Landgericht München I Endurteil, 13. Juli 2016 - 6 O 6316/15

bei uns veröffentlicht am13.07.2016

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.815,78 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.12.2012 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird bis 03.03.2016 auf 16.815,78 € festgesetz und ab 04.03.2016 auf 17.315,78 €.

Tatbestand

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen de… (im Folgendes „Schuldner“). Aufgrund Fremdantrages des Finanzamtes … vom 10.10.2012 und aufgrund Eigenantrags des Schuldners vom 26.11.2012 eröffnete das Amtsgericht … am 04.12.2012 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners.

Der Schuldner war als Architekt seit 01.01.1994 Mitglied bei der Beklagten und als solches bei dieser rentenversichert. Der monatlich fälligen Pflichtbeitrag belief sich im Jahr 2005 auf 236 € und stieg bis 2009 auf 261 € monatlich an. Der Schuldner zahlte die monatlichen Pflichtbeiträge nur unregelmäßig ein.

Bis zum 01.01.2007 liefen daher Beitragsrückstände des Schuldners von insgesamt 8.524,18 € bei der Beklagten auf. Mit Schreiben vom 29.01.2007 (Anlage K 2 zum Schriftsatz des Klägers vom 15.03.2016) vereinbarte die Beklagte mit dem Schuldner, dass dieser die Rückstände in monatlichen Raten bis 31.12.2007 begleichen werde und gleichzeitig die monatlich neu anfallenden Pflichtbeiträge bezahlen werde.

Im anschließenden Zeitraum vom 01.01.-31.10.2007 leistete der Schuldner jedoch lediglich Beträge in Höhe von 985,90 € an die Beklagte. Zum 31.10.2007 ergaben sich somit Zahlungsrückstände des Schuldners in Höhe von 10.005,78 € (vgl. Anlage K 1 zum Schriftsatz des Klägers vom 15.03.2016).

Auch in den darauffolgenden Monaten leistete der Schuldner seine Pflichtbeiträge nicht. Am 21.02.2008 titulierte die Beklagte daher fällige Forderungen im Umfang von 12.375,78 €.

Auch in der Folgezeit beglich der Schuldner die titulierten Forderungen nicht. Am 12.08.2008 erteilte die Beklagte daraufhin dem zuständigen Obergerichtsvollzieher … hinsichtlich dieses Titels einen Vollstreckungsauftrag (vgl. Anlage B 2 d.A. so wie Anlage zum Protokoll vom 11.05.2006, Bl. 109/116 d.A.). Aufgrund dieses Vollstreckungsauftrages überwies der Schuldner am 19.09.2008 einen Betrag von 3.000 € an den zuständigen Gerichtsvollzieher, von dem dieser 2.977,40 € an die Schuldnerin auskehrte. Am 15.10.2008, 15.12.2008 und 05.02.2008 zahlte der Schuldner je 3.000 € an den Gerichtsvollzieher in bar, wovon dieser jeweils 2.993,90 € an die Beklagte auskehrte. Zur Erledigung des Vollstreckungsauftrages bezahlte der Schuldner schließlich am 12.02.2009 einen Betrag von 422,78 € an die Beklagte, von dem diese eine Abschlussrate von 416,68 € an die Beklagte auskehrte.

Während und nach der Erledigung des Vollstreckungsauftrages vom 12.08.2009 liefen bei der Beklagten neue Forderungsrückstände gegen den Schuldner auf, da dieser auch die Pflichtbeiträge für die Monate August 2008 bis einschließlich Dezember 2009 nicht beglich. Die Beklagte titulierte daraufhin am 06.11.2009 fällige Forderungen aus dem Zeitraum 01.08.2008 bis 31.12.2009 und erteilte insoweit am 27.01.20010 dem zuständigen Gerichtsvollzieher einen Vollstreckungsauftrag. Im Rahmen dieser Zwangsvollstreckung zahlte der Schuldner am 05.02.2010 einen Betrag von 800 € in bar an den Gerichtsvollzieher, wovon dieser 777,40 € an die Beklagte auskehrte. Am 22.02.2010, 05.03.3010 und 27.04.2010 zahlte der Schuldner je 500 € an den Gerichtsvollzieher in bar, wovon dieser je 493,90 € an die Beklagte auskehrte. Am 26.03.2010 zahlte der Angestellte des Schuldners, Herr … einen Betrag von weiteren 500 € an den Gerichtsvollzieher in bar, von dem dieser wiederum 493,90 € an die Beklagte auskehrte. Am 14.04.2010 und 21.05.2010 zahlte der Schuldner einen Betrag von 400 € in bar an den Gerichtsvollzieher, von dem dieser 393,90 € an die Beklagte auskehrte. Am 18.06.2010, 02.07.2010 und 16.07.2010 zahlte der Schuldner wiederum je 500 € in bar an den Gerichtsvollzieher, wovon dieser je 193,90 € an die Beklagte und den Restbetrag an andere Gläubiger des Schuldners auskehrte. Am 20.08.2010 zahlte der Angestellte Herr … einen Betrag von 500 € in bar an den Gerichtsvollzieher, von dem dieser eine Schlussrate von 317,80 € an die Beklagte auskehrte.

Der Schuldner beglich auch die fälligen Beitragsraten für die Monate Januar bis einschließlich Oktober 2010 nicht. Die Beklagte titulierte daher am 22.10.2010 fällige Forderungen in Höhe von 3.263 €. Mit Vereinbarung vom 13./.18.01.2011 (Anlage K 11 d.A.) vereinbarten der Schuldner und die Beklagte daraufhin Ratenzahlungen des Schuldners an die Beklagte in Höhe von 500 € monatlich, jeweils fällig am 15. des Monats, erstmals fällig am 15.02.2011. Der Schuldner überwies daraufhin an die Beklagte am 18.02.2011 einen Betrag von 500 €. Weitere Ratenzahlungen erfolgten jedenfalls bis Juni 2011 nicht.

Bis 31.12.2011 liefen bei der Beklagten erneut Beitragsforderungen gegen den Schuldner in Höhe von 4.276 € auf, die die Beklagte am 31.01.2012 titulierte (vgl. Anlage K 15 d.A.).

Bis zur Insolvenzeröffnung blieben bei der Beklagten Forderungen gegen den Schuldner in Höhe von 5.652,87 € unbeglichen, die die Beklagte zur Insolvenztabelle anmeldete. (Anlage K 1 zum Schriftsatz des Klägers vom 26.11.2015). Davon entfallen 1.415,87 € auf offengebliebene Beitragszahlungen aus dem Zeitraum Juli bis Dezember 2010.

Der Kläger ficht nachfolgende Zahlungen an den jeweils zuständigen Gerichtsvollzieher bzw. an die Beklagte an:

1. Zahlungen aufgrund Vollstreckungsauftrags vom 12.08.2008 (Schuldtitel vom 21.02.2008) über insgesamt 12.375,78 €:

19.09.2008: 2.977,40 € (Überweisung an Gerichtsvollzieher)

15.10.2008: 2.993,90 € (Barzahlung ah Gerichtsvollzieher)

15.12.2008: 2.993,90 € (Barzahlung an Gerichtsvollzieher)

05.02.2009: 2.993,90 € (Barzahlung an Gerichtsvollzieher)

12.02.2009: 416,68 € (Überweisung an Gerichtsvollzieher)

2. Zahlungen aufgrund Vollstreckungsauftrags vom 27.01.2010 (Schuldtitel vom 06.11.2009) in Höhe von insgesamt 4.440,00 €:

05.02.2010: 777,40 € (Barzahlung an Gerichtsvollzieher)

22.02.2010: 493,90 € (Barzahlung an Gerichtsvollzieher)

05.03.2010: 493,90 € (Barzahlung an Gerichtsvollzieher)

26.03.2010: 493,90 € (Barzahlung an Gerichtsvollzieher durch Herrn …)

14.04.2010: 393,90 € (Barzahlung an Gerichtsvollzieher)

27.04.2010: 493,90 € (Barzahlung an Gerichtsvollzieher)

21.05.2010: 393,90 € (Barzahlung an Gerichtsvollzieher)

18.06.2010: 193,90 € (Barzahlung an Gerichtsvollzieher)

02.07.2010: 193,90 € (Barzahlung an Gerichtsvollzieher)

16.07.2010: 193,90 € (Barzahlung an Gerichtsvollzieher)

20.08.2010: 317,50 € (Barzahlung an Gerichtsvollzieher durch Herrn …)

3. Zahlung der 1. Rate aus Ratenzahlungsvereinbarung zwischen dem Schuldner und der Beklagten vom 13./18.01.11 (Schuldtitel vom 22.10.2010) über insgesamt 3.163,00 €:

18.02.2011: 500 € (Überweisung an Beklagte)

Der Kläger ist der Auffassung, sämtliche Zahlungen seien gem. § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar, da der Schuldner zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Zahlungen zahlungsunfähig gewesen sei und somit mit Gläubigerbenachteiligungsabsicht geleistet habe. Dies ergebe sich schon aus dem Zahlungsverhalten des Schuldners gegenüber der Beklagten selbst, so dass an deren Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners kein Zweifel bestehe. Die Geldmittel für die angefochtenen Zahlungen stammten aus dem Vermögen des Schuldners, welcher die Zahlungen auch freiwillig an den Gerichtsvollzieher, bzw. die Beklagte geleistet habe.

Der Kläger beantragte zunächst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.815,78 € nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit 04.12.2012 zu zahlen.

Mit Schriftsatz vom 04.03.2016 erweiterte der Kläger die Klage und beantragte zuletzt,

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 17.315,78 € nebst Zinsen in Höhe von 5. % über dem Basiszinssatz seit 04.12.2012 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Meinung, es sei bereits keine objektive Gläubigerbenachteiligung gegeben, da sie als Pflichtversicherung stets die letzte Gläubigerin gewesen sei, die der Schuldner bedient habe und die Forderung bis zur Zwangsvollstreckung nie ernsthaft eingefordert habe. Auch sei keine Handlung des Schuldners i.S.d. § 133 Abs. 1 InsO gegeben, da die Zahlungen im Rahmen der Zwangsvollstreckung vom Gerichtsvollzieher beigetrieben worden seien. Zahlungsunfähigkeit des Schuldners habe nicht bestanden, jedenfalls sei diese für die Beklagte nicht erkennbar gewesen.

Hinsichtlich der angefochtenen Zahlung vom 18.02.2011 in Höhe von 500 € erhebt die Beklagte den Einwand der Verjährung.

Das Gericht hat in der Sache am 09.12.2015 und 11.05.2016 mündlich verhandelt und in der Verhandlung vom 11.05.2016 Herrn Obergerichtsvollzieher … als Zeugen vernommen. Auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen und die von den Parteien wechselseitig eingereichten Schriftsätze wird Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und weitgehend begründet.

I.

Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von 16.815,78 € gem. §§ 143 Abs. 1, 133 Abs. 1, 129 Abs. 1 InsO. Die beim Schuldner aufgrund der Vollstreckungsbescheide vom 21.02.2008 und 06.11.2009 vom zuständigen Gerichtsvollzieher beigetriebenen und an die Beklagte ausgezahlten Beträge sind anfechtbar gem. §§ 133 Abs. 1, 129 Abs. 1 InsO.

1. Die Zahlungen waren objektiv gläubigerbenachteiligend i.S.d. § 129 Abs. 1 InsO, da hierdurch die Aktivmasse des Vermögens des Schuldners vermindert wurde.

Ob die Geldmittel für die Zahlungen dabei ursprünglich von einem Dritten stammten, ist für die Bewertung der Frage der objektiven Gläubigerbenachteiligung unerheblich, solange sie vor der Weiterleitung an den im Auftrag der Beklagten handelnden Gerichtsvollzieher bzw. an die Beklagte direkt in das Vermögen des Schuldners gelangt sind und somit in sein Eigentum übergegangen sind. Dies ergibt sich im vorliegenden Fall weitgehend bereits aus den klägerseits vorgelegten Überweisungsbelegen und Quittungen (Anlage K 8 d.A.), da die Überweisungen vom 19.09.2008 und 18.02.2011 vom Konto des Schuldners erfolgten und der Gerichtsvollzieher auf sämtlichen Quittungen mit Ausnahme der Quittung vom 20.08.2010 und 26.03.2010 vermerkte, dass ihm das Bargeld vom Schuldner übergeben wurde.

Lediglich hinsichtlich der Zahlungen vom 20.08.2010 und 26.03.2010 ergibt sich nicht bereits aus der vorgelegten Anlage K 8 d.A., dass die Zahlungen aus dem Vermögen des Schuldners geleistet wurden, da die Quittungen ergeben, dass die Barzahlungen von Herrn … bzw. Herrn … an den Gerichtsvollzieher übergeben wurden. Insoweit hat die Beklagte aber in der mündlichen Verhandlung vom 11.05.2016 außer Streit gestellt, dass die Beträge aus dem Vermögen des Schuldners stammen. Auch insoweit ist somit die objektive Gläubigerbenachteiligung der Zahlungen zu bejahen.

Der Einwand der Beklagten, Gläubigerbenachteiligung liege auch deshalb nicht vor, weil der Kläger nicht hinreichend dargelegt und unter Beweis gestellt habe, dass der Schuldner im Anfechtungszeitraum noch andere Gläubiger mit offenen Forderungen hatte, verfängt nicht. Gem. BGH, Urteil vom 13.08.2009 - IX ZR 159/06, der die Anfechtung von Beitragszahlungen an eine Berufsgenossenschaft betrifft, ist eine Vorsatzanfechtung nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Schuldner zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung keine anderen Gläubiger hatte. Für die Vorsatzanfechtung genügt eine mittelbare, erst künftig eintretende Gläubigerbenachteiligung. Diese ist hier aufgrund der zur Insolvenztabelle angemeldeten und festgestellten Forderungen anderer Gläubiger gegeben. Da die Beklagte selbst Insolvenzgläubigerin ist, muss sie diese auch gegen sich gelten lassen, § 178 Abs. 3 InsO.

2. Die streitgegenständlichen Zahlungen stellen auch Handlungen des Schuldners i.S.d. § 133 Abs. 1 InsO dar.

a. Soweit der Schuldner die streitgegenständlichen Zahlungen durch Überweisungen an den Gerichtsvollzieher (Zahlungen vom 19.08.2008 und 12.02.2009) getätigt hat, bestehen keine Zweifel daran, dass die Zahlungen durch den Schuldner geleistet wurden, da die betreffenden Überweisungen die Unterschrift des Schuldners tragen, bzw. von dem Konto stammen, über das der Schuldner verfügungsberechtigt war (vgl. Anlage K 8 d.A.) und in das der zuständige Obergerichtsvollzieher … nach seiner Aussage vom 11.05.2016, welche für das Gericht aufgrund der sachlichen und ausführlichen, ohne erkennbaren Be- oder Entlastungseifer gesättigten Art vollumfänglich glaubhaft waren, nie Pfändungen vorgenommen hat.

b. Auch soweit der Schuldner die betreffenden Zahlungen bar an den zuständigen Gerichtsvollzieher … leistete, sind Rechtshandlungen des Schuldners i.S.d. § 133 Abs. 1 InsO gegeben.

Pfändet ein Gläubiger den Kassenbestand des Schuldners oder wendet der Schuldner eine sonst unvermeidbare Kassenpfändung durch Zahlung an den anwesenden Vollziehungsbeamten ab, liegt eine Rechtshandlung des Schuldners vor, wenn er zuvor die Kasse in Erwartung des Vollstreckungsversuchs gezielt aufgefüllt hat, um eine Befriedigung des Gläubigers zu ermöglichen (BGH, Urteil vom 03.02.2011 - IX ZR 213/09). Handlungen von Mitarbeitern auf Anweisung des Schuldners sind dem Schuldner als eigene zuzurechnen.

Diese Voraussetzungen sind hier aufgrund der Ausführungen des Obergerichtsvollziehers …, in der mündlichen Verhandlung vom 11.05.2016 gegeben.

Der Zeuge schilderte, hinsichtlich des Vollstreckungsauftrages der Beklagten bzgl. des Vollstreckungsbescheides vom 21.02.2008, dass er bei seinem ersten Besuch beim Schuldner mit diesem eine Ratenzahlungsvereinbarung über monatliche Raten i.H.v. 3.000 € zur Begleichung des Schuldtitels getroffen habe. Ein Fester Fälligkeitstermin sei nicht vereinbart worden. Er habe dem Schuldner bei Zahlung einer Rate jeweils mitgeteilt, wann er wieder vorbeikommen werde. Der Schuldner habe diese Raten nicht immer pünktlich bezahlt, er - der Zeuge - habe in der Zwischenzeit aber keine Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet. Der Schuldner habe auch laufende Einnahmen aus einer Tätigkeit als Dorfplaner gehabt. Wenn der Schuldner seine Raten nicht pünktlich zu den Zeitpunkten zahlen habe können, zu denen er den Schuldner in seiner Eigenschaft als Gerichtsvollzieher aufgesucht habe, oder wenn er nicht anwesend gewesen sei, dann sei der Schuldner zu ihm gekommen und habe die betreffenden Beträge dort abgeliefert. Es sei auch vorgekommen, dass der Schuldner den erforderlichen Geldbetrag, wenn er nicht selbst bei den Besuchen des Zeugen anwesend gewesen sei, einem Mitarbeiter zur Übergabe an den Zeugen hinterlassen habe.

Hinsichtlich des Vollstreckungsauftrages der Beklagten bzgl. des Vollstreckungsbescheides vom 06.11.2009 schilderte der Zeuge, er habe mit dem Schuldner Ratenzahlungen i.H.v. 500 € monatlich vereinbart. Wann diese im Einzelnen zu zahlen gewesen seine, habe er mit dem Schuldner von Fall zu Fall vereinbart. Teilweise habe der Schuldner auch kleinere Beträge gezahlt, dann jedoch in kürzeren Abständen. Zum Teil habe der Zeuge das Geld bereit vorgehalten, wenn der Zeuge erschienen sei, teilweise habe er es erst auf der Bank abheben müssen und teilweise habe er die betreffenden Geldbeträge am selben Tag abends beim Zeugen vorbeigebracht. Dies habe er, der Zeuge, auch so akzeptiert.

Der Zeuge schilderte weiter, dass er nie eine Kontopfändung vorgenommen habe. Aus den auf die einzelnen Zahlungen entfallenden Vollstreckungsgebühren von 22,60 € ergibt sich zudem, dass der Zeuge die streitgegenständlichen Zahlungen beim Schuldner nicht pfändete. Andernfalls wären höhere Gebühren angefallen.

Aus der Tatsache, dass der Schuldner zusammen mit dem Gerichtsvollzieher die Höhe der Rate bestimmte und aus der Tatsache, dass der Schuldner dann, wenn er die Raten nicht in dem Zeitpunkt bezahlen konnte, in dem der Gerichtsvollzieher diese bei ihm abholen wollte, die betreffenden Geldbeträge selbständige zum Wohnort des Gerichtsvollziehers hinbrachte, zeigt, dass der Schuldner die Zahlungen freiwillig bereitstellte, seine Barkasse also extra auffüllt, um die betreffenden Zahlbeträge dem Gerichtsvollzieher zu übergeben. Die Zahlungen stellen damit auch Handlungen des Schuldners i.S.d. § 133 Abs. 1 InsO dar.

3. Der Schuldner veranlasste die streitgegenständlichen Zahlungen auch mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, § 133 Abs. InsO.

Der Benachteiligungsvorsatz folgt daraus, dass der Schuldner die Zahlungen im Stadium der Zahlungsunfähigkeit erbracht hat. Benachteiligungsvorsatz ist gegeben, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung (§ 140 InsO) die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt oder als mutmaßliche Folge - sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines an sich erstrebten anderen Vorteils - erkannt und gebilligt hat. Ein Schuldner, der zahlungsunfähig ist und seine Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt in aller Regel mit Benachteiligungsvorsatz, weil er weiß, dass sein Vermögen nicht ausreicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen.

a. Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit i.S.d. § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO ist die Aufstellung einer Liquiditätsbilanz entbehrlich, wenn eine Zahlungseinstellung (§ 17 Abs. 2 Satz 1 InsO) die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit begründet. Eine Zahlungseinstellung kann aus einem einzelnen, aber auch aus einer Gesamtschau mehrerer, darauf hindeutender, in der Rechtsprechung entwickelter Beweisanzeichen gefolgert werden. Sind derartige Indizien vorhanden, bedarf es einer darüber hinaus gehenden Darlegung und Feststellung der genauen Höhe der gegen den Schuldner bestehenden Verbindlichkeiten oder einer Unterdeckung von mindestens zehn vom Hundert nicht (BGH a.a.O.; ferner Urteil vom 08.01.2015 - IX ZR 203/12, NJW-RR 2015, 612, 613).

Bei dem Schuldner haben sich mehrere, eine Zahlungseinstellung begründende Beweisanzeichen verwirklicht, die in der Gesamtschau die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin spätestens zum 19.09.2008 indizieren:

Der Schuldner sah sich zu diesem Zeitpunkt, nach gescheiterter Ratenzahlungsvereinbarung vom 29.01.2007, einer Zwangsvollstreckung von nicht unerheblicher Höhe, nämlich von 10.745,78 € ausgesetzt. Diese Beträge waren bereits seit 6 Monaten tituliert, ohne dass sie vom Schuldner beglichen werden konnten. Auch in der Folgezeit konnten sie lediglich in monatlichen Raten beglichen werden, wobei auch diese nicht regelmäßig bezahlt wurden. So leistete der Schuldner im November 2008 und Januar 2009 keine Raten. Entgegen der Meinung der Beklagten bildet die Tatsache, dass der Schuldner mit dem Gerichtsvollzieher eine Ratenzahlungsvereinbarung traf, ein gewichtiges Indiz für seine Zahlungsunfähigkeit. Die beklagtenseits zitierte Entscheidung des BGH vom 16.04.2015 - IX ZR 6/14 (= NJW 2015, 1959) steht dem gerade nicht entgegen. Einer Ratenzahlungsvereinbarung mit einem Gerichtsvollzieher ist gerade die Aussage des Schuldners immanent, dass er die fällige Verbindlichkeit anders nicht begleichen kann. Es handelt sich gerade nicht um eine Ratenzahlungsvereinbarung im Rahmen der Gepflogenheiten des Rechtsverkehrs.

Hinzu kommt, dass sich bereits während der ratenweisen Vollstreckung neue Rückstände aufbauten. Der Schuldner zahlte laut Zahlungsübersicht der Beklagten vom 24.01.2009 (Anlage K 6) im Jahr 2008 lediglich Beiträge in Höhe von 8.858,20 € an die Beklagte. Dies entspricht der Summe der im Jahr 2008 vollstreckten Beträge (abzüglich des vollstreckten Säumniszuschlages von 107 €). Der Schuldner hat also während der Vollstreckung im Jahr 2008 keine weiteren Beiträge für die Monate August bis Dezember 2008 (5 × 253 € = 1.265 €) geleistet. Diese musste erneut, offenbar zusammen mit sämtlichen nicht beglichenen Beitragsraten des Jahres 2009 (12 × 261 = 3.132 €) im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben werden, wobei auch hier der Schuldner erneut die Zahlungen nur im Wege der Ratenzahlung leisten konnte. Dabei konnte er den im Vergleich zur ersten Vollstreckung vergleichsweise geringeren Betrag nurmehr in dreistelligen Ratenbeträgen begleichen. Während der Ratenzahlungen beglich er gleichzeitig die erneut fällig werdenden monatlichen Raten für das gesamte Jahr 2010 nicht.

Das dargelegte Zahlungsverhalten des Schuldners zeigt, dass dieser spätestens seit 19.09.2008 eine Bugwelle von Forderungen vor sich her schob. Während er alte, längst fällige Forderungen in unregelmäßigen Abständen unter dem Druck der Zwangsvollstreckung beglich, liefen ständig neue Forderungen in nicht unerheblicher Höhe auf, die er erneut nicht zeitnah begleichen konnte. Der Schuldner operierte damit spätestens seit 19.09.2008 am finanzwirtschaftlichen Abgrund (BGH, Urteil vom 18.07.2013 - IX ZR 143/12 sowie BGH, Urteil vom 25.10.2012 - IX ZR 117/11). Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ist damit durch sein Zahlungsverhalten gegenüber der Beklagten selbst ausreichend indiziert.

b. Der Schuldner wusste auch um seine eigene Zahlungsunfähigkeit und hat entsprechend mit Gläubigerbenachteiligungsabsicht gehandelt. Für den auf eine objektive Gläubigerbenachteiligung gerichteten Vorsatz ist es unerheblich, ob er sich gegen alle oder nur einzelne, gegen bestimmte oder unbestimmte, gegen schon vorhandene oder nur mögliche künftige Gläubiger richtet (vgl. BGH, Urteil 13.08.2009, a.a.O.). Zumindest mit möglichen zukünftigen Gläubigern musste der Schuldner aber im Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen rechnen, da er einen laufenden Geschäftsbetrieb hatte.

4. Auch die Beklagte hatte Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners. Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen. Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt (BGH, Urteil vom 10.01.2013, Az. IX ZR 13/12). Dies war hier der Fall, denn der Beklagten war das gesamte unter Ziffer I.3. geschilderte Zahlungsverhalten des Schuldners bekannt. Insbesondere wusste sie auch, dass der Schuldner die Vollstreckungsaufträge in Raten bezahlte, unabhängig davon, ob die Ratenzahlungsvereinbarung zuvor vom zuständigen Gerichtsvollzieher mit ihr abgestimmt wurde oder nicht, da die Zahlungen nur in Raten bei ihr eingingen. Dabei musste der Beklagten auch auffallen, dass die Raten nicht regelmäßig eingingen.

Die Kenntnis der Beklagten entfällt auch nicht deshalb, weil sie angenommen hat, dass die schleppenden, bzw. ausbleibenden Zahlungen darauf beruhen, dass der Schuldner vorrangig andere Gläubiger befriedigt habe und sie jeweils die letzte, noch nicht befriedigte Gläubigerin gewesen sei. Denn da die Beklagte - trotz Titulierung ihrer Forderungen und der Entfaltung erheblichen Vollstreckungsdrucks - nur schleppend in unregelmäßigen, zunehmend geringer werdenden Teilzahlungen auf ihre Gesamtforderungen erhielt, lag es aus ihrer Sicht fern, dass andere, auch nur mögliche zukünftige (s.o.) Gläubiger, die keine Titel hatten, pünktlich und vollständig befriedigt würden (BGH, Urteil vom 13.08.2009, a.a.O.). Dass der Schuldner zumindest mögliche künftige andere Gläubiger haben würde, war der Beklagten auch bekannt, da sie wusste, dass der Schuldner einen laufenden Geschäftsbetrieb als Architekt hatte.

II.

Hinsichtlich der Ratenzahlung in Höhe von 500 € vom 18.02.2011 kann der Kläger seinen Anfechtungsanspruch aus §§ 133 Abs. 1, 129 Abs. 1 InsO nicht mit Erfolg geltend machen. Insoweit ist der Anfechtungsanspruch verjährt.

Anfechtungsansprüche verjähren gem. § 146 Abs. 1 InsO i.V.m. § 195 Abs. 1, 199 Abs. 1 BGB drei Jahre nach dem Schluss des Jahres, in welchem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, da Anfechtungsansprüche mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen und in welchem der Insolvenzgläubiger von der Eröffnung Kenntnis erlangt hat. Das Insolvenzverfahren wurde am 04.12.2012 eröffnet. Der Kläger hat nicht bestritten, dass die Beklagte hiervon noch im selben Jahr Kenntnis erlangt hat. Die Verjährungsfrist begann somit am 01.01.2013 zu laufen und endete am 31.12.2015. Die mit Klageerweiterung vom 04.03.2016 anhängig gewordene Forderung in Höhe von 500 € ist damit verjährt.

III.

Der Zinsanspruch beruht auf § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1, 291, 288 Abs. 1 Satz 2, 187 Abs. 1 BGB und beginn mit dem Tag nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu laufen.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Der Kläger unterliegt lediglich mit einer Forderung von 500 € und damit mit lediglich mit ca. 3% seiner Klageforderung.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 2 ZPO.

Der Streitwert entspricht dem Wert der Klageforderung, § 3 ZPO. Bis 03.03.2016 begehrte der Kläger eine Zahlung in Höhe von 16.815,78 €, ab 04.03.2016 aufgrund Klageerweiterung vom selben Tag insgesamt 17.315,78 €. Der Streitwert war daher als Stufenstreitwert bis einschließlich 03.03.2016 auf 16.815,78 € festzusetzen und ab 04.03.2016 auf 17.315,78 €.

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(1) Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt

Insolvenzordnung - InsO | § 133 Vorsätzliche Benachteiligung


(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Tei

Insolvenzordnung - InsO | § 143 Rechtsfolgen


(1) Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem E

Insolvenzordnung - InsO | § 129 Grundsatz


(1) Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, kann der Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 anfechten. (2) Eine Unterlassung steht einer Rechts

Insolvenzordnung - InsO | § 17 Zahlungsunfähigkeit


(1) Allgemeiner Eröffnungsgrund ist die Zahlungsunfähigkeit. (2) Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner sei

Insolvenzordnung - InsO | § 140 Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung


(1) Eine Rechtshandlung gilt als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten. (2) Ist für das Wirksamwerden eines Rechtsgeschäfts eine Eintragung im Grundbuch, im Schiffsregister, im Schiffsbauregister oder im Regist

Insolvenzordnung - InsO | § 178 Voraussetzungen und Wirkungen der Feststellung


(1) Eine Forderung gilt als festgestellt, soweit gegen sie im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren (§ 177) ein Widerspruch weder vom Insolvenzverwalter noch von einem Insolvenzgläubiger erhoben wird oder soweit ein erhobener Widerspruch bes

Insolvenzordnung - InsO | § 146 Verjährung des Anfechtungsanspruchs


(1) Die Verjährung des Anfechtungsanspruchs richtet sich nach den Regelungen über die regelmäßige Verjährung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. (2) Auch wenn der Anfechtungsanspruch verjährt ist, kann der Insolvenzverwalter die Erfüllung einer Lei

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(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.

(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.

(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.

(1) Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, gelten entsprechend. Eine Geldschuld ist nur zu verzinsen, wenn die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs oder des § 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegen; ein darüber hinausgehender Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen eines erlangten Geldbetrags ist ausgeschlossen.

(2) Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat diese nur zurückzugewähren, soweit er durch sie bereichert ist. Dies gilt nicht, sobald er weiß oder den Umständen nach wissen muß, daß die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt.

(3) Im Fall der Anfechtung nach § 135 Abs. 2 hat der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete, die dem Dritten gewährte Leistung zur Insolvenzmasse zu erstatten. Die Verpflichtung besteht nur bis zur Höhe des Betrags, mit dem der Gesellschafter als Bürge haftete oder der dem Wert der von ihm bestellten Sicherheit im Zeitpunkt der Rückgewähr des Darlehens oder der Leistung auf die gleichgestellte Forderung entspricht. Der Gesellschafter wird von der Verpflichtung frei, wenn er die Gegenstände, die dem Gläubiger als Sicherheit gedient hatten, der Insolvenzmasse zur Verfügung stellt.

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.

(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.

(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.

(1) Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, kann der Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 anfechten.

(2) Eine Unterlassung steht einer Rechtshandlung gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 159/06 Verkündet am:
13. August 2009
Hauck
Justizsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
1. Eine Vorsatzanfechtung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Schuldner zum
Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung noch keine Gläubiger hatte.
2. Tatsachen, aus denen die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen der Vorsatzanfechtung
gefolgert werden können, begründen keine Vermutung, sondern stellen
nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen dar.
BGH, Urteil vom 13. August 2009 - IX ZR 159/06 - OLG München
LG München I
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. Juni 2009 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter, die Richter
Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Pape und Grupp

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 22. Juni 2006 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger ist Verwalter in dem auf Antrag vom 15. Januar 2003 am 1. März 2003 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der S. GmbH (künftig: Schuldnerin). Diese war Mitglied der beklagten Berufsgenossenschaft. Laut Beitragsbescheid der Beklagten vom 23. April 2002 für das Kalenderjahr 2001 belief sich die Beitragsschuld der Schuldnerin am 31. März 2002 auf 82.147,17 €. In diesem Betrag waren Säumniszuschläge für 2001 in Höhe von 2.640,31 € enthalten. Die Beklagte setzte drei Vorschusszahlungen für 2002 in Höhe von jeweils 28.850 € fest. Der erste Vorschuss war im Betrag von 82.147,17 € enthalten, der zweite war am 15. August 2002 fällig, der dritte am 15. November 2002. Die Schuldnerin zahlte am 29. April 12.000 €, am 6. Mai, am 3. Juni und am 1. Juli 2002 jeweils 6.000 €. Am 30. Juli 2002 ließ die Beklagte den Beitragsbescheid vom 23. April mit dem aktuellen Rückstand von 52.147,17 € zur Zwangsvollstreckung ausfertigen. Am 10. September 2002 wurde der Vertreter der Schuldnerin von der zwischenzeitlich beauftragten Gerichtsvollzieherin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung auf den 25. September 2002 geladen. Daraufhin zahlte die Schuldnerin an die Gerichtsvollzieherin 12.500 €. Von diesem Betrag wurden 10.000 € an die Beklagte weitergeleitet. Am 9. Oktober zahlte die Schuldnerin weitere Beträge in Höhe von 12.488,90 € und 12.463,40 €, insgesamt somit 64.952,30 €. Diesen Betrag fordert der Kläger von der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Vorsatzanfechtung (§ 133 Abs. 1 InsO) zurück. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Rückzahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


2
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


3
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in ZInsO 2007, 219 veröffentlicht ist, hat ausgeführt: Es könne nicht geprüft werden, ob die Schuldnerin mit dem Vorsatz gehandelt habe, ihre Gläubiger zu benachteiligen, weil der Kläger keine konkreten Tatsachen dazu vorgetragen habe, dass zum Zeitpunkt jeder ange- fochtenen Rechtshandlung andere Gläubiger vorhanden gewesen seien, deren Forderungen durch die Zahlungen an die Beklagte nicht mehr hätten vollständig befriedigt werden können. Auch könne nicht festgestellt werden, dass die Beklagte zur Zeit der Zahlungen einen Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gekannt habe. Die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO, wonach diese Kenntnis vermutet wird, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte, lägen nicht vor. Das Bestehen der Beitragsrückstände und die Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen reichten nicht aus, um eine Kenntnis der Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nachzuweisen. Es könne unterschiedliche Gründe dafür geben, dass Zahlungen erst nach Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen erfolgten, zumal die Nichtabführung der Beiträge an die Beklagte nicht strafbewehrt sei. Die schleppende Zahlung an die Beklagte könne darauf beruht haben, dass andere Gläubiger bevorzugt befriedigt worden seien. Auch eine Kenntnis der Beklagten von der Benachteiligung anderer Gläubiger sei nicht dargetan oder gar erwiesen.

II.


4
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5
1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts setzt weder die Feststellung der für einen Anspruch nach § 143 Abs. 1, § 133 Abs. 1 InsO erforderlichen objektiven Gläubigerbenachteiligung noch des darauf gerichteten Vorsatzes des Schuldners voraus, dass zum Zeitpunkt jeder angefochtenen Rechtshandlung andere Gläubiger vorhanden waren, deren Forderungen durch die Zahlungen an die Beklagte nicht mehr vollständig befriedigt werden konnten. Im Falle der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO genügt eine mittelbare, erst künftig eintretende Gläubigerbenachteiligung. Für den auf eine solche Benachteiligung gerichteten Vorsatz des Schuldners ist es daher unerheblich, ob er sich gegen alle oder nur einzelne, gegen bestimmte oder unbestimmte, gegen schon vorhandene oder nur mögliche künftige Gläubiger richtet. Eine Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO ist selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn der Schuldner zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung noch gar keine Gläubiger hatte (zu § 3 AnfG: RGZ 26, 11, 13; BGH, Urt. v. 28. September 1964 - VIII ZR 21/61, WM 1964, 1166, 1167; Urt. v. 7. Mai 1987 - IX ZR 51/86, WM 1987, 881, 882; zu § 37 KO: BGH, Urt. v. 11. November 1954 - IV ZR 64/54, WM 1955, 407, 412; zu § 133 InsO: OLG Dresden ZInsO 2007, 497, 499; MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl. § 133 Rn. 16; Jaeger/Henckel, InsO § 133 Rn. 45; HK-InsO/Kreft, 5. Aufl. § 133 Rn. 10; Uhlenbruck/Hirte, InsO 12. Aufl. § 133 Rn. 24; HmbKomm-InsO/Rogge, 3. Aufl. § 133 Rn. 14; FKInsO /Dauernheim, 5. Aufl. § 133 Rn. 10). Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Hauptbegründung können die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO daher nicht verneint werden.
6
Die 2. Entscheidung des Berufungsgerichts wird auch nicht von der Hilfsbegründung getragen, es sei weder nachgewiesen noch gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten, dass die Beklagte einen Vorsatz der Schuldnerin zur Benachteiligung ihrer Gläubiger gekannt habe.
7
a) Eine Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung der Gläubiger nach § 133 Abs. 1 InsO setzt voraus, dass der Anfechtungsgegner zur Zeit der angefochtenen Handlung den Vorsatz des Schuldners, seine Gläubiger zu benachteiligen , kannte. Diese Kenntnis wird nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO vermutet , wenn der Anfechtungsgegner wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die jeweilige Handlung die Gläubiger benachteiligte.
8
Die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung können - weil es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt - meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Soweit dabei Rechtsbegriffe wie die Zahlungsunfähigkeit betroffen sind, muss deren Kenntnis außerdem oft aus der Kenntnis von Anknüpfungstatsachen erschlossen werden. Der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit steht auch im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen (BGH, Urt. v. 24. Mai 2007 - IX ZR 97/06, ZIP 2007, 1511, 1513 Rn. 25; Urt. v. 20. November 2008 - IX ZR 188/07, ZIP 2009, 189, 190 Rn. 10 m.w.N.). Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende) Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt (BGH, Urt. v. 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08, ZIP 2009, 526, 527 Rn. 13 m.w.N., z.V.b. in BGHZ). Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass solche Tatsachen nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen darstellen, die eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich machen und nicht schematisch im Sinne einer vom anderen Teil zu widerlegenden Vermutung angewandt werden dürfen. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung hat der Tatrichter gemäß § 286 ZPO unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme zu prüfen (BGH, Urt. v. 12. Juli 2007 - IX ZR 235/03, ZIP 2007, 2084, 2087 Rn. 21; vgl. Fischer NZI 2008, 588, 593; Schoppmeyer, ZIP 2009, 600, 605; Ganter WM 2009, 1441, 1443). Soweit frühere Entscheidungen des Senats anders verstanden werden könnten, wird daran nicht festgehalten.

9
b) Das Berufungsgericht hat eine Kenntnis der Beklagten von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin trotz des Bestehens der Beitragsrückstände und der Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen im Hinblick auf die Umstände des Einzelfalles als nicht nachgewiesen erachtet. Diese Würdigung lässt wesentliche Gesichtspunkte außer Acht.
10
aa) Zahlungsunfähig im Sinne von § 17 InsO ist regelmäßig, wer nicht innerhalb von drei Wochen mehr als 90 % seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten erfüllen kann (BGHZ 163, 134 ff). Zahlungsunfähigkeit droht, wenn eine solche Liquiditätslücke unter Berücksichtigung der bestehenden, aber erst künftig fällig werdenden Verbindlichkeiten und der im entsprechenden Zeitraum verfügbaren Zahlungsmittel voraussichtlich eintreten wird. Ein einzelner Gläubiger, der von seinem Schuldner Leistungen erhält, wird die zur Beurteilung dieser Voraussetzungen notwendigen Tatsachen meist nicht kennen, weil es ihm an dem erforderlichen Gesamtüberblick fehlt. Er kennt in der Regel nur seine eigenen Forderungen und das auf diese Forderungen bezogene Zahlungsverhalten des Schuldners. Zahlungsunfähigkeit ist jedoch in der Regel auch dann anzunehmen , wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO), das heißt wenn ein Verhalten des Schuldners nach außen hervorgetreten ist, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Kenntnis des Gläubigers von drohender Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und von einer Gläubigerbenachteiligung im Sinne von § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO in der Regel anzunehmen, wenn die Verbindlichkeiten des Schuldners bei dem späteren Anfechtungsgegner über einen längeren Zeitraum hinweg ständig in beträchtlichem Umfang nicht ausgeglichen werden und diesem den Umständen nach bewusst ist, dass es noch weitere Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen gibt (BGH, Urt. v. 24. Mai 2007, aaO Rn. 24 m.w.N.). Diese Formulierung ist allerdings nicht dahin zu verstehen, dass in einem solchen Fall eine entsprechende Kenntnis - widerleglich - vermutet wird. Es handelt sich vielmehr ebenfalls nur um ein Beweisanzeichen im Sinne eines Erfahrungssatzes. Soweit es um die Kenntnis des Gläubigers von einer zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners geht, muss deshalb darauf abgestellt werden, ob sich die schleppende, möglicherweise erst unter dem Druck einer angedrohten Zwangsvollstreckung erfolgende oder auch ganz ausbleibende Tilgung der Forderung des Gläubigers bei einer Gesamtbetrachtung der ihm bekannten Umstände, insbesondere der Art der Forderung, der Person des Schuldners und des Zuschnitts seines Geschäftsbetriebs als ausreichendes Indiz für eine solche Kenntnis darstellt (Ganter WM 2009, 1441, 1445).
11
bb) Das Berufungsgericht hat die bestehenden Beitragsrückstände und die Tatsache, dass Zahlungen der Schuldnerin zunehmend nur unter dem Eindruck der bevorstehenden Zwangsvollstreckung erfolgten, als Gesichtspunkte bewertet, die für eine zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin sprachen. Seine Ausführungen lassen jedoch nicht erkennen, warum dies nicht auch für die Beklagte deutlich gewesen ist. Der Beitragsbescheid vom 23. April 2002 enthielt Säumniszuschläge für das Jahr 2001 in Höhe von 2.640,31 €. Demnach muss es bereits im Jahr 2001 zu beträchtlichen Rückständen gekommen sein. Nach Erlass des Beitragsbescheids über 82.147,17 € leistete die Schuldnerin nur kleinere und unregelmäßige Teilzahlungen, ab September 2002 zudem unter dem Druck eingeleiteter Vollstreckungsmaßnahmen. Soweit das Berufungsgericht der Beklagten zugesteht, sie habe die schleppende Zahlungsweise darauf zurückführen dürfen, dass die Schuldnerin andere Gläubiger bevorzugt bediente, gab es dafür keinen tatsächlichen Anhaltspunkt. Da die Beklagte - trotz Titulierung ihrer Forderungen und der Entfaltung erheblichen Vollstreckungsdrucks - nur schleppend geringe Teilzahlungen auf ihre Gesamtforderungen erhielt, lag es aus ihrer Sicht fern, dass andere Gläubiger, die keinen Titel hatten, pünktlich und vollständig befriedigt wurden.
12
Für c) die Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO wird weiter die Kenntnis der Beklagten von der Benachteiligung der Gläubiger vorausgesetzt. Das Berufungsgericht hat gemeint, diese Kenntnis nicht feststellen zu können, und hierbei auf seine vorangegangenen Ausführungen zum Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und zur Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit Bezug genommen. Wegen der dort unterlaufenen Rechtsfehler erweist sich auch diese Bezugnahme nicht als tragfähig.

III.


13
Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Entscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO).
14
Das Berufungsgericht wird bei seiner neuen Entscheidung den Sachverhalt zur Beurteilung der subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung umfassend zu würdigen haben. Insbesondere wird - bezogen auf die Schuldnerin - zu prüfen sein, ob der Schluss auf ihre Zahlungsunfähigkeit und sodann von erkannter Zahlungsunfähigkeit auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz (BGHZ 167, 190, 195; BGH, Urt. v. 18. Dezember 2008 - IX ZR 79/07, ZIP 2009, 573, 574 Rn. 13; Urt. v. 5. März 2009 - IX ZR 85/07, ZIP 2009, 922, 923 Rn. 10, jeweils m.w.N.) auch dann möglich ist, wenn - wie bisher im Streitfall - nur zu den Verbindlichkeiten der Schuldnerin gegenüber der Beklagten vorge- tragen ist. Zusätzlich wird das Berufungsgericht - bezogen auf die Beklagte - untersuchen müssen, ob unter diesen Umständen der Schluss von der Kenntnis des Anfechtungsgegners von drohender Zahlungsunfähigkeit (sofern eine solche anzunehmen sein sollte) auf seine Kenntnis von einer Gläubigerbenachteiligung (BGH, Urt. v. 20. November 2008 - IX ZR 188/07, ZIP 2009, 189, 190 Rn. 10) möglich ist. Hierfür ist es zumindest erforderlich, dass der Anfechtungsgegner weiß, es mit einem unternehmerisch tätigen Schuldner zu tun zu haben, bei dem das Entstehen von Verbindlichkeiten, die er nicht im selben Maße bedienen kann (wobei künftige Verbindlichkeiten ebenfalls in Betracht kommen), auch gegenüber anderen Gläubigern unvermeidlich ist (Ganter aaO). Der Kläger hat seinen Vortrag bisher auf das Zahlungsverhalten der Schuldnerin gegenüber der Beklagten beschränkt, möglicherweise weil er dies im Hin- blick auf die bisherige Rechtsprechung des Senats für ausreichend hielt. Durch die Zurückverweisung erhält er Gelegenheit, seinen Vortrag unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen zu ergänzen.
Ganter Kayser Gehrlein
Pape Grupp
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 29.08.2005 - 9 O 4398/05 -
OLG München, Entscheidung vom 22.06.2006 - 6 U 5448/05 -

(1) Eine Forderung gilt als festgestellt, soweit gegen sie im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren (§ 177) ein Widerspruch weder vom Insolvenzverwalter noch von einem Insolvenzgläubiger erhoben wird oder soweit ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. Ein Widerspruch des Schuldners steht der Feststellung der Forderung nicht entgegen.

(2) Das Insolvenzgericht trägt für jede angemeldete Forderung in die Tabelle ein, inwieweit die Forderung ihrem Betrag und ihrem Rang nach festgestellt ist oder wer der Feststellung widersprochen hat. Auch ein Widerspruch des Schuldners ist einzutragen. Auf Wechseln und sonstigen Schuldurkunden ist vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle die Feststellung zu vermerken.

(3) Die Eintragung in die Tabelle wirkt für die festgestellten Forderungen ihrem Betrag und ihrem Rang nach wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern.

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.

(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.

(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 213/09 Verkündet am:
3. Februar 2011
Kirchgeßner,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Pfändet ein Gläubiger den Kassenbestand des Schuldners oder wendet der Schuldner
eine sonst unvermeidliche Kassenpfändung durch Zahlung an den anwesenden
Vollziehungsbeamten ab, liegt eine Rechtshandlung des Schuldners vor, wenn er
zuvor die Kasse in Erwartung des Vollstreckungsversuchs gezielt aufgefüllt hat, um
eine Befriedigung des Gläubigers zu ermöglichen.
BGH, Urteil vom 3. Februar 2011 - IX ZR 213/09 - Kammergericht
LG Berlin
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. Februar 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die
Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, Dr. Fischer und Grupp

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Kammergerichts vom 16. Oktober 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger ist Verwalter in dem auf einen Gläubigerantrag vom 11. Mai 2006 am 1. September 2006 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der I. GmbH (fortan: Schuldnerin). Die Schuldnerin war seit März 2002 mangels liquider Mittel zeitweilig nicht in der Lage, die dem Beklagten geschuldete Lohn- und Umsatzsteuer fristgerecht abzuführen. Sie erbrachte an den Beklagten in den Jahren 2005 und 2006 Zahlungen in Höhe von insgesamt 286.699,37 €. Die Zahlungen erfolgten teilweise durch Überweisungen, teilweise an den Vollziehungsbeamten des Beklagten durch Übergabe von Schecks oder durch Barzahlungen. Der Kläger hat die Zahlungen angefochten und mit seiner Klage die Rückzahlung des Gesamtbetrags zuzüglich vorgericht- licher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.841 € und Zinsen verlangt. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 151.327,34 € nebst Zinsen stattgegeben. Mit seiner Berufung hat der Kläger die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung weiterer 63.247,20 € nebst Zinsen sowie der Anwaltskosten begehrt. Im Übrigen hat er das Urteil des Landgerichts hingenommen. Der Betrag von 63.247,20 € setzt sich aus fünf Zahlungen zusammen, welche die Schuldnerin am 2. Juni, 7. Juni, 10. Juni, 5. August und 10. Oktober 2005 jeweils an den Vollziehungsbeamten des Beklagten in ihren Geschäftsräumen bar aus der Kasse leistete. Die Berufung hat nur bezüglich der Anwaltskosten Erfolg gehabt. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren im Umfang des erfolglosen Berufungsantrags weiter.

Entscheidungsgründe:


2
Die Revision hat Erfolg. Der Rechtsstreit ist jedoch noch nicht zur Endentscheidung reif.

I.


3
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die noch in Rede stehenden Zahlungen seien nicht wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar, weil es an einer Rechtshandlung der Schuldnerin fehle. Da in der Kasse jeweils ausreichende Barmittel vorhanden gewesen seien, habe die Schuldnerin nur die Wahl gehabt, entweder die geforderte Zahlung selbst zu leisten oder die Vollstreckung durch die bereits anwesende Vollziehungsperson zu dulden. Die Zahlungen seien unter diesen Umständen keine selbstbe- stimmten Rechtshandlungen gewesen. Eine "Einwilligung" der Schuldnerin in die Durchsuchung ohne richterliche Anordnung sei für den Vermögenserwerb des Beklagten nicht ursächlich geworden. Das insolvenzrechtliche Anfechtungsrecht missbillige es im Übrigen nicht, dass sich der Schuldner einer Vollstreckung beuge. Ob eine Rechtshandlung darin liege, dass die Schuldnerin vor den Vollstreckungen Barmittel aus bestehenden Guthaben abgehoben und in die Kasse eingelegt habe, könne offen bleiben, weil jedenfalls nicht erkennbar sei, dass sie mit dem Vorsatz gehandelt habe, einen bestimmten Gläubiger zu bevorzugen.

II.


4
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
5
1. Eine Anfechtung der noch im Streit stehenden Zahlungen nach der allein in Betracht kommenden Norm des § 133 Abs. 1 InsO setzt eine Rechtshandlung des Schuldners voraus. Nach gefestigter Rechtsprechung fehlt es grundsätzlich an einer solchen Schuldnerhandlung, wenn ein Gläubiger eine Befriedigung im Wege der Zwangsvollstreckung erlangt. Anfechtbar ist eine im Rahmen oder aus Anlass einer Zwangsvollstreckung erfolgte Vermögensverlagerung aber dann, wenn dazu zumindest auch eine Rechtshandlung des Schuldners beigetragen hat, mag diese auch unter dem Druck oder zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolgt sein. Hat der Schuldner allerdings nur noch die Wahl, die geforderte Zahlung sofort zu leisten oder die Vollstreckung durch die bereits anwesende, vollstreckungsbereite Vollziehungsperson zu dulden , ist jede Möglichkeit zu einem selbstbestimmten Handeln ausgeschlossen.
Dann fehlt es an einer willensgeleiteten Rechtshandlung des Schuldners (BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 - IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75, 79; vom 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143, 147 und 151 f; vom 25. Oktober 2007 - IX ZR 157/06, ZIP 2008, 131 Rn. 16; Beschluss vom 19. Februar 2009 - IX ZR 22/07, ZIP 2009, 728 Rn. 3; vom 18. Juni 2009 - IX ZR 7/07, ZIP 2009, 1434 Rn. 8; Urteil vom 6. Oktober 2009 - IX ZR 191/05, BGHZ 182, 317 Rn. 8; vom 10. Dezember 2009 - IX ZR 128/08, ZIP 2010, 191 Rn. 10, 28). Zahlungen des Schuldners an den anwesenden, vollstreckungsbereiten Vollziehungsbeamten erfüllen danach regelmäßig nicht die Voraussetzungen einer eigenen Rechtshandlung des Schuldners im Sinne von § 133 Abs. 1 InsO. Anderes gilt nur, wenn der Schuldner wegen der Besonderheiten des Falles erwarten konnte, ein zwangsweiser Zugriff des Vollziehungsbeamten werde nicht sogleich möglich sein. Der Vortrag solcher Besonderheiten obliegt dem Insolvenzverwalter, weil er als Kläger die anspruchsbegründenden Voraussetzungen, zu denen auch die Rechtshandlung des Schuldners gehört, darzulegen hat (BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009, aaO Rn. 28).
6
2. Nach diesen Maßstäben kann die erfolgte Vermögensverlagerung auf den Beklagten nicht schon deshalb auf eine Rechtshandlung der Schuldnerin zurückgeführt werden, weil sie auf Zahlungen der Schuldnerin beruht. Sämtliche Zahlungen wurden von der Schuldnerin in bar an den bei ihr erschienenen Vollziehungsbeamten des Beklagten erbracht. Die Geldbeträge entnahm die Schuldnerin jeweils ihrer Kasse. Einer erfolgreichen Pfändung dieses Geldes im Falle einer Zahlungsverweigerung standen somit keine tatsächlichen Hindernisse entgegen. Unter solchen Umständen hat der Schuldner regelmäßig nur noch die Wahl, entweder sofort zu zahlen oder die Vollstreckung zu dulden.
7
a) Entgegen der Ansicht der Revision kann eine Rechtshandlung der Schuldnerin auch nicht damit begründet werden, dass sie zahlte, ohne die Vorlage einer richterlichen Durchsuchungsanordnung zu fordern. Eine solche Anordnung ist nach § 287 Abs. 4 Satz 1 AO erforderlich, wenn der Vollziehungsbeamte der Finanzbehörde zum Zweck der Vollstreckung ohne Einwilligung des Schuldners dessen Wohn- und Geschäftsräume durchsuchen will. Eine Ausnahme gilt nur, wenn die Einholung der Anordnung den Erfolg der Durchsuchung gefährden würde (§ 287 Abs. 4 Satz 2 AO).
8
aa) Einer Rechtshandlung steht eine Unterlassung gleich (§ 129 Abs. 2 InsO), wenn sie bewusst und willentlich geschehen und für die Gläubigerbenachteiligung ursächlich geworden ist (BGH, Urteil vom 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143, 154 f; vom 2. April 2009 - IX ZR 236/07, NZI 2009, 429 Rn. 20 f; HK-InsO/Kreft, 5. Aufl. § 129 Rn. 24 und § 133 Rn. 6). Nötig ist das Bewusstsein, dass die Untätigkeit irgendwelche Rechtsfolgen auslöst (BGH, Urteil vom 22. Dezember 2005 - IX ZR 190/02, BGHZ 165, 343, 348; MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl. § 129 Rn. 24; Jaeger/Henckel, InsO, § 129 Rn. 12). Liegen diese Voraussetzungen vor, können auch prozessuale Unterlassungen , etwa einen nicht von vorneherein aussichtslosen Rechtsbehelf einzulegen , einer Rechtshandlung gleichgestellt werden (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 1959 - VIII ZR 179/58, WM 1959, 891, 892 f; vom 27. November 1974 - VIII ZR 21/73, WM 1975, 6, 7; vom 20. Januar 2000 - IX ZR 58/99, BGHZ 143, 332, 334; zu § 3 AnfG: RGZ 69, 163, 165; RG JW 1914, 106, 107; BGH, Urteil vom 25. November 1964 - VIII ZR 289/62, WM 1965, 14, 15; MünchKommInsO /Kirchhof, aaO § 129 Rn. 27 und § 133 Rn. 9b; Jaeger/Henckel, aaO § 129 Rn. 20 und § 133 Rn. 5).
9
bb) Danach kann es Rechtshandlungsqualität haben, wenn der Schuldner die Durchsuchung seiner Wohn- oder Geschäftsräume hinnimmt, ohne auf einer richterlichen Durchsuchungsanordnung zu bestehen (vgl. MünchKommInsO /Kirchhof, aaO § 133 Rn. 9b). Zahlt der Schuldner an den ohne richterliche Durchsuchungsanordnung erschienenen Vollziehungsbeamten zur Abwendung dieser Vollstreckung, kann ebenfalls eine selbstbestimmte Rechtshandlung des Schuldners vorliegen, auch wenn abgesehen von der fehlenden Durchsuchungsanordnung ein zwangsweiser Zugriff auf die Zahlungsmittel möglich wäre. Der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der Unterlassung und der Gläubigerbenachteiligung ist in einem solchen Fall gegeben, weil der Gläubiger die konkrete Zahlung erlangt hat. Er kann entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht mit der Erwägung verneint werden, eine spätere, nach Erwirken einer richterlichen Anordnung erfolgte Durchsuchung oder geleistete Zahlung hätte zu einer gleichwertigen Befriedigung geführt. Insofern handelt es sich um einen hypothetischen Kausalverlauf, der im Anfechtungsrecht außer Betracht zu bleiben hat (BGH, Urteil vom 12. Juli 2007 - IX ZR 235/03, WM 2007, 2071 Rn. 15; vom 14. Mai 2009 - IX ZR 63/08, WM 2009, 1202 Rn. 28).
10
Die Zahlungen der Schuldnerin können gleichwohl nicht unter dem Gesichtspunkt einer fehlenden richterlichen Durchsuchungsanordnung als Schuldnerhandlung gewertet werden. Denn es ist nicht festgestellt, dass der Schuldnerin bei ihren Zahlungen an den Vollziehungsbeamten der Beklagten die Möglichkeit bewusst gewesen wäre, einen sofortigen Vollstreckungszugriff durch die Forderung nach einer richterlichen Durchsuchungsanordnung verhindern zu können, zumal eine Durchsuchung auch ohne richterliche Anordnung erfolgen kann, wenn ihre Einholung den Erfolg der Durchsuchung gefährden würde (§ 287 Abs. 4 Satz 2 AO). Ohne das Bewusstsein des Schuldners, durch das Unterlassen einer möglichen Handlung die anstehende Vermögensverlagerung auf den gerade vollstreckenden Gläubiger zu fördern, kann eine Unterlassung aber nicht Anknüpfungspunkt einer Vorsatzanfechtung sein (vgl. MünchKommInsO /Kirchhof, aaO § 133 Rn. 9b).
11
b) Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Begründung des Berufungsgerichts für seine Ansicht, auch der Umstand, dass die Schuldnerin Geld von einem Bankkonto abhob und in die Kasse einlegte, um vollstreckende Gläubiger befriedigen zu können, könne eine Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO nicht rechtfertigen. Das Berufungsgericht hat geprüft, ob das Einlegen der Geldbeträge in die Kasse die Anfechtungsvoraussetzungen erfüllt. Insoweit scheidet eine Vorsatzanfechtung bereits deshalb aus, weil das Einlegen der Barmittel in die Kasse noch keine Vermögensverlagerung auf den Beklagten bewirkte. Damit ist die Bedeutung dieses Vorgangs aber nicht erschöpft. Das Bereitstellen entsprechender Geldbeträge in der Kasse schuf die Voraussetzung dafür, dass die Schuldnerin, als der Vollziehungsbeamte des Beklagten sie aufsuchte, nur noch die Wahl hatte, sofort zu zahlen oder die Vollstreckung zu dulden. Es qualifiziert die Zahlungen als selbstbestimmte Rechtshandlungen der Schuldnerin, auch wenn für sie im Augenblick der Zahlungen keine echte Wahlmöglichkeit mehr bestand.
12
Fördert aa) ein Schuldner aktiv eine Vollstreckungsmaßnahme des Gläubigers, kann dies die Bewertung der Vollstreckungsmaßnahme als Rechtshandlung des Schuldners rechtfertigen (MünchKomm-InsO/Kirchhof, aaO § 133 Rn. 9b; FK-InsO/Dauernheim, 6. Aufl. § 133 Rn. 6; Bork in Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 133 Rn. 11; Lind, Zur Auslegung von § 133 InsO, insbesondere im System der Anfechtungstatbestände, S. 73). Die Rechtsprechung hat eine solche Bewertung vorgenommen, wenn die Vollstreckung im einvernehmlichen, kollusiven Zusammenwirken des Schuldners und des Gläubigers erfolgte (BGH, Urteil vom 30. April 1959, aaO S. 893; RGZ 47, 223, 224 f; RG LZ 1908, 388, 389; RGZ 69, 163, 164; OLG Naumburg LZ 1913, 324, 326 f). Sie kommt aber auch dann in Betracht, wenn der Schuldner die Voraussetzungen für eine dann erfolgreiche Vollstreckungshandlung schafft, etwa wenn er den Gläubiger von dem bevorstehenden Zugriff anderer Gläubiger mit der Aufforderung, diesen zuvorzukommen, benachrichtigt, wenn er Pfändungsgegenstände verheimlicht, um sie gerade für den Zugriff des zu begünstigenden Gläubigers bereitzuhalten, oder wenn der Schuldner dem Gläubiger vorzeitig oder beschleunigt einen Vollstreckungstitel gewährt (BGH, Urteil vom 25. November 1964, aaO zu § 3 AnfG aF).
13
bb) Ein solcher Fall ist nach dem bisher unstreitigen Sachverhalt gegeben. Nach dem im Berufungsurteil wiedergegebenen, vom Beklagten nicht bestrittenen Vortrag des Klägers hob die Schuldnerin Barmittel von ihrem Bankkonto ab, legte sie in die Kasse ein und sorgte so für einen hohen Kassenbestand , um mit diesen Mitteln vollstreckende Gläubiger bedienen zu können. Selbst wenn mit Barzahlungen aus der Kasse der Schuldnerin neben dem Beklagten noch andere Vollstreckungsgläubiger befriedigt wurden, hat die gezielte Bereitstellung der Geldbeträge in der Kasse die Möglichkeit einer erfolgreichen Kassenpfändung des Vollziehungsbeamten des Beklagten geschaffen. Eine Pfändung des Kasseninhalts durch den Vollziehungsbeamten wäre unter diesen Umständen als Rechtshandlung der Schuldnerin und nicht als reiner Vollstreckungsvorgang zu bewerten gewesen. Umso mehr gilt dies für die tatsächlich erfolgten Zahlungen der Schuldnerin. Sie stellen sich wegen der gezielten Bereitstellung der Mittel in der Kasse trotz des möglichen Vollstreckungszugriffs des anwesenden Vollziehungsbeamten als selbstbestimmte, willensgeleitete Rechtshandlungen der Schuldnerin dar.

III.


14
Das Berufungsurteil war danach aufzuheben. Eine eigene Sachentscheidung kann der Senat nicht treffen, weil das Berufungsgericht zu den weiteren Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO keine Feststellungen getroffen hat und die Sache daher nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
15
Die Sache war daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dieses wird zu berücksichtigen haben, dass sich die weiteren objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung auf die durch die Zahlungen herbeigeführte Vermögensverlagerung beziehen müssen und nicht auf die Ausstattung der Kasse mit den erforderlichen Geldbeträgen. Kayser Prof. Dr. Gehrlein Vill ist im Urlaub und kann deshalb nicht unterschreiben Kayser Fischer Grupp
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 13.01.2009 - 21 O 295/08 -
KG Berlin, Entscheidung vom 16.10.2009 - 14 U 18/09 -

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.

(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.

(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.

(1) Eine Rechtshandlung gilt als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten.

(2) Ist für das Wirksamwerden eines Rechtsgeschäfts eine Eintragung im Grundbuch, im Schiffsregister, im Schiffsbauregister oder im Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen erforderlich, so gilt das Rechtsgeschäft als vorgenommen, sobald die übrigen Voraussetzungen für das Wirksamwerden erfüllt sind, die Willenserklärung des Schuldners für ihn bindend geworden ist und der andere Teil den Antrag auf Eintragung der Rechtsänderung gestellt hat. Ist der Antrag auf Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf die Rechtsänderung gestellt worden, so gilt Satz 1 mit der Maßgabe, daß dieser Antrag an die Stelle des Antrags auf Eintragung der Rechtsänderung tritt.

(3) Bei einer bedingten oder befristeten Rechtshandlung bleibt der Eintritt der Bedingung oder des Termins außer Betracht.

(1) Allgemeiner Eröffnungsgrund ist die Zahlungsunfähigkeit.

(2) Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR203/12
Verkündet am:
8. Januar 2015
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Feststellung der Zahlungseinstellung und der Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes
auf der Grundlage von Indizien.
BGH, Urteil vom 8. Januar 2015 - IX ZR 203/12 - OLG Celle
LG Hildesheim
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Januar 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, den Richter
Vill, die Richterin Lohmann, den Richter Dr. Pape und die Richterin Möhring

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 12. Juli 2012 insoweit aufgehoben , als das Berufungsgericht das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 22. Juni 2011 aufgehoben, die Klage insgesamt abgewiesen und über die Kosten des Rechtsstreits entschieden hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger ist Verwalter in dem auf Eigenantrag vom 19. März 2009 am 28. Juli 2009 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des M. G. (nachfolgend: Schuldner), der ein Ingenieurbüro vormals zusammen mit dem Beklagten betrieb. Beide hatten sich im Jahre 2002 zu einer Sozietät von Vermessungsingenieuren zusammengeschlossen. In der Folgezeit änderten die Gesellschafter den Sozietätsvertrag dahingehend ab, dass der Beklagte ab dem 1. Januar 2005 eine monatliche Pensionszahlung von 3.500 € erhalten sollte. Im Laufe des Jahres 2005 erbrachte der Beklagte zur Stützung der Liquidität der Gesellschaft drei als Einlage bezeichnete Zahlungen von insgesamt 29.000 €. Ab Januar 2006 führte der Schuldner unter Auflösung der Sozietät das Vermessungsbüro alleine weiter, wobei der Beklagte - zumindest stundenweise - weiter dort tätig war.
2
Mit Vertrag vom 9. März 2006 wandelten der Schuldner und der Beklagte das Kapitalkonto des Beklagten, das zum Jahresende 2005 ein Guthaben von 131.279,07 € auswies und dessen Auszahlung dem Schuldner nicht möglich war, in ein verzinsliches Darlehen um. Für das Jahr 2005 waren 6.500 € Zinsen vereinbart. Ab Januar 2007 sollte das Darlehen in monatlichen Raten von 1.000 € zurückgeführt werden.
3
Im Herbst 2006 zeichnete sich ab, dass der Schuldner das Weihnachtsgeld für dieses Jahr an die Mitarbeiter nicht werde leisten können. Um die Sonderzahlungen gleichwohl zu ermöglichen, zahlte der Beklagte im Oktober 2006 insgesamt 20.000 € auf die bis dahin erhaltenen Pensionszahlungen zurück. Im November 2006 schlossen der Schuldner und der Beklagte "mit Rücksicht auf die angespannte wirtschaftliche Situation des ehemals gemeinsam betriebenen P. Vermessungsbüros" einen Ergänzungsvertrag, wonach der Beklagte im Jahre 2007 anstelle der vereinbarten 42.000 € nur 24.000 € erhalten sollte. Nach dem Vortrag des Klägers kam das Weihnachtsgeld 2006 trotz der Liquiditätshilfen des Beklagten nicht zur Auszahlung. Im Januar 2008 wendete der Beklagte die drohende Zwangsvollstreckung eines ausgeschiedenen Arbeitnehmers aus einem arbeitsgerichtlichen Vergleich mit der Zahlung von 4.800 € ab. Ab November 2008 konnte der Schuldner den laufenden Lohn nicht mehr bezahlen. Es kam zu arbeitsgerichtlichen Klagen, auch wegen des Weihnachtsgeldes 2006.
4
Soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, erbrachte der Schuldner im Zeitraum von April 2007 bis Februar 2009 an den Beklagten Zahlungen auf den Pensionsanspruch in Höhe von insgesamt 63.500 €, Rückzahlungen auf das Darlehen in Höhe von insgesamt 38.967 € sowie Mietzahlungen für einen an den Schuldner vermieteten Lagerraum in Höhe von 5.793,84 €, insgesamt 108.260,84 €. In dieser Höhe, zuzüglich Zinsen, hat die auf Deckungsund Vorsatzanfechtung gestützte Klage des Klägers in erster Instanz Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe:


5
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit es die Klage insgesamt abgewiesen hat, ausgeführt:
7
Der Kläger habe keinen Rückgewähranspruch aus § 143 Abs. 1, § 133 Abs. 1 InsO, weil er zu einem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners allen- falls für die Zeit ab November 2008 ausreichend vorgetragen habe. Der Schuldner handele mit Benachteiligungsvorsatz, wenn er seine Zahlungsunfähigkeit oder seine drohende Zahlungsunfähigkeit kenne. Eine umfassende Gegenüberstellung der fälligen Verbindlichkeiten einerseits und der liquiden Mittel andererseits, aus welcher ein kurzfristig nicht zu behebender Mangel an Zahlungsmitteln in der Zeit ab April 2007 zu entnehmen sei, habe der Kläger nicht vorgelegt. Vortrag zur künftigen Liquiditätssituation, der für den Nachweis der drohenden Zahlungsunfähigkeit erforderlich sei, fehle ebenfalls. Soweit eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit in den Jahren 2004, 2005 und 2006 durch Privateinlagen der Gesellschafter und den Verzicht auf Entnahmen aus dem Kapitalkonto abgewendet worden sei, könne daraus nicht auf eine bestehende oder drohende Zahlungsunfähigkeit ab April 2007 geschlossen werden.
8
Zwar könne es zur Darlegung der Zahlungsunfähigkeit auch ausreichen, dass der Anfechtende vortrage, im maßgeblichen Zeitpunkt hätten fällige Verbindlichkeiten bestanden, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen und deshalb zu Tabelle angemeldet worden seien. Hierfür genüge der Vortrag des Klägers, drei Arbeitnehmer hätten das Weihnachtsgeld für das Jahr 2006 bis zur Verfahrenseröffnung nicht erhalten, aber nicht. Ausreichend seien erst die rückständigen Gehalts- und Gratifikationszahlungen ab November 2008.
9
Die Annahme einer Zahlungseinstellung, die auch zur Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO führen könne und bezüglich derer es einer Liquiditätsbilanz nicht bedürfe, sei zu verneinen, weil die vom Kläger vorgetragenen Indizien nicht den Schluss auf eine Einstellung der Zahlungen des Schuldners ab April 2007 zuließen. Selbst wenn man unterstelle, dass Zahlungen auf das Weihnachtsgeld 2006 in Höhe von 30.000 € offen geblieben seien, genüge dies nicht, weil der Betrag nur verhältnismäßig gering sei. Dem Schreiben des Schuldners vom 4. Juli 2007 an seine Arbeitnehmer, das Weihnachtsgeld für 2006 nicht zahlen zu können, komme keine entscheidende Bedeutung zu. Gleiches gelte für das Schreiben des Steuerberaters vom 18. Juni 2007, wonach in den ersten fünf Monaten 2007 im Ergebnis ein Verlust festzustellen sei, und die den Arbeitnehmern überlassene vorgedruckte Erklärung, ungeachtet einer eventuell drohenden Insolvenz nicht mit einer Gehaltskürzung einverstanden zu sein.
10
Von einer Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes des Schuldners auf Seiten des Beklagten ab November 2008 könne nicht ausgegangen werden, denn die Gesellschaft habe bei seinem Ausscheiden Ende 2005 einen bilanzierten Gewinn von 101.717,54 € gehabt und seine Forderungen gegen den Schuldner seien stets pünktlich befriedigt worden. Dass er Anfang 2008 eingesprungen sei, als der Schuldner 4.080 € benötigt habe, um die Zwangsvollstreckung eines ehemaligen Arbeitnehmers abzuwenden, sei kein ausreichendes Indiz für die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf eine drohenden Zahlungsunfähigkeit hindeuteten.

II.


11
Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung in wesentlichen Punkten nicht stand. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht die Voraussetzungen eines Anfechtungsanspruchs verneint hat, beruhen auf einer unvollständigen Auswertung des maßgeblichen Sachvortrags der Parteien.
12
1. Nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, welche der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Der Benachteiligungsvorsatz ist gegeben, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung (§ 140 InsO) die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt oder als mutmaßliche Folge - sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines an sich erstrebten anderen Vorteils - erkannt und gebilligt hat. Ein Schuldner, der seine Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt in aller Regel mit Benachteiligungsvorsatz. Dessen Vorliegen ist auch schon dann zu vermuten, wenn der Schuldner seine drohende Zahlungsunfähigkeit kennt. Dies ergibt sich mittelbar aus § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO. Da für den anderen Teil die Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners vermutet wird, wenn er wusste, dass dessen Zahlungsunfähigkeit drohte, können für den Vorsatz des Schuldners selbst keine strengeren Anforderungen gelten (BGH, Urteil vom 13. April 2006 - IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 Rn. 14 mwN; vom 30. Juni 2011 - IX ZR 134/10, ZInsO 2011, 1410 Rn. 8 mwN).
13
a) Die Zahlungsunfähigkeit beurteilt sich im gesamten Insolvenzrecht und darum auch im Rahmen des Insolvenzanfechtungsrechts nach § 17 InsO (BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - IX ZR 143/12, ZInsO 2013, 2109 Rn. 7 mwN). Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO kann eine Liquiditätsbilanz aufgestellt werden. Dabei sind die im maßgeblichen Zeitpunkt verfügbaren und innerhalb von drei Wochen flüssig zu machenden Mittel in Beziehung zu setzen zu den am selben Stichtag fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten. Im Insolvenzanfechtungsprozess ist die Aufstellung einer Liquiditätsbilanz oftmals nicht erforderlich, weil im eröffneten Verfahren auch auf andere Weise festgestellt werden kann, ob der Schuldner einen wesentlichen Teil seiner fälligen Verbindlichkeiten nicht bezahlen konnte (vgl.
BGH, Urteil vom 12. Oktober 2006 - IX ZR 228/03, ZInsO 2006, 1210 Rn. 28 mwN; vom 18. Juli 2013, aaO).
14
b) Hat der Schuldner seine Zahlungen eingestellt, begründet auch dies gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit (BGH, Urteil vom 20. November 2001 - IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178, 184 f; vom 18. Juli 2013, aaO Rn. 8 mwN).
15
aa) Zahlungseinstellung ist dasjenige nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (BGH, Urteil vom 20. November 2001, aaO). Es muss sich mindestens für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner außerstande ist, seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen zu genügen. Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reicht für eine Zahlungseinstellung aus. Haben im fraglichen Zeitpunkt fällige Verbindlichkeiten erheblichen Umfangs bestanden, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden sind, ist regelmäßig von einer Zahlungseinstellung auszugehen (BGH, Urteil vom 18. Juli 2013, aaO Rn. 9 mwN).
16
bb) Eine Zahlungseinstellung kann aus einem einzelnen, aber auch aus einer Gesamtschau mehrerer darauf hindeutender, in der Rechtsprechung entwickelter Beweisanzeichen gefolgert werden. Sind derartige Indizien vorhanden , bedarf es einer darüber hinaus gehenden Darlegung und Feststellung der genauen Höhe der gegen den Schuldner bestehenden Verbindlichkeiten oder einer Unterdeckung von mindestens zehn vom Hundert nicht (BGH, Urteil vom 18. Juli 2013, aaO Rn. 10 mwN).
17
2. Nach diesen Maßstäben rechtfertigen die vom Kläger vorgetragenen Beweisanzeichen die Annahme einer Zahlungseinstellung des Schuldners (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO). Insoweit hat das Berufungsgericht den Prozessstoff nicht ausgeschöpft und eine rechtsfehlerfreie Gesamtwürdigung der einzelnen Indizien versäumt (vgl. BGH, Urteil vom 14. Februar 2008 - IX ZR 38/04, ZInsO 2008, 378 Rn. 13; vom 29. März 2012 - IX ZR 40/12, ZInsO 2012, 976 Rn. 11; vom 18. Juli 2013, aaO Rn. 10).
18
a) Das Berufungsgericht nimmt eine nur eingeschränkte Würdigung vor, indem es die maßgeblichen Indizien nicht in einen Gesamtzusammenhang stellt, sondern jeweils nur einzeln für sich betrachtet. So stellt es hinsichtlich der zu Beginn des für die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit maßgeblichen Zeitraums offenen Verbindlichkeiten lediglich in Rechnung, dass die Weihnachtsgeldansprüche von drei Arbeitnehmern für das Jahr 2006 offengeblieben und vom Schuldner bis zur Verfahrenseröffnung nicht ausgeglichen worden sind. Dabei übergeht es den schon in der Klageschrift und in der Berufungserwiderung gehaltenen Vortrag des Klägers, dass der Schuldner sämtlichen Arbeitnehmern das Weihnachtsgeld für 2006 bis zur Insolvenzeröffnung schuldig geblieben ist. Entgegen dem Grundsatz, dass regelmäßig von Zahlungseinstellung auszugehen ist, wenn im fraglichen Zeitpunkt fällige Verbindlichkeiten bestanden , die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden sind (BGH, Urteil vom 30. Juni 2011 - IX ZR 134/10, ZInsO 2011, 1410 Rn. 12 mwN), stellt es nicht fest, ob tatsächlich die Ansprüche aller Arbeitnehmer offengeblieben sind und welchen Umfang diese hatten, sondern begnügt sich mit dem Hinweis, dass drei - vom Kläger nur beispielhaft benannte - Arbeitnehmer ihr Weihnachtsgeld nicht erhalten hätten, was nicht ausreiche, um im Verhältnis zum sonstigen Zahlungsverkehr des Schuldners zu einer Zahlungseinstellung zu kommen.

19
Sodann unterstellt es zwar in seiner weiteren Würdigung, die gesamten ungedeckten Ansprüche auf Weihnachtsgeld könnten auch 30.000 € betragen haben, hält aber auch einen deutlich geringeren Gesamtbetrag für möglich, so dass unklar bleibt, von welchem Betrag es letztlich ausgeht, wenn es meint, die offene Summe sei zu gering, um zu einem beachtlichen Zahlungsrückstand zu kommen. Allein darauf, dass die Nichtzahlung von geschätzten 30.000 € einen nur unwesentlichen Betrag in Relation zu den gesamten Personalausgaben des Schuldners darstelle, hätte die Würdigung des Gerichts aber ohnehin nicht gestützt werden dürfen, weil der Kläger eine Fülle von weiteren Beweisanzeichen vorgetragen hat, die auf eine Zahlungseinstellung des Schuldners schließen lassen.
20
b) Die gebotene Gesamtwürdigung lässt unberücksichtigt, dass es sich bei den Weihnachtsgeldzahlungen für das Jahr 2006 um Forderungen der Arbeitnehmer handelt, deren schleppende Zahlung auch im Fall der erzwungenen "Stundung" durch den Arbeitgeber Anzeichen für eine Zahlungseinstellung ist (BGH, Urteil vom 14. Februar 2008 - IX ZR 38/04, ZInsO 2008, 378 Rn. 20 ff). Schon in den Jahren 2004 und 2005 bestehende Schwierigkeiten des Schuldners , das Weihnachtgelt für diese Jahre zu zahlen, die sich aus den vom Kläger vorgelegten Schreiben des Schuldners und des Beklagten an die Belegschaft vom 22. November 2004 und 20. November 2005 ergeben, lässt das Berufungsgericht bei seiner Würdigung außer Acht. Den für die Gesamtwürdigung erheblichen Umstand, dass der Beklagte im Hinblick auf die anstehende Zahlung des Weihnachtsgeldes für das Jahr 2006 im Oktober 2006 an den Schuld- ner 20.000 € aus den empfangenen Pensionsleistungen zurückgezahlt hat, um dem Schuldner die Zahlung des Weihnachtsgeldes zu ermöglichen, und dieser hierzu gleichwohl nicht in der Lage gewesen ist, erwähnt das Berufungsgericht in seiner Würdigung nicht. Auch dem Ergänzungsvertrag vom 13. November 2006, in dem der Beklagte im Hinblick auf die angespannte wirtschaftliche Situation des Schuldners diesem Pensionszahlungen in Höhe von 18.000 € für das Jahr 2007 erlassen hat, misst es keine Bedeutung zu. Obwohl auch diese Maßnahme nicht zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Situation des Schuldners geführt hat, was nicht zuletzt die Mitteilung des Steuerberaters vom 18. Juni 2007 belegt, in welcher ein Verlust für die ersten fünf Monate des Jahres 2007 attestiert wird, der es nicht zulasse, Sonderzahlungen in der vereinbarten Höhe zu leisten, wird dies in der Entscheidung des Berufungsgericht nicht erwähnt.
21
c) Nicht mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu vereinbaren ist die Auffassung des Berufungsgerichts, eine eigenständige Indizwirkung komme dem Schreiben des Schuldners an seine Belegschaft vom 4. Juli 2007 nicht zu. Wenn der Schuldner in diesem Schreiben unter Hinweis auf das Schreiben des Steuerberaters vom 18. Juni 2007 mitteilt, die Zahlung des Weihnachgeldes 2006 sei - auch nur in Teilbeträgen - weiterhin unmöglich und auch sonst lasse die finanzielle Situation die Erbringung von irgendwelchen Zusatzleistungen nicht zu, räumt er damit seinen Angestellten gegenüber ein, seine Verbindlichkeiten - auch nach Ablauf von mehr als einem halben Jahr nach Fälligkeit - nicht vollständig erfüllen zu können. Die Auffassung des Berufungsgerichts , in dem Schreiben werde nur bestätigt, was der Beklagte ohnehin nicht bestritten habe, verkennt, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eigene Erklärungen des Schuldners, fällige Verbindlichkeiten nicht begleichen zu können, auf eine Zahlungseinstellung hindeuten (BGH, Urteil vom 12. Oktober 2006 - IX ZR 228/03, ZInsO 2006, 1210 Rn. 15 mwN; vom 15. März 2012 - IX ZR 239/09, ZInsO 2012, 696, Rn. 27) und damit ein wesentliches Indiz in der gebotenen Gesamtwürdigung darstellen. Aus dem Schreiben ergibt sich in Verbindung mit dem beigefügten Schreiben des Steuerberaters zudem, dass sich die angespannte finanzielle Situation des Schuldners seit dem Jahresende 2006 weiter verschärft hat und die Verluste und damit auch das Unvermögen, längst fällige Verbindlichkeiten zu bedienen, noch größer geworden ist.
22
Unverständlich ist in diesem Zusammenhang die Auffassung des Berufungsgerichts , die den Arbeitnehmern überlassene vorformulierte Erklärung, trotz eingehender Information über die eventuell drohende Insolvenz und den damit drohenden Verlust aller Arbeitsplätze mit einer Minderung des monatlichen Gehalts nicht einverstanden zu sein, komme keine indizielle Bedeutung zu. Wird mit einer derartigen Erklärung, die nach dem Vortrag des Klägers vom Beklagten stammen soll, Druck auf die Arbeitnehmer ausgeübt, um diese zu Lohnverzichten zu bewegen, muss hierin ein erhebliches Indiz für eine drohende Insolvenz, auf die im Übrigen in dem Schriftstück auch ausdrücklich hingewiesen wird, gesehen werden.
23
d) Keine Bedeutung im Blick auf die Indizien für eine Zahlungseinstellung misst das Berufungsgericht schließlich auch der Zahlung des Beklagten im Januar 2008 in Höhe von 4.080 € bei, mit welcher er dem Schuldner beigesprungen ist, um die zwangsweise Beitreibung titulierter Forderungen eines ausgeschiedenen Arbeitnehmers abzuwenden. Wenn das Berufungsgericht hierzu im Rahmen seiner Hilfsbegründung zur fehlenden Kenntnis des Beklagten vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners erneut ausführt, es handele sich um einen im Vergleich zu den sonstigen Verbindlichkeiten des Schuldners, unerheblichen Betrag, übersieht es, dass auch diese Finanzhilfe schon bei der Gesamtwürdigung zur Zahlungseinstellung hätte berücksichtigt werden müssen. Gegen den Schuldner betriebene Vollstreckungsverfahren legen die Schluss- folgerung der Zahlungseinstellung nahe (vgl. BGH, Beschluss vom 13. April 2006 - IX ZB 118/04, WM 2006, 1215 Rn. 14; Urteil vom 30. Juni 2011 - IX ZR 134/10, ZInsO 2011, 1410 Rn. 17). Auch diese Zahlung trägt deshalb zu dem Gesamtbild eines am Rande des finanzwirtschaftlichen Abgrunds operierenden Schuldners bei (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - IX ZR 143/12, ZInsO 2013, 2109 Rn. 13), dem es auf Dauer nicht gelingt, bestehende Liquiditätslücken zu schließen, sondern der nur noch darum bemüht ist, trotz fehlender Mittel den Anschein eines funktionstüchtigen Geschäftsbetriebs aufrechtzuerhalten.
24
3. Soweit das Berufungsgericht ausführt, es fehle auch daran, dass der Beklagte von einem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners Kenntnis gehabt habe, kann dies die Abweisung der Klage nicht rechtfertigen. Die Ausführungen beruhen auf einem gehörswidrigen Übergehen von Vortrag des Klägers und der unterlassenen Durchführung einer Beweisaufnahme zu der Behauptung, der Beklagte habe das Schreibens vom 4. Juli 2007 und die vorformulierte Erklärung der Arbeitnehmer verfasst.
25
a) Die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung können - weil es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt - meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Soweit dabei Rechtsbegriffe wie die Zahlungsunfähigkeit betroffen sind, muss deren Kenntnis außerdem oft aus der Kenntnis von Anknüpfungstatsachen erschlossen werden. Der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit steht auch im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen (BGH, Urteil vom 13. August 2009 - IX ZR 159/06, ZInsO 2009, 1909 Rn. 8 mwN). Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (dro- hende) Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt (BGH, Urteil vom 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08, BGHZ 180, 63 Rn. 13; vom 13. August 2009, aaO). Bewertet der Gläubiger das ihm vollständig bekannte Tatsachenbild falsch, kann er sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er diesen Schluss nicht gezogen hat. Die Feststellung der subjektiven Voraussetzungen der Anfechtung obliegt dabei in erster Linie dem Tatrichter. Erforderlich ist auch im Blick auf die Kenntnis der aufgrund der Zahlungseinstellung vermuteten Zahlungsunfähigkeit eine Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände, sofern aus ihnen ein zwingender Schluss auf die Kenntnis folgt (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - IX ZR 143/12, ZInsO 2013, 2109 Rn. 17 mwN).
26
b) Diesen Grundsätzen genügt die Entscheidung des Berufungsgerichts, das nur einzelne Umstände herausgreift und keine Gesamtwürdigung vornimmt, ebenfalls nicht. Das Berufungsgericht hätte sämtliche für den Beklagten erkennbaren Umstände in einem Gesamtzusammenhang stellen und würdigen müssen.
27
aa) Der ausgewiesene Bilanzgewinn zum Jahresende 2005 wird in der Entscheidung für ausschlaggebend im Hinblick auf die fehlende Kenntnis der Zahlungseinstellung gehalten. Dies sagt aber nichts über die vorhandene Liquidität aus. Um diese aufrechtzuerhalten, mussten die Sozien im Jahre 2004 schon Einlagen in Höhe von insgesamt 71.905,09 € und im Jahre 2005 in Höhe von insgesamt 41.500 € leisten. Zudem war die angespannte finanzielle Situation des Schuldners dem Beklagten schon aufgrund der fehlenden Erfüllbarkeit seines Anspruchs auf Ausgleich seines Kapitalkontos zum Jahresende 2005, der zum Abschluss des Darlehensvertrags vom 9. März 2006 führte, bekannt. Auszahlen konnte der Schuldner den dem Beklagten bei seinem Ausscheiden aus der Sozietät zustehenden Kapitalanteil nicht.

28
Das Berufungsgericht erkennt zwar, dass bei Durchsetzung des dem Beklagten zustehenden Ausgleichsanspruchs schon zum Jahresende 2005 eine Unterdeckung in Höhe von 4.775,74 € entstanden wäre, hält dies aber wegen der Erfüllung der - allerdings durch Teilverzicht und Reduzierung für 2007 - herabgesetzten Ansprüche des Klägers für unerheblich. Die sonstige finanzielle Situation, zu der es im Zusammenhang mit der Prüfung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit anhand einer Finanzplanung festgestellt hat, dass eine (drohende ) Zahlungsunfähigkeit schon 2004 und 2005 nur durch Einlagen der Gesellschafter und den Verzicht auf Entnahmen aus dem Kapitalkonto abgewendet werden konnte, lässt es unberücksichtigt. Die weiteren Beweisanzeichen für einen finanziellen Zusammenbruch werden ebenfalls nicht in einen Gesamtzusammenhang gestellt.
29
bb) Das Berufungsgericht blendet aus, dass der Schuldner nach dem Vorbringen des Klägers letztlich zu keinem Zeitpunkt in der Lage gewesen ist, das Weihnachtsgeld für das Jahr 2006 trotz der Liquiditätshilfen des Beklagten, dem diese Schwierigkeiten spätestens seit Oktober 2006 bekannt waren, auszugleichen. Den unter Beweis gestellten Vortrag des Klägers, der Beklagte sei Verfasser des Schreibens vom 4. Juli 2007 gewesen, hält es mit der verfehlten Begründung für unerheblich, dieses Schreiben sei für eine Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes nicht ausreichend, obwohl in diesem Schreiben das Unvermögen, das Weihnachtgeld für 2006 überhaupt noch zu zahlen, auf Dauer eingeräumt wird. Gleiches gilt im Hinblick auf den Vortrag des Klägers, der Beklagte habe den Arbeitnehmern ein vorformuliertes Schreiben zur Verfügung gestellt, aus dem sich die drohende Zahlungsunfähigkeit unübersehbar ergibt. Stattdessen begnügt es sich mit der pauschalen Feststellung, auch wenn der Beklagte bis Ende 2008 weiter stundenweise in dem Büro tätig gewesen sei, an Betriebsversammlungen teilgenommen und massiven Einfluss auf die Personalpolitik - insbesondere im Hinblick auf Kürzungen bei den Personalausgaben - genommen habe, sage dies nichts darüber aus, welche konkreten Kenntnisse er über welche offenen Forderungen und die zur Verfügung stehenden liquiden Mittel gehabt habe.
30
cc) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Gläubiger , der es mit einem unternehmerisch tätigen Schuldner zu tun hat und der weiß, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Verbindlichkeiten zu befriedigen, damit rechnen, dass auch gegenüber anderen Gläubigern Verbindlichkeiten (wobei künftige Verbindlichkeiten ebenfalls in Betracht kommen) entstehen, die er nicht bedienen kann (vgl. BGH, Urteil vom 13. August 2009 - IX ZR 159/06, ZInsO 2009, 1909 Rn. 14; vom 25. Oktober 2012 - IX ZR 117/11, ZInsO 2012, 2244 Rn. 30). Auch diese Rechtsprechung beachtet das Berufungsgericht nicht hinreichend, indem es trotz des Wissens um die dauernde Nichterfüllbarkeit der offen gebliebenen Weihnachtsgeldansprüche der Arbeitnehmer aus dem Jahr 2006 und der vielfältigen finanziellen Unterstützungsleistungen des Beklagten, denen jeweils das Eingeständnis des Schuldners vorausgegangen war, seine Verbindlichkeiten nicht vollständig erfüllen zu können , nur darauf abstellt, dass der Schuldner jedenfalls seine reduzierten Zahlungspflichten gegenüber dem Beklagten erfüllt habe.

III.


31
Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine eigene Sachentscheidung (§ 563 Abs. 3 ZPO) kann der Senat auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht treffen.
Kayser Vill Ri'inBGH Lohmann ist im Urlaub und kann deshalb nicht unterschreiben. Kayser Pape Möhring
Vorinstanzen:
LG Hildesheim, Entscheidung vom 22.06.2011 - 2 O 353/10 -
OLG Celle, Entscheidung vom 12.07.2012 - 13 U 142/11 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 143/12
Verkündet am:
18. Juli 2013
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Feststellung der Zahlungseinstellung auf der Grundlage von Indizien.
BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - IX ZR 143/12 - OLG Frankfurt in Darmstadt
LG Darmstadt
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Juli 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, den Richter
Vill, die Richter Dr. Pape, Grupp und die Richterin Möhring

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird der die Berufung zurückweisende Beschluss des 13. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 14. Mai 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger ist Verwalter in dem auf den Antrag eines Sozialversicherungsträgers vom 5. April 2005 am 1. September 2005 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der P. GbR (nachfolgend: Schuldnerin). Die Schuldnerin betrieb eine Großbäckerei mit mehreren Filialen und Verkaufsstellen. Sie geriet mehr als ein Jahr vor Insolvenzeröffnung gegenüber Sozialversicherungsträgern , Energieversorgungsunternehmen und anderen Gläubigern in Zahlungsrückstand. Im Zeitraum vom 26. Januar 2005 bis zum 12. Juli 2005 entrichtete sie nach dem Vortrag des Klägers durch Barzahlung und Überweisungen an die Beklagte, ihren Energielieferer, insgesamt 53.582 €.

2
Der Kläger verlangt diesen Betrag unter dem Gesichtspunkt der Deckungsanfechtung zurück. Das Landgericht hat seine Klage abgewiesen. Die von dem Kläger eingelegte Berufung ist durch einstimmigen Beschluss des Berufungsgerichts gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen worden. Mit seiner von dem erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


3
Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


4
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die von der Schuldnerin geleisteten Zahlungen seien trotz der von der Beklagten angedrohten Sperre der Stromversorgung nicht inkongruent. Eine Anfechtung nach § 131 InsO komme deshalb nicht in Betracht. Auf § 130 Abs. 1 Satz 1 InsO könne der Kläger seine Anfechtung nicht stützen, weil es ihm nicht gelungen sei, die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zum Zeitpunkt der angefochtenen Handlungen darzulegen. Zwar halte der Senat an seiner im Hinweisbeschluss vom 27. Januar 2012 geäußerten Auffassung, dass es auch im Fall des Nachweises der Zahlungsunfähigkeit durch das Bestehen fälliger Verbindlichkeiten, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden seien, der Darlegung bedürfe, dass diese Verbindlichkeiten einen wesentlichen Teil der fälligen Verbindlichkeiten zum jeweiligen Stichtag darstellten, nicht fest. Ausreichend für die Annahme einer Zahlungseinstellung könne auch sein, dass zum fraglichen Zeitpunkt fällige Verbindlichkeiten bestanden, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden seien, wenn diese nicht einen wesentlichen Teil der Gesamtverbindlichkeiten ausmachten. Die Tatsache, dass die Schuldnerin noch in der Lage gewesen sei, erhebliche Zahlungen an die Beklagte zu leisten und ihre durchschnittlichen Tageseinnahmen von 8.000 € wenigstens rechnerisch ausgereicht hätten, den Rückstand bei der Beklagten auszugleichen, belege aber, dass sich hier eine pauschale Betrachtung verbiete. Abgesehen von den Rückständen bei Sozial- versicherungsträgern, die mit 9.155,02 € zum 12. April 2005 und 16.762,96 € zum 22. Juli 2005 ebenfalls nicht erheblich gewesen seien, habe der Kläger nicht dargelegt, dass die Schuldnerin noch weitere Verbindlichkeiten gegenüber Dritten gehabt habe, die den Schluss auf massive Zahlungsschwierigkeiten zuließen. Dass die Schuldnerin nicht in der Lage gewesen sei, ihre Stromrechnungen zu bezahlen, falle aufgrund ihrer erheblichen Tageseinnahmen nicht ins Gewicht; gleiches gelte im Hinblick auf die Nichteinlösung von Lastschriften über zwei- und dreistellige Eurobeträge. Der Kläger habe im Übrigen auch nicht dargetan, dass die Beklagte Kenntnis von Umständen gehabt habe, aus denen sie bei zutreffender rechtlicher Würdigung auf eine Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungseinstellung hätte schließen müssen. Dass sie die Belieferung der Schuldnerin fortgesetzt habe, zeige ihre Unkenntnis von der Zahlungseinstellung.

II.


5
Mit dieser Begründung kann der Zurückweisungsbeschluss keinen Bestand haben. Auf der Grundlage des vom Berufungsgericht angenommenen Sachverhalts hätte es für den hier maßgeblichen Anfechtungszeitraum ab dem 21. Januar 2005 die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO nicht verneinen dürfen, weil diese ihre Zahlungen eingestellt hatte und hieraus auf ihre Zahlungsunfähigkeit zu schließen war (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO).
6
1. Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die einem Insolvenzgläubiger eine Befriedigung gewährt hat, wenn entweder die Handlung innerhalb der letzten drei Monate vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist, der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war und der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit kannte, oder die Handlung nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte. Gemäß § 130 Abs. 2 InsO steht der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen.
7
a) Die Zahlungsunfähigkeit beurteilt sich im gesamten Insolvenzrecht und darum auch im Rahmen des Insolvenzanfechtungsrechts nach § 17 InsO (BGH, Beschluss vom 13. Juni 2006 - IX ZB 238/05, WM 2006, 1631 Rn. 6). Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO kann eine Liquiditätsbilanz aufgestellt werden. Dabei sind die im maßgeblichen Zeitpunkt verfügbaren und innerhalb von drei Wochen flüssig zu machenden Mittel in Beziehung zu setzen zu den am selben Stichtag fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten. Im Insolvenzanfechtungsprozess ist die Aufstellung einer Liquiditätsbilanz oftmals nicht erforderlich, weil im eröffneten Verfahren auch auf andere Weise festgestellt werden kann, ob der Schuldner einen wesentlichen Teil seiner fälligen Verbindlichkeiten nicht bezahlen konnte (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 2006 - IX ZR 228/03, WM 2006, 2312 Rn. 28; ständig).
8
b) Hat der Schuldner seine Zahlungen eingestellt, begründet dies auch für die Insolvenzanfechtung gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit (BGH, Urteil vom 20. November 2001 - IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178, 184 f; vom 21. Juni 2007 - IX ZR 231/04, WM 2007, 1616 Rn. 27; vom 30. Juni 2011 - IX ZR 134/10, WM 2011, 1429 Rn. 10).
9
aa) Zahlungseinstellung ist dasjenige nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (BGH, Urteil vom 20. November 2001, aaO). Es muss sich mindestens für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner außerstande ist, seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen zu genügen (BGH, Urteil vom 21. Juni 2007, aaO Rn. 28). Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reicht für eine Zahlungseinstellung aus (BGH, Urteil vom 21. Juni 2007, aaO Rn. 29; vom 20. Dezember 2007 - IX ZR 93/06, WM 2008, 452 Rn. 21 jeweils mwN). Haben im fraglichen Zeitpunkt fällige Verbindlichkeiten erheblichen Umfangs bestanden, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden sind, ist regelmäßig von Zahlungseinstellung auszugehen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 2006, aaO Rn. 22, 28).
10
bb) Eine Zahlungseinstellung kann aus einem einzelnen, aber auch aus einer Gesamtschau mehrerer darauf hindeutender, in der Rechtsprechung entwickelter Beweisanzeichen gefolgert werden. Sind derartige Indizien vorhanden , bedarf es einer darüber hinaus gehenden Darlegung und Feststellung der genauen Höhe der gegen den Schuldner bestehenden Verbindlichkeiten oder gar einer Unterdeckung von mindestens 10 vom Hundert nicht. Es obliegt vielmehr dem Tatrichter, ausgehend von den festgestellten Indizien eine Gesamtabwägung vorzunehmen, ob eine Zahlungseinstellung gegeben ist (BGH, Urteil vom 30. Juni 2011, aaO Rn. 13 mwN).
11
2. Nach diesen Maßstäben rechtfertigen die von dem Berufungsgericht festgestellten Beweisanzeichen die Annahme einer Zahlungseinstellung (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO) des Schuldners. Insoweit hat das Berufungsgericht den Prozessstoff nicht ausgeschöpft und eine rechtsfehlerfreie Gesamtwürdigung der einzelnen Indizien versäumt (vgl. BGH, Urteil vom 14. Februar 2008 - IX ZR 38/04, WM 2008, 698 Rn. 13).
12
a) Im Streitfall bestanden nach dem "Aktenstand", auf den sich das Berufungsgericht ausdrücklich bezogen hat, bereits im Zeitpunkt der ersten von der Schuldnerin zugunsten der Beklagten innerhalb des Dreimonatszeitraums bewirkten Zahlung am 21. Januar 2005 erhebliche Zahlungsrückstände, die der Schuldner bis zu der Verfahrenseröffnung nicht mehr vollständig beglichen hat. Schon dieser Umstand begründet regelmäßig ein Indiz für eine Zahlungseinstellung (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 2006, aaO Rn. 28). Auch wenn vom Kläger lediglich dargelegt ist, dass damals Forderungen der Beklagten und eines Sozialversicherungsträgers offenstanden, fällt bei der Bewertung ins Gewicht , dass die Forderung der Beklagten im Hinblick auf den Geschäftsbetrieb der Schuldnerin existenzielle Bedeutung hatte, weil ohne eine Stromversorgung ein Bäckereibetrieb nicht zu unterhalten ist. Die mehr als halbjährige Nichtbegleichung von Sozialversicherungsbeiträgen bildet nach ständiger Rechtsprechung ein erhebliches Beweisanzeichen für eine Zahlungseinstellung (BGH, Urteil vom 20. November 2001 - IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178, 187; vom 10. Juli 2003 - IX ZR 89/02, WM 2003, 1776, 1778; vom 12. Oktober 2006 - IX ZR 228/03, WM 2006, 2312 Rn. 24; vom 30. Juni 2011, aaO Rn. 15). Zwar ist nicht festgestellt, ob gegen die Schuldnerin bei Verfahrenseröffnung weitere offene Verbindlichkeiten bestanden, die schon zum Zeitpunkt der hier streitgegenständlichen Zahlungen begründet waren, weil eine Auseinandersetzung mit der in den Vorinstanzen beigezogenen Akte des Insolvenzverfahrens durch das Berufungsgericht nicht erfolgt ist. Schon eine dauerhaft schleppende Zahlungsweise kann aber Indizwirkung für eine Zahlungseinstellung haben (vgl. BGH, Urteil vom 9. Januar 2003 - IX ZR 175/02, WM 2003, 400, 402; Beschluss vom 24. April 2008 - II ZR 51/07, ZInsO 2008, 1019 Rn. 6). Dies hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt, indem es übergangen hat, dass die Schuldnerin schon zuvor, nämlich in den Monaten November 2004 bis Januar 2005, die Forderungen der Beklagten, ihres Energieversorgers, nicht mehr beglichen hat, so dass es zu einer Vielzahl von Zahlungsaufforderungen und Mahnungen mit der Androhung von Stromsperren gekommen ist. Ihre Rückstände bei der Beklagten hat die Schuldnerin trotz eigener, nicht eingehaltener Zahlungszusagen nicht ausgeglichen. Vielmehr sind nach dem klägerischen Vortrag die Schulden sogar kontinuierlich angestiegen.
13
b) Ferner hat das Berufungsgericht außer Acht gelassen, dass die Schuldnerin infolge der ständigen verspäteten Begleichung der Forderungen der Beklagten, wie auch anderer Gläubiger, einen Forderungsrückstand vor sich hergeschoben hat und demzufolge ersichtlich am Rande des finanzwirtschaftlichen Abgrunds operierte (vgl. MünchKomm-InsO/Eilenberger, 3. Aufl. § 17 Rn. 30). Die sich immer wieder erneuernden Forderungsrückstände widerlegen die Bewertung des Berufungsgerichts, dass kein wesentlicher Teil der Verbindlichkeiten betroffen war und es sich um lediglich geringfügige Liquiditätslücken handelte (vgl. BGH, Urteil vom 9. Januar 2003, aaO; vom 11. Februar 2010 - IX ZR 104/07, WM 2010, 711 Rn. 43). Wären es tatsächlich ge- ringfüge Liquiditätslücken gewesen, hätte es der Schuldnerin gelingen müssen, diese zu schließen. Tatsächlich war die Schuldnerin nach dem Gesamtbild, auf das sich das Berufungsgericht bezogen hat, nur noch darum bemüht, trotz fehlender Mittel den Anschein eines funktionstüchtigen Geschäftsbetriebs aufrechtzuerhalten. Dies folgt aus den Bekundungen der Zeugin P. , nach denen es dem Gesellschafter der Schuldnerin nur noch darum ging, Löcher zu stopfen. Dass auch andere Gläubiger die Schuldnerin bedrängten, folgt bereits aus dem Umstand, dass nach Aussage der Zeugin neben etlichen Lieferanten, die Zahlung beanspruchten, auch Gerichtsvollzieher die Schuldnerin aufsuchten. Warum sich das Berufungsgericht dieser Erkenntnis verschließt und in seiner Begründung ausführt, dass es keine nennenswerten weiteren Verbindlichkeiten gegenüber Dritten gegeben habe, ist im Hinblick auf dieses Beweisergebnis unverständlich. Die Beweisaufnahme ergibt im Gegenteil das Bild eines Schuldners, der am finanziellen Abgrund wirtschaftet und nur noch darum bemüht ist, die Gläubiger zu befriedigen, die ihn am stärksten bedrängen. Nachdem sich diese Vorgänge über mehrere Monate erstreckten und damit deutlich über den Zeitraum von drei Wochen hinausgingen, kann nach den bisher getroffenen Feststellungen auch nicht von einem nur kurzfristigen Liquiditätsengpass ausgegangen werden. Die Annahme einer bloßen Zahlungsstockung ist nach dieser Indizienlage ausgeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2012 - IX ZR 239/09, ZInsO 2012, 696 Rn. 18 ff).
14
c) Die durchschnittlichen Tagesumsätze der Schuldnerin haben entgegen der Würdigung des Berufungsgerichts keine entlastende Wirkung. Allein aus dem Umstand, dass die Schuldnerin, die offenkundig nicht mehr in der Lage war, einen geordneten Zahlungsverkehr aufrechtzuerhalten, im Durchschnitt Tageseinnahmen von 8.000 € hatte, folgt nicht, dass eine Zahlungseinstellung ausschied. Mit diesen Tageseinnahmen konnten - soweit nicht ohnehin Privat- entnahmen getätigt worden sind, wie die Zeugin P. bekundet hat - nur noch Löcher gestopft werden. Um sämtliche Gläubiger außer der Beklagten zu befriedigen , reichten sie nicht aus. Selbst wenn die Einnahmen, wie vom Berufungsgericht unterstellt, rechnerisch genügt hätten, um die Forderungen der Beklagten zu erfüllen, standen sie tatsächlich nicht zur Verfügung. So forderten die von der Beklagten entsandten Sperrkassierer höhere Beträge ein, als sie von der Zeugin P. - je nach Kassenlage - erhalten konnten, weil die Schuldnerin ungeachtet ihrer Tageseinnahmen, die aus den gesammelten Einnahmen sämtlicher Filialbetriebe stammten, nicht imstande war, mehr zu zahlen. Die absolute Höhe der Tageseinnahmen steht deshalb der durch eine Vielzahl von Indizien belegten Zahlungseinstellung nicht entgegen.
15
d) Zwar hat das Berufungsgericht im Grundsatz richtig gesehen, dass die schon im Jahr 2004 zurückgegebenen Lastschriften und die nicht eingehaltene Zahlungszusage der Schuldnerin gravierende Indizien für die Annahme einer Zahlungseinstellung sein können. Mit seiner Auffassung, eine Zahlungsunfähigkeit sei auszuschließen, wenn ein Schuldner nur über hinreichend hohe Umsätze verfüge, ungeachtet aller sonstigen Anzeichen für eine Zahlungseinstellung und ohne Rücksicht auf die Frage, welche laufenden Aufwendungen er habe, um diese Umsätze zu erzielen, hat es sich aber den Blick auf diese weiteren maßgeblichen Indizien verstellt.
16
3. Soweit das Berufungsgericht ausführt, selbst bei unterstellter Zahlungsunfähigkeit sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte nach § 130 Abs. 2 InsO Kenntnis von Umständen gehabt habe, aus denen sie bei zutreffender rechtlicher Beurteilung auf eine Zahlungsunfähigkeit oder jedenfalls Zahlungseinstellung zu schließen gehabt hätte, kann dies die Abweisung der Klage nicht rechtfertigen.

17
a) Für die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldnersgenügt es, wenn der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen und dem Verhalten des Schuldners bei natürlicher Betrachtungsweise den zutreffenden Schluss zieht, dass jener wesentliche Teile, also 10 v.H. oder mehr, seiner ernsthaft eingeforderten Verbindlichkeiten im Zeitraum der nächsten drei Wochen nicht wird tilgen können (BGH, Urteil vom 12. Oktober 2006 - IX ZR 228/03, WM 2006, 2312 Rn. 24; HK-InsO/Kreft, 6. Aufl., § 130 Rn. 25 f). Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit hinweisen (BGH, Urteil vom 24. Mai 2007 - IX ZR 97/06, ZIP 2007, 1511 Rn. 25; vom 20. November 2008 - IX ZR 188/07, ZInsO 2009, 145 Rn. 10; vom 8. Oktober 2009 - IX ZR 173/07, ZIP 2009, 2253 Rn. 10). Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Beurteilung die Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt (BGH, Urteil vom 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08, BGHZ 180, 63 Rn. 13 f; BGH, Urteil vom 8. Oktober 2009, aaO Rn. 10). Zahlungsunfähigkeit ist auch dann anzunehmen, wenn der Schuldner die Zahlungen eingestellt hat. Kennt der Gläubiger die Tatsachen, aus denen sich die Zahlungseinstellung ergibt, kennt er damit auch die Zahlungsunfähigkeit. Bewertet er das ihm vollständig bekannte Tatsachenbild falsch, kann er sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er diesen Schluss nicht gezogen hat (BGH, Urteil vom 20. November 2001 - IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178, 185; vom 19. Februar 2009, aaO Rn. 14). Die Feststellung der subjektiven Voraussetzungen der Anfechtung - hier der Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Rechtshandlung (§ 130 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 InsO) - obliegt dabei in erster Linie dem Tatrichter (vgl. BGH, Urteil vom 19. Februar 2009, aaO Rn. 15; BGH, Urteil vom 17. Juni 2010 - IX ZR 134/09, ZInsO 2010, 1324 Rn. 9). Erforderlich ist auch im Blick auf die Kenntnis der aufgrund der Zahlungseinstellung vermute- ten Zahlungsunfähigkeit eine Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände, sofern aus ihnen ein zwingender Schluss auf die Kenntnis folgt (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 2006 - IX ZR 228/03, WM 2006, 2312 Rn. 30; vom 15. Mai 2009 - IX ZR 201/08, WM 2009, 2322 Rn. 6; vom 19. Mai 2011 - IX ZR 9/10, WM 2011, 1085 Rn. 15).
18
b) Die pauschalen Ausführungen des Berufungsgerichts, die Beklagte habe aus ihrem Wissen um die Vielzahl der Bäckereifilialen der Schuldnerin schließen dürfen, dass diese über beträchtliche Tageseinnahmen und damit hinreichende Liquidität verfügt habe, genügen diesen Anforderungen nicht. Das Berufungsgericht hat die gebotene Gesamtwürdigung hinsichtlich der Zahlungszeitpunkte bislang nicht vorgenommen. Es wird deshalb nach Zurückverweisung der Sache zu prüfen haben, ob die Beklagte zu den einzelnen Zahlungszeitpunkten aufgrund der ihr bekannten Indiztatsachen die erforderliche positive Kenntnis von der Zahlungseinstellung der Schuldnerin hatte. Dabei wird es sich insbesondere mit den zurückgegebenen Lastschriften, dem sich ständig vergrößernden Zahlungsrückstand, der Nichtzahlung der Stromrechnungen für die Monate November 2004 bis Januar 2005, den Mahnungen der Beklagten, der nicht erfüllten Zahlungszusage der Schuldnerin und den Beitreibungsversuchen des eigenen Sperrkassierers befassen müssen.

III.


19
Die Entscheidung des Berufungsgerichts kann deshalb keinen Bestand haben. Sie ist aufzuheben. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif und deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine eigene Sachentscheidung (§ 563 Abs. 3 ZPO) kann der Senat auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht treffen , weil diese den Vortrag der Parteien nicht ausschöpfen.
Kayser Vill Pape
Grupp Möhring

Vorinstanzen:
LG Darmstadt, Entscheidung vom 15.01.2010 - 23 O 94/07 -
OLG Frankfurt in Darmstadt, Entscheidung vom 14.05.2012 - 13 U 27/10 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 13/12
Verkündet am:
10. Januar 2013
Kluckow
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
"Göttinger Gruppe"

a) Ein vom Gläubiger mit der Durchsetzung einer Forderung gegen den späteren
Insolvenzschuldner beauftragter Rechtsanwalt ist Wissensvertreter des Gläubigers
, soweit er sein Wissen aus allgemein zugänglichen Quellen erlangt oder es
über seine Internetseite selbst verbreitet hat.

b) Die Angaben des Rechtsanwalts auf seiner Internetseite zu der Liquiditätslage des
späteren Insolvenzschuldners können ein Beweisanzeichen für die Kenntnis vom
Gläubigerbenachteiligungsvorsatz darstellen.
BGH, Urteil vom 10. Januar 2013 - IX ZR 13/12 - LG München I
AG München
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Januar 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, den
Richter Vill, die Richterin Lohmann, den Richter Grupp und die Richterin
Möhring

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 15. Dezember 2011 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die S. Göttinger Aktiengesellschaft (künftig: Schuldnerin) sammelte von zahlreichen Anlegern , insbesondere Kleinanlegern, Kapital zum Erwerb, zur Verwaltung und zur Verwertung von Immobilien, Wertpapieren und Unternehmensbeteiligungen, indem sie diese veranlasste, mit ihr stille Gesellschaften zu gründen. Auch der Beklagte beteiligte sich in den neunziger Jahren an der Schuldnerin. Im Jahr 2001 kündigte er die Beteiligung und verlangte von der Schuldnerin seine Einlage zurück. Da diese nicht freiwillig zahlte, verklagte er sie und legte gegen das klageabweisende Urteil Berufung ein. Er ließ sich durch die Rechtsanwälte L. und Kollegen (künftig: Anwälte) vertreten, die neben ihm eine Vielzahl von weiteren Anlegern vertraten und auf ihrer Internetseite sich seit 2001 immer wieder mit der Schuldnerin beschäftigten.

2
Nach Bekanntwerden der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu den geltend gemachten Ansprüchen von Anlegern der Schuldnerin (Urteil vom 29. November 2004 - II ZR 6/03, ZIP 2005, 254; jeweils vom 21. März 2005 - II ZR 140/03, ZIP 2005, 753; - II ZR 149/03, ZIP 2005, 763; - II ZR 310/03, ZIP 2005, 759; vom 26. September 2005 - II ZR 314/03, ZIP 2005, 2060) schloss diese am 18. November 2005 mit den Anwälten zugunsten von deren Mandanten, die sie bis zum 11. September 2005 mit ihrer Vertretung beauftragt hatten, einen Gesamtvergleich, wonach sie mit den Mandanten nach einem vereinbarten Schlüssel Einzelvergleiche schließen und an die Anwälte bis zum 15. April 2006 treuhänderisch 1.733.618,14 € zur Verteilung an die Mandanten zahlen sollte. Wenn der Termin nicht gehalten würde, sollte sie 2.088.606,19 € nebst Zinsen zahlen. Das Geld sollte sie in Höhe von 1.411.952,20 € (Zahlung bis zum 15. April 2006) beziehungsweise in Höhe von 1.766.940,95 € (Zahlung nach dem 15. April 2006) durch die Veräußerung vinkulierter Namensaktien an der G. Lebensversicherung und durch die Veräußerung von näher bezeichneten Immobilien aufbringen. Die Namensaktien wurden als Sicherung an die Anwälte verpfändet. Weiter verpflichtete sich die Schuldnerin, ihre Grundstückskäufer in dem notariellen Kaufvertrag anzuweisen, vom Kaufpreis 321.665,94 € direkt an die Anwälte zu zahlen. Dementsprechend verglich sich die Schuldnerin mit dem Beklagten am 7. April 2006 durch vom Berufungsgericht festgestellten Vergleich auf die Zahlung von 1.604,91 € nebst Zinsen beziehungsweise auf die Zahlung von 1.283,93 €, wenn sie bis zum 15. April 2006 erfolgte.
3
Der vereinbarte Zahlungstermin verstrich ereignislos. Erst im August 2006 wurden die Grundstücke und im Oktober 2006 die Aktien veräußert. Vom Kaufpreis für die Versicherung flossen weisungsgemäß 1.507.274,50 € auf das Konto des eingeschalteten Notars, der das Geld ebenfalls weisungsgemäß an die Anwälte weiterüberwies. Daraus wurden Ende Oktober 2006 an den Beklagten 1.604,91 € gezahlt. Eine weitere Rate in Höhe von 300.000 € wurde Anfang April 2007 wiederum über den Notar an die Anwälte gezahlt.
4
Am 14. Juni 2007 wurde auf am 7. April 2007 eingegangenen Gläubigerantrag hin das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Er focht die im Oktober 2006 an den Beklagten erfolgte Zahlung an.
5
Das Amtsgericht hat den Kläger verurteilt, an die Schuldnerin 1.604,91 € nebst Zinsen zu zahlen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit seiner Revision will der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.

Entscheidungsgründe:


6
Die Revision ist unbegründet.

I.


7
Das Landgericht hat ausgeführt: Der geltend gemachte Zahlungsanspruch ergebe sich aus § 143 Abs. 1, § 133 Abs. 1 InsO. Die angefochtene Zahlung vom 31. Oktober 2006 stelle eine Rechtshandlung der Schuldnerin dar, die zu einer Benachteiligung der Gesamtheit der Gläubiger geführt habe. Die Schuldnerin habe mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt, wovon der Beklagte gewusst habe. Die Schuldnerin sei im maßgeblichen Zeitpunkt am 31. Oktober 2006 bereits zahlungsunfähig gewesen, ohne dass sie mit einer baldigen Überwindung der Krise habe rechnen können. Da es sich hierbei um für die Schuldnerin offen zutage liegende Umstände gehandelt habe, sei von einer entsprechenden Kenntnis der Schuldnerin auszugehen. Konkrete Umstände, die eine Beseitigung der Liquiditätslücke in naher Zukunft erwarten ließen, seien nicht ersichtlich und würden von dem Beklagten nicht vorgetragen. Der Beklagte oder aber seine Bevollmächtigten, deren allgemeines, sich aus ihren Internetpublikationen ergebendes Wissen dem Beklagten nach § 166 BGB zuzurechnen sei, hätten zumindest von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gewusst. Dass die wirtschaftliche Lage schlecht gewesen sei und die Zahlungsunfähigkeit gedroht habe, ergebe sich schon aus dem Zahlungsverhalten der Schuldnerin, der dem Beklagten bekannten Art und Weise der Liquiditätsbeschaffung und der Lage, in der sich die Schuldnerin angesichts der Prozesslawine befunden habe.
8
Dahinstehen könne, ob an den Aktien der G. Lebensversicherung ein Sicherungspfandrecht entstanden sei. Die Verpfändung wäre gleichfalls anfechtbar gewesen. Mangels anfechtungsfesten Absonderungsrechts habe die Zahlung gegen Freigabe des Pfandes objektiv gläubigerbenachteiligende Wirkung. Auf die Frage der Inkongruenz komme es für die Entscheidung nicht an, weil die Zahlung nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar sei.

II.


9
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand. Mit Recht hat das Berufungsgericht entschieden, dass dem Kläger gegen den Beklagten ein Rückgewähranspruch aus § 143 Abs. 1 Satz 1, § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO zusteht. Rechtsfehler, die das Ergebnis in Frage stellen könnten, sind nicht ersichtlich. Das Berufungsgericht hat die von ihm verfahrensfehlerfrei festgestellten Tatsachen in tatrichterlicher Verantwortung entsprechend gewürdigt.
10
Nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO sind Rechtshandlungen, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen , vorgenommen hat, anfechtbar, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte.
11
1. Die Rückzahlung der Einlage an den Beklagten acht Monate vor Stellung des Insolvenzantrags stellt sich aufgrund der Anweisung der Schuldnerin an die Käufer der Namensaktien, den Kaufpreis an den Notar zu zahlen, und an den Notar, das Geld an die Anwälte weiterzuleiten, als Rechtshandlung der Schuldnerin dar. Diese hat willensgeleitet darüber entschieden, die Zahlungen letztlich über die Anwälte an den Beklagten zu erbringen (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 - IX ZR 179/08, ZInsO 2011, 1350 Rn. 10).
12
2. Durch die Zahlung an den Beklagten sind die Insolvenzgläubiger objektiv benachteiligt worden (§ 129 Abs. 1 InsO). Denn deren Befriedigungsmöglichkeiten hätten sich ohne sie bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet (vgl. BGH, Urteil vom 18. März 2010 - IX ZR 57/09, ZInsO 2010, 807 Rn. 14). Durch die Zahlung an den Beklagten ist das Aktivvermögen der Schuldnerin verkürzt und insoweit der Zugriff der Gläubiger auf ihr Vermögen vereitelt worden (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 2010 - IX ZR 212/09, ZIP 2010, 2009 Rn. 19 mwN). Selbst wenn der Beklagte trotz der möglichen Unwirksamkeitsgründe, nämlich der mangelnden Bestimmtheit des Verpfän- dungsvertrages und der fehlenden Besitzverschaffung an den Aktien, durch die gewählte Treuhandkonstruktion ein Absonderungsrecht an den Aktien erworben haben sollte, wäre der Verpfändungsvertrag seinerseits - ebenfalls eine objektiv gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung der Schuldnerin - wirksam nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO angefochten.
13
3. Die Schuldnerin handelte sowohl bei Abschluss des Gesamtvergleichs mit Verpfändungsvertrag als auch bei der Zahlung mit dem Vorsatz, ihre Gläubiger zu benachteiligen.
14
a) Der Schuldner handelt mit Vorsatz, wenn er die Benachteiligung der Gläubiger als Erfolg seiner Rechtshandlung will oder als mutmaßliche Folge erkennt und billigt. Kennt der Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit, kann daraus auf einen Benachteiligungsvorsatz geschlossen werden. In diesem Fall weiß der Schuldner, dass sein Vermögen nicht ausreicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen. Auch die nur drohende Zahlungsunfähigkeit stellt ein starkes Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners dar, wenn sie ihm bei der Vornahme der Rechtshandlung bekannt war (BGH, Urteil vom 13. April 2006 - IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 Rn. 14; vom 29. November 2007 - IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 Rn. 32; vom 5. März 2009 - IX ZR 85/07, BGHZ 180, 98 Rn. 10; vom 13. August 2009 - IX ZR 159/06, WM 2009, 1943 Rn. 8). In diesen Fällen handelt der Schuldner dann nicht mit Benachteiligungsvorsatz , wenn er aufgrund konkreter Umstände - etwa der sicheren Aussicht, demnächst Kredit zu erhalten oder Forderungen realisieren zu können - mit einer baldigen Überwindung der Krise rechnen kann. Droht die Zahlungsunfähigkeit , bedarf es konkreter Umstände, die nahe legen, dass die Krise noch abgewendet werden kann (BGH, Urteil vom 24. Mai 2007 - IX ZR 97/06, WM 2007, 1579 Rn. 8; vom 5. März 2009, aaO; vom 22. November 2012 - IX ZR 62/10, Rn. 7, zVb).
15
aa) Entgegen der Revisionsbegründung gelten diese Grundsätze auch dann, wenn eine kongruente Leistung angefochten wird. Einem Schuldner, der weiß, dass er nicht alle seine Gläubiger befriedigen kann, und der Forderungen eines einzelnen Gläubigers vorwiegend deshalb erfüllt, um diesen von der Stellung des Insolvenzantrags abzuhalten, kommt es nicht in erster Linie auf die Erfüllung seiner gesetzlichen oder vertraglichen Pflichten, sondern auf die Bevorzugung dieses einzelnen Gläubigers an; damit nimmt er die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen in Kauf (BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 - IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75, 83 f; vom 17. Juli 2003 - IX ZR 272/02, NJW 2003, 3560, 3561). Aber auch dann, wenn nicht festgestellt werden kann, dass der Schuldner einen einzelnen Gläubiger befriedigt, um ihn von der Vollstreckung oder von der Stellung eines Insolvenzantrags abzuhalten, handelt er mit Benachteiligungsvorsatz , wenn er nur weiß, dass er zur Zeit der Wirksamkeit der Rechtshandlung (§ 140 InsO) zahlungsunfähig war (BGH, Urteil vom 24. Mai 2007, aaO Rn. 19; vom 20. Dezember 2007 - IX ZR 93/06, ZInsO 2008, 273 Rn. 18 f; vgl. Fischer, NZI 2008, 588, 589 f). Mithin hat das Berufungsgericht mit Recht darauf abgestellt, dass die Schuldnerin ab November 2005 zahlungsunfähig war und sie darum wusste.
16
bb) Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit seit Mitte November 2005 bejaht. Die Revision greift diese Wertung auch nicht an. Eine Gesamtwürdigung der hier zu beachtenden Indizien gestattet den Schluss auf eine Zahlungseinstellung ab Mitte November 2005. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Schuldnerin zu diesem Zeitpunkt allein den von den Anwälten vertretenen Anlegern runde 146.000 € Schadensersatz und einer Gläubigerin - tituliert seit dem 1. November 2005 - 1,3 Millionen € und einer weiteren 87.000 € aus Lieferung und Leistung schuldete und diese Forderungen bis zur Insolvenzeröffnung nicht beglich. Zum 31. Oktober 2006 schuldete die Schuldnerin allein den von den Anwälten vertretenen Anlegern Schadensersatz in Höhe von 1.375.420,73 € und anderen Gläubigern 3.230.242,36 € aus Lieferung und Leistung und beglich diese Forderungen bis zur Insolvenzeröffnung nicht. Haben im für die Anfechtung maßgeblichen Zeitpunkt fällige Verbindlichkeiten bestanden, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden sind, ist regelmäßig von Zahlungseinstellung auszugehen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 2006 - IX ZR 228/03, WM 2006, 2312 Rn. 28; vom 30. Juni 2011 - IX ZR 134/10, WM 2011, 1429 Rn. 12). Eine bloß vorübergehende Zahlungsstockung liegt nicht vor, wenn es dem Schuldner über mehrere Monate nicht gelingt, seine fälligen Verbindlichkeiten spätestens innerhalb von drei Wochen auszugleichen und die rückständigen Beträge insgesamt so erheblich sind, dass von lediglich geringfügigen Liquiditätslücken keine Rede sein kann (BGH, Urteil vom 11. Februar 2010 - IX ZR 104/07, WM 2010, 711 Rn. 43; vom 30. Juni 2011, aaO). Dass es sich bei den genannten Beträgen nicht um lediglich geringfügige Liquiditätslücken gehandelt hat, hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler daraus geschlossen , dass in die Grundbücher der der Schuldnerin gehörenden Immobilien ab Ende Mai 2005 Zwangshypotheken in einem Umfang von 756.000 € und bis Ende 2005 in einem Umfang von runden 4,4 Millionen € eingetragen worden sind, eine Bank Ende Dezember 2005 das Kreditengagement über runde 5,3 Millionen € gekündigt und fällig gestellt hat und ab Juli 2006 der Gerichtsvollzieher wegen Forderungen in einem Umfang von 5,9 Millionen € mit nur teilweisem Erfolg bei der Schuldnerin regelmäßig vollstreckte.
17
cc) Dass die Schuldnerin beziehungsweise die für sie verantwortlich Handelnden von ihrer Zahlungsunfähigkeit wussten, hat das Berufungsgericht ebenfalls rechtsfehlerfrei - ohne dass die Revision insoweit eine Rüge erhoben hätte - daraus geschlossen, dass diese Umstände für die Schuldnerin offen zutage lagen. Danach handelte die Schuldnerin nur dann ohne Benachteiligungsvorsatz , wenn sie aufgrund besonderer Umstände davon ausgehen durfte, durch Verringerung der fälligen Forderungen und durch Erhöhung der Liquidität die fälligen Verbindlichkeiten insgesamt erfüllen zu können. Auch ernsthafte Sanierungsbemühungen können gegen den Benachteiligungsvorsatz sprechen. Es muss dann allerdings zu der Zeit der angefochtenen Handlung ein schlüssiges , von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehendes Sanierungskonzept vorliegen, das mindestens in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt worden ist und beim Schuldner die ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigt (BGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 - IX ZR 156/09, ZInsO 2012, 171 Rn. 11).
18
Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Schuldnerin aufgrund etwaiger Sanierungsbemühungen, erwarteter Mittelzuflüsse oder der wirtschaftlichen Neuaufstellung mit einer baldigen Überwindung der Krise rechnen konnte, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Der Beklagte hat auch nie behauptet, dass die Schuldnerin aufgrund eines schlüssigen Sanierungskonzeptes im November 2005 den Gesamtvergleich geschlossen und im Oktober 2006 die Auszahlung an den Beklagten vorgenommen hat. Die bloße Hoffnung der Schuldnerin , die Krise überwinden zu können, genügt nicht, den Benachteiligungsvorsatz zu widerlegen. Allerdings hat der Beklagte vorgetragen, dass der Vorstand der Schuldnerin vor Abschluss des Gesamtvergleichs die Anlegervertreter um einen Sanierungsbeitrag gebeten und darauf verwiesen hat, dass man eine Steuererstattung und Geldeingänge von anderen Anlegern erwarte. Hierin ist ein schlüssiges Sanierungskonzept jedoch nicht zu erkennen.
19
b) Ein erhebliches Beweisanzeichen für einen Benachteiligungsvorsatz des Schuldners ist ferner gegeben, wenn der Gläubiger eine Befriedigung oder Sicherung erhält, die er nicht, nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hat, mithin eine inkongruente Deckung (BGH, Urteil vom 8. Dezember 2011, aaO Rn. 10). Allerdings hat das Berufungsgericht offen gelassen, ob Verpfändung und Zahlung kongruente oder inkongruente Leistungen darstellen. Das ist entgegen der Revision als solches nicht zu beanstanden, sofern das Gericht - wie geschehen - trotz Annahme einer kongruenten Leistung einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz feststellt. Das Berufungsgericht hat zudem Tatsachen festgestellt, die den Schluss auf eine inkongruente Leistung zulassen.
20
aa) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass dem Beklagten gegen die Schuldnerin ein Schadensersatzanspruch auf Rückzahlung der Einlage jedenfalls in Höhe des im Prozessvergleich vereinbarten Betrages zustand. Der Zahlungsanspruch ist spätestens mit der gerichtlichen Geltendmachung fällig geworden. Zudem haben sich die Schuldnerin und der Beklagte in dieser Höhe im April 2006 vor dem Berufungsgericht verglichen.
21
bb) Ein Anspruch auf Besicherung folgt hieraus nicht. Er ist nicht als minus in dem Anspruch auf Befriedigung enthalten, sondern als aliud anzusehen. Die Gewährung einer Sicherheit ist demgemäß nur dann kongruent, wenn der Sicherungsnehmer einen Anspruch auf gerade diese Sicherheit hatte. Wird ein Anspruch auf Sicherung in demselben Vertrag eingeräumt, durch den der gesicherte Anspruch selbst entsteht, liegt in der späteren Gewährung der Sicherheit keine inkongruente Deckung, weil von Anfang an ein Anspruch auf die Sicherung bestand. Wird hingegen eine bereits bestehende Verbindlichkeit nachträglich besichert, liegt darin eine inkongruente Deckung (BGH, Urteil vom 18. März 2010 - IX ZR 57/09, ZInsO 2010, 807 Rn. 16).
22
Zwar hatte die Schuldnerin die Aktien an der Lebensversicherung den Anwälten als Sicherung zugleich mit dem Gesamtvergleich vom 18. November 2005 verpfändet. Die gesicherten Forderungen der von den Anwälten vertretenen Anleger waren jedoch bereits lange zuvor infolge der Verletzung von Aufklärungspflichten (jetzt § 280 Abs. 1, 3, §§ 282, 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB) entstanden. In dem Gesamtvergleich hat die Schuldnerin ihre Zahlungspflicht gegenüber den Anwälten dem Grunde nach anerkannt und dadurch auf der einen Seite das Prozess- und Vollstreckungsrisiko der von den Anwälten vertretenen Anleger vermindert und auf der anderen Seite sich selbst infolge des teilweisen Forderungsverzichts Liquidität verschafft; der Vergleich diente dabei neben der Verstärkung auch der Sicherung der zuvor entstandenen Ansprüche. Jedenfalls auf die Sicherung ihrer Schadensersatzforderungen hatten die Anleger keinen Anspruch (vgl. BGH, Urteil vom 18. März 2010, aaO Rn. 17). Mithin war die Verpfändung der Aktien, ihre Wirksamkeit unterstellt, inkongruent.
23
cc) Ebenso wenig hatte der Beklagte einen Anspruch darauf, den Geldbetrag aufgrund einer mittelbaren Zahlung durch einen Gläubiger der Schuldnerin , nämlich den Käufer der Aktien, zu erhalten, der von der Schuldnerin angewiesen worden war, den Kaufpreis auf ein Notarkonto zu überweisen. Nach der Rechtsprechung des Senats ist eine vom Schuldner durch Anweisung einer Zwischenperson erwirkte mittelbare Zahlung an einen seiner Gläubiger inkongruent , wenn jener Gläubiger keinen Anspruch auf diese Art der Erfüllung hatte (BGH, Urteil vom 8. Dezember 2005 - IX ZR 182/01, NJW 2006, 1348 Rn. 9). Auch hier bewirkt der Gesamtvergleich vom 18. November 2005 keine kongruente Zahlung, weil er die abweichende Erfüllung der bereits zuvor entstandenen Ansprüche vorsah.
24
4. Eine Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung der Gläubiger nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO setzt weiter voraus, dass der Anfechtungsgegner zur Zeit der angefochtenen Handlung den Vorsatz des Schuldners, seine Gläubiger zu benachteiligen, kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte (§ 133 Abs. 1 Satz 2 InsO). Dies hat das Berufungsgericht nach der festgestellten Indizienlage rechtsfehlerfrei angenommen.
25
a) Der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit steht auch im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen. Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende) Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass solche Tatsachen nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen darstellen, die eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich machen und nicht schematisch im Sinne einer vom anderen Teil zu widerlegenden Vermutung angewandt werden dürfen. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung hat der Tatrichter gemäß § 286 ZPO unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme zu prüfen (BGH, Urteil vom 13. August 2009 - IX ZR 159/06, WM 2009, 1943 Rn. 8). Die vom Berufungsge- richt in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung (BGH, Urteil vom 24. Mai 2007 - IX ZR 97/06, WM 2007, 1579 Rn. 25), ist dadurch teilweise überholt (vgl. BGH, Urteil vom 13. August 2009, aaO). Die vom Senat in der neueren Rechtsprechung betonte Gesamtwürdigung der Beweisanzeichen hat das Berufungsgericht im Ergebnis vorgenommen, so dass seine Annahme einer tatsächlichen Vermutung im Ergebnis ohne Folgen geblieben ist. Es hat die Kenntnis des Beklagten von dem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin aus den zwischen den Parteien unstreitigen Umständen und den Angaben der Anwälte in ihren Internetveröffentlichungen geschlossen. Diese Würdigung hält gleichfalls den Angriffen der Revision stand.
26
aa) Beanstandungsfrei hat es dabei auf das Wissen der den Beklagten im Rechtsstreit mit der Schuldnerin vertretenden Anwälte abgestellt, die - soweit sie ihr Wissen aus allgemein zugänglichen Quellen erlangt oder ihr Wissen über ihre Internetseiten allgemein verbreitet haben - nach § 166 Abs. 1 BGB Wissensvertreter des Beklagten waren (vgl. Jaeger/Henckel, InsO, § 130 Rn. 123; MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 130 Rn. 41). Eine Wissenszurechnung kommt auch im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 2011 - IX ZR 155/08, BGHZ 190, 201 Rn. 14 ff).
27
bb) Die Kenntnis des Beklagten von der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hat das Berufungsgericht im Rahmen seiner tatrichterlichen Verantwortung aus dem Gesamtvergleich, der verspäteten Zahlung, den höchstrichterlich bestätigten Ansprüchen der Anleger gegen die Göttinger Gruppe und den Internetveröffentlichungen der Anwälte abgeleitet. Die Revisionsrügen bringen diese Würdigung nicht zu Fall.
28
(1) Die schlechte wirtschaftliche Lage der Schuldnerin und deren drohende Zahlungsunfähigkeit hat das Berufungsgericht entgegen den Ausführungen der Revisionsbegründung nicht allein aus dem Umstand der verspäteten Zahlung hergeleitet, sondern insbesondere aus dem Umstand, dass die Schuldnerin durch die nicht fristgerechte Zahlung die Chance vergeben hat, eine weitere Reduzierung der Forderung um runde 354.000 € zu erreichen. Auch hat das Berufungsgericht in der den Anwälten bekannten Herkunft der Zahlungsmittel ein gewichtiges Indiz für die fehlende Liquidität der Schuldnerin gesehen. Diese musste zur Begleichung der Vergleichsforderung Anlagevermögen veräußern, wofür ihr nach dem Inhalt des Vergleichs ein Zeitraum von fünf Monaten zugestanden wurde, sie tatsächlich aber fast elf Monate benötigte.
29
(2) Zutreffend hat das Berufungsgericht auf die in der ersten Hälfte des Jahres 2005 bekannt gewordenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu etwaigen Schadensersatzansprüchen von Anlegern der Schuldnerin hingewiesen. Den Entscheidungen war zu entnehmen, dass jedenfalls die Anleger, denen nach den vertraglichen Vereinbarungen das Auseinandersetzungsguthaben ratierlich ausgezahlt werden sollte, ihre Beteiligung kündigen durften, nachdem sich die Schuldnerin in einem Rechtsstreit mit dem Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen in einem Prozessvergleich verpflichtet hatte, die Auseinandersetzungsguthaben nicht mehr ratierlich, sondern nur noch in jeweils einer Summe auszuzahlen (BGH, Urteile vom 21. März 2005 - II ZR 140/03, ZIP 2005, 753, 758; II ZR 310/03, ZIP 2005, 759, 762). Daraus hat das Berufungsgericht mit Recht geschlossen, dass der Schuldnerin hierdurch erhebliche Liquidität entzogen wurde. Die Feststellung des Berufungsgerichts, dass aus diesem Grund die meisten, wenn nicht alle Anleger sich von ihrer Beteiligung trennen konnten, ist von der Revision nicht angegriffen.

30
Zudem hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Anleger, die eine Beteiligung an der Schuldnerin nach dem 1. Januar 1998 erworben haben und denen die Schuldnerin eine ratierliche Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens versprochen hatte, in jedem Fall die Einlage im Wege des Schadensersatzes wegen Verletzung der Aufklärungspflicht von der Schuldnerin zurückverlangen konnten. Nach der Neufassung des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG durch die 6. KWG-Novelle hätte die Schuldnerin entweder für Klarheit sorgen müssen, ob das Stehenlassen eines Auseinandersetzungsguthabens möglicherweise als erlaubnispflichtiges Bankgeschäft aufgefasst werden konnte und deswegen die Gefahr bestand, dass die Aufsichtsbehörde - wie geschehen - gegen sie eine Verbotsverfügung erlasse. Alternativ hätte sie die Anlageinteressenten darauf hinweisen müssen, dass aufgrund der Gesetzesänderung rechtliche Bedenken gegen die ratierliche Auszahlung der Auseinandersetzungsguthaben bestehen könnten (BGH, Urteil vom 21. März 2005 - II ZR 149/03, ZIP 2005, 763, 765). Daraus hat das Berufungsgericht unbeanstandet geschlossen, dass ein maßgeblicher Teil der Anleger von der Schuldnerin die Einlage zurückfordern konnte.
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Die Anwälte, die zumindest seit 2001 sich mit der Schuldnerin und der Göttinger Gruppe beschäftigten, etwa 400 Anleger gegen die Schuldnerin vertraten und selbst wegen dieser Ansprüche für ihre Mandanten Prozesse führten , haben die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu dieser Frage verfolgt und die entsprechenden Schlüsse zeitnah gezogen. Dass sich daran ihre Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin schon im November 2005 anschloss, durfte das Berufungsgericht aus ihrem Internetauftritt vom 5. Juni 2007 schließen, wo diese mitgeteilt haben, nach den zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs sei das Schicksal der Göttinger Gruppe als Unternehmen besiegelt. Jedem, der seine Augen nicht völlig verschlossen habe, müsse klar sein, dass aufgrund der bisher getätigten Anlagen eine Erfüllung der Schadensersatzansprüche selbst dann nicht mehr möglich sei, wenn sie nur von einem Bruchteil der Anleger geltend gemacht würden. Aus diesen Äußerungen und den Äußerungen der Anwälte in den vor 2005 erfolgten Internetauftritten ergibt sich, dass diese die Geschäftstätigkeit der Göttinger Gruppe seit 2001 kritisch beobachteten und ihnen die desolate finanzielle und wirtschaftliche Lage zum maßgeblichen Zeitpunkt bekannt war, sie insbesondere wussten, dass die Schuldnerin sich im Wesentlichen nur über die Einlagen der Anleger finanzierte.
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(3) Gegen diese Würdigung spricht nicht der Vortrag des Beklagten, die Anwälte seien davon ausgegangen, der Konzern der Schuldnerin habe in der Vergangenheit bei den Anlegern mehr als 2 Milliarden € eingesammelt, weshalb die von ihnen repräsentierte Forderung von 1,7 Millionen € noch nicht einmal ein Promille dieser Summe decke. Selbst wenn die Göttinger Gruppe als Konzern seit Ende der achtziger und Beginn der neunziger Jahre bei den Anlegern Einlagen in einem Umfang von über 2 Milliarden € eingesammelt haben sollte, sagt dies nichts über die Liquidität des Konzerns und der Schuldnerin sowie die Kenntnis des Beklagten von der fehlenden Liquidität in November 2005 und im Oktober 2006 aus. Die Anwälte haben seit 2001 anhand der ihnen zugänglichen Informationen immer wieder in ihren vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Internetauftritten darauf hingewiesen, dass das eingenommene Geld nicht mehr vorhanden war. Deswegen war ihnen wegen der Vielzahl der Anleger und des Umfangs der berechtigten Schadensersatzansprüche klar, dass die Schuldnerin nicht alle Forderungen der Anleger würde begleichen können.
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(4) Das Berufungsgericht hat auch keinen Vortrag des Beklagten übergangen. Im Tatbestand des angefochtenen Urteils ist der Vortrag des Beklagten genannt, die für die Schuldnerin handelnden Vorstände hätten im Rahmen der Gespräche, die zum Abschluss des Gesamtvergleichs geführt hätten, gefragt, ob ein Sanierungsbeitrag erbracht werden könnte. Hierzu hätten sie angegeben , dass sie neben den Einzahlungen von Anlegern eine Steuerrückzahlung erwarteten, das Geschäftsfeld der Schuldnerin neu ausrichten und das Unternehmen dadurch sanieren wollten. Daraus musste das Berufungsgericht indes nicht den Schluss ziehen, der Beklagte habe keine Kenntnis von dem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gehabt.
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Allerdings verlangt § 133 Abs. 1 InsO als Indizgrundlage positive Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, das heißt für sicher gehaltenes Wissen. Steht in Rede, die (drohende) Zahlungsunfähigkeit sei behoben, genügt hierfür, dass der Anfechtungsgegner von dieser Möglichkeit ausging (vgl. BGH, Urteil vom 27. März 2008 - IX ZR 98/07, NJW 2008, 2190 Rn. 14). Doch darf eine anfechtbare Rechtshandlung nicht allein aufgrund eines "Gesinnungswandels" auf Seiten des Anfechtungsgegners zu einer unanfechtbaren werden. Vielmehr muss die Auffassung des Anfechtungsgegners , der Schuldner sei nunmehr (möglicherweise) nicht mehr (drohend ) zahlungsunfähig, an eine ihm nachträglich bekannt gewordene Veränderung der Tatsachengrundlage anknüpfen (vgl. BGH, aaO Rn. 15). Haben zunächst - wie im Streitfall - Umstände vorgelegen, die zwingend auf die (drohende ) Zahlungsunfähigkeit schließen ließen, weshalb deren Kenntnis der Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit gleich stand, kommt der Wegfall der Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit nur in Betracht, wenn diese Umstände nicht mehr gegeben sind (BGH, aaO Rn. 17).
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Dazu fehlt es an jedem Vortrag des Beklagten. Die durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eröffnete Möglichkeit der Anleger, vereinbarte Zahlungen an die Schuldnerin zu verweigern und Einlagen zurückzufordern, bestand weiterhin. Mit den Einlagen neuer Anleger durften die Altanleger nicht ausbezahlt werden, weil diese - als Folge des jedenfalls dann vorliegenden Schneeballsystems - wiederum Schadensersatzansprüche gegen die Schuldnerin gehabt hätten, was die Anwälte wussten. Ebenso wenig hat der Beklagte dargetan, dass die erwartete Steuerrückerstattung die Liquiditätslage der Schuldnerin durchgreifend verbessern würde. Dass die Anwälte darauf nicht vertraut haben, ergibt sich schon daraus, dass sie für ihre Mandanten eine nachträgliche Sicherung haben erreichen wollen.
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Ebenso wenig hat das Berufungsgericht den Vortrag des Beklagten übergangen, die Staatsanwaltschaft Braunschweig habe ein Ermittlungsverfahren gegen die Verantwortlichen der Schuldnerin wegen Insolvenzverschleppung eingestellt. Es hat diesem Umstand nur nicht die Bedeutung beigemessen, die die Revision ihr beimessen will. Es hat zutreffend darauf verwiesen, dass die Anwälte sich durch die Einstellung des Verfahrens in ihrer Überzeugung über die schlechte finanzielle Lage der Schuldnerin nicht hätten erschüttern lassen, wie die Internetauftritte der Anwälte belegen.
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b) Ein weiteres Beweisanzeichen für die Kenntnis des Beklagten vom Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin, welches das Berufungsgericht zu Lasten des Beklagten ebenfalls hätte berücksichtigen können, sind die inkongruente Verpfändung der Namensaktien und die inkongruenten Zahlungen (vgl. oben). Nach der Rechtsprechung des Senats bildet eine inkongruente Deckung ein Beweisanzeichen für die Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes, wenn die Wirkungen der Rechtshandlung zu einem Zeitpunkt eintraten, als zumindest aus der Sicht des Empfängers der Leistung Anlass bestand, an der Liquidität des Schuldners zu zweifeln (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 - IX ZR 117/11, ZInsO 2012, 2244 Rn. 13). Dies war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts der Fall (vgl. oben).
Kayser Vill Lohmann
Grupp Möhring
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 23.03.2011 - 132 C 23454/10 -
LG München I, Entscheidung vom 15.12.2011 - 6 S 9752/11 -

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.

(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.

(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.

(1) Die Verjährung des Anfechtungsanspruchs richtet sich nach den Regelungen über die regelmäßige Verjährung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch.

(2) Auch wenn der Anfechtungsanspruch verjährt ist, kann der Insolvenzverwalter die Erfüllung einer Leistungspflicht verweigern, die auf einer anfechtbaren Handlung beruht.

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist und
2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren

1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und
2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Maßgeblich ist die früher endende Frist.

(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.

(1) Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, gelten entsprechend. Eine Geldschuld ist nur zu verzinsen, wenn die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs oder des § 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegen; ein darüber hinausgehender Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen eines erlangten Geldbetrags ist ausgeschlossen.

(2) Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat diese nur zurückzugewähren, soweit er durch sie bereichert ist. Dies gilt nicht, sobald er weiß oder den Umständen nach wissen muß, daß die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt.

(3) Im Fall der Anfechtung nach § 135 Abs. 2 hat der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete, die dem Dritten gewährte Leistung zur Insolvenzmasse zu erstatten. Die Verpflichtung besteht nur bis zur Höhe des Betrags, mit dem der Gesellschafter als Bürge haftete oder der dem Wert der von ihm bestellten Sicherheit im Zeitpunkt der Rückgewähr des Darlehens oder der Leistung auf die gleichgestellte Forderung entspricht. Der Gesellschafter wird von der Verpflichtung frei, wenn er die Gegenstände, die dem Gläubiger als Sicherheit gedient hatten, der Insolvenzmasse zur Verfügung stellt.

(1) Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt.

(2) Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich oder ist der Empfänger aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außerstande, so hat er den Wert zu ersetzen.

(3) Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.

(4) Von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an haftet der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.