leichte Beweglichkeitseinschränkungen nach der im September 2007 durchgeführten Arthroskopie. Ferner leidet die Klägerin an einer vermehrten Kyphosierung der BWS mit beginnenden degenerativen Veränderungen und einer leichten Fehlstellung des rechten Schulterblattes. Diese Einschränkungen der Klägerin auf orthopädischem Gebiet begründen keine quantitativ verminderte Leistungsfähigkeit. Sämtliche Gutachter zeigen einen Dauerzustand in Anbetracht der Folgen der Wirbelkörperfraktur LWK 2 bis 3 auf und bestätigen übereinstimmend ein noch mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen der Klägerin. Allerdings ist die Klägerin in qualitativer Hinsicht in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Sie kann nur noch körperlich leichte Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen ohne Zwangshaltungen, Überkopfarbeiten, Heben und Tragen von Lasten mehr als zehn kg, Bücken und unter Meidung von Temperaturschwankungen, Nässe und Zugluft verrichten.

37

Des Weiteren leidet die Klägerin auf dermatologischem Gebiet an einer allergischen Kontaktdermatitis, die nur noch Arbeiten ohne Kontakt mit den Allergenen Thiuram-Mix und der darin enthaltenen Substanz Tetraethylthiuramdisulfit, Nickel (II)-Sulfat, Chlormethylisothiazolon (Kathon CG) und Polyvidon-Jod zulässt. Eine Beeinträchtigung der Gebrauchsfähigkeit der Hände resultiert daraus allerdings nicht. Diese Stoffe treten in der allgemeinen Arbeitswelt nicht häufig auf. Die Klägerin kann sich zudem auch durch das Tragen von Baumwollhandschuhen ausreichend schützen.

38

Zudem besteht aus gynäkologischer Sicht ein Zustand nach Entfernung der Gebärmutter, woraus jedoch keine weiteren Leistungseinschränkungen für die Erwerbsfähigkeit resultieren.

39

Auf psychiatrischem Fachgebiet liegen eine biopsychosoziale Störung, eine Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen sowie der Verdacht auf eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung vor. Insoweit hat Dipl.-Psych. P. die von Prof. Dr. G. gestellte Verdachtsdiagnose des Vorliegens einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht bestätigt, sondern unter Hinweis auf die Diskrepanzen zwischen den objektiven Befunden und der Beschwerdeschilderung der Klägerin eine schwerwiegende psychiatrische Erkrankung, insbesondere eine anhaltende Depressivität, nicht aufzeigen können. Der von ihr dargestellte psychische Befund eines mangelnden Antriebs, einer eingeschränkten Selbstreflexion sowie einer fehlenden Anstrengungs- und Durchhaltebereitschaft der Klägerin steht im Einklang mit der von allen Gutachtern geschilderten fehlende Compliance der Klägerin, begründet aber keine quantitative Leistungseinschränkung. Insbesondere sind keine objektiven Befunde für die von der Klägerin geklagten Einschränkungen des Konzentrationsvermögens ersichtlich. Da Dipl.-Psych. P. keine neuen Gesichtspunkte aufgezeigt hat, die nicht durch die eingeholten Gutachten sowie Befund- und Behandlungsberichte geklärt sind, sah der Senat keine Veranlassung, ein psychiatrisches Sachverständigengutachten einzuholen. Er geht davon aus, dass die Klägerin beim Aufbringen der ihr zumutbaren Anstrengungsbereitschaft Arbeiten mit zumindest einfachen Anforderungen an geistige und mnestische Fähigkeiten gewachsen ist.

40

Bei der Klägerin liegt auch keine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, die trotz des sechsstündigen Leistungsvermögens zur Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes führen würde. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, einen konkreten Arbeitsplatz zu benennen. Das Restleistungsvermögen der Klägerin reicht vielmehr noch für leichte körperliche Verrichtungen im Wechsel der drei Körperhaltungen wie z.B. Zureichen, Abnehmen, leichte Reinigungsarbeiten ohne Zwangshaltungen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen sowie Bürohilfsarbeiten aus (vgl. die Aufzählungen in dem Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 -, SozR 3-2600 § 44 SGB VI Nr. 8 = BSGE 80, 24, 33f.). Die volle Gebrauchsfähigkeit beider Hände ist nicht eingeschränkt. Die Klägerin muss lediglich bei der Ausführung der genannten Verrichtungen ihre Hände durch das Tragen von (Baumwoll-) Handschuhen vor Kontakt mit den oben angeführten allergisierenden Stoffen schützen.

41

Auch liegt im Fall der Klägerin kein Seltenheits- oder Katalogfall vor, der zur Pflicht der Benennung eines konkreten Arbeitsplatzes führen würde (vgl. BSG, GS, a.a.O. = S. 35). Der Arbeitsmarkt gilt unter anderem als verschlossen, wenn einem Versicherten die so genannte Wegefähigkeit fehlt. Zur Erwerbsfähigkeit gehört auch das Vermögen, einen Arbeitsplatz aufsuchen zu können. Dabei ist nach der Rechtsprechung des BSG ein abstrakter Maßstab anzuwenden. Ein Katalogfall liegt nicht vor, soweit ein Versicherter täglich viermal Wegstrecken von knapp mehr als 500 Meter mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehender Mobilitätshilfen benutzen kann. Dann gilt die Erwerbsfähigkeit als nicht in beachtlichem Maße einschränkt und die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit ist nicht erforderlich. Sind Arbeitsplätze auf andere Art als zu Fuß erreichbar, zum Beispiel mit dem eigenen Kraftfahrzeug bzw. mit einem Fahrrad, ist der Arbeitmarkt ebenfalls nicht verschlossen (BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90 - SozR 3-2200 § 1247 RVO Nr. 10). Nach übereinstimmender Auffassung sämtlicher Gutachter kann die Klägerin mehr als 500 Meter viermal täglich zu Fuß innerhalb maximal 20 Minuten bewältigen.

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Darüber hinaus kann die Klägerin nicht nur unter betriebsunüblichen Bedingungen Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten. Letzteres ist insbesondere der Fall, wenn neben den betriebsüblichen Pausen weitere Pausen erforderlich sind. Benötigt die Versicherte Pausen, die im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) vom 6. Juni 1994 (BGBl. I 1994, 1170, 1171) nicht vorgesehen sind, ist zu prüfen, ob die Versicherte unter solchen Bedingungen eingestellt werden würde (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 1997 - 13 RJ 49/97 - juris). Nach § 4 ArbZG ist die Arbeit durch im Voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden zu unterbrechen. Die Ruhepausen nach Satz 1 können in Zeitabschnitte von jeweils 15 Minuten aufgeteilt werden. Da Prof. Dr. G. ausdrücklich in seinem Gutachten aufgezeigt hat, hinsichtlich der erhobenen Befunde und der gestellten Diagnosen sowie der Leistungsbeurteilung nicht von dem Gutachten von Dr. M. abzuweichen, und er zudem nicht angegeben hat, aufgrund welcher Befunde die Klägerin zusätzlich eine Pause von 30 Minuten bei einer mehr als sechsstündigen Tätigkeit soll, erschließt sich für den Senat die Notwendigkeit einer zusätzlichen Pause nicht. Hinzu kommt, dass Prof. Dr. G. die Klägerin als in der Lage erachtet hat, noch Sortier- und Büroarbeiten mit den üblichen Ruhepausen mehr als sechs Stunden zu bewältigen. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass neben den eigentlichen Pausen im Sinne des § 4 ArbZG in der Arbeitswirklichkeit so genannte persönliche Verteilzeiten existieren, die nicht als arbeitszeitverkürzende Pausen im Rechtssinne anzusehen sind. So gelten Arbeitszeitunterbrechungen von weniger als 15 Minuten alle zwei Stunden beispielsweise im Bereich des Öffentlichen Dienstes nicht als arbeitszeitverkürzende Pausen (vgl. Böhm/Spiertz, Kommentar zum BAT, Anm. 10 zum § 15 und Anzinger/Koberski, Kommentar zum ArbZG, 2. Aufl. § 4 Rdnr. 9), sodass ohne weiteres für die Klägerin die Möglichkeit zur Einhaltung von weiteren Pausen bestünde.

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Schließlich ist die Klägerin zur Überzeugung des Senates in der Lage, ohne eine längere als insgesamt sechs Monate (pro Jahr) währende Arbeitsunfähigkeitszeit zu arbeiten. Bei der Angabe von Prof. Dr. G., es sei unter Hinweis auf körperliche und psychische Beeinträchtigungen häufiger mit krankheitsbedingten Arbeitsausfallzeiten zu rechnen, handelt es sich um eine Prognose ohne nähere medizinische Begründung. Der von Dipl.-Psych. P. aufgezeigte Mangel an Antrieb, Anstrengungs- und Durchhaltebereitschaft bei einer Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen sowie des Verdachts auf eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung dürfte zwar mit einiger Wahrscheinlichkeit auch bei der Aufnahme einer Tätigkeit auftreten. Allerdings wären Arbeitsunfähigkeiten bei einer leidensgerechten Arbeit und einer von der Klägerin abzuverlangenden Anstrengungsbereitschaft krankheitsbedingt nicht gerechtfertigt.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.