|
|
|
Wegen des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen. Neue Tatsachen haben die Parteien in 2. Instanz nicht vorgetragen.
|
|
|
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
|
|
|
I. Das Amtsgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt, der Klägerin das bezahlte Heimentgelt in Höhe der unstreitig ersparten Verpflegungsaufwendungen zurückzuerstatten. Denn die Klägerin kann dies als Erbin ihres Ehemannes aus §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 1922 Abs. 1 BGB in Verbindung mit §§ 552 Satz 2, 615 Satz 2 BGB a.F. verlangen.
|
|
|
1. Hinsichtlich der Auslegung des Heimvertrages teilt die Kammer die Auffassung der Beklagten, dass die Bestimmung in § 10 Ziff. 7 über die Reduzierung des Entgeltes in Fällen vorübergehender Abwesenheit eine abschließende Regelung darüber sein soll, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang das Entgelt sich ermäßigt. Sonstige, nach dem Gesetz an sich bestehende Ermäßigungsgründe sollen damit ausgeschlossen sein.
|
|
|
2. Jedenfalls soweit damit auch bei vollständiger Nichtinanspruchnahme eines ganzen Leistungssegments (hier: Verpflegung) für die ganze Dauer des Heimaufenthaltes eine Entgeltreduzierung ausgeschlossen ist, ist der Heimvertrag nach § 9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam.
|
|
|
a) Nach Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB sind auf den vorliegenden Fall die Regelungen des BGB und des AGBG in der Fassung vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes anzuwenden.
|
|
|
b) Dass es sich bei dem vorliegenden Heimvertrag um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, die der Klägerin (als Vertreterin ihres Ehemannes) seitens der Rechtsvorgängerin der Beklagten gestellt wurden, steht außer Zweifel und ist zwischen den Parteien auch nicht im Streit.
|
|
|
Auch der im Heimvertrag in Bezug genommene Rahmenvertrag (Anlage B 1), der in seinem § 23 Abs. 3 entsprechende Regelungen für den Fall vorübergehender Abwesenheit kennt, kann die Rechtsbeziehungen der Parteien nur insoweit bestimmen, als er durch Bezugnahme zum Inhalt des Heimvertrages gemacht wurde. Von daher unterläge auch die entsprechende Bestimmung des Rahmenvertrages der Kontrolle nach dem AGB-Gesetz (vgl. BGHZ 149, 146 [unter II.2.b) der Entscheidungsgründe]).
|
|
|
c) Bei dem vorliegenden Heimvertrag handelt es sich um einen gemischten Vertrag, der sich aus Elementen des Mietvertrags, des Dienstvertrages und des Kaufvertrags zusammensetzt mit einem Schwergewicht im dienstvertraglichen Bereich. Soweit die Bestimmungen des Heimgesetzes eine aufgeworfene Frage nicht konkret regeln (der Gesetzgeber hat auf eine umfassende und abschließende Regelung des Heimvertrages verzichtet), sind Heimverträge an den einschlägigen zivilrechtlichen Normen zu messen (BGHZ 148, 233 [unter 1.a) der Entscheidungsgründe]).
|
|
|
Zu diesen allgemeinen zivilrechtlichen Normen gehören die §§ 552, 615 BGB a.F. Danach bleibt der Anspruch des Vermieters bzw. Dienstverpflichteten auf Zahlung des vereinbarten Entgelts davon unberührt, dass der Mieter die Mietsache nicht nutzt oder der Dienstberechtigte die angebotenen Leistungen nicht entgegennimmt. Der Vermieter bzw. Dienstverpflichtete hat sich jedoch den Wert ersparter Aufwendungen anrechnen zu lassen (§§ 552 Satz 2, 615 Satz 2 BGB a.F.).
|
|
|
d) Dass der Heimvertrag abgesehen von den in § 10 Ziff. 7 geregelten Fällen eine Anrechnung ersparter Aufwendungen schlechthin ausschließt, ist mit dem dargestellten Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren und bewirkt eine unangemessene Benachteiligung des Heiminsassen.
|
|
|
Die Kammer verkennt das legitime Interesse der Heimträger an einer Pauschalierung der Entgelte keineswegs. Ohne eine recht weitgehende Standardisierung ließe sich ein Massengeschäft, wie es das Heimwesen mittlerweile darstellt, wirtschaftlich nicht bewältigen. Allerdings ist bei der Vertragsgestaltung darauf zu achten, dass - soweit dies den Heimträgern in praktikabler Form möglich ist - für diejenigen Fälle Ausnahmeregelungen vorgesehen werden, bei denen ein striktes Festhalten an der Pauschalierung dem Heiminsassen auch unter Berücksichtigung der Interessen des Heimträgers nicht mehr zugemutet werden kann. Insbesondere die Frage vorübergehender Abwesenheit ist vor diesem Hintergrund auch in der Rechtsprechung bereits erörtert worden (vgl. BGHZ 148, 233 und OLG Nürnberg, NJW-RR 1998, 780).
|
|
|
Der Bundesgerichtshof hat in der zitierten Entscheidung (BGHZ 148, 233) die Frage, ob eine Unangemessenheit des zu zahlenden Gesamtentgelts sich auch daraus ergeben könne, dass nach dem Vertrag geschuldete Leistungsbestandteile auf Dauer nicht erbracht werden, ausdrücklich offen gelassen. Die in dieser Entscheidung in einem Nebensatz geäußerte Annahme, dass eine solche Fallgestaltung speziell zur Verpflegung kaum vorstellbar sei, ist angesichts des vorliegenden Falles nicht aufrecht zu erhalten. Die Situation des Ehemannes der Klägerin zeichnete sich eben gerade dadurch aus, dass von vornherein klar war, dass das gesamte Leistungssegment "Verpflegung" auf Dauer nicht zu erbringen sein würde.
|
|
|
Es ist den Heimträgern ohne weiteres zuzumuten, für solche Fälle eine Entgeltreduzierung in ihren Vertragsformularen vorzusehen. Wie eine solche Regelung, die um eine angemessene Berücksichtigung der Interessen der Heiminsassen bemüht wäre, im Einzelnen auszusehen hätte (es erscheinen durchaus Regelungstechniken denkbar wie etwa die Kombination aus Generalklausel und Beispielsfällen), bedarf hier keiner generellen Entscheidung. Jedenfalls in einem Fall wie demjenigen des Ehemannes der Klägerin liegt es für die Kammer auf der Hand, dass eine Entgeltreduzierung nicht ausgeschlossen sein darf.
|
|
|
3. Die Folge der Unwirksamkeit der vertraglichen Regelung ist nach § 6 Abs. 2 AGBG der Rückgriff auf die gesetzlichen Regelungen, hier also die §§ 552 Satz 2, 615 Satz 2 BGB a.F. Aufgrund dieser Regelungen ermäßigte sich das vom Ehemann der Klägerin zu zahlende Entgelt um die ersparten Aufwendungen für Verpflegung, so dass die Beklagte durch die gleichwohl uneingeschränkt erfolgte Zahlung in entsprechender Höhe ungerechtfertigt bereichert wurde.
|
|
|
4. Zum selben Ergebnis käme man im Übrigen auch dann, wenn man der Auslegung folgen wollte, die die Klägerin hinsichtlich des Heimvertrages befürwortet. Wenn § 10 Ziff. 7 des Heimvertrages lediglich einen bestimmten Fall der Entgeltreduzierung regeln möchte, andere Fälle aber damit nicht geregelt sein sollen, dann liegt von vornherein der Rückgriff auf die zitierten allgemeinen zivilrechtlichen Normen nahe.
|
|
|
Auch dann wäre freilich im Rahmen der Vertragsauslegung die Abwägung der beiderseitigen Interessen (die nach der hier vertretenen Auffassung bei der Prüfung des § 9 AGBG zu erfolgen hat) zu beachten: Die Pauschalierung der Entgelte wäre zumindest teilweise auch als Ausschluss der Entgeltreduzierung aus §§ 552 Satz 2, 615 Satz 2 BGB a.F. zu verstehen, jedenfalls insoweit als die Ersparnis von Aufwendungen sich nach Dauer und Umfang der Nichtinanspruchnahme von Leistungen in einer solchen Größenordnung bewegt, dass im Interesse einer praktikablen Verwaltungshandhabung (und damit allgemeinen Kostenersparnis) dem Heimbewohner eine "Überzahlung" zugemutet werden kann, sich also noch nicht als gänzlich unangemessen darstellt.
|
|
|
|
|
III. Die Revision war nach § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO n.F. zuzulassen. Denn die Sache hat grundsätzliche Bedeutung. Die im vorliegenden Fall verwendeten Vertragsregelungen sind offenkundig massenhaft verbreitet (vgl. BGHZ 148, 233 [unter 1.c)aa) der Entscheidungsgründe]). Die hier aufgeworfene Rechtsfrage ist - wie dargestellt - bislang höchstrichterlich nicht entschieden.
|
|