Landgericht München II Endurteil, 28. Dez. 2018 - 13 O 4859/16

bei uns veröffentlicht am28.12.2018

Gericht

Landgericht München II

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt Schadensersatz aufgrund des Sturzes auf einer nicht gestreuten Straße im Bereich der beklagten Verwaltungsgemeinschaft.

Am 30. Dezember 2014 gegen 9:45 Uhr fuhr der Kläger von München nach Sch. - einer zur Beklagten gehörenden Gemeinde -, um in der dortigen B2.straße einen Friseurtermin um 11:00 Uhr wahrzunehmen. Jedenfalls in der Nacht zuvor hatte es stark geschneit. Am Fuß der ansteigenden B2.straße bemerkte der Kläger, dass er die Straße trotz aufgezogener Winterreifen aufgrund bestehender Glätte nicht hinauffahren konnte, stellte daher sein Auto ab und ging die Straße zu Fuß hinauf. Die B2.straße verfügt über keine Gehsteige, an den Fahrbahnrändern waren Schneeberge aufgeschoben, der Kläger ging daher in der Mitte der Straße. Die B2.straße war an dem Morgen nicht mit Rollsplit - dem üblichen Streumittel der Beklagten - bestreut worden.

Nach dem Friseurtermin ging der Kläger gegen 11:45 Uhr die B2.straße wieder hinab und stürzte hierbei. Zu diesem Zeitpunkt war die B2.straße von lockerem Schnee bedeckt.

Der Kläger behauptet, er habe feste Winterstiefel getragen, sei aber dennoch auf einer unter dem lockeren Schnee gelegenen Eisfläche ausgerutscht und mit dem Kopf auf der Fahrbahn aufgeschlagen. Auf der Straße habe bereits bei der Anfahrt eine „Schnee- und Eisdecke“ vorgelegen. Bei der Anfahrt gegen 10:40 Uhr, beim Hinaufgehen kurz darauf und beim Hinuntergehen habe die Sonne geschienen. Die Beklagte habe vor dem Sturz keinerlei Räummaßnahmen auf der B2.straße durchgeführt gehabt. Aufgrund der Ansässigkeit von Gewerbetreibenden in der B2.straße sei dort mit einem „erhöhten Verkehrsaufkommen“ zu rechnen.

Er habe bei dem Sturz nebst einer - mit einer Punktion behandelten - Kniekontusion samt Hämatom links und einer HWS-Distorsion eine Gehirnblutung erlitten, die zwar erst nach rezidivierenden Kopfschmerzen am 13. Februar 2015 festgestellt worden sei, aber auf dem Sturz beruhe. Diese Hirnblutung habe zu einem psychovegetativen Erschöpfungssyndrom geführt, insoweit handele es sich um einen Dauerschaden, der zu einem anerkannten Grad der Behinderung von 20 Prozent geführt habe. Zusammen mit einer bleibenden Bewegungseinschränkung im linken Knie sei ihm ein Grad der Behinderung von 30 Prozent attestiert worden.

Für die Behandlung der gesundheitlichen Schäden habe er bei seiner privaten Krankenversicherung einen Selbstbehalt von 2.600 € zahlen müssen. Weiter habe er sich wegen der nunmehr einmal pro Woche von ihm durchzuführenden Blutkontrolle ein Testgerät für 779 € anschaffen müssen (wovon die Krankenkasse die Hälfte übernommen habe) und für 15 Monate Teststreifen zum Preis von 20 € pro Monat.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte die Räum- und Streupflicht in der B2.straße innegehabt habe, da sich die Übertragung dieser Pflichten an die Anwohner in der Verordnung der Gemeinde Sch. vom 7. Januar 2003 nur auf die „Gehbahnen“ beziehe. Diese Pflicht habe die Beklagte vorliegend verletzt. Insbesondere seien die Fahrbahnen auch im Interesse des Fußgängerverkehrs zu räumen und zu streuen, wenn keine Gehbahnen vorhanden seien.

Der Kläger beantragt,

1) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe ausdrücklich in das Ermessen des erkennenden Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 10.000,00 € zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.07.2015 sowie weitere vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.029,35 € zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen,

2) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.289,50 € zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen,

3) festzustellen, dass die Beklagte dem Kläger sämtlichen weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu erstatten hat, der in kausalem Zusammenhang zu dem Sturz vom 30.12.2014 steht, sofern er nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergegangen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, es könne nicht sein, dass der Kläger auf einer Eisfläche ausgerutscht sei, wenn er außergerichtlich davon gesprochen habe, auf der Straße hätten 30 Zentimeter Schnee gelegen. Die B2.straße sei eine „untergeordnete Nebenstraße“. Eine Streuung von Rollsplit sei sinnlos gewesen, weil auch tagsüber am 30. Dezember 2014 ganztägig Dauerschneefall geherrscht habe.

Die Beklagte vertritt die Meinung, die Räum- und Streupflicht sei in der genannten Verordnung auf die Anlieger übertragen worden; sei eine Gehbahn nicht vorhanden, erstrecke sich die übertragene Pflicht auf eine Breite von einem Meter auf der Fahrbahn. Im Übrigen bestehe aber auch keine Räum- und Streupflicht auf der Fahrbahn zur Sicherung des Fußgängerverkehrs und auch sonst nur an gefährlichen Fahrbahnstellen. Auch bestehe aufgrund der fehlenden Wirkung keine Streupflicht bei Dauerschneefall.

Jedenfalls treffe den Kläger aber eine hälftige Mitschuld, weil er ausweislich seines Sturzes nicht die erforderliche Achtsamkeit angewandt habe, zumal er kurz zuvor beim Hinaufgehen die Verhältnisse in der Straße bereits bemerkt hatte.

Im Übrigen wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat in den mündlichen Verhandlungen vom 5. September 2017 wie auch nach dem Richterwechsel in der zweiten mündlichen Verhandlung vom 8. Mai 2018 den Kläger persönlich angehört und die von der Beklagten für Räumarbeiten herangezogenen Zeugen K2. und Pr. vernommen. Nach der ersten mündlichen Verhandlung hat das Gericht ein Sachverständigengutachten zu den Wetterverhältnissen am 30. Dezember 2014, nach der zweiten mündlichen Verhandlung ein Sachverständigengutachten betreffend die Wirkung von Rollsplit am Unfalltag eingeholt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, weil die Beklagte unter den zugrundezulegenden Wetterverhältnissen keine Streupflicht verletzt hat, hilfsweise weil den Kläger ein so überwiegendes Verschulden trifft, dass eine Haftung der Beklagten ausgeschlossen ist.

I.

Die Beklagte hat vorliegend zwar die Räum- und Streupflicht nicht auf die Anlieger übertragen, sie ist ihren Pflichten aber ausreichend nachgekommen, so dass der Kläger keinen Schadensersatzanspruch hat, insbesondere nicht aus § 823 Abs. 1 BGB. Es fehlt an einer rechtswidrigen Handlung bzw. Unterlassung der Beklagten.

1. Allerdings hatte die Beklagte zumindest zum Unfallzeitpunkt die Räum- und Streupflicht nicht auf die Anlieger der Grundstücke an der B2.straße übertragen.

Die als Anlage K2 vorgelegte Verordnung der Gemeinde Sch. vom 7. Januar 2003 ist in fünf verschiedene Abschnitte unterteilt: Allgemeine Vorschriften, Reinhaltung der öffentlichen Straßen, Reinigung der öffentlichen Straßen, Sicherung der Gehbahnen im Winter und Schlussbestimmungen. In der Verordnung wird - wie die §§ 6, 9 und 11 zeigen - zwischen dem Begriff der Fahrbahn und dem Begriff der Gehbahn unterschieden. Der Abschnitt „Sicherung der Gehbahnen im Winter“ bezieht sich daher nicht nur nach dem Wortlaut der Überschrift, sondern auch ausweislich der Systematik nur auf die Gehbahnen. In den §§ 9 und 11 ist dann genauer festgehalten, auf welchen Bereich sich die „Sicherungspflicht“ der Anlieger bezieht, nämlich laut § 9 auf die in § 11 definierte „Sicherungsfläche“. § 11 lautet: „Sicherungsfläche ist die vor dem Vorderliegergrundstück innerhalb der Reinigungsfläche liegende Gehbahn“. Der Begriff „Reinigungsfläche“ wird in § 6 definiert als der Teil der öffentlichen Straßen, der sich auf Höhe eines Grundstücks von der Grenze zwischen Grundstück und Straße ausgehend in einem Abstand von einem Meter parallel zum Fahrbahnrand befindet.

Wenn nun § 11 die Sicherungsfläche als die „innerhalb der Reinigungsfläche liegende Gehbahn“ definiert, bedeutet dies, dass eine innerhalb dieser Ein-Meter-Fläche liegende Gehbahn von den Anliegern zu räumen und zu streuen ist. Es heißt nicht - wie die Beklagte meint -, dass die Anlieger in Ermangelung einer Gehbahn einen Fahrbahnstreifen von einem Meter Breite zu räumen und zu streuen hätten. Für diese Auslegung gibt die Verordnung angesichts der klaren Unterscheidung zwischen Fahr- und Gehbahn und der Ermangelung jeglicher Regelung für den Fall des fehlenden Vorhandenseins einer Gehbahn nichts her.

2. Unter den zugrundeliegenden Wetterverhältnissen herrschte aber keine Streupflicht für die Beklagte. Es kann daher offen bleiben, ob die B2.straße von ihrer Verkehrsbedeutung her unter normalen Wetterumständen hätte gestreut werden müssen und ob dies in Ermangelung einer Gehbahn auch für den Fußgängerverkehr hätte geschehen müssen.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Streupflichtige keine Streuung durchführen muss, wenn dies aufgrund der Wetterbedingungen sinnlos ist, das gilt insbesondere auch bei Dauerschneefall (siehe BGH, Urteil vom 30.04.1974, III ZR 166/72, juris Rn 17; OLG Celle, Urteil vom 27.02.2004, 9 U 220/03, juris Rn 6, auch mit weiteren Nachweisen).

Im vorliegenden Fall herrschte ein solcher Dauerschneefall am 30. Dezember 2014, dass eine Streuung mit Rollsplit nach Auffassung des Gerichts sinnlos im Sinne dieser Rechtsprechung gewesen wäre.

a) Laut dem Gutachten des Deutschen Wetterdienstes vom 21. Dezember 2017, das sich für die Niederschlagsmengen auf die Wetterstation „Sch.“ bezieht, die ausweislich des Gutachtens sehr nahe am Unfallort liegt, schneite es am 30. Dezember 2014 ab 6:40 Uhr durchgängig bis 24 Uhr. So kamen zu der bestehenden Schneehöhe von 24 Zentimetern um 06:50 Uhr am Unfalltag (mit einer Neuschneehöhe von 16 Zentimetern) bis zum Morgen des 31. Dezember weitere 30 Zentimeter Neuschnee hinzu. Zwischen 6:40 Uhr und 12 Uhr fielen laut dem Gutachten „sehr wahrscheinlich“ vier bis fünf Zentimeter Neuschnee. Diese Daten befinden sich im Einklang mit den Angaben der Zeugen K2. und Pr., die bei der Gemeinde für die Räumung und Streuung der Gemeindestraßen verantwortlich zeichneten; sowohl der primär für diese Aufgaben zuständige Zeuge K2. als auch der von ihm angesichts des andauernden Schneefalls über Tage hinzugezogene Zeuge P. haben in den Verhandlungen vom 5. September 2017 und 8. Mai 2018 jeweils bekundet, dass es anhaltend geschneit habe, eine Streuung ihrer Meinung nach deshalb keinen Sinn ergeben hätte.

Wenn der Kläger angibt, dass es ab etwa 10:40 Uhr aufgeklart und aufgehört habe zu schneien - und dieser Zustand bis mindestens zum Sturz angedauert habe -, scheint diese Angabe angesichts der räumlichen Nähe der Wetterstation zur B2.straße im Widerspruch zu den Feststellungen des Gutachtens zu stehen. Selbst wenn man aber die Angaben des Klägers zugrunde legte - unter der Annahme, dass die Situation in der B2.straße nicht exakt dieselbe war wie an der Wetterstation Sch. -, ändert dies nach Auffassung des Gerichts nichts an der Einschlägigkeit der oben zitierten Rechtsprechung. Denn die Streupflicht besteht nur im Rahmen des Zumutbaren (siehe BGH, Urteil vom 30.04.1074, aaO; OLG Celle, Urteil vom 27.02.2004, aaO). Es kann der Beklagten aber nicht zugemutet werden, die Wettersituation in jeder Straße des Bereichs der Verwaltungsgemeinschaft stündlich zu beobachten, um dann, wenn der Schneefall in einer bestimmten Straße zu einer bestimmten Uhrzeit aussetzt, umgehend dort zu streuen. Dies gilt umso mehr, wenn - wie hier - unbestritten jedenfalls im weiteren Verlauf des Tages auch an der B2.straße wieder Schneefall einsetzte entsprechend den Feststellungen des Gutachtens des Deutschen Wetterdienstes. Denn dann hätte die Streuung allenfalls für ein kurzes Zeitintervall Wirkung erzeugen können. Vielmehr darf sich die Beklagte, wenn schon eine Wetterstation im Bereich der Gemeinde Sch. steht, auf die dort getroffenen Feststellungen verlassen.

b) Bei Zugrundelegung der Daten des Gutachtens des Deutschen Wetterdienstes kommt der dem Gericht als zuverlässiger Sachverständiger bekannte Dipl.-Ing. L. zu dem für das Gericht plausiblen Ergebnis, dass morgens gestreuter Rollsplit durch die Neuschneedecke vollständig verdeckt worden wäre und infolgedessen keinerlei Verzahnung zwischen der scharfkantigen Oberfläche eines Kieselsteins und der Schuhsohle des Klägers hätte stattfinden können. Eine Streuung wäre folglich sinnlos gewesen.

(1) In dem Zusammenhang ist zunächst anzuführen, dass die Beklagte die Streuung gemäß Art. 51 Abs. 1 S. 2, S. 3 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes (BayStrWG) auf eine Streuung mit Rollsplit beschränken durfte, da die B2.straße jedenfalls keine Straße ist, die man angesichts der in der zitierten Vorschrift geforderten Beschränkung des Einsatzes von Streusalz „auf das aus Gründen der Verkehrssicherheit notwendige Maß“ mit Salz hätte bestreuen müssen.

(2) Weiter ist festzuhalten, dass das Gericht davon überzeugt ist, dass der Zeuge Pr. in den Morgenstunden des 30. Dezember 2014 die B2.straße geräumt hat. Die Beklagte hat für den 30. Dezember 2014 als Anlage B1 einen „Räum-Streubericht“ vorgelegt. In diesem ist mit einer Unterschrift festgehalten, dass der Zeuge Pr. am Morgen des 30. Dezember 2014 zwischen 3:15 Uhr und 8 Uhr den „Räum-Streubezirk“ Sch. mit dem Fahrzeug mit dem Kennzeichen TÖL-D 665 geräumt habe. Der für den Räumdienst zuständige Zeuge K2. hat in der Verhandlung vom 5. September 2017 nachvollziehbar ausgeführt, dass er immer darauf geachtet habe, dass die B2.straße geräumt werde, weil sie „das einzig steile Stück vom Gemeindegebiet“ sei und damals noch die Allgemeinärztin dort ihre Praxis gehabt habe; der Friseur würde sich auch melden, wenn „es recht arg ist“, dann komme er, wobei er nicht mehr wisse, ob der Friseur am Morgen des 30. Dezember 2014 angerufen habe. Er hätte auch Anrufe vom Bürgermeister und von Anwohnern erhalten, wenn dort am Morgen des 30. Dezember 2014 nicht geräumt worden wäre, so der Zeuge in der Verhandlung vom 8. Mai 2018. Dass der Zeuge ursprünglich sich selbst auch als den die Räumung Durchführenden genannt und dann aber auf Vorlage der Anlage B1 angegeben hat, normalerweise fahre er in der Früh, er könne aber nicht ausschließen, dass der Zeuge Pr. an dem Morgen (auch) in der Früh gefahren sei, erscheint nach dem Ablauf von beinahe drei Jahren zwischen Unfall und Vernehmung ohne Weiteres nachvollziehbar. Im Übrigen hat der Zeuge Pr. bestätigt, dass die Unterschrift unter den Räum-Streubericht betreffend u.a. den Morgen des 30. Dezember 2014 die seinige sei. Er habe an dem Morgen den Räumdienst übernommen gehabt, weil der Zeuge K2. angesichts des andauernden Schneefalls nicht mehr nachgekommen sei. Letztlich sprechen auch die Angaben des Klägers für eine Räumung, wenn er angibt, an der Seite hätten sich Schneehaufen befunden und auf der Fahrbahn lockerer Schnee. Die von der Beklagten zitierte Angabe im außergerichtlichen Schreiben des Klägers vom 23. Juni 2015 (Anlage K7) von einer Schneehöhe von mindestens 30 Zentimetern bezieht sich schon nach dem Kontext des Schreibens, erst recht aber nach der nachvollziehbaren Erläuterung durch den Kläger, auf die Höhe der Schneehaufen am Straßenrand, nicht auf die Fahrbahn.

(3) Die Räumpflicht der Beklagten - und entsprechend die Einschätzung ihrer Mitarbeiter, ob auch gestreut werden muss - realisierte sich in den Morgenstunden, nicht etwa in einem näher am Sturzgeschehen liegenden Zeitpunkt am Vormittag. Der Zeitpunkt für die Ausführung der Räumpflicht richtet sich danach, wann der übliche Verkehr an der betreffenden Stelle einsetzt; im Falle dauernden Schneefalls mag es je nach den Umständen eine Pflicht zur Wiederholung im Laufe des Tages geben (siehe LG Bochum, Urteil vom 15.06.2004, 2 O 102/04, juris; Palandt, BGB, 77. Aufl., § 823 Rn 227). Vorliegend war angesichts dessen, dass es sich bei dem 30. Dezember 2014 um einen Dienstag handelte, eine Räumung vor der Abfahrt von Anliegern zur Arbeit angezeigt. Dem entspricht eine Räumung des Gemeindegebiets zwischen 3:15 Uhr und 8 Uhr. Der Zeuge Pr. konnte - aus Sicht des Gerichts angesichts des Zeitablaufs nachvollziehbar - nicht mehr angeben, um wieviel Uhr er die B2.straße geräumt hatte. Der Beklagten kann aber jedenfalls im hiesigen Kontext eine Räumung der B2.straße nach 7 Uhr nicht entgegenhalten werden (siehe OLG Koblenz, Beschluss vom 20.02.2008, 5 U 101/08, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.06.2000, 24 U 143/99, juris). Bei einer Neuschneemenge von vier bis fünf Zentimetern zwischen einer Räumung um 7 Uhr und dem Zeitpunkt des Sturzes nimmt das Gericht auch keine Pflicht zur Wiederholung einer Räumung und anschließenden Streuung an.

(a) In dem Zusammenhang ist zunächst festzuhalten, dass der Kläger angibt, auf einer unter der Neuschneedecke liegenden Eisfläche ausgerutscht zu sein, nicht auf Schneeglätte. Eine Wiederholung von Räumung und Streuung, die vor Schneeglätte geschützt hätte, hätte ihm nach seinen Angaben folglich nichts gebracht (zum Einsatz von Rollsplit gegen Eisglätte siehe sogleich unter c)).

Darüber hinaus ist aber auch anzumerken, dass die Beklagte keineswegs verpflichtet war, genau vor dem Kläger zu streuen. Hätte sie also beispielsweise um 7 Uhr und um 10 Uhr geräumt und gestreut, wäre ausweislich des Gutachtens des Deutschen Wetterdienstes (siehe dort Abbildung 3 und dazugehörige Erläuterung) nach den dann durch die Räumung abgetragenen etwa drei Zentimetern Neuschnee zwischen 10 Uhr und 11:45 Uhr wiederum Neuschnee in einer Menge von rund zwei Zentimetern auf den Rollsplitt gefallen. Angesichts einer Körnung von Rollsplit zwischen zwei und zehn Millimetern (siehe www...de) hätte dies das Sturzrisiko nach Überzeugung des Gerichts allenfalls minimiert. Wenn man diese Minimierung ausreichen ließe für eine Pflicht der Beklagten zur wiederholten Räumung und Streuung, würde dies dazu führen, dass die Beklagte nach einer ersten Räumung und Streuung um 7 Uhr im Laufe des Tages allein zwischen 10 Uhr und 20 Uhr - denn das Unfallrisiko war nach 11:45 Uhr jedenfalls bis um 20 Uhr genauso hoch wie vor 11:45 Uhr - noch vier Mal hätte räumen und streuen müssen. Das wäre mit dem bereits angeführten Grundsatz der Zumutbarkeit nicht zu vereinbaren.

(b) Wenn man stattdessen auf eine Pflicht zur Wiederholung der Räumung aus dem Grund abstellt, dass der Kläger bei einer geräumten Fahrbahn die von ihm vorgetragene Eisfläche hätte erkennen können, führt auch dies nicht zu einer Pflichtverletzung der Beklagten. Denn die Eisfläche wäre im Laufe des Vormittags auch bei wiederholten Räumungen mehrfach überschneit worden. Erneut ist daher in diesem Zusammenhang auf die Zumutbarkeit hinzuweisen. Danach war die Beklagte nicht verpflichtet, im Laufe des gesamten Tages beispielsweise nach jedem Zentimeter Neuschnee zu räumen, um eine Erkennbarkeit eventueller Eisflächen einigermaßen sicherzustellen. Dann hätte die Beklagte nach dem Gutachten des Deutschen Wetterdienstes alleine zwischen 7 Uhr und 20 Uhr etwa jede Stunde das gesamte Gebiet zumindest der Gemeinde Sch., vermutlich aber auch der Gemeinde Kochel am See, räumen müssen. Das wäre angesichts der beschränkten Ressourcen jeder Kommune nicht zumutbar.

Es reichte daher aus, wenn die Beklagte das Gemeindegebiet am Abend zwischen 18 Uhr und 22:15 Uhr mit zwei Fahrzeugen ein weiteres Mal räumte (siehe Anlage B1; OLG Koblenz, aaO, OLG Düsseldorf, aaO).

c) Der Sachverständige L. hat zwar auch ausgeführt, dass er es für „durchaus plausibel“ halte, dass Rollsplit den Sturz hätte verhindern können, wenn der Kläger auf einer unter dem Neuschnee liegenden Eisfläche ausgerutscht sei, nicht auf Schnee. Denn der Rollsplit hätte nach Meinung des Sachverständigen auf der Eisfläche zu einer Verzahnung mit der Schuhsohle des Klägers führen können. Das Gericht ist aber nicht im erforderlichen Maß davon überzeugt, dass der Kläger auf einer Eisfläche ausgerutscht ist.

Das Gericht geht davon aus, dass aufgrund der morgendlichen Räumung eine ebene Schneedecke auf der B2.straße vorhanden war. Dass es sich - wie der Kläger vortragen ließ - um eine „Schnee- und Eisdecke“ handelte, steht für das Gericht nicht zur Überzeugung fest. In der mündlichen Verhandlung vom 5. September 2017 - entsprechend in der Verhandlung vom 8. Mai 2018 - sprach der Kläger davon, er habe die Straße nicht herauf fahren können, weil sie so glatt gewesen sei; beim Heruntergehen habe er gesehen, dass die Straße in den Fahrspuren der die Straße hinab fahrenden Autos „spiegelglatt“ gewesen sei. Im Übrigen hat der Kläger weder betreffend das Hinaufgehen noch das Hinabgehen von sichtbaren eisigen Stellen gesprochen. Es ist für das Gericht daher unklar, wie er auf den Begriff „Schnee- und Eisdecke“ in der Klageschrift kommt. Vielmehr spricht die Beschreibung des Klägers für das - weithin bekannte - Szenario, dass die Fahrspuren aufgrund der Befahrung durch die Anlieger in den Morgenstunden vereist waren, was leicht dadurch passiert, dass der Schnee in den Fahrspuren durch die Reibungsenergie auftaut und dann wieder gefriert. Weshalb es aber abseits der Fahrspuren eine „Eisdecke“ gegeben haben sollte und woraus der Kläger dies schließt, ergibt sich weder aus seinen Ausführungen noch von selbst.

Auch eine ebene geräumte Schneedecke kann aber ohne Weiteres glatt sein, der Sachverständige spricht hier von einer „etwas glatteren Schneedecke“. Wenn der Sachverständige weiter angibt, „im Regelfall“ verbinde sich der Neuschnee mit dieser Schneedecke, er halte es deshalb für unwahrscheinlich, dass es „sehr glatt“ gewesen sei, ausschließen könne er das aber letztlich nicht, kann sich das Gericht hieraus keine ausreichende Überzeugung bilden, dass der Kläger nicht auf Schneeglätte ausgerutscht sein kann. Hierzu sind nach Auffassung des Gerichts schon zu wenige Informationen zur Schneebeschaffenheit und - wie auch der Sachverständige im Blick auf eine Fotodokumentation bemerkt - zu den örtlichen Verhältnissen zum Unfallzeitpunkt bekannt. Das Gericht hält es aber für nicht möglich, in Ermangelung dieser Informationen die bekannte Konstellation einer Schneeglätte auszuschließen. Dabei erscheint nach Auffassung des Gerichts ein Ausrutschen auf Schneeglätte auf einer abfallenden Fahrbahn - wie hier vorliegend - als noch eher möglich als schon auf einer ebenen Fahrbahn.

d) Selbst wenn man aber von einer unter dem Neuschnee liegenden Eisfläche ausginge, auf welcher der Kläger ausgerutscht ist, ergäbe sich hieraus kein Pflichtenverstoß der Beklagten.

Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine Streupflicht nur bei Vorliegen allgemeiner Glätte gegeben ist, nicht bei der Existenz nur einzelner Glättestellen (siehe BGH, Urteil vom 23.07.2015, III ZR 86/15, juris Rn 25). Im vorliegenden Kontext müsste es daher im Gemeindegebiet allgemein glatt im Sinne einer Eisglätte gewesen sein. Dass dem so war, ist aber nicht vorgetragen, vielmehr liegen - wie ausgeführt - schon Zweifel vor, ob die B2.straße allgemein in diesem Sinne glatt war.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 823 Schadensersatzpflicht


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

Zivilprozessordnung - ZPO | § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung


Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur

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Bundesgerichtshof Urteil, 23. Juli 2015 - III ZR 86/15

bei uns veröffentlicht am 23.07.2015

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 12. März 2015 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als z

Referenzen

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 12. März 2015 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Anschlussrevision der Klägerin wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine gesetzliche Krankenkasse, verlangt aus übergegangenem Recht (§ 116 SGB X) von der Beklagten, einer Gemeinde in Schleswig-Holstein, Schadensersatz und Feststellung der Ersatzpflicht für künftige übergangsfähige Aufwendungen wegen eines behaupteten Glatteisunfalls.

2

Am 26. Dezember 2009 gegen 9.45 Uhr stürzte der bei der Klägerin versicherte M.    H.     bei dem Versuch, die B.      straße in B.     auf einem Fußgängerüberweg (Zebrastreifen) in der Nähe der T.   -K.    Straße zu überqueren. Die Klägerin hat der Beklagten eine Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht vorgeworfen, da es glatt gewesen und die Beklagte ihrer Streupflicht nicht nachgekommen sei.

3

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat nur insoweit Erfolg gehabt, als das Oberlandesgericht von einem Mitverschulden des Gestürzten ausgegangen ist und dieses mit 25 % bewertet hat. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter; die Klägerin wendet sich mit ihrer Anschlussrevision gegen die teilweise Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

4

Die zulässige Revision führt, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Anschlussrevision hat keinen Erfolg.

I.

5

Nach Auffassung des Berufungsgerichts haftet die Beklagte für die Folgen des Sturzes gemäß § 839 Abs. 1 BGB, Art. 34 Satz 1 GG.

6

Die Beklagte hätte den Zebrastreifen abstreuen müssen. Soweit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Streupflicht nur für belebte und unentbehrliche Fußgängerüberwege bestehe, gelte dies nicht in Schleswig-Holstein. Dies ergebe sich aus § 45 des Straßen- und Wegegesetzes. Danach seien die Gemeinden grundsätzlich ohne Einschränkungen verpflichtet, die innerhalb der geschlossenen Ortslage befindlichen Fußgängerüberwege bei Glatteis zu bestreuen. Diese Überwege könnten wegen der Schutzbedürftigkeit der Fußgänger auch nicht Fahrbahnen gleichgestellt werden, bei denen eine Streupflicht nur an verkehrswichtigen und gefährlichen Stellen bestehe. Vielmehr sei es gerechtfertigt, Zebrastreifen wie Gehwege zu behandeln. Diese müssten aber grundsätzlich gestreut werden, wenn ihnen ein Verkehrsbedürfnis nicht abgesprochen werden könne, mithin ihnen nicht nur eine Freizeit-, sondern eine Erschließungsfunktion zukomme. Für diese Gleichstellung spreche auch der Wortlaut des Landesgesetzes. Von der Streupflicht auszunehmen seien daher nur tatsächlich entbehrliche Wege, für die ein jederzeit zu befriedigendes Verkehrsbedürfnis nicht bestehe. Eine solche Ausnahme liege hier aber nicht vor. Auch wenn es sich bei der B.     straße in B.    nur um eine Sackgasse handele, die - anders als die Bezeichnung vermuten lasse - tatsächlich nicht zum Haupteingang des Bahnhofs führe, könne dieser Straße und dem darüber führenden Fußgängerüberweg ein echtes, auch am Vormittag des zweiten Weihnachtstags zu befriedigendes Verkehrsbedürfnis nicht abgesprochen werden. Dies ergebe sich - unabhängig davon, ob der Zebrastreifen tatsächlich damals belebt war oder nicht - allein schon daraus, dass die Bahnhofstraße und die dazugehörigen Gehwege im Zentrum der Gemeinde B.    lägen sowie zahlreiche Wohngebäude und Gewerbebetriebe auch über Nebenstraßen erschließen würden. Die Straße führe zudem zu einem Park-and-Ride-Parkplatz sowie zum Hintereingang des Bahnhofs, der überregionale Bedeutung habe. Insgesamt sei auch an einem Feiertag mit einem nicht unerheblichen Fußgängerverkehr zu rechnen.

7

Bei der Unfallstelle habe es sich nicht um eine vereinzelte und insoweit nicht der Streupflicht unterliegende Glättestelle gehandelt. Vielmehr stehe aufgrund der Aussage des Zeugen H.   und unter Berücksichtigung des von der Klägerin eingeholten amtlichen Gutachtens des Deutschen Wetterdienstes fest, dass es nicht nur auf dem Zebrastreifen und auf einzelnen Gehwegabschnitten im Bereich der Bahnhofstraße glatt gewesen sei; es habe aufgrund der herrschenden Witterungsbedingungen eine allgemeine Glätte an allen noch gefrorenen Bodenstellen vorgelegen.

8

Allerdings treffe den Geschädigten ein Mitverschulden. Dieser habe ausgesagt, es sei bereits auf dem Gehweg teilweise glatt gewesen. Diese Wahrnehmung hätte ihn veranlassen müssen, die weitere Wegstrecke im Interesse seiner eigenen Sicherheit aufmerksam auf eventuelle Eisglätte zu untersuchen und besonders vorsichtig zu gehen. Denn aus dem Vorliegen solcher Stellen hätte er den Schluss ziehen müssen, dass der Boden teilweise noch gefroren war und der zuvor gefallene (Niesel-)Regen auch an anderen Stellen - zum Beispiel auf dem Überweg - zur Bildung von Glatteis geführt haben könnte. Gegen diese Obliegenheit zur gesteigerten Aufmerksamkeit und Vorsicht habe er verstoßen. Anderenfalls wäre er nicht ausgerutscht. Ein in seinen eigenen Angelegenheiten sorgfältiger Fußgänger hätte zur Vermeidung des Sturzes zunächst einmal durch kleine tastende Schritte geprüft, ob auf dem Überweg Eisglätte vorhanden sei. Dadurch hätte der Sturz vermieden werden können. Dieses Fehlverhalten führe im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge allerdings nur zu einem Haftungsanteil von 25 %. Denn die Beklagte habe mit der Verletzung der ihr obliegenden Streupflicht die maßgebliche Ursache für den Sturz gesetzt.

II.

9

Das Berufungsurteil hält einer rechtlichen Nachprüfung, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist, nicht stand.

Revision der Beklagten

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1. Inhalt und Umfang der winterlichen Streupflicht auf öffentlichen Wegen und Straßen unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherung richten sich nach den Umständen des Einzelfalls. Art und Wichtigkeit des Verkehrswegs sind dabei ebenso zu berücksichtigen wie seine Gefährlichkeit und die Stärke des zu erwartenden Verkehrs. Die Streupflicht besteht also nicht uneingeschränkt. Sie steht vielmehr unter dem Vorbehalt des Zumutbaren, wobei es auf die Leistungsfähigkeit des Sicherungspflichtigen ankommt. Dieser hat im Rahmen und nach Maßgabe der vorgenannten Grundsätze durch Bestreuen mit abstumpfenden Mitteln die Gefahren zu beseitigen, die infolge winterlicher Glätte für den Verkehrsteilnehmer bei zweckgerechter Wegebenutzung und trotz Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt bestehen (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. nur Urteile vom 5. Juli 1990 - III ZR 217/89, BGHZ 112, 74, 75 f; vom 1. Juli 1993 - III ZR 88/92, NJW 1993, 2802 f; vom 15. Januar 1998 - III ZR 124/97, VersR 1998, 1373 und vom 9. Oktober 2003 - III ZR 8/03, NJW 2003, 3622, 3623; jeweils mwN).

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Fußgängerüberwege innerhalb geschlossener Ortschaften sind danach nicht grundsätzlich, sondern nur zu streuen, soweit sie belebt und unentbehrlich sind (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. nur Urteile vom 22. November 1965 - III ZR 32/65, NJW 1966, 202; vom 13. Juli 1967 - III ZR 165/66, VersR 1967, 981, 982; vom 13. März 1969 - III ZR 101/68, VersR 1969, 667 und vom 15. November 1984 - III ZR 97/83, VersR 1985, 568, 569; Beschlüsse vom 27. April 1987 - III ZR 123/86, VersR 1987, 989 und vom 8. März 1990 - III ZR 27/89, BGHR BGB § 839 Abs. 1 Satz 1 Streupflicht 3; Urteile vom 20. Dezember 1990 - III ZR 21/90, VersR 1991, 665 f und vom 1. Juli 1993 aaO S. 2803; Beschluss vom 20. Oktober 1994 - III ZR 60/94, VersR 1995, 721, 722; Urteil vom 9. Oktober 2003 aaO).

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2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts gelten diese Grundsätze auch in Schleswig-Holstein.

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a) § 45 des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Schleswig-Holstein in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. November 2003 (GVOBl. Schl.-H. S. 631, 2004 S. 140) - im Folgenden StrWG - lautet:

(1) Alle innerhalb von Ortsdurchfahrten gelegenen Landes- und Kreisstraßen sind zu reinigen. Entsprechendes gilt für Gemeindestraßen und die sonstigen öffentlichen Straßen innerhalb der geschlossenen Ortslage sowie für die nach Absatz 3 besonders bestimmten Straßen. Art und Umfang der Reinigung richten sich nach den örtlichen Erfordernissen der öffentlichen Sicherheit.

(2) Zur Reinigung gehört auch ... bei Glatteis das Bestreuen der Gehwege, Radwege, gemeinsamen (kombinierten) Geh- und Radwege, Fußgängerüberwege und der besonders gefährlichen Fahrbahnstellen, bei denen die Gefahr auch bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar ist.

(3) ...

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Der Wortlaut des § 45 Abs. 2 StrWG könnte die Annahme nahelegen, dass für die dort besonders aufgeführten Geh- beziehungsweise Radwege und Fußgängerüberwege die Streupflicht keinerlei Einschränkungen unterliegt. Andererseits bestimmt § 45 Abs. 1 Satz 3 StrWG, dass sich Art und Umfang der polizeilichen Reinigung, zu der auch das Streuen gehört, nach den örtlichen Erfordernissen der öffentlichen Sicherheit richtet.

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b) Betrachtet man die Entstehungsgeschichte der Norm, wird deutlich, dass eine unbeschränkte Streupflicht nicht dem Willen des Landesgesetzgebers entspricht.

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aa) Seit jeher ist die Verkehrssicherungspflicht für Straßen und Wege von den Umständen des Einzelfalls abhängig gemacht und insoweit eine allgemeine Verpflichtung zum Streuen bei Glatteis abgelehnt beziehungsweise das Bestehen einer Streupflicht unter Berücksichtigung der Verkehrsbedeutung und des verkehrsrechtlichen Bedürfnisses eingeschränkt worden (vgl. bereits RG, JW 1900, 164 f Nr. 38; RGZ 54, 53, 59; JW 1904, 470 Nr. 8; WarnRspr 1907/1908 Nr. 47; JW 1933, 836 f; siehe auch Planck, BGB, 3. Aufl. 1907, § 823 Anm. II 2 c S. 976 zu c sowie - zur polizeimäßigen Straßenreinigung - PrOVGE 47, 409, 411; 68, 318, 322 ff, wobei die aus der polizeimäßigen Reinigung fließende Räum- und Streupflicht, soweit sie auch der Verkehrssicherung dient, ihrem rechtlichen Gehalt und Umfang nach von der aus der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht abgeleiteten Pflicht zur Sorge für die Sicherheit im Straßenverkehr nicht verschieden ist; vgl. nur Senat, Urteil vom 5. Juli 1990 - III ZR 217/89, BGHZ 112, 74, 79 mwN). Hiervon ausgehend hat das Reichsgericht (JW 1913, 859, 860 f Nr. 5; siehe auch JW 1913, 91 Nr. 6) ausgeführt, dass nur dort, wo ein besonderes Bedürfnis es gebiete, unter Umständen von einer Gemeinde verlangt werden könne, dass auch der Fahrdamm (Straße) strecken- und stellenweise, zum Beispiel an belebten und unerlässlichen Übergängen, bestreut werde.

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bb) Auch nach dem Preußischen Gesetz über die Reinigung öffentlicher Wege vom 1. Juli 1912 (GS S. 187), dessen Gültigkeit in Schleswig-Holstein erst durch § 66 Nr. 10 des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Schleswig-Holstein vom 22. Juni 1962 (GVOBl. Schl-H S. 237) aufgehoben worden ist, bestand keine uneingeschränkte Streupflicht. Vielmehr richteten sich nach § 2 die Anforderungen "hinsichtlich der Art, des Maßes und der räumlichen Ausdehnung der polizeilichen Reinigung" nach dem "unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse Notwendigen". Insoweit sollte die Frage des verkehrsrechtlichen Bedürfnisses unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse geprüft werden. Eine Erweiterung der Streupflicht gegenüber der bisherigen Rechtslage war ausdrücklich nicht beabsichtigt (vgl. Entwurf eines Gesetzes über die Reinigung öffentlicher Wege, Sammlung der Drucksachen des Preußischen Hauses der Abgeordneten, 21. Legislaturperiode, V. Session 1912/1913, Drucks. Nr. 51, S. 1403 f, 1406, 1407, 1408). Den Verkehrsverhältnissen kam insoweit für die Feststellung einer Streupflicht weiterhin eine wesentliche Bedeutung zu (vgl. auch Hecht/Hellich, Gesetz über die Reinigung öffentlicher Wege, 3. Aufl. 1954, S. 47 f).

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cc) Auch der Senat hat in seiner (frühen) Rechtsprechung zum Preußischen Gesetz über die Reinigung öffentlicher Wege die winterliche Streupflicht für öffentliche Straßen und Wege nicht uneingeschränkt bejaht, sondern unter anderem die Verkehrsbedeutung einschränkend berücksichtigt (vgl. nur Urteile vom 5. Dezember 1955 - III ZR 83/54, VkBl 1956, 249 ff; vom 30. September 1957 - III ZR 207/56, VersR 1957, 785 und vom 1. Oktober 1959 - III ZR 59/58, NJW 1960, 41 f).

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dd) Dass der Landesgesetzgeber in Schleswig-Holstein den Inhalt der Streupflicht ihrem sachlichen Gehalt und Umfang nach in Abweichung von dieser jahrzehntelangen Rechtslage regeln wollte, ist nicht ersichtlich. Bereits § 45 StrWG 1962 enthielt eine dem § 45 StrWG 2003 im Wesentlichen entsprechende Regelung. In der Begründung zum Gesetzentwurf vom 5. September 1961 (LT-Drucks. Nr. 466, S. 65 f), in der ausdrücklich auf das Senatsurteil vom 5. Dezember 1955 (aaO) Bezug genommen worden ist, wurde darauf hingewiesen, dass die Reinigungspflicht ihrem Umfang nach je nach Lage und Benutzungsart der Straße verschieden sei. In der ersten Lesung des Gesetzentwurfs im Landtag am 26. September 1961 stellte der zuständige Ressortminister fest:

"Im Siebenten Teil wird den bisher geltenden Bestimmungen des Preußischen Wegereinigungsgesetzes eine neuzeitliche Gestalt gegeben. In den praktischen Auswirkungen soll auf diesem Gebiete für die Gemeinden und für den Bürger alles beim alten bleiben" (Stenographischer Bericht der 66. Sitzung, S. 2288).

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Soweit durch § 45 StrWG 2003 die Verkehrssicherungspflicht auch auf Rad- beziehungsweise kombinierte Geh- und Radwege erweitert worden ist, war hiermit keine darüber hinausgehende Änderung der bisherigen Rechtslage beabsichtigt (vgl. LT-Drucks. 15/1906 S. 16). Insgesamt lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht ansatzweise entnehmen, dass der Landesgesetzgeber die hergebrachten Grundsätze zur Streupflicht ändern wollte. Der Winterdienst ist somit auch in Schleswig-Holstein von der Verkehrsbedeutung des jeweiligen Straßen- oder Wegebereichs abhängig (vgl. auch Hoefer in Wilke/Gröller/Behnsen/Hoefer/Steinweg, StrWG, Loseblattsammlung, § 45 (Stand: 3.2011) Rn. 16).

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3. Fußgängerüberwege sind damit bei Glatteis nur unter der einschränkenden Voraussetzung zu streuen, dass sie belebt und unentbehrlich sind (vgl. auch Staudinger/Hager, BGB, Neubearbeitung 2009, § 823 Rn. E 137; MüKoBGB/Papier, 6. Aufl., § 839 Rn. 201; Wellner in Geigel, Der Haftpflichtprozess, 27. Aufl., Kap. 14 Rn. 147, 159; OLG Hamm VersR 1978, 950, 951; OLG Brandenburg OLGR 2002, 335, 336 und Urteil vom 30. September 2014 - 2 U 7/14, juris Rn. 39; OLG München, Urteil vom 26. April 2007 - 1 U 5742/06, juris Rn. 31 ff; OLG Koblenz MDR 2012, 1226). Der Senat folgt nicht der Auffassung des Berufungsgerichts, für Überwege müssten die gleichen Grundsätze wie für Gehwege gelten. Eine solche Annahme würde bewirken, dass auf zahlreichen nicht oder nachrangig zu bestreuenden Straßen vorrangig Überwege für Fußgänger abgestreut werden müssten. Dies hätte zur Folge, dass die Gemeinden bei der Durchführung ihrer Streupläne, ohne die ein geordneter Winterdienst unmöglich ist, unzumutbar behindert würden (vgl. nur Senat, Urteil vom 20. Dezember 1990 - III ZR 21/90, VersR 1991, 665, 666). Was die Frage der Zumutbarkeit für die Kommunen anbetrifft, unterscheidet sich die Situation auf Gehwegen und Fußgängerüberwegen im Übrigen dadurch, dass durch Satzung (hier: aufgrund § 45 Abs. 3 Nr. 2 StrWG) die Streupflicht für Gehwege innerhalb geschlossener Ortschaften üblicherweise auf die Anlieger übertragen wird.

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Feststellungen dazu, ob der streitgegenständliche Überweg belebt und unentbehrlich gewesen ist, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Dies ist nachzuholen. Hierbei wird das Berufungsgericht insbesondere zu berücksichtigen haben, dass der Sturz am Morgen des zweiten Weihnachtstages 2009 erfolgt ist. Insoweit ist die Verkehrsbedeutung der Straße beziehungsweise des Überwegs an normalen Werktagen nicht ausschlaggebend (vgl. Senatsbeschluss vom 26. März 1992 - III ZR 71/91, BGHR BGB § 839 Abs. 1 Satz 1 - Streupflicht 8).

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4. Zu Unrecht rügt die Beklagte, für sie habe zur Unfallzeit kein Anlass für die Annahme bestanden, der Zebrastreifen könne vereist sein. Der im Berufungsurteil erwähnte Regen könne angesichts der damals herrschenden positiven Lufttemperaturen nicht zu Glatteis geführt haben. Mangels gegenteiliger tatrichterlicher Feststellungen sei im Übrigen zu unterstellen, dass der Regen erst nach 9.45 Uhr eingesetzt habe.

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Das Berufungsgericht ist unter Heranziehung des amtlichen Gutachtens des Deutschen Wetterdienstes rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass am Morgen des 26. Dezember 2009 Glatteisbildungen - trotz der positiven Lufttemperaturen - aufgrund der Niederschläge und der vorangegangenen Dauerfrostperiode eine ernsthaft drohende Gefahr darstellten und sich diese Gefahr auch realisiert hat. Entgegen der Meinung der Beklagten beziehen sich diese Feststellungen auf den Unfallzeitpunkt. Im Berufungsurteil ist insoweit ausgeführt, dass ausweislich des Gutachtens zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Sturzes in B.     Wetterverhältnisse geherrscht hätten, die das Auftreten von Eisglätte sehr wahrscheinlich gemacht hätten. In dem insoweit in Bezug genommenen Gutachten heißt es ausdrücklich, dass am Unfalltag Niederschläge gefallen seien, die vorerst etwa zum Unfallzeitpunkt geendet hätten. Für die Annahme der Beklagten, es habe erst nach dem Sturz geregnet, so dass - wenn überhaupt - erst danach Glatteis hätte auftreten können, bestehen daher keine Anhaltspunkte.

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5. Soweit das Bestehen einer Streupflicht eine allgemeine Glättebildung und nicht nur das Vorhandensein ganz vereinzelter Glättestellen voraussetzt (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 21. Januar 1982 - III ZR 80/81, VersR 1982, 299 f und vom 26. Februar 2009 - III ZR 225/08, NJW 2009, 3302 Rn. 4 f; BGH, Urteil vom 12. Juni 2012 - VI ZR 138/11, NJW 2012, 2727 Rn. 10), hat das Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung - unter Berücksichtigung der Aussage des Zeugen H.    und des Gutachtens des Deutschen Wetterdienstes - rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Geschädigte bei allgemeiner Glätte gestürzt ist. Letzteres setzt nicht voraus, dass es im ganzen Gemeindegebiet glatt ist.

Anschlussrevision der Klägerin

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Die Anschlussrevision der Klägerin ist zulässig, hat in der Sache jedoch - auch bei unterstellter Streupflichtverletzung der Beklagten - keinen Erfolg.

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1. Die Klägerin hält die tatrichterlichen Feststellungen für widersprüchlich und denkgesetzwidrig. Im angefochtenen Urteil werde zunächst ausgeführt, dass der Zeuge H.    das Glatteis auf dem Zebrastreifen nicht habe erkennen können und müssen. Wenn das Berufungsgericht trotzdem ein Mitverschulden annehme, da die auf dem Gehweg vorhandenen Glättestellen Anlass zu gesteigerter Aufmerksamkeit geboten hätten, sei dies nicht nachvollziehbar. Auch sei in diesem Zusammenhang die Aussage des Zeugen unberücksichtigt geblieben, wonach er zwar auf dem Gehweg die Glätte erkannt habe, dagegen das Glatteis auf dem Überweg für ihn nicht zu erkennen gewesen sei.

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Diese Rügen sind unbegründet. Zwar ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Geschädigte die Glätte auf dem Überweg nicht hätte erkennen können und müssen. Denn eine allgemeine Glätte sei nur schwer von einer lediglich feuchten Fahrbahnoberfläche zu unterscheiden. Bei Glatteis sei zudem nicht ohne weiteres zu erkennen, ob der erforderliche Winterdienst durchgeführt worden sei, da oft nur kaum sichtbare Salzlösung versprüht werde. Nach der Aussage des Zeugen, auf die das Berufungsgericht bei seiner weiteren Würdigung maßgeblich abgestellt hat, war es auf dem Gehweg an den Stellen, an denen die Anwohner gestreut hatten, nicht mehr glatt; anders war die Situation dagegen dort, wo dies nicht geschehen war. Wenn das Berufungsgericht hieraus abgeleitet hat, der Zeuge habe sich besonders vorsichtig verhalten müssen, ist diese tatrichterliche Wertung, zumal der Zeuge dem Zustand des Überwegs gerade nicht hat entnehmen können, ob auch dort nicht gestreut worden ist, nicht denkgesetzwidrig und revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

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Das Berufungsgericht hat insoweit auch nicht die Sorgfaltsanforderungen für Fußgänger überspannt. Angesichts der Wetterlage und der vorhandenen Glätte musste der Zeuge beim Betreten des Überwegs besonders vorsichtig sein. Entgegen der Auffassung der Anschlussrevision durfte er nicht blindlings darauf vertrauen, dass die Beklagte den Zebrastreifen bereits abgestreut hatte, zumal ihm bereits auf dem Gehweg deutlich geworden war, dass dort nur teilweise gestreut worden war. Er durfte deshalb nicht ohne besondere Vorsicht den Überweg betreten.

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2. Zu Unrecht rügt die Klägerin die Feststellungen zur Kausalität des Mitverschuldens als rechtsfehlerhaft. Auch insoweit unterliegt die tatrichterliche Würdigung nur der eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Zeuge, wenn er zur Vermeidung eines Sturzes zunächst durch kleine tastende Schritte geprüft hätte, ob auf dem Überweg Eisglätte vorhanden war, den Sturz, der sich nach seinen Angaben "gleich beim ersten oder zweiten Schritt" auf dem Zebrastreifen ereignet hat, hätte vermeiden können. Eine solche Wertung ist möglich und wird nicht dadurch in revisionsrechtlich erheblicher Weise in Frage gestellt, dass sie auch anders hätte vorgenommen werden können.

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3. Soweit das Berufungsgericht den Mithaftungsanteil des Geschädigten mit 25 % bewertet hat, ist dies nicht zu beanstanden. Die Abwägung der Verantwortlichkeiten zwischen den Parteien eines Schadensersatzanspruchs im Rahmen der Prüfung des Mitverschuldens unterliegt gemäß § 287 ZPO einem weiten tatrichterlichen Entscheidungsspielraum. Die Prüfung des Revisionsgerichts ist darauf beschränkt, ob alle in Betracht kommenden Umstände richtig und vollständig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt worden sind, hierbei insbesondere nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen wurde (vgl. nur Senat, Urteil vom 20. Juni 2013 - III ZR 326/12, VersR 2013, 1322, 1323 mwN). Rechtsfehler des Tatrichters liegen insoweit nicht vor. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Geschädigte für seinen Schaden auch nicht allein verantwortlich. Eine vollständige Überbürdung des Schadens kommt im Rahmen von § 254 BGB nur ausnahmsweise in Betracht (vgl. nur Senat, aaO Rn. 19 mwN). Insoweit hat das Berufungsgericht zutreffend berücksichtigt, dass - bei unterstellter Streupflichtverletzung - die Beklagte die maßgebliche Erstursache für das Schadensereignis gesetzt hat und es deshalb gerechtfertigt ist, ihr auch den wesentlichen Verantwortungsanteil zuzuweisen (siehe auch Senat aaO Rn. 22 ff).

III.

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Das angefochtene Urteil ist, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist, aufzuheben und das Verfahren, da die Sache noch nicht zur Entscheidung reif ist (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO), in diesem Umfang an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Schlick                            Herrmann                            Seiters

                 Remmert                                 Reiter

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.