Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 20. März 2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für beide Instanzen nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig sind höhere Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II), insbesondere ein geltend gemachter Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung bei Diabetes mellitus im Zeitraum vom 01. Oktober 2007 bis zum 31. März 2008.

2

Der 1960 geborene, erwerbsfähige Kläger bezieht seit dem 01. Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von der Beklagten, die ihm zuletzt mit Bescheid vom 08. März 2007 für den Zeitraum bis zum 30. September 2007 Leistungen unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung i.H.v. 51,13 monatlich bewilligte. Die Gesamtleistung betrug nach Anpassung der Regelleistung zum 01. Juli 2007 gemäß Änderungsbescheid vom 02. Juni 2007 monatlich 633,13 EUR (Regelleistung 347,00 EUR, Mehrbedarf, Kosten der Unterkunft und Heizung 235,00 EUR). An Kosten der Unterkunft berücksichtigte die Beklagte entsprechend einem vom Kläger bei Erstantragstellung vorgelegten Untermietvertrag mit seiner 1996 geschiedenen ehemaligen Ehefrau die vereinbarte Kaltmiete in Höhe von 195,00 sowie den pauschalen Neben- und Heizkostenanteil in Höhe von 40,00 EUR monatlich.

3

Anlass für die Gewährung eines Ernährungsmehrbedarfs war eine vom Kläger mit seinen ursprünglichen Antragsunterlagen eingereichte ärztliche Bescheinigung der Hausärztin Dr. L vom 29. Oktober 2004. In dem Formular ist die Körpergröße des Klägers mit 183 cm, sein Gewicht mit 114 kg angegeben, als Erkrankung wurde durch Ankreuzen des entsprechenden Feldes "Diabetes mellitus Typ IIa" bezeichnet.

4

Auf einen Fortzahlungsantrag des Klägers vom 30. August 2007, mit welchem Änderungen der Verhältnisse verneint wurden, bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 05. September 2007 für die Zeit vom 01. September 2007 bis zum 31. März 2008 nur noch 582,00 EUR monatlich. Einen ernährungsbedingten Mehrbedarf berücksichtigte sie ohne Begründung nicht mehr.

5

Hiergegen erhob der Kläger am 02. Oktober 2007 Widerspruch. Sein Diabetes sei nur schwer einstellbar, weshalb er ganz besonders auf eine ausgewogene Reduktionskost angewiesen sei.

6

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 2007 mit der Begründung zurück, dass eine Diabetes-Erkrankung nach derzeitiger medizinischer Einschätzung keine Mehrkosten verursache.

7

Hiergegen hat der Kläger am 20. Dezember 2007 Klage beim Sozialgericht Rostock erhoben. Zur Begründung hat er sich auf die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V. (DV) für die Gewährung von Krankenkostzulagen berufen und vorgetragen, bereits seit 2004 an einem Diabetes mellitus Typ IIb zu leiden. Ausweislich einer Kopie seines Diabetiker-Ausweises wurde seine Erkrankung seinerzeit medikamentös (mit Metformin) behandelt.

8

Der Kläger hat beantragt,

9

die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 05. September 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2007 zu verurteilen, ihm ab dem 01. Oktober 2007 einen monatlichen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung in Höhe von 54,71 zu zahlen.

10

Die Beklagte hat beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Die Empfehlungen des DV aus dem Jahre 1997, die für Typ I- und Typ IIa-Diabetiker eine Krankenkostzulage in Höhe von monatlich 51,13 EUR empfehlen, seien veraltet. Nach dem aktuellen medizinisch-ernährungswissenschaftlichen Erkenntnisstand, der sich in den Angaben des Bundesverbandes Deutscher Ernährungsmediziner, der Diabetes Gesellschaft Deutschland und der Deutschen Diabetologischen Gesellschaft widerspiegele, sei eine mit einem erhöhten finanziellen Aufwand verbundene besondere Diät oder Ernährung bei diesen Erkrankungen nicht notwendig. Auch der DV sei ausweislich einer Telefonauskunft gegenüber dem LSG Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 26. Februar 2007, L 6 AS 71/06 ER) zu diesem Ergebnis gekommen.

13

Das Sozialgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 20. März 2008 verurteilt, dem Kläger "ab dem 01.10.2007 einen monatlichen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung in Höhe von 54,71 EUR zu zahlen".

14

Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger erfülle die Voraussetzungen für einen ernährungsbedingten Mehrbedarf, sodass er diese Leistung zusätzlich von der Beklagten beanspruchen könne. Nach § 21 Abs. 5 SGB II erhielten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürften, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Einen solchen Mehrbedarf habe der Kläger nachgewiesen durch die ärztlich attestierte Diabetes mellitus Erkrankung vom Typ IIa und die Notwendigkeit einer exakten diätetischen Kostführung.

15

Zwar werde von Fachkreisen bezweifelt, dass die für Diabetiker ebenso wie für Gesunde empfohlene ausgewogenen Mischkost Mehrkosten verursache. Die Empfehlungen des DV sähen für diese Erkrankung jedoch wegen der erforderlichen Diabeteskost eine Zulage in Höhe von 51,13 EUR vor. Auch habe der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zu § 21 Abs. 5 SGB II auf diese Empfehlungen Bezug genommen. Schließlich habe das BVerfG in einem Beschluss vom 20. Juni 2006, 1 BvR 2673/05, den Empfehlungen des DV besonderes Gewicht beigemessen, weil sich bereits die Praxis zum BSHG daran orientiert habe, sodass ihnen ein normähnlicher Charakter zukomme, vergleichbar mit den Anhaltspunkten im sozialen Entschädigungsrecht. Ihre Anwendung diene der Praktikabilität und der gleichmäßigen Rechtsanwendung mit der Folge, dass sie nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterlägen und durch Einzelfallgutachten nicht zu widerlegen seien. Dieser Bewertung, der das Hessische LSG (Beschluss vom 05.02.2007 - L 7 AS 241/06 ER) sowie das LSG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 01. November 2007, L 10 AS 32/06, Neurodermitis) gefolgt seien, schließe sich die Kammer an. Hierbei habe sie berücksichtigt, dass der DV angekündigt habe, die Empfehlungen in naher Zukunft zu aktualisieren. Der Einwand der Beklagten, der DV habe telefonisch bereits mitgeteilt, dass an der Zulage für Diabetes-Erkrankte nicht mehr festgehalten werde, stelle zur Überzeugung der Kammer jedoch keine ausreichende Grundlage für eine Abweichung von den Empfehlungen dar.

16

Aus der jährlichen Fortschreibung der Zulage in Höhe von 51,13 EUR ergebe sich die beantragte Zulage in Höhe von 54,71 EUR.

17

Das SG hat gegen das Urteil die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

18

Gegen das am 14. August 2008 abgesandte und der Beklagten nach eigenen Angaben am 19. August 2008 zugestellte Urteil hat sie am 25. August 2008 Berufung eingelegt, welche sie im Wesentlichen wie erstinstanzlich und ergänzend durch einen Hinweis auf aktuelle Rechtsprechung der 19. Kammer des SG Rostock begründet.

19

Die Beklagte beantragt,

20

das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 20. März 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

21

Der Kläger beantragt,

22

die Berufung zurückzuweisen.

23

Er legt ein Attest des behandelnden Arztes, Facharzt für Innere Medizin Dr. med. W, vom 19. November 2008 vor, wonach eine exakte Kostführung als Basistherapie erforderlich sei, welche eine zuckerfreie, nach Broteinheiten standardisierte Kohlenhydratmenge beinhalte. Ein finanzieller Mehraufwand entstehe aus dem "jeweiligen individuellen Bedarf an diabetischen Diätartikeln".

24

Nach Auffassung des Klägers seien auch unter Berücksichtigung der zum 01. Oktober 2008 überarbeiteten Empfehlungen des DV zur Gewährung von Krankenkostzulagen individuelle Ermittlungen nicht entbehrlich. Der DV weise ausdrücklich darauf hin, die Empfehlungen nicht schematisch anzuwenden, sondern immer die Besonderheiten des Einzelfalls in den Blick zu nehmen. Nach Ziffer 6. der Empfehlungen (Verfahren) erfordere die Gewährung von Krankenkostzulagen die Vorlage eines ärztlichen Attestes, in der Regel des behandelnden Arztes, unter Bezeichnung des Gesundheitsschadens, was bereits erstinstanzlich durch Vorlage des Diabetikerpasses und durch Benennung des Dr. med. W geschehen sei. Es handele sich letztlich um einen Einzelfall. Der Kläger habe aufgrund vielfältiger Leistungseinschränkungen bereits einen Rentenantrag wegen Erwerbsunfähigkeit gestellt. Das gerichtliche Verfahren sei insoweit noch anhängig. Für die abschließende Beurteilung sei ein Befundbericht von Herrn Dr. med. W einzuholen.

25

Der Senat hat mit gerichtlichem Schreiben vom 12. Januar 2009 unter anderem darauf hingewiesen, dass die Diagnose der Hausärztin Dr. L, wonach der Kläger unter einem Diabetes mellitus Typ IIa leide, den in der gleichen Bescheinigung enthaltenen Angaben zu Körpergröße und -gewicht widerspreche. Hiernach errechne sich ein BMI von 34,04, womit deutliche Adipositas bestehe, der Diabetes mithin als Typ IIb einzuordnen sei.

26

Insoweit hat der Kläger erwidert, dass nicht nachvollzogen werden könne, ob die Diagnose der Hausärztin Dr. L im Verfahren maßgeblich geworden sei. Hierauf komme es auch nicht an, da es sich um die Hausärztin und nicht um den behandelnden Internisten/Diabetologen handele.

Entscheidungsgründe

27

Die Berufung ist zulässig und begründet.

28

Entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung stand dem Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum kein höherer Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II zu, als von der Beklagten mit dem Bescheid vom 05. September 2007 bewilligt. Neben den Kosten der Unterkunft und Heizung, die die Beklagte mit einem Betrag in Höhe von 235,00 EUR jedenfalls nicht zu niedrig festgesetzt hat, stand dem Kläger lediglich die Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II in der ab dem 01. Juli 2007 geltenden Fassung des Gesetzes (BGBl. I 2007, 1139) in Höhe von 347,00 EUR zu, insgesamt mithin nicht mehr als 581,00 EUR monatlich.

29

Ein Anspruch des Klägers auf Gewährung eines Mehrbedarfs gemäß § 21 Abs. 5 SGB II bestand hingegen nicht. Nach dieser Vorschrift erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Derartige medizinische Gründe lagen im Falle des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum zur vollen Überzeugung des Senats nicht vor.

30

Der Senat gewinnt diese Überzeugung aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens, § 128 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Hiernach lag beim Kläger im Streitzeitraum eine Erkrankung im Sinne eines Diabetes mellitus vom Typ II vor, mithin eine chronische Blutzuckererhöhung infolge relativen Insulinmangels bei entweder gestörter Insulinsekretion oder gestörter Insulinwirkung (sog. Insulinresistenz), vgl. die Praxisleitlinie "Definition, Klassifikation und Diagnostik des Diabetes mellitus" der Deutschen Diabetes-Gesellschaft, AWMF-Leitlinien-Register Nr. 057/002k.

31

Hinsichtlich dieser Diagnose stützt sich der Senat auf die hausärztliche Bescheinigung der Frau Dr. L und auf die eigenen Angaben des Klägers.

32

Im Falle eines Diabetes mellitus bedarf es jedoch aus medizinischen Gründen keiner kostenaufwändigen Ernährung, da Erkrankten nach einhelliger medizinischer Auffassung eine Ernährung im Sinne einer Vollkost empfohlen wird, die nicht mit Mehrkosten verbunden ist. Für diese Feststellung sind keine einzelfallbezogenen Ermittlungen erforderlich.

33

Nach den aktuellen Empfehlungen des DV ("Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe, 3., völlig neu bearbeitete Auflage 2008") ist nach dem aktuellen Stand der Ernährungsmedizin bei Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit - Typ II und Typ I, konventionell und intensiviert konventionell behandelt) ebenso wie bei Hyperurikämie (Erhöhung der Harnsäure im Blut) und Gicht (Erkrankung durch Harnsäureablagerungen) regelmäßig eine "Vollkost" angezeigt und in der Regel ein krankheitsbedingt erhöhter Ernährungsaufwand zu verneinen, weil der Regelsatz den notwendigen Aufwand für eine Vollkost deckt, a.a.O., S. 11 f. Nur wenn besondere Umstände vorliegen, z.B. eine gestörte Nährstoffaufnahme, kommt ausnahmsweise ein Mehrbedarf in Betracht. Für derartige besondere Umstände, die die Notwendigkeit einer erhöhten Kalorienzufuhr begründen könnten, ergeben sich im Falle des Klägers insbesondere im Hinblick auf sein Körpergewicht keinerlei Anhaltspunkte.

34

Nach der Rechtsprechung des Senats kommt den aktuellen Empfehlungen des DV die Rechtsnatur eines antizipierten Sachverständigengutachtens zu (Beschluss vom 19. Dezember 2008, L 8 B 386/08 - juris), so auch Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen vom 03. Februar 2009, L 9 B 339/08 AS, sowie (jeweils zum SGB XII) Hessisches Landessozialgericht vom 22. Dezember 2008, L 7 SO 7/08 B ER, und Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen vom 22. Januar 2009, L 8 SO 32/07. Daher können die Empfehlungen auch auf in der Vergangenheit liegende Zeiträume angewandt werden.

35

Auch soweit bereits die vom DV 1997 herausgegebene 2. Auflage der "Empfehlungen für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe", in Übereinstimmung mit neueren Publikationen und auch im Übrigen unangefochten für bestimmte Erkrankungen keinen Mehrbedarf vorsahen, hat es nach Auffassung des Senats bei ihrer Einstufung als antizipiertes Sachverständigengutachten und nicht als bloße Orientierungshilfe zu verbleiben.

36

Insoweit das Bundessozialgericht entschieden hat, dass ein streitiger Mehrbedarf im jeweiligen Einzelfall zu ermitteln sei (Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14/7b AS 64/06 R - SozR 4-4200 § 21 Nr. 2), galt dies vor dem Hintergrund der sich seinerzeit noch widersprechenden Empfehlungen des DV aus dem Jahre 1997 einerseits und dem "Begutachtungsleitfaden für den Mehrbedarf bei krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung" des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe sowie verschiedener Stimmen aus der Fachwelt andererseits, was das BSG dazu veranlasste, die (alten) Empfehlungen des DV nicht mehr als antizipiertes Sachverständigengutachten anzusehen. Dieser Widerspruch besteht jedoch seit der Revision der Empfehlungen des DV in ihrer 3. Auflage nicht mehr, sodass nunmehr von einer praktisch einhelligen Expertenmeinung auszugehen ist, die in einem Konsensus-Verfahren von den Fachleuten der Mitglieder des DV (öffentliche und freie Träger der Wohlfahrtspflege) unter Beteiligung der Ärzte der Akademie für öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf und der Agentur für Arbeit zu einer von allen Fachgruppen getragenen Veröffentlichung geführt hat, weshalb die (erneute) Einordnung als antizipiertes Sachverständigengutachten gerechtfertigt ist.

37

Hierbei ist ferner zu beachten, dass die Revision der Empfehlungen letztlich in medizinischer Hinsicht auf bereits langjährig gesicherten und allgemein anerkannten Erkenntnissen beruht. Die Ernährungsempfehlungen für Diabetiker sind seit Jahren unverändert, vgl. etwa die "Ernährungsempfehlungen für Diabetiker 2000" der European Association for the Study of Diabetes (EASD) und der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG), Ausschuss Ernährung, AWMF-Leitlinien-Register Nr. 057/001, sowie das "Rationalisierungsschema 2004" des Berufsverbandes Deutscher Ernährungsmediziner (BDEM) e.V., der Deutschen Adipositas Gesellschaft e.V., der Deutschen Akademie für Ernährungsmedizin (DAEM) e.V., der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) e.V., der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) e.V., des Verbandes der Diätassistenten - Deutscher Berufsverband (VDD) e.V. und des Verbandes der Diplom-Oecotrophologen (VDOE) e.V., Aktuelle Ernährungsmedizin 2004, S. 245-253.

38

Die hiernach angezeigte Vollkost beinhaltet ebenso wie die im Rahmen der Primärprävention zur Gesunderhaltung empfohlene Ernährungsweise eine dem Aktivitätsniveau angepasste Kalorienzufuhr, eine ballaststoffreiche Kost, eine Limitierung der Fettzufuhr, besonders der gesättigten Fettsäuren, eine gänzliche oder zumindest weitgehende Vermeidung von Alkohol, eine ausreichende Mineralstoffzufuhr sowie eine Beschränkung der Zufuhr von Einfachzuckern und Cholesterin (Rationalisierungsschema 2004, S. 246 f.).

39

Dagegen lässt sich die hier im Attest des Herrn Dr. W diffus angedeutete Empfehlung von (kostenträchtigen) Diätprodukten für Diabetiker (ebenso wie für eine zuckerfreie Ernährung) wissenschaftlich nicht begründen. In den "Ernährungsempfehlungen für Diabetiker 2000" heißt es insoweit:

40

"Für die Empfehlung zum Verzehr spezieller Diabetikerprodukte oder Diätprodukte für Diabetiker finden sich keine Begründungen.

41

Fruktose, Zuckeralkohole und andere energiehaltige Zuckeraustauschstoffe, die alle Kalorienlieferanten sind, haben gegenüber der Verwendung von üblichem Zucker (Saccharose) für Menschen mit Diabetes keine nennenswerten Vorteile außer einer verminderten Kariesbildung und sollten nicht empfohlen werden. Viele Lebensmittel, die derzeit als 'für Diabetiker geeignet' deklariert werden, enthalten große Fett- und Energiemengen und sind häufig teuerer als reguläre Produkte. Die ständige Werbung für diese Produkte kann die Compliance zur Umsetzung der Ernährungsempfehlungen für Diabetiker, wie sie die Diabetes und Nutrition Study Group der EASD bzw. der Ausschuss Ernährung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft herausgeben, eher behindern als fördern. Energiefreie Süßstoffe können in Getränken sinnvoll sein. Produkte, die für spezielle Zwecke (z.B. für die enterale Ernährung) entwickelt wurden, erfordern eine individuelle Bewertung."

42

Vor dem Hintergrund der seit Jahren einhelligen Ernährungsempfehlungen war für den fortdauernden Meinungsstreit in der Rechtsprechung allein die lange offene Frage ursächlich, ob die für Diabetiker (ebenso wie für Gesunde) empfohlene Vollkost im Vergleich zu "üblicher Ernährung" mit Mehrkosten verbunden ist. Diese Frage ist nunmehr vom DV auf der Grundlage mehrerer wissenschaftlicher Marktstudien überzeugend verneint worden. Es muss daher nunmehr als wissenschaftlich gesichert gelten, dass Vollkost nicht teuerer als "normale ungesunde" Kost ist, oder doch jedenfalls aus dem für Ernährung vorgesehenen Anteil des Regelsatzes finanziert werden kann. Auf die in den neuen DV-Empfehlungen zitierten Studien ("Lebensmittelkosten bei gesunder und üblicher Ernährung" der Justus-Liebig-Universität Gießen und "Lebensmittelkosten im Rahmen einer vollwertigen Ernährung" der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V., jeweils über die in der Internet-Version der Empfehlungen enthaltenen Links verfügbar) wird Bezug genommen, ferner auf die insoweit ausführliche Begründung der Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen vom 22. Januar 2009, L 8 SO 32/07 - juris.

43

Die den alten DV-Empfehlungen zugrunde liegende Annahme, die Kosten für Vollkost seien anders als diejenigen einer normalen Ernährung nicht bereits vollständig vom Regelsatz erfasst, lässt sich mithin nicht aufrecht erhalten.

44

Im Übrigen sei angemerkt: Im Falle des Klägers ergibt sich auch auf der Grundlage der Empfehlungen des DV aus 1997 kein Mehrbedarf.

45

Aufgrund der Angaben der Hausärztin des Klägers, seinen eigenen Angaben in der Klagebegründung und aufgrund des persönlichen Eindrucks im Verhandlungstermin geht der Senat davon aus, dass der Kläger entgegen der Bescheinigung der Hausärztin an einem Diabetes mellitus Typ IIb leidet. Die weitere Differenzierung des Typ II-Diabetes in IIa und IIb erfolgt ausschließlich danach, ob Normalgewicht (BMI bis 25) vorliegt (dann IIa) oder Übergewicht (dann IIb) bzw. nach anderen Quellen Adipositas (BMI > 30), vgl. etwa die DV-Empfehlungen von 1997, S. 13, 55. Aus den ärztlich bescheinigten Angaben zu Körpergröße (183 cm) und -gewicht (114 kg) errechnet sich ein Body-Maß-Index (BMI) von über 34 kg/qm KOF, womit die Einordnung der Erkrankung als Typ IIb auch ohne Hinzuziehung ärztlichen Sachverstands nicht in Zweifel zu ziehen ist. Das bestätigt letztlich der Kläger selbst bereits im Widerspruch ("Reduktionsessen") und in der Klagebegründung, in der er ausdrücklich von einem Diabetes "Typ 2 B" spricht.

46

Für diese Art der Erkrankung wurde ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung aber bereits in den Empfehlungen von 1997 nicht angenommen, a.a.O., S. 36. An der Richtigkeit dieser Empfehlungen zu zweifeln, besteht bei der medizinisch empfohlenen Reduktionskost (verminderte Kalorienzufuhr) kein Anlass. Zur Erreichung eines Normalgewichts wäre beim Kläger eine Gewichtsabnahme von mindestens 30 kg erforderlich, weshalb auch nach den alten DV-Empfehlungen eindeutig kein Anspruch auf einen Mehrbedarf bestand.

47

Soweit schließlich der Kläger auf die Empfehlungen des DV zum Verfahren und die sich seiner Auffassung nach hieraus ergebende Notwendigkeit einzelfallbezogener Ermittlungen bei Diabetes mellitus verweist, geht dieser Hinweis fehl.

48

Unter "6. Verfahren" heißt es dort:

49

"Krankenkostzulagen bedürfen zu ihrer Begründung der Vorlage eines ärztlichen Attestes, in der Regel des behandelnden Arztes, das unter genauer Bezeichnung des Gesundheitsschadens die Notwendigkeit einer Krankenkost darlegen muss."

50

Hieraus folgt zwar die ohnehin auf der Hand liegende Erforderlichkeit einer ärztlichen Bescheinigung, bevor ein Mehrbedarf überhaupt festgestellt werden kann. Andererseits ergibt sich aber aus den Empfehlungen keineswegs die Erforderlichkeit weiterer Ermittlungen, wenn die ärztlich bescheinigte Erkrankung gerade zu keinem Mehrbedarf führt. Auch das konkret vom Kläger vorgelegte Attest führt hier zu keinem anderen Ergebnis. Ein nicht näher spezifizierter "jeweiliger individueller Bedarf an diabetischen Diätartikeln" besteht nach den allein maßgeblichen, wissenschaftlich gesicherten Ernährungsempfehlungen gerade nicht, weder generell noch individuell, womit weitere Ermittlungen entbehrlich sind.

51

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

52

Gründe für eine Zulassung der Revision waren im Hinblick auf die zwischenzeitlich einhellige wissenschaftliche Beurteilung nicht ersichtlich.

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(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.

(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.

(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.

(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils

1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4,
2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr,
3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder
4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.

Tenor

Unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Rostock vom 11. April 2006 sowie der Bescheide vom 13. November und 23. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. März 2005 wird die Beklagte verpflichtet, der Klägerin für den Bewilligungszeitraum vom 01. Januar bis 30. Juni 2005 einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung wegen Neurodermitis in Höhe von 27,35 € monatlich zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu einem Drittel zu erstatten.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob zugunsten der Klägerin ein behinderungsbedingter Mehrbedarf sowie ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung besteht.

2

Die ... 1999 geborene Klägerin lebt gemeinsam mit ihrer alleinerziehenden Mutter und bezieht seit dem 01. Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). In psychologischen Befunden wird bei der Klägerin über das Vorliegen von Autismus- bzw. Asperger-Symptomen berichtet.

3

Im Rahmen der Beantragung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes machte die Mutter der Klägerin einen Mehrbedarf für Behinderte im Hinblick auf § 33 SGB IX (u.a. medizinische Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben) sowie für kostenaufwändige Ernährung geltend. Zum letzten Gesichtspunkt wurde am 07. Oktober 2004 wegen Neurodermitis und Nahrungsmittelunverträglichkeiten (kuhmilch-, kristallzucker- sowie farbstofffreie Ernährung) die Notwendigkeit von entsprechender (Voll-) Kost durch die Ärztin für Kinderheilkunde Dr. Ma bescheinigt. Seitens des Landkreises Güstrow wurde für den Zeitraum vom 01. Januar bis 31. Oktober 2005 für die Klägerin Eingliederungshilfe in Form einer heilpädagogischen Frühförderung übernommen.

4

Mit Bescheid vom 30. November 2004 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 23. Dezember 2004 bewilligte die Beklagte der Mutter der Klägerin als Vertreterin der Bedarfsgemeinschaft ausgehend von einem Gesamtbedarf von 1135,88 abzüglich eines verrechneten Gesamteinkommens von 432,73 (Kindergeld und Unterhaltsleistungen) Leistungen für den Monat Januar in Höhe von 703,15 sowie in der Zeit vom 01. Februar bis 30. Juni 2005 in Höhe von 523,33 € monatlich (Grund für den geringeren Betrag ab Februar 2005 war, dass ab diesem Zeitpunkt der am 29. Januar 1987 geborene Bruder der Klägerin - Ralf-Ingo L - keine Berücksichtigung mehr fand). In diesen Bescheiden wurde bis auf einen Mehrbedarf als Alleinerziehende (für die Mutter) kein weiterer Mehrbedarf zuerkannt. Nach Widerspruchseinlegung vom 03. Februar 2005 und Nachfrage am 10. Februar 2005 durch den zwischenzeitlich eingeschalteten Prozessbevollmächtigten der Klägerin erging am 08. März 2005 ein zurückweisender Widerspruchsbescheid, in welchem zur Begründung ausgeführt wurde, auf der Grundlage des § 21 Abs. 1 SGB II erhielten erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Hilfe zur Ausbildung für eine sonstige angemessene Tätigkeit erbracht werden, einen Mehrbedarf von 35 v.H. der nach § 20 maßgeblichen Regelleistung. Es müssten insoweit tatsächlich Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden. Es reiche nicht aus, wenn der Behinderte lediglich grundsätzlich die Voraussetzungen hierfür erfülle. Die Voraussetzungen für diesen Mehrbedarf seien nicht gegeben. Auch ein Anspruch auf Gewährung von ernährungsbedingtem Mehrbedarf komme nicht in Betracht, da auf der Grundlage des Begutachtungsleitfadens für den Mehrbedarf bei krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung die Erkrankungen Neurodermitis und Nahrungsmittelunverträglichkeit nicht als Mehrkostenverursacher eingestuft seien. Durch die notwendige Vermeidung bestimmter Nahrungsmittel entstünden nicht zwingend höhere Kosten.

5

Hiergegen ist am 06. April 2005 Klage vor dem Sozialgericht Rostock erhoben worden mit der Begründung, die Voraussetzungen für die Zahlung des Mehrbedarfes sowohl wegen Behinderung als auch wegen kostenaufwändiger Ernährung würden vorliegen. Die Klägerin sei Autistin und aufgrund dessen behindert i. S. § 21 Abs. 4 SGB II und beziehe auch Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach den §§ 53, 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 1 und 2, 56 SGB IX. Die Voraussetzungen für die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen Behinderung gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 21 Abs. 4 SGB II würden daher vorliegen. Darüber hinaus bestehe zwischen der Behinderung/Erkrankung und der Notwendigkeit einer kostenaufwändigen Ernährung ein ursächlicher Zusammenhang. Die Notwendigkeit der kostenaufwändigen Ernährung sei zudem aus medizinischen Gründen nachweislich belegt. Entgegen den Ausführungen der Beklagten verursachten die Erkrankungen Neurodermitis und Nahrungsmittelunverträglichkeit sehr wohl nicht ganz unerhebliche Mehrkosten. Es sei insoweit nicht damit getan, dass lediglich bestimmte Nahrungsmittel vermieden würden. So sei z. B. Kalzium, was sich überwiegend in Milch und Milchprodukten befinde, für die Entwicklung eines Kindes, insbesondere für dessen Knochenbau, ausgesprochen wichtig. Nicht nur das Kalzium, sondern viele andere für die Entwicklung eines Kindes wichtige Stoffe könnten aufgrund der bestehenden Erkrankung nicht durch die handelsüblichen Lebensmittel zugeführt werden, sondern müssten durch spezielle Nahrungsmittel ausgeglichen werden. Dies sei nicht nur zeit- sondern auch kostenaufwändig. Die Richtlinien für öffentliche und private Fürsorge, an welchen sich die Beklagte orientiere, sähen zudem allein für die Erkrankung Neurodermitis eine Krankenkostzulage von monatlich 25,56 € vor. Im weiteren Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens hat die Mutter der Klägerin aus ihrer Sicht die Kosten für entstehenden Mehrbedarf dargestellt und bis April 2006 einen Nachzahlungsanspruch in Höhe von 3491,04 € errechnet.

6

Die Mutter der Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

7

die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 23. Dezember 2005 (richtig: 2004) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. März 2006 (richtig: 2005) zu verurteilen, ihr Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ab dem 01. Januar 2005 unter Berücksichtigung von Mehrbedarfsleistungen wegen Behinderung ihrer Tochter und wegen kostenaufwändiger Ernährung gemäß § 28 i.V.m. § 21 SGB II in Höhe von 3491,04 € zu gewähren.

8

Die Beklagte hat beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Sie hat an ihrer Auffassung festgehalten und ergänzend ausgeführt, dass der Klägerin keine Eingliederungsleistungen nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB XII gewährt worden seien, aber gerade die Gewährung dieser Eingliederungsleistungen (u.a. Hilfen zur schulischen Ausbildung) die Voraussetzung für die Gewährung eines Mehrbedarfes für Behinderung bildeten. Im Weiteren sei in Bezug auf die Arbeitsgruppe Westfalen-Lippe festzustellen, dass für das Krankheitsbild "Neurodermitis" keine erforderliche Kostform genannt werde, die eventuell Einfluss auf das Krankheitsgeschehen habe. Eine Nahrungsmittelunverträglichkeit sei in dem Leitfaden ebenfalls nicht als Mehrkostenverursacher eingestuft.

11

Insoweit hat die Klägerseite nochmals dahingehend reagiert, dass in den Empfehlungen für Krankenkostzulagen u.a. für die Erkrankung Neurodermitis eine Kostenzulage in Höhe von monatlich 25,56 € vorgesehen sei.

12

Auf Anfrage des Sozialgerichts hat Dr. Ma am 21. März 2006 ergänzend zu ihrer ärztlichen Bescheinigung vom 07. Oktober 2004 mitgeteilt, dass bei der Klägerin rezidivierende Ekzemzustände auftreten würden. Da der Zeitpunkt der Erörterung weit zurückliege, gehe sie davon aus, dass die Unverträglichkeiten klinisch ausgetestet worden seien. Das Weglassen von Kuhmilch und Kristallzucker stelle keine finanzielle Mehrbelastung dar; Kalziumpräparate seien von ihr nicht empfohlen worden.

13

Durch Urteil vom 11. April 2006 hat das SG die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen zusammengefasst ausgeführt, die Voraussetzungen eines Mehrbedarfes wegen Behinderung seien nicht erfüllt. Eingliederungshilfen nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB XII seien nicht erbracht worden. Diese Leistungen könnten als Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu und für Hilfen zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf einschließlich des Besuchs einer Hochschule gewährt werden. Leistungen zur frühkindlichen heilpädagogischen Förderung zählten dazu nicht. Diese Leistungen seien den sozialen Rehabilitationsleistungen zugeordnet. Zwar würden sie stets als Komplexleistungen erbracht und die Förderung komme auch dem späteren Schulbesuch des Kindes zugute, im Vordergrund stehe aber die Verbesserung der Möglichkeit des Kindes, am Leben in der Gemeinschaft insgesamt besser teilnehmen zu können. Im Bericht der Frühförderstelle des Diakonievereins Güstrow vom 30. September 2004 heiße es deshalb richtig, dass der Abbau von Schwierigkeiten bezüglich der Bindungs- und Kontaktfähigkeit der Klägerin im Vordergrund der Maßnahmen stünde. Auch die Nahrungsmittelunverträglichkeit und Neurodermitis der Klägerin begründeten keinen Anspruch auf Leistungen für einen Mehrbedarf. In Übereinstimmung mit dem Begutachtungsleitfaden des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe habe die Kinderärztin Dr. Ma Gründe für die Notwendigkeit derartiger Kosten nicht benannt und die Laktoseintoleranz sei in dem Begutachtungsleitfaden als Grund einer kostenaufwändigen Ernährung gar nicht enthalten. Hinsichtlich der Neurodermitis enthalte die Regelwertetabelle für Krankenkostzulagen des Deutschen Vereins zwar den Betrag von monatlich 27,00 €. In den "Empfehlungen" für die Gewährung von Krankenkostzulagen des Deutschen Vereins heiße es zu atypischen Erkrankungen (Neurodermitis) jedoch, dass eine allgemeine Diätempfehlung für Patienten mit atypischen Erkrankungen nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft nicht bestehe. Auch sei eine universelle Empfehlung der sogenannten Vollwerternährung für solche Patienten abzulehnen. Dies spreche für die Richtigkeit der Bewertung im Begutachtungsleitfaden des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, dass bei Erkrankungen wie der Neurodermitis eine besondere Kostform, die Einfluss auf das Krankheitsgeschehen habe, nicht bekannt sei, so dass ernährungsbedingte Mehrkosten bei dieser Erkrankung nicht bestünden.

14

Gegen das am 16. Juni 2006 zugestellte Urteil ist am 05. Juli 2006 unter Aufrechterhaltung des Begehrens Berufung vor dem Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern erhoben worden. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist klägerseits am 01. November 2007 erklärt worden, dass ein Mehrbedarf wegen Nahrungsmittelunverträglichkeit nicht mehr geltend gemacht wird.

15

Die Klägerin beantragt,

16

das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 11. April 2006 sowie die Bescheide vom 13. November und 23. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.März 2005 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, ihr für den Bewilligungszeitraum vom 01. Januar bis 30. Juni 2005 einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung wegen Neurodermitis in Höhe von 27,35 € monatlich sowie einen Mehrbedarf für Behinderte im Sinne des § 21 Abs. 4 SGB II zu gewähren.

17

Die Beklagte beantragt,

18

die Berufung zurückzuweisen.

19

Seitens des Senats ist im Verlaufe des Berufungsverfahrens eine Richtigstellung des Rubrums sowie der Hinweis gegenüber der Klägerseite erfolgt, dass Streitgegenstand ausschließlich der Bewilligungszeitraum von Januar bis Juni 2005 ist.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Berufung der Klägerin ist hinsichtlich des begehrten ernährungsbedingten Mehrbedarfes wegen Neurodermitis begründet, soweit im Übrigen die Berufung aufrechterhalten wurde, jedoch unbegründet.

22

Streitig ist zwischen den Verfahrenbeteiligten bezogen auf den streitgegenständlichen Zeitraum von Januar bis Juni 2005 allein, ob ein Anspruch auf behinderungs- sowie ernährungsbedingten Mehrbedarf zusteht. Bei diesen begehrten Mehrbedarfsleistungen handelt es sich nach Auffassung des Senates um gegenüber der Regelleistung gesonderte singuläre Ansprüche, welche eigenständig überprüfbar sind. Im Übrigen wurden die der Klägerin und ihrer Mutter zustehenden Sozialgeld- und Regelleistungen einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung von der Beklagten bezogen auf den streitigen Zeitraum nach Lage der Akten zutreffend berechnet.

23

Ein Anspruch auf behinderungsbedingten Mehrbedarf ist zugunsten der Klägerin in Übereinstimmung mit den erstinstanzlichen Entscheidungsgründen nicht feststellbar.

24

Nach § 21 Abs. 1 SGB II umfassen Leistungen für Mehrbedarfe Bedarfe nach den Abs. 2 bis 5, die nicht durch die Regelleistungen abgedeckt sind. Gemäß § 21 Abs. 4 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 des IX. Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes am Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) erbracht werden, einen Mehrbedarf von 35 v.H. der nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung. § 33 SGB IX beinhaltet Leistungen zur Teilnahme am Arbeitsleben und § 54 SGB XII Leistungen der Eingliederungshilfe im Rahmen schulischer Ausbildungen.

25

Gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII sind Leistungen der Eingliederungshilfe neben den Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX auch Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu. Gemäß § 12 Nr. 1 der Verordnung nach § 60 SGB XII (Eingliederungshilfeverordnung) umfasst die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung auch heilpädagogische sowie sonstige Maßnahmen zugunsten körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern.

26

Insoweit ist zutreffend vom SG erläutert worden, dass die der Klägerin bewilligten Leistungen zur frühkindlichen heilpädagogischen Förderung nicht als Hilfe zur schulischen Ausbildung gewährt worden sind, sondern noch allgemein dazu dienen, die Möglichkeiten eines Kindes zu verbessern, am Leben in der Gemeinschaft insgesamt teilnehmen zu können. Eine Erforderlichkeit dieser Frühförderung, um die Voraussetzungen für einen Schulbesuch zu schaffen, wird in dem vorliegenden Bericht des Diakonievereins Güstrow e. V. vom 30. September 2004 nicht beschrieben, sondern die Notwendigkeit einer Förderung des Kontakt- und Kommunikationsverhaltens, so dass ein Anspruch gemäß § 21 Abs. 4 SGB II vorliegend nicht gegeben ist.

27

für die Frage, ob die gegenüber der Klägerin ärztlich bescheinigte Neurodermitis einen ernährungsbedingten Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 5 SGB II begründet, bedarf es zunächst der Klärung, ob zur Feststellung der medizinischen Voraussetzungen für die Annahme eines ernährungsbedingten Mehrbedarfes der Begutachtungsleitfaden des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe oder die Empfehlungen des Deutschen Vereins heranzuziehen ist.

28

Nach § 21 Abs. 5 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Die erst 1999 geborene Klägerin ist zwar noch nicht erwerbsfähig, aber nach § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB II umfasst das ihr gewährte Sozialgeld die sich aus § 19 Satz 1 SGB II ergebenden Leistungen; hierzu gehören auch die gesonderten Mehrbedarfe.

29

Zur oben aufgeworfenen Fragestellung werden im Bereich der Tatsacheninstanzen zur Zeit unterschiedliche Auffassungen vertreten. Der Senat ist jedoch der Überzeugung, dass zur Klärung der medizinischen Voraussetzungen für einen ernährungsbedingten Mehrbedarf weiterhin eine Orientierung an den Empfehlungen des Deutschen Vereins sachgerecht ist. Es ist zu bedenken, dass die bisherige Praxis zum Bundessozialhilfegesetz (BSHG) sich hinsichtlich der Kostformen und den diesbezüglichen diagnostizierten Erkrankungen vor allem an den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge für die Gewährung von Krankenkostzulagen orientiert hat und auch die Gesetzesbegründung zu § 21 Abs. 5 SGB II auf die Empfehlungen des Deutschen Vereins zurückgegriffen hat (vergleiche Bundestag-Drucksache 15/1516 S. 57). Der Gesetzgeber hat somit offensichtlich an die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zu der dem § 21 Abs. 5 SGB II vergleichbaren Vorschrift in § 23 Abs. 4 BHSG anknüpfen wollen. Dementsprechend hat auch das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 20. Juni 2006 - 1 BvR 2673/05) den Empfehlungen des Deutschen Vereins besonderes Gewicht beigemessen und ausgeführt, dass ein Abweichen von diesen begründungsbedürftig sei und entsprechende Fachkompetenz voraussetze. Dem entspricht es, dass nach bisherigem Recht den Empfehlungen des Deutschen Vereins oftmals die Qualität eines antizipierten Sachverständigengutachtens beigemessen worden ist (so auch LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 06. September 2005 - L 9 B 186/05 SO ER sowie u. a. aktuell LSG Hessen, L 7 AS 241/06 ER, Beschluss vom 05. Februar 2007).

30

Wenn das SG einen Mehrbedarf wegen der ärztlich bescheinigten Neurodermitiserkrankung der Klägerin negiert, ist festzustellen, dass die Regelwerttabelle für Krankenkostzulagen des Deutschen Vereins für dieses Krankheitsbild einen Betrag von 25,56 € monatlich für berücksichtigungsfähig erachtet. Zwar mag zutreffend sein, dass nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft eine allgemeine Diätempfehlung bei atypischen Erkrankungen und damit eventuell auch bei der Neurodermitis nicht besteht und insoweit in den weiteren Gründen der Empfehlungen des Deutschen Vereins eine universelle Empfehlung der sogenannten Vollwerternährung in Frage gestellt wird bzw. es danach dem jeweiligen behandelnden Arzt obliegt, die konkrete Vollwertdiät festzulegen. Letztendlich wird jedoch bezogen auf das konkrete Krankheitsbild der Neurodermitis seitens des Deutschen Vereins eine Krankenkostzulage empfohlen und es erscheint u. a. auch aus Praktikabilitätsgründen als sachdienlich, auf diese vorliegende Regelwerttabelle weiterhin zurückzugreifen, zumal angekündigt worden ist, dass diese bald aktualisiert werden soll.

31

Der oben angesprochene Wert in Höhe von 25,56 € monatlich in der Regelwerttabelle des Deutschen Vereins stammt aus dem Jahr 1997 und ist entsprechend der Veränderung der sonstigen Regelsätze für Leistungsbezieher jährlich fortzuschreiten. Somit errechnet sich aktuell bei Vorliegen einer Neurodermitiserkrankung für die Vollkostform ein Mehrbedarf von 27,35 (so auch beispielhaft LSG Sachsen, Beschluss vom 26. Januar 2006, L 3 B 299/05 AS-ER und Münder in LPK - SGB II, 2. Auflage, § 21 Rz. 32), so dass die Berufung der Klägerin in diesem Ausmaß Erfolg hat, im Übrigen war die weitergehende Berufung jedoch zurückzuweisen.

32

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

33

Der Senat hat angesichts differierender Rechtsprechung der Instanzgerichte zur Frage der Heranziehung der Empfehlungen des Deutschen Vereins bezüglich kostenaufwändiger Ernährung die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zugunsten der Beklagten zugelassen. Soweit die Klägerin durch das vorliegende Berufungsurteil beschwert ist, war eine grundsätzliche Bedeutung nicht zu bejahen.

(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.

(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:

1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.

(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.

(5) (weggefallen)

(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.

(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.

(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.

(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils

1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4,
2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr,
3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder
4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stralsund vom 02. September 2008, mit dem die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt worden ist, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Durch Bescheid vom 15. April 2008 lehnte die Beklagte einen Antrag des Klägers nach § 44 SGB X ab, die Bewilligungszeiträume für Leistungen nach dem SGB II vom 01. Januar 2005 bis zum 30. November 2007 zu ändern.

2

Mit seinem hiergegen erhobenen Widerspruch vom 19. April 2008, bei der Beklagten eingegangen am 23. April 2008, machte der Kläger u.a. geltend, ihm sei zu Unrecht ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändigerer Ernährung bei Diabetes mellitus (Typ I) nicht mehr gewährt worden. Die Kosten der Unterkunft seien insoweit unzutreffend berechnet worden, als die Beklagte einen Abschlag für die Bereitung von Warmwasser in Höhe von 18 v.H. zugrunde gelegt habe.

3

Am 28. Juli 2008 erließ die Beklagte acht Änderungsbescheide. In diesen Bescheiden regelte die Beklagte die dem Kläger zustehenden Ansprüche nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2008 neu. Insbesondere wurde dem Begehren des Klägers hinsichtlich der Warmwasserkosten abgeholfen. Die Beklagte übersandte die Bescheide mit Schreiben - laut Abvermerk - gleichfalls von Montag, den 28. Juli 2008, an den Prozessbevollmächtigten des Klägers.

4

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat mit Schreiben von Samstag, den 02. August 2008, bei Gericht eingegangen am 05.August 2008 Untätigkeitsklage erhoben.

5

Durch Widerspruchsbescheid vom 21. August 2008 hat die Beklagte den Widerspruch des Klägers hinsichtlich des noch streitigen Mehrbedarfes zurückgewiesen.

6

Durch Erklärung vom 29. August 2008 hat der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

7

Gegen die Kostengrundentscheidung des Sozialgerichtes vom 02. September 2008, wonach die Beklagte die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen hat, hat der Kläger erfolglos Gegenvorstellung eingelegt.

8

Durch Beschluss gleichfalls vom 02. September 2008 hat das Sozialgericht die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Das Sozialgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, die Rechtsverfolgung sei mutwillig. Eine Sachstandsanfrage habe der Kläger nicht bei der Beklagten gestellt. Zudem hätten die Änderungsbescheide vom 28. Juli 2008 nach dem zeitlichen Verlauf dem Kläger vor Klageerhebung zugegangen sein müssen.

9

Mit seiner am 22. September 2008 erhobenen Beschwerde verfolgt der Kläger sein Begehren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe weiter. Er ist der Auffassung, dass die von ihm erhobene Untätigkeitsklage nicht mutwillig rechtshängig gemacht worden sei.

II.

10

Die Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

11

Gemäß § 114 S. l ZPO in Verbindung mit § 73a Abs. l S. l SGG ist einem Beteiligten auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

12

1. Der Senat kann es im vorliegenden Fall offen lassen, ob innerhalb der Dreimonatsfrist des § 88 SGG die Beklagte überhaupt untätig geblieben ist. Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Untätigkeitsklage ist nämlich, dass ein Kläger sachlich nicht beschieden worden ist. Die Beklagte hat durch ihre Änderungsbescheide vom 28. Juli 2008 den Kläger beschieden, indem sie - auch erneut über den im vorliegenden Verfahren streitigen Mehrbedarf - mit entschieden hat.

13

Die Änderungsbescheide vom 28. Juli 2008 dürften dem Prozessbevollmächtigten des Klägers spätestens am Donnerstag, den 31. Juli 2008 zugegangen sein (Ablauf der Dreitagesfrist - § 37 Abs. 2 SGB X). Insbesondere hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht, auch nicht im Beschwerdeverfahren, geltend gemacht, dass ihn die Änderungsbescheide erst zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen sind. Die Untätigkeitsklage ist erst am Samstag, den 02. August 2008 verfasst worden, das heißt zu einem Zeitpunkt, zu dem keine Untätigkeit der Beklagten mehr vorgelegen hat.

14

2. Im vorliegenden Fall ist ferner anzumerken, dass eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch für eine auf die Bewilligung eines Mehrbedarfes gerichteten Klage - mangels hinreichender Erfolgsaussichten - abzulehnen wäre. Insoweit hat eine Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

15

Im Hinblick auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe ist wesentlich, dass diese, nachdem sich das Verfahren erledigt hat, maximal rückwirkend bis zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife gewährt werden kann. Bewilligungsreife ist erst am 19. August 2008 eingetreten. An diesem Tage hat der Kläger seine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht.

16

Eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe soll einen Kläger von dem Risiko freistellen, dass sich eine prozessuale Situation zu seinen Lasten im Laufe der Zeit verschlechtert. Es ist also im Grundsatz auf den Zeitpunkt abzustellen, zudem ein Gericht bei ordnungsgemäßer Bearbeitung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hätte entscheiden können. Daher ist im vorliegenden Fall im Grundsatz auf die prozessuale Situation im September 2008 abzustellen, das heißt in dem Zeitpunkt, zu dem das Sozialgericht auch entschieden hat.

17

Zu diesem Zeitpunkt ist in der fachöffentliche Diskussion die Frage nach der Erforderlichkeit eines Mehrbedarfs bei Diabetes nach Expertenauffassung bereits in dem Sinne entschieden worden, wie sie in der aktuellen Richtlinie des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge unter dem Datum 01. Oktober 2008 in den Empfehlungen des Deutschen Vereins umgesetzt worden sind. Die Fachdiskussion war innerhalb des Deutschen Vereins zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen. Es hat lediglich noch die Gremienbeteiligung gefehlt.

18

Soweit der Kläger einen Mehrbedarf wegen Diabetes mellitus geltend macht und sich dagegen gewendet hat, dass ihm der in früheren Zeiten gewährte Betrag von 51,13 pro Monat nicht weitergewährt worden ist, folgt der Senat der Empfehlung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge vom 01. Oktober 2008. Diese sieht für die Erkrankung Diabetes mellitus eine Vollkosternährung vor, die aber keine kostenaufwändigere Ernährung erfordert.

19

In den Empfehlungen des Deutschen Vereins sieht der Senat ein antizipiertes Sachverständigengutachten. Dieses steht auch nicht in Widerspruch zu der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urt. vom 15. April 2008 - B14/llb AS 3/07 R -; BSG, Urteile vom 27. Februar 2008 - B 14/7b AS 32/06 R und B 14/7b AS 64/06 R -). Die Empfehlungen des Deutschen Vereins vom 01. Oktober 2008 genügen nämlich den vom Bundessozialgericht aufgestellten Kriterien. Insbesondere sind die ärztlichen Gutachter, die zuvor eine abweichende Empfehlung durch den Landesverband Westfalen-Lippe abgegeben haben, an der Erstellung des Gutachtens des Deutschen Vereins beteiligt gewesen. Wie bereits das Veröffentlichungsdatum (01. Oktober 2008) belegt, ist die Empfehlung des Deutschen Vereins auch hinreichend aktuell. Da die Empfehlung des Deutschen Vereins den heutigen Stand der medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Erkenntnisse beinhaltet, kann diese Empfehlung auch auf in der Vergangenheit liegende Zeiträume angewendet werden.

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3. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist aber auch für den Fall abzulehnen, dass die Änderungsbescheide den Prozessbevollmächtigten des Klägers erst nach Einreichung der Untätigkeitsklage erreicht haben sollten beziehungsweise das auf den Erlass des förmlichen Widerspruchsbescheides vom 21. August 2008 im Hinblick auf den Streitgegenstand "Mehrbedarf" abgestellt wird.

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a) Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg kann dann eventuell nicht bestehen, wenn - trotz des Ablaufes der Sperrfrist des § 88 Abs. l und 2 SGG (drei Monate) ein hinreichender Grund für die Untätigkeit gegeben ist.

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Solche Sachverhaltskonstellationen haben zum Beispiel den Beschlüssen des 10. Senates des LSG M-V zugrunde gelegen (Beschlüsse vom 9. September 2008 - L 10 B 147/08 und L 10 B 54/08 und L 10 B 55/08 -). In dem dortigen Fällen hatten die Antragsteller die Behörde mit einer Vielzahl von Widersprüchen und Überprüfungsanträgen nach § 44 SGB X belastet. Ähnlich ist auch die rechtliche Einschätzung des Hessischen Landessozialgerichts, Beschluss vom 15. Juli 2008 - L 9 B 39/08 SO -, Juris, m.w.N., das gleichfalls die Auffassung vertritt, dass die dortige Beklagte nicht ohne zureichenden Grund untätig geblieben ist: Der dortige Kläger habe den Beklagten mit einer Vielzahl von Widersprüchen und Klageverfahren überzogen (insgesamt 33 weitere Verfahren; davon 7 Anträge auf einstweilige Anordnung). Der erkennende Senat hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (LSG M-V, Beschluss vom 20. November 2008 - L 8 B 426/08 -). Der vorliegende Fall ist mit dieser Konstellation vergleichbar.

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Der Kläger hat einen Überprüfungsantrag gestellt, der einen enormen Verwaltungsaufwand hat auslösen müssen. Dies muss jedenfalls dem Prozessbevollmächtigten des Klägers bekannt gewesen seien. Die Beklagte hat zur "Abarbeitung" des Begehren des Klägers (Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X) acht Änderungsbescheide erlassen müssen. Bei einem derartigen Verwaltungsaufwand hat es nahe gelegen, dass die Bearbeitung eines solchen Sachverhaltes einen nicht unerheblichen zeitlichen Aufwand erfordern wird. Im konkreten Fall ist es daher zu erwarten gewesen, dass ein Hilfeempfänger, bevor er Untätigkeitsklage erhebt, sich vor der Erhebung dieser Untätigkeitsklage bei der Behörde nach dem Bearbeitungsstand erkundigt.

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b) Der Senat sieht im vorliegenden Fall die Frage der hinreichenden Erfolgsaussicht letztendlich aber nicht als allein entscheidungserheblich an, weil er - insoweit schließt der Senat sich der Auffassung des Sozialgerichtes an - die Rechtsverfolgung jedenfalls als mutwillig bewertet. Dies gilt auch, wenn innerhalb des Sozialgerichtes Stralsund die im vorliegenden Fall entscheidende Rechtsfrage umstritten ist.

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Mutwillig handelt derjenige, der von dem Vorgehen abweicht, das eine verständige ausreichend bemittelte Partei in einem gleich liegenden Fall wählen würde. Dabei ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. In Verfahren vor den Sozialgerichten, bei denen Gerichtskosten nicht erhoben werden, ist ausschließliches Ziel des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe die Beiordnung eines Rechtsanwaltes (Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 15. Juli 2008 - L 9 B 39/08 SO, Juris, mit weiteren Nachweisen).

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Die Erhebung einer Untätigkeitsklage zur Beschleunigung der hier geltend gemachten Forderung (Mehrbedarf) mit Beauftragung eines Rechtsanwaltes ist unverhältnismäßig. Ein solches Kostenrisiko würde eine verständige Partei nicht ohne weiteres eingehen. Das Vorgehen der Kläger wäre von einer verständigen nicht bedürftigen Partei auf eigenes Kostenrisiko nicht zu erwarten. Diese würde vernünftigerweise in einem solchen Fall bereits keine Klage erheben und erst recht keinen Rechtsanwalt beauftragen (vgl. Hessisches Landessozialgericht, a.a.O.).

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Der Senat folgt im Allgemeinen weder der Auffassung, in jedem Falle sei eine Ankündigung der beabsichtigten Untätigkeitsklage gegenüber dem Grundsicherungsträger erforderlich. Auch eine Sachstandsanfrage wird nicht zwingend in allen Fällen geboten sein. Ob eine "Kooperation" erforderlich ist, hängt - wie auch alles Weitere - von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab. Entscheidend ist der Vergleich zu einem nichtbedürftigen Beteiligten. Wenn ein Beteiligter, der "auf eigenes Kostenrisiko" handelt, bei vernünftiger Betrachtung sofort Untätigkeitsklage erheben würde, ist dieses Recht auch einem Kläger beziehungsweise Antragsteller zuzubilligen, der zur Deckung seiner Rechtsanwaltskosten zusätzlich einen Prozesskostenhilfeantrag anhängig macht.

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Zudem ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass es durchaus der Rechtsprechung des erkennenden Senates entspricht, Mutwilligkeit dann anzunehmen, wenn einem Kläger zur Erreichung seines Rechtsschutzziel ein zumutbarer und einfacherer Weg offen gestanden hat als die Erhebung einer sozialgerichtlichen Klage (vgl. LSG M-V, Beschluss vom 18. April 2007 - L 8 B 195/06 -) .

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Nach den Besonderheiten des vorliegenden Falles wäre von einem ordnungsgemäß handelnden Kläger, der keine Prozesskostenhilfe beantragt, zu erwarten gewesen, dass er vor der Erhebung einer Untätigkeitsklage noch einmal mit der Beklagten Kontakt aufnimmt. Ein solches Vorgehen wäre daher in gleicher Weise bei einem Kläger zu erwarten gewesen, der die Gewährung von Prozesskostenhilfe erstrebt.

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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.