Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 19. Dez. 2008 - L 8 B 386/08

bei uns veröffentlicht am19.12.2008

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stralsund vom 02. September 2008, mit dem die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt worden ist, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Durch Bescheid vom 15. April 2008 lehnte die Beklagte einen Antrag des Klägers nach § 44 SGB X ab, die Bewilligungszeiträume für Leistungen nach dem SGB II vom 01. Januar 2005 bis zum 30. November 2007 zu ändern.

2

Mit seinem hiergegen erhobenen Widerspruch vom 19. April 2008, bei der Beklagten eingegangen am 23. April 2008, machte der Kläger u.a. geltend, ihm sei zu Unrecht ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändigerer Ernährung bei Diabetes mellitus (Typ I) nicht mehr gewährt worden. Die Kosten der Unterkunft seien insoweit unzutreffend berechnet worden, als die Beklagte einen Abschlag für die Bereitung von Warmwasser in Höhe von 18 v.H. zugrunde gelegt habe.

3

Am 28. Juli 2008 erließ die Beklagte acht Änderungsbescheide. In diesen Bescheiden regelte die Beklagte die dem Kläger zustehenden Ansprüche nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2008 neu. Insbesondere wurde dem Begehren des Klägers hinsichtlich der Warmwasserkosten abgeholfen. Die Beklagte übersandte die Bescheide mit Schreiben - laut Abvermerk - gleichfalls von Montag, den 28. Juli 2008, an den Prozessbevollmächtigten des Klägers.

4

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat mit Schreiben von Samstag, den 02. August 2008, bei Gericht eingegangen am 05.August 2008 Untätigkeitsklage erhoben.

5

Durch Widerspruchsbescheid vom 21. August 2008 hat die Beklagte den Widerspruch des Klägers hinsichtlich des noch streitigen Mehrbedarfes zurückgewiesen.

6

Durch Erklärung vom 29. August 2008 hat der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

7

Gegen die Kostengrundentscheidung des Sozialgerichtes vom 02. September 2008, wonach die Beklagte die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen hat, hat der Kläger erfolglos Gegenvorstellung eingelegt.

8

Durch Beschluss gleichfalls vom 02. September 2008 hat das Sozialgericht die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Das Sozialgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, die Rechtsverfolgung sei mutwillig. Eine Sachstandsanfrage habe der Kläger nicht bei der Beklagten gestellt. Zudem hätten die Änderungsbescheide vom 28. Juli 2008 nach dem zeitlichen Verlauf dem Kläger vor Klageerhebung zugegangen sein müssen.

9

Mit seiner am 22. September 2008 erhobenen Beschwerde verfolgt der Kläger sein Begehren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe weiter. Er ist der Auffassung, dass die von ihm erhobene Untätigkeitsklage nicht mutwillig rechtshängig gemacht worden sei.

II.

10

Die Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

11

Gemäß § 114 S. l ZPO in Verbindung mit § 73a Abs. l S. l SGG ist einem Beteiligten auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

12

1. Der Senat kann es im vorliegenden Fall offen lassen, ob innerhalb der Dreimonatsfrist des § 88 SGG die Beklagte überhaupt untätig geblieben ist. Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Untätigkeitsklage ist nämlich, dass ein Kläger sachlich nicht beschieden worden ist. Die Beklagte hat durch ihre Änderungsbescheide vom 28. Juli 2008 den Kläger beschieden, indem sie - auch erneut über den im vorliegenden Verfahren streitigen Mehrbedarf - mit entschieden hat.

13

Die Änderungsbescheide vom 28. Juli 2008 dürften dem Prozessbevollmächtigten des Klägers spätestens am Donnerstag, den 31. Juli 2008 zugegangen sein (Ablauf der Dreitagesfrist - § 37 Abs. 2 SGB X). Insbesondere hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht, auch nicht im Beschwerdeverfahren, geltend gemacht, dass ihn die Änderungsbescheide erst zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen sind. Die Untätigkeitsklage ist erst am Samstag, den 02. August 2008 verfasst worden, das heißt zu einem Zeitpunkt, zu dem keine Untätigkeit der Beklagten mehr vorgelegen hat.

14

2. Im vorliegenden Fall ist ferner anzumerken, dass eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch für eine auf die Bewilligung eines Mehrbedarfes gerichteten Klage - mangels hinreichender Erfolgsaussichten - abzulehnen wäre. Insoweit hat eine Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

15

Im Hinblick auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe ist wesentlich, dass diese, nachdem sich das Verfahren erledigt hat, maximal rückwirkend bis zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife gewährt werden kann. Bewilligungsreife ist erst am 19. August 2008 eingetreten. An diesem Tage hat der Kläger seine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht.

16

Eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe soll einen Kläger von dem Risiko freistellen, dass sich eine prozessuale Situation zu seinen Lasten im Laufe der Zeit verschlechtert. Es ist also im Grundsatz auf den Zeitpunkt abzustellen, zudem ein Gericht bei ordnungsgemäßer Bearbeitung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hätte entscheiden können. Daher ist im vorliegenden Fall im Grundsatz auf die prozessuale Situation im September 2008 abzustellen, das heißt in dem Zeitpunkt, zu dem das Sozialgericht auch entschieden hat.

17

Zu diesem Zeitpunkt ist in der fachöffentliche Diskussion die Frage nach der Erforderlichkeit eines Mehrbedarfs bei Diabetes nach Expertenauffassung bereits in dem Sinne entschieden worden, wie sie in der aktuellen Richtlinie des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge unter dem Datum 01. Oktober 2008 in den Empfehlungen des Deutschen Vereins umgesetzt worden sind. Die Fachdiskussion war innerhalb des Deutschen Vereins zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen. Es hat lediglich noch die Gremienbeteiligung gefehlt.

18

Soweit der Kläger einen Mehrbedarf wegen Diabetes mellitus geltend macht und sich dagegen gewendet hat, dass ihm der in früheren Zeiten gewährte Betrag von 51,13 pro Monat nicht weitergewährt worden ist, folgt der Senat der Empfehlung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge vom 01. Oktober 2008. Diese sieht für die Erkrankung Diabetes mellitus eine Vollkosternährung vor, die aber keine kostenaufwändigere Ernährung erfordert.

19

In den Empfehlungen des Deutschen Vereins sieht der Senat ein antizipiertes Sachverständigengutachten. Dieses steht auch nicht in Widerspruch zu der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urt. vom 15. April 2008 - B14/llb AS 3/07 R -; BSG, Urteile vom 27. Februar 2008 - B 14/7b AS 32/06 R und B 14/7b AS 64/06 R -). Die Empfehlungen des Deutschen Vereins vom 01. Oktober 2008 genügen nämlich den vom Bundessozialgericht aufgestellten Kriterien. Insbesondere sind die ärztlichen Gutachter, die zuvor eine abweichende Empfehlung durch den Landesverband Westfalen-Lippe abgegeben haben, an der Erstellung des Gutachtens des Deutschen Vereins beteiligt gewesen. Wie bereits das Veröffentlichungsdatum (01. Oktober 2008) belegt, ist die Empfehlung des Deutschen Vereins auch hinreichend aktuell. Da die Empfehlung des Deutschen Vereins den heutigen Stand der medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Erkenntnisse beinhaltet, kann diese Empfehlung auch auf in der Vergangenheit liegende Zeiträume angewendet werden.

20

3. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist aber auch für den Fall abzulehnen, dass die Änderungsbescheide den Prozessbevollmächtigten des Klägers erst nach Einreichung der Untätigkeitsklage erreicht haben sollten beziehungsweise das auf den Erlass des förmlichen Widerspruchsbescheides vom 21. August 2008 im Hinblick auf den Streitgegenstand "Mehrbedarf" abgestellt wird.

21

a) Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg kann dann eventuell nicht bestehen, wenn - trotz des Ablaufes der Sperrfrist des § 88 Abs. l und 2 SGG (drei Monate) ein hinreichender Grund für die Untätigkeit gegeben ist.

22

Solche Sachverhaltskonstellationen haben zum Beispiel den Beschlüssen des 10. Senates des LSG M-V zugrunde gelegen (Beschlüsse vom 9. September 2008 - L 10 B 147/08 und L 10 B 54/08 und L 10 B 55/08 -). In dem dortigen Fällen hatten die Antragsteller die Behörde mit einer Vielzahl von Widersprüchen und Überprüfungsanträgen nach § 44 SGB X belastet. Ähnlich ist auch die rechtliche Einschätzung des Hessischen Landessozialgerichts, Beschluss vom 15. Juli 2008 - L 9 B 39/08 SO -, Juris, m.w.N., das gleichfalls die Auffassung vertritt, dass die dortige Beklagte nicht ohne zureichenden Grund untätig geblieben ist: Der dortige Kläger habe den Beklagten mit einer Vielzahl von Widersprüchen und Klageverfahren überzogen (insgesamt 33 weitere Verfahren; davon 7 Anträge auf einstweilige Anordnung). Der erkennende Senat hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (LSG M-V, Beschluss vom 20. November 2008 - L 8 B 426/08 -). Der vorliegende Fall ist mit dieser Konstellation vergleichbar.

23

Der Kläger hat einen Überprüfungsantrag gestellt, der einen enormen Verwaltungsaufwand hat auslösen müssen. Dies muss jedenfalls dem Prozessbevollmächtigten des Klägers bekannt gewesen seien. Die Beklagte hat zur "Abarbeitung" des Begehren des Klägers (Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X) acht Änderungsbescheide erlassen müssen. Bei einem derartigen Verwaltungsaufwand hat es nahe gelegen, dass die Bearbeitung eines solchen Sachverhaltes einen nicht unerheblichen zeitlichen Aufwand erfordern wird. Im konkreten Fall ist es daher zu erwarten gewesen, dass ein Hilfeempfänger, bevor er Untätigkeitsklage erhebt, sich vor der Erhebung dieser Untätigkeitsklage bei der Behörde nach dem Bearbeitungsstand erkundigt.

24

b) Der Senat sieht im vorliegenden Fall die Frage der hinreichenden Erfolgsaussicht letztendlich aber nicht als allein entscheidungserheblich an, weil er - insoweit schließt der Senat sich der Auffassung des Sozialgerichtes an - die Rechtsverfolgung jedenfalls als mutwillig bewertet. Dies gilt auch, wenn innerhalb des Sozialgerichtes Stralsund die im vorliegenden Fall entscheidende Rechtsfrage umstritten ist.

25

Mutwillig handelt derjenige, der von dem Vorgehen abweicht, das eine verständige ausreichend bemittelte Partei in einem gleich liegenden Fall wählen würde. Dabei ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. In Verfahren vor den Sozialgerichten, bei denen Gerichtskosten nicht erhoben werden, ist ausschließliches Ziel des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe die Beiordnung eines Rechtsanwaltes (Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 15. Juli 2008 - L 9 B 39/08 SO, Juris, mit weiteren Nachweisen).

26

Die Erhebung einer Untätigkeitsklage zur Beschleunigung der hier geltend gemachten Forderung (Mehrbedarf) mit Beauftragung eines Rechtsanwaltes ist unverhältnismäßig. Ein solches Kostenrisiko würde eine verständige Partei nicht ohne weiteres eingehen. Das Vorgehen der Kläger wäre von einer verständigen nicht bedürftigen Partei auf eigenes Kostenrisiko nicht zu erwarten. Diese würde vernünftigerweise in einem solchen Fall bereits keine Klage erheben und erst recht keinen Rechtsanwalt beauftragen (vgl. Hessisches Landessozialgericht, a.a.O.).

27

Der Senat folgt im Allgemeinen weder der Auffassung, in jedem Falle sei eine Ankündigung der beabsichtigten Untätigkeitsklage gegenüber dem Grundsicherungsträger erforderlich. Auch eine Sachstandsanfrage wird nicht zwingend in allen Fällen geboten sein. Ob eine "Kooperation" erforderlich ist, hängt - wie auch alles Weitere - von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab. Entscheidend ist der Vergleich zu einem nichtbedürftigen Beteiligten. Wenn ein Beteiligter, der "auf eigenes Kostenrisiko" handelt, bei vernünftiger Betrachtung sofort Untätigkeitsklage erheben würde, ist dieses Recht auch einem Kläger beziehungsweise Antragsteller zuzubilligen, der zur Deckung seiner Rechtsanwaltskosten zusätzlich einen Prozesskostenhilfeantrag anhängig macht.

28

Zudem ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass es durchaus der Rechtsprechung des erkennenden Senates entspricht, Mutwilligkeit dann anzunehmen, wenn einem Kläger zur Erreichung seines Rechtsschutzziel ein zumutbarer und einfacherer Weg offen gestanden hat als die Erhebung einer sozialgerichtlichen Klage (vgl. LSG M-V, Beschluss vom 18. April 2007 - L 8 B 195/06 -) .

29

Nach den Besonderheiten des vorliegenden Falles wäre von einem ordnungsgemäß handelnden Kläger, der keine Prozesskostenhilfe beantragt, zu erwarten gewesen, dass er vor der Erhebung einer Untätigkeitsklage noch einmal mit der Beklagten Kontakt aufnimmt. Ein solches Vorgehen wäre daher in gleicher Weise bei einem Kläger zu erwarten gewesen, der die Gewährung von Prozesskostenhilfe erstrebt.

30

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

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Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes


(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbrach

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 37 Bekanntgabe des Verwaltungsaktes


(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, kann die Bekanntgabe ihm gegenüber vorgenommen werden. (2) Ein schriftlicher Verwaltun

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 88


(1) Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig. Liegt

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(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus, die verlängert werden kann. Wird innerhalb dieser Frist dem Antrag stattgegeben, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

(2) Das gleiche gilt, wenn über einen Widerspruch nicht entschieden worden ist, mit der Maßgabe, daß als angemessene Frist eine solche von drei Monaten gilt.

(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, kann die Bekanntgabe ihm gegenüber vorgenommen werden.

(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Ein Verwaltungsakt, der im Inland oder Ausland elektronisch übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Absendung als bekannt gegeben. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(2a) Mit Einwilligung des Beteiligten können elektronische Verwaltungsakte bekannt gegeben werden, indem sie dem Beteiligten zum Abruf über öffentlich zugängliche Netze bereitgestellt werden. Die Einwilligung kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden. Die Behörde hat zu gewährleisten, dass der Abruf nur nach Authentifizierung der berechtigten Person möglich ist und der elektronische Verwaltungsakt von ihr gespeichert werden kann. Ein zum Abruf bereitgestellter Verwaltungsakt gilt am dritten Tag nach Absendung der elektronischen Benachrichtigung über die Bereitstellung des Verwaltungsaktes an die abrufberechtigte Person als bekannt gegeben. Im Zweifel hat die Behörde den Zugang der Benachrichtigung nachzuweisen. Kann die Behörde den von der abrufberechtigten Person bestrittenen Zugang der Benachrichtigung nicht nachweisen, gilt der Verwaltungsakt an dem Tag als bekannt gegeben, an dem die abrufberechtigte Person den Verwaltungsakt abgerufen hat. Das Gleiche gilt, wenn die abrufberechtigte Person unwiderlegbar vorträgt, die Benachrichtigung nicht innerhalb von drei Tagen nach der Absendung erhalten zu haben. Die Möglichkeit einer erneuten Bereitstellung zum Abruf oder der Bekanntgabe auf andere Weise bleibt unberührt.

(2b) In Angelegenheiten nach dem Abschnitt 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes gilt abweichend von Absatz 2a für die Bekanntgabe von elektronischen Verwaltungsakten § 9 des Onlinezugangsgesetzes.

(3) Ein Verwaltungsakt darf öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Eine Allgemeinverfügung darf auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.

(4) Die öffentliche Bekanntgabe eines schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsaktes wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil in der jeweils vorgeschriebenen Weise entweder ortsüblich oder in der sonst für amtliche Veröffentlichungen vorgeschriebenen Art bekannt gemacht wird. In der Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach der Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden.

(5) Vorschriften über die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes mittels Zustellung bleiben unberührt.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stralsund vom 15. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Kläger beziehen Leistungen der Grundsicherung nach dem SGBII.

2

Mit Bescheid vom 29. Februar 2008 lehnte die Beklagte die Übernahme einer Nachzahlung für Wasser- und Abwasserkosten in Höhe von 25,71 aus Mitteln der Grundsicherung ab.

3

Die Kläger erhoben hiergegen am 19. März 2008 Widerspruch.

4

Am 23. Juni 2008 haben die Kläger Untätigkeitsklage erhoben und um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwalts Sch nachgesucht. Die Beklagte habe innerhalb der Dreimonatsfrist des § 88 Abs. 2 SGG, welche am 18. Juni 2008 abgelaufen sei, bislang weder über den Widerspruch entschieden noch sich sonst - über eine Eingangsbestätigung hinaus - gemeldet.

5

Mit Abhilfebescheid vom 08. August 2008 hat die Beklagte die Kosten "über die Angemessenheit hinaus" übernommen. Die Beteiligten haben daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

6

Durch Beschluss vom 15. Oktober 2008 hat das Sozialgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt und zur Begründung unter anderem ausgeführt:

7

Nach § 73 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhalte eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg biete und nicht mutwillig erscheine. Auf Antrag werde der Partei nach § 121 Abs. 2 ZPO ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheine oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten sei.

8

Die Kammer habe deshalb den Antrag auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwalts Sch abgelehnt, weil die Erhebung der Untätigkeitsklage ohne vorherige Nachfrage bei der Beklagten zum Grund der Verzögerung mutwillig gewesen sei.

9

Eine Rechtsverfolgung sei nämlich mutwillig, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde. Dies sei hier der Fall, denn die Kammer sei der Auffassung, dass eine nicht hilfsbedürftige Partei bei der vorliegenden Fallgestaltung keinesfalls eine Untätigkeitsklage anhängig gemacht hätte, ohne zuvor der Beklagten die Erhebung einer Untätigkeitsklage unter ausreichender Fristsetzung in Aussicht zu stellen, d.h. anzudrohen. Andernfalls müsste sie nämlich - ebenso wie die Kläger - damit rechnen, dass die Beklagte allenfalls zur Erstattung der hälftigen notwendigen außergerichtlichen Kosten verpflichtet sei. Da nach Auffassung der Kammer keine verständige Partei ein solches Kostenrisiko eingehen würde, und die Kläger nach Auffassung der Kammer hier ersichtlich eine Untätigkeitsklage in dem Glauben eines fehlenden Kostenrisikos mutwillig erhoben haben, sei die Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Prozessbevollmächtigten nicht in Betracht gekommen.

10

Zwischenzeitlich habe auch der 10. Senat des LSG M-V mit Senatsbeschluss vom 9. September 2008 (L 10 B 147/08) in Bestätigung eines ebenfalls ablehnenden PKH-Beschlusses der erkennenden Kammer ausgeführt, dass die Gewährung von Prozesskostenhilfe dann nicht in Betracht komme, wenn die Erhebung der Untätigkeitsklage nicht zuvor bei der Beklagten unter ausreichender Fristsetzung angedroht worden sei.

11

Zwar enthalte § 88 SGG eine Verpflichtung zu einer solchen Nachfrage nicht, sondern die Kläger können im Grundsatz damit rechnen, dass ihr Widerspruch innerhalb der Sperrfrist des § 88 Abs. l Satz l i.V.m. Abs. 2 SGG beschieden werde. Auf der anderen Seite gelte jedoch auch in dem zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Sozialleistungsverhältnis der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und auch der allgemeine Gedanke zur Schadensminderung, wie er z.B. in § 254 BGB Niederschlag gefunden habe, welcher hier die Notwendigkeit einer Sachstandsanfrage vor Erhebung einer kostenbelastenden Untätigkeitsklage rechtfertigen könne. (Weitere Nachweise ...).

12

Soweit der Prozessbevollmächtigte der Kläger auf einen gegenteiligen Beschluss der 7. Kammer des Sozialgerichts Stralsund vom 19. Mai 2008 verweise, werde die von der 7. Kammer in dem genannten Beschluss vertreten Rechtsauffassung von der überwiegenden Rechtsprechung der für das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Kammern sowie auch von der überwiegenden Rechtsprechung der Senate des LSG M-V nicht geteilt.

13

Auch wenn von der erkennenden Kammer nicht Abrede gestellt werde, dass der Grundsicherungsträger im Grundsatz natürlich verpflichtet sei, ihre Behörden so mit Personal auszustatten, dass sie den gesetzlichen Bearbeitungszeiten genügen könnten, seien nach Auffassung der Kammer die auch der Prozessbevollmächtigten hinreichend bekannten tatsächlichen Verhältnissen zu beachten, die dadurch geprägt seien, dass die im Gerichtsbezirk tätigen Grundsicherungsträger - ebenso wie im Übrigen auch die Sozialgerichte des Landes - trotz einer personellen Aufstockung aufgrund der Vielzahl der Bearbeitungsfälle und auch unter Berücksichtigung der Eilrechtsschutzverfahren offenbar personell nicht in der Lage seien, die Widersprüche innerhalb der vom Gesetzgeber vorgegebenen Regelfrist zu erledigen. Eine Verpflichtung der Beklagte, in all diesen Fällen die Widerspruchsführer kurz vor Ablauf der Sperrfrist - noch dazu in der gebotenen Konkretheit - über den Grund der Verzögerung zu informieren, würde in diesem Fall notwendigerweise zu einer weitere Mehrbelastung und Verzögerung führen. Dagegen führe die von der erkennenden Kammer vertretene Rechtsauffassung zu keiner unzumutbaren Belastung der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen; zumal zu beobachten sei, dass die hier skizzierte überwiegende Rechtsprechung der für das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Kammern des Sozialgerichts Stralsund dazu geführt habe, dass die in der Vergangenheit überproportionale Häufung von Untätigkeitsklagen stark zurückgegangen sei, weil die Grundsicherungsträger offenbar dazu übergegangen seien, bei entsprechenden Mahnungen der Prozessbevollmächtigten die ausstehenden Widersprüche vorrangig zu bearbeiten. Im schlimmsten Falle führe die von der Kammer vertreten Rechtsauffassung zu einer noch zumutbaren Verzögerung.

14

Gegen diesen den Klägern am 22. Oktober 2008 zugestellten Beschluss haben die Kläger am 03. November 2008 Beschwerde eingelegt, die sie im Wesentlichen wie folgt begründen:

15

Soweit das Sozialgericht ausführe, dass die Erhebung einer Untätigkeitsklage ohne vorherige Nachfrage bei der Beklagten zum Grund der Verzögerung mutwillig gewesen sei, so sei dies nicht zutreffend. Vielmehr habe die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg und sei nicht mutwillig gewesen.

16

Vorliegend sei hier in der Sache ein Anerkenntnis durch die Beklagte ergangen. Soweit das Gericht darauf hinweise, die Kläger seien zur Kooperation dahin verpflichtet, die Bescheidung des Widerspruchs unter Fristsetzung anzumahnen, so sei dies nicht zutreffend. Eine derartige Kooperationspflicht sei in § 88 SGG gerade nicht normiert. Vielmehr liege es an der Beklagten, dem Kläger mitzuteilen, dass ein zureichender Grund sie an der Bescheidung des Widerspruchs hindere.

17

Die Beklagte könne sich im Übrigen auch nach mehr als 3 Jahren nach Einführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende auch nicht auf eine allgemein bekannte anhaltende Arbeitsüberlastung berufen. Sie müsse ihre Behörde so mit Personal ausstatten, dass sie den gesetzlichen Bearbeitungszeiten genügen könne, so auch das Sozialgericht Stralsund in der Entscheidung zum Aktenzeichen S 7 AS 331/08 in einem vergleichbaren Fall. Auch in dem Verfahren S 7 AS 33/08 vom 24. September 2008 sei erneut - trotz der bekannten Rechtsprechung der 6. Kammer - so entschieden worden.

18

Das SG Stralsund führe aus, der Ansicht, es sei vor Klageerhebung eine Sachstandsanfrage zu tätigen, könne nicht gefolgt werden. Allein entscheidendes Kriterium für die Begründetheit der Untätigkeitsklage sei also, ob die Beklagte ohne zureichenden Grund im Sinne des § 88 SGG nicht bescheide. Auch das angerufene Gericht räume im angefochtenen Beschluss ein, dass § 88 SGG eine Verpflichtung zu einer vorherigen Androhung unter ausreichender Fristsetzung nicht normiert habe.

19

Wenn selbst andere Kammern des SG Stralsund den klägerischen Standpunkt teilten, dann könne von Mutwilligkeit der Klageerhebung keine Rede sein.

II.

20

Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss vom 15. Oktober 2008, mit denen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe versagt worden ist, hat keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

21

Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegen auch aus der Sicht des Senates nicht vor.

22

Gemäß § 114 S. l ZPO in Verbindung mit § 73a Abs. l S. l SGG ist einem Beteiligten auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

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Der Maßstab für die dabei geforderten Erfolgsaussichten ist im Lichte der grundrechtlich garantierten Rechtsschutzgleichheit zu bestimmen. Sie folgt aus dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. l GG i.V.m. dem Rechtsstaatsgrundsatz aus Art. 20 Abs. 3 GG. Gefordert ist hiernach eine Angleichung der Rechtsschutzmöglichkeiten eines Unbemittelten mit denen eines Bemittelten, der seine Erfolgsaussichten unter Berücksichtigung des Kostenrisikos vernünftig abwägt. Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist zu bejahen, wenn für den Antragsteller eine nicht fernliegende Möglichkeit besteht, sein Rechtsschutzziel durch Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes jedenfalls unter Zuhilfenahme aller verfahrensrechtlich vorgesehenen Rechtsbehelfe gegen instanzgerichtliche Entscheidungen durchzusetzen (Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 15. Juli 2008 - L 9 B 39/08 SO -, Juris, mit weiteren Nachweisen auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes). Ein höherer Wahrscheinlichkeitsgrad kann erforderlich sein, um die Prozessführung nicht mutwillig erscheinen zu lassen, wenn die Bedeutung des Rechtsschutzzieles sonst völlig außer Verhältnis zum verbleibenden Prozesskostenrisiko steht.

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Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg kann dann eventuell nicht bestehen, wenn - trotz des Ablaufes der Sperrfrist des § 88 Abs.1 und 2 SGG (drei Monate) ein hinreichender Grund für die Untätigkeit gegeben ist.

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Solche Sachverhaltskonstellationen haben zum Beispiel den Beschlüssen des 10. Senates des LSG M-V zugrunde gelegen (Beschlüsse vom 9. September 2008, L 10 B 147/08, L 10 B 54/08 und L 10 B 55/08). In dem dortigen Fällen hatten die Antragsteller die Behörde mit einer Vielzahl von Widersprüchen und Überprüfungsanträgen nach § 44 SGB X belastet. Ähnlich ist auch die rechtliche Einschätzung des Hessischen Landessozialgerichts, a.a.O., das gleichfalls die Auffassung vertritt, dass die dortige Beklagte nicht ohne zureichenden Grund untätig geblieben ist: Der dortige Kläger habe den Beklagten mit einer Vielzahl von Widersprüchen und Klageverfahren überzogen (insgesamt 33 weitere Verfahren; davon 7 Anträge auf einstweilige Anordnung).

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Der Senat sieht im vorliegenden Fall die Frage der hinreichenden Erfolgsaussicht nicht als entscheidungserheblich an, weil er - insoweit schließt der Senat sich der Auffassung des Sozialgerichtes an - die Rechtsverfolgung als mutwillig bewertet. Dies gilt auch, wenn innerhalb des Sozialgerichtes Stralsund die im vorliegenden Fall entscheidende Rechtsfrage umstritten ist.

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Die Annahme der Mutwilligkeit basiert nicht zuletzt auf dem geringen Streitwert des zugrunde liegenden Verfahrens (hier 25,71 ). In der vorliegenden Situation erscheint die erhobene Untätigkeitsklage im Ergebnis mutwillig im Sinne des § 73a SGG in Verbindung mit § 114 Satz l ZPO. Denn: Mutwillig handelt derjenige, der von dem Vorgehen abweicht, das eine verständige ausreichend bemittelte Partei in einem gleich liegenden Fall wählen würde. Dabei ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. In Verfahren vor den Sozialgerichten, bei denen Gerichtskosten nicht erhoben werden, ist ausschließliches Ziel des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe die Beiordnung eines Rechtsanwaltes (Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 15. Juli 2008 - L 9 B 39/08 SO -, Juris, mit weiteren Nachweisen). Die Erhebung einer Untätigkeitsklage zur Beschleunigung einer geltend gemachten Forderung in Höhe von 25,71 Euro mit Beauftragung eines Rechtsanwaltes (und dadurch einem um ein Vielfaches höheren Kostenrisiko) ist unverhältnismäßig. Im vorliegenden Fall steht ein Kostenrisiko im Raum, das circa das Zehnfache der Hauptforderung ausmacht (siehe die rechtsanwaltliche Gebührenrechnung, die sich bei den Gerichtsakten befindet). Ein solches würde eine verständige Partei nicht ohne weiteres eingehen. Das Vorgehen der Kläger wäre von einer verständigen nicht bedürftigen Partei auf eigenes Kostenrisiko nicht zu erwarten. Diese würde vernünftigerweise in einem solchen Fall bereits keine Klage erheben und erst recht keinen Rechtsanwalt beauftragen (vgl. Hessisches Landessozialgericht, a.a.O.).

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Zusammenfassend lässt sich also sagen: Der Senat folgt weder der Auffassung, in jedem Falle sei eine Ankündigung der beabsichtigten Untätigkeitsklage gegenüber dem Grundsicherungsträger erforderlich. Auch eine Sachstandsanfrage wird nicht zwingend in allen Fällen geboten sein. Ob eine "Kooperation" erforderlich ist, hängt - wie auch alles Weitere - von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab. Entscheidend ist der Vergleich zu einem nichtbedürftigen Beteiligten. Wenn ein Beteiligter, der "auf eigenes Kostenrisiko" handelt, bei vernünftiger Betrachtung sofort Untätigkeitsklage erheben würde, ist dieses Recht auch einem Kläger beziehungsweise Antragsteller zuzubilligen, der zur Deckung seiner Rechtsanwaltskosten zusätzlich einen Prozesskostenhilfeantrag anhängig macht.

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Zudem ist noch darauf hinzuweisen, dass es durchaus der Rechtsprechung des erkennenden Senates entspricht, Mutwilligkeit dann anzunehmen, wenn einem Kläger zur Erreichung seines Rechtsschutzziel ein zumutbarer und einfacherer Weg offen gestanden hat als die Erhebung einer sozialgerichtlichen Klage (vgl. LSG M-V, Beschluss vom 18. April 2007 - L 8 B 195/06 -).

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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.