Gericht

Landgericht Nürnberg-Fürth

Tenor

A HINWEISE

Die Kammer hatte nunmehr Gelegenheit die Angelegenheit abschließend zu beraten und hält folgende Hinweise für veranlasst:

1. Die Kammer erachtet die Voraussetzungen für einen Ausgleichsanspruch der Klägerin für gegeben.

Die Kammer hegt keine Zweifel, dass der Vertrag, der streitgegenständlich ist, vom Typus her einem Vertragshändlervertrag entspricht und hierauf das deutsche Recht Anwendung findet. Dies bedeutet, dass diejenigen Regularien gelten, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung für einen Ausgleichsanspruch eines Vertragshändlers nach deutschem Recht maßgeblich sind.

Die Beurteilung wird natürlich dadurch erschwert, dass insoweit nur richterrechtliche Regelungen im Sinne einer Analogie existieren.

Aufgrund der Beobachtungen der Kammer in den letzten Jahren lässt sich allerdings die Tendenz feststellen, dass nicht zuletzt durch die Entscheidung des BGH (siehe zuletzt Urteil vom 25.02.2016 - VII ZR 102/15) eine immer größere Annäherung des Ausgleichsanspruchs für Vertragshändler an denjenigen von Handelsvertretern und insbesondere eine faktische Überlagerung des Richterechts durch die, nur für Waren-Vertreter direkt geltende EU-Handelsvertreterrichtlinie Anwendung stattfindet.

Demzufolge ist für die Frage, ob ein Ausgleichsanspruch dem Grunde nach besteht nach Ansicht der Kammer einzig und allein im Sinne einer Analogie maßgeblich, ob die Beklagte einen Unternehmervorteil aus der Geschäftsbeziehung mit der Klägerin gezogen hat. Es soll über die gezahlten Provisionen hinaus ein Ausgleich dafür vom Unternehmer geschuldet sein, dass er aus den Geschäftsbeziehungen mit Kunden, die der Vertriebshändler beigebracht hat einen „Goodwill“ dh. eine begründete Gewinnerwartung hat - sehr instruktiv hierzu Szpunar, Schlussantrag vom 10.09.2015 - C-315/14.

Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme und der vorliegenden Urkunden ist der Subsumtionsschluss, dass hier ein Goodwill im Sinne eines materiellen Gewinnerwartungsanspruchs aus den greifbaren Kundendaten auszugleichen ist, zwingend.

Die Kammer kann sich der Ansicht der Beklagten nicht anschließen, dass die Aussagen zu diffus sein. Wenn diese beweiswürdigend (dies wird ausführlich im Urteil zu geschehen haben) abgeschichtet werden, bleibt als Restbestand wohl bestehen, dass die Beklagte die entsprechenden Kunden der Klägerin mit Name und Anschrift griffbereit auf dem Rechner hatte und über diese Daten frei verfügen konnte.

Dass diese dann möglicherweise nicht verwendet werden konnten, weil die Produkte nicht mehr eigenständig vertrieben wurden, dies aber möglicherweise als geldwerter Vorteil bei der Übernahme des Sortiments durch eine Drittfirma eingeflossen ist, hindert ein Ausgleichsanspruch prinzipiell nicht.

Nach alldem kommt nach der, von der Kammer vertretenen Rechtsansicht unter Würdigung der tatsächlichen Aspekte aus der Beweisaufnahme ein Ausgleichsanspruch der Klägerin dem Grunde nach in Betracht.

2. Der Kammer ist Entscheidung BGH, Urteil vom 29. Mai 1967 - VII ZR 297/64 bekannt. Nach dieser Entscheidung, die nach wie vor bei den Instanzgerichten Anwendung findet, wäre ein Grundurteil über die Frage, ob dem Kläger einen Ausgleichsanspruch als Vertragshändler zusteht, wohl möglich, weil aufgrund der bisherigen Feststellungen der Schluss naheliegt, dass erhebliche Vorteile im Sinn von § 89 b Abs. 1 Nummer 1 HGB (analog) anzunehmen sind und auch, dass die Zahlung eines Ausgleichs im Rahmen der abschließend gebotenen Gesamtwürdigung der Billigkeit entsprechen würde - § 89 b Abs. 1 Nummer 3 HGB - analog.

Dennoch meint die Kammer, dass durch die nachfolgend anberaumte - einfach strukturierte - Beweisaufnahme der, Rechtsstreit zeitnah abgeschlossen werden kann und die Entscheidung dann im Instanzenzug zur Überprüfung gestellt werden kann bzw. wird. Dem Kläger und auch der Beklagten ist demzufolge damit eher gedient, wenn der Fall auch betragsmäßig in der 1. Instanz abgeschlossen wird.

B BEWEISBESCHLUSS

1. Es ist Beweis zu erheben über die Behauptungen des Klägers, dass die in Anlage K4 aufgelisteten Umsätze (seit 2005 entstandene Gewinne und Umsätze) den Tatsachen entsprechen durch

Parteivernehmung des Geschäftsführers der Klägerin ... (Beweisantritt im Schriftsatz KV vom 1.12.2015)

Diese Beweisaufnahme bedarf es, weil die Beklagte das Zahlenwerk wohl prozessual zulässig mit Nichtwissen bestreitet (die Zahlen sollen ihr nicht zugänglich gewesen sein bzw. zugänglich sein).

Demzufolge war durch Beweiserhebung die Richtigkeit der, unzweifelhaft die Anspruchshöhe tangierenden Parameter zu erforschen. Nachdem kein anderes Beweismittel zur Verfügung steht, kommt hier die Parteivernehmung von Amts wegen gem. § 448 ZPO in Betracht, nachdem aufgrund der detaillierten Auflistung eine Anfangswahrscheinlichkeit dafür besteht, dass durch die Beweisaufnahme die Tatsachen für die Klägerin bewiesen werden können.

2. Es wird um Stellungnahme gebeten, welcher Termin für die Beweisaufnahme realisierbar ist. KV wird gebeten, dies auch mit Herrn Antonios Delendas abzuklären.

Zur Auswahl stehen - Beginn der Sitzung jeweils um 10.30 Uhr:

  • 31.1.19

  • 12.2.19

  • 12.3.19

  • 22.3.19

  • 29.3.19

  • 24.5.19

Es wird bis 17.12.18 um Stellungnahme gebeten, welcher Termin realisierbar ist. Geht innerhalb der Frist keine Mitteilung ein, so wird davon ausgegangen, dass alle Termine passen.

Die Kammer wird am 18.12.18 den Termin bestimmen-somit können dann gesperrte Termine sodann freigegeben werden. Ein Dolmetscher für Griechisch wird zu laden sein - es wäre wünschenswert, wenn Kläger bereits vor dem 17.12.18 den erforderlichen Vorschuss von 300 EUR einbezahlt.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 448 Vernehmung von Amts wegen


Auch ohne Antrag einer Partei und ohne Rücksicht auf die Beweislast kann das Gericht, wenn das Ergebnis der Verhandlungen und einer etwaigen Beweisaufnahme nicht ausreicht, um seine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer zu erweisenden Ta

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Bundesgerichtshof Urteil, 25. Feb. 2016 - VII ZR 102/15

bei uns veröffentlicht am 25.02.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VII ZR 102/15 Verkündet am: 25. Februar 2016 Boppel, Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BG

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 102/15 Verkündet am:
25. Februar 2016
Boppel,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ist deutsches Recht als Vertragsstatut eines Vertragshändlervertrags berufen,
sind die Analogievoraussetzungen erfüllt, unter denen § 89b HGB nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar
2015 - VII ZR 315/13, ZVertriebsR 2015, 122 Rn. 11) auf Vertragshändler entsprechend
anzuwenden ist und hat der Vertragshändler seine Tätigkeit für den
Hersteller oder Lieferanten nach dem Vertrag in einem anderen (ausländischen)
Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen (ausländischen)
Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum auszuüben
, kann der Ausgleichsanspruch entsprechend § 89b HGB nicht im Voraus
ausgeschlossen werden.
BGH, Urteil vom 25. Februar 2016 - VII ZR 102/15 - OLG Stuttgart
LG Ulm
ECLI:DE:BGH:2016:250216UVIIZR102.15.0

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. Februar 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Eick, die Richter Halfmeier und Dr. Kartzke und die Richterinnen Graßnack und Wimmer
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 30. April 2015 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin hinsichtlich der Klage auf Zahlung von Ausgleich entsprechend § 89b HGB nebst Zinsen zurückgewiesen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin, eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in Schweden, verlangt, soweit für die Revisionsinstanz von Interesse, von der Beklagten, einer Kapitalgesellschaft mit Sitz im Inland, nach Beendigung eines Vertragshändlervertrags Ausgleich entsprechend § 89b HGB.
2
Die Beklagte stellt Geräte für die Elektroindustrie her.
3
Im Jahr 2001 gründete die Beklagte die Klägerin als Tochtergesellschaft in Schweden. Aufgrund Aktienkaufvertrags vom 16. Dezember 2010 übernahm der heutige Geschäftsführer der Klägerin sämtliche Aktien der Klägerin von der Beklagten zu einem Kaufpreis von 1 €.
4
Die Parteien schlossen sodann am 21. Oktober/4. November 2011 einen als Handelsvertretervertrag bezeichneten Vertrag, der von den Parteien aber als Vertragshändlervertrag durchgeführt wurde.
5
Das Tätigkeitsgebiet der Beklagten erstreckte sich gemäß Nr. 4.1 des Vertrags auf die Länder Schweden, Norwegen, Finnland, Litauen, Estland und Lettland. Gemäß Nr. 6.4 des Vertrags sollte keine der Vertragsparteien berechtigt sein, ab der Beendigung des Vertrags Entschädigungen oder Vergütungen geltend zu machen. Gemäß Nr. 7.3 wurde der Vertrag deutschem Recht unterstellt.
6
Die Beklagte kündigte den Vertrag mit Wirkung zum 28. Februar 2013. Mit Anwaltsschreiben vom 11. September 2013 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Ausgleich geltend, den die Beklagte in Abrede stellte.
7
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung von Ausgleich entsprechend § 89b HGB weiter.

Entscheidungsgründe:

8
Die zulässige Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des Berufungsurteils , soweit die Berufung der Klägerin hinsichtlich der Klage auf Zahlung von Ausgleich entsprechend § 89b HGB nebst Zinsen zurückgewiesen worden ist, und im Umfang der Aufhebung zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

9
Das Berufungsgericht hat, soweit für die Revisionsinstanz von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
10
Die Parteien hätten einen der Klägerin möglicherweise zustehenden Ausgleichsanspruch im Vertrag vom 21. Oktober/4. November 2011 wirksam ausgeschlossen. Auf diesen Vertrag sei aufgrund wirksamer Rechtswahl deutsches Recht anzuwenden.
11
Grundsätzlich stehe einem - in Deutschland tätigen - Vertragshändler entsprechend § 89b HGB ein Ausgleich zu, wenn dieser so in die Absatzorganisation eines Unternehmers eingegliedert sei, dass er wirtschaftlich in erheblichem Umfang ähnliche Aufgaben wie ein Handelsvertreter zu erfüllen habe, und wenn er ferner verpflichtet sei, dem Unternehmer während oder bei Beendigung des Vertrags seinen Kundenstamm zu übertragen, so dass jener sich die daraus ergebenden Vorteile sofort und ohne Weiteres nutzbar machen könne. Dass diese Voraussetzungen in der Sache hier erfüllt seien, habe das Landgericht zutreffend angenommen.
12
Das Landgericht habe ferner richtig erkannt, dass die Ausschlussregelung in Nr. 6.4 des Vertrags gerade auch den Vertragshändlerausgleichsanspruch erfasse.
13
Der Ausschluss des Ausgleichsanspruchs sei auch wirksam, weil die Klägerin ihre Tätigkeit nicht im Inland ausgeübt habe. Eine analoge Anwendung von § 89b Abs. 4 Satz 1 HGB komme insoweit nicht in Betracht.
14
Auch die Vorschrift des § 92c Abs. 1 HGB sei nicht analog auf Vertragshändler anzuwenden. Eine analoge Anwendung ergebe sich zunächst nicht aus der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter (ABl. EG Nr. L 382 vom 31. Dezember 1986, S. 17 ff., im Folgenden : Richtlinie 86/653/EWG). Diese Richtlinie diene allein dem Schutz der Warenvertreter, gelte jedoch nicht - auch nicht analog - für Vertragshändler. Eine analoge Anwendung des § 92c Abs. 1 HGB scheide aus, da die zu regelnden Sachverhalte nicht vergleichbar seien. Anders als das Recht der Handelsvertreter sei das Recht der Vertragshändler in Europa derzeit nicht einheitlich geregelt. Für Vertragshändler seien bis heute keine der Richtlinie 86/653/EWG entsprechenden Schutznormen der Europäischen Union erlassen worden; vielmehr gälten insoweit jeweils nur einzelstaatliche und teils sehr unterschiedliche Regelungen, insbesondere auch mit Blick auf etwaige Ausgleichsansprüche nach Vertragsbeendigung.
15
Zur Frage der Wirksamkeit des Ausschlusses des Ausgleichsanspruchs in einem Vertragshändlervertrag mit einem außerhalb von Deutschland, aber innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums tätigen Vertragshändler gebe es bislang - soweit ersichtlich - keine einschlägige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
16
Nach alledem bestehe unter den gegebenen Umständen kein wesentlicher Grund, bei Vertragshändlerverträgen das ohnehin nur entsprechend anwendbare Handelsvertreterrecht einer richtlinienkonformen Auslegung zu unterwerfen.

II.

17
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die Abweisung der Klage auf Ausgleich entsprechend § 89b HGB nicht gerechtfertigt werden.
18
1. Soweit das Berufungsgericht deutsches Recht als Vertragsstatut kraft wirksamer Rechtswahl der Parteien für anwendbar erachtet hat, wird dies von den Parteien hingenommen. Revisionsrechtlich beachtliche Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.
19
2. Soweit das Berufungsgericht des Weiteren angenommen hat, bei der Klägerin seien - von der Problematik des vertraglichen Tätigkeitsgebiets abgesehen - die Analogievoraussetzungen erfüllt, unter denen § 89b HGB nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 2015 - VII ZR 315/13, ZVertriebsR 2015, 122 Rn. 11; Urteil vom 6. Oktober 2010 - VIII ZR 210/07, NJW-RR 2011, 389 Rn. 18; Urteil vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 25/08, NJW-RR 2010, 1263 Rn. 15 m.w.N.) auf Vertragshändler entsprechend anzuwenden ist, wird hiergegen von den Parteien nichts erinnert. Revisionsrechtlich beachtliche Rechtsfehler sind auch insoweit nicht ersichtlich.
20
3. Entsprechendes gilt, soweit das Berufungsgericht der Vertragsklausel Nr. 6.4 einen Ausschluss von Ansprüchen auf Vertragshändlerausgleich entnommen hat.
21
4. Der rechtlichen Nachprüfung hält es indes nicht stand, dass das Berufungsgericht den vertraglichen Ausschluss des Anspruchs auf Ausgleich entsprechend § 89b HGB für wirksam erachtet hat.
22
a) Nach § 89b Abs. 4 Satz 1 HGB kann der Anspruch des Handelsvertreters auf Ausgleich im Voraus nicht ausgeschlossen werden. Liegen die Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung des § 89b HGB auf das Vertragsverhältnis eines Vertragshändlers vor, so ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch § 89b Abs. 4 Satz 1 HGB entsprechend anzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 6. Februar 1985 - I ZR175/82, NJW 1985, 3076, 3077, juris Rn. 21; Urteil vom 12. Dezember 1985 - I ZR 62/83, NJW-RR 1986, 661, 662, juris Rn. 9; Urteil vom 6. Oktober 1999 - VIII ZR 125/98, BGHZ 142, 358, 368, juris Rn. 35; im Ergebnis ebenso BGH, Beschluss vom 17. November 1999 - VIII ZR 315/98, juris Rn. 1, 3, zum Ausgleichsanspruch einer in England ansässigen Vertragshändlerin).
23
b) Ob die Parteien eines Vertragshändlervertrags, bei dem deutsches Recht als Vertragsstatut berufen ist, den Anspruch des Vertragshändlers auf Ausgleich entsprechend § 89b HGB im Voraus durch Vereinbarung ausschließen können, wenn der Vertragshändler seine Tätigkeit für den Hersteller oder Lieferanten nach dem Vertrag in einem anderen (ausländischen) Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen (ausländischen) Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum auszuüben hat, ist umstritten.
24
aa) Nach einer Auffassung können die Vertragsparteien eines deutschem Recht unterliegenden Vertragshändlervertrags den Anspruch des Vertragshändlers auf Ausgleich entsprechend § 89b HGB nicht nur - entsprechend der in Bezug auf Handelsvertreter statuierten territorialen Differenzierung in § 92c Abs. 1 HGB - dann durch Vereinbarung im Voraus ausschließen, wenn der Vertragshändler seine Tätigkeit für den Hersteller oder Lieferanten nach dem Vertrag nicht innerhalb des Gebietes der Europäischen Union oder der anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum auszuüben hat, sondern auch dann, wenn der Vertragshändler seine Tätigkeit nach dem Vertrag in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum auszuüben hat (vgl. Thume in Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Vertriebsrechts, Band 3, 4. Aufl., Teil II, 2. Kap. Rn. 70 f.; Wauschkuhn in Schultze/Wauschkuhn/Spenner/Dau/Kübler, Der Vertragshändlervertrag , 5. Aufl. Rn. 995; Häuslschmid in Martiny/Reithmann, Internationales Vertragsrecht, 8. Aufl. Rn. 6.1541; van der Moolen in Martinek/Semler/ Habermeier/Flohr, Handbuch des Vertriebsrechts, 3. Aufl., § 24 Rn. 65; Hagemeister, RIW 2006, 498, 502). Diese Abweichung von der in Bezug auf Handelsvertreter statuierten territorialen Differenzierung in § 92c Abs. 1 HGB wird vor allem damit begründet, dass es beim Vertragshändlerrecht - im Gegensatz zu dem nach Maßgabe der Richtlinie 86/653/EWG harmonisierten Handelsvertreterrecht - an einer Harmonisierung auf europäischer Ebene fehle.
25
bb) Nach einer anderen Auffassung gilt hingegen das Ausschlussverbot entsprechend § 89b Abs. 4 Satz 1 HGB bei einem deutschen Recht unterliegenden Vertragshändlervertrag auch dann, wenn der Vertragshändler seine Tätigkeit für den Hersteller oder Lieferanten nach dem Vertrag in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum auszuüben hat (vgl.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 28. Februar 2007 - VI-U (Kart) 22/06, juris Rn. 54; Emde, Vertriebsrecht, 3. Aufl., § 92c Rn. 13; Heinicke, ZVertriebsR 2013, 275, 279 f.; Hermes, RIW 1999, 81, 86; Koller/Kindler/Roth/Morck/Roth, HGB, 8. Aufl., § 92c Rn. 4). Zur Begründung wird vor allem der Gesichtspunkt der ausgleichsrechtlichen Gleichbehandlung von Handelsvertretern und Vertragshändlern angeführt.
26
c) Die letztgenannte Auffassung ist zutreffend.
27
aa) Ein Wille des Gesetzgebers dahingehend, dass dieser anlässlich der Neufassung von § 92c Abs. 1 HGB im Jahr 1989 (BGBl. I S. 1910, 1911) den bis dahin bestehenden Gleichlauf bei der rechtlichen Beurteilung der Ausgleichsansprüche von Handelsvertretern und Vertragshändlern durchbrechen wollte, ist nicht feststellbar. Für die abermalige Änderung von § 92c Abs. 1 HGB im Jahr 1993 (BGBl. I S. 512, 530) gilt Entsprechendes.
28
Nach der ursprünglichen Fassung von § 92c Abs. 1 HGB (BGBl. 1953 I S. 771, 775) konnte hinsichtlich aller Vorschriften des Siebenten Abschnitts des Ersten Buches des Handelsgesetzbuchs (§§ 84 bis 92b HGB) etwas anderes vereinbart werden, wenn der Handelsvertreter keine Niederlassung im Inland hatte. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu, dass die Vertragsparteien, sofern ein Handelsvertreter im Ausland tätig sei, in der Lage sein sollten, das Vertragsverhältnis den jeweiligen örtlichen Bedürfnissen anzupassen, die unter Umständen von den inländischen erheblich abwichen (vgl. BT-Drucks. 1/3856, S. 18).
29
Gemäß der Neufassung von § 92c Abs. 1 HGB aufgrund des Gesetzes vom 23. Oktober 1989 (BGBl. I S. 1910, 1911) zur Durchführung der Richtlinie 86/653/EWG kann hinsichtlich aller Vorschriften des Siebenten Abschnitts des Ersten Buches des Handelsgesetzbuchs (§§ 84 bis 92b HGB) etwas anderes vereinbart werden, wenn der Handelsvertreter seine Tätigkeit für den Unternehmer nach dem Vertrag nicht innerhalb des Gebietes der Europäischen Gemeinschaft auszuüben hat. Damit sollte den Erfordernissen der Richtlinie 86/653/EWG Rechnung getragen werden (vgl. BT-Drucks. 11/3077, S. 10; BT-Drucks. 11/4559, S. 10).
30
Zwar beschränkt sich der Anwendungsbereich der Richtlinie 86/653/EWG auf Handelsvertreterverhältnisse (Warenvertreterverhältnisse); die Richtlinie ist auf Vertragshändlerverhältnisse nicht - auch nicht entsprechend - anwendbar (vgl. EuGH, Slg. 2004, I-1575 Rn. 15 ff. - Mavrona). Daraus folgt aber nicht, dass sich der deutsche Gesetzgeber bei der Änderung von § 92c Abs. 1 HGB im Jahr 1989 auf eine Regelung speziell der Handelsvertreterverhältnisse beschränken wollte. Nachdem zu jener Zeit die durch das Urteil vom 11. Dezember 1958 - II ZR 73/57 (BGHZ 29, 83) begründete Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur entsprechenden Anwendbarkeit des Handelsvertreterrechts auf Vertragshändlerverhältnisse bereits seit mehr als dreißig Jahren bestand, hätte es vielmehr nahegelegen und wäre zu erwarten gewesen, dass die Vertragshändler ausdrücklich von der in § 92c Abs. 1 HGB (BGBl. I 1989 S. 1910, 1911) in Bezug auf Handelsvertreter statuierten territorialen Differenzierung ausgenommen werden, wenn es der Wille des Gesetzgebers gewesen wäre, den bis dahin bestehenden Gleichlauf bei der rechtlichen Beurteilung der Ausgleichsansprüche von Handelsvertretern und Vertragshändlern zu durchbrechen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 1997 - VIII ZR 235/96, NJW 1998, 1860, 1861, juris Rn. 28, zur entsprechenden Argumentation bei der Anwendbarkeit der Übergangsregelung in Art. 29 EGHGB [BGBl. I 1989 S. 1910, 1912] auf Vertragshändler; Hermes, RIW 1999, 81, 86).
31
Entsprechendes gilt für die abermalige Änderung von § 92c Abs. 1 HGB im Jahr 1993 durch das Gesetz vom 27. April 1993 zur Ausführung des Ab- kommens vom 2. Mai 1992 über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWRAusführungsgesetz , BGBl. I 1993 S. 512, 530), bei der lediglich nach den Wörtern "Gebietes der Europäischen Gemeinschaft" die Wörter "oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum" eingefügt wurden. Mit dieser Änderung sollte den Anpassungsverpflichtungen hinsichtlich der Richtlinie 86/653/EWG aus dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum gegenüber dessen Vertragsstaaten Rechnung getragen werden (vgl. BT-Drucks. 12/3319, S. 64; BT-Drucks. 12/3752, S. 65).
32
bb) Hinzu kommt, dass sich der Gesetzgeber bei der Neufassung von § 92c Abs. 1 HGB im Jahr 1989 durch das Gesetz vom 23. Oktober 1989 (BGBl. I S. 1910, 1911) zur Durchführung der Richtlinie 86/653/EWG nicht auf eine strikte Umsetzung dieser - lediglich auf Warenvertreterverhältnisse anwendbaren - Richtlinie beschränkt hat, sondern darüber hinaus gegangen ist, indem er bei der territorialen Differenzierung in § 92c Abs. 1 HGB Warenvertreter und sonstige Handelsvertreter (z.B. Versicherungsvertreter, § 92 Abs. 2 HGB, Bausparkassenvertreter, § 92 Abs. 5 HGB, und Dienstleistungsvertreter) gleich behandelt hat (vgl. Emde, Vertriebsrecht, 3. Aufl., § 92c Rn. 13).
33
cc) Außerdem ist, wenn deutsches Recht als Vertragsstatut eines Vertragshändlervertrags berufen ist, auch - unbeschadet der fehlenden Harmonisierung des Vertragshändlerrechts auf europäischer Ebene - kein durchgreifender Grund erkennbar, den Vertragshändler, der seine Tätigkeit für den Hersteller oder Lieferanten nach dem Vertrag in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum auszuüben hat, bezüglich der Unabdingbarkeit des zukünftigen Ausgleichsanspruchs (§ 89b Abs. 4 Satz 1 HGB entsprechend ) anders zu behandeln als den Vertragshändler, der seine Tätigkeit für den Hersteller oder Lieferanten nach dem Vertrag im Inland auszuüben hat.
Soweit etwa die Unabdingbarkeit des zukünftigen Ausgleichsanspruchs entsprechend § 89b Abs. 4 Satz 1 HGB dem Schutz des Vertragshändlers vor der Gefahr dient, sich aufgrund seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit von dem Hersteller oder Lieferanten auf ihn benachteiligende Abreden einzulassen, besteht diese Gefahr für den Vertragshändler, der seine Tätigkeit für den Hersteller oder Lieferanten nach dem Vertrag in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum auszuüben hat, in nicht geringerem Maße als für den Vertragshändler, der seine Tätigkeit für den Hersteller oder Lieferanten nach dem Vertrag im Inland auszuüben hat (vgl. BGH, Urteil vom 6. Februar 1985 - I ZR 175/82, NJW 1985, 3076, 3077, juris Rn. 21; vgl. ferner BGH, Beschluss vom 17. November 1999 - VIII ZR 315/98, juris Rn. 3, zur gleichen Schutzwürdigkeit von ausländischen und inländischen Handelsvertretern im zeitlichen Anwendungsbereich von § 92c Abs. 1 HGB a.F. [BGBl. I 1953 S. 771, 775]).
34
5. Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV zur Auslegung von Art. 19 der Richtlinie 86/653/EWG ist mangels Entscheidungserheblichkeit nicht veranlasst. Denn die - auf Warenvertreterverhältnisse zugeschnittene - Richtlinie 86/653/EWG ist, wie bereits erörtert, auf Vertragshändler nicht - auch nicht entsprechend - anwendbar (vgl. EuGH, Slg. 2004, I-1575 Rn. 15 ff. - Mavrona). Die Frage, ob und in welchem Umfang Vorschriften des deutschen Handelsvertreterrechts auf Vertragshändler entsprechend anzuwenden sind, wenn deutsches Recht als Vertragsstatut eines Vertragshändlervertrags berufen ist, ist mangels Vereinheitlichung des Vertragshändlerrechts unionsrechtlich nicht präformiert, sondern vom deutschen Recht autonom zu beantworten.
35
Die von der Revisionserwiderung in der mündlichen Verhandlung aufgeworfene Problematik einer möglichen Ungleichbehandlung von schwedischen und deutschen Herstellern oder Lieferanten, die daraus resultiert, dass bei deutschem Recht unterliegenden Vertragshändlerverträgen der Ausgleichsanspruch nicht im Voraus ausgeschlossen werden kann, während das schwedische Recht einen zwingenden Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers möglicherweise nicht vorsieht, ist unionsrechtlich unbedenklich, woran kein vernünftiger Zweifel besteht. Denn ein derartiges Rechtsgefälle wird mangels Harmonisierung des Vertragshändlerrechts dadurch legitimiert, dass die Rom I-Verordnung eine Rechtswahl bei Vertragshändlerverträgen zulässt (vgl. EuGH, Slg. 1991, I-107 Rn. 15 - Alsthom).
36
6. Das Berufungsurteil kann nach alledem im angefochtenen Umfang nicht bestehen bleiben. Es ist, soweit die Berufung der Klägerin hinsichtlich der Klage auf Zahlung von Ausgleich entsprechend § 89b HGB nebst Zinsen zu- rückgewiesen worden ist, aufzuheben. Die Sache ist im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen , da der Senat mangels hinreichender Feststellungen nicht in der Sache selbst entscheiden kann.
Eick Halfmeier Kartzke Graßnack Wimmer
Vorinstanzen:
LG Ulm, Entscheidung vom 22.10.2014 - 10 O 16/14 KfH -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 30.04.2015 - 7 U 188/14 -

Auch ohne Antrag einer Partei und ohne Rücksicht auf die Beweislast kann das Gericht, wenn das Ergebnis der Verhandlungen und einer etwaigen Beweisaufnahme nicht ausreicht, um seine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer zu erweisenden Tatsache zu begründen, die Vernehmung einer Partei oder beider Parteien über die Tatsache anordnen.