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Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und auch begründet. Das SG hat zu Unrecht die Versicherungspflicht des Klägers in der Künstlersozialversicherung festgestellt, weswegen das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen war. Der angefochtene Bescheid vom 05.07.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2004 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
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Nach § 1 Nr. 1 KSVG (i.d.F. des Gesetzes zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 09.12.2004, BGBl. I 3242) werden selbständige Künstler und Publizisten in der allgemeinen Rentenversicherung, in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung versichert, wenn sie eine künstlerische oder publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend ausüben. Nach § 2 Satz 1 KSVG (i.d.F. des 2. KSV-ÄndG vom 13.06.2001, BGBl. I 1027) ist Künstler im Sinne dieses Gesetzes, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt. Diese Voraussetzungen sind bei dem Kläger zur Überzeugung des Senats nach Auswertung der von ihm vorgelegten Veranstaltungsunterlagen nicht erfüllt.
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§ 2 Satz 1 KSVG umschreibt drei Bereiche künstlerischer Tätigkeit jeweils in den Spielarten des Schaffens, Ausübens und Lehrens, nämlich die Musik, die bildende sowie die darstellende Kunst. Eine weitergehende Festlegung, was darunter im Einzelnen zu verstehen ist, ist im Hinblick auf die Vielfalt, Komplexität und Dynamik der Erscheinungsformen künstlerischer Betätigungsfelder nicht erfolgt. Der Gesetzgeber spricht im KSVG nur allgemein von „Künstlern“ und „künstlerischen Tätigkeiten“, auf eine materielle Definition des Kunstbegriffes wurde bewusst verzichtet (BT-Drucks. 8/3172 S. 21). Der Kunstbegriff ist deshalb aus dem Regelungswerk des KSVG unter Berücksichtigung der allgemeinen Verkehrsauffassung und der historischen Entwicklung zu erschließen (BSG SozR 4 - 5425 § 24 Nr. 6; zum Kunstbegriff des Art. 5 Grundgesetz auch BVerfGE 30, 173, 188 ff. und 81, 108, 116; zur Zielrichtung des KSVG vgl. BT-Drucks. 9/26, S. 18 und BT-Drucks. 8/3172, S. 19 ff.). Trotz seiner Unschärfe soll der Begriff der Kunst, welches sich aus den Materialien zum KSVG ergibt, auf jeden Fall solche künstlerischen Tätigkeiten umfassen, mit denen sich der „Bericht der Bundesregierung über die wirtschaftliche und soziale Lage der künstlerischen Berufe (Künstlerbericht)“ aus dem Jahre 1975 (BT-Drucks. 7/3071) beschäftigt (BSG SozR 3 - 5425 § 2 Nr. 9). Der vom Gesetzgeber anhand einer Typologie von Ausführungsformen vorgegebene Kunstbegriff ist in aller Regel dann erfüllt, wenn das zu beurteilende Werk den Gattungsanforderungen eines bestimmten Kunsttyps (z.B. Theater, Gemälde, Musik) entspricht. Bei diesen Kunstfeldern ist das soziale Schutzbedürfnis zu unterstellen, ohne dass es auf die Qualität der künstlerischen Tätigkeit ankommt oder eine bestimmte Werk- und Gestaltungshöhe vorausgesetzt wird.
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In dem inzwischen mehr als 30 Jahre alten Künstlerbericht wird der Beruf des Tanzdozenten für meditativen Tanz/Internationale Volkstänze nicht erwähnt (vgl. Brandmüller/Zacher/Thielpape, KSVG, Band 2, Stand: 01.01.2002, Anlage 3A/8 „Tätigkeitskatalog künstlerischer-publizistischer Tätigkeiten). Die Nichtverzeichnung im Künstlerbericht 1975 spricht jedoch nicht zwangsläufig gegen die Qualifizierung der Tätigkeit als künstlerisch, denn dies würde der Vielfalt und Dynamik in der Entwicklung künstlerischer und/oder publizistischer Berufstätigkeit widersprechen (vgl. auch die Gesetzesmaterialien zum KSVG, BT-Drucks. 8/3172, S. 21 und 9/26, S. 18). Im Bereich der darstellenden Kunst - die Bereiche Musik und bildende Kunst sind im vorliegenden Fall ersichtlich nicht betroffen - findet sich als Einordnungshilfe nur der Katalogberuf des „Ballett-Tänzers“ (BT-Drucks. 7/3071, S. 7).
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Der Kläger hat zwar vorgetragen, dass er drei Jahre im klassischen Ballett unterrichtet wurde und deswegen Ballettelemente in den meditativen Tanz einfließen lässt. Das allein führt jedoch nicht dazu, dass sein Unterricht der einer klassischen Ballettschule gleichgestellt werden muss. Denn Ballett ist klassischer Bühnentanz (vgl. auch BSG, Urteil vom 07.12.2006, B 3 KR 11/06, SGb 2007, 101), unterrichtet in einem teilweise geregelten schulischen Ausbildungsberuf zur Gestaltung, Reproduktion, Interpretation und Ausführung von klassischen Tanzrollen in Ballettinszenierungen. Ballet wird daher gattungsmäßig sowohl von dem Gesellschaftstanz (der höheren Gesellschaft) wie von dem vom Kläger vermittelten Volkstanz unterschieden (vgl. Brockhaus, Die Enzyklopädie, Bd. 23, Stichwort Volkstanz, S. 399).
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Dass der Kläger in untergeordnetem Umfang mit seiner Tanzgruppe F. auftritt (2004 5 Auftritte, 2005 9 Auftritte, 2006 8 Auftritte und 2007 bisher 4 Auftritte) und damit Tätigkeiten aus dem Bereich der Unterhaltungskunst entfaltet, begründet ebenfalls nicht seine Versicherungspflicht nach dem KSVG. Denn Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist nicht die Ausübung, sondern die Lehre des Meditationstanzes. Bei einem - wie hier - aus unterschiedlichen Tätigkeiten zusammengesetzten Berufsbild kann von einem künstlerischen Beruf aber nur dann ausgegangen werden, wenn die künstlerischen Elemente das Gesamtbild prägen, Kunst also den Schwerpunkt der Berufsausübung bildet (vgl. BSG SozR 4 - 5425 § 2 Nr. 7).
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Entscheidend ist daher, ob der schwerpunktmäßig als Tanzdozent tätige Kläger Kunst im Sinne des § 2 Satz 1 KSVG lehrt. Das kann nicht allein deswegen verneint werden, weil er nicht angehende Künstler für ihren Beruf ausbildet, sondern Laien unterrichtet, die in ihrer Freizeit am Unterricht teilnehmen und das Gelernte auch nur für Freizeitzwecke verwenden wollen (BSG SozR 3 - 5425 § 2 Nr. 1; SozR 3 - 5425 § 2 Nr. 2).
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Gegenstand der Lehrtätigkeit muss dann aber die Vermittlung praktischer oder theoretischer Kenntnisse sein, die sich auf die Fähigkeiten oder Fertigkeiten der Unterrichteten bei der Ausübung von Kunst auswirken (BSG SozR 3 - 5425 § 2 Nr. 7).
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Dies ist bei dem Kläger nicht der Fall, da sein Unterricht den von ihm vorgelegten Flyern zufolge der Selbstfindung über den Tanz (Meditation) sowie der Vermittlung von (insbesondere griechischen) Volks- oder Folkloretänzen dient.
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Bei der Lehre dieser Meditation des Tanzes/Internationaler Volkstänze sind zwar nach dem Vorbringen des Klägers auch durchaus eigenschöpferische Darbietungen wie das Tanzen nach eigenen Choreographien zu berücksichtigen. Ob sich danach der von ihm gelehrte Tanz als Kunst bewerten lässt, beurteilt sich wie bei anderen Abgrenzungsproblemen letztlich nach der Verkehrsauffassung (BSG SozR 3 - 5425 § 25 Nr. 12). Maßgebende Kriterien für die Zuordnung sind insbesondere die Existenz von Regeln und Wertmaßstäben aus dem Bereich des Sports, die Art der Veranstaltung, der Veranstaltungsort sowie die Zugehörigkeit des Akteurs zu einschlägigen Interessengruppen, Vereinigungen etc. (BSG, Urteil vom 07.12.2006, B 3 KR 11/06, SGb 2007, 101).
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Ausgehend davon kann der Tanz, der der Meditation dient bzw. internationale Volkstänze vermittelt, wie dem Kläger zuzugeben ist, nicht - wie der Tango Argentino - zum Bereich des Sports zählen. Hierfür fehlt es an der Organisation in Sportverbänden und der wettkampfmäßigen Aufführung.
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Soweit bei dem vom Kläger unterrichteten meditativen Tanz die Selbstfindung des Tänzers oder gar dessen (Eigen-)Therapie im Vordergrund des Tanzunterrichts steht, wird das künstlerische Element zurückgedrängt. Das ist nach allgemeiner Verkehrsanschauung so für die Bewusstseinserweiterung wie die Kunsttherapie im engeren Sinne (SG Berlin S 72 Kr 372/88 und S 72 Kr 632/88) anerkannt (vgl. Brandmüller/Zacher/Thielpape, a.a.O.).
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Auch für die Vermittlung von Volkstänzen, selbst wenn noch Raum für Variationsmöglichkeiten verbleibt, gilt nichts anderes. Denn hier fehlt es an dem für eine künstlerische Betätigung erforderlichen weiten Spielraum für individuelle, eigenschöpferische Ausgestaltung der Bewegungen. Es soll gerade das Brauchtum gepflegt, damit Traditionelles durch Verwendung vorgegebener Schrittfolgen überliefert werden, so dass es an einem wesentlichen Gestaltungsspielraum des Tänzers fehlt.
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Folklore bezeichnet qua definitionem überindividuelle. i.d.R. anonyme, formelhafte künstlerische Ausdrucksformen (relativ kleiner) regional begrenzter Gruppen wie Volkserzählung, Volkslied, Volksmusik, Volkstanz (vgl. Brockhaus, Die Enzyklopädie, Bd. 7, Stichwort Folklore, S. 456). Bereits die Verwendung des Begriffs formelhaft skizziert, dass es sich um festgelegten Tanz handelt. Volkstanz wird weiter in vier Gruppen unterschieden, nämlich die Brauchtumstänze, die Geschicklichkeitstänze, die Werbetänze und die Geselligkeitstänze, wobei zu den ältesten Formen die Reigen und Rundtänze zählen (vgl. Brockhaus, Die Enzyklopädie, Bd. 23, Stichwort Volkstanz, S. 399).
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Volkstänze wurden und werden zu traditionellen Volksfesten getanzt, kommen praktisch in allen Kulturen vor und bilden zusammen mit der Volksmusik eine untrennbare Einheit (vgl. zum folgenden Wikipedia-Auszug zu Volkstänzen). Im Gegensatz zu Standardtänzen sind Bewegungsabläufe nicht so strikt festgelegt, was nicht heißt, dass sie völlig formlos getanzt werden. Auch die zum Tanz getragene Tracht unterscheidet sich durch Schmuck, verwendete Stoffe, Kopfbedeckungen und Zierat oft deutlich von der Alltagskleidung, wie dies auch die von dem Kläger vorgelegten Kataloge griechischer Folkloretänze belegen. Mit der Verdrängung der originalen Volksmusik durch Popmusik und der kommerziellen Vereinheitlichung von Volksfesten sowie dem vereinfachten Zugang zu einem größeren Freizeitangebot werden Volkstänze weniger ausgeübt, sie werden oft nur noch in regionalen Gruppen (nicht nur Volkstanzgruppen) oder bei speziellen Tanzveranstaltungen sowie für die Touristen oder Brauchtumsveranstaltungen (wie z.B. im Falle des Klägers bei einem deutsch-türkischen Sommerfest) getanzt.
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Dass durch den griechischen Gemeinschaftstanz positive Gefühle freigesetzt werden und er sich damit in besonderer Weise für die Vermittlung eines positiven Lebensgefühls eignet, wird gerade dadurch vermittelt, dass dem Tanz eine einheitliche Bewegung, d.h. vorgegebene, zugrunde liegt, wie sich aus dem Anmeldungskatalog für Herbst/Winter 2004 ergibt.
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Im Vordergrund des (griechischen) Tanzes steht demnach nicht die Ausübung von Kunst, sondern die Bewahrung von Volksbräuchen.
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Nach alledem konnte daher das Urteil des SG keinen Bestand haben, weswegen auf die Berufung der Beklagten die Klage abzuweisen war.
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Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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