Landgericht München I Endurteil, 24. Juni 2016 - 21 O 5583/16

bei uns veröffentlicht am24.06.2016

Tenor

I.

Die einstweilige Verfügung vom 06.04.2016 wird bestätigt.

II.

Die Antragsgegnerin trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Rahmen einer einstweiligen Verfügung um die Verletzung des deutschen Teils eines europäischen Patents für die Verwendung eines Chemotherapeutikums zur Behandlung von Brustfell- und Lungenkrebs.

Die Antragstellerin ist ein in ... in den Vereinigten Staaten ansässiges forschendes Arzneimittelunternehmen. Die Antragsgegnerin ist eine weitgehend auf den Vertrieb von Generika spezialisierte Gesellschaft der israelischen ... -Unternehmensgruppe mit Sitz in ...

Die Antragstellerin ist ausschließliche und alleinverfügungsberechtige Inhaberin des europäischen Patents EP 1 313 508 B1 (Anlage HL3, nachfolgend: Verfügungspatent), welches am 15.06.2001 unter Inanspruchnahme mehrerer Prioritäten von 30.06.2000, 27.09.2000 und 18.04.2001 angemeldet wurde. Die Veröffentlichung und Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung erfolgte am 18.04.2007. Das Verfügungspatent ist mit Wirkung für Deutschland erteilt und steht in Kraft (Anlage HL4). Die deutsche Übersetzung der europäischen Patentschrift DE 601 27 970 T2 ist als Anlage HL3a vorgelegt.

Das Verfügungspatent war Gegenstand eines Einspruchsverfahrens vor dem Europäischen Patentamt, das von der ... angestrengt worden war. Mit Entscheidung vom 27.12.2010 wies die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts den Einspruch zurück (Anlage HL20). Die von der Einspruchsführerin mit Schriftsatz vom 03.03.2011 eingelegte Beschwerde nahm diese mit Schriftsatz vom 28.10.2015 einseitig zurück, so dass das Beschwerdeverfahren am 06.11.2015 ohne Sachentscheidung eingestellt wurde. Am 05.02.2016 erhob die ... Nichtigkeitsklage gegen das Verfügungspatent vor dem Bundespatentgericht (Az. 3 Ni 23/16, Anlage AG32 mit Anlagen NiK1 bis 20).

In einem parallelen Verletzungsverfahren der hiesigen Antragstellerin gegen die ..., in dem das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Urteil vom 05.03.2015 (Anlage HL13) eine äquivalente Verletzung des Klagepatents verneint hatte, hob der Bundesgerichtshof am 14.06.2015 das Urteil auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück (Anlage HL38). In England ist ebenfalls ein paralleler Verletzungsrechtsstreit gegen ... -Gesellschaften anhängig. Die Urteile des High Court of Justice vom 15.05.2014 und 12.02.2016 sind als Anlage AG11/AG11a und Anlage AG16, das Urteil des Court of Appeal vom 25.06.2015 ist als Anlage AG17 vorgelegt.

12.02.2016 Das Verfügungspatent schützt die zugelassene Verwendung des Wirkstoffs Pemetrexed in einer Kombinationstherapie mit Folsäure und Vitamin B12 zur Therapie des malignen Pleuramesothelioms, einer Krebserkrankung des Brustfells, die hauptsächlich durch Asbest ausgelöst wird, sowie des fortgeschrittenen nichtkleinzelligen Lungenkarzinoms.

Der chemische Stoff Pemetrexed war als solcher bis zum 10.12.2010 durch das zugrundeliegende Stoffpatent EP 0 432 677 B1 geschützt. Auf dessen Grundlage war der Antragstellerin ein ergänzendes Schutzzertifikat (DE12 2005 000 012.4) erteilt worden, das am 10.12.2015 ablief.

Bei dem Wirkstoff Pemetrexed, der von der Antragstellerin unter dem Namen ... vertrieben wird, handelt es sich um ein sogenanntes Antifolat. Antifolate sind antineoplastische Mittel. Ein Tumor entsteht durch die abnorme Neubildung von Körpergeweben (sogenannten Neoplasien), die durch Fehlregulierungen des Zellwachstums entstehen. Die Zellen bösartiger Tumoren teilen sich und vermehren sich in der Regel schnell. Diese Eigenschaft macht man sich bei der Chemotherapie mit antineoplastischen Mitteln zunutze, indem mit diesen auf die Teilungsfähigkeit der Zellen eingewirkt wird.

Antifolate hemmen entsprechend ihrem Namen ein oder mehrere folatbenötigende Schlüsselenzyme der Thymidin- und Purin-Biosynthesewege, indem sie mit reduziertem Folat um die Bindung dieser Enzyme konkurrieren. Damit greifen sie in diejenigen Abschnitte des Zellstoffwechsels ein, die für die Zellteilung von entscheidender Bedeutung sind. Der Folatstoffwechselweg ist insbesondere für die nachfolgenden biochemischen Prozesse der DNA- und RNA-Synthese sowie der Reparatur- und Proteinsynthese von Belang. Relevant sind in diesem Zusammenhang die Enzyme Glycinamidribonukleotidformyltransferase (GARFT), Thymidylatsynthase (TS) und Dihydrofolatreduktase (DHFR). Das streitgegenständliche Antifolat Pemetrexed hemmt sowohl GARFT als auch TS und DHFR. Durch die Hemmung der Enzyme mithilfe des Antifolats kommt es letztlich zum Tod der jeweiligen Zelle.

Da Antifolate nicht zwischen Tumorzellen und gesunden Zellen unterscheiden, werden sowohl Tumorzellen als auch gesunde Zellen zerstört. Dadurch kommt es zu schwerwiegenden Nebenwirkungen beim Patienten, die bis zum Tod führen können. Obwohl Antifolate bereits in den späten 1940er Jahren erstmals erforscht worden waren, existierte bis Ende der 1990er Jahre nur ein durch die US-amerikanische FDA zur Krebsbehandlung zugelassenes Antifolat, da die Nebenwirkungen dieser Wirkstoffgruppe zum Teil nicht unter Kontrolle zu bringen waren. Auch im Rahmen der Entwicklung des streitgegenständlichen Wirkstoffs Pemetrexed kam es infolge von Nebenwirkungen in klinischen Versuchen der Phase III bei Patienten zu einem besorgniserregenden Anstieg der Sterberate, so dass durch die technische Lehre des Verfügungspatents insbesondere die Nebenwirkungen besser unter Kontrolle gebracht werden sollten.

Das Verfügungspatent sieht daher vor, dass Pemetrexed in einer Kombinationstherapie mit Folsäure und Vitamin B12 oder Derivaten davon verabreicht wird. Dadurch sollen die durch die Behandlung mit Pemetrexed verursachten potentiell lebensbedrohlichen Toxizitäten verringert werden, ohne dass gleichzeitig die tumorhemmende Wirkung des Antifolats Pemetrexed reduziert wird.

Das Verfügungspatent geht von der Erkenntnis aus, dass erhöhte Spiegel von Methylmalonsäure bei Patienten, die ein Antifolat bekommen, ein Indikator für das Auftreten von hierdurch hervorgerufenen toxischen Effekten wie erhöhter Mortalität und nicht hämatologischen Ereignissen wie zum Beispiel Hautausschlägen und Müdigkeit sind. Die Verwendung von methylmalonsäuresenkenden Mitteln, zu denen insbesondere Vitamin B12 gehört, in Kombination mit Folsäure soll es ermöglichen, die genannten toxischen Effekte signifikant zu reduzieren und dabei die therapeutische Wirksamkeit des Antifolats als Krebsmittel zu erhalten.

Insbesondere schützt das Verfügungspatent die Verwendung von Pemetrexeddinatrium zur Herstellung eines Arzneimittels zur Verwendung in einer Kombinationstherapie zur Hemmung eines Tumorwachstums bei Säugern, worin das Arzneimittel in Kombination mit Vitamin B12 oder einem pharmazeutischen Derivat hiervon verabreicht werden soll sowie mit Folsäure, wobei Vitamin B12 als intramuskuläre Injektion verabreicht werden soll und Folsäure oral als Tablette verabreicht werden soll. Das pharmazeutische Derivat von Vitamin B12 kann Hydroxocobalamin, Cyanochlorcobalamin, Aquocobalaminperchlorat, Aquochlorcobalaminperchlorat, Azidocobalamin, Chlorcobalamin oder Cobalamin sein.

Am 03.03.2016 erhielt die Antragsgegnerin eine nationale deutsche Zulassung für ihr Produkt ... 25 mg/ml Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform) unter der Zulassungsnummer 94695.00.00 (Anlage HL6), wobei die Fachinformation als Anlage HL7 vorgelegt ist. Die angegriffene Ausführungsform wird seit dem 01.04.2016 auf dem deutschen Markt angeboten und ist seitdem in der Lauer-Taxe gelistet (Anlage HL8).

Die angegriffene Ausführungsform enthält Pemetrexed als Pemetrexeddisäure sowie Tromethamin, auch TRIS oder Trometamol genannt.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform falle in den Schutzbereich des Verfügungspatents, zumal sie als Generikum mit dem Produkt ... der Antragstellerin als Bezugsarzneimittel angemeldet und zugelassen worden sei.

Die angegriffene Ausführungsform erfülle sämtliche Merkmale des geltend gemachten Anspruchs 11 des Verfügungspatents, was sich aus der Fachinformation (Anlage HL7) ersehen lasse. ... sei in gleicher Weise wie ... zur Behandlung des malignen Pleuramesothelioms und des nichtkleinzelligen Lungenkarzinoms vorgesehen. Entsprechend der Fachinformation (Anlage HL7, Ziffer 4.2, Seite 2, Abschnitt „Prämedikation“) sei die angegriffene Ausführungsform auch dazu vorgesehen, dergestalt verwendet zu werden, dass Patienten, die damit behandelt werden, täglich orale Gaben von Folsäure erhalten und ebenfalls eine intramuskuläre Injektion von 1000 mg Vitamin B12 in der Woche vor der ersten Pemetrexedbehandlung sowie nach jedem dritten Behandlungszyklus erhalten müssten, wobei die weiteren Vitamin-B12-Injektionen am selben Tag wie Pemetrexed gegeben werden könnten.

Der Vertrieb von Pemetrexeddisäure stelle eine wortsinngemäße Verletzung dar, da der Fachmann die Angabe Pemetrexeddinatrium in Anspruch 11 des Verfügungspatents technischfunktional als Pemetrexed verstehe. Der Fachmann wisse, dass für die parenterale Verabreichung Pemetrexeddinatrium zunächst aufgelöst und eine Infusionslösung hergestellt werden müsse und dabei das negativ geladene Pemetrexed-Anion und das positiv geladene Natrium-Kation dissoziierten, sich also von einander lösten. Ihm sei klar, dass lediglich das Pemetrexed-Ion die tumorhemmende Wirkung habe und das Gegen-Ion für die pharmakologische Wirkung irrelevant sei. Folglich gehe er davon aus, dass mit dem Anspruchswortlaut allein Pemetrexed gemeint sei, denn nicht das Pemetrexeddinatriumsalz hemme das Tumorwachstum, sondern nur das bei Infusion von seinem Gegen-Ion dissoziierte Pemetrexed.

Dieses funktionale Verständnis werde durch Teilzifer [0022] des Verfügungspatents bestätigt, wo für den Fachmann klar werde, dass nur das Pemetrexed-Ion, nicht dessen Dinatriumsalz, in die Zelle aufgenommen werde und dort mit reduzierten Folaten um die Bindungsstellen der genannten Enzyme konkurriere.

Weiter erkenne de Fachmann, dass die Masseangaben im Patent sich auf Pemetrexed selbst bezögen, was für ihn selbstverständlich sei, da es für ihn auf die Dosis des Wirkstoffs ankomme.

Das Verständnis stehe auch im Einklang mit der technischen Lehre betreffend die Kombinationstherapie mit Folsäure und Vitamin B12, da die Nebenwirkungen ebenso wie die tumorhemmende Wirkung vom dissoziierten Pemetrexed ausgingen und das Gegenion für die Wirkung irrelevant sei. Dementsprechend sei auch in der Fachinformation von ... (Anlage HL1) ebenso wie in derjenigen von ... (Anlage HL7) in den jeweiligen Abschnitten zu den klinischen und pharmakologischen Eigenschaften stets nur von Pemetrexed die Rede und es werde nicht auf die jeweilige Pemetrexedform Bezug genommen.

Der Patentanspruch 11 des Verfügungspatents dürfe auch rein funktional ausgelegt werden, ohne dass es auf räumlichkörperlich definierte Merkmale wie hier die Salzform des Pemetrexeddinatriums ankomme, da nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Funktion eines Merkmals als maßgeblich gegenüber einem sprachlich unvollkommen gewählten Begriff anzusehen sei und nicht völlig hinter räumlichkörperlich definierten Merkmalen zurückstehen müsse. Pemetrexeddinatrium sei sprachlich unvollkommen gewählt, da für den Fachmann allein Pemetrexed maßgeblich sei und es im Verfügungspatent an keiner Stelle einen Hinweis gebe, dass das Gegen-Ion, das Natriumsalz, von irgendeiner Bedeutung für die technische Lehre sei. Ergänzend wird auf die Seiten 19 bis 22 der Antragsschrift (Bl. 19/22 d. A.) Bezug genommen.

Der Anspruch 11 des Verfügungspatents sei jedenfalls äquivalent verletzt, da die angegriffene Ausführungsform bei wertender Betrachtung als eine Ausgestaltung der in den Patentansprüchen beschriebenen Erfindung erscheine.

Die Verwendung von Pemetrexeddisäure anstelle von Pemetrexeddinatrium sei im Kontext der geschützten Lehre objektiv gleichwirkend. Da es sich bei der angegriffenen Ausführungsform um ein Konzentrat in flüssiger Form handle, enthalte sie das Pemetrexed-Anion bereits in vollständig dissoziierter Form sowie verschiedene andere Bestandteile wie Tromethamin. Ebenso wie bei Pemetrexeddinatrium seien daher das Pemetrexed-Ion und das Gegen-Ion vor der Verabreichung an den Patienten dissoziiert, so dass dem Patienten bei der Infusion mit dem Pemetrexed(ion) exakt der gleiche Wirkstoff zugeführt werde wie bei Pemetrexeddinatrium. Lediglich Pemetrexed gelange über die Folattransporter in die Zelle, wo es letztlich für die tumorhemmende Wirkung und die damit verbundenen Nebenwirkungen verantwortlich sei, die patentgemäß durch die Gabe von Folsäure und Vitamin B12 verringert werden sollten. Das Gegen-Ion sei für die technische Lehre nicht von Belang, da es weder Einfluss auf die Tumorhemmung oder die durch die tumorhemmende Wirkung des Antifolats verursachten Nebenwirkungen, noch auf die Wirkung von Vitamin B12 oder Folsäure habe, die erfindungsgemäß die Nebenwirkungen reduzierten, ohne die Wirksamkeit des Antifolats zu beinträchtigen. Die Gleichwirkung lasse sich auch aus der Tatsache ersehen, dass die angegriffene Ausführungsform als Generikum zum Produkt ... der Antragstellerin zugelassen worden sei.

Das Austauschmittel der Antragsgegnerin sei auch naheliegend. Der Fachmann habe zum Prioritätszeitpunkt ohne weiteres Tromethamin als gebräuchliches Gegenion zur Salzbildung auffinden können, zumal es in dem einschlägigen Lehrbuch von Stahl et al. (Anlage HL18) beschrieben und unter den Top-10 der salzformenden Basen genannt sei. Es habe für den Fachmann damit ein naheliegendes alternatives Gegenion zur Salzbildung von Pemetrexed dargestellt, dessen Formulierung sich im Rahmen einer Routinetätigkeit gehalten habe. Zudem sei Tromethamin als gebräuchlicher Puffer bekannt gewesen (Anlage HL19), so dass es nahegelegen habe, die Pemetrexed-Arzneistofflösung damit zu puffern.

Die Verwendung von Pemetrexeddisäure anstelle von Pemetrexeddinatrium sei auch gleichwertig. Die Überlegungen, die der Fachmann anstellen müsse, um Pemetrexeddinatrium durch Pemetrexeddisäure zu ersetzen, orientierten sich am Sinngehalt der unter Schutz gestellten Lehre, da diese darin bestehe, die durch die zytostatischen Wirkungen des Antifolats Pemetrexed hervorgerufenen Nebenwirkungen durch die Gabe von Folsäure und Vitamin B12 zu lindern, ohne dadurch die Wirksamkeit des Chemotherapeutikums zu beeinträchtigen. Der Fachmann wisse, dass es hierfür unerheblich sei, in welcher Form das Antifolat Pemetrexed vertrieben werde, da das für die tumorhemmende Wirkung und die Nebenwirkungen verantwortliche Pemetrexed(ion) bei der Verabreichung an den Patienten ohnehin dissoziiert vorliege und ohne sein Gegenion, das im Blutkreislauf eigene Wege gehe, über die Folattransporter in die Zellen aufgenommen werde. Es gehe dem Verfügungspatent nicht um die Auswahl einer bestimmten Form des Antifolats, die für seine technische Lehre keine Rolle spiele, sondern um die Reduzierung der Nebenwirkungen, für die nur die Auswahl eines Methylmalonsäure senkenden Mittels wie Vitamin B12, nicht aber die Auswahl einer bestimmten Salzes oder einer Säure, eine Rolle spiele.

Dem Verfügungspatent sei auch kein Verzicht im Sinne einer Auswahlentscheidung zu entnehmen, nur weil die Beschreibung Antifolate als Klasse nenne, sich der Patentanspruch mit Pemetrexeddinatrium aber lediglich auf ein einziges Antifolat beziehe. Zur Ergänzung wird auf die Seiten 30 bis 33 der Antragschrift (Bl. 30/33 d. A.) Bezug genommen.

Es bestehe Wiederholungsgefahr, da die Listung in der Lauer-Taxe als Angebotshandlung anzusehen sei. Damit werde auch eine Erstbegehungsgefahr für die nachfolgenden Handlungen des Verkaufs und Inverkehrbringens geschaffen.

Es bestehe ein Verfügungsgrund in Form der Dringlichkeit, da die Antragstellerin nach der Listung in der Lauer-Taxe am 01.04.2016 mit dem hiesigen Antrag vom 05.04.2016 binnen einer Frist von einem Monat reagiert habe.

Eine Interessenabwägung müsse zugunsten der Antragstellerin ausfallen, da nur ein schneller Unterlassungstitel zeit- und kostenintensive Schadensersatzprozesse vermeiden könne, in denen bekanntlich nicht der volle tatsächlich entstandene Schaden ersetzt werde. Auch bestehe deswegen eine Interesse an der Klärung des vorliegenden Falles, da er Ausstrahlungswirkung für den gesamten Markt habe, zumal nicht auszuschließen sei, dass andere Hersteller von Generika versuchen werden, mit Pemetrexed in anderer als der Dinatriumform auf den Markt zu kommen. Hinreichender Rechtsgrund für einen Unterlassungsanspruch bestehe regelmäßig - wie hier - erst mit der Listung in der Lauer-Taxe, wobei zu diesem Zeitpunkt ein zeitaufwendiges Hauptsacheverfahren generische Markteintritte nicht rechtzeitig verhindern könne.

Die Kammer hat nach Eingang des Antrags vom 05.04.2016 samt der Ergänzung vom 06.04.2016 am 06.04.2016 durch Beschluss eine einstweilige Verfügung erlassen, durch die der Antragsgegnerin untersagt wurde, Pemetrexed als Pemetrexeddisäure, sinnfällig hergerichtet für die Verwendung bei der Herstellung eines Arzneimittels zur Verwendung in einer Kombinationstherapie zur Hemmung eines Tumorwachstums bei Säugern, worin das Arzneimittel in Kombination mit Vitamin B12 und Folsäure verabreicht werden soll, wobei Vitamin B12 als intramuskuläre Injektion und Folsäure oral als Tablette verabreicht werden soll, in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten oder in Verkehr zu bringen. Gegen die der Antragsgegnerin am 07.04.2016 (Bl. 52/53 d. A.) zugestellte einstweilige Verfügung richtet sich ihr Widerspruch vom 18.04.2016.

Die Antragstellerin beantragt,

die einstweilige Verfügung zu bestätigen, hilfsweise mit der Maßgabe, dass im Antrag zu 1. anstelle der Worte „bei Säugern“ die Worte „bei Menschen“ stehen sollen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

1. die einstweilige Verfügung des Landgerichts München I vom 6. April 2016 aufzuheben;

2. den Antrag der Antragstellerin vom 5. und 6. April 2016 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform ... falle aufgrund der unterschiedlichen Wirkstoffzusammensetzung mit Pemetrexeddisäure nicht in den Schutzbereich des Verfügungspatents. Die Merkmale des geltend gemachten Anspruchs 11 seien weder wortsinngemäß noch äquivalent verwirklicht. Das Antifolat zur Verwendung in der Erfindung sei nur und spezifisch der Wirkstoff Pemetrexeddinatrium, der Fachmann werde durch die präzise Definition in Teilziffer [0022] des Verfügungspatents gelehrt, dass das Antifolat Pemetrexeddinatrium das allein taugliche Mittel zur Verwendung sei.

Eine wortsinngemäße Verletzung scheide wegen des eindeutigen Wortlauts des Anspruchs 11 aus, der sich ausschließlich auf Pemetrexeddinatrium beziehe. Die Beschreibung, dort insbesondere die Teilziffern [0007] und [0022] zeigten unmissverständlich, dass sich der Schutzbereich der Verwendungsansprüche nicht auf andere Antifolate einschließlich der Derivate des Wirkstoffs Pemetrexed beziehen solle als das besagte Pemetrexeddinatrium. Pemetrexeddinatrium stelle eine definierte chemische Verbindung mit einer eigenen CAS-Registrierungsnummer dar und sei nicht mit Pemetrexed gleichzusetzen, das sich in der Summenformel und im Hinblick auf die CAS-Nummer unterscheide. Die in der angegriffenen Ausführungsform enthaltene Pemetrexeddisäure habe wiederum eine eigene CAS-Nummer. Die chemischen Unterschiede der beiden Substanzen zeigten sich auch in der unterschiedlichen Summenformel von Pemetrexeddisäure (C20H21N5O6) und dem Salz Pemetrexeddinatrium (C20H19N5Na2O6).

In seiner Auffassung, dass allein Pemetrexeddinatrium geschützt sei, werde der Fachmann auch dadurch bestätigt, dass das Verfügungspatent in anderem Zusammenhang durchaus von der Möglichkeit eines erweiterten Schutzes Gebrauch mache, da im Hinblick auf Vitamin B12 davon die Rede sei, dass auch ein pharmazeutisches Derivat davon verwendet werden könne, wobei die in Betracht kommenden Derivate ausdrücklich benannt würden (Teilziffern [0010] und [0025]). Ferner spreche auch der Unteranspruch 2 des Verfügungspatents von einem physiologisch annehmbaren Salz oder Ester.

Es sei zu beachten, dass Pemetrexeddisäure einen anderen Wirkstoff als Pemetrexeddinatrium darstelle, der auch nicht dazu geeignet sei, durch die übrigen in der angegriffenen Ausführungsform enthaltenen Inhaltsstoffe oder die vorgesehene Verdünnung in Glukoselösung jemals Pemetrexeddinatrium entstehen zu lassen.

Es verbiete sich eine funktionsorientierte Auslegung dahingehend, dass beide Begriffe Pemetrexeddinatrium und Pemetrexeddisäure als Pemetrexed zu verstehen seien, da Pemetrexeddinatrium chemisch klar definiert sei und für eine Auslegung im Sinne einer ganzen Wirkstoffgruppe mit all ihren Derivaten keinen Raum lasse. Das Merkmal dürfe nicht auf seine reine Funktion reduziert werden, da eine solche mit der räumlichkörperlichen Ausgestaltung des Begriffs Pemetrexeddinatrium nicht mehr in Übereinstimmung stehe und für eine funktionsorientierte Auslegung von vornherein nur Raum sei, wo die Wortwahl des Patentanspruchs kein fest umrissenes Verständnis erlaube. Das sei vorliegend nicht der Fall, da die Einzelkomponenten nicht funktional, sondern ausschließlich räumlichkörperlich durch präzise chemische Fachbegriffe beschrieben seien. Zudem weise das Verfügungspatent einen einheitlichen Sprachgebrauch auf, indem es Antifolate als Arzneimittelklasse verwende und das patentgemäße Pemetrexeddinatrium als Derivat einer Grundsubstanz dieser Klasse, nämlich Pemetrexed verstehe (Teilziffer [0022]). Da im Anspruch nur Pemetrexeddinatrium gemeint sei und der Anspruch die maßgebliche Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs des Patents sei, verbiete sich eine weitergehende Auslegung. Eine funktionale Auslegung dürfe auch nicht die Grenze zwischen wortsinngemäßer Verletzung und Äquivalenz verwischen.

Die angegriffene Ausführungsform mache keinen äquivalenten Gebrauch von der technischen Lehre von Anspruch 11.

Pemetrexeddisäure weise keine mit Pemetrexeddinatrium objektiv gleiche Wirkung auf. In dem von der Antragstellerin vorgelegten EMA Assessment Report (Anlage HL11) werde gerade auf die unterschiedliche Wirkung von Pemetrexeddinatrium und Pemetrexeddisäure hingewiesen, die die Durchführung von experimentellen Versuchsreihen zur Erlangung einer Hybridzulassung notwendig gemacht hätten. Insbesondere seien auf der dortigen Seite 17 voneinander abweichende Zahlenergebnisse und Messungen genannt, wie effizient Pemetrexed in die Zelle transportiert werde. Da unterschiedliche Mengen des Wirkstoffs in die Zelle gelangten und in unterschiedlicher Konzentration vorlägen, bestehe ein Unterschied in der Wirkweise der beiden Substanzen. Auch die US-amerikanische FDA habe ausweislich der Anlage AG19 den Austausch der Salzform als neuen Wirkstoff angesehen. Zu den Einzelheiten wird auf die Seiten 30 und 32 der Widerspruchsbegründung vom 18.04.2016 (Bl. 83/85 d. A.) Bezug genommen.

Die Wirkung von Pemetrexeddinatrium könne nicht auf die Antifolatwirkung beschränkt werden. Vielmehr müsse bei der Auslegung auch die pharmakologische Sichtweise miteinbezogen werden, die für die Herstellung eines Arzneimittels die Gesamtheit der Stoffe und deren Wirkungs- und Nebenwirkungsprofil betrachte. Hierzu zähle auch, welche Gegenionen in dem Arzneimittel eingesetzt würden, da diese nicht nur Einfluss auf dessen Galenik und Verträglichkeit sondern auch auf die Therapieeffizienz des eigentlichen Wirkstoffs hätten. Der Wirkmechanismus in den Zellen sei allein nicht maßgeblich, da auch Fragen der Löslichkeit, Bioäquivalenz, Toxizität und Stabilität für die Bestimmung einer effektiven Therapie relevant seien. Beispielsweise sei in Anlage HL7 ausdrücklich ausgeschlossen, dass Calcium-Ionen in einer therapeutischen Zusammensetzung verwendet werden.

Für den Fachmann habe die Kombination von Pemetrexeddisäure und Tromethamin als gleichwertiges Ersatzmittel für Pemetrexeddinatrium zum Prioritätszeitpunkt auch nicht nahegelegen. Ihm sei damals bekannt gewesen, dass mit einer solchen Abwandlung kein pharmazeutisches Äquivalent mehr vorliege, sondern ein neuer aktiver Wirkstoff. Ohne vorherige Tests und Studien habe er nicht vorhersehen können, ob der neue aktive Wirkstoff sicher und wirksam sei.

Zudem sei dem Chemiker Tromethamin zum Prioritätszeitpunkt nicht als gebräuchliches Gegenion zur Salzbildung bekannt gewesen. Selbst wenn er es in Erwägung gezogen hätte, hätte der Fachmann bei der Verwendung in einer Kombinationstherapie technische und klinische Nachteile erwartet und wäre sich bewusst gewesen, dass die Eignung nur durch wissenschaftliche Untersuchungen ermittelt werden könne, die den Aufwand eines typischen Salzscreenings überschreiten würden.

Auch die für die Hybridzulassung notwendigen physiologischchemischen und nichtklinischen Tests zur Aufnahme des Wirkstoffs und der Verstoffwechselung (Anlage HL11) wiesen auf eine fehlende Auffindbarkeit ohne erfinderisches Bemühen hin. Die Auswechselung eines Salzes durch eine Säure sei auch deshalb nicht naheliegend, weil ein solcher Schritt im Hinblick auf die toxischen Nebenwirkungen, die Haltbarkeit, Stabilität, Verstoffwechselung und Handhabbarkeit komplex sei.

Der Fachmann hätte auch weder im Verfügungspatent noch im älteren Stoffpatent EP 0 432 677 (Anlage AG21) Hinweise auf die Verwendung einer Kombination von Pemetrexeddisäure und Tromethamin erhalten. Vielmehr seien im Stoffpatent andere Kationen genannt, Tromethamin fehle gänzlich, da es sich nicht um ein gängiges Austauschmittel für Natrium bei Antifolaten gehandelt habe.

Schließlich sei Pemetrexeddisäure auch nicht als gleichwertige Lösung zu Pemetrexeddinatrium anzusehen, da einer Gleichwertigkeit die Grundsätze einer bewussten Auswahlentscheidung entgegenstünden. In der Beschreibung des Verfügungspatents seien Antifolate als Klasse offenbart, die Patentansprüche bezögen sich jedoch ausschließlich auf Pemetrexeddinatrium, so dass die Patentinhaberin eine Auswahlentscheidung zwischen verschiedenen Möglichkeiten, eine technische Wirkung zu erzielen, getroffen habe und auch nur Pemetrexeddinatrium unter Schutz gestellt habe, was der Annahme einer Gleichwertigkeit anderer Antifolate entgegenstehe. Die Antragstellerin habe den Anspruchswortlaut auch nicht versehentlich zu eng gewählt, sondern weil ein weiter formulierter Anspruchswortlaut, der auf alle Antifolate gerichtet gewesen sei, vom Prüfer des Europäischen Patentamts nicht für schutzfähig erachtet worden sei. Die Antragstellerin könne nunmehr nicht rechtsmissbräuchlich über das Vehikel der Äquivalenz den Schutzbereich des Verfügungspatents auf einen Bereich ausdehnen, für den ihr der Schutz durch das Europäische Patentamt versagt worden sei. Der Fachmann könne durch einen Blick in die Anmeldung (Anlage AG14) unschwer feststellen, dass das Schutzbegehren der Antragstellerin ursprünglich auf Antifolate als Wirkstoffklasse gerichtet gewesen sei. Gleiches gelte für die schriftlichen Äußerungen der Patentinhaberin im Erteilungsverfahren (Anlage AG 15/15a). Auch aus der Gesamtschau von Ansprüchen und Beschreibung lasse sich erkennen, dass die Anspruchsinhaberin den Schutz auf die konkret beanspruchte Lösungsvariante habe beschränken wollen, da eine eindeutig definierte chemische Verbindung im Anspruch den geschützten Gegenstand abschließend bestimme.

Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, es bestehe kein Verfügungsgrund, da der Rechtsbestand des Verfügungspatents aufgrund fehlender Erfindungshöhe derart zweifelhaft sei, dass nicht zu erwarten sei, dass es das Nichtigkeitsverfahren mit erheblicher Wahrscheinlichkeit überstehen werde. Die Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs sei in einem solchen Fall nicht dringlich.

Die Einspruchsentscheidung des Europäischen Patentamts vom 27.12.2010 (Anlage NiK18) stelle keine vertretbare Entscheidungsgrundlage dar. Die Nichtigkeitsklage (Anlage AG32), auf die vollumfänglich Bezug genommen werde, stütze sich zudem auf weitere Gesichtspunkte, die die Einspruchsabteilung, wie insbesondere die Anlagen NiK12 und NiK15, nicht berücksichtigt habe.

Die Ansprüche des Verfügungspatents, insbesondere der Anspruch 11, beruhten nicht auf erfinderischer Tätigkeit, da die Lösung, die Nebenwirkungen einer Behandlung mit Pemetrexed zu vermindern, indem Vitamin B12 allein oder Vitamin B12 mit Folsäure verabreicht werde, für den Durchschnittsfachmann zum Prioritätszeitpunkt naheliegend gewesen sei.

Die Anlage NiK16 habe einen Zusammenhang zwischen erhöhten Homocysteinwerten und starken Nebenwirkungen der Pemetrexedbehandlung offenbart. Die gleiche Aussage treffe NiK8. NiK8 habe nicht von der Erfindung weggeführt, da es keine dahingehende Aussage enthalten habe, dass die unauffälligen Marker eine abschließende Liste darstellten. Gerade die Aussage von NiK16, dass mit anderen getesteten Markern keine Korrelation zu den Nebenwirkungen gesehen wurde, fehle in dem neueren Dokument NiK8 gänzlich. Der Fachmann hätte folglich erkannt, dass NiK16 ein vorläufiges Ergebnis darstelle, das durch NiK8 aktualisiert werde. Der Fachmann habe folglich nicht annehmen dürfen, dass neben den genannten Markern wie Homocystein nicht noch weitere Marker wie die hier maßgebliche Methylmalonsäure eine auffällige Korrelation zeigen könnten.

Die Entgegenhaltung NiK14 ergänze diese Offenbarung mit dem Hinweis, dass bei dem Antifolat Methotrexat die Nebenwirkungen mit einer Gabe von Folsäure und Vitamin B12 bekämpft werden könnten. Sie empfehle nicht nur deren ergänzende Verabreichung, sondern stelle darüber hinaus einen Bezug zu Homocystein her. Ein Vorurteil des Fachmanns dergestalt, dass eine Ergänzung mit Vitamin B12 schädlich oder kontraindiziert sei, habe es nicht gegeben. Vielmehr habe NiK14 gezeigt, dass Folsäure und Vitamin B12 bei der Kontrolle der Nebenwirkungen zusammenwirkten. Da das Zielenzym von Methotrexat DHFR sei, hätte der Fachmann diese Aussagen auch bei Pemetrexed für hochrelevant gehalten. Dass die Wirksamkeit des Antifolats nicht reduziert werde, ergebe sich ebenfalls direkt aus NiK14, wonach gerade keine Korrelation zwischen therapeutischer Wirkung und der Vitamin-B12-Konzentration festgestellt worden sei.

Auch NiK15 habe einen eindeutigen Hinweis darauf enthalten, eine Antifolat-Therapie mittels einer Gabe von Folsäure und Vitamin B12 zu ergänzen. Dort sei für das Antifolat Lometrexol in direktem Zusammenhang mit einer Nahrungs- und Vitaminergänzung offenbart, dass Folsäure und Vitamin B12 zusammenwirkten und ausreichende Mengen bei der Krebstherapie erforderlich seien, um den Schweregrad der Nebenwirkungen zu reduzieren. Da Lometrexol auch GARFT hemme, hätte der Fachmann erwartet, dass eine Vitaminergänzung, die die Nebenwirkung von Lometrexol verringere, auch bei Pemetrexed wirksam sein müsse.

Die Entgegenhaltung NiK12 zeige ebenfalls diesen Zusammenhang, da der Fachmann daraus eine eindeutige Kausalität zwischen der Gabe von Folsäure und der Verringerung der Nebenwirkungen bei einer Antifolatbehandlung entnommen habe. In Kombination mit den Dokumenten NiK14 und NiK15, die auf die Nützlichkeit von Vitamin B12 verwiesen hätten, ergebe sich ein Naheliegen der Erfindung.

Ergänzend wird auf die Zusammenfassung auf den Seiten 16 bis 18 des Schriftsatzes der Antragsgegnerin vom 03.05.2016 (Bl. 175/177 d. A.) Bezug genommen.

Es fehle auch an der zeitlichen Dringlichkeit, weil die Antragstellerin bereits seit dem 18.01.2016 Kenntnis von den Vermarktungsplänen gehabt habe, da sie mit dem Schreiben gemäß Anlage AG28 gegenüber der Betreiberin der Lauer-Taxe patentrechtliche Schritte angekündigt habe. Spätestens mit der am 03.03.2016 erhaltenen Marktzulassung der Antragsgegnerin für die angegriffene Ausführungsform sei dringlichkeitsschädliche Kenntnis gegeben gewesen, die durch die E-Mail eines Vertriebsmitarbeiters der Antragstellerin vom 10.03.2016 (Anlage AG29) belegt werde.

Die bei der einstweiligen Verfügung vorzunehmende Interessenabwägung müsse zugunsten der Antragsgegnerin ausfallen, da es für sie im Falle einer zu Unrecht ergangenen einstweiligen Verfügung sehr schwierig sei, einen Nachweis für ihren Schaden zu erbringen, wenn sie bereits am Markteintritt gehindert worden sei. Die Kalkulation eines möglichen Schadens der Antragstellerin bereite dagegen keine große Schwierigkeit, da die Umsätze mit Arzneimitteln in öffentlich zugänglichen Datenbanken abrufbar seien. Da die angegriffene Ausführungsform nicht als Generikum gelistet sei, könne die Einführung der angegriffenen Ausführungsform nicht zu einer irreversiblen Absenkung von Festbeträgen führen. Zudem sei die angegriffene Ausführungsform in der Lauer-Taxe mit einem erkennbar höheren Einkaufsund Verkaufspreis gelistet als das Produkt ... der Antragstellerin.

Hilfsweise müsse die Antragstellerin Sicherheit leisten, da die Unterlassungsverfügung faktisch auf eine Vorwegnahme der Hauptsache hinauslaufe und die Vollziehung zu einem schweren Eingriff in den Gewerbebetrieb der Antragsgegnerin führe. Andernfalls wäre eine einstweilige Verfügung einfacher durchzusetzen als eine erstinstanzliche Verletzungsentscheidung im Hauptsacheverfahren, die nur gegen Sicherheitsleistung vollstreckt werden könne, obwohl aufgrund der eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten im Eilverfahren nicht auszuschließen sei, dass sich Schadensersatzpflichten der Antragstellerin ergäben.

Die Antragstellerin erwidert, die Argumentation der Antragsgegnerin verkenne, dass es gerade der Gegenstand des Verfügungspatents sei, die Nebenwirkungen der Behandlung mit dem Antifolat Pemetrexed durch eine Kombinationstherapie mit Vitamin B12 und Folsäure zu reduzieren, ohne dabei die Wirksamkeit des Antifolats zu beeinträchtigen. Nicht Gegenstand des Patents sei es dagegen, Pemetrexeddinatrium als Stoff an sich oder die Herstellung einer konkreten Arzneimittelformulierung mit bestimmter quantitativer Wirkung und einem bestimmten Stabilitäts- und Nebenwirkungsprofil zu schützen.

Maßgeblich sei, dass es sich bei Pemetrexeddinatrium, Pemetrexeddisäure und Pemetrexedditromethamin um ein und dasselbe Antifolat handle, da der Wirkbestandteil jeweils nur das Pemetrexed-Ion sei, das bei der Anwendung in vollständig dissoziierter Form vorliege.

Die Antragstellerin macht sich hinsichtlich des Rechtsbestands ihren Vortrag aus den als Anlagen HL28 und HL29 vorgelegten Schriftsätzen aus dem Parallelverfahren gegen die ... vor der Kammer (Az. 21 O 22243/15) zueigen und legt eine Anlagensynopse als Anlage HL36 vor. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der Rechtsbestand des Verfügungspatents mehrfach von ausländischen Spruchkörpern bestätigt worden sei.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die zwischen den Parteivertretern gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Schutzschrift vom 11.02.2016, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 04.05.2016 (Bl. 178/180 d. A.) sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

Gründe

Die einstweilige Verfügung vom 06.04.2016 (Bl. 44/47 d. A.) war zu bestätigen, da die Antragstellerin einen Verfügungsanspruch auf Unterlassung gegen die Antragsgegnerin hat und ein Verfügungsgrund besteht.

I.

Der Antragstellerin steht gegen die Antragsgegnerin ein Verfügungsanspruch auf Unterlassung des Anbietens und Inverkehrbringens der sinnfällig hergerichteten angegriffenen Ausführungsform aus §§ 9 Satz 2 Nr. 1, 139 Abs. 1 Satz 1 PatG i. V. m. Art. 53 lit. c), 54 Abs. 5, 64 EPÜ zu. Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht die Merkmale des geltend gemachten Anspruchs 11 des deutschen Teils des Europäischen Patents EP 1 313 508 B1 äquivalent.

1. Die durch den deutschen Teil des Europäischen Patents EP 1 313 508 B1 (Anlage HL3, deutsche Übersetzung DE 601 27 970 T2 als Anlage HL3a) unter Schutz gestellte technische Lehre ist aus der Sicht des angesprochenen Durchschnittsfachmanns aus den Merkmalen des hier maßgeblichen Anspruchs 11 im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit unter Heranziehung der Beschreibung zu ermitteln.

a) Maßgeblicher Durchschnittsfachmann ist nach Auffassung der Kammer in Anlehnung an die Ausführungen der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 28.04.2016 (Seite 10, Bl. 126 d. A.) ein Team aus einem Pharmakologen oder Pharmazeuten mit Spezialisierung auf dem Gebiet der Wirkmechanismen von Antifolaten und langjähriger Berufserfahrung in der Erforschung von Antifolaten bei der Behandlung von Krebs sowie einem Mediziner mit Spezialisierung auf dem Gebiet der Onkologie und langjähriger Erfahrung in der chemotherapeutischen Behandlung von Krebspatienten mit Antikrebswirkstoffen wie Antifolaten.

b) Der Gegenstand der Erfindung des Verfügungspatents EP 1 313 508 B1 betrifft im Sinne einer zweiten medizinischen Indikation die Verwendung des Wirkstoffs Pemetrexed in einer Kombinationsbehandlung mit Folsäure und einem Methylmalonsäure verringernden Mittel wie Vitamin B12, durch die die potentiell lebensbedrohlichen Toxizitäten dieses Antifolats verringert werden sollen, ohne dass die tumorhemmende Wirkung des Chemotherapeutikums beeinträchtigt wird (vgl. Teilziffer [0005]).

(1) Im Stand der Technik war die Behandlung von Tumorerkrankungen mit Antifolaten seit den 1940er Jahren bekannt, als der erste Wirkstoff dieser Klasse, Aminopterin, klinische Aktivität gezeigt hat. Sie sind seitdem eine der am besten untersuchten Klassen von antineoplastischen Mitteln, wobei ihre Wirkung darauf beruht, einen oder mehrere Folatbenötigende Schlüsselenzyme der Tymidin- und Purinbiosynthesewege zu hemmen, indem sie mit reduziertem Folat um die Bindung dieser Enzyme konkurrieren und damit letztlich den Tod der Zelle herbeiführen (vgl. Teilziffer [0002]).

Eine erhebliche Beschränkung bei der Entwicklung dieser Arzneimittel sind deren cytotoxische Aktivität und die damit einhergehenden Toxizitäten für den behandelten Patienten, die mit einem hohen Mortalitätsrisiko verbunden sind. Die Unfähigkeit, diese Toxizitäten trotz einiger bekannter Interventionsmöglichkeiten zu kontrollieren, führte zum Ausschluss der klinischen Entwicklung einiger Antifolate und hat die Entwicklung von anderen verkompliziert (Teilziffern [0003] und [0001]). Die Toxizitäten blieben eine ernste Besorgnis bei der Entwicklung von Antifolaten als pharmazeutische Arzneimittel.

(2) Davon ausgehend ist es die Aufgabe der verfügungspatentgemäßen Erfindung, die durch die potentiell lebensbedrohlichen Toxizitäten verbliebene Limitierung bei der optimalen Verabreichung von Antifolaten zu überwinden (Teilziffer [0001]) und bestimmte toxische Effekte, wie Mortalität und nichthämatologische Ereignisse, wie Hautausschläge und Müdigkeit, signifikant zu reduzieren, ohne die therapeutische Wirksamkeit des Antifolats nachteilig zu beeinflussen (Teilziffer [0005]).

(3) Gegenstand der Erfindung ist daher die Verwendung des Antifolats Pemetrexed als Pemetrexeddinatrium zur Herstellung eines Arzneimittels zur Verbesserung der therapeutischen Brauchbarkeit durch die Verabreichung eines Methylmalonsäure verringernden Mittels wie Vitamin B12. Erhöhte Spiegel an Methylmalonsäure sind ein Vorläufer von toxischen Ereignissen bei Patienten, die ein Antifolatarzneimittel erhalten, wobei die Behandlung der erhöhten Methylmalonsäure, wie die Behandlung mit Vitamin B12, die Mortalität und die nichthämatologischen Ereignisse, wie Hautausschläge und Müdigkeitsereignisse, die im Stand der Technik mit Antifolatarzneimitteln assoziiert waren, verringert. Neben Vitamin B12 können auch pharmazeutische Derivate davon als Methylmalonsäure verringernde Mittel ausgewählt werden (Teilziffern [0005] und [0010]).

Zusätzlich hat die Erfindung die Kombination der Methylmalonsäure verringernden Mittel wie Vitamin B12 mit Folsäure zum Gegenstand, die synergistisch die toxischen Ereignisse verringert. Anders als bei der aus dem Stand der Technik bekannten Kombination dieser beiden Stoffe zur Prävention kardiovaskulärer Ereignisse bewirkt deren kombinierte Verwendung gemeinsam mit dem Antifolat erfindungsgemäß eine Behandlung der Toxizität, die bislang mit der Gabe des Antifolats Pemetrexed assoziiert war (Teilziffern [0006] und [0010]).

Vom Antifolat Pemetrexed wird dabei eine wirksame Menge verabreicht (Teilziffern [0007] und [0010]), die eine Hemmung des Tumorwachstums bewirkt (Teilziffer [0014]), wobei sich der Begriff der Hemmung auf die Verhinderung, Linderung, Besserung, das Anhalten, das Zurückdrängen, die Verlangsamung oder die Umkehr der Progression oder die Verringerung des Tumorwachstums bezieht (Teilziffern [0017] und [0018]).

Pemetrexed wird in der Salzform als Pemetrexeddinatrium verwandt. Insoweit lässt sich nicht argumentieren, dass unter Anspruch 11 im Sinne einer funktionsorientierten Auslegung alle sonstigen Formen von Pemetrexed fallen, die z. B. aufgrund ihrer Dissoziation bei der Verabreichung nur noch als Pemetrexed-Ion vorliegen und in gleicher Weise wie Pemetrexeddinatrium im Ergebnis die Hemmung des Tumorwachstums bewirken sowie ohne Wirkungsverlust zur Nebenwirkungsreduktion mit Vitamin B12 und Folsäure kombinierbar sind. Bei dem in Anspruch 11 genannten Pemetrexeddinatrium handelt es sich um eine klar definierte chemische Substanz mit einer für den Fachmann klaren Struktur- und Summenformel, also um ein im patentrechtlichen Sinne räumlichkörperlich definiertes Merkmal. Eine funktionale Betrachtung darf aber bei räumlichkörperlich definierten Merkmalen nicht dazu führen, dass ihr Inhalt auf die bloße Funktion reduziert und das Merkmal in einem Sinne interpretiert wird, der mit der räumlichkörperlichen Ausgestaltung, wie sie dem Merkmal eigen ist, nicht mehr in Übereinstimmung steht. Anderenfalls würde die Grenze zwischen wortsinngemäßer und äquivalenter Benutzung aufgelöst, was insbesondere wegen des nur bei letzterer zulässigen Formstein-Einwands problematisch wäre (Meier-Beck, GRUR 2003, 905, 907; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 8. Aufl., Rn. A, 48).

Maßgeblich den Gegenstand der Erfindung bestimmt im Ergebnis die Erkenntnis, dass die Kombination von Pemetrexeddinatrium mit einem Methylmalonsäure verringernden Mittel wie Vitamin B12 oder einem pharmazeutischen Derivat davon in Kombination mit Folsäure die aus dem Stand der Technik bekannten Toxizitäten verringert, ohne die Wirksamkeit des Arzneimittels im Hinblick auf die Hemmung des Tumorwachstums zu beeinträchtigen.

c) Der geltend gemachte Patentanspruch 11 des Verfügungspatents EP 1 313 508 B1 lässt sich im Sinne einer Merkmalsanalyse wie folgt aufgliedern (Anlage HL4):

11.1 Verwendung von Pemetrexeddinatrium zur Herstellung eines Arzneimittels

11.2 zur Verwendung in einer Kombinationstherapie zur Hemmung eines Tumorwachstums bei Säugern,

11.3 worin das Arzneimittel in Kombination mit Vitamin B12 verabreicht werden soll

11.4 und mit Folsäure,

11.5 wobei Vitamin B12 als intramuskuläre Injektion verabreicht werden soll und

11.6 Folsäure oral als eine Tablette verabreicht werden soll.

2. Die genannten Merkmale des geltend gemachten Anspruchs 11 werden durch die angegriffene Ausführungsform, das sinnfällig hergerichtete Arzneimittel ... der Antragsgegnerin, zwar nicht wortsinngemäß, jedoch äquivalent verwirklicht.

a) Wie aus der Fachinformation der angegriffenen Ausführungsform gemäß Anlage HL7 hervorgeht und von der Antragsgegnerin in tatsächlicher Hinsicht nicht bestritten ist, enthält jede Durchstechflasche ... den Wirkstoff Pemetrexed in Form von Pemetrexeddisäure in Lösung als Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung, die der Behandlung menschlicher Patienten mit Krankheiten wie dem malignen Pleuramesotheliom oder dem nichtkleinzelligen Lungenkarzinom, die sich durch Tumorwachstum auszeichnen, dient. Enthalten ist weiter Tromethamin (Seite 21, Ziffer 6.1 von Anlage HL7, dort Trometamol genannt). Entsprechend dem Abschnitt „Prämedikation“ auf Seite 2 von Anlage HL7 müssen Patienten, die mit ... behandelt werden, zur Reduktion der Toxizität täglich orale Gaben von Folsäure oder Multivitamine mit Folsäure erhalten, wobei die Folsäuregabe sieben Tage vor der ersten Dosis Pemetrexed begonnen und während der Therapie sowie weitere 21 Tage nach der letzten Pemetrexed-Dosis fortgesetzt werden soll. Zudem müssen die Patienten hiernach eine intramuskuläre Injektion Vitamin B12 in der Woche vor der ersten Pemetrexed-Dosis sowie nach jedem dritten Behandlungszyklus erhalten. Weitere Vitamin-B12-Injektionen können am selben Tag wie Pemetrexed gegeben werden.

b) Eine wortsinngemäße Verletzung von Anspruch 11 scheidet aus, da das Merkmal 11.1 nicht wortsinngemäß verwirklicht ist. Wie oben erläutert ist Merkmal 11.1. so auszulegen, dass es die Verwendung der konkreten Salzform Pemetrexeddinatrium zur Herstellung eines Arzneimittels betrifft. Die angegriffene Ausführungsform enthält jedoch Pemetrexeddisäure, nicht Pemetrexeddinatrium.

c) Der geltend gemachte Anspruch 11, insbesondere das hier maßgebliche Merkmal 11.1 ist jedoch äquivalent verwirklicht.

Damit eine vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichende Ausführung in dessen Schutzbereich fällt, muss regelmäßig dreierlei erfüllt sein. Die Ausführung muss erstens das der Erfindung zugrunde liegende Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln lösen. Zweitens müssen seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen, die abgewandelte Ausführung mit ihren abweichenden Mitteln als gleichwirkend aufzufinden. Die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anstellen muss, müssen schließlich drittens am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sein. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln aus fachmännischer Sicht als der wortsinngemäßen Lösung gleichwertige, d. h. äquivalente Lösung in Betracht zu ziehen und damit nach dem Gebot des Art. 2 des Protokolls über die Auslegung des Art. 69 EPÜ bei der Bestimmung des Schutzbereichs des Patents zu berücksichtigen (vgl. BGHZ 150, 149, 154 - Schneidmesser I; BGH, GRUR 2007, 959, 961 - Pumpeinrichtung). Der Schutzbereich des Patents wird auf diese Weise nach Maßgabe dessen bestimmt, was der Fachmann auf der Grundlage der erfindungsgemäßen Lehre als äquivalent zu erkennen vermag und damit an dem Gebot des Art. 1 des Auslegungsprotokolls ausgerichtet, bei der Bestimmung des Schutzbereichs einen angemessenen Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte zu verbinden (BGH, GRUR 2011, 313 Rn. 35 - Crimpwerkzeug IV; BGH, GRUR 2015, 361, 363 - Kochgefäß).

(1) Die angegriffene Ausführungsform der Antragsgegnerin löst zunächst die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe mit abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln.

Für die Frage der Gleichwirkung ist entscheidend, welche einzelnen Wirkungen die patentgemäßen Merkmale - für sich und insgesamt - zur Lösung der dem Patentanspruch zugrunde liegenden Aufgabe bereitstellen und ob diese Wirkungen bei der angegriffenen Ausführungsform durch andere Mittel erzielt werden. Danach ist es erforderlich, den Patentanspruch darauf zu untersuchen, welche der Wirkungen, die mit seinen Merkmalen erzielt werden können, zur Lösung der zugrunde liegenden Aufgabe patentgemäß zusammenkommen müssen. Diese Gesamtheit repräsentiert die patentierte Lösung und stellt deshalb die für den anzustellenden Vergleich maßgebliche Wirkung dar (BGH, GRUR 2000, 1005, 1006 - Bratgeschirr; BGH, GRUR 2012, 1122, Rn. 19 - Palettenbehälter III). Nur so ist gewährleistet, dass trotz Abwandlung bei einem oder mehreren Merkmalen lediglich solche Ausgestaltungen vom Schutzbereich des Patentanspruchs umfasst werden, bei denen der mit der geschützten Erfindung verfolgte Sinn beibehalten ist. Als gleichwirkend kann eine Ausführungsform nur dann angesehen werden, wenn sie nicht nur im Wesentlichen die Gesamtwirkung der Erfindung erreicht, sondern gerade auch diejenige Wirkung erzielt, die das nicht wortsinngemäß verwirklichte Merkmal erzielen soll (BGH, GRUR 2012, 1122, Rn. 26 - Palettenbehälter III; BGH, GRUR 2015, 361, 363 - Kochgefäß).

Zur Lösung der Aufgabe der verfügungspatentgemäßen Erfindung, die potentiell lebensbedrohlichen Toxizitäten bei einer Antifolatbehandlung signifikant zu reduzieren, ohne die therapeutische Wirksamkeit des Antifolats nachteilig zu beeinflussen, tragen die Merkmale von Anspruch 11 in ihrer Gesamtheit und Merkmal 11.1 im Einzelnen bei, dass mit Pemetrexeddinatrium ein wirksames Antifolat zur Verfügung gestellt wird, dessen potentiell schwerwiegenden Nebenwirkungen durch die Kombinationstherapie mit intramuskulär injiziertem Vitamin B12 und oral verabreichter Folsäure signifikant und ohne therapeutischen Wirkungsverlust reduziert werden.

Diese Gesamtwirkung der Erfindung und insbesondere die Wirkung des in Merkmal 11.1 vorgesehenen Pemetrexeddinatriums erzielt die bei der angegriffenen Ausführungsform verwandte Pemetrexeddisäure mit Tromethamin ebenfalls. Es ist unstreitig, dass sowohl bei Pemetrexeddinatrium als auch bei der mit Tromethamin verwendeten Pemetrexeddisäure bei der Herstellung des Arzneimittels, also nach Auflösung bzw. in der als Konzentrat vertriebenen Lösung, eine Dissoziierung erfolgt und jeweils das Pemetrexed-Anion vorliegt, das für die therapeutische Wirkung verantwortlich und mit Nebenwirkungen verbunden ist, die erfindungsgemäß in der Kombinationstherapie reduziert werden. Die Gleichwirkung wird dadurch erreicht, dass das therapeutisch wirksame Pemetrexed-Anion bei der Herstellung unabhängig von der Ausgangsform des Präparats immer gleich vorliegt, im Rahmen der technischen Lehre die tumorhemmende Wirkung entfaltet und der wirkungsverlustfreien Nebenwirkungsreduktion mit Folsäure und Vitamin B12 zugänglich ist.

Da die Gleichwirkungsfrage die konkret definierte Erfindungswirkung in Bezug auf die Aufgabe betrifft, verbieten sich weitergehende allgemeine pharmakologische Betrachtungen zu Arzneimitteleigenschaften wie Stabilität und Haltbarkeit, zur Zellaufnahme, deren Geschwindigkeit und Menge, zu Formulierungsfragen oder zu arzneimittelrechtlichen Problemen wie der Abgrenzung zwischen Generika- und Hybridzulassung und deren Voraussetzungen.

(2) Der maßgebliche Durchschnittsfachmann konnte die abgewandelte Ausführung mit ihren abweichenden Mitteln Pemetrexeddisäure und Tromethamin zum Prioritätszeitpunkt ohne erfinderische Überlegungen als gleichwirkend auffinden.

Eine äquivalente Benutzung der unter Schutz gestellten Erfindung kann nur dann vorliegen, wenn der Fachmann die bei der angegriffenen Ausführungsform eingesetzten abgewandelten Mittel mit Hilfe seiner Fachkenntnisse zur Lösung des der Erfindung zugrundliegenden Problems als gleichwirkend aufzufinden in der Lage war (BGH GRUR 1988, 896, 899 - Ionenanalyse).

Das als Fachmann anzusehende Team aus einem Pharmakologen und einem Onkologen war zum Prioritätszeitpunkt in Kenntnis der Aufgabe der Erfindung in der Lage, Pemetrexeddisäure mit Tromethamin aufzufinden. Da für die Lösung der Aufgabe erforderlich war, ein Pemetrexed-Anion zur Verabreichung an den Patienten im Rahmen der Herstellung eines Arzneimittels zur Verfügung zu stellen, lag es nahe, Tromethamin als alternatives Gegenion zur Salzbildung von Pemetrexed vorzusehen. Wie sich aus dem von der Antragstellerin vorgelegten „Handbook of Pharmaceutical Salts“ von Stahl et al. (Anlage HL18, Seite 324 f.) ergibt, waren zum Prioritätszeitpunkt bereits Tromethaminsalze zugelassen und es handelte sich um eines der zehn am häufigsten eingesetzten Salzbildner. Gleichzeitig war es als Puffer bekannt, der nahe des physiologischen pH-Wertes verwendet wurde (Anlage HL19), so dass es sich bei der Bereitstellung einer Darreichungsform, die nur in verträglicher Weise zur Verabreichung des dissoziierten Pemetrexed-Anions führen sollte, um eine routinemäßige Formulierungstätigkeit handelte.

(3) Schließlich waren die Überlegungen, die der Fachmann anzustellen hatte, um zu der gleichwirkenden Abwandlung einer Verwendung von Pemetrexeddisäure mit Tromethamin zu gelangen, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch 11 unter Schutz gestellten Lehre orientiert, dass er die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen Lehre gleichwertige Lösung in Betracht gezogen hat.

Es ist nicht ausreichend, dass der Fachmann aufgrund seines Fachwissens eine Lehre als technisch sinnvoll und gleichwirkend zu der in den Patentansprüchen formulierten Lehre erkennt, sondern es müssen sich seine Überlegungen, die nicht allein für das abgewandelte Mittel festzustellen sind, an der Patentschrift orientieren. Die angegriffene Ausführungsform muss in ihrer für die Merkmalsverwirklichung relevanten Gesamtheit eine auffindbar gleichwertige Lösung darstellen (BGH GRUR 2007, 959 - Pumpeinrichtung; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 8. Aufl., Rn. A, 102).

Wie dargelegt hat die patentgemäße Lehre zum Gegenstand, durch die Kombination von Pemetrexed mit Vitamin B12 und Folsäure die bekannten Toxizitäten der Antifolatbehandlung zu verringern, ohne die Wirksamkeit des Arzneimittels im Hinblick auf die Hemmung des Tumorwachstums zu beeinträchtigen. Die Überlegungen, die der Fachmann anstellte, um Pemetrexeddisäure mit Tromethamin, für die ansonsten unveränderte Verwendung bereitzustellen, waren derart an dieser Lehre orientiert, dass sich die Gesamtheit der Lösung mit Pemetrexeddisäure und Tromethamin als gleichwertig darstellt, weil sie zur Verabreichung eines Pemetrexed-Anions nach Dissoziierung an den Patienten in einer Weise führt, die die Wirksamkeit der Therapie bei ihrem Einsatz in der Vitamin-Kombinationsbehandlung nicht infrage stellt, während die massiven Toxizitäten - so wie es die technische Lehre des Patents erfordert - unverändert reduziert werden.

Der Annahme einer Orientierung am Patentanspruch kann nicht entgegengehalten werden, dass die Patentinhaberin durch ihre Beschränkung auf Pemetrexeddinatrium im Anspruch bei gleichzeitig weiter gefasster Beschreibung, die von Antifolaten als Klasse spricht, im Erteilungsverfahren eine bewusste Auswahlentscheidung getroffen habe, die eine Äquivalenzbetrachtung verbiete.

Für derartige Überlegungen darf aus Rechtssicherheitsgründen nicht auf Unterlagen aus dem Erteilungsverfahren zurückgegriffen werden, aus denen sich Derartiges ergeben soll, oder versucht werden, mitgeteilte Erkenntnisse über das Erteilungsverfahren so in die Ansprüche und die Beschreibung hineinzulesen, dass sich vermeintlich aus der Patentschrift selbst eine Einschränkung des Schutzbereichs ergibt. Der Inhalt der Ursprungsunterlagen oder der Veröffentlichung der Anmeldung bleibt bei der Auslegung außer Betracht. Weder darf der Patentanspruch nach Maßgabe des ursprünglich Offenbarten ausgelegt werden, noch darf umgekehrt sein Sinngehalt dadurch ermittelt werden, dass dem Wortlaut des Patentanspruchs abweichende Formulierungen der Anmeldung gegenübergestellt werden. Allenfalls dann, wenn zweifelhaft bleibt, ob sich Patentanspruch und Beschreibung sinnvoll zueinander in Beziehung setzen lassen, darf die Anspruchsgeschichte zur weiteren Klärung der Frage herangezogen werden, ob mit dem Anspruch ein Gegenstand unter Schutz gestellt worden ist, der von dem in der Beschreibung offenbarten abweicht oder hinter diesem zurückbleibt (BGHZ 194, 107, Rn. 28 - Polymerschaum I; BGHZ 189, 330, Rn. 25 - Okklusionsvorrichtung; BGH GRUR 2015, 87, Rn. 17 - Rotorelemente).

Diese Ausnahme greift vorliegend nicht. Die Prüfung der Orientierung am Patentanspruch im Rahmen der Äquivalenz hat nicht zum Ziel, im Rahmen der Anspruchsauslegung Patentanspruch und Beschreibung sinnvoll zueinander in Beziehung zu setzen. Vielmehr geht es - wie oben erwähnt - darum, bei der Bestimmung des Schutzbereichs einen angemessenen Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte zu verbinden.

Soweit das OLG Düsseldorf (Anlage HL13) eine Auswahlentscheidung wegen der erwähnten Klasse der Antifolate angenommen hat, könnte diese allenfalls alle anderen Antifolate ausschließen, nicht aber sämtliche Derivate des einen - vermeintlich ausgewählten - Antifolats Pemetrexed. Gegen eine Auswahlentscheidung ist des Weiteren ins Feld zu führen, dass Pemetrexeddisäure in der Beschreibung nicht thematisiert ist, so dass die Nennung von Pemetrexeddinatrium im Anspruch nicht als Verzicht auf Pemetrexeddisäure verstanden werden kann (BGH GRUR 2014, 852, 853, Rn. 15 -Begrenzungsanschlag).

d) Es besteht im Hinblick auf ein Anbieten und Inverkehrbringen die nach § 139 Abs. 1 Satz 1 PatG, Art. 64 EPÜ erforderliche Wiederholungsgefahr, weil die Antragsgegnerin die angegriffene Ausführungsform ab dem 01.04.2016 in der Lauer-Taxe hat listen lassen (vgl. BGH GRUR 2007, 221, 222 - Simvastatin).

II.

Es besteht der Verfügungsgrund der Dringlichkeit im Sinne von §§ 936, 917 ZPO. Die zeitige Durchsetzung des Verfügungsanspruchs ist deshalb erforderlich, weil nicht mangels erfinderischer Tätigkeit gemäß Art. 52 Abs. 1, 56 EPÜ davon auszugehen ist, dass das Verfügungspatent das Nichtigkeitsverfahren voraussichtlich nicht überstehen wird und auch Dringlichkeit im engeren Sinne gegeben ist.

1. Prüfungsmaßstab ist aufgrund der vorangegangenen Einspruchsentscheidung des Europäischen Patentamts vom 27.12.2010 (Anlage HL20), durch die das Verfügungspatent unverändert aufrechterhalten wurde, die Frage, ob sich diese Entscheidung als unvertretbar darstellt. Zwar kommt eine strenge rechtliche Bindung des Verletzungsgerichts an eine Einspruchsentscheidung nur dann in Betracht, wenn das Patent durch sie teilweise geändert oder vernichtet worden ist (BGH GRUR 1979, 308 - Auspuffkanal für Schaltgase; BGH GRUR 1992, 839 - Linsenschleifmaschine), sie stellt aber auch im Übrigen eine gewichtige sachkundige Äußerung dar, die vom Verletzungsgericht zur Kenntnis zu nehmen und zu würdigen ist, wobei eine Abweichung von den prima facie sachkundigen Darlegungen in der Regel wiederum Sachkunde in technischer Hinsicht voraussetzt (BGH GRUR 1998, 895 - Regenbecken; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 8. Aufl., Rn. A, 74 ff.).

2. Die Einspruchsabteilung kommt in ihrer Entscheidung vom 27.12.2010 (Anlage HL20) auf den Seiten 13 ff. zu dem Ergebnis, dass es dem Verfügungspatent nicht im Hinblick auf die dortigen Entgegenhaltungen D28 (jetzige Anlage NiK2) gegebenenfalls in Kombination mit D9 (jetzige Anlage NiK16) und dem allgemeinen Fachwissen an erfinderischer Tätigkeit mangle, da die Verabreichung von Vitamin B12 zur Verringerung der Toxizitäten der Pemetrexedbehandlung für den Fachmann zum Prioritätszeitpunkt nicht nahegelegen habe.

Die Anlage NiK16 zeige zwar eine starke Korrelation zwischen den Baseline-Homocysteinspiegeln und der Entwicklung einer Reihe von Toxizitäten wie Neutropenie, Thrombozytopenie, Mukositis oder Durchfall, so dass davon auszugehen sei, dass am Prioritätsdatum bekannt gewesen sei, dass die Toxizität von Pemetrexed mit einer Erhöhung der Homocysteinspiegel im Plasma korreliert. Neben Homocystein seien jedoch auch die Vitamin-Metaboliten Cystathionin und Methylmalonsäure gemessen worden, wobei letztere bekanntlich der Mangel-Marker für Vitamin B12 sei. Eine Korrelation zwischen den Toxizitäten von Pemetrexed und den restlichen vorgegebenen Prädikatoren, nämlich Methylmalonsäure und Cystathionin, sei nicht beobachtet worden. Es sei deshalb davon auszugehen, dass NiK16 lehre, dass es keine Korrelation zwischen Pemetrexed-Toxizität und Methylmalonsäure gebe, und der Fachmann daher zu dem Schluss gekommen wäre, dass Vitamin B12 nicht an der bei der Pemetrexed-Behandlung beobachteten Toxizität beteiligt sei. Es habe für ihn also keine Motivation bestanden, Vitamin B12 zu verwenden, angesichts dessen, dass der bekannte Marker für dessen Mangel nicht korreliert habe.

Auch ausgehend von der NiK2 hätte der mit dem Problem der Reduzierung der Pemetrexed-Toxizität konfrontierte Fachmann nach Auffassung der Einspruchsabteilung die Beteiligung von Vitamin B12 im Hinblick auf die Lehre der NiK16 ausgeschlossen und hätte dieses Vitamin nicht verwendet, um die Toxizität zu reduzieren. Vielmehr hätte er eher nur Folsäure verwendet, da in Ermangelung einer Korrelation zwischen der Pemetrexed-Toxizität und Methylmalonsäure, wie in NiK16 berichtet, der in dem Dokument beschriebene erhöhte Homocysteinspiegel als Marker für Folatmangel erkannt worden wäre.

3. Diese nach Auffassung der Kammer keinesfalls unvertretbaren sachkundigen Äußerungen der Einspruchsabteilung rechtfertigen es auch im Lichte der hiesigen Argumentation der Antragsgegnerin nicht, von einer fehlenden erfinderischen Tätigkeit auszugehen und für das Nichtigkeitsverfahren eine Vernichtungsprognose zu stellen.

a) Die von der Antragsgegnerin als Ausgangspunkt herangezogene Anlage NiK8 stammt ebenso wie die Anlage NiK16 von Niyikiza et al. und beschreibt ähnlich wie dort, dass bei einer Messung von Homocystein-, Cystathionin- und Methylmalonsäurewerten bei 139 Phase-II-Patienten eine starke Korrelation zwischen erhöhten Homocysteinspiegeln vor der Behandlung mit Pemetrexed und ersthaften Toxizitäten infolge dieser Behandlung gefunden worden sei. Anders als in Anlage NiK16 findet sich dort lediglich die ausdrückliche Aussage nicht, dass keine Korrelation zu den übrigen Prädikatoren, zu denen auch der Vitamin-B12-Mangel-Marker Methylmalonsäure gehörte, festzustellen war.

Die von der Antragsgegnerin - ebenso wie von der Einspruchsabteilung - weiter herangezogene Anlage NiK2 stellt zunächst fest, dass eine Supplementierung mit Folsäure einen klaren Effekt bezüglich der Reduzierung der Toxizitäten habe, dass es jedoch schwierig sei, eine Korrelation zwischen den Folsäurespiegeln vor der Behandlung und den durch das Antifolat hervorgerufenen Toxizitäten herzustellen. Vielmehr habe sich die Messung von Homocysteinwerten im Plasma vor der Behandlung als aussagekräftige Methode erwiesen, um die Toxizität von Pemetrexed vorherzusagen. Einer vorhergehenden Diskussion der Wirkweise des Enzyms Methioninsynthase, das Vitamin-B12-abhängig sei, folgt der Schluss (Seite 8 der Anlage NiK2 a.E.), dass aus einem funktionalen Mangel entweder von Vitamin B12 oder Folsäure eine Verringerung der Umsetzung durch die Methioninsynthase resultiere und es folglich zu einer Erhöhung des Homocysteinspiegels im Plasma komme.

Die Entgegenhaltung NiK8 allein oder in Kombination mit NiK2 lässt den aus NiK16 allein oder in Kombination mit NiK2 gezogenen Schluss der Einspruchsabteilung, dass es nicht an erfinderischer Tätigkeit fehle, nicht unvertretbar erscheinen. Die Kammer kann diesen Dokumenten zwei für den Fachmann zum Prioritätszeitpunkt zutage getretene Aussagen klar entnehmen: zum einen, dass eine starke Korrelation zwischen erhöhten Plasmawerten an Homocystein vor der Behandlung und den durch die Pemetrexed-Behandlung hervorgerufenen Toxizitäten besteht, und zum anderen, dass ein Mangel von Folsäure und/oder Vitamin B12 zu erhöhten Plasmawerten an Homocystein führt.

Der von der Antragsgegnerin in die Entgegenhaltungen hineingelesene „missing link“, dass nämlich zu einer Reduzierung der Toxizitäten von Pemetrexed auch das den Homocysteinspiegel senkende Vitamin B12 zu verabreichen ist, lässt sich den Dokumenten nicht ohne weiteres entnehmen. Warum sich dies für den Fachmann aus einer Kombination mit seinem allgemeinen Fachwissen zum Prioritätszeitpunkt hätte ergeben sollen, erschließt sich ebenfalls nicht. Insofern ist der Aussagegehalt von NiK8 und NiK16 zu beachten, der den Fachmann zum Prioritätszeitpunkt gerade von diesem Rückschluss abgehalten hat, da NiK16 feststellt, dass die übrigen Prädikatoren, zu denen auch derjenige mit Vitamin-B12-Markerfunktion, die Methylmalonsäure, gehörte, keine Korrelation mit den Toxizitäten erkennen lassen. Dass allein aufgrund des einen fehlenden Satzes in der NiK8 der Fachmann diesen Schluss doch gezogen hätte, erscheint nicht nachvollziehbar, zumal Abstracts, wie sie die beiden Entgegenhaltungen darstellen, keine umfassende Diskussion nicht zielführender Methoden, sondern nur eine knappe Darstellung wissenschaftlich weiterführender Erkenntnisse erwarten lassen. Diese bestehen bei NiK8 in der Korrelation zwischen Homocysteinspiegel und Toxizitäten, nicht in potentiell hineinzulesenden Aussagen zur Methylmalonsäure.

b) Hieran ändern auch die Entgegenhaltungen NiK9 und NiK13 nichts, die die Senkung des Homocysteinspiegels durch Vitamine wie Vitamin B12 und Folsäure behandeln, um die Folgewirkungen des erhöhten Homocysteins zu vermeiden. Wie die Anlage NiK9 bereits durch ihre Überschrift verrät, entstand sie im Rahmen eines Kolloquiums zum Zusammenhang zwischen Homocystein, Vitaminen und arteriellen Verschlusskrankheiten. Entsprechende Literatur hätte der Fachmann - wohlgemerkt ein Team aus einem medizinischen Chemiker oder Pharmakologen und einem Onkologen - bereits nicht herangezogen, um zum Prioritätszeitpunkt die Frage der Reduzierung von Nebenwirkungen eines Zytostatikums zu prüfen. Selbst wenn er sie herangezogen hätte, hätte er den Dokumenten lediglich die Möglichkeit der Prävention und Behandlung von kardiovaskulären Erkrankungen, die mit einem erhöhten Homocysteinspiegel vergesellschaftet sind, entnommen, nicht aber auf das Potential von Vitamin B12 schließen können, die Toxizität von Pemetrexed in den Griff zu bekommen. Dass entsprechende Überlegungen zu den von erhöhtem Homocystein ausgehenden Risiken für das Herz-Kreislauf-System für Patienten, die für eine Pemetrexed-Behandlung in Betracht kommen, keine Rolle spielen, versteht sich aufgrund des Behandlungsspektrums von selbst und lässt sich den als Anlage HL1 vorgelegten Gebrauchsinformationen von ..., dort Seiten 7 ff., entnehmen, die eine bedauerlich geringe Lebenserwartung dieser Patienten zeigen.

c) Ähnliches gilt für die ernährungsmedizinische Entgegenhaltung NiK12, aus der sich die indizierte kombinierte Gabe von Folsäure und Vitamin B12 und das ansonsten drohende Maskierungsproblem eines Vitamin-B12-Mangels ergeben soll. Selbst wenn der -ernährungsmedizinisch wenig beschlagene - Fachmann entsprechende Literatur zum Prioritätszeitpunkt konsultiert hätte, hätte er ihr weder direkt noch in Kombination mit den vorgehenden Dokumenten den Hinweis entnommen, zur Reduzierung der Nebenwirkungen neben Folsäure auch Vitamin B12 zu verabreichen, weil die ernährungsmedizinisch anzugehenden Probleme eines möglichen Vitamin-B12-Mangels gegebenen falls mit erhöhten Homocysteinwerten, wie sie die Anlage NiK12 auf den Seiten 127 ff. beschreibt, für terminal kranke Lungenkrebspatienten keine Rolle mehr spielen.

d) Soweit die Anlage NiK14 für den Fachmann zum Prioritätszeitpunkt die Verbindung zwischen den Nebenwirkungen einer Therapie mit dem verwandten Antifolat Methotrexat und einer Supplementierung auch mit Vitamin B12 hergestellt haben soll, kann dem nicht gefolgt werden, da die Anlage NiK14 auf Seite 4 lediglich diskutiert, dass der Vitamin-B12-Mangel selbst eine Nebenwirkung der Behandlung sein kann und es sinnvoll sein könnte, diesen Mangel auszugleichen. Die Entgegenhaltung behandelt also ein umgekehrtes Problem. Dass gerade die Vitamin-B12-Supplementierung geeignet ist, die Nebenwirkungen des Antifolats zu reduzieren, zeigt das Dokument dagegen nicht auf. Auch soll der Vitamin-B12-Mangel keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Medikaments haben, was es als naheliegender erscheinen lässt, dass Vitamin B12 mit den Nebenwirkungen in keinem Zusammenhang steht.

e) Schließlich ist die Kammer auch davon überzeugt, dass es die Anlage NiK15 (Mendelsohn et al., Seite 270, Abschnitt 9.), die der Einspruchsabteilung schon deswegen bekannt war, weil sie in Teilziffer [0001] des Verfügungspatents erwähnt ist, dem Fachmann nicht ohne weiteres nahegelegt hätte, die Nebenwirkungen des dort behandelten Antifolats Lometrexol durch die Gabe von Vitamin B12 zusätzlich zur Folsäure zu reduzieren.

Der letzte Absatz des Abschnitts 9. scheint dem Fachmann zwar auch den Weg zu Vitamin B12 zu weisen („The biochemical pathways that utilize folate cofactors also require adequate amounts of vitamins B12 and B6. Thus, the status of all three vitamins in patients may significantly influence the severety of toxicity observed during chemotherapy.“), es ist aber zu beachten, dass die maßgebliche Passage lediglich allgemeine Überlegungen zu den biochemischen Prozessen des Folatstoffwechsels ohne konkrete analytische oder experimentelle Belege enthält, sich durchgehend wie auch das Ende des vorangegangenen Absatzes einer konjunktivischen Formulierung bedient („may“) und der Abschnitt 9. bereits einleitend klarstellt, dass der Folsäurestatus von Krebspatienten nie systematisch untersucht worden ist. Der Durchschnittsfachmann hätte folglich zum Prioritätszeitpunkt erkannt, dass der Beitrag von Mendelsohn et al. nur allgemeine Überlegungen zur Vitamin-Supplementierung ohne Belege und experimentell gewonnene Daten enthält, und hätte sich veranlasst gesehen, nach speziellerer Literatur mit empirisch gewonnenem Datenmaterial zu suchen.

Diese spezielleren, experimentellen Ansätze hätte er bei Niyikiza et al. in den Anlagen NiK8 und NiK16 gefunden, wo bereits Phase-II-Untersuchungen beschrieben sind. Diese Dokumente - mögen sie auch von einem Miterfinder des Verfügungspatents stammen - hätten den Durchschnittsfachmann aber, wie oben erläutert, von einer Vitamin-B12-Gabe in Kombination mit Folsäure wieder weggeführt, weil sie gerade auf eine fehlende Korrelation zwischen dem Vitamin-B12-Mangelmarker Methylmalonsäure und den Toxizitäten der Pemetrexed-Behandlung hinweisen.

4. Es besteht auch Dringlichkeit im engeren Sinne, da die Antragstellerin mit ihrem Antrag vom 05.04.2016 nicht im Sinne einer Selbstwiderlegung mehr als einen Monat ab dem Zeitpunkt der maßgeblichen Kenntnis zugewartet hat.

Für die Dringlichkeitsfrist ist grundsätzlich zwischen Erstbegehungsgefahr und Wiederholungsgefahr zu unterscheiden, so dass der Antragsteller grundsätzlich abwarten darf, ob es zu einer Verletzung kommt (OLG München, Mitt. 1999, 223, 227 f.). Frühester Kenntniszeitpunkt für die hier maßgebliche Wiederholungsgefahr war daher die Listung der angegriffenen Ausführungsform in der Lauer-Taxe am 01.04.2016.

III.

Die vorzunehmende Interessenabwägung geht zugunsten der Antragstellerin aus, da es ihr nicht zuzumuten ist, den Markteintritt der Antragsgegnerin hinzunehmen und jedenfalls für einen Zwischenzeitraum auf die Geltendmachung von Schadensersatz verwiesen zu werden.

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass selbst nach der von den Münchener Patentstreitkammern nicht vertretenen engen Rechtsauffassung, wonach einstweiliger Rechtsschutz nur im Falle eines weitgehend eindeutigen Rechtsbestandes zu gewähren ist (OLG Düsseldorf, InstGE 12, 114 - Harnkatheterset; OLG Karlsruhe, InstGE 11, 143 -VA-LCD-Fernseher), deshalb Ausnahmen gemacht werden, weil durch den Markteintritt bei Medikamenten ein Preisverfall drohen kann, während der mögliche Schaden des mit geringerem unternehmerischen Risiko tätigen Herstellers eines Hybridarzneimittels oder Generikums eher durch Ersatzleistungen ausgeglichen werden kann (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2013, 236 - Flupirtin-Maleat). Gleiches gilt auch bei der im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen Abwägung.

IV.

Die Anordnung einer Sicherheitsleistung im Rahmen von § 938 ZPO war nicht angezeigt, da keine Anhaltspunkte dafür bestehen oder konkret vorgetragen sind, dass ein etwaiger Schadensersatzanspruch der unterlegenen Antragsgegnerin nach § 945 ZPO gegenüber der Antragstellerin nicht realisiert werden könnte (OLG München, BeckRS 2013, 14928).

V.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Patentgesetz - PatG | § 139


(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. Der Anspruch

Zivilprozessordnung - ZPO | § 938 Inhalt der einstweiligen Verfügung


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Patentgesetz - PatG | § 9


Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung 1. ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzust

Zivilprozessordnung - ZPO | § 936 Anwendung der Arrestvorschriften


Auf die Anordnung einstweiliger Verfügungen und das weitere Verfahren sind die Vorschriften über die Anordnung von Arresten und über das Arrestverfahren entsprechend anzuwenden, soweit nicht die nachfolgenden Paragraphen abweichende Vorschriften enth

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Erweist sich die Anordnung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung als von Anfang an ungerechtfertigt oder wird die angeordnete Maßregel auf Grund des § 926 Abs. 2 oder des § 942 Abs. 3 aufgehoben, so ist die Partei, welche die Anordnung er

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(1) Der dingliche Arrest findet statt, wenn zu besorgen ist, dass ohne dessen Verhängung die Vollstreckung des Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. (2) Als ein zureichender Arrestgrund ist es anzusehen, wenn das Urteil im Aus

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Landgericht München I Endurteil, 03. Apr. 2019 - 21 O 22243/15

bei uns veröffentlicht am 03.04.2019

Tenor I. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts München I, Az. 22243/15, vom 10. Dezember 2015 wird aufgehoben. II. Die Aufhebungsbeklagte trägt die Kosten des Aufhebungsverfahrens. III. Der Antrag der Aufhebungsklägeri

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Tenor

I. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts München I, Az. 22243/15, vom 10. Dezember 2015 wird aufgehoben.

II. Die Aufhebungsbeklagte trägt die Kosten des Aufhebungsverfahrens.

III. Der Antrag der Aufhebungsklägerin auf Kostentragung auch des Anordnungsverfahrens durch die Aufhebungsbeklagte wird zurückgewiesen.

IV. Das Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Aufhebungsklägerin wehrt sich mit einem Aufhebungsantrag gegen die gegen sie erlassene einstweilige Verfügung vom 10.12.2015 der erkennenden Kammer. Sie begründet das mit einem Urteil des Bundespatentgerichts vom 17.07.2018, welches die Nichtigkeit des der einstweiligen Verfügung zugrunde liegenden Patents feststellt.

Die Aufhebungsklägerin ist einer der großen Generikaanbieter in Deutschland. Sie gehört zur Sandoz-Unternehmensgruppe.

Die Aufhebungsbeklagte ist ein US amerikanisches forschendes Pharmaunternehmen mit Sitz in Sie vertreibt unter anderem durch ihre deutsche Tochtergesellschaft Deutschland GmbH in der Bundesrepublik Deutschland das Krebsmedikament A… Dieses enthält den Wirkstoff Pemetrexed in der Form von Pemetrexeddinatri um.

Die Aufhebungsbeklagte hat gegen die Aufhebungsklägerin aufgrund Antrags vom 09.12.2015 (Bl. 1/1/24) am 10.12.2015 folgende einstweilige Verfügung erwirkt:

1. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu zweihundertfünfzigtausend Euro oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten - Ordnungshaft auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann -, zu vollziehen an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern der Antragsgegnerin,

untersagt,

Pemetrexeddinatrium, sinnfällig hergerichtet für die Verwendung bei der Herstellung eines Arzneimittels zur Verwendung in einer Kombinationstherapie zur Hemmung eines Tumorwachstums bei Säugern, worin das Arzneimittel in Kombination mit Vitamin B12 und Folsäure verabreicht werden soll, wobei Vitamin B12 als intramuskuläre Injektion und Folsäure oral als Tablette verabreicht werden soll,

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen (Anspruch 11 von EP 1 313 508 B1/DE 60 127 970).

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Streitwert wird auf € 2.000.000,00 festgesetzt.

4. Mit dem Beschluss ist zuzustellen: Antragsschrift vom 09.12.2015 mit Anlagen.

(Bl. 25/28 d.A.).

Diese wurde der Aufhebungsklägerin am 11.12.2015 zugestellt (Bl. 31 d.A. mit Anlage).

Auf den Widerspruch der Aufhebungsklägerin vom 15.02.2016 (Bl. 32/70 d.A.) hat die erkennende Kammer die einstweilige Verfügung mit Urteil vom 20.05.2016 bestätigt (Bl. 169/193 d.A.). Auf dieses Urteil wird insbesondere hinsichtlich der Darstellung der patentgemäßen Erfindung, der angegriffenen Ausführungsform sowie der Rechtsansichten der Parteien Bezug genommen.

Am 17.07.2018 hat das Bundespatentgericht (BPatG) aufgrund einer von der Aufhebungsklägerin am 05.02.2016 eingereichten Nichtigkeitsklage (Az. 3 Ni 23/16) das streitgegenständliche Patent (im Folgenden: Verfügungspatent) der Aufhebungsbeklagten für nichtig erklärt (Az. 3 Ni 23/16 und Az. 3 Ni 19/17; Anlage TW4). Die Aufhebungsbeklagte hat hiergegen Berufung eingelegt.

Die Aufhebungsklägerin hat die Aufhebungsbeklagte unter Bezugnahme auf das bundespatentgerichtliche Urteil mit Schriftsatz vom 03.09.2018 erfolglos aufgefordert, auf ihre Rechte aus der einstweiligen Verfügung vom 10.12.2015 zu verzichten, den Titel herauszugeben und die Übernahme der Kosten des Verfügungsverfahrens zu erklären (Anlage TW3).

Mit Schriftsatz vom 12.09.2018 hat die Aufhebungsklägerin bei Gericht beantragt, die einstweilige Verfügung vom 10.12.2015 aufzuheben und die Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Verfügung vom 10.12.2015 unverzüglich durch einstweilige Anordnung bis zur Entscheidung des Aufhebungsverfahrens ohne, hilfsweise gegen, Sicherheitsleistung einzustellen (Bl. 195/202 d.A.).

Die erkennende Kammer hat zunächst mit Beschluss vom 04.10.2018 den Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Nach Vorlage der Entscheidungsgründe des bundespatentgerichtlichen Urteils hat die Kammer dem Antrag mit Beschluss vom 13.11.2018 ohne Sicherheitsleistung stattgegeben (Bl. 263/266 d.A.).

Die Aufhebungsklägerin trägt vor, angesichts des bundespatentgerichtlichen Urteils sei der Rechtsbestand des Verfügungspatents nicht mehr hinreichend gesichert. Dem Anspruch der Aufhebungsbeklagten fehle mithin der Verfügungsgrund.

Die von der Aufhebungsklägerin beantragte Aufhebung der einstweiligen Verfügung gemäß § 927 ZPO sei begründet, da wegen des bundespatentgerichtlichen Urteils eine Voraussetzung der Eilmaßnahme, nämlich der Verfügungsgrund in Form der Glaubhaftmachung des Rechtsbestands des Schutzrechts, nachträglich entfallen sei. Bei Vorliegen des BPatG-Urteils im Zeitpunkt der Antragstellung auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hätte diese nicht erlassen werden dürfen.

Wenn die den Rechtsbestand des Verfügungspatents verneinende Entscheidung - wie hier - noch nicht rechtskräftig sei und der Ausgang des Rechtsmittelverfahrens zudem offen, sei eine auf Unterlassung gerichtete Verfügung ausnahmsweise aufzuheben. Denn ansonsten würde der Aufhebungskläger zu Unrecht gegenüber denjenigen benachteiligt, gegen die die Antragstellerin/Aufhebungsbeklagte aufgrund des nachträglich eingetretenen Umstands keine einstweilige Verfügung mehr durchsetzen könne.

Ausnahmsweise sei die Aufrechterhaltung der einstweiligen Verfügung gerechtfertigt, wenn die Nichtigkeitsentscheidung evident unrichtig sei, das Verletzungsgericht die Aufhebung dieser Entscheidung sicher prognostizieren könne und die Interessen der Antragstellerin/Aufhebungsbeklagten überwiegten. Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht erfüllt.

Die Entscheidung des Bundespatentgerichts sei entgegen der Auffassung der Aufhebungsbeklagten in der Begründung, jedenfalls aber im Ergebnis zutreffend.

Die Aufhebungsklägerin führt hierzu aus:

Das BPatG habe überzeugend dargelegt, warum die Verwendung von Vitamin B12 für den von Kapitel 8 der NIK15 ausgehenden Fachmann nahegelegen habe. Zudem stehe die Behauptung der Aufhebungsbeklagten, aus der NIK15 ergebe sich, dass Nebenwirkungen bei Pemetrexedverabreichung nicht schwerwiegend seien, im eklatanten Widerspruch zu den Aussagen der streitgegenständlichen Patentschrift. Im Übrigen sei die Problematik der Nebenwirkungen bei Pemetrexedverabreichung ein zentrales Thema in Kapitel 8 der NIK15. Andernfalls wäre nicht nachvollziehbar, warum die Mausstudie, die die Vermeidung von Nebenwirkungen zum Gegenstand gehabt habe, so ausführlich referiert und als erwähnenswerter Erfolg gewürdigt worden sei.

Das BPatG habe in der mündlichen Verhandlung dargelegt, den Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltungen NIK8 und NIK16 anders zu beurteilen, als die Aufhebungsbeklagte. Letztere habe hierzu nicht mehr vorgetragen.

Die Aussage des Aufhebungsbeklagten, wonach die Supplementierung mit Folsäure nicht als erfolgversprechend habe angesehen werden können, sei unrichtig, da eben das, ausweislich der von der Aufhebungsbeklagten selbst vorgelegten Dokumente HLNK3 und HLNK4, eindeutig als Erfolg gewertet werde.

Der Vorwurf der Aufhebungsbeklagten, Kapitel 12 der NIK15 sei zu Unrecht als Motivation für die Verabreichung von Vitamin B12 herangezogen worden, gehe fehl. Das BPatG stütze sich in seinem Hauptargument gerade nicht auf Kapitel

12. Die Ansicht der Aufhebungsbeklagten, es sei vom BPatG verfehlt, eine Supplementierung mit Vitamin B12 anzunehmen, da der „DNA-Zyklus“ auch unabhängig von der Vitamin B12-abhängigen Methioninsynthase ablaufe, wenn man Folsäure verabreiche, da diese ohne Mitwirkung der Methioninsynthase zu Tetrahydrofolat umgewandelt werde, das dann in den „DNA-Zyklus“ gelange, so dass dieser weiter laufen könne, sei ihrerseits verfehlt. Wie vom BPatG richtigerweise festgestellt, bestehe für den Fachmann eindeutig Anlass zur Supplementierung von Vitamin B12, um die Bildung von Tetrahydrofolat sicherzustellen. Das BPatG führe dazu auf Seite 20 seines Urteils zutreffend aus, der Fachmann wolle den Nebenwirkungen von Pemetrexed entgegenwirken, indem er sicherstelle, dass ausreichend für die DNS-Synthese erforderliches Tetrahydrofolat gebildet werde. Ein Weg zur Bildung von Tetrahydrofolat sei die Verabreichung von Folsäure, die zunächst in Dihydrofolat und anschließend in Tetrahydrofolat umgewandelt werde. Dieses werde sodann in 5,10-Methylen-Tetrahydrofolat und anschließend teilweise wieder in Dihydrofolat umgewandelt. Ein weiterer Weg zur Bildung von Tetrahydrofolat sei der über die Vitamin B12-abhängige Methionin-Synthase. Auf diesem Weg werde der Teil des 5,10-Methylen-Tetrahydrofolats, der nicht zu Dihydrofolat umgewandelt werde, durch 5,10-Methylen-Tetrahydrofolat-Reduktase zu 5-Methyl-Tetrahydrofolat und anschließend durch die Methionin-Synthase in Tetrahydrofolat umgewandelt. Dieser Weg habe nach Auffassung des BPatG zwei Vorteile gegenüber dem von der Aufhebungsbeklagten aufgeführten Weg zur Bildung von Tetrahydrofolat. So würden die diesen Weg regulierenden Enzyme durch Pemetrexed nicht inhibiert und das 5-Methyl-Tetrahydrofolat werde aus dem Plasma nachgeliefert. Daher biete sich dieser Weg zur Bildung von Tetrahydrofolat für den Fachmann besonders an. Das veranlasse ihn dazu, durch die Supplementierung mit Vitamin B12 sicherzustellen, dass dieser Weg zur Bildung von Tetrahydrofolat funktioniert. Ferner spreche dafür, dass die sogenannte Methylfalle solange nicht bestehe, wie ausreichend Vitamin B12 vorhanden sei.

Wenn das BPatG in diesem Zusammenhang von einer „Blockerierung“ des Methylierungszyklus durch Pemetrexed spreche, sei damit ersichtlich eine nur indirekte gemeint.

Zu Recht gehe das BPatG davon aus, dass zwischen seiner Entscheidung und der der Einspruchsabteilung des EPA bzw. der des LG München I und der des OLG München kein Widerspruch bestehe. Denn es wären jeweils unterschiedliche Entgegenhaltungen herangezogen worden. Das BPatG habe die NIK22 in Verbindung mit der NIK15, dort Kapitel 8, sowie der NIK8 und NIK16 berücksichtigt. Diese Kombination sei nicht Gegenstand der anderen Entscheidungen gewesen. Weiter hätten das LG München I und das OLG München Kapitel 12 der NIK15 beurteilt.

Die von der Aufhebungsbeklagten weiter herangezogenen ausländischen Entscheidungen seien schon nicht aussagekräftig, da sie andere Patente beträfen. Die Entscheidung des Bezirksgerichts in Den Haag stelle die Richtigkeit des bundespatentgerichtlichen Urteils ebenfalls nicht in Frage. Die Entscheidung des niederländischen Gerichts gehe zu Unrecht davon aus, die Supplementierung mit Folsäure sei nicht Stand der Technik im Prioritätszeitpunkt gewesen.

Bei der Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass mittlerweile mindestens drei Generikahersteller auf dem Pemetrexed-Markt vertreten seien. Die mit dem Eintritt von Nachahmermedikamenten allgemein assoziierten Folgen seien daher bereits eingetreten.

Die Aufhebungsklägerin beantragt,

Die einstweilige Verfügung vom 10. Dezember 2015 wird aufgehoben.

Die Aufhebungsbeklagte trägt die Kosten des Anordnungsund des Aufhebungsverfahrens.

Die Aufhebungsbeklagte beantragt,

den Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom 10. Dezember 2015 zurückzuweisen mit der Maßgabe, die Verfügung wieder in Vollzug zu setzen.

Die Aufhebungsbeklagte trägt vor, das Urteil des Bundespatentgerichts sei offensichtlich unrichtig. Es werde daher in der Berufungsinstanz vor dem BGH keinen Bestand haben. Es könne demnach auch nicht als Grundlage für die Aufhebung der bereits erlassenen einstweiligen Verfügung dienen.

Im Einzelnen führt Aufhebungsbeklagte aus:

Das BPatG behaupte auf Seite 19 seines Urteils, Homocystein sei ein Substrat im Methylierungszyklus, der indirekt durch den Angriff des Antifolats beeinflusst werde, wodurch auch der Homocysteinspiegel beeinflusst werde.

Dabei ignoriere das Gericht, dass der Fachmann bei Kenntnis der Dokumente NIK8 und NIK16 von der Relevanz einer Verabreichung von B12 weggeführt werde. Diese offenbarten nämlich, dass bei dem für Vitamin B12 spezifischen Methylmalonsäurespiegel (MMA) keine Korrelation mit den Toxizitäten von Pemetrexed bestünde. In der NIK8 hieße es:

„Heys and albumin levels did not appear to change from baseline during treatment with MTA“.

Das Dokument NIK16 teile mit:

„Maximum homoeystein levels did not appear to change from baseline during treamtent with MTA.“

Für die vom BPatG angenommene Motivation zur Gabe von B12 fehle es daher offensichtlich an der Grundlage.

Das hätten auch die Einspruchsabteilung des EPA und ihm folgend das Landgericht München I sowie das OLG München so gesehen. Das BPatG habe in einem qualifizierten Hinweis selbst noch eben darauf hingewiesen. Die Einspruchsabteilung sei unter Zugrundlegung derselben wissenschaftlichen und technischen Grundlagen wie das BPatG, nämlich D27 (=NIK8), D9 (=NIK16), D12 (=NIK3) sowie D28 (=NIK2) zu dem Ergebnis gelangt, dass die Verabreichung von B12 nicht naheliegend war.

Das BPatG habe sich mit dieser Auffassung gar nicht auseinandersetzt - anders als das nach der Entscheidung des BGH (GRUR 2010, 950 - Walzenformgebungsmaschine) jedoch erforderlich sei. Stattdessen habe es ausgeführt:

„In der Entscheidung NIK18 ist aber nicht die erfinderische Tätigkeit ausgehend von NIK15 in Kombination mit der NIK8 bzw. NIK16 in Verbindung mit dem in NIK22 dokumentierten Fachwissen diskutiert worden. Die Berücksichtigung der Entscheidungen HLNK18 und HLNK36 in Verbindung mit NIK18 führt daher nicht zu einer anderen Beurteilung der Sachlage.“

Entgegen der Ansicht im angegriffenen Urteil gingen jedoch das BPatG wie auch die Einspruchsabteilung sowie das LG München I und das OLG von identischen Tatsachen aus, auch wenn sie dabei formal unterschiedliche Dokumente zugrunde legten.

Offensichtlich fehlerhaft sei das Urteil des BPatG auch deswegen, weil es die im hiesigen Zusammenhang relevante, oben bereits zitierte Kernaussagen der Entgegenhaltungen NIK8 und NIK16 vollkommen außer Acht lasse. Erschwerend komme hinzu, dass die Einspruchsabteilung und ihm folgend das LG München I und das OLG München sich gerade auf die Aussage berufen hätten, um eine erfinderische Tätigkeit zu bejahen. Den Ausführungen des BPatG sei nicht zu entnehmen, warum es ausgehend von der NIK15 in Verbindung mit dem Stand der Technik in der NIK22 im Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltungen NIK8 bzw. NIK16 anders als das EPA kein Wegführen von der Zugabe von Vitamin B12 erblicke. Da deren Offenbarungsgehalt aber - wie aufgezeigt - keine Korrelation von MMA, d.h. einem Vitamin B12-Mangel und einem erhöhten Homocysteinspiegel herstelle, fehle der Annahme eines nahegelegten erfinderischen Tuns die Begründung.

Weiterhin fehlten dem bundespatengerichtlichen Urteil auch in Bezug auf die vom BGH bereits entschiedene Aufgabe des Patents, nämlich die Toxizität von Pemetrexed und gleichzeitiger Aufrechterhaltung seiner Wirksamkeit zu verringern, entsprechende Ausführungen.

Das BPatG argumentiere zudem widersprüchlich, wenn es einerseits in unzutreffender Weise behaupte, die Verabreichung von Pemetrexed blockiere den Methylierungszyklus (S. 18/19 des Urteils), weshalb eine Motivation bestehe, Vitamin B12 zuzugeben:

„Bei näherer Betrachtung des in der Fig. 1 der NIK22 gezeigten Folathaushalts erkennt der Fachmann, dass über das Tetrahydrofolat und dessen Vorstufe 5-Methyltetrahydrofolat der untere, in dieser Druckschrift als

„DNA-Zyklus“ bezeichnete Kreislauf, mit dem oberen als „Methylierungszyklus“ benannten Kreislauf verbunden ist, wobei die Überführung von 5-Methyltetrahydrofolat in Tetrahydrofolat durch das Vitamin B12 abhängige Enzym Methioninsynthase reguliert wird (vgl. NIK22 S. 444 li. Sp. Abs. 3 Z. 6 bis 9).

Aufgrund dieses Zusammenhangs der beiden Zyklen ist dem Fachmann somit aus dem Folathaushalt bekannt, dass bei einer Pemetrexedgabe durch die Blockierung der drei Schlüsselenzyme Thymidylatsynthase (= TS), Dihydrofolatreduktase (= DHFR) und Glycinamidribonukleotidformyltransferase (= GARFT) im „DNAZyklus“ nicht nur dieser Zyklus sondern auch der „Methylierungszyklus“ blockiert wird (vgl. NIK1 Abs. [0002] le. Satz, NIK15 S. 184 Abs. 1 vorle. Satz).“

Andererseits führe das Gericht aus, der Methylierungszyklus werde „durch die Pemetrexedgabe weder gehemmt noch abgeschaltet“ (S. 20 des Urteils).

Bereits aus der Figur 1 in der NIK22 sei indes erkennbar, dass die Inhibierung der Enzyme durch Pemetrexed keinen Einfluss auf den Methylierungszyklus oder die Umwandlung von 5-Methyltretrahydrofolat zu Tetrahydrofolat habe. Daher könne das Urteil auch aus diesem offensichtlichen Grund keinen Bestand haben.

Der Ausgangspunkt des Nichtigkeitssenats, wonach der Fachmann ausgehend von Kapitel 8 der NIK15 sich dem Folat-Zyklus in der NIK22 zugewendet hätte, sei evident fehlerhaft. Es sei zu auch berücksichtigen, dass Kapitel 8 der NIK15 keinerlei Hinweis zu Vitamin B12 enthalte, sondern die Kombination mit den Stoffen Cisplatin und Gemcitabin diskutiere. Zwar sei ein Hinweis zu Vitamin B12 in Kapitel 12 der NIK15 enthalten. Diese Druckschrift beschäftige sich jedoch nicht mit dem Wirkstoff Pemetrexed, sondern dem Wirkstoff Lometrexol und stehe im Übrigen in keinem Zusammenhang mit den Ausführungen in Kapitel 8.

Auch eine Kombinationstherapie von Pemetrexed und Folsäure sei entgegen der Auffassung des Nichtigkeitssenats der Entgegenhaltung NIK15, Kapitel 8 nicht zu entnehmen. Eine solche Kombination sei nicht Stand der Technik gewesen.

Selbst ausgehend von der Fig. 1 in der NIK22 habe für den Fachmann aufgrund der auch dort ersichtlichen fehlenden Verbindung von DNS-Zyklus und Methylierungszyklus keine Anregung bestanden, Vitamin B12 zu verabreichen.

Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass die Aufhebungsbeklagte durch den Markteintritt der Generikahersteller aufgrund des dadurch bedingten Preisverfalls einen erheblichen finanziellen Schaden erleiden werde. Ebenso könne nicht unbeachtet bleiben, dass das Verfügungspatent am 15.06.2021 auslaufe und die Gefahr bestehe, dass bis zu diesem Zeitpunkt keine wiederherstellende Entscheidung des BGH ergehe. Selbst wenn dies doch der Fall sei, hätte die Aufhebungsbeklagte nur noch wenige Monate, um ihr Patent durchzusetzen. Angesichts der dann bestehenden Vorräte der Abnehmer an den entsprechenden Nachahmermedikamenten, wäre der faktische bzw. finanzielle Nutzen äußerst gering.

Mit Urteil vom 16.01.2019 hat das Bezirksgericht Den Haag die auf die Feststellung der Nichtigkeit des niederländischen Teils des Verfügungspatents gerichtete Klage der … abgewiesen und folglich das Patent aufrechterhalten (Anlage HL27b = deutsche Übersetzung). Zuvor hatten der United States District Court Southern District of Indiana Circuit am 31.03.2014 (Anlage HL15), der United States Court of Appeal for the Federal Circuit am 12.01.2017 (Anlage HL23), das US Patent Trial and Appeal Board am 05.10.2017 (Anlage HL24) und das japanische Patentamt am 10.11.2015 (Anlage HL16/25/25a) die Patentierbarkeit von Mitgliedern der Patentfamilie des Verfügungspatents bejaht und entsprechende Nichtigkeitsangriffe zurückgewiesen.

Das Verfügungspatent war ebenfalls bereits Gegenstand eines Einspruchsverfahrens vor dem Europäischen Patentamt. Mit Entscheidung vom 27.12.2010 (Anlage HL14/NIK18) wies die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts den Einspruch zurück. Die von der Einspruchsführerin mit Schriftsatz vom 03.03.2011 eingelegte Beschwerde nahm diese mit Schriftsatz vom 28.10.2015 einseitig zurück, so dass das Beschwerdeverfahren am 06.11.2015 ohne Sachentscheidung beendet wurde.

Eine in einem Parallelverfahren eingelegte Berufung gegen eine durch Urteil erlassene Unterlassungsverfügung des hiesigen Kammer zugunsten der Aufhebungsbeklagten aufgrund des Verfügungspatents war erfolglos (OLG München, Az. 6 U 3039/16, Anlage HLNK36).

Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.03.2019 (Bl. 290/292 d.A.) verwiesen.

Gründe

Die einstweilige Verfügung war antragsgemäß aufzuheben, da der Rechtsbestand des Verfügungspatents aufgrund der bundespatentgerichtlichen Entscheidung vom 17.07.2018 nicht mehr ausreichend gesichert erscheint (nachfolgend unter A.). Das Vorliegen eines Verfügungsgrundes ist daher nicht mehr glaubhaft gemacht (vgl. OLG München, Urt. v. 25.10.2018, 6 U 2314/18).

Die Kosten des Anordnungsverfahrens waren der Aufhebungsbeklagten dennoch nicht aufzuerlegen (hierzu nachfolgend unter B. I.).

A.

Die einstweilige Verfügung hätte nur dann aufrechterhalten bleiben und wieder in Vollzug gesetzt werden können, wenn die Voraussetzungen für ihren Erlass fortbestanden hätten.

Der Erlass einer auf eine Patentverletzung gestützten einstweiligen Unterlassungsverfügung erfordert die Feststellung des Verletzungsgerichts, dass der Rechtsbestand des Verfügungspatents hinreichend gesichert erscheint. Nur dann kann davon ausgegangen werden, dass die begehrte Verfügung zur Abwendung wesentlicher Nachteile für den Patentinhaber im Sinne eines Verfügungsgrundes gemäß § 940 ZPO notwendig ist (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2008, 329, 330 -Olanzapin).

Vom Vorliegen eines Verfügungsgrundes kann daher grundsätzlich nicht ausgegangen werden, wenn das Verfügungspatent in erster Instanz für nichtig erklärt wurde. Das gilt auch, wenn - wie hier - die Aufhebung einer einstweiligen Unterlassungsverfügung gemäß § 927 ZPO begehrt wird. Zwar ist eine Aufhebung nach § 927 ZPO auf die Beseitigung der Verfügungsmaßnahmen in der Zukunft gerichtet, so dass sie bei Zweifeln über den Bestand des Patents aufrechtzuerhalten ist. Wenn die Verfügung jedoch auf eine Unterlassung gerichtet ist, reichen auch Zweifel am Bestand des Patents für eine Aufhebung der Verfügung aus (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Auflage, 2019, Kapitel G, Rn. 223 f. sowie Rn. 234 - 239).

Etwas anders kann ausnahmsweise wiederum dann gelten, wenn die Nichtigkeitsentscheidung offensichtlich fehlerhaft ist (II.), das Verletzungsgericht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Bestand des Verfügungspatents prognostizieren kann (III.) und die gebotene Interessenabwägung für die Aufhebungsbeklagte ausfällt (IV.) (Kühnen, a.a.O, Rn. 69).

All das ist nach der gebotenen eingehenden Prüfung (I.) durch das Verletzungsgericht nicht der Fall (V.).

I.

1. Eine Offensichtlichkeitsprüfung des Urteils der Bestandsgerichtsbarkeit bedeutet nicht, dass sich das Verletzungsgericht grundsätzlich mit einer oberflächlichen Prüfung begnügen darf. Das gilt auch und gerade für die in Bestandsverfahren regelmäßig streitentscheidenden technischen Fragen der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit. Denn die Frage der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit ist naturgemäß komplex. Daher wäre eine Offensichtlichkeitsprüfung ohne vertiefte Auseinandersetzung mit der zugrunde liegenden Technik und dem Verweis auf die hierfür zuständige Fachgerichtsbarkeit unzureichend (vgl. Kühnen, a.a.O., Rn. 48).

Das Verletzungsgericht hat mithin die Pflicht, auch nach erstinstanzlichem Abschluss eines Rechtsbestandsverfahrens selbst ernsthaft die Erfolgsaussichten der dagegen gerichteten Angriffe zu prüfen, um sich in eigener Verantwortung ein Bild von der Schutzfähigkeit der Erfindung zu machen (OLG Düsseldorf Urt. v. 19.02.2016 - 2 U 54/15, BeckRS 2016, 6344 Rn. 12). Eine bloß kursorische Prüfung des zugrundliegenden naturwissenschaftlichen Sachverhalts würde dem Anspruch auf rechtliches Gehör der Antragstellerin/Aufhebungsbeklagten sowie dem Rechtsgewährungsanspruch widersprechen.

Umgekehrt kann es bei der Prüfung nicht darum gehen, die Meinung des Verletzungsgerichts zur Patentfähigkeit an Stelle des Fachgerichts zu setzen. Dies wiederspräche dem Trennungsprinzip. Außerdem muss das Verletzungsgericht anerkennen, dass seine Beurteilungsmöglichkeiten als technisch nicht vorgebildetem Spruchkörper von vornherein limitiert sind. Dies gilt umso mehr, wenn streitgegenständlich ist, welche technische Information einem im Bestandsverfahren gewürdigten Text aus fachmännischer Sicht zu entnehmen und welche Schlussfolgerungen der Durchschnittsfachmann hieraus aufgrund seines allgemeinen Wissens zu ziehen imstande gewesen ist (OLG Düsseldorf, ebd.).

Grund, die Rechtsbestandsentscheidung in Zweifel zu ziehen, besteht daher nur dann, wenn das Verletzungsgericht die Argumentation der Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanz für eindeutig unvertretbar hält. Das kann der Fall sein, wenn Passagen einer Entgegenhaltung von der Fachinstanz übersehen und deshalb bei ihrer Entscheidungsfindung überhaupt nicht in Erwägung gezogen wurden (OLG Düsseldorf, ebd.).

2. Erforderlich ist somit, dass das Verletzungsgericht sich unter Beachtung seiner eigenen technisch beschränkten Erkenntnisfähigkeit eingehend mit den tragenden Entscheidungsgründen der Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanz - egal ob technisch oder nicht - auseinandersetzt und diese auf ihre Schlüssigkeit hin prüft. Der Grad der Befassung hängt dabei vom Einzelfall ab. Je mehr die Parteien Gelegenheit zum Vortrag hatten und je mehr behördliche und/oder gerichtliche Entscheidungen zu der zu beurteilenden Thematik dem Verletzungsgericht als Basis für eine Überzeugungsbildung und die Bildung einer eigenen technischen Expertise zur Verfügung stehen, desto genauer muss die Offensichtlichkeitsprüfung ausfallen (vgl. Kühnen, a.a.O, Rn. 74).

3. Im vorliegenden Fall war eine eingehende Befassung mit dem bundespatentgerichtlichen Urteil aufgrund der Verfahrenssituation und der Prozessgeschichte möglich und somit geboten.

Denn das Verfügungspatent war nicht nur Gegenstand der Entscheidung des BPatG. Vielmehr hatten bereits die Einspruchsabteilung des EPA (Anlage HL14/NIK18) sowie daran anknüpfend das LG München I sowie das OLG München (vgl. Anlage HLNK36) einem Verletzungsstreit Ausführungen zur Patentfähigkeit der streitgegenständlichen Erfindung gemacht. Zudem hatte bereits das Bezirksgericht Den Haag am 19.01.2019 (Anlage HL27b) über die Patentierbarkeit des niederländischen Teils der patentgemäßen Erfindung und dabei insbesondere die erfinderische Tätigkeit entschieden. Ferner lagen die Entscheidungen des United States District Court Southern District of Indiana Circuit vom 31.03.2014 (Anlage HL15), des United States Court of Appeal for the Federal Circuit vom 12.01.2017 (Anlage HL23), des US Patent Trial and Appeal Board vom 05.10.2017 (Anlage HL24) und des japanische Patentamts am 10.11.2015 (Anlage HL16/25/25a) vor.

Das erkennende Verletzungsgericht konnte daher zur Beurteilung der Vertretbarkeit der patentgerichtlichen Entscheidung aus einer Vielzahl anderer Entscheidungen zu derselben oder ähnlichen Thematik schöpfen und somit seine Erkenntnismöglichkeiten und Fachkenntnis zum Streitgegenstand erweitern.

II.

Eine offensichtliche Unrichtigkeit des bundespatentgerichtlichen Urteils kann die Kammer nicht erkennen (1.). Unabhängig davon vermag das erkennende Gericht nicht zu prognostizieren, dass das vom BPatG gefundene Ergebnis der fehlenden erfinderischen Tätigkeit des Verfügungspatents offensichtlich unrichtig ist (2.).

1. a) Das BPatG stützt seine Entscheidung des Naheliegens der patentgemäßen Erfindung auf folgende Überlegungen:

Das Streitpatent betreffe die Verwendung des Wirkstoffs Pemetrexeddinatrium in Kombination mit Vitamin B 12 zur Hemmung des Wachstums von Tumoren bei Säugern sowie ein Produkt, welches diese Komponenten enthalte.

Problematisch seien nach den Angaben in der Patentschrift, dass die Verabreichung von Pemetrexed nicht nur das Wachstum der bösartigen Zellen störe, sondern auch das der normalen Körperzellen. Deswegen führe die Behandlung mit Pemetrexed allein oft zu erheblichen Nebenwirkungen bei den Patienten. Deswegen würden nach den Aussagen der Patentschrift weitere Stoffe, wie zum Beispiel Steroide, Folsäure, Retinoidverbindungen wie zum Beispiel Vitamin A zusätzlich verabreicht, um die ungewollten Nebenwirkungen zu verringern. Schließlich hätten sich Effekte von Vitamin B12, Folat und Vitamin B6 Supplementen bei älteren Personen mit normalen Serumvitaminkonzentrationen und Homocysteinspiegel als Vorhersage von cytotoxischen Ereignissen herausgestellt, die mit der Verwendung von bestimmten Antifolaten in Zusammenhang stünden. Dennoch gebe die zytotoxische Aktivität von Antifolaten weiterhin Anlass zu ernsthafter Besorgnis bei der Entwicklung solcher Arzneimittel (BPatG, BeckRs 2018, 27337, Rn. 37).

Als Aufgabe stelle sich das Streitpatent daher, den therapeutischen Einsatz von Pemetrexed(dinatrium) zur Tumorbehandlung unter Verringerung von dessen toxischen Effekten, jedoch unter Beibehaltung seiner therapeutischen Wirkungen zu verbessern. Hierzu bezieht sich das BPatG auf die Aufgabenbestimmung des BGH zum selben Patent (GRUR 2016, 921 Rn. 10 ff. - Pemetrexed).

Die Lösung erfolge durch den Patentanspruch 1 bzw. 12, die folgende Merkmale enthielten:

Patentanspruch 1:

A.

Verwendung von Pemetrexeddinatrium

B.

zur Herstellung eines Arzneimittels zur Verwendung in einer Kombinationstherapie zur Hemmung von Tumorwachstum bei Säugern,

C.

worin das Arzneimittel in Kombination mit Vitamin B12 oder einem pharmazeutischen Derivat hiervon verabreicht werden soll,

D.

wobei das pharmazeutische Derivat von Vitamin B12 Hydroxocobalamin, Cyano-10-chlorcobalamin, Aquocobalaminperchlorat, Aquo-10-chlorcobalaminperchlorat, Azidocobalamin, Chlorcobalamin oder Cobalamin ist.

Patentanspruch 12:

A.

Produkt, das Pemetrexeddinatrium, Vitamin B12 oder ein pharmazeutisches Derivat hiervon enthält

B.

wobei das pharmazeutische Derivat von Vitamin B12 Hydroxocobalamin, Cyano-10-chlorcobalamin, Aquocobalaminperchlorat, Aquo-10-chlorcobalaminperchlorat, Azidocobalamin, Chlorcobalamin oder Cobalamin ist und das optional ein Folsäurebindeproteinbindemittel enthält, das aus der Gruppe ausgewählt ist, die besteht aus Folsäure, (6R)-5-Methyl-5,6,7,8-tetrahydrofolsäure oder (6R)-5-Formyl-5,6,7,8-tetrahydrofolsäure oder einem physiologisch verfügbaren Salz oder Ester hiervon,

D.

als ein Kombinationspräparat zur simultanen, separaten oder sequenziellen Verwendung bei der Hemmung eines Tumorwachstums (BPatG, BeckRs 2018, 27337, Rn. 39).

Zur Beurteilung der Patentfähigkeit stellt das BPatG unter Berufung auf den BGH (GRUR 2016, 921 Rn. 22 - Pemetrexed) auf einen Fachmann ab, der sich aus einem Team aus einem Pharmakologen mit Spezialisierung auf dem Gebiet der Wirkmechanismen von Antifolaten und langjähriger Berufserfahrung in der Erforschung von Antifolaten bei der Behandlung von Krebs sowie einem Mediziner mit Spezialisierung auf dem Gebiet der Onkologie und langjähriger Erfahrung in der chemotherapeutischen Behandlung von Krebspatienten mit Antikrebswirkstoffen wie Antifolaten zusammensetze (BPatG, BeckRs 2018, 27337, Rn. 40).

Erfinderische Tätigkeit sei zu verneinen, wenn die Lösung am Prioritätstag dem Fachmann vom Stand der Technik nahegelegt sei. Dafür sei erforderlich, dass der Fachmann mit seinen durch die Ausbildung und berufliche Erfahrung erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage gewesen sei, die erfindungsgemäße Lösung des technischen Problems aus dem Vorhandenen zu entwickeln. Hinzukommen müsse, dass der Fachmann Grund gehabt habe, den Weg der Erfindung zu beschreiten. Dazu bedürfe es in der Regel über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe. Bei der Prüfung, ob der Stand der Technik ausgehend von einer Entgegenhaltung dem Fachmann die erfinderische Lösung nahelege, sei nicht nur zu berücksichtigen, was sich für den Fachmann unmittelbar und eindeutig aus dieser Entgegenhaltung ergebe, sondern gleichermaßen, was der Fachmann kraft seines Fachwissen aus ihr ableiten könne (BPatG, BeckRs 2018, 27337, Rn. 43 m.w.N.).

Davon ausgehend und unter Zugrundelegung der Entgegenhaltung NIK15 in Verbindung mit NIK8 bzw. NIK16 und dem Stand der Technik gemäß der Entgegenhaltung NIK22 sei das Streitpatent als nicht erfinderisch anzusehen.

Denn der Fachmann werde sich zur Lösung der patentgemäßen Aufgabe und in dem Wissen, dass die Verabreichung von Folsäure zur Verringerung von antifolatbedingten schädlichen Nebenwirkungen sinnvoll sei, mit dem Zusammenhang von Folatverabreichung und Pemetrexedgabe beschäftigen. Hierzu werde er die Entgegenhaltung NIK15 heranziehen, die sich im Kapitel 8 mit den Erkenntnissen im Jahr 1999 aus präklinischen Studien und ersten klinischen Studien zu Pemetrexed auseinandersetze. Der Fachmann entnehme dabei insbesondere den Angaben auf Seite 190/191 den positiven Einfluss einer Folsäuresupplementierung bei einer Antitumorbehandlung mit Pemetrexed (BPatG, BeckRs 2018, 27337, Rn. 45).

Daher werde sich der Fachmann in dem Wissen um den positiven Einfluss von Folat dem Folathaushalt näher zuwenden und hierbei auf die Entgegenhaltung NIK22 stoßen. Bei näherer Betrachtung der Fig.1 in der NIK22 werde er erkennen, dass über das Tetrahydrofolat, das aus Folsäure gebildet werde, sowie dessen Vorstufe 5-Methyltetrahydrofolat der DNS-Zyklus mit dem Methylierungszyklus verbunden sei. Das 5-Methyltetrahydrofolat werde - wie aus NIK22 erkennbar - über das Vitamin B12 abhängige Enzym Methioninsynthase reguliert (BPatG, BeckRs 2018, 27337, Rn. 46).

Aufgrund des Zusammenhangs der beiden Zyklen sei dem Fachmann somit aus dem Folathaushalt bekannt, dass bei einer Pemetrexedgabe durch die Blockierung der drei Schlüsselenzyme Thymidylatsynthase, Dihydrofolatreduktase und Glycinamidribonukleotidformyltransferase im DNS-Zyklus nicht nur dieser Zyklus, sondern auch der Methylierungszyklus blockiert werde. Diesen biochemischen Zusammenhang finde er durch die in NIK8 bzw. NIK16 beschriebene Korrelation zwischen dem Homocysteinspiegel vor Behandlungsbeginn und den beobachteten Toxizitäten bei der Pemetrexedbehandlung bestätigt. Denn Homocystein sei ein Substrat im Methylierungszyklus, der indirekt durch den Angriff des Antifolats auf den DNS-Zyklus ebenfalls beeinflusst werde und damit auch der Homocysteinspiegel (BPatG, BeckRs 2018, 27337, Rn. 47).

Ferner sei dem Fachmann über den Folathaushalt bekannt, dass das Enzym Methioninsynthase und damit auch der Homocysteinspiegel sowohl durch Folsäure als auch durch Vitamin B12 reguliert würden. Die Verabreichung eines oder beider Vitamine führe über die Methioninsynthase zur Senkung des Homocysteinspiegels. In Kenntnis der Ergebnisse der NIK8 bzw. NIK16, nach denen eine starke Korrelation zwischen dem Homocysteinspiegel und den Nebenwirkungen bei der Pemetrexedbehandlung bestehe, und im Bewusstsein der physiologischen Zusammenhänge des Folathaushalts werde der Fachmann motiviert, sich neben der schon positiv getesteten Folsäure auch dem Vitamin B12 als wichtigem Regulator des Folathaushalts zuzuwenden, um den toxischen Nebenwirkungen bei der Pemetrexedbehandlung entgegenwirken zu können. Somit ergebe sich die im Patentanspruch 1 beanspruchte Verwendung mit allen Merkmalen aus der Lehre der NIK15 und der NIK8 bzw. NIK16 in Verbindung mit dem Fachwissen gemäß NIK22 ohne erfinderisches Zutun (BPatG, BeckRs 2018, 27337, Rn. 48).

Die Argumentation der Beklagten, dass durch eine Folsäuregabe nur der DNS-Zyklus ohne Beteiligung der Methioninsynthase aktiviert werde, verwirft das BPatG. Denn durch die Folsäuresupplementierung könne die Tetrahydrofolatproduktion in der Zelle insoweit aktiviert werden, dass sich die Nebenwirkungen durch eine gezielte Förderung der DNS-Biosynthese abmildern ließen. Dabei werde der Zyklus aus Tetrahydrofolat, 5,10-Methylentetrahydrofolat und Dihydrofolat angestoßen, wodurch die für die Nebenwirkungen bei der Pemetrexedbehandlung verantwortliche Blockierung des DNS-Zyklus aufgehoben werde. Durch diese Aktivierung des Nachschubwegs werde aber auch vermehrt 5,10-Methylentetrahydrofolat gebildet. Dieses reagiere im Folathaushalt aber nicht nur zu Dihydrofolat weiter, sondern werde in einem zweiten, alternativen Weg mittels 5,10-Methylentetrahydrofolatreduktase zu 5-Methyltetrahydrofolat umgesetzt, das dann mittels Vitamin B12 regulierter Methioninsynthase zu Tetrahydrofolat umgewandelt werde. Dies sei aus der Fig. 1 der NIK22 ersichtlich. Dieser zweite Reaktionsweg werde durch die Pemetrexedgabe weder gehemmt noch abgeschaltet, da Pemetrexed die beiden regulierenden Enzyme 5,10-Methylentetrahydrofolatreductase und Methioninsynthase nicht inhibiere. Zudem könne 5-Methyltetrahydrofolat aus dem Plasma nachgeliefert werden, was ebenfalls aus der Fig. 1 der NIK22 ersichtlich sei. Für den Fachmann bestehe daher keine Veranlassung, anzunehmen, dass der zweite Reaktionsweg über 5-Methyltetrahydrofolat nach einer Folsäuregabe keine Rolle mehr spiele. Vielmehr werde er diesen Weg sogar bewusst ins Auge fassen, da er von der hemmenden Wirkung des Pemetrexeds auf die Schlüsselenzyme des „DNA-Zyklus“ unabhängig sei (BPatG, BeckRs 2018, 27337, Rn. 50).

Gegen die These, dass der DNS-Zyklus bei einer Folsäuregabe unabhängig vom Methylierungszyklus durchlaufe, spreche auch die Beobachtung, dass die Toxizität bei der Pemetrexedbehandlung mit dem Homocysteinspiegel im Blutserum korreliere, wie die Entgegenhaltungen NIK8, NIK16, HLNK31 jeweils gesamtes Abstract, HLNK2 S. 106 re. Sp. Z. 17 bis 12 von unten, zeigten. Dies erkläre sich damit, dass Homocystein Bestandteil des Methylierungszyklus sei, der wiederum über die Methioninsynthase mit dem DNS-Zyklus verbunden sei. Aufgrund der Korrelation des Homocysteinspiegels mit den schwerwiegenden Nebenwirkungen bei der Pemetrexedbehandlung erkenne der Fachmann, dass der Folathaushalt in seiner Gesamtheit gemäß Fig. 1 der NIK22 bei der Pemetrexedbehandlung beeinflusst werde und er daher die beiden Kreisläufe nicht unabhängig voneinander steuern könne (BPatG, BeckRs 2018, 27337, Rn. 51).

Zudem würde den Fachmann sein Wissen um die sogenannte Methylfalle darin bestärken, den zweiten Reaktionsweg über 5-Methyltetrahydrofolat nicht zu vernachlässigen. Denn zur ihrer Überwindung sei die intramuskuläre Verabreichung Vitamin B12 bekannt, wie die Seite 445 der NIK22 zeige. Zwar bestehe als weiterer Weg aus der Methylfalle auch eine Folsäuresupplementierung. Kämen jedoch für den Fachmann mehrere Alternativen zur Lösung eines Problems in Betracht, könne das Beschreiten unterschiedlicher Wege naheliegend sein (BPatG, BeckRs 2018, 27337, Rn. 52 m.w.N.).

Der Fachmann werde sich entgegen der Auffassung der Beklagten auch dann mit den biochemischen Wirkmechanismen von Pemetrexed und Folsäure beschäftigen, wenn er die Entgegenhaltung HLNK17, dort S. 8801 re. Sp. Abs. 2, zur Kenntnis nehme, wonach trotz der möglichen Verdeckung eines Vitamin B12-Mangels bei einer Folsäuregabe, die USamerikanische FDA keine Empfehlung einer zusätzlichen Vitamin B12-Supplementierung bei mit Folsäure ergänzten Nahrungsmitteln selbst für Patienten mit perniziöser Anämie gegeben habe (BPatG, BeckRs 2018, 27337, Rn. 53).

Auch den Entgegenhaltungen HLNK3 und HLNK4 entnehme der Fachmann keine Hinweise, die gegen eine gemeinsame Gabe von Folsäure und Pemetrexed bei der Tumorbehandlung sprächen. Vielmehr motiviere ihn das Fazit in beiden Berichten, sich weiter mit der Folsäure zur Verminderung der Nebenwirkungen bei der Pemetrexedbehandlung zu beschäftigen, was die Fachwelt in der Folgezeit auch so gesehen hat (BPatG, BeckRs 2018, 27337, Rn. 54).

Zudem sei davon auszugehen, dass auch hinsichtlich Pemetrexed trotz fehlender veröffentlichter Phase II-Studien eine Folsäuresupplementierung nahegelegt gewesen sei, da dies bereits für andere Antifolate bekannt gewesen sei (BPatG, BeckRs 2018, 27337, Rn. 55 - 58).

Eine tumorfördernde Wirkung von Vitamin B12 könne den Entgegenhaltungen HLNK8, HLNK9 du HLNK33 nicht entnommen werden, da sie nicht spezifisch auf Antifolate gerichtet seien bzw. sich mit der Blockade der DNS-Synthese durch Vitamin B12-Entzug beschäftigten (BPatG, BeckRs 2018, 27337, Rn. 59).

Zwar hätten möglicherweise zahlreiche Wege bestanden, die gestellte Aufgabe des Streitpatents zu lösen. Das bedeute indes nicht, dass der vom Patent beschrittene Weg nicht nahegelegt sei (BPatG, BeckRs 2018, 27337, Rn. 60).

Die Entscheidung der Einspruchsabteilung sowie des LG München und des OLG München stünden der hiesigen Entscheidung nicht entgegen, da sie die erfinderische Tätigkeit nicht ausgehend von den Entgegenhaltungen NIK15 in Verbindung mit NIK8 und NIK16 in Verbindung mit dem Stand der Technik gemäß NIK22 beurteilten (BPatG, BeckRs 2018, 27337, Rn. 61).

b) Eine offensichtliche Unrichtigkeit ist dem aus Sicht der Kammer nicht zu entnehmen.

aa) Die wesentliche Argumentation des BPatG ist aus Sicht des Verletzungsgerichts, dass Patentanspruch 1 durch die Entgegenhaltungen in NIK15 in Verbindung mit NIK8 bzw. NIK16 und dem beispielsweise durch NIK22 repräsentierten Fachwissen nahegelegt ist (BPatG, BeckRs 2018, 27337, Rn. 44).

Dass es sich hierbei um die wesentlichen Erwägungen des BPatG handelt, zeigt sich auch darin, dass das Gericht zur Begründung, warum die Entscheidung der Einspruchsabteilung nicht entgegenstehe, auf diese Argumentations- bzw. Entgegenhaltungskette verweist (BPatG, BeckRs 2018, 27337, Rn. 61).

bb) Tatsächlich gelangt das BPatG jedoch ausgehend von der NIK15 unmittelbar zur NIK22. Aus der NIK22 - dem Stand der Technik zum Folathaushalt - werden dann im Ergebnis alle Schlüsse gezogen, die nach der Auffassung des BPatG die patentgemäße Erfindung nahegelegt haben. Die wesentlichen, aus der NIK15 in Verbindung mit der NIK22 gewonnenen Erkenntnisse werden nach Ansicht des BPatG lediglich von der NIK8 bzw. der NIK16 „bestätigt“. Diesen Entgegenhaltungen kommt demnach lediglich eine untergeordnete Rolle zu. Das Naheliegen folgt demnach aus der NIK15 in Verbindung mit der NIK22 und wird nur bestätigt durch die NIK8 bzw. NIK16.

cc) Für das Verletzungsgericht erscheint gleichwohl die Begründung des BPatG, der Fachmann werde ausgehend von den vorgenannten Entgegenhaltungen und den dort festgestellten Korrelationen einen Zusammenhang zwischen Methylierungszyklus und DNS-Zyklus sehen, nicht unvertretbar.

Dennoch ist der Aufhebungsbeklagten zuzugeben, dass auch die Ansicht vertretbar ist, die Entgegenhaltungen NIK8 bzw. NIK16 bestärkten den Zusammenhang des DNS-Zyklus und des Methylierungszyklus gerade nicht.

Man könnte argumentieren, wenn die Annahme des BPatG zuträfe, dass durch die Hemmung der für den DNS-Zyklus relevanten Enzyme durch Pemetrexed auch eine Blockierung des Methylierungszyklus eintritt, müsste sich dadurch eine Erhöhung des Homocysteinspiegels während der Pemetrexedzuführung einstellen. Denn das BPatG führt aus „Homocystein ist ein Substrat im Methylierungszyklus, der indirekt durch den Angriff des Antifolats auf den „DNS-Zyklus“ ebenfalls beeinflusst wird und damit auch der Homocysteinspiegel“ (BPatG, BeckRS 2018, 27337, Rn. 47).

Indes berichten weder die NIK8 noch die NIK16 von einer Erhöhung des Homocysteinspiegels während der Verabreichung von Pemetrexed. Die Entgegenhaltung NIK8 führt aus:

„Hcys and albumin levels did not appear to change from baseline during treatment with MTA. (…)

Elevated baseline homocysteine levels (…) highly correlate with severe hematologic and nonhematologic toxicities following treatment with MTA.“

Die Entgegenhaltung NIK16 berichtet im letzten Satz:

„Maximum homocysteine levels did not appear to change from baseline during treatment with MTA.“

Das Urteil des BPatG verhält sich hierzu nicht. Dass das bundespatentgerichtliche Urteil deswegen offensichtlich fehlerhaft wäre, vermag die erkennende Kammer indes nicht zu konstatieren.

dd) Zwar ist auch nicht ersichtlich, warum das BPatG beiden Entgegenhaltungen trotz ihres - auch für das Verletzungsgericht erkennbaren - unterschiedlichen Offenbarungsgehalts dennoch denselben Inhalt beimisst.

Die NIK16 führt in Bezug auf den im vorliegenden Zusammenhang wesentlichen Vitamin B12-Mangel-Marker, nämlich die Methylmalonsäure aus:

„No correlation between toxicity (CTC Grades as defined above) and the remaining prespecified predictors was seen.“

Dem könnte man - wie das EPA sowie das LG München I in der Entscheidung 21 O 22243/15, dort Seite 20 ff., sowie das OLG München in der Entscheidung 6 O 3039/16, dort Seite 55 ff. - die Aussage entnehmen, zwischen einer Toxizität und einem Mangel an Vitamin B12 bestehe kein Zusammenhang.

Die Entgegenhaltung NIK8 enthält sich demgegenüber jeglicher Aussage zu einer bestehenden oder nicht bestehenden Korrelation zwischen Methylmalonsäure und Toxizität von Pemetrexed (MTA). Insofern enthalten die Dokumente NIK8 und NIK16 wohl offensichtlich nicht gleichlautende Aussagen. Das Urteil des BPatG verhält sich auch hierzu nicht.

Ob das dem Umstand geschuldet ist, dass das BPatG, wie von der Aufhebungsklägerin behauptet und von der Aufhebungsbeklagten nicht bestritten, in der mündlichen Verhandlung dargelegt hatte, den Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltungen NIK8 und NIK16 anders zu beurteilen als die Aufhebungsbeklagte, vermag das Verletzungsgericht letztlich nicht zu beurteilen. Das Verletzungsgericht muss von den Urteilsgründen ausgehen und diese enthalten keine expliziten Gründe für den vom BPatG festgestellten Offenbarungsgehalt.

Allerdings vermag auch dieser Umstand eine offensichtliche Unrichtigkeit nicht zu begründen.

ee) Gleichfalls ist im Hinblick auf die Entgegenhaltung NIK16 fraglich, ob der Fachmann, wenn er - wie das Bundespatentgericht annimmt - ausgehend von NIK15 und NIK22 zu der NIK16 gelangt, diese als Bestärkung der aus der NIK22 gewonnenen Annahmen ansähe. Denn während die NIK22 auch nach der Auffassung des BPatG allgemeines Fachwissen zum Folathaushalt darstellt, handelt es sich bei der NIK16 um spezifische Informationen zur Korrelation von durch Pemetrexed induzierter Toxizität und erhöhtem Homocysteinspiegel. Die aus der NIK22 möglicherweise gewonnene Annahme eines Zusammenhangs zwischen DNS-Zyklus und Methylierungszyklus könnte er durch die Entgegenhaltung NIK16 nicht bestärkt finden. Indes reicht auch das nicht für die Feststellung einer offensichtlichen Unrichtigkeit.

Der vom BPatG als wesentliches Argument für das Naheliegen postulierte Zusammenhang zwischen DNS-Zyklus und Methylierungszyklus anhand der Fig. 1 in der Anlage NIK22 verleitet die Kammer nicht dazu, von einer offensichtlichen Unrichtigkeit des Urteils auszugehen.

(1.) Der Methylierungszyklus ist notwendig zur Synthese von S-Adenosyl-Methionin (SAM), welches der Haupt-Methylgeber im menschlichen Körper ist. Die Transmethylierung, also die Weitergabe von Methylgruppen ( -CH3) von einem Molekül auf ein anderes, ist notwendig für eine Reihe lebenswichtiger Stoffwechselprozesse im Körper. Dazu gehören beispielsweise die Neubildung von DNA und RNA, die Immunfunktion oder die Synthese und Steuerung von Neurotransmittern und Hormonen. Der Methylierungszyklus besteht aus vier Substanzen, nämlich Methionin, S-Adenosyl-Methionin, S-Adenosyl-Homocystein (SAH) und Homocystein. Neben der Synthese von SAM kommt dem Methylierungszyklus die Aufgabe zu, das zytotoxische Homocystein abzubauen. Das geschieht dergestalt, dass Homocystein über das Enzym Methioninsynthase in Methionin umgewandelt wird und dieses wiederum mit Hilfe des universellen Energiegebers ATP zu S-Adenosyl-Methionin. Das Enzym Methioninsynthase bedarf hierzu des 5-Methyltetrahydrofolats einerseits und andererseits des Vitamin B12 als Co-Faktoren. Es finden somit zwei Reaktionen statt: (1.) das 5-Methyltetrahydrofolat gibt seine Methylgruppe an Vitamin B12 ab und wird dadurch wieder zu Tetrahydrofolat. (2.) das Vitamin B12 gibt die vom 5-Methyltetrahydrofolat übernommene Methylgruppe an das Homocystein ab, welches dadurch zu Methionin umgewandelt wird. Das Vitamin B12 ist dann wieder frei für die Aufnahme einer neuen CH3-Gruppe.

Über den Co-Faktor der für den Methylierungszyklus notwendigen Methioninsynthase, das 5-Methyltetrahydrofolat, sind der Methylierungszyklus und Folat-Zyklus miteinander verbunden.

Der Folatzyklus wiederum ist in zwei Zyklen unterteilt: Der eine wandelt das von Vitamin B12 von der Methylgruppe befreite Tetrahydrofolat zunächst mit Hilfe von Vitamin B6 und Serin in 5,10-Methylentetrahydrafolat und schließlich durch das Enzym 5,10-Methylentetrahydrafolat-Reduktase in 5-Methyltetrahydrofolat um, das sodann die Methylgruppe wieder an Vitamin B12 im Rahmen der Reaktion der Methioninsynthase abgibt. Dieser Weg wird vom BPatG als „zweiter Reaktionsweg“ bezeichnet (BPatG, BeckRs 2018, 27337, Rn. 50). Der andere Zyklus, in der Fig. 1 der NIK22 als „DNA-CYCLE“ bezeichnet, geht von 5,10-Methylentetrahydrofolat über Dihydrofolat zu Tetrahydrofolat. Dieser Kreislauf wird durch Andocken von Pemtrexed an die drei für den Kreislauf notwendigen Schlüsselenzyme Thymidylatsynthase, Dihydrofolatreduktase und Glycinamidribonukleotidformyltransferase gehemmt. Wird Pemetrexed verabreicht, kann Tetrahydrofolat über diesen Kreislauf nicht mehr zur Verfügung gestellt werden.

(2.) Wie jedoch ebenfalls aus der Fig. 1 der NIK22 ersichtlich ist, wird das für den hier als erstes beschriebenen Folatzyklus notwendige 5-Methyltetrahydrofolat nicht nur über Tetrahydrofolat und 5,10-Methylentetrahydrofolat gebildet, sondern gelangt unmittelbar aus dem Plasma als Monoglutamat in den Folatzyklus (so auch das BPatG, BeckRs 2018, 27337, Rn. 50). Da diejenigen Enzyme, die Tetrahydrofolat in 5,10-Methylentetrahydrofolat und letzteres in 5-Methyltetrahydrofolat umwandeln durch Pemetrexed nicht inhibiert werden, bleibt der Methylierungszyklus trotz Pemetrexedgabe jedenfalls dann intakt, wenn nicht eines der beiden Vitamine (B12 oder Folat) fehlt und der Methylierungszyklus dadurch gestört ist.

Dies steht in Einklang mit den Beobachtungen in der NIK8 und NIK16, wonach der Homocysteinspiegel trotz Antifolats unverändert geblieben ist (vgl. oben cc).

Eine automatische „Blockierung“ des Methylierungszyklus durch eine Hemmung des „DNS-Zyklus“ (so BPatG, BeckRs 2018, 27337, Rn. 47) erscheint somit fraglich, ohne jedoch eine offensichtliche Fehlerhaftigkeit zu begründen.

gg) Ob daneben die Annahme des BPatG evident unrichtig ist, der Fachmann werde sich ausgehend von der NIK15 dem Folthaushalt im Allgemeinen zuwenden und sodann auf die NIK22 stoßen, vermag das Verletzungsgericht nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu beurteilen. Die Behauptung der Aufhebungsbeklagten, das BPatG kombiniere unzulässigerweise die Information aus Kapitel 12 der Entgegenhaltung NIK15 mit der NIK22 ist jedoch nicht zutreffend, da das BPatG im relevanten Abschnitt (Rn. 45) explizit auf das Kapitel 8 der NIK15 verweist und das Kapitel 12 überhaupt nicht erwähnt.

Selbst wenn man der Argumentation des BPatG nicht folgte und sie sogar für offensichtlich falsch hielte, würde das der Aufhebungsbeklagten nicht zum Erfolg verhelfen. Denn das erkennende Gericht gelangt nicht zu der Überzeugung, die Entscheidung des BPatG sei im Ergebnis offensichtlich unbegründet.

a) Die Beantwortung der Frage, ob erfinderische Tätigkeit zu bejahen ist, bedarf einer wertenden Entscheidung (BGH GRUR 1995, 330 - Elektrische Steckverbindung) unter Berücksichtigung des Standes der Technik sowie des Fachwissens des Durchschnittsfachmanns. Die Beurteilung stützt sich auf tatsächliche Umstände, nämlich die Feststellung der Erfindung, des Standes der Technik sowie des dem maßgeblichen Fachmann eigenen Wissens und Könnens. Eine erfinderische Tätigkeit liegt erst in derjenigen Leistung, die sich über die Norm dessen erhebt, was ein Fachmann mit durchschnittlicher Ausbildung, Kenntnissen und Fähigkeiten bei herkömmlicher Arbeitsweise erreichen kann (OLG Düsseldorf Urt. v. 19.2.2016 - 2 U 54/15, BeckRS 2016, 6344 Rn. 57).

b) Ob das streitgegenständliche Patent diesen Anforderungen genügt, vermag die Kammer nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzuzustellen.

aa) Denn es ist ebenso zu konstatieren, dass die Ansicht des BPatG, die erfindungsgemäße Verwendung von Pemetrexeddinatrium mit Vitamin B12 zur Bekämpfung bestimmter Krebsformen unter Reduzierung der unerwünschten Nebenwirkungen und Beibehaltung der therapeutischen Wirkung sei nahegelegt, aus der laienhaften Sicht des Verletzungsgerichts nicht unvertretbar ist.

So streiten insbesondere folgende Aussagen in der NIK8 für ein Naheliegen:

"Historical data on other antifolates have suggested that a patient's nutritional status may play a role in the likelihood of experiencing severe toxicity (…).

Methods: Homocysteine (Hcys), cystathionine and methylmalonic acid were measured in 189 phase II patients (…)

Toxicities resulting from treatment with MTA appear to be predictable from pretreatment homocysteine levels.“

Demnach könnte sich der Fachmann veranlasst gesehen haben, unter Berücksichtigung des allgemeinen Wissens um den Methylkreislauf zur Senkung des als schädlich anerkannten Homocysteins, Vitamin B12 vor der Anwendung von Pemetrexed zu verabreichen. Denn sowohl aus der allgemeinen Entgegenhaltung in NIK22, bei der es sich zugegebenermaßen um eine Veröffentlichung der Ernährungswissenschaft und nicht der Onkologie handelt (dort insbesondere Fig. 1), aber auch aus der NIK2 (dort S. 8 f.), die eine Veröffentlichung aus der Onkologie darstellt, war ersichtlich, dass Vitamin B12 eine entscheidende, wenn auch nicht alleinige Rolle bei der Senkung des Homocysteins spielt. Hierauf stellt auch das BPatG als weitere Begründung für seine Rechtsauffassung ab (BPatG, BeckRs 2018, 27337, Rn. 58, allerdings bezogen auf S. 270 der NIK15).

bb) Die Auffassung der Einspruchsabteilung und ihr folgend der hiesigen Kammer in der Sache 21 O 22243/15 und des OLG München in der Sache 6 U 3039/16, wonach die NIK16 (=D9) von dem Bestreben, Vitamin B12 zu verabreichen, weggeführt hätte, da keine Korrelation zwischen dem Vitamin B12-Defizit-Marker Methylmalonsäure und einem erhöhten Homocysteinspiegel festgestellt worden sei, beruht auch auf der Einschätzung des Offenbarungsgehalts der dortigen Entgegenhaltung D29. Diese besagt, dass ein Mangel an Vitamin B12 nicht nur zu einen erhöhten Homocystein-Spiegel führt, da es - wie oben beschrieben -die Methylgruppe des 5-Methltetrahydrofolats aufnimmt und sodann an das Homocystein abgibt, welches dadurch zu Methionin methyliert wird, sondern auch zu einem erhöhten Methylmalonsäure-Spiegel. Ob diese Einschätzung zutreffend ist und daher die Schlussfolgerung des EPA rechtfertigt, die NIK16 habe - da keine Korrelation von Nebenwirkungen und einem Methylmalonsäure-Spiegel berichtend - von Vitamin B12 weggeführt, vermag die Kammer mit der erforderlichen Sicherheit nicht zu beurteilen.

Dagegen könnte sprechen, dass die im Vergleich zur NIK16 jüngere und damit aktuellere Entgegenhaltung NIK8 (=D27) - trotz der angeblich von Vitamin B12 wegführenden Studien in NIK16 - neben Homocystein und Cystathionin dennoch erneut MMA untersucht. Die NIK8 könnte daher geeignet sein, den - nach der Auffassung des EPA - von der Verabreichung von Vitamin B12 wegführenden Weg in der NIK16 wieder rückgängig zu machen und den Fachmann zu veranlassen, den Lösungsweg über Vitamin B12 zu suchen. Die Einspruchsabteilung des EPA verhält sich hierzu nicht. Sie führt nur aus, D27 (=NIK8) schildere ebenso die Korrelation zwischen Homocysteinspiegel und Nebenwirkungen des Pemetrexeds.

Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Erfindung der Aufhebungsbeklagten auf einer Kombination vorbekannter Stoffe und deren vorbekannter therapeutischer Wirkung beruht. Der Stoff Pemetrexed sowie dessen pharmazeutische Wirkungen waren vorbekannt. Ebenso war Vitamin B12 und dessen positive Wirkung zur Senkung des als allgemein schädlich anerkannten Homocysteinspiegels vorbekannt:

„Thus, any functional deficiency either in B12 or folate will result in reduction in the flux through methionine synthase and a consequent increase in the plasma level of homocysteine.“

(Anlage NIK2, Seite 8 rechte Spalte).

Der Gegenstand des Patents beruht mithin auf einer Kombination bekannter Stoffe zum Erreichen eines therapeutischen Effekts, nämlich die therapeutische Wirksamkeit von Pemetrexeddinatrium als Antifolat zu erhalten unter gleichzeitiger Reduzierung seiner nachteiligen (toxischen) Nebenwirkungen (vgl. Patentschrift [0005]; BGH, GRUR 2016, 921 Rn. 17 - Pemetrexed). Vor dem Hintergrund der geschilderten Bekanntheit der Wirkungen der Einzelbestandteile könnte fraglich sein, worin der überraschende therapeutische Effekt liegt, wenn man -entgegen der Aufhebungsbeklagten - nicht davon ausgeht, die Anlage NIK16 führe von der Verwendung von Vitamin B 12 weg.

Dagegen könnte zwar die Nebenwirkungsangabe der HLNK8 sprechen, wonach bei Verabreichung von Vitamin B12 damit gerechnet werden muss, dass aufgrund der das Zellwachstum fördernden Wirkung von Vitamin B12 mit einer Zunahme des Wachstums von malignen Krebszellen zu rechnen ist. Da der Fachmann aber um die hemmende Wirkung des Pemetrexeds wusste, hätte er sich davon möglicherweise nicht abhalten lassen. Ebenso wäre die Entgegenhaltung in HLNK9 sowie der HLNK33 möglicherweise nicht geeignet gewesen, ein Vorurteil gegen die Verabreichung von Vitamin B12 im Zusammenspiel mit der Verabreichung von Pemetrexed zu begründen. Denn durch die von Pemetrexed verursachte Inhibierung aller drei Schlüsselenzyme der DNS-Synthese, die von den Entgegenhaltungen HLNK9 und HLNK33 nicht beschrieben ist, besteht kein Anlass, zusätzlich Vitamin B12 zu blockieren. Im Gegenteil, im Wissen um die positiven Wirkungen der Verabreichung von Folsäure bei der Behandlung mit Pemetrexed sowie in Kenntnis der Verknüpfung von Methylierungszyklus und Folatkreislauf (Fig. 1 NIK22) und der Korrelation von erhöhtem Homocysteinspiegel vor Pemetrexedverabreichung und dessen Nebenwirkungen, könnte eine Motivation zur Verabreichung von Vitamin B12 bestanden haben.

dd) Dass der Fachmann in Kenntnis des Standes der Technik, wie durch NIK15 (Kapitel 8), NIK2 (Seite 8 f.) oder NIK22 (Fig. 1) sowie von NIK16 und der im Vergleich dazu jüngeren Veröffentlichung NIK8, dazu angehalten wurde, Vitamin B12 zur Reduzierung des Homocysteinspiegels und damit zur Reduzierung der Nebenwirkungen der Behandlung von Pemetrexed zu verabreichen ohne dessen Wirksamkeit negativ zu beeinflussen, ist daher eine nicht abwegige, vertretbare Rechtsauffassung, die das Verletzungsgericht eingedenk seiner beschränkten fachlichen Kompetenz nicht abschließend beurteilen kann und deren endgültige Beantwortung somit dem Rechtsmittelgericht in der Nichtigkeitsinstanz vorbehalten bleiben muss.

Selbst wenn die vom BPatG hierfür herangezogene Argumentation als nicht überzeugend und offensichtlich fehlerhaft anzusehen wäre, ist das gefundene Ergebnis jedenfalls nicht unvertretbar.

ee) Die von der Aufhebungsbeklagten weiter vorgebrachten Entscheidungen anderer Gerichte, nämlich des Bezirksgerichts Den Haag vom 16.01.2019, des United States District Court Southern District of Indiana vom 31.03.2014, des United States Court of Appeal for the Federal Circuit vom 12.01.2017, des US Patent Trial and Appeal Boards vom 05.10.2017 und des japanischen Patentamts vom 10.11.2015, welche die Kammer sämtlich zur Kenntnis genommen hat, vermögen daran nichts zu ändern (vgl. hierzu Kühnen, a.a.O., Kapitel G, Rn. 67).

Da es - wie oben bereits ausgeführt - bei der vorliegenden Prüfung nicht darum geht, die eigene Ansicht an die Stelle des BPatG zu setzen, ist die nicht offensichtlich unvertretbare Entscheidung vom Verletzungsgericht zu akzeptieren.

c) Sofern die Aufhebungsbeklagte darauf verweist, das bundespatentgerichtliche Urteil sei fehlerhaft, weil es die anderslautenden Entscheidungen der Einspruchsabteilung des EPA sowie des LG München I und des OLG München nicht ausreichend berücksichtigt habe, ist dies unbehelflich.

Der Aufhebungsbeklagten ist zuzugeben, dass das bundespatentgerichtliche Urteil nicht explizit darlegt, warum der Fachmann ausgehend von NIK15 und NIK22 insbesondere die NIK16 offensichtlich anders auslegt, als das EPA. Denn nach der Auffassung des BPatG liegt die Bedeutung der NIK16 - zusammen mit der NIK8 - darin, den aus der NIK22 entnommenen biochemischen Zusammenhang zwischen Blockierung des DNS-Zyklus und Methylierungszyklus „zu bestärken“. Demgegenüber hatten das EPA und ihm folgend das LG München I und das OLG München angenommen, die NIK16 führe den Fachmann gerade von der Verabreichung von Vitamin B12 weg (vgl. NIK18, Seite 14 ff.). Zwar mag der Fachmann ausgehend von NIK15 und NIK22 zu der Erkenntnis gelangt sein, dass Vitamin B12 für die Nebenwirkungen vom Pemetrexed eine Rolle spielen könnte. Durch die Kenntnisnahme der Informationen in der NIK16 könnte er davon aber dennoch wieder abgebracht worden sein. Hierzu verhält sich die Entscheidung des BPatG nicht (vgl. bereits oben 1. b).

Daraus resultiert indes auch nach der Rechtsprechung des BGH keine (offensichtliche) Fehlerhaftigkeit der Nichtigkeitsentscheidung. Zwar hat der BGH in der Entscheidung „Walzenformgebungsmaschine“ ausgeführt, „es erscheine unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit als auch im Interesse einer Harmonisierung der Rechtsprechung im Geltungsbereich des EPÜ erforderlich, Entscheidungen, die durch die Instanzen des EPA oder andere nationale Gerichte ergangen sind, zu beachten und sich gegebenenfalls mit den Gründen auseinanderzusetzen, die bei der vorangegangenen Entscheidung zu einem Ergebnis geführt haben, das von dem später zur Entscheidung berufenen Gericht nicht oder nicht ohne Weiteres geteilt wird“ (BGH, GRUR 2010, 950, Rn. 14). Zugleich hat der BGH betont, nicht jede Verletzung der Verpflichtung zur (gedanklichen) Auseinandersetzung mit vorausgegangenen abweichenden Entscheidungen verletze notwendigerweise den Anspruch der betroffenen Partei auf rechtliches Gehör. Es komme insoweit auf die Tatsachen und rechtlichen Gesichtspunkte an, die von der Partei geltend gemacht worden sind. Eine Gehörsverletzung sei eher fernliegend, wenn das Bundespatentgericht einen Begründungsweg gewählt habe, der von der Parallel-Instanz nicht gewählt worden sei (BGH, a.a.O., Rn. 15). In seinem Beschluss vom 02.12.2014, Az. X ZB 1/13 (BPatG), hat der BGH diese Leitlinien dahingehend konkretisiert, dass eine Befassung mit einer abweichenden Entscheidung des EPA auch dadurch erfolgen kann, dass derselbe Gesichtspunkt in Kenntnis der abweichenden Entscheidung rechtlich anders gewürdigt wird (BGH, GRUR 2015, 199 Rn. 15).

Vorliegend hat das BPatG in der Kenntnis der abweichenden Entscheidung des EPA teilweise andere Entgegenhaltungen herangezogen, um zu seiner Entscheidung zu gelangen. Deren Offenbarungsgehalt ist entgegen der Auffassung der Aufhebungsbeklagten nicht identisch, da insbesondere die Anlage NIK2 von ihrem Offenbarungsgehalt offensichtlich nicht identisch mit demjenigen der NIK22 ist. So findet sich in der gesamten NIK2 nicht die Fig. 1 der NIK22. Die in der NIK2 enthaltenen Abbildungen zeigen die vom BPatG angenommene Verbindung von Methylierungszyklus und DNS-Zyklus nicht wie die Fig. 1 aus NIK22. Die Abbildung in Fig. 8 der NIK2 zeigt zwar einen Folatzyklus, nicht jedoch den zweiten, den DNS-Zyklus.

Es kann daher als bedauerlich angesehen werden, dass das BPatG sich nicht eingehender mit den Ausführungen insbesondere der Einspruchsabteilung des EPA in seinem Urteil auseinandergesetzt hat. Zu einer offensichtlichen Unrichtigkeit des Urteils führt dies gleichwohl nicht.

III.

Aufgrund der vorstehend unter II. dargestellten Überlegungen kann eine Prognose zugunsten des Bestands des Verfügungspatents nicht mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit abgegeben werden.

Die eigentlich vorrangige Frage der Neuheit konnte unbeantwortet gelassen werden, da für die erforderliche Prognose nicht zu überwindende Zweifel hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit bestehen.

IV.

Schließlich spricht auch die stets gebotene Interessenabwägung gegen ein Aufrechterhalten der einstweiligen Verfügung.

1. Insbesondere in einstweiligen Verfügungsverfahren zwischen forschenden Arzneimittelherstellern (sog. Originatoren) und den Herstellern von Nachahmermedikamenten (sog. Generika-Hersteller) kommt einer Interessenabwägung der sich aus dem Erlass oder Nichterlass einer einstweiligen Verfügung ergebenden Folgen eine besondere Bedeutung zu. Der - sich nachträglich als unberechtigt herausstellende - Markteintritt der Nachahmermedikamente hat dabei eine große Relevanz. Die forschenden Arzneimittelhersteller wenden in aller Regel hohe Millionenbeträge auf, um einen Wirkstoffkandidaten zum zugelassenen Arzneimittel mit Patentschutz zu entwickeln. Viele Ansätze erweisen sich im Verlaufe der durchzuführenden Studien als ungeeignet mit der Folge hoher frustrierter Aufwendungen. Da die Anmeldung zum Patent weit vor der Zulassung zum Arzneimittel erfolgt, ist im Zeitpunkt der Patenterteilung bereits ein nicht unerheblicher Zeitraum der Patentlaufzeit verstrichen. Den Patentinhabern ist es daher ein notwendigerweise besonderes Anliegen, in dem relativ kurzen zur Verfügung stehenden Zeitraum ihr Patent ungestört vom Preiswettbewerb mit Drittanbietern zu verwerten. Die mit der Verwertung generierten Einnahmen sollen auch dazu verwendet werden, neue Forschungen mit dem Ziel neuer Medikamente anzustrengen.

Die von den Originatoren getragenen Forschungs- und Entwicklungskosten fallen bei den Generika-Herstellern nicht an. Denn die wesentlichen Kosten sind eben die Forschungs- und Entwicklungskosten. Die Herstellungskosten sind demgegenüber marginal. Da die Nachahmer aufgrund der offen gelegten Patentschrift die Zusammensetzung des patentierten Arzneimittels kennen, ist es für sie ohne großen Kostenaufwand möglich, gleichwertige Medikamente herzustellen und zuzulassen, da sie auch insoweit auf die Unterlagen des Originals zurückgreifen können. Sie sind daher in der Lage, die von den Originatoren aufgerufenen Preise für ihre Medikamente deutlich zu unterbieten. Da die Wirksamkeit der Medikamente in der Regel gleich ist, können die Patentinhaber auch nicht - wie bei anderen Produkten etwa in der (Unterhaltungs-)Elektronik - auf die besondere Qualität oder Verlässlichkeit ihrer Produkte im Gegensatz zu denen der Nachahmer verweisen. Eine Preisdurchsetzung aufgrund des Rufs der Marke oder des besonderen Designs des Produkts ist in der Pharmabranche ebenfalls unüblich.

Wird demnach den Nachahmerunternehmen der Marktzutritt für ein patentgeschütztes Medikament erlaubt, kann dies einen unwiederbringlichen finanziellen Schaden für den Patentinhaber bedeuten (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2008, 328, 331 f. - Olanzapin; GRUR-RR 2013, 236, 239 f. - Flurpitin-Maleat). Dies muss jede gerichtliche Interessenabwägung stets im Auge haben.

Der geschilderten besonderen Situation der forschenden Arzneimittelhersteller verschließt sich auch die hiesige Kammer nicht. Gleichwohl führt die Interessenabwägung vorliegend nicht dazu, die einstweilige Verfügung aufrecht zu erhalten.

a) Wie bereits unter Ziffer II. gezeigt, konnte sich das Verletzungsgericht trotz eingehender Beschäftigung nicht von der offenkundigen Fehlerhaftigkeit des Ergebnisses der patentgerichtlichen Entscheidung überzeugen.

b) Die Aufhebungsklägerin hat ferner mittels der Anlage TW2 zur Überzeugung der Kammer glaubhaft gemacht, dass seit dem 20.07.2018 ein Generikaprodukt bezüglich des Verfügungspatents auf dem Markt ist. Nach dem weiteren unbestrittenen Vortrag der Aufhebungsklägerin sind mittlerweile mindestens drei Generikahersteller mit ihren Produkten auf dem Markt vertreten (Schriftsatz vom 18.02.2019, Seite 13, Bl. 286 d.A.). Der Preisverfall infolge der Konkurrenz durch Generikahersteller dürfte mithin bereits eingetreten sein. Gegenteiliges hat die Aufhebungsbeklagte nicht vorgetragen.

c) Die Aufhebungsbeklagte hatte infolge der erlassenen einstweiligen Verfügung auch bereits die Möglichkeit, ihre Investitionen ungestört vom Wettbewerb mit den Generikaanbietern über einen Zeitraum von mehreren Jahren zu amortisieren.

d) Ferner ist zu berücksichtigen, dass gegen das Nichtigkeitsurteil umgehend Berufung im Jahr 2018 eingelegt wurde und das Verfügungspatent am 15.06.2021 ausläuft (Schriftsatz der Aufhebungsbeklagten vom 25.09.2018, Seite 4 / Bl. 72 d.A.). Es kann daher davon ausgegangen werden, dass eine Entscheidung des BGH über den Rechtbestand des Verfügungspatents zeitlich deutlich vor dem Ablauf des Verfügungspatents, nämlich in der ersten Jahreshälfte 2020 ergehen wird. Daher kann unterstellt werden, dass im Falle eines die Nichtigkeitsentscheidung abändernden Urteils für die Aufhebungsbeklagte noch Gelegenheit bestehen wird, gegen die auf dem Markt befindlichen Generikahersteller erneut durch einstweilige Verfügung vorzugehen. Die in der Sache „Olanzapin“ geschilderte Situation, dass Nachahmer motiviert sein könnten, auf den Markt zu kommen, weil sie damit rechnen könnten, dass das Verfügungspatent vor einer abändernden Entscheidung bereits abgelaufen ist (OLG Düsseldorf, a.a.O., 331, 332), ist hier nicht gegeben.

e) Die Aufhebungsbeklagte kann daher die berechtigte Hoffnung hegen, nach einem den Bestand des Verfügungspatents wiederherstellen Urteils erneut von ihrem Monopol auf den Wirkstoff Pemetrexed unter Zugabe von Vitamin B12 Gebrauch machen zu können. Dass die Preise zu diesem Zeitpunkt unter demjenigen Niveau sein werden, das vor dem Markteintritt der Generikaunternehmen bestand, ist offenkundig. Allerdings führt das allein nicht zu einem überwiegenden Interesse der Aufhebungsbeklagten.

Das gilt auch wenn man berücksichtigt, dass - jedenfalls nach einem Beschluss des OLG Düsseldorf (GRUR 2018, 855 - Rasierklingeneinheiten) und entgegen der befestigten Rechtsprechung des I. Zivilsenats des BGH (vgl. GRUR 2018, 292 - Produkte zur Wundversorgung; GRUR 2017, 823 - Luftentfeuchter; GRUR 2017, 208 - Rückruf von RESCUE-Produkten; GRUR 2016, 720 - Hot Sox) - die Generikahersteller im Falle einer erneuten Unterlassungsverfügung nicht verpflichtet wären, ihre bereits bei den Apotheken befindlichen Nachahmerprodukte von diesen zurückzurufen. Denn gleichwohl wären deren Vorräte beschränkt und ihre Versorgung mit den Nachahmerprodukten somit zeitlich sehr befristet.

3. Aufgrund der Vertretbarkeit der patentgerichtlichen Entscheidung und der damit zusammenhängenden fehlenden Prognosesicherheit hinsichtlich ihrer Aufhebung sowie der dargestellten Interessenlage war auch der Weg über eine Wiederherstellung der einstweiligen Verfügung unter gleichzeitiger Festlegung einer sehr hohen Sicherheitsleistung für die Vollziehung nicht gangbar.

V.

Im Ergebnis führt dies dazu, dass sich das Verletzungsgericht nach eingehender Prüfung insbesondere der Frage der erfinderischen Tätigkeit außerstande sieht, die sichere Prognose zu stellen, das vom BPatG ausgeurteilte Ergebnis werde keinen Bestand vor dem BGH haben. Ferner spricht auch die durchgeführte Interessenabwägung nicht für ein Aufrechterhalten der einstweiligen Verfügung.

B.

I.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Der Aufhebungsbeklagten auch die Kosten für das Anordnungsverfahren aufzuerlegen, war nicht angezeigt. Das wäre nur dann gerechtfertigt gewesen, wenn bei Hinzudenken des erstinstanzlichen, nicht rechtskräftigen Nichtigkeitsurteils rückblickend der Erlass einer einstweiligen Unterlassungsverfügung nicht in Betracht gekommen wäre (Kühnen, a.a.O., Rn. 244). Das ist vorliegend nicht der Fall.

Denn es ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass die erkennende Kammer auch in Anbetracht des bundespatentgerichtlichen Urteils eine einstweilige Verfügung - wenn auch mit erheblicher Sicherheitsleistung - erlassen hätte. Dabei hätte die Kammer insbesondere die die Patentfähigkeit bejahende Entscheidung des EPA sowie die unter IV.1. geschilderte besondere Situation der Originatoren in Erwägung gezogen. Weiter hätte sie den Umstand berücksichtigt, dass im Nichtigkeitsverfahren der Nichtigkeitskläger beweisbelastet ist, so dass verbleibende Zweifel zugunsten des Patentinhabers gehen (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2008, 329, 331 - Olanzapin).

Insoweit unterscheidet sich der hier vorliegende Sachverhalt von demjenigen, der der Entscheidung des OLG Karlsruhe (BeckRs 2017, 151252) zugrunde lag. Dort hatten nämlich sowohl das EPA wie auch das BPatG übereinstimmend die Patentfähigkeit der Verfügungspatents verneint (vgl. OLG Karlsruhe, a.a.O., Rn. 5 -7). Zudem hatte sich die dortige Patentinhaberin gegen die Aufhebung der einstweiligen Verfügung des OLG Düsseldorf nicht mit der Berufung zur Wehr gesetzt, weswegen das OLG Karlsruhe feststellen konnte, zwischen den Parteien stehe deren Aufhebung wegen veränderter Umstände rechtskräftig fest (OLG Karlsruhe, a.a.O., Rn. 27).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 708 Nr. 6 ZPO.

Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung

1.
ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen;
2.
ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, anzuwenden oder, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, zur Anwendung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten;
3.
das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellte Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.

(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. Der Anspruch ist ausgeschlossen, soweit die Inanspruchnahme aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Gebote von Treu und Glauben für den Verletzer oder Dritte zu einer unverhältnismäßigen, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Härte führen würde. In diesem Fall ist dem Verletzten ein angemessener Ausgleich in Geld zu gewähren. Der Schadensersatzanspruch nach Absatz 2 bleibt hiervon unberührt.

(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung eingeholt hätte.

(3) Ist Gegenstand des Patents ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses, so gilt bis zum Beweis des Gegenteils das gleiche Erzeugnis, das von einem anderen hergestellt worden ist, als nach dem patentierten Verfahren hergestellt. Bei der Erhebung des Beweises des Gegenteils sind die berechtigten Interessen des Beklagten an der Wahrung seiner Herstellungs- und Betriebsgeheimnisse zu berücksichtigen.

Auf die Anordnung einstweiliger Verfügungen und das weitere Verfahren sind die Vorschriften über die Anordnung von Arresten und über das Arrestverfahren entsprechend anzuwenden, soweit nicht die nachfolgenden Paragraphen abweichende Vorschriften enthalten.

(1) Der dingliche Arrest findet statt, wenn zu besorgen ist, dass ohne dessen Verhängung die Vollstreckung des Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde.

(2) Als ein zureichender Arrestgrund ist es anzusehen, wenn das Urteil im Ausland vollstreckt werden müsste und die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist. Eines Arrestgrundes bedarf es nicht, wenn der Arrest nur zur Sicherung der Zwangsvollstreckung in ein Schiff stattfindet.

(1) Das Gericht bestimmt nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zweckes erforderlich sind.

(2) Die einstweilige Verfügung kann auch in einer Sequestration sowie darin bestehen, dass dem Gegner eine Handlung geboten oder verboten, insbesondere die Veräußerung, Belastung oder Verpfändung eines Grundstücks oder eines eingetragenen Schiffes oder Schiffsbauwerks untersagt wird.

Erweist sich die Anordnung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung als von Anfang an ungerechtfertigt oder wird die angeordnete Maßregel auf Grund des § 926 Abs. 2 oder des § 942 Abs. 3 aufgehoben, so ist die Partei, welche die Anordnung erwirkt hat, verpflichtet, dem Gegner den Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Vollziehung der angeordneten Maßregel oder dadurch entsteht, dass er Sicherheit leistet, um die Vollziehung abzuwenden oder die Aufhebung der Maßregel zu erwirken.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.