Landgericht München I Endurteil, 17. Jan. 2018 - 7 O 17955/17

bei uns veröffentlicht am17.01.2018

Gericht

Landgericht München I

Tenor

I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

II. Die Klagepartei hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zur Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klagepartei begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Vorlage von Urkunden wegen einer behaupteten Patentverletzung.

Die Klagepartei ist Herstellerin und Entwicklerin von Pharmazeutika. Sie ist Inhaber der beiden Patente: EP 2 242 515 B9 betreffend eines Verfahrens zur Herstellung eine pharmazeutischen Formulierung aus Kontrastmitteln (folgend: EP 515) und EP 2 799 089 B9, betreffend eines Verfahrens zur Herstellung eine pharmazeutischen Formulierung aus Kontrastmitteln (folgend: EP 089). Sie stellt das Kontrastmittel D. ® her, welches im Bereich der Kernspintomographie eingesetzt wird.

Das EP 515 wurde am 18.02.2009 angemeldet und nimmt die Prioritäten der Voranmeldungen in Anspruch. Der Hinweis auf die Erteilung wurde am 02.04.2014 veröffentlicht. Der damals erteilte Anspruch 1 lautete wie folgt:

Auf deutsch:

Im Einspruchsverfahren fand am 12.07.2016 die mündliche Verhandlung statt und der Anspruch wurde in 1.c) dahingehend geändert, dass er lautet „Messen bei pH 7 der Konzentration an freiem Lanthanid…“, bzw. „measurement at pH 7 in the pharmaceutical formulation…“

Das EP 089 geht auf eine vom dem EP 515 abgeleitete Teilanmeldung zurück. Der Hinweis auf die Erteilung des EP 089 wurde am 03.08.2016 veröffentlicht. Der erteilte Anspruch 1 lautet:

Auf deutsch:

Die Beklagtenpartei ist ein pharmazeutisches Unternehmen. Sie ist in den Fach- und Gebrauchsinformationen zu dem Generika A. ® seit dem 02.10.2017 als Inhaberin der Zulassung bzw. als pharmazeutischer Unternehmer genannt. Bis dahin war die Z. GmbH Inhaberin der Zulassung. A. ® wurde am 01.11.2014 in die Lauer Taxe aufgenommen. Sie läßt A. ® im Ausland herstellen und importiert es nach Deutschland.

D. ® und auch das Generika A. ® haben die im ersten Teil des Anspruchs 1 genannten Bestandteile. Es handelt sich um eine flüssige pharmazeutische Formulierung, die einen Komplex von makrocyclischem Chelat mit einem Lanthanid und einer mol/mol-Menge an freiem makrocyclischen Chelat zwischen 0,002% und 0,4% enthält, wobei das besagte Chelat DOTA und das Lanthanid Gadolinium ist.

Die Klagepartei ist der Ansicht, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür vorliege, dass die Antragsgegnerin eines der beiden Patente verletze. Denn nur wenn man eines der in den beiden benannten Patenten geschützten Verfahren verwenden würde, könne man die streitgegenständliche pharmazeutische Formulierung im industriellen Umfang wirtschaftlich sinnvoll herstellen. Wahrscheinlich sei eine Verletzung des EP 515, wie sich aus dem Privatgutachten des P. C. .ergebe (HL 11, HL 11a). Dass dieses Gutachten vor der Einschränkung des EP 515 erstattet worden sei, sei unbeachtlich. Denn die Entscheidung der Einspruchsabteilung sei falsch, das Patent hätte nicht auf eine Messung bei pH-Wert von 7 eingeschränkt werden dürfe. Dies sei aber ohnehin unbeachtlich, denn es sei von einer Messung bei einem pH 7 auszugehen, weil dieser Wert nahe dem physiologischen pH-Wert liege. Die einzige wirtschaftliche sinnvolle Möglichkeit, die angestrebte Konzentration zu erreichen, sei neben dem im EP 515 beschriebenen Verfahren das in dem EP 089 beschriebene.

Die Klagepartei beantragt,

I. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, binnen drei Tagen nach Zustellung der Anordnung den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin auf eigene Kosten Auszüge aus den arzneimittelrechtlichen Zulassungsunterlagen betreffend das Produkt „A.®“, nämlich die folgenden Teile

– Teil 3.2.P.3.2 (Batch Formula / Zusammensetzung der Chargen)

– Teil 3.2.P.3.3 (Description of Manufacturing Process and Process Controls / Beschreibung des Herstellungs-prozesses und der Prozesskontrollen)

– Teil 3.2.P.3.4 (Controls of Critical Steps and Intermediates / Kontrollen kritischer Schritte und Zwischenprodukte)

– Teil 3.2.P.5 (Control of Drug Product / Kontrolle des Fertigarzneimittels)

– Teil 3.2.P.5.4. (Batch Analysis / Untersuchung der Chargen)

a) für die Dauer von 5 Werktagen zur Einsichtnahme bei den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin, K-damm 24, 4. D. zu überlassen,

b) und den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin die Anfertigung von Fotokopien der vorstehend genannten Unterlagen zu gestatten (hilfsweise: den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin Fotokopien der vorstehend genannten Unterlagen auszuhändigen; weiter hilfsweise in den Geschäftsräumen der Antragsgegnerin zur Anfertigung von Fotokopien zu überlassen),

hilfsweise:

wobei die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin Rechtsanwälte … sowie ...,

die erhaltenen Dokumente/Fotokopien mit der mittwirkenden Patentanwältin … teilen und erörtern dürfen und wobei die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin und die mitwirkende Patentanwältin verpflichtet werden, Tatsachen, die ihnen im Zuge des Erhalts der erhaltenen Dokumente bekannt werden und die den Geschäftsbetrieb der Antragsgegnerin betreffen, geheim zu halten, und zwar auch gegenüber der Antragstellerin und deren Mitarbeitern. Die Antragsgegnerin wird sodann Gelegenheit erhalten, zu etwaigen Geheimhaltungsinteressen, die auf ihrer Seite bestehen, Stellung zu nehmen. Die Kammer wird erst danach darüber entscheiden, ob und in welchem Umfang der Antragstellerin selbst die Informationen zur Kenntnis gebracht werden und die Verschwiegenheitsanordnung aufgehoben wird.

Die Beklagtenpartei beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hilfsweise, im Falle des Erlasses der Besichtigungsanordnung:

1.1. Die Besichtigungsanordnung wird mit der Maßgabe erlassen, dass der Antragsgegnerin aufgegeben wird, binnen drei Tagen nach Zustellung der Besichtigungsanordnung auf eigene Kosten einem vom Gericht zu benennenden Sequester, die folgenden Teile der arzneimittelrechtlichen Zulassungsunterlagen betreffend das Produkt „A.®“, nämlich

– Teil 3.2.P.3.2 (Batch Formula / Zusammensetzung der Chargen);

– Teil 3.2.P.3.3 (Description of Manufacturing Process and Process Controls / Beschreibung des Herstellungsprozesses und der Prozesskontrollen);

– Teil 3.2.P.3.4 (Controls of Critical Steps and Intermediates / Kontrollen kritischer Schritte und Zwischenprodukte);

– Teil 3.2.P.5 (Control of Drug Product / Kontrolle des Fertigarzneimittels);

– Teil 3.2.P.5.4 (Batch Analysis / Untersuchung der Chargen);

zur Einsichtnahme in den Geschäftsräumen der Prozessvertreter der Antragsgegnerin, … zu überlassen und, soweit diese Auskunft darüber geben, bei welchem pH-Wert Messungen der Konzentration an freiem Lanthanid des für den Verkauf in Deutschland bestimmten Produkts „A.®“ stattfinden, dem Sequestern Fotokopien auszuhändigen, sofern dieser pH-Wert im Bereich von 6,5 bis 7,4 liegt;

1.2. Der Sequester ist befugt, der Antragstellerin mitzuteilen, wenn der pH-Wert im Bereich von 6,5 bis 7,4 liegt.

1.3 Der Sequester darf im Fall von 1.2 die überlassenen Kopien an die Antragstellerin herausgeben, wenn die Antragsgegnerin nicht binnen 10 Tagen das Vorliegen von Geschäftsgeheimnissen mit entsprechender Begründung geltend macht. In diesem Fall entscheidet das Gericht über die Überlassung der Kopien an die Antragstellerin;

1.4 Es wird angeordnet, dass die Vollziehung der Besichtigungsanordnung von der Beibringung einer Sicherheitsleistung in Höhe des festgesetzten Streitwertes abhängig ist.

1.5 Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

1.6 Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin zu 75%.

2. Äußert hilfsweise, im Falle des Erlasses einer Besichtigungsanordnung:

2.1 Die Besichtigungsanordnung wird mit der Maßgabe erlassen, dass der Antragsgegnerin aufgegeben wird, binnen drei Tagen nach Zustellung der Besichtigungsanordnung auf eigene Kosten einem vom Bericht zu benennenden Sequester, die folgenden Teile der arzneimittelrechtlichen Zulassungsunterlagen betref fend das Produkt „A.®“, nämlich

– Teil 3.2.P.3.2 (Batch Formula/ Zusammensetzung der Chargen);

– Teil 3.2.P.3.3 (Description of Manufacturing Process and Pro cess Controls/ Beschreibung des Herstellungsprozesses und der Prozesskontrollen);

– Teil 3.2.P.3.4 (Controls of Critical Steps and Intermediates/ Kon trollen kritischer Schritte und Zwischenprodukte);

– Teil 3.2.P.5 (Control of Drug Product/ Kontrolle des Fertigarz neimittels;

– Teil 3.2.P.5.4 (Batch Analysis/ Untersuchung der Chargen);

zur Einsichtnahme in den Geschäftsräumen der Prozessvertreter der Antragsgegnerin, … zu überlassen und, soweit diese Auskunft darüber geben, welche Herstellungsschritte zur Herstellung des für den Verkauf in Deutschland bestimmten Produkts „A.®“ durchgeführt werden und insbesondere bei welchem pH-Wert Messungen der Konzentration an freiem Lanthanid stattfinden, dem Sequester Fotokopien auszuhändigen;

2.2 Der Sequester ist befugt, der Antragstellerin mitzuteilen,

a. wenn ein Verfahren benutzt wird zum Herstellen einer flüssigen pharmazeutischen Formulierung, die einen Komplex von makrocyclischem Chelat mit einem Lanthanid und einer mol/mol-Menge an freiem makrocyclischen Chelat zwischen 0,002% und 0,4% enthält, wobei das besagte Chelat DOTA und das Lanthanid Gadolinium ist und das Verfahren folgende aufeinanderfolgende Schritte umfasst:

b) Herstellen einer flüssigen pharmazeutischen Zusammensetzung, die den Komplex von makrocyclischem Chelat mit einem Lanthanid und freies makrocyclisches Chelat, das nicht in der Form eines Hilfsstoffs X[X‘,L] vorliegt, wobei L das makrocyclische Chelat ist und X und X‘ ein Metallion sind, insbesondere unabhängig ausgewählt aus Calcium, Natrium, Zink und Magnesium und freies Lanthanid enthält und durch Mischen einer Lösung von freiem DOTA als freies makrocyclisches Chelat und freies Gadolinium als freies Lanthanid, um so Komplexierung des Lanthanids durch das makrocyclische Chelat zu erhalten, wobei die Mengen an freiem markocyclischen Chelat und an freiem Lanthanid so sind, dass nicht das gesamte Lanthanid komplexiert wird,

c) Messen bei pH 7 der Konzentration an freiem Lanthanid Clan t in der in Schritt b) erhaltenen pharmazeutischen Formulierung, wobei die Konzentration des freien makrocyclischen Chelats Cch l gleich 0 ist;

Einstellen von CCh l und von Clan l durch Zugeben, zu der in Schritt b) enthaltenen Formulierung, der Menge an freiem makrocyclischen Chelat, die notwendig ist, um erstens die Komplexierung des freien Lanthanids abzuschließen, um Clan l = 0 zu erhalten, und zweitens, um CCh l = Ct ch l zu erhalten, wobei Ct ch l die Zielkonzentration des freien makrocyclischen Chelats in der fertigen flüssigen pharmazeutischen Formulierung ist und in dem Bereich zwischen 0,002 mol/mol-% und 0,4 mol/mol-% gewählt ist,

wobei die Menge an freiem makrocyclischen Chelat in der fertigen flüssigen pharmazeutischen Formulierung dem Anteil an freiem makrocyclischen Chelat bezogen auf die Menge an komplexiertem makrocyclischen Chelat DOTA-Gd in der fertigen flüssigen pharmazeutischen Formulierung in mol/mol entspricht,

(Verfügungspatent A EP 2 242 515 B9) oder

b. wenn ein Verfahren benutzt wird zum Herstellen einer flüssigen pharmazeutischen Formulierung, die einen Komplex von makrocyclischem Chelat mit einem Lanthanid und einer mol/mol-Menge an freiem makrocyclischen Chelat zwischen 0,002% und 0,4% enthält, wobei das Verfahren folgende aufeinander folgende Schritte umfasst:

b) Herstellen einer flüssigen pharmazeutischen Zusammensetzung, die den Komplex von makrocyclischem Chelat mit einem Lanthanid, freies makrocyclisches Chelat, das nicht in der Form eines Hilfsstoffs X[X‘,L] vorliegt, wobei L das makrocyclische Chelat ist und X und X‘ ein Metallion sind, insbesondere unabhängig ausgewählt aus Calcium, Natrium, Zink und Magnesium, und/oder freies Lanthanid enthält, durch Mischen einer Lösung von freiem DOTA als dem makrocyclischen Chelat und freiem Gadolinium als dem freien Lanthanid, um so Komplexierung des Lanthanids durch das makrocyclische Chelat zu erhalten, wobei die Mengen an freiem makrocyclischen Chelat und an freiem Lanthanid so sind, dass das gesamte Lanthanid komplexiert wird und dass Cch l > Ct ch l, wobei Cch l die Konzentration an freiem makrocyclischen Chelat ist und Ct ch l die Zielkonzentration des freien makrocyclischen Chelats in der fertigen flüssigen pharmazeutischen Formulierung ist, wobei Ct ch l in dem Bereich zwischen 0,002 mol/mol-% und 0,4 mol/mol-% gewählt ist;

c) Messen von Cch l in der in Schritt b) erhaltenen pharmazeutischen Formulierung, wobei die Konzentration an freiem Lanthanid Clan l gleich 0 ist;

d) Einstellen von Cch l und von Clan l durch Eliminieren von freiem makrocyclischen Chelat aus und/oder durch Zugeben von freiem Lanthanid zu und/oder durch Modifizieren des pH-Werts der in Schritt b) erhaltenen Formulierung, um Cch l = Ct ch l und Clan l = 0 zu erhalten, wobei Ct ch l die Zielkonzentration des freien makrocyclischen Chelats in der fertigen flüssigen pharmazeutischen Formulierung ist und in dem Bereich zwischen 0,002 mol/mol-% und 0,4 mol/mol-% gewählt ist,

wobei die Menge an freiem makrocyclischen Chelat in der fertigen flüssigen pharmazeutischen Formulierung dem Anteil an freiem makrocyclischen Chelat bezogen auf die Menge an komplexiertem makrocyclischen Chelat DOTA-Gd in der fertigen flüssigen pharmazeutischen Formulierung in mol/mol entspricht,

wobei das makrocyclische Chelat DOTA ist und das Lanthanid Gadolinium ist.

(Verfügungspatent B EP 2 799 089 B9) oder

c) wenn keines der Verfahren nach Verfügungspatent A oder Verfügungspatent B benutzt wird.

2.3.Der Sequester darf im Fall von 2.2.a. oder b. die überlassenen Kopien an die Antragstellerin herausgeben, wenn die Antragsgegnerin nicht binnen 10 Tagen das Vorliegen von Geschäftsgeheimnissen mit entsprechender Begründung geltend macht. In diesem Fall entscheidet das Gericht über die Überlassung der Kopien an die Antragstellerin;

2.4.Es wird angeordnet, dass die Vollziehung der Besichtigungsanordnung von der Beibringung einer Sicherheitsleistung in Höhe des festgesetzten Streitwertes abhängig ist.

2.5Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

2.6Die Antragstellerin trägt 50% der Kosten.

Die Beklagtenpartei trägt vor, dass sie die Messung der Konzentration an freiem Lanthanid C lan l in der pharmazeutischen Formulierung im Herstellungsprozess bei einem pH-Wert deutlich abweichend von 7 vornehme. Von der Lehre des EP 089 mache sie überhaupt keinen Gebrauch. Es gäbe mehrere denkbare Herstellungsverfahren und der Vortrag der Klagepartei sei rein spekulativ. In der eidesstattlichen Versicherung des Programme Managers der Beklagtenpartei, Dr. B. (TW 1), lautet es:

„.. Anschließend wird gemessen, ob und in welcher Menge die Lösung noch freies Lanthanoid enthält. Die Messung der Probe wird bei einem pH-Wert ebenfalls deutlich abweichend von 7 durchgeführt. Dies ist im Dossier-Modul 3.2.P.5.2 entsprechend niedergelegt. Eine korrespondierende Arbeitsanweisung, die als Grundlage zur Durchführung der Messung im Rahmen der Herstellung von A. dient, ist beim Hersteller implementiert. Falls die Lösung einen Überschuss an freiem Chelat aufweisen sollte, der so hoch ist, dass eine Anpassung durch die Zugabe weiteren freien Lanthanoids erforderlich wäre, um eine Komplexierung des überschüssigen freien Chelats zu erreichen, wird die gesamte Charge entsprechend ausgesondert und scheidet für einen Vertrieb in Deutschland aus. Die Verkaufsbeschränkung ist in dem Master Batch Record als Arbeitsanweisung an den Hersteller niedergelegt.“

Die Beklagtenpartei ist der Ansicht, dass der Vortrag der Klägerin, dass eine Messung bei einem pH-Wert von 7 wahrscheinlich sei, bereits daran scheitere, dass in dem EP 515, Absatz 23, eine Messung bei einem pH-Wert von 5 beschrieben werde.

Weiter fehle es an der Dringlichkeit für den geltend gemachten Antrag, da das angegriffene Medikament bereits seit November 2014 in Deutschland in der Lauer-Taxe gelistet sei.

Auf den Vortrag der Beklagtenpartei erwiderte die Klagepartei, dass die Ausführungen der Beklagten zum Herstellungsverfahren unpräzise und unvollständig seien. Es hätte das benutzte Messverfahren im Zusammenhang erläutert und der pH-Wert konkret angegeben werden müssen. Zudem sei aus den Angaben nicht zu entnehmen, ab wann die vorgetragenen Maßnahmen in Kraft gesetzt worden seien.

Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.01.2018 Bezug genommen.

Gründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig, aber als unbegründet zurückzuweisen.

I. Zulässigkeit

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig. Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts München I folgt aus § 143 Abs. 1 PatG, weil eine Patentstreitsache vorliegt. Da noch keine Klage in der Hauptsache anhängig ist, ist die Klage an das Gericht zu richten, das nach dem Vortrag des Antragsstellers zur Entscheidung in der Hauptsache berufen ist. Die örtliche Zuständigkeit folgt mithin aus dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung.

II. Verfügungsanspruch

Die Klagepartei begehrt die Vorlage einer Urkunde nach § 140 c PatG. Wer mit hinreichender Wahrscheinlichkeit entgegen den §§ 9 bis 13 PatG eine patentierte Erfindung benutzt, kann vom Rechteinhaber auf Vorlage von Urkunden in Anspruch genommen werden.

Der Anspruch auf Vorlage von Urkunden kann auch – wie im vorliegenden Fall – auf die behauptete Verletzung eines Verfahrenspatents gestützt werden. Insbesondere ist in einem solchen Fall auch das unmittelbare Verfahrenserzeugnis umfasst. Die Klagepartei wäre als Patentinhaberin auch berechtigt, einen solchen Anspruch geltend zu machen. Eine Vorlage der beantragten Zulassungsunterlagen wäre auch erforderlich, weil es der Klagepartei ansonsten nicht möglich oder nur deutlich erschwert möglich wäre, in einem nachgelagerten Verletzungsverfahren den Herstellungsvorgang zu belegen. Vorliegend fehlt es aber an der Glaubhaftmachung einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer Patentverletzung. Insofern ist nicht darauf einzugehen, ob der geltend gemachte Vorlageantrag unter Berücksichtigung der Geheimhaltungsinteressen der Beklagtenpartei verhältnismäßig gewesen wäre.

Ein Vorlage- oder Besichtigungsanspruch besteht nur insoweit, als die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass eine patentierte Erfindung entgegen den §§ 9 bis 13 benutzt wird. Es genügt die Wahrscheinlichkeit eines etwaig bestehenden Unterlassungsanspruchs gemäß § 139 Abs. 1 PatG. Hinreichende Wahrscheinlichkeit ist weder ausreichende Sicherheit noch eine Ausgangslage, bei der lediglich letzte Zweifel auszuräumen sind (vgl. zuvor, jedoch überholt, BGH GRUR 1985, 512 – Druckbalken), sondern das Bestehen von ausreichenden (konkreten) Anhaltspunkten für den Tatbestand einer Patentbenutzung. Der Gesetzgeber ist bei der Einführung des § 140 c PatG ausdrücklich von den Grundsätzen der Entscheidung BGH GRUR 2002, 1046 – Faxkarte – ausgegangen (vgl. amtl. Begr. in PMZ 2008, 274, 301, 302). Sowohl für die Vorlage von Urkunden als auch für die Besichtigung einer Sache genügt mithin, „dass für die Verletzung bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht“ (BGH aaO., Leitsatz 2) bzw. dass für die Annahme einer Verletzung „bereits ein gewisser Grad an Wahrscheinlichkeit vorliegt“ (BGH GRUR 2002, 1046, 1048 re.Sp. – Faxkarte; 2013, 316, Rdn. 22 – Rohrmuffe; ähnlich (zu § 142 ZPO) BGHZ 169, 30, Rdnrn. 36 ff. = GRUR 2006, 962 – Restschadstoffentfernung). Ist der Gläubiger auf die Besichtigung angewiesen, um eine unterstellte Verletzung nachweisen zu können und stehen besondere Geheimhaltungsinteressen der Besichtigung nicht entgegen (weil sie zB. entweder generell fehlen oder durch Einschaltung eines Dritten bzw. gemäß § 140c Abs. 3 Satz 2 zu treffende erforderliche Maßnahmen berücksichtigt werden können), ist nicht generell ein erheblicher Grad der Wahrscheinlichkeit zu fordern (BGH GRUR 2002, 1046, 1049 li.Sp. – Faxkarte).

Zulässig ist es, wenn sich der Inhaber mehrere Patente in einem Verfahren darauf stützt, dass er zwar nicht festgestellt werden kann, welches der vorhandenen Patente verletzt wird, auf alle Fälle aber die Verletzung eines der Patente wahrscheinlich ist. Je nach Antragsstellung kann dies ggf. Auswirkungen auf die Kostenverteilung des Vorlageverfahrens haben.

Im vorliegenden Fall fehlt es aber bereits an einen Tatsachenvortrag, der eine Verletzung eines der beiden Verfügungspatente als hinreichend wahrscheinlich erscheinen lässt. Es ist insbesondere zu sehen, dass die Klagepartei die vollständige Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast für das Vorliegen einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer Patentverletzung hat. Solange die Klagepartei dem nicht nachkommt, hat die Beklagtenpartei keine Verpflichtung darzulegen, welche Verfahrensschritte sie verwendet. Auf spekulativen Vortrag ist ein bloßes Bestreiten ausreichend. Es besteht insbesondere keine Verpflichtung der Beklagtenpartei darzulegen, bei welchem genauen pH-Wert sie Messungen vornimmt.

Eine Verletzung eines der beiden Patente ist nicht wahrscheinlich. Hinsichtlich des EP 2 799 089 B9 ergibt sich dies bereits aus der Tatsache, dass die Klagepartei dem Vortrag der Beklagtenpartei, dass sie Formulierungen, die nach der Lehre dieses Patents im Ausland hergestellt worden sind, nicht nach Deutschland einführt, nicht entgegengetreten ist. Hinsichtlich des EP 515 ist insbesondere nicht von einer Messung bei einem pH-Wert von 7 auszugehen:

1. EP 2 242 515 B9

a. Das EP 1 210 085 B1 betrifft ein Verfahren zur Herstellung von pharmazeutischen Formulierungen von Kontrastmitteln, insbesondere Formulierungen, die einen Komplex aus einem Chelat mit paramagnetischen Metallionen umfassen und die in der Magnetresonanztomographie (MRT bzw. MRI – Magnetic Resonance Imaging) Verwendung finden.

b. Die Kammer definiert den Fachmann als Team aus einem Chemiker, einem Pharmazeuten und einem Arzt. Die Beteiligung eines Arztes erscheint erforderlich, weil für die erfindungsgemäße Lösung insbesondere auch die Verträglichkeit beim Patienten, mithin die klinische Erfahrung eines Arztes von Bedeutung ist.

c. Im Stand der Technik waren Kontrastmittel auf der Basis von Komplexen aus Chelat mit Lanthaniden (paramagnetisches Metall), insbesondere mit Gadolinium, bekannt. Sie werden beispielsweise in der Schrift US 4,647,447 beschrieben.

Im Organismus befinden sich die Komplexe aus Chelat mit einem Lanthanid im chemischen Gleichgewicht. D.h. einzelne Komplexe werden fortlaufend aufgebrochen (so dass das Chelat und das Lanthanid nicht mehr im Komplex vorliegen), in gleichem Maße finden sich aber nicht im Komplex vorliegende (freie) Chelate und nicht im Komplex vorliegende (freie) Lanthanide und bilden ihrerseits wieder einen Komplex. Die Anzahl der verloren gegangenen und die Anzahl der sich neu ausformende Komplexe heben sich gegeneinander auf. Insoweit hat sich ein chemisches Gleichgewicht eingestellt. Es kommt somit immer auch zu einer gewissen Freisetzung von Lanthanid, insbesondere von Gadolinium. Freies Lanthanid ist toxisch, es kann beispielsweise zu einer nephrogenen systemischen Fibrose führen. Dabei handelt es sich um eine krankhaft vermehrte Bildung des Bindegewebes von Haut, Muskulatur und in inneren Organen. Die Freisetzung von Lanthanid soll deswegen weitestgehend minimiert und kontrolliert werden. Das Problem ist umso gravierender, als die Verabreichung von Kontrastmitteln bei Diagnoseuntersuchungen und/oder für die Steuerung und den Verlauf der Wirksamkeit einer therapeutischen Behandlung häufig wiederholt wird (vergleiche hierzu auch Verfügungspatent A, Absatz [0003]).

Um eine bessere physiologische Verträglichkeit von Komplexen aus Chelaten mit Gadolinium herbeizuführen, wurde im Stand der Technik (der US-Schrift US5,876,695) die Verwendung von Formulierungen vorgeschlagen, die vorsehen, dass dem das Lanthanid komplexierenden Chelat eine Menge an freiem, das heißt nicht komplexiertem, Chelat zugesetzt wird, also ein Überschuss an Chelat erzeugt wird. Der Überschuss an Chelat soll dazu dienen, die unerwünschte Freisetzung von Lanthanid, die es zu vermeiden gilt, zu kompensieren, weil der Überschuss an Chelat das freigesetzte Lanthanid (Metallion Gd3+) komplexiert. Die Schrift US 5,876,695 beschreibt einen Überschuss an freiem linearen Chelat, insbesondere DTPA. Weiter (EP 0 450 078, US 5,876,695 sowie US 2004/0170566) wird die Verwendung von Salzen dieser Chelate (insbesondere von Calcium, Natrium, Zink, Magnesium) beschrieben (vergleiche Verfügungspatent A, Absatz [0005]).

Eine andere Vorgehensweise ist in der Schrift WO 2007/106544 beschrieben. Hier ist vorgesehen, dass chemische Gruppen auf die Chelate aufgepfropft werden, die dazu bestimmt sind, die Affinität des Chelats zu dem Metall zu erhöhen. Auf diese Weise sollen die Komplexe „stärker“ gemacht werden und eine Freisetzung von Lanthanid verringert werden (vergleiche Verfügungspatent A, Absatz [0009]).

d. Eine besondere Verträglichkeit sei bei einer Zusammensetzung vorhanden, bei der makrocyclischen Chelaten, insbesondere DOTA, ein Überschussanteil von freiem Chelat in einer Größenordnung zwischen 0,002 und 0,4%, insbesondere zwischen 0,025% und 0,25%, habe. Diesen „optimalen“ Überschuss an freiem makrocyclischen Chelat herbeizuführen stellt in Anbetracht der geringen Menge und des schmalen Zielbereichs eine technische Herausforderung dar. Dies gilt umso mehr, als ein Herstellungsverfahren im industriellen Maßstab durchgeführt werden muss.

In Anbetracht der Nachteile des Standes der Technik löst das Verfügungspatent A die Aufgabe, ein sicheres, zuverlässiges und reproduzierbares Verfahren zur Verfügung zu stellen, das es möglich macht, eine flüssige pharmazeutische Formulierung, die einen Komplex von makrocyclischem Chelat mit einem Lanthanid sowie freies makrocyclisches Chelat enthält, zur Verfügung zu stellen, wobei eine Zielkonzentration des freien makrocyclischen Chelats in dem Bereich zwischen 0,002 mol/mol % und 0,4 mol/mol % erhalten wird.

e. Diese Aufgabe löst das EP 515 mit dem hier geltend gemachten Patentanspruch 1, der sich wie nachfolgend gezeigt gliedern lässt:

1. Process for preparing a liquid pharmaceutical formulation

1.1 containing a complex of macrocyclic chelate with a lanthanide and

1.2 a mol/mol amount of free macrocyclic chelate of between 0.002% and 0.4%,

1.3 said macrocyclic chelate being DOTA and said lanthanide being gadolinium said process comprising the following successive steps:

1b.1 b) preparation of a liquid pharmaceutical composition containing the complex of macrocyclic chelate with a lanthanide, and free macrocyclic chelate that is not under the form of an excipient X[X',L] in which L is the macrocyclic chelate and X and X' are a metal ion, in particular chosen independently from calcium, sodium, zinc and magnesium, and free lanthanide,

1b.2 by mixing a solution of free DOTA as the free macrocyclic chelate, and of gadolinium as the free lanthanide, so as to obtain complexation of the lanthanide by the macrocyclic chelate, the amounts of free macrocyclic chelate and of free lanthanide being such that not all the lanthanide is complexed;

1c c) measurement at pH 7 in the pharmaceutical formulation obtained in step b) of the concentration of free lanthanide Clan l; the concentration of free macrocyclic chelate Cch l being equal to 0;

1d.1 d) adjustment of Cch l and of Clan l by adding to the formulation obtained in step b) the amount of free macrocyclic chelate necessary, firstly, to complete the complexation of the free lanthanide so as to obtain Clan l = 0, and, secondly, to obtain Cch l = Ct ch l, wherein Ct ch l is the target concentration of the free macrocyclic chelate in the final liquid pharmaceutical formulation and is selected in the range of between 0.002% and 0.4% mol/mol,

1d.2 wherein the amount of free macrocyclic chelate in the final liquid pharmaceutical formulation corresponds to the proportion of free macrocyclic chelate relative to the amount of complexed macrocyclic chelate DOTA-Gd in the final liquid pharmaceutical formulation in mol/mol.

Deutsche Übersetzung:

1. Verfahren zum Herstellen einer flüssigen pharmazeutischen Formulierung

1.1 die einen Komplex von makrocyclischem Chelat mit einem Lanthanid und

1.2 einer mol/mol-Menge an freiem makrocyclischen Chelat zwischen 0,002% und 0,4% enthält,

1.3 wobei das besagte Chelat DOTA und das Lanthanid Gadolinium ist und das Verfahren folgende aufeinanderfolgende Schritte umfasst b.1 b) Herstellen einer flüssigen pharmazeutischen Zusammensetzung, die den Komplex von makrocyclischem Chelat mit einem Lanthanid und freies makrocyclisches Chelat, das nicht in der Form eines Hilfsstoffs X[X',L] vorliegt, wobei L das makrocyclische Chelat ist und X und X' ein Metallion sind, insbesondere unabhängig ausgewählt aus Calcium, Natrium, Zink und Magnesium und freies Lanthanid enthält,

1b.2 durch Mischen einer Lösung von freiem DOTA als freies makrocyclisches Chelat und freies Gadolinium als freies Lanthanid, um so Komplexierung des Lanthanids durch das makrocyclische Chelat zur erhalten, wobei die Mengen an freiem makrocyclischen Chelat und an freiem Lanthanid so sind, dass nicht das gesamte Lanthanid komplexiert wird;

1c. c) Messen bei pH 7 der Konzentration an freiem Lanthanid Clan l in der in Schritt b) erhaltenen pharmazeutischen Formulierung, wobei die Konzentration des freien makrocyclischen Chelats Cch l gleich 0 ist;

1d.1 Einstellen von CCh l und von Clan l durch Zugeben, zu der in Schritt b) erhaltenen Formulierung, der Menge an freiem makrocyclischen Chelat, die notwendig ist, um erstens die Komplexierung des freien lanthanids abzuschließen, um Clan l = 0 zu erhalten, und zweitens, um Cch l = Ct ch l zu erhalten, wobei Ct ch l die Zielkonzentration des freien makrocyclischen Chelats in der fertigen flüssigen pharmazeutischen Formulierung ist und in dem Bereich zwischen 0,002 mol/mol-% und 0,4 mol/mol-% gewählt ist,

  • 1.d.2 wobei die Menge an freiem makrocyclischen Chelat in der fertigen flüssigen pharmazeutischen Formulierung dem Anteil an freiem makrocyclischen Chelat bezogen auf die Menge an komplexiertem makrocyclischen Chelat DOTA-Gd in der fertigen flüssigen pharmazeutischen Formulierung in mol/mol entspricht.

  • 2.Auslegung des Patents

a. Der Schutzbereich eines Europäischen Patents wird nach Art. 69 EPÜ durch die Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind jedoch zur Auslegung heranzuziehen. Hierbei ist funktionsorientiert und aus der Sicht des angesprochenen Fachmanns auszulegen, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Patentschrift ihr eigenes Lexikon bilden kann. Durch in den Patentanspruch aufgenommene Zahlen- und Maßangaben wird der Schutzgegenstand des Patents mitbestimmt und damit auch begrenzt. Wie jeder Bestandteil eines Patents sind Zahlen- und Maßangaben jedoch grundsätzlich der Auslegung fähig (BGH, Urteil vom 12.03.2002, X ZR 168/00 – Schneidmesser).

b. Unter Anwendung dieser Grundsätze wird der Fachmann das Patent so verstehen, dass sich Anspruch 1 mit der Herstellung der in den Merkmalen 1 bis 1.3 beschriebenen flüssigen pharmazeutischen Formulierung befasst. Dabei wird das Verfahren zur Herstellung in aufeinanderfolgenden Schritten beschrieben. Wobei in einem ersten Schritt – 1b.1 und 1b.2 – eine flüssige Zusammensetzung hergestellt wird, die zumindest auch aus einem Komplex von makrocyclischem Chelat mit einem Lanthanid und freiem makrocyclischem Chelat besteht. Dabei sind die Mengenverhältnisse so zu wählen, dass ein Überschuss an Lanthanid vorhanden ist. Nach Merkmal 1c wird die pharmazeutische Formulierung bei dem pH-Wert 7 gemessen, wobei die Konzentration des makrocyclischen Chelats gleich 0 ist. In der Folge – Merkmal 1d.1 – erfolgt eine Anpassung durch die Zugabe von makrocyclischen Chelat.

3. Wahrscheinlichkeit einer Patentverletzung

Die Ausführungen der Klagepartei legen keine hinreichende Wahrscheinlichkeit dar, dass die Beklagtenpartei von der Lehre des EP 515 Gebrauch macht. Die Klagepartei stützt Ihren Vortrag auf das Gutachten des Professors P. C., PhD (Anlage 11, 11a). Dieser führte aus:

„For production in the industrial scale, I therefore think that a manufacturer would be best advised to start the production process with such proportions that not all the lanthanide is complexed by the chelate (so that there is an excess of lanthanide and/or deficit of chelate relative to the stoichiometry). The only substitution for that process would be to follow the method of EP 2 799 089 A2 and start with such proportions that all the lanthanide is complexed and that there is an excess of macrocyclic chelate so that the concentration of chelate exceeds its target concentration (i.e. 0,002 to 0,4% mol/mol).“

Deutsche Übersetzung:

„Daher glaube ich, dass bei Herstellung in industriellem Maßstab der Hersteller das Produktionsverfahren am besten mit solchen Anteilen startet, dass nicht das gesamte Lanthanid durch das Chelat komplexiert wird (so dass ein Überschuss an Lanthanid und/oder Defizit von Chelat bezüglich der Stöchiometrie vorliegt). Die einzige Alternative für dieses Verfahren wäre die Durchführung des Verfahrens gemäß EP 2 799 089 A2 und Beginnen mit solchen Anteilen, dass das gesamte Lanthanid komplexiert wird und dass ein Überschuss von makrocyclischem Chelat vorliegt, so dass die Konzentration von Chelat die Zielkonzentration (d.h. 0,002 bis 0,4% mol/mol) übersteigt.“

Unabhängig von der Tatsache, dass dieses Privatgutachten noch zu der nicht auf eine Messung bei pH-7 eingeschränkten Fassung des EP 515 verfasst wurde, wäre die Aussage dieses Gutachtens nicht geeignet, eine hinreichende Wahrscheinlichkeit zu belegen. Das Privatgutachten kann zwar als Stellungnahme einer Partei bewertet werden. Dies führt aber vorliegend nicht zum Erfolg. Denn in dem Gutachten werden nicht die tatsächlichen Grundlagen geschildert, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass eine wirtschaftliche Herstellung industrieller Mengen der streitgegenständlichen pharmazeutischen Lösung nur mit dem ursprünglich geschützten Verfahren hergestellt werden kann. Das Gutachten stellt vielmehr allein eine nicht überprüfbare Einschätzung des Verfassers dar., also ein Werturteil. Dies wird auch durch die Wortwahl („…I therefore think that a manufacturer would be best advised…; HL 11, Seite 8, vorletzter Absatz) bestätigt. Eine solche Wertung ist nicht ausreichend, um die beanspruchte Urkundenvorlage zu gewähren. Erforderlich wäre ein Tatsachenvortrag, der ggf. glaubhaft zu machen wäre. Hieran fehlt es vollständig.

Die Klagepartei versucht, das in dem Privatgutachten von C. .nicht behandelte Merkmal „Messen bei pH 7“ durch die eidesstattliche Versicherung ihrer Mitarbeiterin Dr. R. zu belegen (Anlage HL 12, 12a). Dort lautet es:

„Dieser pH7 liegt nahe dem physiologischen pH und somit dem pH der fertigen pharmazeutischen Formulierung. Der Fachmann weiß, das das Gleichgewicht zwischen freier Spezies (freies DOTA und freies Gadolinium) und der komplexierten Form DOTA-Gd vom pH abhängt. Die Messung in Schritt c) des Gehalts an freiem Gadolinium in der Lösung, um in Schritt d) die Formulierung mit freiem DOTA einzustellen, erstens zur Vervollständigung der Komplexierung und zweitens zum Erhalten des gewünschten freien DOTA im Bereich von 0,002% - 0,4% in der fertigen pharmazeutischen Formulierung bei pH7 wird logischerweise bei demselben pH, also bei pH7 durchgeführt. Darüber hinaus ist eines der am weitesten verbreiteten Verfahren zum Messen von freiem Gadolinium das kolorimetrische Verfahren mit Arsen-Azo. Der Durchschnittsfachmann würde dieses Verfahren kenn. Dieses Verfahren ist bei pH7 durchführbar.“

Auch aus diesen Ausführungen ergibt sich kein tatsächlicher Anhaltspunkt, der eine Durchführung des Verfahrens mit einer Messung bei einem Wert von pH 7 hinreichend wahrscheinlich erscheinen lässt. Dass allein die Möglichkeit besteht, dass man bei pH 7 messen kann, bedeutet nicht, dass die Beklagten dies auch tatsächlich so umsetzt.

Zumal sich aus Absatz 23 des EP 515 ergibt, dass eine Messung auch bei einem ph-Wert von 5 möglich ist. Aus diesem Absatz und aus Absatz 49 des EP 515 ergibt sich, dass eine Messung bei 7 gerade nicht zwangsläufig ist. In Absatz 49 wird ausgeführt, dass im Fall einer Messung bei einem pH 7 eine geringere Konzentration an Chelat vorhanden ist und die Anpassung dann mit der für das Zielergebnis erforderlichen Menge an Chelat erfolgen müsse. In den zuvor beschriebenen Beispielen erfolgte die Messung bei niedrigeren pH-Werten. Dies führt auch die Klagepartei auf Seiten 4 und 5 des Schriftsatzes vom 16.01.2018 (Bl. 56 f. der Akten) aus. Insbesondere wird in der Anlage HL 19 gezeigt, dass ein Messen in einem pH-Bereich von 4,0 bis 7,0 möglich ist. Gerade auch deshalb ist nicht ersichtlich, weshalb eine Messung genau bei pH 7 zwangsläufig sein soll.

Vor diesem Hintergrund kann nicht von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des EP 515 ausgegangen werden.

4. EP 2 799 089 B9

Das zweite Streitpatent EP 089 unterscheidet sich von dem ersten Streitpatent EP 515 vorrangig darin, dass die vorzunehmende Anpassung ausgehend von einem Überschuss an Lanthanid erfolgen soll. Ansonsten sind die Ausführungen des EP 515 entsprechend heranzuziehen.

a. Auslegung

Hinsichtlich der Auslegung wird auf die obigen Ausführungen zu dem Patent EP 515 Bezug genommen. Das Patent möchte die Aufgabe durch den Anspruch 1 lösen, der sich wie folgt gliedern lässt:

1. Process for preparing a liquid pharmaceutical formulation

1.1 containing a complex of macrocyclic chelate with a lanthanide and

1.2 a mol/mol amount of free macrocyclic chelate of between 0.002% and 0.4%, said process comprising the following successive steps:

1b.1 b) preparation of a liquid pharmaceutical composition containing the complex of macrocyclic chelate with a lanthanide, free macrocyclic chelate that is not under the form of an excipient X[X',L] in which L is the macrocyclic chelate and X and X' are a metal ion, in particular chosen independently from calcium, sodium, zinc and magnesium, and/or free lanthanide,

1b.2' by mixing a solution of free DOTA as the free macrocyclic chelate and of free gadolinium as the free lanthanide, so as to obtain complexation of the lanthanide by the macrocyclic chelate, the amounts of free macrocyclic chelate and of free lanthanide being such that all the lanthanide is complexed and that >, with representing the concentration of free macrocyclic chelate and representing the target concentration of the free macrocyclic chelate in the final liquid pharmaceutical formulation, being selected in the range of between 0.002% and 0.4% mol/mol;

1c' c) measurement in the pharmaceutical formulation obtained in step b) of,, the concentration of free lanthanide being equal to 0;

1d.1' d) adjustment of and of by eliminating free macrocyclic chelate from and/or by adding free lanthanide to and/or by modifying the pH of the formulation obtained in step b) so as to obtain = and = 0, wherein is the target concentration of the free macrocyclic chelate in the final liquid pharmaceutical formulation and is selected in the range of between 0.002% and 0.4% mol/mol,

1d.2 wherein the amount of free macrocyclic chelate in the final liquid pharmaceutical formulation corresponds to the proportion of free macrocyclic chelate relative to the amount of complexed macrocyclic chelate DOTA-Gd in the final liquid pharmaceutical formulation in mol/mol,

1.3 wherein the macrocyclic chelate is DOTA and the lanthanide is gadolinium.

Deutsche Übersetzung:

1. Verfahren zum Herstellen einer flüssigen pharmazeutischen Formulierung,

1.1 die einen Komplex von makrocyclischem Chelat mit einem Lanthanid und

1.2 einer mol/mol-Menge an freiem makrocyclischen Chelat zwischen 0,002% und 0,4% enthält, wobei das Verfahren folgende aufeinander folgende Schritte umfasst:

1b.1 b) Herstellen einer flüssigen pharmazeutischen Zusammensetzung, die den Komplex von makrocyclischem Chelat mit einem Lanthanid, freies makrocyclisches Chelat, das nicht in der Form eines Hilfsstoffs X[X',L] vorliegt, wobei L das makrocyclische Chelat ist und X und X' ein Metallion sind, insbesondere unabhängig ausgewählt aus Calcium, Natrium, Zink und Magnesium, und/oder freies Lanthanid enthält,

1b.2' durch Mischen einer Lösung von freiem DOTA als dem makrocyclischen Chelat und freiem Gadolinium als dem freien Lanthanid, um so Komplexierung des Lanthanids durch das makrocyclische Chelat zu erhalten, wobei die Mengen an freiem makrocyclischen Chelat und an freiem Lanthanid so sind, dass das gesamte Lanthanid komplexiert wird und dass >, wobei die Konzentration an freiem makrocyclischen Chelat ist und die Zielkonzentration des freien makrocyclischen Chelats in der fertigen flüssigen pharmazeutischen Formulierung ist, wobei in dem Bereich zwischen 0,002 mol/mol-% und 0,4 mol/mol-% gewählt ist;

1c' c) Messen von in der in Schritt b) erhaltenen pharmazeutischen Formulierung, wobei die Konzentration an freiem Lanthanid gleich 0 ist;

1d.1' d) Einstellen von und von durch Eliminieren von freiem makrocyclischen Chelat aus und/oder durch Zugeben von freiem Lanthanid zu und/oder durch Modifizieren des pH-Werts der in Schritt b) erhaltenen Formulierung, um = und = 0 zu erhalten, wobei die Zielkonzentration des freien makrocyclischen Chelats in der fertigen flüssigen pharmazeutischen Formulierung ist und in dem Bereich zwischen 0,002 mol/mol-% und 0,4 mol/mol-% gewählt ist,

1d.2 wobei die Menge an freiem makrocyclischen Chelat in der fertigen flüssigen pharmazeutischen Formulierung dem Anteil an freiem makrocyclischen Chelat bezogen auf die Menge an komplexiertem makrocyclischen Chelat DOTA-Gd in der fertigen flüssigen pharmazeutischen Formulierung in mol/mol entspricht,

1.3 wobei das makrocyclische Chelat DOTA ist und das Lanthanid Gadolinium ist.

b. Verletzung

Nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagtenpartei werden keine Produkte die mit einem Verfahren gemäß dem Verfügungspatent EP 089 im Ausland hergestellt worden sind, in die Bundesrepublik Deutschland geliefert. Auf Grund der Parteimaxime im Zivilverfahren ist das Gericht an diesen Vortrag gebunden, obwohl die Beklagtenpartei nicht glaubhaft gemacht hat, dass die Anweisung, keine nach dem Verfahren EP 089 hergestellten Medikamente nach Deutschland zu liefern, auch befolgt wurde.

III. Verfügungsgrund

Für den geltend gemachten Anspruch auf Urkundenvorlage nach § 140c PatG folgt aus Absatz 3 Satz 1, dass der Weg der einstweiligen Verfügung eröffnet ist. Nach der herrschenden Meinung (vgl. Mes, PatG, 4. Aufl. 2015, § 140c, Rn. 35) kann auf den zeitlichen Moment der Dringlichkeit verzichtet werden, weil dem Rechteinhaber ansonsten effektiver Rechtsschutz faktisch versagt werden würde.

IV. Nebenentscheidungen

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Absatz 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Patentgesetz - PatG | § 139


(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. Der Anspruch

Zivilprozessordnung - ZPO | § 142 Anordnung der Urkundenvorlegung


(1) Das Gericht kann anordnen, dass eine Partei oder ein Dritter die in ihrem oder seinem Besitz befindlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen, auf die sich eine Partei bezogen hat, vorlegt. Das Gericht kann hierfür eine Frist setzen sowie anordnen,

Patentgesetz - PatG | § 9


Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung 1. ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzust

Patentgesetz - PatG | § 143


(1) Für alle Klagen, durch die ein Anspruch aus einem der in diesem Gesetz geregelten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird (Patentstreitsachen), sind die Zivilkammern der Landgerichte ohne Rücksicht auf den Streitwert ausschließlich zuständig.

Patentgesetz - PatG | § 140c


(1) Wer mit hinreichender Wahrscheinlichkeit entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Rechtsinhaber oder einem anderen Berechtigten auf Vorlage einer Urkunde oder Besichtigung einer Sache, die sich in seiner Verfügung

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Bundesgerichtshof Urteil, 12. März 2002 - X ZR 168/00

bei uns veröffentlicht am 12.03.2002

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 168/00 Verkündet am: 12. März 2002 Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja Schneidmesser

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(1) Für alle Klagen, durch die ein Anspruch aus einem der in diesem Gesetz geregelten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird (Patentstreitsachen), sind die Zivilkammern der Landgerichte ohne Rücksicht auf den Streitwert ausschließlich zuständig.

(2) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Patentstreitsachen für die Bezirke mehrerer Landgerichte einem von ihnen zuzuweisen. Die Landesregierungen können diese Ermächtigungen auf die Landesjustizverwaltungen übertragen. Die Länder können außerdem durch Vereinbarung den Gerichten eines Landes obliegende Aufgaben insgesamt oder teilweise dem zuständigen Gericht eines anderen Landes übertragen.

(3) Von den Kosten, die durch die Mitwirkung eines Patentanwalts in dem Rechtsstreit entstehen, sind die Gebühren nach § 13 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes und außerdem die notwendigen Auslagen des Patentanwalts zu erstatten.

(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. Der Anspruch ist ausgeschlossen, soweit die Inanspruchnahme aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Gebote von Treu und Glauben für den Verletzer oder Dritte zu einer unverhältnismäßigen, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Härte führen würde. In diesem Fall ist dem Verletzten ein angemessener Ausgleich in Geld zu gewähren. Der Schadensersatzanspruch nach Absatz 2 bleibt hiervon unberührt.

(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung eingeholt hätte.

(3) Ist Gegenstand des Patents ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses, so gilt bis zum Beweis des Gegenteils das gleiche Erzeugnis, das von einem anderen hergestellt worden ist, als nach dem patentierten Verfahren hergestellt. Bei der Erhebung des Beweises des Gegenteils sind die berechtigten Interessen des Beklagten an der Wahrung seiner Herstellungs- und Betriebsgeheimnisse zu berücksichtigen.

(1) Das Gericht kann anordnen, dass eine Partei oder ein Dritter die in ihrem oder seinem Besitz befindlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen, auf die sich eine Partei bezogen hat, vorlegt. Das Gericht kann hierfür eine Frist setzen sowie anordnen, dass die vorgelegten Unterlagen während einer von ihm zu bestimmenden Zeit auf der Geschäftsstelle verbleiben.

(2) Dritte sind zur Vorlegung nicht verpflichtet, soweit ihnen diese nicht zumutbar ist oder sie zur Zeugnisverweigerung gemäß den §§ 383 bis 385 berechtigt sind. Die §§ 386 bis 390 gelten entsprechend.

(3) Das Gericht kann anordnen, dass von in fremder Sprache abgefassten Urkunden eine Übersetzung beigebracht wird, die ein Übersetzer angefertigt hat, der für Sprachübertragungen der betreffenden Art in einem Land nach den landesrechtlichen Vorschriften ermächtigt oder öffentlich bestellt wurde oder einem solchen Übersetzer jeweils gleichgestellt ist. Eine solche Übersetzung gilt als richtig und vollständig, wenn dies von dem Übersetzer bescheinigt wird. Die Bescheinigung soll auf die Übersetzung gesetzt werden, Ort und Tag der Übersetzung sowie die Stellung des Übersetzers angeben und von ihm unterschrieben werden. Der Beweis der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Übersetzung ist zulässig. Die Anordnung nach Satz 1 kann nicht gegenüber dem Dritten ergehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 168/00 Verkündet am:
12. März 2002
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
Schneidmesser I
PatG 1981 § 14; EPÜ Art. 69

a) Durch in den Patentanspruch aufgenommene Zahlen- und Maßangaben
wird der Schutzgegenstand des Patents mitbestimmt und damit auch begrenzt.
Wie jeder Bestandteil eines Patentanspruchs sind Zahlen- und
Maßangaben jedoch grundsätzlich der Auslegung fähig.

b) Erschließt sich dem Fachmann kein abweichender Zahlenwert als im Sinne
des anspruchsgemäßen Wertes gleichwirkend, erstreckt sich der Schutzbereich
insoweit nicht über den Sinngehalt des Anspruchs hinaus.
BGH, Urt. v. 12. März 2002 - X ZR 168/00 - OLG Karlsruhe
LG Mannheim
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. Januar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis,
den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. MeierBeck
und Asendorf

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das am 23. August 2000 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist Inhaberin einer ausschlieûlichen Lizenz an dem am 12. Juni 1987 angemeldeten deutschen Patent 37 19 721 (Klagepatent), wegen dessen Verletzung sie die Beklagte in Anspruch nimmt.
Das Klagepatent ist im Einspruchsverfahren vom Bundespatentgericht beschränkt aufrechterhalten worden. Patentanspruch 1 lautet danach:
"Mit einem Gegenmesser zusammenwirkendes Schneidmesser (1) für Rotationsschneidanlagen für Papier, insbesondere mehrlagige vereinzelte Papierprodukte in Schuppenformation, mit einem runden, im wesentlichen kegelstumpfförmigen Grundkörper (4), dessen zur senkrecht zur Drehachse verlaufenden Schneidebene (6) konische Tragfläche Klingen (8) o. dgl. trägt, dadurch gekennzeichnet , daû die Klingen (8)

a) auf der kegelstumpfförmigen Rückfläche (3) des Grundkörpers (4) angeordnet sind und mit der Schneidebene (6) einen Winkel (5) von 10°- 22°, vorzugsweise 16° einschlieûen,

b) in unterschiedlichen Schneidstellungen in Richtung auf die Schneidebene (6) in länglichen Aussparungen (18) des Grundkörpers (4) verschiebbar gelagert und in diesem arretierbar sind,

c) mit ihren Längsachsen einen spitzen Winkel zum jeweiligen Radius des Grundkörpers (4), der 9° - 12° beträgt, einschlieûen ,
- in Draufsicht rechteckig ausgebildet sind, und
- in Zahnform die Schneidfläche (13) bilden."
Die Beklagte ist als übernehmende Gesellschaft Rechtsnachfolgerin der mit ihr verschmolzenen E. GmbH (im folgenden: E.). E. belieferte ein französi-
sches Unternehmen, das eine Rotationsschneidemaschine von der Klägerin bezogen hatte, mit passenden Schneidmessern, in denen die Klägerin eine Verletzung des Klagepatents sieht.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäû zur Unterlassung und zur Rechnungslegung verurteilt und ihre Verpflichtung zum Schadensersatz und zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung festgestellt. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie weiterhin die Abweisung der Klage erstrebt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, daû die angegriffenen Schneidmesser in den Schutzbereich des Klagepatents fallen und die Beklagte wegen deren Herstellung und Vertriebs zur Unterlassung, zum Schadensersatz und zur Entschädigung sowie zur Rechnungslegung verpflichtet ist (§§ 14, 139 Abs. 1 und 2, 33 Abs. 1 PatG, 242 BGB).
I. Das Klagepatent betrifft ein Schneidmesser für Rotationsschneidanlagen für Papier. Derartige Schneidmesser dienen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts dazu, im Zusammenwirken mit einem Gegenmesser eine Schuppe aus vereinzelten, überlappend aufeinanderliegenden Druckerzeug-
nissen zu beschneiden. Sie bestehen aus einem runden Grundkörper, dessen zur - senkrecht zur Drehachse verlaufenden - Schneidebene konische Tragfläche mit einer Vielzahl von Klingen bestückt ist.
Bei einem aus der deutschen Offenlegungsschrift 35 36 989 bekannten Schneidmesser dieser Art ist die konische Tragfläche als Vorderfläche des Grundkörpers der Schneidebene zugekehrt. Sind die Schneidflächen der (unverschiebbar ) in Ausnehmungen der Tragfläche untergebrachten Klingen abgenutzt , können sie zwar nachgeschliffen werden, jedoch verringert sich der Durchmesser des Schneidmessers entsprechend.
Das Berufungsgericht hat das technische Problem in Übereinstimmung mit den Angaben in der Klagepatentschrift dahin formuliert, die Lebensdauer derartiger Schneidmesser zu erhöhen und gleichzeitig zu gewährleisten, daû der jeweils wirksame Radius der Schneidflächen auch nach einem etwaigen Nachschleifen unverändert bleiben kann, und die erfindungsgemäûe Lösung nach dem aufrechterhaltenen Patentanspruch 1 wie folgt in Merkmale gegliedert :
1. Es handelt sich um ein mit einem Gegenmesser zusammenwirkendes Schneidmesser für Rotationsschneidanlagen für Papier, insbesondere mehrlagige vereinzelte Papierprodukte in Schuppenformation.
2. Das Schneidmesser besitzt einen runden, im wesentlichen kegelstumpfförmigen Grundkörper.
3. Der Grundkörper weist eine Tragfläche auf, die zur - senkrecht zur Drehachse verlaufenden - Schneidebene konisch ist und Klingen oder dergleichen trägt.
4. Die Klingen

a) sind auf der kegelstumpfförmigen Rückfläche des Grundkörpers angeordnet und schlieûen mit der Schneidebene einen Winkel von 10° bis 22°, vorzugsweise von 16°, ein,

b) sind in unterschiedlichen Schneidstellungen in Richtung auf die Schneidebene in länglichen Aussparungen des Grundkörpers verschiebbar gelagert und in diesen arretierbar,

c) schlieûen mit ihren Längsachsen einen spitzen Winkel zum jeweiligen Radius des Grundkörpers ein, wobei der Winkel 9° bis 12° beträgt ,

d) sind in Draufsicht rechteckig ausgebildet und

e) bilden in Zahnform die Schneidfläche.
Nach den weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts, bei denen es sich auf den Beschluû des Bundespatentgerichts im Einspruchsverfahren bezogen hat, unterscheidet sich das so umschriebene Schneidmesser von dem im Einspruchsverfahren gewürdigten Stand der Technik insbesondere dadurch, daû die Klingenlängsachsen nur einen kleinen Winkel von 9° bis 12° zum
Radius des Grundkörpers aufweisen und die Schneidkanten entsprechend flach in das Schneidgut eintauchen, wodurch sich eine besonders vorteilhafte Schnittführung ergibt. Das wird weder von der Revisionsklägerin noch von der Revisionsbeklagten angegriffen und läût keinen Rechtsfehler erkennen.
II. Auch insoweit unbeanstandet und rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht weiterhin festgestellt, daû das von E. hergestellte und vertriebene Schneidmesser bis auf Merkmal 4 c) wortsinngemäû Patentanspruch 1 des Klagepatents entspreche. Hinsichtlich des streitigen Merkmals 4 c) hat das Landgericht gemeint, daû auch dieses verwirklicht sei, weil der Winkel bei der angegriffenen Ausführungsform selbst mit dem von der Beklagten behaupteten Maû von 8° 40' noch im Wortsinn des Anspruchs liege, zu dem der Fachmann den in der DIN ISO 2768 T2 für die Toleranzklassen "fein" und "mittel" vorgesehenen Toleranzbereich von ± 20' rechne. Das Berufungsgericht hat offengelassen , ob dem zu folgen sei, und angenommen, daû ein Winkel von 8° 40' jedenfalls eine Verletzung des Klagepatents mit äquivalenten Mitteln begründe.
1. Die Auffassung der Beklagten, der Schutzbereich eines Patents, in dessen Anspruch Maûangaben als Höchst- und Mindestwerte angegeben seien , beschränke sich unter Ausschluû von Äquivalenten auf den im Anspruch genannten Bereich, hat das Berufungsgericht für unzutreffend erachtet. Zwar möge die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Rechtslage vor 1978 (Sen.Urt. v. 31.1.1984 - X ZR 7/82, GRUR 1984, 425 - Bierklärmittel) im Hinblick auf die durch § 14 PatG betonte Bedeutung der Patentansprüche für die Bemessung des Schutzbereichs sowie unter Berücksichtigung des Gesichtspunkts der Rechtssicherheit einer Einschränkung bedürfen. Sie könne jedoch nicht so weit gehen, daû jeder über den Anspruchswortlaut hinausgehende
Schutzbereich ausgeschlossen sei. Vielmehr erfasse, soweit nicht der Stand der Technik oder sonstige Umstände wie etwa Beschränkungen oder Verzichtserklärungen im Erteilungsverfahren eine einschränkende Auslegung geböten , der Schutzbereich eines Patents, dessen Anspruch Zahl- und Maûangaben enthalte, jedenfalls solche Ausführungsformen, bei denen von dem im Patent beanspruchten Bereich nur in derart geringfügigem Maû abgewichen werden, daû sich dem Fachmann die Gleichwirkung geradezu aufdränge.
2. Die Revision ist demgegenüber der Meinung, das entscheidende Gewicht , das der Rechtssicherheit für auûenstehende Dritte nach dem Auslegungsprotokoll zu Art. 69 EPÜ zukomme, hindere, den Schutzbereich von Patentansprüchen , die Zahlenangaben als Höchst- und Mindestwerte enthalten, durch Äquivalenzbetrachtungen über die im Patentanspruch genannten Grenzen hinaus zu erweitern. Solche Höchst- und Mindestwerte müûten vielmehr wörtlich genommen und als absolute Grenzen des Schutzbereichs behandelt werden. Die Rechtsprechung des Senats zur Erstreckung des Schutzbereichs auf äquivalente Ausführungsformen sei nicht auf Anspruchsmerkmale übertragbar , die mit der Formulierung "von ... bis" mit Zahlen- und Maûangaben Höchst- und Mindestwerte festlegten. Die Lehre von der Äquivalenz sei für normale Anspruchsmerkmale entwickelt worden, die den unter Schutz gestellten Gegenstand mit Worten und Begriffen definierten. Zahlen- und Maûangaben seien schon begrifflich durch die Angabe der Maûeinheit und des Zahlenwertes um ein Vielfaches schärfer und exakter definiert als ein normales, in Worten und Begriffen formuliertes Anspruchsmerkmal; sie würden daher vom angesprochenen Verkehr von vornherein als exakte scharf definierte Grenze des Schutzbereichs verstanden. Zudem habe es der Anmelder in der Hand, die
im Patentanspruch angegebenen Höchst- und Mindestwerte zu variieren und exakt an den Anwendungsbereich der Erfindung anzupassen.
3. Dem kann nur zum Teil gefolgt werden.

a) Nach § 14 PatG und der wortgleichen Vorschrift des Art. 69 Abs. 1 EPÜ wird der Schutzbereich des Patents durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt, zu deren Auslegung die Beschreibung und die Zeichnungen heranzuziehen sind. Nach den Grundsätzen, die der erkennende Senat hierzu entwickelt hat, dient die Auslegung der Patentansprüche nicht nur der Behebung etwaiger Unklarheiten, sondern auch zur Erläuterung der darin verwendeten technischen Begriffe sowie zur Klärung der Bedeutung und der Tragweite der dort beschriebenen Erfindung (BGHZ 98, 12, 18 f. - Formstein; 105, 1, 10 - Ionenanalyse; 125, 303, 309 f. - Zerlegvorrichtung für Baumstämme; Sen.Urt. v. 5.5.1992 - X ZR 9/91, GRUR 1992, 594, 596 - mechanische Betätigungsvorrichtung ). Abzustellen ist dabei auf die Sicht des Fachmanns, von dessen Verständnis bereits die Bestimmung des Inhalts der Patentansprüche einschlieûlich der dort verwendeten Begriffe abhängt und das auch bei der Feststellung des über den Wortlaut hinausgehenden Umfangs des von den Patentansprüchen ausgehenden Schutzes maûgebend ist. Bei der Prüfung der Frage, ob die im Patent unter Schutz gestellte Erfindung benutzt wird, ist daher zunächst unter Zugrundelegung dieses Verständnisses der Inhalt der Patentansprüche festzustellen, d.h. der dem Anspruchswortlaut vom Fachmann beigelegte Sinn zu ermitteln. Macht die angegriffene Ausführungsform von dem so ermittelten Sinngehalt eines Patentanspruchs Gebrauch, dann wird die unter Schutz stehende Erfindung benutzt. Bei einer vom Sinngehalt der Patentansprüche abweichenden Ausführung kann eine Benutzung dann vorliegen, wenn der Fach-
mann auf Grund von Überlegungen, die an den Sinngehalt der in den Ansprüchen unter Schutz gestellten Erfindung anknüpfen, die bei der angegriffenen Ausführungsform eingesetzten abgewandelten Mittel mit Hilfe seiner Fachkenntnisse als für die Lösung des der Erfindung zugrundeliegenden Problems gleichwirkend auffinden konnte (BGHZ 105, 1, 10 f. - Ionenanalyse; Sen.Urt. v. 3.10.1989 - X ZR 33/88, GRUR 1989, 903, 904 - Batteriekastenschnur; v. 28.6.2000 - X ZR 128/98, GRUR 2000, 1005, 1006 - Bratgeschirr). Dabei fordert es das gleichgewichtig neben dem Gesichtspunkt eines angemessenen Schutzes der erfinderischen Leistung stehende Gebot der Rechtssicherheit, daû der durch Auslegung zu ermittelnde Sinngehalt der Patentansprüche nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maûgebliche Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs bildet; diese hat sich an den Patentansprüchen auszurichten (BGHZ 106, 84, 90 f. - Schwermetalloxidationskatalysator; Sen.Urt. v. 3.10.1989 - X ZR 33/88, GRUR 1989, 903, 904 - Batteriekastenschnur; v. 20.4.1993 - X ZR 6/91, GRUR 1993, 886, 889 - Weichvorrichtung I). Für die Zugehörigkeit einer vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichenden Ausführung zum Schutzbereich genügt es hiernach nicht, daû sie (1.) das der Erfindung zu Grunde liegende Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln löst und (2.) seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen , die abgewandelten Mittel als gleichwirkend aufzufinden. Ebenso wie die Gleichwirkung nicht ohne Orientierung am Patentanspruch festgestellt werden kann (Einzelheiten hierzu Sen.Urt. v. 28.6.2000 - X ZR 128/98, GRUR 2000, 1005, 1006 - Bratgeschirr), müssen (3.) darüber hinaus die Überlegungen , die der Fachmann anstellen muû, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sein, daû der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen gleichwertige Lösung in Betracht zieht.

Von diesen Grundsätzen abzuweichen, besteht kein Anlaû. Sie stehen in Einklang mit dem Protokoll über die Auslegung von Art. 69 Abs. 1 EPÜ (BGBl. 1976 II 1000), das nach ständiger Rechtsprechung des Senats (BGHZ 106, 84, 93 f. - Schwermetalloxidationskatalysator; Sen.Urt. v. 5.5.1992 - X ZR 9/91, GRUR 1992, 594, 596 - mechanische Betätigungsvorrichtung) auch zur Auslegung von § 14 PatG heranzuziehen ist. Nach Art. 2 Nr. 1 der Münchener Revisionsakte zum Europäischen Patentübereinkommen vom 29.11.2000 soll zukünftig das revidierte Auslegungsprotokoll in Art. 2 ausdrücklich vorsehen, daû bei der Bestimmung des Schutzbereichs des europäischen Patents solchen Elementen gebührend Rechnung zu tragen ist, die Äquivalente der in den Patentansprüchen genannten Elemente sind.

b) Die Grundsätze der Schutzbereichsbestimmung sind auch dann anzuwenden , wenn der Patentanspruch Zahlen- oder Maûangaben enthält. Solche Angaben nehmen an der Verbindlichkeit des Patentanspruchs als maûgeblicher Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs teil. Die Aufnahme von Zahlen- oder Maûangaben in den Anspruch verdeutlicht, daû sie den Schutzgegenstand des Patents mitbestimmen und damit auch begrenzen sollen (Sen., BGHZ 118, 210, 218 f. - Chrom-Nickel-Legierung). Es verbietet sich daher, solche Angaben als minder verbindliche, lediglich beispielhafte Festlegungen der geschützten technischen Lehre anzusehen, wie dies in der Rechtsprechung zur Rechtslage im Inland vor Inkrafttreten des Art. 69 EPÜ und der entsprechenden Neuregelung des nationalen Rechts für möglich erachtet worden ist (vgl. RGZ 86, 412, 416 f. - pyrophore Metallegierungen; RG, Urt. v. 10.3.1928 - I 238/27, GRUR 1928, 481 - Preûhefe I; OGH BrZ 3, 63, 71 f. - künstliche Wursthüllen).


c) Wie jeder Bestandteil eines Patentanspruchs sind Zahlen- und Maûangaben grundsätzlich der Auslegung fähig. Wie auch sonst kommt es darauf an, wie der Fachmann solche Angaben im Gesamtzusammenhang des Patentanspruchs versteht, wobei auch hier zur Erläuterung dieses Zusammenhangs Beschreibung und Zeichnungen heranzuziehen sind. Dabei ist zu berücksichtigen , daû Zahlen- und Maûangaben schon nach ihrem objektiven Gehalt, der auch das Verständnis des Fachmanns prägen wird, nicht einheitlich sind, sondern in unterschiedlichen Formen Sachverhalte mit durchaus verschiedenen Inhalten bezeichnen können.

d) Schon diese Umstände schlieûen es aus, daû der Fachmann Zahlen-, Maû- oder Bereichsangaben eine immer gleiche feste Bedeutung zuweisen wird. Jedoch wird er solchen Angaben in aller Regel einen höheren Grad an Eindeutigkeit und Klarheit zubilligen, als dies bei verbal umschriebenen Elementen der erfindungsgemäûen Lehre der Fall wäre (v. Rospatt, GRUR 2001, 991, 993). Denn Zahlen sind als solche eindeutig, während sprachlich formulierte allgemeine Begriffe eine gewisse Abstraktion von dem durch sie bezeichneten Gegenstand bedeuten. Zudem müssen solche Begriffe, wenn sie in einer Patentschrift verwendet werden, nicht notwendig in dem Sinn gebraucht werden , den der allgemeine technische Sprachgebrauch ihnen beimiût; die Patentschrift kann insoweit ihr "eigenes Wörterbuch" bilden (vgl. Sen.Urt. v. 2.3.1999 - X ZR 85/96, GRUR 1999, 909, 912 - Spannschraube; v. 13.4.1999 - X ZR 23/97, Mitt. 2000, 105, 106 - Extrusionskopf). Aus der Sicht des fachmännischen Lesers kann durch Zahlen- und Maûangaben konkretisierten Merkmalen deshalb die Bedeutung zukommen, daû der objektive, erfindungsgemäû zu erreichende Erfolg genauer und gegebenenfalls enger eingegrenzt
wird, als dies bei bloû verbaler Umschreibung der Fall wäre. Da es Sache des Anmelders ist, dafür zu sorgen, daû in den Patentansprüchen alles niedergelegt ist, wofür er Schutz begehrt (Sen.Urt. v. 3.10.1989 - X ZR 33/88, GRUR 1989, 903, 905 - Batteriekastenschnur; v. 5.5.1992 - X ZR 9/91, GRUR 1992, 594, 596 - Mechanische Betätigungsvorrichtung), darf der Leser der Patentschrift annehmen, daû diesem Erfordernis auch bei der Aufnahme von Zahlenangaben in die Formulierung der Patentansprüche genügt worden ist. Dies gilt um so mehr, als der Anmelder bei Zahlenangaben besonderen Anlaû hat, sich über die Konsequenzen der Anspruchsformulierung für die Grenzen des nachgesuchten Patentschutzes klar zu werden.
Daher ist eine deutlich strengere Beurteilung angebracht, als es der Praxis zur Rechtslage in Deutschland vor 1978 entsprach (Bruchhausen, GRUR 1982, 1, 4). Eine eindeutige Zahlenangabe bestimmt und begrenzt den geschützten Gegenstand grundsätzlich insoweit abschlieûend; ihre Über- oder Unterschreitung ist daher in aller Regel nicht mehr zum Gegenstand des Patentanspruchs zu rechnen (v. Falck, Festschrift zum 100jährigen Bestehen der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, S. 543, 577).
Andererseits schlieût dies nicht aus, daû der Fachmann eine gewisse, beispielsweise übliche Toleranzen umfassende, Unschärfe als mit dem technischen Sinngehalt einer Zahlenangabe vereinbar ansieht. So hat das House of Lords in der Catnic-Entscheidung (R.P.C. 1982, 163; deutsch GRUR Int. 1982, 136), die allerdings die Rechtslage im Vereinigten Königreich vor der europäischen Harmonisierung betraf, bei einem auf einen rechten Winkel gerichteten Anspruchsmerkmal Abweichungen von 6° bzw. 8° vom rechten Winkel als mit
der Annahme einer Benutzung der geschützten Lehre vereinbar angesehen. In einem solchen Fall kann es grundsätzlich nicht darauf ankommen, ob im Anspruch von einem rechten Winkel oder von 90° die Rede ist. Maûgeblich ist vielmehr der unter Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen zu ermittelnde Sinngehalt des Patentanspruchs. In einem anderem Zusammenhang kann der gleiche Winkel sich daher dem Fachmann auch als exakt einzuhaltende Gröûe darstellen. Dies gilt grundsätzlich auch für Zahlenbereiche mit Grenzwerten (vgl. Sen., BGHZ 118, 210, 218 f. - Chrom-Nickel-Legierung; vgl. auch White, The C.I.P.A. Guide to the Patents Act, 5. Aufl., Part III, Section 125 Rdn. 22 mit Hinweis auf die soweit ersichtlich - insoweit - unveröffentlichten Entscheidungen Lubrizol v. Esso und Goldschmidt v. EOC Belgium). Ein Verständnis , daû ein Wert genau einzuhalten ist, wird vor allem dann der Vorstellung des Fachmanns entsprechen, wenn er erkennt, daû es sich um einen "kritischen" Wert handelt. Wie eine bestimmte Zahlen- oder Maûangabe im Patentanspruch demnach zu verstehen ist, ist eine Frage des der tatrichterlichen Beurteilung unterliegenden fachmännischen Verständnisses im Einzelfall.

d) Wie für die Erfassung des technischen Sinngehalts des Patentanspruchs gilt auch für die Bestimmung eines über diesen hinausreichenden Schutzbereichs, daû im Anspruch enthaltene Zahlen- oder Maûangaben mit den angegebenen Werten den geschützten Gegenstand begrenzen. Im Rahmen der Schutzbereichsbestimmung darf vom Sinngehalt der Zahlen- und Maûangaben nicht abstrahiert werden. Bei der Prüfung der Frage, ob der Fachmann eine Ausführungsform mit einem vom Anspruch abweichenden Zahlenwert aufgrund von Überlegungen, die sich am Sinngehalt der im Anspruch umschriebenen Erfindung orientieren, als gleichwirkende Lösung auffinden kann, muû vielmehr die sich aus der Zahlenangabe ergebende Eingren-
zung des objektiven, erfindungsgemäû zu erreichenden Erfolgs berücksichtigt werden. Als im Sinne des Patentanspruchs gleichwirkend kann nur eine Ausführungsform angesehen werden, die der Fachmann als eine solche auffinden kann, die nicht nur überhaupt die Wirkung eines - im Anspruch zahlenmäûig eingegrenzten - Merkmals der Erfindung erzielt, sondern auch gerade diejenige , die nach seinem Verständnis anspruchsgemäû der zahlenmäûigen Eingrenzung dieses Merkmals zukommen soll. Fehlt es daran, ist auch eine objektiv und für den Fachmann erkennbar technisch ansonsten gleichwirkende Ausführungsform vom Schutzbereich des Patents grundsätzlich nicht umfaût.
Damit im Kern übereinstimmend hat auch die Rechtsprechung im Vereinigten Königreich zur Feststellung einer Verletzung geprüft, ob die fachkundige Öffentlichkeit erwarten und sich darauf einstellen darf, daû es nach dem Patent auf die genaue Einhaltung des Wortlauts des Patentanspruchs ankommen soll (vgl. die sog. dritte Catnic-Frage; für das harmonisierte Recht u.a. Patents Court, F.S.R. 1989, 181 = GRUR Int. 1993, 245 - Improver Corporation v. Remington Consumer Products Ltd. ("Epilady"-Fall); Court of Appeal R.P.C. 1995, 585 = GRUR Int. 1997, 374 - Kastner v. Rizla Ltd.). Bezogen auf ein einzelnes Merkmal des Patentanspruchs geht es darum, ob das betreffende Merkmal dem Fachmann als ein solches erscheint, das ausschlieûlich wortsinngemäû benutzt werden kann, wenn die beanspruchte Lehre zum technischen Handeln eingehalten werden soll (vgl. Court of Appeal R.P.C. 1995, 585 = GRUR Int. 1997, 374 - Kastner v. Rizla Ltd.). Ein solches Verständnis kann insbesondere bei Zahlen- und Maûangaben in Betracht zu ziehen sein (vgl. Patents Court, R.P.C. 1997, 649 - Auchincloss v. Agricultural & Veterinary Supplies Ltd.).
Wie bei anderen Elementen des Patentanspruchs auch darf deshalb die anspruchsgemäûe Wirkung nicht unter Auûerachtlassung von im Anspruch enthaltenen Zahlen- und Maûangaben bestimmt werden. Es reicht daher für die Einbeziehung abweichender Ausführungsformen in den Schutzbereich grundsätzlich nicht aus, daû nach der Erkenntnis des Fachmanns die erfindungsgemäûe Wirkung im übrigen unabhängig von der Einhaltung des Zahlenwertes eintritt. Erschlieût sich dem Fachmann kein abweichender Zahlenwert als im Sinne des anspruchsgemäûen Wertes gleichwirkend, erstreckt sich der Schutzbereich insoweit nicht über den Sinngehalt des Patentanspruchs hinaus. Die anspruchsgemäûe Wirkung des zahlenmäûig bestimmten Merkmals wird in diesem Fall nach dem Verständnis des Fachmanns durch die (genaue ) Einhaltung eines Zahlenwertes bestimmt und kann daher notwendigerweise durch einen abweichenden Zahlenwert nicht erzielt werden. In einem solchen Fall genügt es nicht, daû der Fachmann auch eine von der Zahlenangabe abstrahierende Lehre als technisch sinnvoll erkennt.
Der Anmelder wird nicht immer den vollen technischen Gehalt der Erfindung erkennen und ausschöpfen; er ist auch - unbeschadet der Frage, ob ihm das rechtlich möglich ist - von Rechts wegen nicht gehalten, dies zu tun. Beschränkt sich das Patent bei objektiver Betrachtung auf eine engere Anspruchsfassung , als dies vom technischen Gehalt der Erfindung und gegenüber dem Stand der Technik geboten wäre, darf die Fachwelt darauf vertrauen, daû der Schutz entsprechend beschränkt ist. Dem Patentinhaber ist es dann verwehrt, nachträglich Schutz für etwas zu beanspruchen, was er nicht unter Schutz hat stellen lassen. Das gilt selbst dann, wenn der Fachmann erkennt, daû die erfindungsgemäûe Wirkung als solche (in dem vorstehend ausgeführ-
ten engeren Sinn) über den im Patentanspruch unter Schutz gestellten Bereich hinaus erreicht werden könnte.
4. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze läût die Bestimmung des Schutzbereichs des Klagepatents durch das Berufungsgericht keinen Rechtsfehler erkennen.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die angegriffenen Schneidmesser erzielten mindestens im wesentlichen die gleiche Wirkung wie Vorrichtungen, bei denen der Winkel zwischen den Längsachsen der Klingen und dem jeweiligen Radius des Grundkörpers zwischen 9° und 12° liege. Die im Klagepatent unter Schutz gestellte geringfügige Abwinklung der Klingen zum jeweiligen Radius führe im Vergleich mit dem Stand der Technik zu einer anderen Schneidgeometrie. Sie bewirke, wie das Bundespatentgericht in seinem Beschluû vom 15. Februar 1996 überzeugend ausgeführt habe, im Zusammenwirken mit der Grundform der Klingen, daû bei einem entsprechend dem Klagepatent ausgestalteten Schneidmesser stets das radial innere Ende der Schneidkante zuerst in das Papier eintauche. Das flache Eintauchen der Schneidkanten in das Schneidgut gewährleiste einen "sanften Einschnitt", wobei gleichzeitig die gegenüber einem Rundmesser bessere Schneidwirkung einer zahnförmigen Schneidfläche erhalten bleibe. Diese Wirkungen träten, wie auch die Beklagte nicht in Abrede stelle, bei der Wahl eines geringfügig spitzeren Winkels (8° 40© statt 9°) in gleicher Weise ein.
Der Fachmann, dem die Wirkungsweise eines gemäû dem Hauptanspruch des Patents ausgestalteten Schneidmesser auch ohne nähere Darstellung in der Beschreibung aufgrund seines Fachwissens klar sei, könne auf-
grund von Überlegungen, die sich an der im Anspruch 1 umschriebenen Erfindung orientierten, ohne weiteres erkennen, daû die Wahl eines geringfügig spitzeren Winkels die erzielten Ergebnisse nicht wesentlich ändere. Allerdings werde der Fachmann dann, wenn in einem Patentanspruch ein bestimmter Bereich vorgegeben sei und sich der Patentschrift kein Anhaltspunkt dafür entnehmen lasse, daû die beanspruchten Werte nur beispielhaft gemeint sein könnten, in der Regel keinen Anlaû haben, sich darüber Gedanken zu machen, ob die Erfindung auch bei der Wahl anderer Werte ausführbar sein könnte. Etwas anderes müsse aber für solche Werte gelten, die nur in so geringem Maû auûerhalb des im Patent genannten Bereichs lägen, daû eine ins Gewicht fallende Änderung der Wirkung von vornherein ausgeschlossen erscheine. So liege es im Streitfall, da der Winkel von 8° 40© um weniger als 4 % von dem im Patent genannten unteren Wert abweiche. Dem angesprochenen Fachmann - einem mit einschlägigen Schneidanordnungen vertrauten Maschinenbauingenieur - sei zudem bekannt, daû eine Abweichung von ± 20© sich im Rahmen der von der einschlägigen DIN-Norm vorgegebenen Allgemeintoleranz für Winkelmaûe halte.
Dem Inhalt der Patentschrift und dem dort mitgeteilten Stand der Technik könne nicht entnommen werden, daû die Vermeidung einer noch so geringfügigen Überschreitung des im Merkmal 4 c) der Merkmalsgliederung genannten Bereichs für die unter Schutz gestellte Lehre wesentlich und bestimmend sei. Bei der in der Patentschrift gewürdigten DE-OS 35 36 989 seien die Längsachsen der Klingen parallel zum jeweiligen Radius angeordnet, ihre Schneidkanten seien schräg zu den Längsachsen in der Weise orientiert, daû stets das radial äuûere Ende zuerst in das Papier eintauche. Aber auch der übrige, im Einspruchsverfahren herangezogene und auf dem Deckblatt der
Klagepatentschrift genannte Stand der Technik gebe keine Veranlassung zu einer einschränkenden und eine äquivalente Verletzung ausschlieûenden Auslegung des Patents.
Damit hat das Berufungsgericht alle maûgeblichen Gesichtspunkte berücksichtigt und in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt , daû der Fachmann den unteren Wert des Winkelbereichs von 9° bis 12° im Prioritätszeitpunkt nicht als starren Grenzwert ansah und eine Ausführungsform , bei der das Winkelmaû von 9° geringfügig unterschritten wird, als gleichwirkend auffinden konnte. Aus den Ausführungen des Berufungsgerichts zur Wirkung der im Klagepatent unter Schutz gestellten geringfügigen Abwinklung der Klingen zum jeweiligen Radius, die im Vergleich mit dem Stand der Technik zu einer anderen Schneidgeometrie führe, ergibt sich, daû der für den Fachmann erkennbare technische Sinngehalt des durch die Bereichsangabe 9 bis 12° näher definierten spitzen Winkels zum jeweiligen Radius des Grundkörpers in dieser durch den Winkel bestimmten und im Anspruch durch die Winkelangabe ausgedrückten Schneidgeometrie zu finden ist. Dann konnte das Berufungsgericht aber auch ohne Rechtsfehler zu der Feststellung gelangen , daû der Fachmann den objektiv unstreitig gleichwirkenden geringfügig kleineren Winkel der angegriffenen Ausführungsform aufgrund von Überlegungen als gleichwirkend auffinden konnte, die sich derart am Sinngehalt des Patentanspruchs einschlieûlich der in Merkmal 4 c) enthaltenen Winkelangabe orientierten, daû er die angegriffene Ausführungsform als der gegenständlichen gleichwertige Lösung des dem Klagepatent zugrundeliegenden Problems in Betracht zog.
5. Die Rüge der Revision, mit der Berufung auf die Allgemeintoleranz setze sich das Berufungsgericht in Widerspruch zu seiner Unterstellung, nach dem Verständnis des Fachmanns seien bei der Angabe des Bereichs 9° bis 12° Herstellungstoleranzen bereits berücksichtigt, ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat mit dieser Unterstellung ersichtlich nur sagen wollen, der technische Sinngehalt (Wortsinn) des Winkelbereichs 9° bis 12° dürfe nach dem Verständnis des Fachmanns nicht noch um einen Toleranzbereich auf 8° 40© bis 12° 20© erweitert werden. Das schloû es nicht aus, bei der Prüfung der Frage, ob die angegriffene Ausführungsform vom Fachmann als gleichwirkend aufgefunden werden konnte, das geringe, sich im Rahmen der üblichen Toleranz haltende Maû der Abweichung vom Wortlaut des Anspruchs zu berücksichtigen.
6. Keinen Erfolg hat auch die weitere Rüge, das Klagepatent sei im Einspruchsbeschwerdeverfahren durch Aufnahme des Winkelbereichs 9° bis 12° eingeschränkt worden, was es ausschlieûe, den Schutzbereich über diese Grenzen hinaus wieder auszudehnen.
Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, die Beschränkung nehme dem Klagepatent nicht den Schutzbereich, den es gehabt hätte, wenn es schon in der nunmehr geltenden Fassung angemeldet (und erteilt) worden wäre. Das ist richtig, und dabei hat das Berufungsgericht auch nicht, wie die Revision meint, übersehen, daû das Klagepatent "doppelt" beschränkt worden ist, nämlich zunächst durch die Aufnahme des Merkmals des spitzen Winkels aus dem erteilten Anspruch 6 und sodann durch den konkreten Winkelbereich aus dem erteilten Anspruch 7. Denn das schlieût es zwar aus, jeden spitzen Winkel als äquivalent anzusehen, verbietet jedoch nicht die Annahme, der Fachmann er-
kenne eine geringfügige Unterschreitung des 9°-Winkels als für die erfindungsgemäûe Wirkung unschädlich.
III. Ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen lassen die Ausführungen des Berufungsgerichts zu den Rechtsfolgen, die es aus der festgestellten Patentverletzung abgeleitet hat; die Revision erhebt insoweit auch keine Rügen. Sie ist daher insgesamt mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf

(1) Wer mit hinreichender Wahrscheinlichkeit entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Rechtsinhaber oder einem anderen Berechtigten auf Vorlage einer Urkunde oder Besichtigung einer Sache, die sich in seiner Verfügungsgewalt befindet, oder eines Verfahrens, das Gegenstand des Patents ist, in Anspruch genommen werden, wenn dies zur Begründung von dessen Ansprüchen erforderlich ist. Besteht die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer in gewerblichem Ausmaß begangenen Rechtsverletzung, erstreckt sich der Anspruch auch auf die Vorlage von Bank-, Finanz- oder Handelsunterlagen. Soweit der vermeintliche Verletzer geltend macht, dass es sich um vertrauliche Informationen handelt, trifft das Gericht die erforderlichen Maßnahmen, um den im Einzelfall gebotenen Schutz zu gewährleisten.

(2) Der Anspruch nach Absatz 1 ist ausgeschlossen, wenn die Inanspruchnahme im Einzelfall unverhältnismäßig ist.

(3) Die Verpflichtung zur Vorlage einer Urkunde oder zur Duldung der Besichtigung einer Sache kann im Wege der einstweiligen Verfügung nach den §§ 935 bis 945 der Zivilprozessordnung angeordnet werden. Das Gericht trifft die erforderlichen Maßnahmen, um den Schutz vertraulicher Informationen zu gewährleisten. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die einstweilige Verfügung ohne vorherige Anhörung des Gegners erlassen wird.

(4) § 811 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie § 140b Abs. 8 gelten entsprechend.

(5) Wenn keine Verletzung vorlag oder drohte, kann der vermeintliche Verletzer von demjenigen, der die Vorlage oder Besichtigung nach Absatz 1 begehrt hat, den Ersatz des ihm durch das Begehren entstandenen Schadens verlangen.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.