Gericht

Landgericht Memmingen

Tenor

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger 6.668,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 05.03.2016 zu zahlen.

2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens vor dem Amtsgericht Memmingen, Az. 21 H 4/15, zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 6.668,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Kläger machen Ansprüche auf Schadensersatz aufgrund eines Wassereintritts in die Räumlichkeiten ihrer Wohnungen geltend.

Die Kläger sind Eigentümer zweier Wohnungen in der (…) Altstadt. Zum einen handelt es sich um eine vermietete Wohnung im Erd-/ 1.Obergeschoss der (…), zum anderen um eine Wohnung in der (…), die von den Klägern selbst bewohnt wird und unmittelbar an das Gebäude (…) angrenzt. Die Beklagten sind gemeinschaftlich Eigentümer der in der (…) gelegenen Wohnung im 2. Ober-/ Dachgeschoss. Ursprünglich stand die Wohnung der Beklagten im gemeinschaftlichen Eigentum der Beklagten zu 1) und 2), sowie von Frau (…), die jedoch am 06.01.2016 verstorben und durch die Beklagten zu 1 und 2 zu je ½ beerbt worden ist. Bei der klägerischen Wohnung und der darüber liegenden Wohnung der Beklagten in der (…) handelt es sich um altrechtliches Stockwerkseigentum (vgl. Urkunde der Notare (…) vom 27.09.1888, Anlage K5).

Am 27.01.2015 bemerkte der Kläger zu 1), (…), bei Besichtigung, der vermieteten Wohnung, dass Wasser in diese eingetreten war. Abends erfolgte eine weitere Besichtigung im Beisein der Mieterin und Zeugin (…). Dabei begab sich der Kläger zu 1) in die darüber liegende Wohnung der Beklagten und traf dort den Beklagten zu 1), (…), an, der mit dem Aufwischen einer großen Wasserpfütze unterhalb des Waschbeckens des WC beschäftigt war. Der Wasserverbrauch der Wohnung der Beklagten belief sich bei der letzten Ablesung in 2014 aufgrund von Leerstand auf 0 m3 und am 04.03.2015 auf 74 m3.

In der Folgezeit weigerten sich die Beklagten eine Begutachtung ihrer Wohnung zur Feststellung der Schadensursache zuzulassen.

Zur Beseitigung der Schäden in der (…) waren Kosten in Höhe von 275,- € (netto) erforderlich. In der Tannengasse 8 fielen für Malerarbeiten 1.579,- € (netto) und für die Sanierung des Parketts 394,- € (netto) an.

Die Kläger behaupten, dass das eingetretene Wasser aus der Wohnung der Beklagten stamme und es daher zu Feuchtigkeitsflecken an den Wänden des Bades im 1. Obergeschoss, zu Ablösung der Tapeten an Decke und Wand, sowie dem Aufquellen des Parketts im Vorraum der Wohnung in der (…) gekommen sei. Des Weiteren hätten sich auch Tapeten im Wirtschaftsraum der (…) im 1. Obergeschoss gelöst.

Die Kläger sind der Auffassung, dass ein Wasseraustritt aus der Wohnung der Beklagten ursächlich für die Beseitigungs-/Sanierungskosten sei und dieser im Rahmen eines Schadensersatzes, nebst eines Mietzinsausfalles von Februar 2015 bis einschließlich Februar 2016 i.H.v. 4.420,- € zu ersetzen sei.

Die Kläger beantragen,

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Kläger gemeinschaftlich € 6.668,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszins ab Rechtshängigkeit dieser Klage zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten bestreiten mit Nichtwissen, dass am 27.01.2015 gegen 11:00 Uhr in der Eigentumswohnung der Kläger in der (…) Wasser von der Decke auf den Boden tropfte, sich an der Decke bereits Feuchtigkeitsflecken gebildet hatten, die sich in die Nachbarräume ausbreiten würden, und die Tapeten von der Decke und den Wänden herunterhingen würden. Des Weiteren wird mit Nichtwissen bestritten, dass im Vorraum das Wasser gestanden sei. Bezüglich der Wohnung im der (…) wird entsprechend bestritten, dass große Mengen Wasser von der Decke in die Räumlichkeiten eingedrungen seien und die Tapeten von der Decke großflächig herunterhingen würden.

Die Beklagten sind der Auffassung, dass sich aus dem Sachverständigengutachten vom 28.04.2015 nicht ergebe, dass der Wasseraustritt auf ihrer Wohnung für den eingetretenen Schaden ursächlich sei, woran auch der hohe Wasserverbrauch der Beklagtenwohnung nichts ändern würde. Des Weiteren sei der monatliche geminderte Mietzins um die Nebenkosten zu reduzieren und der Anspruch sei auf Grund einer Schadensminderungspflicht der Kläger zumindest ab dem Zeitpunkt der ersten Besichtigung durch den Gerichtssachverständigen im Rahmen des selbstständigen Beweisverfahrens zu kürzen.

Die Kläger haben mit Antrag vom 13. Februar 2015 ein selbstständiges Beweisverfahren vor dem Amtsgericht Memmingen (Az. 21 H 4/15) eingeleitet, in dessen Rahmen ein schriftliches Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) (…) vom 10.09.2015 (Bl. 38/61 d.BA.) samt Ergänzungsgutachten vom 08.12.2015 (Bl. 71/78 d.BA.) eingeholt wurde. Auf die beigezogene Akte des selbstständigen Beweisverfahrens wird Bezug genommen.

Auf Antrag der Kläger vom 05.02.2016 erklärte sich das Amtsgericht Memmingen für die Klage in der Hauptsache mit Beschluss vom 26.04.2016 für unzuständig und hat den Rechtsstreit gem. § 281 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Landgericht Memmingen verwiesen (Bl. 17/19 d.A.).

Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugin (…) sowie Inaugenscheinnahme der von den Klägern beigebrachten Fotos der streitgegenständlichen Wohnungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 16.02.2017. Zudem wurde mit Beweisbeschluss vom 05.07.2017 (Bl. 70/72 d.A.) die Einholung eines ergänzenden Sachverständigengutachtens bestimmt, das der Sachverständige Dipl.-Ing. (FH) (…) am 21.08.2017 (Bl. 79/86 d.A.) erstattet hat.

Mit Beschluss vom 09.11.2017 (Bl. 91/93 d.A.) wurde mit Zustimmung der Parteien gem. § 128 Abs. 2 ZPO bestimmt, ohne (weitere) mündliche Verhandlung zu entscheiden und als Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, der 28.11.2017 festgelegt.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 22.12.2016 (Bl. 39/41 d.A.) sowie vom 16.02.2017 (Bl. 49/53 d.A.) Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet, so dass ihr stattzugeben war.

I.

1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht Memmingen sachlich und örtlich zuständig auf Grund des Verweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Memmingen vom 26.04.2016 gemäß § 281 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

2. Die subjektiven Klagehäufungen auf Kläger- und Beklagtenseite sind gemäß § 260 ZPO analog zulässig. Die Kläger und Beklagten sind ihrerseits einfache Streitgenossen gemäß §§ 59, 60 ZPO.

II.

Die Klage ist vollumfänglich begründet, da den Klägern auf Grund der Wasserschäden gegen die Beklagten ein Ausgleichsanspruch aus nachbarschaftlichem Gemeinschaftsrecht gemäß § 906 Abs. 2 S. 2 BGB (analog) zusteht.

1. Die Beklagten sind gesamtschuldnerisch verpflichtet den Kläger einen angemessenen Ausgleich in Höhe von EUR 6.668,00 zu zahlen, da die Kläger aus besonderen Gründen gehindert waren, ihren nachbarschaftlichen Abwehranspruch gem. § 906 Abs. 1, 2 Satz 2 BGB geltend zu machen.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen seiner privatwirtschaftlichen Benutzung Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung überschreiten, sofern der davon betroffene Eigentümer aus besonderen Gründen gehindert war, diese Einwirkungen nach § 1004 Abs. 1 BGB rechtzeitig zu unterbinden (BGH, Urteil vom 11.06.1999 - V ZR 377/98; Urteil vom 21.03.2003 - V ZR 319/02).

b) Die Voraussetzungen eines Ausgleichsanspruchs liegen vor, insbesondere lag eine Einwirkung „von außen“ auf das Grundstück der Kläger vor, die ursächlich für die Beeinträchtigung war.

aa) Der Ausgleichsanspruch gem. § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist neben dem allgemeinen Deliktsrecht anwendbar und tritt nicht im Wege der Subsidiarität zurück (BGH, Urteil vom 15.7.2011 - V ZR 277/10).

bb) Anspruchsgläubiger sind die Kläger als Eigentümer der streitgegenständlichen Wohnungen, während Schuldner des Ausgleichsanspruchs die Beklagten als Eigentümer der darüberliegenden Wohnung sind, wobei auf den Zeitpunkt der Beeinträchtigung abzustellen ist. Der Ausgleichsanspruch ist über den Wortlaut des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB hinaus nicht auf die Folgen der Zuführung unwägbarer Stoffe beschränkt, sondern erfasst auch die Störung durch Grobimmissionen wie etwa vorliegend Leitungswasser (BGH, Urteil vom 12.12.2003 - V ZR 180/03; Urteil vom 21.5.2010 - V ZR 10/10).

cc) § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB setzt des Weiteren voraus, dass die Störung von einem anderen Grundstück herrührt (BGH, Urteil vom 12.12.2003 - V ZR 180/03), es sich also um einen grenzüberschreitenden „Eingriff von außen“ handelt (BGH, Versäumnisurteil vom 10.02.2012 − V ZR 137/11).

Ein „Eingriff von außen“ ergibt sich vorliegend aus einer (weiteren) analogen Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB. Zunächst ist klarzustellen, dass im vorliegenden Fall lediglich die Beeinträchtigung in der (…) von einem anderen Grundstück aus erfolgte, die Beeinträchtigung in der (…) erfolgte im gleichen Gebäude und damit grundsätzlich nicht „von außen“.

Nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in diesem Punkt analogiefähig, sofern eine strukturelle Vergleichbarkeit und ein nicht anders zu befriedigendes Schutzbedürfnis besteht (BGH, Urteil vom 12.12.2003 - V ZR 180/03; Urteil vom 21.05.2010 - V ZR 10/10). Bejaht wurde eine Analogie bereits für das Verhältnis zwischen Sondereigentümer im Sinne des Wohnungseigentümergesetzes, sofern die Beeinträchtigung vom Sondereigentum eines Wohnungseigentümers, das Sondereigentum eines Anderen betraf (BGH, Urteil vom 25.10.2013 - V ZR 230/12).

Wenngleich es sich vorliegend nicht um Sondereigentum nach dem WEG handelt, sondern um altrechtliches Stockwerkseigentum, so kann dennoch schon rein formal hier nichts Anderes gelten. Gemäß Art. 182 Satz 1 EGBGB bleibt zur Zeit des Inkrafttretens des BGB bestehendes Stockwerkseigentum bestehen. An die Stelle des Stockwerkseigentums ist heute das WEG getreten (Säcker in Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2010, Art. 182 EGBGB, Rn. 2.). Darüber hinaus besteht auch die für § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB typische Grundkonstellation dahingehend, dass ein billiger Ausgleich der gegenläufigen Interessen bei der Nutzung benachbarter Grundstücke auf der Grundlage eines zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtenden nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses geboten ist (BGH, Urteil vom 21.05.2010 - V ZR 10/10). Zwischen verschiedenen Stockwerkseigentümern besteht aufgrund der räumlichen Nähe und der Alltäglichkeit des Zusammenlebens ein besonderes Näheverhältnis, das zwischen den Eigentümern besondere Rücksichtnahmepflichten erwachsen lässt. Diese Rücksichtnahme ist mit denen zwischen Grundstücks- und WEG-Eigentümern vergleichbar, sodass sich auch die Beeinträchtigungen im Gebäude (…) als ein Eingriff „von außen“ darstellt.

dd) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Wasseraustritt ursächlich für die Beeinträchtigung der klägerischen Wohnung. Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass Ursache der Beeinträchtigung in den Wohnungen der Kläger eine undichte Rohrleitung im 2. Obergeschoss des Gebäudes in der (…) war. Das Gericht stützt sich dabei insbesondere auf die Feststellungen des Sachverständigen Dipl. Ing (FH) (…) in seinem schriftlichen Gutachten vom 10.09.2015 (Bl. 38/61 d.BA.) samt Ergänzungsgutachten vom 08.12.2015 (Bl. 71/78 d.BA.) und 21.08.2017 (Bl. 79/86 d.A.), denen sich das Gericht nach eigener kritischer Würdigung anschließt.

Der bestellte Sachverständige hat für das Gericht nachvollziehbar dargelegt, dass das eingetretene Wasser vermutlich aus der über der klägerischen Wohnung liegenden Wohnung der Beklagten stammte. Bestehende Unklarheiten in der Formulierung konnten im Rahmen der beiden Ergänzungsgutachten ausgeräumt werden. Diese Feststellungen werden durch weitere Indizien, wie den erhöhten Wasserverbrauch der Beklagtenwohnung, sowie der von den Klägern beigebrachten Fotos der streitgegenständlichen Wohnungen, die im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 16.02.2017 in Augenschein genommen wurden, und den Angaben der Zeugin (…) gestützt.

ee) Die weiteren anspruchsbegründenden Voraussetzungen liegen ebenfalls vor. Der Wassereintritt in die Wohnung der Kläger hat die ortsübliche Nutzung zu Wohnzwecken beeinträchtigt, sodass eine Vermietung gänzlich unmöglich war und geht mithin über das zumutbare Maß im Sinne des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB hinaus. Schließlich waren die Kläger auf Grund faktischem Duldungszwang gehindert ihren originären Abwehranspruch geltend zumachen (BGH, Urteil vom 30.05.2003 - V ZR 37/02). Den Klägern war unbekannt, dass in der Wohnung der Beklagten Wasser ausgetreten war, insbesondere auch, da diese leer stand. Es bestanden somit keine Anhaltspunkte, die eine „Nachschaupflicht“ der Kläger begründet hätten.

2. Der im Grunde bestehende Ausgleichsanspruch ist vollumfänglich begründet und nicht aufgrund einer Schadensminderungspflicht zu kürzen.

aa) In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass bei Eingriffen in die Sachsubstanz der Ausgleichsanspruch die Höhe eines Schadensersatzanspruchs erreichen kann (stRspr, BGH, Urteil vom 26.11.1982 - V ZR 314/81; Urteil vom 04.07.1997 - V ZR 48/96).

Demzufolge sind die in der Höhe unstreitigen Substanzverletzungen in den Wohnungen der Kläger in Höhe von 2.248,- € auszugleichen. So sind zur Beseitigung der Schäden in der W.straße 19 Kosten in Höhe von 275,- € (netto) und in der T.gasse 8 für Malerarbeiten 1.579,- € (netto) sowie für die Sanierung des Parketts 394,- € (netto) angefallen, die im Übrigen auch durch den Sachverständigen in seinem Gutachten vom 10.09.2015 (Bl. 38/61 d.BA.) sowie im Ergänzungsgutachten vom 08.12.2015 (Bl. 71/78 d.BA.) bestätigt wurden.

bb) Darüber hinaus sind auch Ertragsausfälle auszugleichen (vgl. für gewerbliche Immobilien: BGH, Urteil vom 23.02.2001 - V ZR 389/99). Die Höhe der Ertragsausfälle bestimmt sich nach der Höhe der Mietminderung. Diese erfolgte unbestritten in voller Höhe von 340,- € monatlich. In rechtlicher Hinsicht ist Bemessungsgrundlage die Bruttomiete, das heißt der Mietzins gem. § 536 BGB inklusive der Mietnebenkosten. Zur Überzeugung des Gerichts ergibt sich aus dem in Augenschein genommen Mietvertrag zwischen den Klägern und der Zeugin und Mieterin (…) vom 21.03.2013 (vgl. Anlage K4) und den Angaben der Zeugin, dass es sich um eine Bruttomiete handelt. Den Klägern ist mithin ein Mietausfall in Höhe von 4.420,- € für den Zeitraum von Februar 2015 bis einschließlich Februar 2016 auszugleichen.

cc) § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB stellt im Grundsatz keinen Schadensersatzanspruch dar, sodass die § 249 ff. BGB und insbesondere § 254 BGB nicht anzuwenden sind, vielmehr sind die Grundsätze der Enteignungsentschädigung anzuwenden (BGH, Urteil vom 01.02.2008 - V ZR 47/07), sodass nur der unzumutbare Teil der Beeinträchtigung auszugleichen ist. Ob § 254 BGB entsprechend anzuwenden ist, wie es in der Rechtsprechung zum Abwehranspruch vertreten wird, oder eine Mitverursachung im Rahmen der Unzumutbarkeit der Beeinträchtigung zu erfolgen hat ist nicht zu entscheiden, da die Berücksichtigung einer Mitverursachung allgemein anerkannt ist.

Eine solche Mitverursachung der Kläger liegt jedoch nicht vor. Entgegen der Auffassung der Beklagten hätten die Kläger nicht zunächst einen anderweitigen Fachmann zu Feststellung der Beeinträchtigungen beauftragen müssen. Im Zivilverfahren gilt grundsätzlich der Beibringungsgrundsatz, sodass die beweisbelastete Partei die für sie günstigen Tatsachen beizubringen hat. Zur Sicherung günstiger Tatsachen obliegt es im Grundsatz der beweisbelasteten Partei die Art der Beweissicherung zu wählen. Nur in Ausnahmefällen kann sich die Auswahl reduzieren. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier aber nicht vor. Die Auffassung der Beklagten, dass eine Schadensminderungspflicht das Wahlrecht der Kläger beschränkt, setzt denklogisch voraus, dass dem Kläger eine gleich „effektive“ Art der Beweissicherung offensteht. Ein solche gleich „gerichtsfeste“ Beweissicherungsmöglichkeit bestand nicht. Auf eine weniger „gerichtsfeste“ Beweissicherung kann der Kläger nicht verwiesen werden, da damit letztlich seine Möglichkeit zur effektiven Rechtsdurchsetzung beschnitten würde.

Die Ergebnisse des selbstständigen Beweisverfahrens stehen gemäß § 493 Abs. 1 ZPO den Ergebnissen der Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht gleich und sind somit als Sachverständigenbeweis anzusehen und nicht nur als Urkunds- bzw. Augenscheinsbeweis. Die Beweissicherung mittels eines Fachmanns und unter Vorlage von Fotos kann nur im Rahmen einer sachverständigen Zeugenaussage oder durch Inaugenscheinnahme geschehen. Ein gerichtlicher Sachverständigenbeweis geht diesem regelmäßig aufgrund der Neutralität des gerichtlichen Sachverständigen vor. Im Übrigen wären diese Formen der Beweissicherung ihrerseits nicht geeignet einen substantiierten Vortrag der Kläger zu begründen, denn eine Begutachtung der Wohnung der Beklagten wurde dem Kläger nicht gestattet. Es bestand mithin nicht die Möglichkeit aufzuklären, ob das eingedrungene Wasser aus der Wohnung der Beklagten stammte, sodass die Klage mangels nachgewiesener Ursächlichkeit hätte abgewiesen werden müssen.

Die Kläger haben des Weiteren weder mit dem Antrag auf Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens am 13.02.2015 zu lange gewartet, noch wurde nach Abschluss des selbstständigen Beweisverfahrens zu lange mit der Reparatur gewartet. Denn letztlich kann erst mit Abschluss des selbstständigen Beweisverfahrens sichergestellt werden, dass keine Einwendungen mehr gegen das Gerichtsgutachten erhoben werden können, zu deren Bewertung der Sachverständige die zu begutachtenden Räumlichkeiten nochmals betreten und in Augenschein nehmen muss. Erst Recht kann den Klägern keine Mitverursachung für die Dauer des Beweisverfahrens bis zum 14.01.2016 entgegengehalten werden.

3. Die Klage ist auch hinsichtlich der Prozesszinsen gemäß §§ 291, 288 Satz 2 BGB begründet.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 100 Abs. 1 ZPO. Die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens sind als Kosten der Hauptsache anzusehen. Eine Kostentrennung gemäß § 281 Abs. 3 Satz 2 BGB erfolgt nicht, da keine Mehrkosten angefallen sind.

IV.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 2 ZPO.

V.

Der Streitwert wurde nach §§ 63, 39ff. GKG, 3ff ZPO festgesetzt.

Verkündet am 28.12.2017

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(1) Ist auf Grund der Vorschriften über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Gerichte die Unzuständigkeit des Gerichts auszusprechen, so hat das angegangene Gericht, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, auf Antrag des Klägers durch Beschluss sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht zu verweisen. Sind mehrere Gerichte zuständig, so erfolgt die Verweisung an das vom Kläger gewählte Gericht.

(2) Anträge und Erklärungen zur Zuständigkeit des Gerichts können vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden. Der Beschluss ist unanfechtbar. Der Rechtsstreit wird bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht mit Eingang der Akten anhängig. Der Beschluss ist für dieses Gericht bindend.

(3) Die im Verfahren vor dem angegangenen Gericht erwachsenen Kosten werden als Teil der Kosten behandelt, die bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht erwachsen. Dem Kläger sind die entstandenen Mehrkosten auch dann aufzuerlegen, wenn er in der Hauptsache obsiegt.

(1) Die Parteien verhandeln über den Rechtsstreit vor dem erkennenden Gericht mündlich.

(2) Mit Zustimmung der Parteien, die nur bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage widerruflich ist, kann das Gericht eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen. Es bestimmt alsbald den Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, und den Termin zur Verkündung der Entscheidung. Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist unzulässig, wenn seit der Zustimmung der Parteien mehr als drei Monate verstrichen sind.

(3) Ist nur noch über die Kosten oder Nebenforderungen zu entscheiden, kann die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(4) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Ist auf Grund der Vorschriften über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Gerichte die Unzuständigkeit des Gerichts auszusprechen, so hat das angegangene Gericht, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, auf Antrag des Klägers durch Beschluss sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht zu verweisen. Sind mehrere Gerichte zuständig, so erfolgt die Verweisung an das vom Kläger gewählte Gericht.

(2) Anträge und Erklärungen zur Zuständigkeit des Gerichts können vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden. Der Beschluss ist unanfechtbar. Der Rechtsstreit wird bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht mit Eingang der Akten anhängig. Der Beschluss ist für dieses Gericht bindend.

(3) Die im Verfahren vor dem angegangenen Gericht erwachsenen Kosten werden als Teil der Kosten behandelt, die bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht erwachsen. Dem Kläger sind die entstandenen Mehrkosten auch dann aufzuerlegen, wenn er in der Hauptsache obsiegt.

Mehrere Ansprüche des Klägers gegen denselben Beklagten können, auch wenn sie auf verschiedenen Gründen beruhen, in einer Klage verbunden werden, wenn für sämtliche Ansprüche das Prozessgericht zuständig und dieselbe Prozessart zulässig ist.

Mehrere Personen können als Streitgenossen gemeinschaftlich klagen oder verklagt werden, wenn sie hinsichtlich des Streitgegenstandes in Rechtsgemeinschaft stehen oder wenn sie aus demselben tatsächlichen und rechtlichen Grund berechtigt oder verpflichtet sind.

Mehrere Personen können auch dann als Streitgenossen gemeinschaftlich klagen oder verklagt werden, wenn gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Ansprüche oder Verpflichtungen den Gegenstand des Rechtsstreits bilden.

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 319/02 Verkündet am:
21. März 2003
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Unterhält der Eigentümer auf seinem Grundstück einen Baum, der allein infolge seines
Alters auf das Nachbargrundstück stürzen kann, so ist er Störer im Sinne des
BGH, Urt. v. 21. März 2003 - V ZR 319/02 - OLG Düsseldorf
LG Mönchengladbach
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. März 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Dr. Klein, Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 12. August 2002 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Das Grundstück der Klägerin ist mit einem Wohnhaus bebaut und parkähnlich angelegt; auf dem waldähnlichen Grundstück der Beklagten hat ihr Vater, der Voreigentümer, vor 1974 u.a. Pappeln in der Nähe der Grenze zu dem Grundstück der Kläger gepflanzt. Das Grundstück liegt in einem Bruchbereich nahe einem Bach, in dem alte Pappeln umstürzen, wenn sie nicht vorher gefällt werden.
Zwischen August 1985 und August 1999 stürzten zwei Bäume, darunter eine Pappel, von dem Grundstück der Beklagten auf das Grundstück der Kläger. Einen weiteren Baum ließ die Beklagte fällen, nachdem die Kläger sie darauf hingewiesen hatten, daß er umzustürzen drohte.

Am 3. Dezember 1999 stürzten während eines Sturmes wiederum zwei Pappeln von dem Grundstück der Beklagten auf das Grundstück der Kläger. Sie beschädigten einen Zaun und ein Metallgartenhaus. Weitere Beschädigungen sind zwischen den Parteien streitig.
Die Kläger haben behauptet, die Pappeln auf dem Grundstück der Beklagten hätten aufgrund ihres Alters bereits vor dem Monat Dezember 1999 gefällt werden müssen. Die Beklagte sei von den Klägern im Jahr 1997 eindringlich auf die Gefahr hingewiesen worden, daß insbesondere die Pappeln umstürzen und nicht nur Gerätehäuser auf dem klägerischen Grundstück, sondern auch Personen zu Schaden kommen könnten. Auch sei die Beklagte von den Klägern mehrfach aufgefordert worden, die Pappeln rechtzeitig fällen zu lassen. Darüber hinaus meinen die Kläger, die Beklagte hätte ihre Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich der Pappeln verletzt. Die Beklagte hat geltend gemacht , es sei nicht erkennbar gewesen, daß die Pappeln umstürzen könnten.
Der auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 21.873,84 DM nebst Zinsen gerichteten Klage hat das Landgericht in Höhe von 197,16 DM nebst Zinsen und im übrigen dem Grunde nach stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist nur hinsichtlich der Zinsforderung teilweise erfolgreich gewesen. Mit ihrer - von dem Berufungsgericht zugelassenen - Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die vollständige Abweisung der Klage. Die Kläger beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht verneint einen Schadenersatzanspruch der Kläger nach § 823 Abs. 1 BGB, weil der Beklagten eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch fehlende Überprüfung ihres Baumbestandes oder rechtzeitiges Fällen offensichtlich standunsicherer Bäume nicht vorzuwerfen sei. Den Klägern steht nach Auffassung des Berufungsgerichts jedoch ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zu. Ihnen sei vor dem 3. Dezember 1999 die Durchsetzung eines auf das Entfernen der Pappeln gerichteten Anspruchs nach § 1004 Abs. 1 BGB nicht möglich gewesen, weil sich die von den Bäumen ausgehende Gefahr erst bei dem Sturm am 3. Dezember 1999 offenbart habe. Die Beklagte sei Störerin im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB, weil von den Bäumen ein objektiv pflichtwidriger Zustand ausgegangen sei, auf den sie habe Einfluß nehmen können. Denn das Umstürzen der Pappeln sei nicht ausschließlich eine Folge des Einwirkens von Naturkräften, sondern gehe auch auf eine fehlende Standsicherheit zurück.
Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung lediglich im Ergebnis stand.

II.

Den Klägern steht gegen die Beklagte kein verschuldensunabhängiger nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch, wohl aber ein verschuldensabhängiger deliktsrechtlicher Schadenersatzanspruch zu.
1. Zu Unrecht bejaht das Berufungsgericht einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog. Folgt man nämlich dem Vortrag der Kläger, entfällt dieser Anspruch, weil sie den Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB hätten geltend machen können.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, insbesondere des Senats, ist ein solcher auf einen angemessenen Ausgleich in Geld gerichteter Anspruch gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen seiner privatwirtschaftlichen Benutzung Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen, sofern der davon betroffene Eigentümer aus besonderen Gründen gehindert war, diese Einwirkungen gemäß § 1004 Abs. 1 BGB rechtzeitig zu unterbinden (s. nur Senat, BGHZ 142, 66, 67 f. m.w.N.). Danach kommt hier, was das Berufungsgericht auch zutreffend erkennt, ein Anspruch unter dem Gesichtspunkt einer rechtswidrigen Beeinträchtigung in Betracht, die infolge faktischen Duldungszwangs nicht rechtzeitig verhindert werden konnte. Ein solcher Zwang kann sich u.a. daraus ergeben, daß der Betroffene die abzuwehrende Gefahr nicht rechtzeitig erkannt hat und auch nicht erkennen konnte (Senat, BGHZ 111, 158, 163). So liegt es hier jedoch nicht.

b) Der Auffassung des Berufungsgerichts, den Klägern sei es vor dem 3. Dezember 1999 nicht möglich gewesen, gegen die Beklagte einen auf die
Entfernung der Pappeln gerichteten Anspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB durchzusetzen , steht das Vorbringen der Kläger in den Tatsacheninstanzen entgegen. Sie haben nämlich sowohl in der Klageschrift als auch in der Berufungserwiderung vorgetragen, daß die Pappeln auf dem Grundstück der Beklagten bereits viele Jahre vor Dezember 1999 wegen ihres Alters umsturzgefährdet gewesen seien. Sie hätten gefällt werden müssen, weil alte Pappeln, wie sie auf dem Grundstück der Beklagten gestanden hätten, spätestens nach 30 Jahren geschlagen werden müßten. Hierauf hätten sie die Beklagte schon im Jahr 1997 hingewiesen und sie auch mehrere Male vor dem Monat Dezember 1999 zum Fällen der Pappeln aufgefordert. Danach haben sich die Gefahren für die Kläger nicht erst bei dem Sturm am 3. Dezember 1999 offenbart, sondern es bestand bereits lange Zeit vor dem Schadensereignis genügend Anlaß, gegen die von den Pappeln auf dem Grundstück der Beklagten auf ihr Grundstück ausgehenden Gefahren vorzugehen. Zwar hat der Senat in dem Wiebke-Fall entschieden, daß das bloße Anpflanzen und Aufziehen widerstandsfähiger Bäume regelmäßig noch keine für die Zurechnung einer Beeinträchtigung notwendige konkrete Gefahrenlage für das Nachbargrundstück begründet (Senat, BGHZ 122, 283, 285). Aber so liegen die Dinge hier schon nach dem Klagevorbringen nicht. Die umgestürzten Pappeln waren vielmehr aufgrund ihres Alters nicht mehr standsicher und deswegen gegenüber normalen Einwirkungen der Naturkräfte nicht mehr hinreichend widerstandsfähig. Somit hätten die Kläger gegen die Beklagte erfolgreich nach § 1004 Abs. 1 BGB vorgehen können. Daß sie daran aus irgendwelchen Gründen gehindert waren, haben sie nicht vorgetragen; solche Gründe sind auch nicht ersichtlich. Damit scheidet ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch schon nach dem Klagevorbringen aus.
2. Die Kläger haben jedoch gegen die Beklagte einen Schadenersatzanspruch wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht (§ 823 Abs. 1 BGB). Zu seiner gegenteiligen Auffassung gelangt das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft , wie die Kläger in ihrer Revisionserwiderung mit Recht rügen. Es hat seiner Entscheidung nur einen Teil der Aussage des Zeugen F. zugrunde gelegt, nämlich den, daß der Zeuge im August/September 1999 keine von den Pappeln ausgehenden akuten Gefahren erkannt habe. Es hat nicht die weitere Bekundung des Zeugen gewürdigt, daß die Pappeln in einem Alter waren, in welchem sie normalerweise gefällt werden müßten, und daß er der Beklagten geraten habe, die Pappeln deshalb in der nächsten Schlagzeit zwischen dem 1. Oktober und dem 31. März zu fällen. Danach sind der Beklagten die von den Bäumen ausgehenden Gefahren, die sie aufgrund des Alters der Bäume und der Erfahrung mit der bereits umgestürzten Pappel ohnehin kannte, jedenfalls aber kennen mußte, nochmals eindrücklich vor Augen geführt worden. Dann aber war sie unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht verpflichtet , die Pappeln zum frühestmöglichen Zeitpunkt fällen zu lassen.

a) Derjenige, der die Verfügungsgewalt über ein Grundstück ausübt, hat im Rahmen des Möglichen dafür zu sorgen, daß von den dort stehenden Bäumen keine Gefahr für andere ausgeht, der Baumbestand vielmehr so angelegt ist, daß er im Rahmen des nach forstwissenschaftlichen Erkenntnissen Möglichen gegen Windbruch und Windwurf, insbesondere aber auch gegen Umstürzen aufgrund fehlender Standfestigkeit gesichert ist (BGH, Beschl. v. 27. Oktober 1988, III ZR 23/88, BGHR § 823 Abs. 1 BGB Verkehrssicherungspflicht 16). Diese Verkehrssicherungspflicht hat die Beklagte verletzt. Ihr war zum einen bekannt, daß alte Pappeln in der Gegend umstürzen und bereits in der Vergangenheit eine Pappel auf ihrem Grundstück ohne besondere Einwir-
kungen umgestürzt war; zum anderen hat der Zeuge F. sie auf die Notwendigkeit des altersbedingten Fällens der Pappeln hingewiesen. Damit war es für die Beklagte vorhersehbar, daß weitere alte Pappeln jederzeit - auch auf das Nachbargrundstück - umstürzen konnten. Davor hat sie die Augen verschlossen , indem sie die Bäume nicht zu Beginn der Schlagzeit hat fällen lassen , und damit die Beschädigung des Nachbargrundstücks in Kauf genommen.

b) Somit ist die Beklagte den Klägern zum Schadenersatz verpflichtet. Allerdings reicht es zur Erfüllung dieser Verpflichtung nicht aus, daß sie die auf das Nachbargrundstück gefallenen Pappeln hat entfernen und den beschädigten Zaun hat ausbessern lassen. Vielmehr umfaßt die Schadenersatzpflicht sämtliche durch das Umstürzen der Bäume verursachten Schäden, also auch die, welche an den Gartenhäusern entstanden sind. Ein Ausschluß der Ersatzpflicht unter den von der Beklagten hervorgehobenen Gesichtspunkten, die Kläger hätten die beiden Gartenhäuser baurechtswidrig und bewußt in einer Gefahrenzone errichtet, kommt nicht in Betracht. Zum einen wäre das Fehlen der Baugenehmigungen - ihre Erforderlichkeit unterstellt - nicht kausal für den eingetretenen Schaden geworden; zum anderen übersieht die Beklagte, daß der Eigentümer sein Grundstück nach Belieben nutzen kann und sich keine Einschränkungen auferlegen muß, um dem Grundstücksnachbarn die Verletzung seiner Verkehrssicherungspflicht ohne Schadensfolgen zu ermöglichen.
3. Ohne Erfolg macht die Revision auch geltend, daß ein Grundurteil nicht hätte ergehen dürfen, weil der Streit über den Anspruchsgrund nicht entscheidungsreif sei. Für den Erlaß eines solchen Urteils genügt es nämlich, daß die Klageforderung mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht (BGHZ 126, 217, 219; BGH, Urt. v. 2. Oktober 2000, II ZR 54/99, NJW 2001,
224, 225). Das ist hier der Fall, weil die Beschädigung des Metallgartenhauses unstreitig ist. Selbst wenn, wofür es bisher allerdings keine Anhaltspunkte gibt, den Klägern ein an der Entstehung des Schadens mitwirkendes Verschulden vorzuwerfen wäre (§ 254 BGB), dürfte dessen Prüfung dem Betragsverfahren vorbehalten bleiben, da es nach dem gesamten Streitstoff nicht zu einer völligen Beseitigung des Schadens führen kann (vgl. BGHZ 110, 196, 202).
4. Schließlich wendet sich die Revision auch ohne Erfolg dagegen, daß das Berufungsgericht den Klägern einen Betrag von 197,16 DM für die Anschaffung eines neuen Kugelgrills zugesprochen hat, ohne einen Abzug "neu für alt" vorzunehmen. Die Beklagte hat nämlich die Neuwertigkeit des Grills nicht erheblich bestritten, so daß ein solcher Abzug nicht in Betracht kommt. Ihre Klageerwiderung enthält hierzu zwar ein allgemeines Bestreiten; aber nachdem die Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht den beschädigten Grill präsentiert haben, hätte die Beklagte konkrete Umstände, die gegen die Neuwertigkeit sprechen, vortragen müssen. Das hat sie nicht getan.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Tropf Klein Lemke Schmidt-Räntsch

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 277/10
Verkündet am:
15. Juli 2011
Langendörfer-Kunz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Eine an landesrechtliche Nachbarvorschriften anknüpfende deliktsrechtliche Haftung
ist keine den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch entsprechend § 906 Abs. 2
Satz 2 BGB ausschließende Sonderregelung.
BGH, Urteil vom 15. Juli 2011 - V ZR 277/10 - LG Limburg
AG Wetzlar
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Juli 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richterin
Dr. Stresemann, den Richter Dr. Roth und die Richterinnen Dr. Brückner
und Weinland

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Limburg vom 26. November 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien sind Eigentümer angrenzender Grundstücke. Die darauf befindlichen Gebäude stehen mit den Giebeln zur Straße. Traufseitig stoßen sie unmittelbar aneinander an; dabei liegt das niedrigere Haus des Beklagten mit Dach und Regenrinne an der benachbarten Außenwand an. Ein an die Regenrinne anschließendes Wandabschlussblech soll das Eindringen von Regenwasser in diese Wand verhindern.
2
Nachdem im Haus der Kläger ein Feuchtigkeitsschaden entstanden war, forderte der frühere Kläger zu 2 den Beklagten im Frühjahr 2007 auf, das Wandabschlussblech zu überprüfen. Der Beklagte, der einen Dachdecker mit anderen Dacharbeiten beauftragt hatte, sagte dies zu.
3
Im Juni 2007 kam es nach starken Regenfällen zu einem massiven Wassereintritt in das Haus der Kläger, den diese auf den schadhaften Zustand des Abschlussblechs zurückführen. Die Kläger verlangen von dem Beklagten Schadensersatz in Höhe von 3.948 €; ferner möchten sie festgestellt wissen, dass er auch zum Ersatz künftiger Schäden aus dem Wassereinbruch verpflichtet ist. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen; das Landgericht hat ihr stattgegeben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Abweisungsantrag weiter. Die Kläger beantragen die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht verneint einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch der Kläger in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB. Es meint, der Beklagte sei gemäß § 280 Abs. 1 BGB wegen „positiver Verlet- zung des nachbarschaftlichen Schuldverhältnisses“ zum Schadensersatz ver- pflichtet. Zwar bestehe zwischen Grundstücksnachbarn grundsätzlich kein gesetzliches Schuldverhältnis. Aus der Zweckbestimmung des allein dem Schutz des klägerischen Hauses dienenden Wandabschlussblechs folge hier aber eine besondere Verdichtung der nachbarrechtlichen Gemeinschaft zu einer schuldrechtlichen Sonderverbindung in Ansehung dieses Blechs. Der Beklagte habe die aus § 26 Abs. 1 NRG HE folgende Pflicht verletzt, seine bauliche Anlage so einzurichten, dass Niederschlagswasser nicht auf das Nachbargrundstück gelange , und nicht dargelegt, dass die Pflichtverletzung von ihm nicht zu vertreten sei (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Eine etwaige Beauftragung des Dachdeckers entlaste ihn nicht, da er sich eine mangelhafte Überprüfung bzw. Reparatur des Abschlussblechs nach § 278 BGB zurechnen lassen müsse. Im Übrigen falle dem Beklagten auch ein nach § 831 BGB beachtliches Überwachungsverschulden zur Last.

II.

5
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
6
1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann sich ein Schadensersatzanspruch der Kläger nicht aus § 280 Abs. 1 BGB ergeben. Diese Vorschrift setzt ein Schuldverhältnis voraus. Ein solches besteht zwischen den Parteien nicht.
7
Im Verhältnis von Grundstücksnachbarn fehlt das für ein gesetzliches Schuldverhältnis typische Geflecht wechselseitiger Duldungs-, Mitwirkungs- und Leistungspflichten. Zwischen ihnen gelten die besonderen, auf dem Grundsatz, dass jeder Eigentümer mit seiner Sache nach Belieben verfahren kann (§ 903 BGB), fußenden Vorschriften der §§ 905 ff. BGB. Ebenso wie die nachbarrechtlichen Vorschriften der Länder konkretisieren sie im Wesentlichen die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme und haben hauptsächlich eine einschränkende und ausgleichende Bedeutung. Sie bilden aber keine selbständige Grundlage für Rechte und Pflichten, wie es für ein gesetzliches Schuldverhältnis kennzeichnend ist (vgl. Senat, Urteil vom 25. November 1964 – V ZR 185/62, BGHZ 42, 374, 377; Urteil vom 30. März 1965 – V ZR 228/62, VersR 1965, 689; BGH, Urteil vom 11. Januar 2007 – III ZR 294/05, NJW-RR 2007, 457, 458 Rn. 11 ff.).
8
Die nachbarrechtlichen Sonderregelungen bleiben auch dann maßgeblich , wenn Nachbarn einen Bauteil, etwa eine Nachbarwand im Sinne des § 921 BGB, gemeinsam nutzen (Senat, Urteil vom 25. November 1964 – V ZR 185/62, BGHZ 42, 374, 377). Für die Annahme eines auf einen solchen Bauteil bezogenen gesetzlichen Schuldverhältnisses besteht auch hier weder Raum noch Bedürfnis. Die Kläger sind durch § 26 Abs. 1 NRG HE hinreichend geschützt; danach ist ein Grundstückseigentümer verpflichtet, seine baulichen Anlagen so einzurichten, dass von ihnen kein Niederschlagswasser auf das Nachbargrundstück gelangt. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach und dringt deshalb Wasser in das benachbarte Haus ein, liegt eine rechtswidrige Einwirkung auf das Eigentum des Nachbarn vor, welche Beseitigungs- bzw. Schadensersatzansprüche (§ 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 1 u. Abs. 2 BGB) begründet (vgl. Senat, Urteil vom 12. November 1999 – V ZR 229/98, NJW-RR 2000, 537).
9
2. Das Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
10
a) Zwar kommt nach den getroffenen Feststellungen ein deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch der Kläger in Betracht. Denn das Berufungsgericht bezeichnet es als unstreitig, dass Niederschlagswasser von dem Dach des Hauses des Beklagten durch eine undichte Stelle des Wandabschlussblechs in das Haus der Kläger abgeleitet worden ist. Wäre diese Feststellung bindend, stünde ein objektiver Verstoß gegen die Vorschrift des § 26 Abs. 1 NRG HE fest. Daraus ergäbe sich das Vorliegen einer widerrechtlichen Eigentumsverletzung (§ 823 Abs. 1 BGB; vgl. Senat, Urteil vom 2. März 1984 – V ZR 54/83, BGHZ 90, 255, 257 f.) sowie der objektive Verstoß gegen ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB (zum Schutzgesetzcharakter von § 26 Abs. 1 NRG HE: Hodes/Dehner, Hessisches Nachbarrecht, 5. Aufl., § 26 Rn. 8; Reich, Hessisches Nachbarrechtsgesetz, § 26 Rn. 1).
11
b) Der genannten Feststellung des Berufungsgerichts kommt für das Revisionsverfahren aber keine Bindungswirkung zu.
12
Grundsätzlich erbringt das aus dem Berufungsurteil ersichtliche Parteivorbringen nach § 314 ZPO zwar Beweis für das mündliche Parteivorbringen in der Berufungsinstanz. Eine etwaige Unrichtigkeit tatbestandlicher Darstellungen im Berufungsurteil muss deshalb im Berichtigungsverfahren nach § 320 ZPO geltend gemacht werden (vgl. BGH, Beschluss vom 26. März 1997 – IV ZR 275/96, NJW 1997, 1931; Urteil vom 13. Juli 2000 – I ZR 49/98, NJW 2001, 448, 449). Die Beweiskraft tatbestandlicher Feststellungen entfällt aber, wenn diese Widersprüche, Lücken oder Unklarheiten aufweisen (BGH, Urteil vom 17. Mai 2000 – VIII ZR 216/99, NJW 2000, 3007). Solche Mängel müssen sich allerdings aus dem Urteil selbst ergeben. Lassen sie sich nur durch Rückgriff auf die vorbereitenden Schriftsätze darstellen, bleibt es bei der Beweiswirkung des § 314 ZPO und dem Grundsatz, dass der durch den Tatbestand des Urteils gelieferte Beweis nur durch das Sitzungsprotokoll entkräftet werden kann (vgl. dazu BGH, Urteil vom 8. Januar 2007 – II ZR 334/04, NJW-RR 2007, 1434, 1435 Rn. 11). Aus diesem Grund lassen die von der Revision aufgezeigten Widersprüche zwischen der genannten Feststellung im Berufungsurteil und dem aus den Schriftsätzen ersichtlichen Parteivorbringen die Wirkung des § 314 ZPO nicht entfallen.
13
Die im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen zur Schadensursache sind aber, was auch ohne Rüge zu berücksichtigen ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. Mai 2000 – VIII ZR 216/99, NJW 2000, 3007), in sich widersprüchlich und deshalb für das Revisionsverfahren nicht bindend. Das gilt unabhängig davon, ob sich die Feststellung, es sei unstreitig, dass Niederschlagswasser von dem Hausdach des Beklagten durch eine undichte Stelle des Wandabschlussblechs in das Haus der Kläger abgeleitet worden sei, auf den ersten Schaden aus dem Frühjahr 2007 oder auf den dem Rechtsstreit zugrundeliegenden Schadensfall vom Juni 2007 beziehen soll.
14
Die Ursache für den Schaden vom 20. Juni 2007 wird an zwei Stellen des Urteils als ungeklärt und damit als streitig dargestellt. So heißt es unter I. der Gründe, es sei zu einem massiven Wassereintritt in das Haus der Kläger gekommen, „den die Kläger auf den ihrer Ansicht nach unverändert undichten und schadhaften Zustand der Blechaufkantung zurückführen“. Unter II. der Gründe formuliert das Berufungsgericht bei der Erörterung eines Anspruchs entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, die Bestimmung in § 26 Abs. 1 NRG HE sei maßgebend dafür, ob „die von den Klägern behauptete, von dem Grundstück des Beklagten ausgehende Einwirkung rechtswidrig ist“. Soweit als unstreitiges Parteivorbringen nur festgestellt werden sollte, dass das Blech zum Zeitpunkt des ersten Schadens undicht gewesen ist, wäre auch dies nicht bindend. Denn eine solche Feststellung stünde im Widerspruch zu der sich unmittelbar anschließenden Formulierung, das Wandabschlussblech sei (vor dem Schadensfall im Juni 2007) nicht repariert worden, obwohl es „zur Überzeugung der Kammer“ defekt gewesen sei. Wäre der Zustand des Blechs unstreitig ge- wesen, hätte dies von dem Berufungsgericht ohne Weiteres zugrunde gelegt werden können und müssen; es hätte also keinen Anlass gehabt, sich eine eigene Überzeugung dazu zu bilden.

III.

15
Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
16
1. Das Berufungsgericht wird zunächst zu klären haben, ob die Schadensursache zwischen den Parteien streitig ist; dabei ist insbesondere der von der Revision aufgezeigte Vortrag des Beklagten in dessen Schriftsatz vom 3. November 2008 und in der Berufungserwiderung zu beachten. Ist danach streitig, ob das Wandabschlussblech für den Wassereinbruch ursächlich war, müssen die Kläger ihre Behauptung beweisen. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass das Berufungsgericht seine Überzeugung zu dem Zustand des Wandabschlussblechs verfahrensfehlerfrei nicht allein durch Würdigung des Parteivorbringens und von Lichtbildern gewinnen kann, wenn weitere Erkenntnismöglichkeiten bestehen oder wenn andere Ursachen für den Wassereintritt nicht auszuschließen sind.
17
Sollte sich erweisen, dass das Niederschlagswasser infolge der Undichtigkeit des Wandabschlussblechs in das Haus der Kläger eingedrungen ist, also eine objektive und für den geltend gemachten Schaden kausale Verletzung von § 26 Abs. 1 Nr. 1 NRG HE vorliegt, wäre es Sache des Beklagten, Umstände darzulegen und zu beweisen, die geeignet sind, die aus der objektiv feststehenden Pflichtverletzung folgende Annahme seines Verschuldens auszuräumen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 1984 – III ZR 20/83, WM 1985, 590, 591). Mangels Bestehens eines Schuldverhältnisses findet die Vorschrift des § 278 BGB dabei allerdings keine Anwendung (vgl. Senat, Urteil vom 25. November 1964 – V ZR 185/62, BGHZ 42, 374, 380; Urteil vom 27.Januar 2006 – V ZR 26/05, NJW 2006, 992, 993). Eine Zurechnung der Tätigkeit des Dach- deckers nach § 831 BGB kommt ebenfalls nicht in Betracht, da selbständige Handwerker in der Regel keine Verrichtungsgehilfen im Sinne dieser Norm sind (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 1983 – VI ZR 97/81, NJW 1983, 1108, 1109; Urteil vom 21. Juni 1994 – VI ZR 215/93, NJW 1994, 2756, 2757 mwN); ein Ausnahmefall ist hier nicht ersichtlich.
18
2. Anders als das Berufungsgericht meint, kommt - sofern das Abschlussblech Ursache des Wassereinbruchs war - auch ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch der Kläger (§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in entsprechender Anwendung) in Betracht.
19
a) Ein solcher Anspruch könnte aus prozessualen Gründen zwar nicht mehr geprüft werden, wenn das Berufungsgericht die Revision nur in Bezug auf verschuldensabhängige Ansprüche zugelassen hätte, nicht aber auch hinsichtlich eines möglichen - einen selbständigen Streitgegenstand bildenden (Senat, Urteil vom 16. Juli 2010 – V ZR 217/09, Rn. 10, juris [insoweit in NJW 2010, 3158 nicht abgedruckt]) - nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs. Entgegen der von der Revision in der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht ist die Revisionszulassung aber nicht beschränkt worden. Davon wäre - da eine ausdrückliche Beschränkung nicht erfolgt ist – nur auszugehen, wenn die Rechtsfrage , deretwegen das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, lediglich für einen selbständigen, abtrennbaren Teil des Streitstoffs erheblich ist (Senat, aaO, Rn. 8). So verhält es sich hier nicht. Grund der Zulassung war die Frage, „unter welchen, gegenüber dem Normalfall gesteigerten Umständen ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen Nachbarn besteht“. Ein solches- tatsächlich nicht bestehendes - Schuldverhältnis ist von dem Berufungsgericht entwickelt worden, weil es das nach dem Gesetz bestehende und durch die Rechtsprechung fortentwickelte Schutzkonzept zwischen Nachbarn im konkreten Fall für unzureichend erachtet. Damit sollte inzident auch dieses - den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB einschlie- ßende - Schutzkonzept zur Überprüfung durch den Bundesgerichtshof gestellt werden.
20
b) Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht auf feinstoffliche Einwirkungen beschränkt, sondern erfasst auch Grobimmissionen (vgl. Senat, Urteil vom 14. November 2003 - V ZR 102/03, BGHZ 157, 33 sowie Urteil vom 18. September 2009 - V ZR 75/08, NJW 2009, 3787 Rn. 9). Er kann daher gegeben sein, wenn (Niederschlags- oder Leitungs-) Wasser von einem Nachbargrundstück übertritt (vgl. Senat, Urteil vom 30. Mai 2003 - V ZR 37/02, BGHZ 155, 99, 103; Urteil vom 12. November 1999 - V ZR 229/98, NJW-RR 2000, 537; Urteil vom 19. April 1985 - V ZR 33/84, WM 1985, 1041).
21
Entscheidend ist, dass es sich um eine rechtswidrige Einwirkung handelt, die der Eigentümer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muss, aus besonderen Gründen jedoch nicht gemäß § 1004 Abs. 1, § 862 Abs. 1 BGB unterbinden konnte, und dass er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen. Diese Grenze ist bei einem Schaden von fast 4.000 € überschritten. Ein tat- sächlicher Hinderungsgrund, die Einwirkung nach § 1004 Abs. 1 BGB rechtzeitig zu unterbinden, kann sich hier insbesondere daraus ergeben, dass die Kläger auf eine im Frühjahr 2007 gegebene Zusage des Beklagten vertraut haben, das Blech demnächst reparieren zu lassen (vgl. Senat, Urteil vom 18. November 1994 - V ZR 98/93, NJW 1995, 714).
22
Einem Anspruch entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB steht die Sonderbestimmung des § 26 Abs. 1 NRG HE nicht entgegen. Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch ist zwar subsidiär und kommt daher nur in Betracht, wenn nicht eine andere gesetzliche Bestimmung den konkreten Fall abschlie- ßend regelt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 1999 - III ZR 198/98, BGHZ 142, 227, 236 mwN). Das kann hier aber schon deshalb nicht angenommen werden, weil das Hessische Nachbarrecht zu den Folgen eines Verstoßes gegen § 26 NRG HE keine Aussage trifft. Eine an landesrechtliche Nachbarvorschriften anknüpfende deliktsrechtliche Haftung (§ 823 Abs. 1 u. Abs. 2 BGB) stellt keine abschließende Sonderregelung dar, die einem Rückgriff auf den Ausgleichsanspruch entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB entgegenstünde (vgl. Senat, Urteil vom 8. Oktober 2004 - V ZR 84/04, AUR 2005, 410 f. zu 2a; unzutreffend daher: OLG Brandenburg, Urteil vom 30. Juli 2009 - 5 U 133/08, juris Rn. 29 ff. zu § 52 Abs. 1 NRG Bbg). Krüger Stresemann Roth Brückner Weinland
Vorinstanzen:
AG Wetzlar, Entscheidung vom 22.12.2009 - 36 C 838/08 -
LG Limburg, Entscheidung vom 26.11.2010 - 3 S 44/10 -

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 180/03 Verkündet am:
12. Dezember 2003
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Beeinträchtigungen, die von einer Mietwohnung innerhalb desselben Grundstückseigentums
auf eine andere Mietwohnung einwirken, berechtigen den Mieter
der von den Beeinträchtigungen betroffenen Wohnung nicht zu einem verschuldensunabhängigen
nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2
Satz 2 BGB gegen den Mieter der anderen Wohnung.
BGH, Urt. v. 12. Dezember 2003 - V ZR 180/03 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Dezember 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Gaier und Dr. SchmidtRäntsch

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 22. Mai 2003 aufgehoben, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Beklagte betreibt als Mieter im zweiten Obergeschoß eines Ärztehauses eine Arztpraxis. Über die Osterfeiertage 1999 platzte in dieser Praxis ein Zuleitungsschlauch zu einem Waschbecken. Infolgedessen kam es in den darunter liegenden Räumen, in denen die bei der Klägerin versicherten Ärzte, ebenfalls als Mieter, eine Gemeinschaftspraxis für Oralchirurgie betreiben, zu einem Wassereinbruch. Hierbei entstanden Schäden an den Räumlichkeiten und am Inventar, derentwegen die Klägerin Versicherungsleistungen in Höhe
von 190.915,46 DM erbracht hat. Aus übergegangenem Recht verlangt sie die- sen Betrag von dem Beklagten erstattet.
Das Landgericht hat der Klage durch Grundurteil stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist bis auf einen Betrag von 2.900 DM, der für die Erstellung eines Untersuchungsberichts zur Frage der Schadensursache und der Verantwortlichkeit ausgegeben wurde, ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht meint, der Klägerin stehe aus übergegangenem Recht (§ 67 Abs. 1 VVG) ihrer Versicherungsnehmer in entsprechender Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch gegen den Beklagten zu. Dieser von der Rechtsprechung entwickelte verschuldensunabhängige Anspruch sei wegen vergleichbarer Interessenlage auch auf den vorliegenden Fall anwendbar, in dem die Störung des Besitzes der Versicherungsnehmer der Klägerin aus einer Quelle herrühre, die sich in einer anderen Einheit des Gebäudes auf demselben Grundstück befinde.

II.


Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, insbesondere des Senats, ist ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen seiner privatwirtschaftlichen Benutzung Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung überschreiten, sofern der davon betroffene Eigentümer aus besonderen Gründen gehindert war, diese Einwirkungen nach § 1004 Abs. 1 BGB rechtzeitig zu unterbinden (Senat, BGHZ 142, 66, 67 f. m.w.N.; Urt. v. 21. März 2003, V ZR 319/02, NJW 2003, 1732, 1733). Wie das Berufungsgericht zutreffend annimmt, ist dieser Anspruch über den Wortlaut des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB hinaus nicht auf die Folgen der Zuführung unwägbarer Stoffe beschränkt, sondern erfaßt u.a. auch die Störung durch sogenannte Grobimmissionen, wie etwa Wasser (vgl. Senat, BGHZ 142, 66). Er steht außerdem nicht nur dem Eigentümer eines Grundstücks zu, sondern auch dem Besitzer, dessen Abwehranspruch aus § 862 Abs. 1 BGB aus tatsächlichen Gründen nicht geltend gemacht werden konnte (Senat, Urt. v. 23. Februar 2001, V ZR 389/99, NJW 2001, 1865, 1866 m.w.N.). Schließlich kann auch der Benutzer des Grundstücks, von dem die Emissionen ausgehen, zum Ausgleich verpflichtet sein; die Eigentumsverhältnisse sind für die Störereigenschaft nicht entscheidend (vgl. Senat, BGHZ 113, 384, 392 m.w.N.). Der Umstand, daß weder die Versicherungsnehmer der Klägerin noch der Beklagte Grundstückseigentümer sind, steht daher einem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch prinzipiell nicht entgegen.

2. Das Berufungsgericht verkennt nicht, daß der vorliegende Fall eine weitere Besonderheit aufweist. Nach der oben dargestellten Rechtsprechung kann zwar auch ein Besitzer eines Grundstücks einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch haben, und ein solcher Anspruch kann auch gegen den Besitzer eines Grundstücks gerichtet werden. Doch ist nicht darauf verzichtet worden , daß die Störung - wie es dem unmittelbaren Anwendungsbereich des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB entspricht - von einem anderen Grundstück herrührt. Denkbar ist danach, daß der Besitzer eines Grundstücks gegen den Besitzer eines anderen Grundstücks den Anspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB geltend machen kann. Hier ist das Wasser hingegen nicht von einem anderen Grundstück in den befriedeten Bereich der Versicherungsnehmer der Klägerin eingedrungen, sondern lediglich von einem anderen Teil desselben Grundstücks. Voraussetzung für die Zubilligung eines Ausgleichsanspruchs auch in diesem Fall ist daher, daß dessen Grundsätze auf Beeinträchtigungen entsprechend angewendet werden können, die von einer Wohnung innerhalb desselben Grundstückseigentums auf eine andere Wohnung einwirken. Dies ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts zu verneinen.

a) Sein Ergebnis kann insbesondere nicht auf die von ihm zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGHZ 110, 17 und BGH, Urt. v. 14. April 1954, VI ZR 35/53, VersR 1954, 288) gestützt werden.
aa) In dem der Entscheidung BGHZ 110, 17 zugrunde liegenden Fall hat der Bundesgerichtshof einem Grundstückseigentümer einen bürgerlichrechtlichen Ausgleichsanspruch zugesprochen, der aus übergeordneten Interessen zur Duldung einer unterirdischen behälterlosen Speicherung von Gas
durch ein Energieversorgungsunternehmen gehalten war und dadurch in der Nutzung seines Grundstücks zum Tonabbau beeinträchtigt wurde. Dem Umstand , daß es hier an einer von einem anderen Grundstück herrührenden Beeinträchtigung fehlt, hat der Bundesgerichtshof keine entscheidende Bedeutung beigemessen. Maßgeblich war für ihn der besondere Charakter des unterirdischen Eingriffs, der auch eine Enteignung gegen angemessene Entschädigung ermöglicht gehabt hätte (BGH, aaO S. 19 ff.), sowie die Tatsache, daß der Unterschied zu einer Beeinträchtigung von einem benachbarten Grundstück aus lediglich darin lag, daß statt horizontal vertikal eingegriffen wurde (BGH, aaO S. 24).
Aus dieser besonderen Konstellation kann nicht allgemein darauf geschlossen werden, daß jede Beeinträchtigung verschiedener Nutzer eines Grundstücks untereinander zum Ausgleich nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB führen kann. In dem Fall BGHZ 110, 17 geht es, wie in § 906 Abs. 2 grundsätzlich geregelt, um einen von außen kommenden Eingriff in ein fremdes Grundstück. Hier mag ein Ausgleichsanspruch schon mit Rücksicht auf den enteigungsähnlichen Charakter des Eingriffs naheliegen, der sich zudem jeder sonst möglichen schadensersatzrechtlichen Lösung entzieht, da die unterirdische Speicherung zulässig war. Im übrigen wird das Gas von außen unter Druck eingespeist , wobei es wertungsmäßig keinen Unterschied macht, ob dies direkt geschieht oder von einem Nachbargrundstück aus.
Im konkreten Fall ist es strukturell anders. Es geht nicht um die Beeinträchtigung eines Grundstückseigentümers (oder -benutzers) von außen, sondern um einen Konflikt zweier Nutzer desselben Grundstücks, um die Beeinträchtigung des einen durch den anderen, durch Immissionen, die von dem ei-
nen Nutzungsbereich auf den anderen einwirken. Mit dem der Entscheidung BGHZ 110, 17 zugrunde liegenden Konflikt hat das nichts zu tun.
bb) In der Entscheidung aus dem Jahre 1954 (VI ZR 35/53, VersR 1954, 288) hat der VI. Zivilsenat allerdings die Grundsätze des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB auf das Verhältnis von Mietern eines Hauses untereinander für anwendbar erklärt, soweit es um die Bestimmung der Grenzen dessen geht, was ein Mieter an Geräuschen hinnehmen muß, die von den Räumen eines anderen Mieters ausgehen. Eine nähere Begründung dazu fehlt. Die Entscheidungen des Reichsgerichts, auf die der Bundesgerichtshof verweist, stellen bei genauerer Sicht nur eine in verschiedenen Zeitschriften veröffentlichte Entscheidung dar (RG HRR 1931 Nr. 1219 = JW 1932, 2984 Nr. 11, dort nur Leitsatz), in der die entsprechende Anwendung ebenfalls nicht begründet wird. Unabhängig davon wird aber auch nur deutlich, daß nach Auffassung des Bundesgerichtshofs die Grenzen der Duldungspflicht nach den in § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB festgelegten Kriterien ermittelt werden können. Ob zwischen Mietern desselben Hauses auch ein verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch in Betracht kommen kann, erörtert der Bundesgerichtshof nicht und stützt den geltend gemachten Schadensersatzanspruch auf § 823 Abs. 1 BGB, freilich auch schon in Ermangelung einer Regelung des verschuldensunabhängigen Anspruchs überhaupt. Diese wurde erst später als Absatz 2 Satz 2 in die Vorschrift eingefügt.

b) Eine entsprechende Anwendung der von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Grundsätze zum verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist auch nicht aus anderen Gründen gerechtfertigt.

aa) Soweit eine entsprechende Anwendung des § 906 BGB auf das Verhältnis von Mietern eines Hauses untereinander für möglich erachtet wird, geschieht dies zumeist pauschal, ohne näheres Eingehen auf die Voraussetzungen einer Analogie (vgl. BGH, Urt. v. 14. April 1954, VI ZR 35/53, VersR 1954, 288; OLG München, NJW-RR 1992, 1097, ohnehin nur als Hilfserwägung ; Staudinger/Roth, BGB [2001], § 906 Rdn. 107). Außerdem steht im Vordergrund die Überlegung, die in § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB niedergelegten Kriterien zur Bestimmung von Grenzen der nachbarlichen Duldungspflicht auf eine Mietergemeinschaft entsprechend anzuwenden. Die Gewährung eines Ausgleichsanspruchs analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bejaht - soweit ersichtlich - nur das Oberlandesgericht Düsseldorf in der von dem Berufungsgericht angeführten Entscheidung.
bb) Solche Erwägungen lassen außer Betracht, daß es an einer die Analogie rechtfertigenden ausfüllungsbedürftigen Gesetzeslücke fehlt.
§ 906 BGB ist Teil des bürgerlich-rechtlichen Nachbarrechts der §§ 905 bis 924 BGB (Staudinger/Roth, § 906 Rdn. 3; Erman/Hagen/Lorenz, BGB, 10. Aufl., § 906 Rdn. 1; weiter demgegenüber MünchKomm-BGB/Säcker, 3. Aufl., § 906 Rdn. 1, 138: nicht auf das Nachbarverhältnis beschränkt). Der von Absatz 2 Satz 2 der Norm gewährte Ausgleichsanspruch und seine Fortentwicklung durch die Rechtsprechung hat seine Grundlage im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis (Senat, BGHZ 38, 61, 64; BGHZ 113, 384, 391). Er ist Teil des Interessenausgleichs, der für eine sachgerechte Nutzung von Grundstücken im nachbarlichen Raum unerläßlich ist (vgl. Erman/Hagen/Lorenz , § 906 Rdn. 1; vgl. auch Senat, BGHZ 38, 61, 63 f.; MünchKomm-
BGB/Säcker, § 906 Rdn. 1). In einem solchen grundstücksbezogenen Rege- lungszusammenhang sind Normen, die das Verhältnis von Mietern untereinander regeln, nicht zu erwarten. Sie könnten auch nicht an dem Gedanken der Beschränkung der Eigentümerrechte nach § 903 BGB anknüpfen, um den es bei § 906 BGB, allgemein gefaßt, geht (vgl. Erman/Hagen/Lorenz aaO), sondern müßte im Mietrecht angesiedelt werden. Daß das Verhältnis der Mieter untereinander keine Berücksichtigung in § 906 BGB gefunden hat, kann daher nicht als planwidrige Lücke angesehen werden. Daß es auch im Mietrecht keine Normen gibt, die einen Interessenausgleich bezwecken, stellt ebenfalls kein Regelungsdefizit dar, das durch eine analoge Anwendung nachbarrechtlicher Vorschriften, insbesondere durch § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, behoben werden könnte. Dem Gesetzgeber kann nicht verborgen geblieben sein, daß es zwischen Mietern Streit um beeinträchtigende Immissionen geben kann und in der Praxis auch gibt. Wenn er gleichwohl zur Regelung dieses Konflikts keine dem Charakter des § 906 BGB entsprechende Vorschriften geschaffen hat, so kann daraus nur gefolgert werden, daß er eine Regelung für entbehrlich, möglicherweise auch für sachlich fragwürdig, gehalten hat, nicht aber, daß ihm ein dem Regelungskonzept zuwiderlaufender Fehler in Form einer Gesetzeslücke anzulasten ist.
Dagegen spricht auch, daß es einer spezifischen Regelung nicht bedarf. Die Grenzen, die ein Mieter bei der Nutzung der gemieteten Räume einzuhalten hat, ergeben sich aus dem Vertragsverhältnis zum Vermieter, das häufig näher ausgestaltete Verhaltensregeln in Hausordnungen, die Bestandteil des Mietvertrages sind, bereithält. Solche Regelungen werden zugunsten der jeweiligen Mitmieter getroffen und geben ihnen ein eigenes Recht, von den anderen Mietern die Einhaltung der Bestimmungen der Hausordnung zu verlan-
gen, § 328 BGB (OLG München, NJW-RR 1992, 1097 m.w.N.). Im übrigen kann der Mieter vom Vermieter eine von Dritten, insbesondere von Mitmietern, ungestörte Gebrauchsgewährung verlangen, § 535 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl. nur Palandt/Weidenkaff, BGB, 62. Aufl., § 535 Rdn. 28 m.w.N.).
cc) Daraus wird zugleich deutlich, daß es auch an einer vergleichbaren Interessenlage fehlt. Das Verhältnis von Mietern untereinander hat, anders als das Verhältnis benachbarter Grundstückseigentümer, keine rechtliche Ausgestaltung erfahren. Soweit Ansprüche untereinander bestehen, gründen diese auf das Vertragsverhältnis zum Vermieter oder beruhen auf besitzschutz- oder deliktsrechtlichen Normen (vgl. OLG München, NJW-RR 1992, 1097; siehe auch Staudinger/Emmerich, BGB [2003], § 535 Rdn. 134 f.). Unmittelbare Schutzpflichten der Mieter untereinander bestehen nicht (SchmidtFutterer /Eisenschmid, Mietrecht, 8. Aufl., § 535 Rdn. 146 m.w.N.). Eine nähere Bindung, die strukturell dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis gliche, fehlt. Für eine entsprechende Lösung besteht, wie dargelegt, auch kein zwingendes Bedürfnis. Allein der Umstand, daß ein Mieter einen ihm an sich zustehenden Unterlassungsanspruch nach § 862 Abs. 1 BGB wegen der faktischen Gegebenheiten nicht rechtzeitig geltend machen kann, rechtfertigt keine Übertragung der Grundsätze des verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruchs analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf Beeinträchtigungen durch Mitmieter. Analogiefähig wäre dieses Rechtsinstitut nur bei struktureller Vergleichbarkeit und anders nicht zu befriedigender Schutzbedürftigkeit. Daß jemand in seinen Rechten oder Rechtsgütern von Dritten beeinträchtigt wird und er diese Beeinträchtigung nicht rechtzeitig abwehren kann und daher auf verschuldensabhängige Schadensersatzansprüche beschränkt ist, ist keine Unzuträglichkeit und hat die Rechtsprechung nur unter den besonderen Voraussetzungen eines
nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zu einer weitergehenden Lösung, angelehnt an § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, berechtigt (vgl. auch Senat, Urt. v. 29. Juni 1973, V ZR 71/71, MDR 1973, 1013).

III.


Der Rechtsstreit ist nicht zur Entscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). In Betracht kommt eine Haftung des Beklagten, wie vom Landgericht angenommen , nach § 823 Abs. 1 BGB. Insofern bedarf die Sache hinsichtlich der Verschuldensfrage nach den Feststellungen des Berufungsgerichts weiterer Aufklärung.
Wenzel Tropf Krüger Gaier Schmidt-Räntsch

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 180/03 Verkündet am:
12. Dezember 2003
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Beeinträchtigungen, die von einer Mietwohnung innerhalb desselben Grundstückseigentums
auf eine andere Mietwohnung einwirken, berechtigen den Mieter
der von den Beeinträchtigungen betroffenen Wohnung nicht zu einem verschuldensunabhängigen
nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2
Satz 2 BGB gegen den Mieter der anderen Wohnung.
BGH, Urt. v. 12. Dezember 2003 - V ZR 180/03 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Dezember 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Gaier und Dr. SchmidtRäntsch

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 22. Mai 2003 aufgehoben, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Beklagte betreibt als Mieter im zweiten Obergeschoß eines Ärztehauses eine Arztpraxis. Über die Osterfeiertage 1999 platzte in dieser Praxis ein Zuleitungsschlauch zu einem Waschbecken. Infolgedessen kam es in den darunter liegenden Räumen, in denen die bei der Klägerin versicherten Ärzte, ebenfalls als Mieter, eine Gemeinschaftspraxis für Oralchirurgie betreiben, zu einem Wassereinbruch. Hierbei entstanden Schäden an den Räumlichkeiten und am Inventar, derentwegen die Klägerin Versicherungsleistungen in Höhe
von 190.915,46 DM erbracht hat. Aus übergegangenem Recht verlangt sie die- sen Betrag von dem Beklagten erstattet.
Das Landgericht hat der Klage durch Grundurteil stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist bis auf einen Betrag von 2.900 DM, der für die Erstellung eines Untersuchungsberichts zur Frage der Schadensursache und der Verantwortlichkeit ausgegeben wurde, ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht meint, der Klägerin stehe aus übergegangenem Recht (§ 67 Abs. 1 VVG) ihrer Versicherungsnehmer in entsprechender Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch gegen den Beklagten zu. Dieser von der Rechtsprechung entwickelte verschuldensunabhängige Anspruch sei wegen vergleichbarer Interessenlage auch auf den vorliegenden Fall anwendbar, in dem die Störung des Besitzes der Versicherungsnehmer der Klägerin aus einer Quelle herrühre, die sich in einer anderen Einheit des Gebäudes auf demselben Grundstück befinde.

II.


Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, insbesondere des Senats, ist ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen seiner privatwirtschaftlichen Benutzung Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung überschreiten, sofern der davon betroffene Eigentümer aus besonderen Gründen gehindert war, diese Einwirkungen nach § 1004 Abs. 1 BGB rechtzeitig zu unterbinden (Senat, BGHZ 142, 66, 67 f. m.w.N.; Urt. v. 21. März 2003, V ZR 319/02, NJW 2003, 1732, 1733). Wie das Berufungsgericht zutreffend annimmt, ist dieser Anspruch über den Wortlaut des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB hinaus nicht auf die Folgen der Zuführung unwägbarer Stoffe beschränkt, sondern erfaßt u.a. auch die Störung durch sogenannte Grobimmissionen, wie etwa Wasser (vgl. Senat, BGHZ 142, 66). Er steht außerdem nicht nur dem Eigentümer eines Grundstücks zu, sondern auch dem Besitzer, dessen Abwehranspruch aus § 862 Abs. 1 BGB aus tatsächlichen Gründen nicht geltend gemacht werden konnte (Senat, Urt. v. 23. Februar 2001, V ZR 389/99, NJW 2001, 1865, 1866 m.w.N.). Schließlich kann auch der Benutzer des Grundstücks, von dem die Emissionen ausgehen, zum Ausgleich verpflichtet sein; die Eigentumsverhältnisse sind für die Störereigenschaft nicht entscheidend (vgl. Senat, BGHZ 113, 384, 392 m.w.N.). Der Umstand, daß weder die Versicherungsnehmer der Klägerin noch der Beklagte Grundstückseigentümer sind, steht daher einem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch prinzipiell nicht entgegen.

2. Das Berufungsgericht verkennt nicht, daß der vorliegende Fall eine weitere Besonderheit aufweist. Nach der oben dargestellten Rechtsprechung kann zwar auch ein Besitzer eines Grundstücks einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch haben, und ein solcher Anspruch kann auch gegen den Besitzer eines Grundstücks gerichtet werden. Doch ist nicht darauf verzichtet worden , daß die Störung - wie es dem unmittelbaren Anwendungsbereich des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB entspricht - von einem anderen Grundstück herrührt. Denkbar ist danach, daß der Besitzer eines Grundstücks gegen den Besitzer eines anderen Grundstücks den Anspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB geltend machen kann. Hier ist das Wasser hingegen nicht von einem anderen Grundstück in den befriedeten Bereich der Versicherungsnehmer der Klägerin eingedrungen, sondern lediglich von einem anderen Teil desselben Grundstücks. Voraussetzung für die Zubilligung eines Ausgleichsanspruchs auch in diesem Fall ist daher, daß dessen Grundsätze auf Beeinträchtigungen entsprechend angewendet werden können, die von einer Wohnung innerhalb desselben Grundstückseigentums auf eine andere Wohnung einwirken. Dies ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts zu verneinen.

a) Sein Ergebnis kann insbesondere nicht auf die von ihm zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGHZ 110, 17 und BGH, Urt. v. 14. April 1954, VI ZR 35/53, VersR 1954, 288) gestützt werden.
aa) In dem der Entscheidung BGHZ 110, 17 zugrunde liegenden Fall hat der Bundesgerichtshof einem Grundstückseigentümer einen bürgerlichrechtlichen Ausgleichsanspruch zugesprochen, der aus übergeordneten Interessen zur Duldung einer unterirdischen behälterlosen Speicherung von Gas
durch ein Energieversorgungsunternehmen gehalten war und dadurch in der Nutzung seines Grundstücks zum Tonabbau beeinträchtigt wurde. Dem Umstand , daß es hier an einer von einem anderen Grundstück herrührenden Beeinträchtigung fehlt, hat der Bundesgerichtshof keine entscheidende Bedeutung beigemessen. Maßgeblich war für ihn der besondere Charakter des unterirdischen Eingriffs, der auch eine Enteignung gegen angemessene Entschädigung ermöglicht gehabt hätte (BGH, aaO S. 19 ff.), sowie die Tatsache, daß der Unterschied zu einer Beeinträchtigung von einem benachbarten Grundstück aus lediglich darin lag, daß statt horizontal vertikal eingegriffen wurde (BGH, aaO S. 24).
Aus dieser besonderen Konstellation kann nicht allgemein darauf geschlossen werden, daß jede Beeinträchtigung verschiedener Nutzer eines Grundstücks untereinander zum Ausgleich nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB führen kann. In dem Fall BGHZ 110, 17 geht es, wie in § 906 Abs. 2 grundsätzlich geregelt, um einen von außen kommenden Eingriff in ein fremdes Grundstück. Hier mag ein Ausgleichsanspruch schon mit Rücksicht auf den enteigungsähnlichen Charakter des Eingriffs naheliegen, der sich zudem jeder sonst möglichen schadensersatzrechtlichen Lösung entzieht, da die unterirdische Speicherung zulässig war. Im übrigen wird das Gas von außen unter Druck eingespeist , wobei es wertungsmäßig keinen Unterschied macht, ob dies direkt geschieht oder von einem Nachbargrundstück aus.
Im konkreten Fall ist es strukturell anders. Es geht nicht um die Beeinträchtigung eines Grundstückseigentümers (oder -benutzers) von außen, sondern um einen Konflikt zweier Nutzer desselben Grundstücks, um die Beeinträchtigung des einen durch den anderen, durch Immissionen, die von dem ei-
nen Nutzungsbereich auf den anderen einwirken. Mit dem der Entscheidung BGHZ 110, 17 zugrunde liegenden Konflikt hat das nichts zu tun.
bb) In der Entscheidung aus dem Jahre 1954 (VI ZR 35/53, VersR 1954, 288) hat der VI. Zivilsenat allerdings die Grundsätze des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB auf das Verhältnis von Mietern eines Hauses untereinander für anwendbar erklärt, soweit es um die Bestimmung der Grenzen dessen geht, was ein Mieter an Geräuschen hinnehmen muß, die von den Räumen eines anderen Mieters ausgehen. Eine nähere Begründung dazu fehlt. Die Entscheidungen des Reichsgerichts, auf die der Bundesgerichtshof verweist, stellen bei genauerer Sicht nur eine in verschiedenen Zeitschriften veröffentlichte Entscheidung dar (RG HRR 1931 Nr. 1219 = JW 1932, 2984 Nr. 11, dort nur Leitsatz), in der die entsprechende Anwendung ebenfalls nicht begründet wird. Unabhängig davon wird aber auch nur deutlich, daß nach Auffassung des Bundesgerichtshofs die Grenzen der Duldungspflicht nach den in § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB festgelegten Kriterien ermittelt werden können. Ob zwischen Mietern desselben Hauses auch ein verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch in Betracht kommen kann, erörtert der Bundesgerichtshof nicht und stützt den geltend gemachten Schadensersatzanspruch auf § 823 Abs. 1 BGB, freilich auch schon in Ermangelung einer Regelung des verschuldensunabhängigen Anspruchs überhaupt. Diese wurde erst später als Absatz 2 Satz 2 in die Vorschrift eingefügt.

b) Eine entsprechende Anwendung der von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Grundsätze zum verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist auch nicht aus anderen Gründen gerechtfertigt.

aa) Soweit eine entsprechende Anwendung des § 906 BGB auf das Verhältnis von Mietern eines Hauses untereinander für möglich erachtet wird, geschieht dies zumeist pauschal, ohne näheres Eingehen auf die Voraussetzungen einer Analogie (vgl. BGH, Urt. v. 14. April 1954, VI ZR 35/53, VersR 1954, 288; OLG München, NJW-RR 1992, 1097, ohnehin nur als Hilfserwägung ; Staudinger/Roth, BGB [2001], § 906 Rdn. 107). Außerdem steht im Vordergrund die Überlegung, die in § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB niedergelegten Kriterien zur Bestimmung von Grenzen der nachbarlichen Duldungspflicht auf eine Mietergemeinschaft entsprechend anzuwenden. Die Gewährung eines Ausgleichsanspruchs analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bejaht - soweit ersichtlich - nur das Oberlandesgericht Düsseldorf in der von dem Berufungsgericht angeführten Entscheidung.
bb) Solche Erwägungen lassen außer Betracht, daß es an einer die Analogie rechtfertigenden ausfüllungsbedürftigen Gesetzeslücke fehlt.
§ 906 BGB ist Teil des bürgerlich-rechtlichen Nachbarrechts der §§ 905 bis 924 BGB (Staudinger/Roth, § 906 Rdn. 3; Erman/Hagen/Lorenz, BGB, 10. Aufl., § 906 Rdn. 1; weiter demgegenüber MünchKomm-BGB/Säcker, 3. Aufl., § 906 Rdn. 1, 138: nicht auf das Nachbarverhältnis beschränkt). Der von Absatz 2 Satz 2 der Norm gewährte Ausgleichsanspruch und seine Fortentwicklung durch die Rechtsprechung hat seine Grundlage im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis (Senat, BGHZ 38, 61, 64; BGHZ 113, 384, 391). Er ist Teil des Interessenausgleichs, der für eine sachgerechte Nutzung von Grundstücken im nachbarlichen Raum unerläßlich ist (vgl. Erman/Hagen/Lorenz , § 906 Rdn. 1; vgl. auch Senat, BGHZ 38, 61, 63 f.; MünchKomm-
BGB/Säcker, § 906 Rdn. 1). In einem solchen grundstücksbezogenen Rege- lungszusammenhang sind Normen, die das Verhältnis von Mietern untereinander regeln, nicht zu erwarten. Sie könnten auch nicht an dem Gedanken der Beschränkung der Eigentümerrechte nach § 903 BGB anknüpfen, um den es bei § 906 BGB, allgemein gefaßt, geht (vgl. Erman/Hagen/Lorenz aaO), sondern müßte im Mietrecht angesiedelt werden. Daß das Verhältnis der Mieter untereinander keine Berücksichtigung in § 906 BGB gefunden hat, kann daher nicht als planwidrige Lücke angesehen werden. Daß es auch im Mietrecht keine Normen gibt, die einen Interessenausgleich bezwecken, stellt ebenfalls kein Regelungsdefizit dar, das durch eine analoge Anwendung nachbarrechtlicher Vorschriften, insbesondere durch § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, behoben werden könnte. Dem Gesetzgeber kann nicht verborgen geblieben sein, daß es zwischen Mietern Streit um beeinträchtigende Immissionen geben kann und in der Praxis auch gibt. Wenn er gleichwohl zur Regelung dieses Konflikts keine dem Charakter des § 906 BGB entsprechende Vorschriften geschaffen hat, so kann daraus nur gefolgert werden, daß er eine Regelung für entbehrlich, möglicherweise auch für sachlich fragwürdig, gehalten hat, nicht aber, daß ihm ein dem Regelungskonzept zuwiderlaufender Fehler in Form einer Gesetzeslücke anzulasten ist.
Dagegen spricht auch, daß es einer spezifischen Regelung nicht bedarf. Die Grenzen, die ein Mieter bei der Nutzung der gemieteten Räume einzuhalten hat, ergeben sich aus dem Vertragsverhältnis zum Vermieter, das häufig näher ausgestaltete Verhaltensregeln in Hausordnungen, die Bestandteil des Mietvertrages sind, bereithält. Solche Regelungen werden zugunsten der jeweiligen Mitmieter getroffen und geben ihnen ein eigenes Recht, von den anderen Mietern die Einhaltung der Bestimmungen der Hausordnung zu verlan-
gen, § 328 BGB (OLG München, NJW-RR 1992, 1097 m.w.N.). Im übrigen kann der Mieter vom Vermieter eine von Dritten, insbesondere von Mitmietern, ungestörte Gebrauchsgewährung verlangen, § 535 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl. nur Palandt/Weidenkaff, BGB, 62. Aufl., § 535 Rdn. 28 m.w.N.).
cc) Daraus wird zugleich deutlich, daß es auch an einer vergleichbaren Interessenlage fehlt. Das Verhältnis von Mietern untereinander hat, anders als das Verhältnis benachbarter Grundstückseigentümer, keine rechtliche Ausgestaltung erfahren. Soweit Ansprüche untereinander bestehen, gründen diese auf das Vertragsverhältnis zum Vermieter oder beruhen auf besitzschutz- oder deliktsrechtlichen Normen (vgl. OLG München, NJW-RR 1992, 1097; siehe auch Staudinger/Emmerich, BGB [2003], § 535 Rdn. 134 f.). Unmittelbare Schutzpflichten der Mieter untereinander bestehen nicht (SchmidtFutterer /Eisenschmid, Mietrecht, 8. Aufl., § 535 Rdn. 146 m.w.N.). Eine nähere Bindung, die strukturell dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis gliche, fehlt. Für eine entsprechende Lösung besteht, wie dargelegt, auch kein zwingendes Bedürfnis. Allein der Umstand, daß ein Mieter einen ihm an sich zustehenden Unterlassungsanspruch nach § 862 Abs. 1 BGB wegen der faktischen Gegebenheiten nicht rechtzeitig geltend machen kann, rechtfertigt keine Übertragung der Grundsätze des verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruchs analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf Beeinträchtigungen durch Mitmieter. Analogiefähig wäre dieses Rechtsinstitut nur bei struktureller Vergleichbarkeit und anders nicht zu befriedigender Schutzbedürftigkeit. Daß jemand in seinen Rechten oder Rechtsgütern von Dritten beeinträchtigt wird und er diese Beeinträchtigung nicht rechtzeitig abwehren kann und daher auf verschuldensabhängige Schadensersatzansprüche beschränkt ist, ist keine Unzuträglichkeit und hat die Rechtsprechung nur unter den besonderen Voraussetzungen eines
nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zu einer weitergehenden Lösung, angelehnt an § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, berechtigt (vgl. auch Senat, Urt. v. 29. Juni 1973, V ZR 71/71, MDR 1973, 1013).

III.


Der Rechtsstreit ist nicht zur Entscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). In Betracht kommt eine Haftung des Beklagten, wie vom Landgericht angenommen , nach § 823 Abs. 1 BGB. Insofern bedarf die Sache hinsichtlich der Verschuldensfrage nach den Feststellungen des Berufungsgerichts weiterer Aufklärung.
Wenzel Tropf Krüger Gaier Schmidt-Räntsch

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 180/03 Verkündet am:
12. Dezember 2003
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Beeinträchtigungen, die von einer Mietwohnung innerhalb desselben Grundstückseigentums
auf eine andere Mietwohnung einwirken, berechtigen den Mieter
der von den Beeinträchtigungen betroffenen Wohnung nicht zu einem verschuldensunabhängigen
nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2
Satz 2 BGB gegen den Mieter der anderen Wohnung.
BGH, Urt. v. 12. Dezember 2003 - V ZR 180/03 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Dezember 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Gaier und Dr. SchmidtRäntsch

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 22. Mai 2003 aufgehoben, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Beklagte betreibt als Mieter im zweiten Obergeschoß eines Ärztehauses eine Arztpraxis. Über die Osterfeiertage 1999 platzte in dieser Praxis ein Zuleitungsschlauch zu einem Waschbecken. Infolgedessen kam es in den darunter liegenden Räumen, in denen die bei der Klägerin versicherten Ärzte, ebenfalls als Mieter, eine Gemeinschaftspraxis für Oralchirurgie betreiben, zu einem Wassereinbruch. Hierbei entstanden Schäden an den Räumlichkeiten und am Inventar, derentwegen die Klägerin Versicherungsleistungen in Höhe
von 190.915,46 DM erbracht hat. Aus übergegangenem Recht verlangt sie die- sen Betrag von dem Beklagten erstattet.
Das Landgericht hat der Klage durch Grundurteil stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist bis auf einen Betrag von 2.900 DM, der für die Erstellung eines Untersuchungsberichts zur Frage der Schadensursache und der Verantwortlichkeit ausgegeben wurde, ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht meint, der Klägerin stehe aus übergegangenem Recht (§ 67 Abs. 1 VVG) ihrer Versicherungsnehmer in entsprechender Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch gegen den Beklagten zu. Dieser von der Rechtsprechung entwickelte verschuldensunabhängige Anspruch sei wegen vergleichbarer Interessenlage auch auf den vorliegenden Fall anwendbar, in dem die Störung des Besitzes der Versicherungsnehmer der Klägerin aus einer Quelle herrühre, die sich in einer anderen Einheit des Gebäudes auf demselben Grundstück befinde.

II.


Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, insbesondere des Senats, ist ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen seiner privatwirtschaftlichen Benutzung Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung überschreiten, sofern der davon betroffene Eigentümer aus besonderen Gründen gehindert war, diese Einwirkungen nach § 1004 Abs. 1 BGB rechtzeitig zu unterbinden (Senat, BGHZ 142, 66, 67 f. m.w.N.; Urt. v. 21. März 2003, V ZR 319/02, NJW 2003, 1732, 1733). Wie das Berufungsgericht zutreffend annimmt, ist dieser Anspruch über den Wortlaut des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB hinaus nicht auf die Folgen der Zuführung unwägbarer Stoffe beschränkt, sondern erfaßt u.a. auch die Störung durch sogenannte Grobimmissionen, wie etwa Wasser (vgl. Senat, BGHZ 142, 66). Er steht außerdem nicht nur dem Eigentümer eines Grundstücks zu, sondern auch dem Besitzer, dessen Abwehranspruch aus § 862 Abs. 1 BGB aus tatsächlichen Gründen nicht geltend gemacht werden konnte (Senat, Urt. v. 23. Februar 2001, V ZR 389/99, NJW 2001, 1865, 1866 m.w.N.). Schließlich kann auch der Benutzer des Grundstücks, von dem die Emissionen ausgehen, zum Ausgleich verpflichtet sein; die Eigentumsverhältnisse sind für die Störereigenschaft nicht entscheidend (vgl. Senat, BGHZ 113, 384, 392 m.w.N.). Der Umstand, daß weder die Versicherungsnehmer der Klägerin noch der Beklagte Grundstückseigentümer sind, steht daher einem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch prinzipiell nicht entgegen.

2. Das Berufungsgericht verkennt nicht, daß der vorliegende Fall eine weitere Besonderheit aufweist. Nach der oben dargestellten Rechtsprechung kann zwar auch ein Besitzer eines Grundstücks einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch haben, und ein solcher Anspruch kann auch gegen den Besitzer eines Grundstücks gerichtet werden. Doch ist nicht darauf verzichtet worden , daß die Störung - wie es dem unmittelbaren Anwendungsbereich des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB entspricht - von einem anderen Grundstück herrührt. Denkbar ist danach, daß der Besitzer eines Grundstücks gegen den Besitzer eines anderen Grundstücks den Anspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB geltend machen kann. Hier ist das Wasser hingegen nicht von einem anderen Grundstück in den befriedeten Bereich der Versicherungsnehmer der Klägerin eingedrungen, sondern lediglich von einem anderen Teil desselben Grundstücks. Voraussetzung für die Zubilligung eines Ausgleichsanspruchs auch in diesem Fall ist daher, daß dessen Grundsätze auf Beeinträchtigungen entsprechend angewendet werden können, die von einer Wohnung innerhalb desselben Grundstückseigentums auf eine andere Wohnung einwirken. Dies ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts zu verneinen.

a) Sein Ergebnis kann insbesondere nicht auf die von ihm zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGHZ 110, 17 und BGH, Urt. v. 14. April 1954, VI ZR 35/53, VersR 1954, 288) gestützt werden.
aa) In dem der Entscheidung BGHZ 110, 17 zugrunde liegenden Fall hat der Bundesgerichtshof einem Grundstückseigentümer einen bürgerlichrechtlichen Ausgleichsanspruch zugesprochen, der aus übergeordneten Interessen zur Duldung einer unterirdischen behälterlosen Speicherung von Gas
durch ein Energieversorgungsunternehmen gehalten war und dadurch in der Nutzung seines Grundstücks zum Tonabbau beeinträchtigt wurde. Dem Umstand , daß es hier an einer von einem anderen Grundstück herrührenden Beeinträchtigung fehlt, hat der Bundesgerichtshof keine entscheidende Bedeutung beigemessen. Maßgeblich war für ihn der besondere Charakter des unterirdischen Eingriffs, der auch eine Enteignung gegen angemessene Entschädigung ermöglicht gehabt hätte (BGH, aaO S. 19 ff.), sowie die Tatsache, daß der Unterschied zu einer Beeinträchtigung von einem benachbarten Grundstück aus lediglich darin lag, daß statt horizontal vertikal eingegriffen wurde (BGH, aaO S. 24).
Aus dieser besonderen Konstellation kann nicht allgemein darauf geschlossen werden, daß jede Beeinträchtigung verschiedener Nutzer eines Grundstücks untereinander zum Ausgleich nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB führen kann. In dem Fall BGHZ 110, 17 geht es, wie in § 906 Abs. 2 grundsätzlich geregelt, um einen von außen kommenden Eingriff in ein fremdes Grundstück. Hier mag ein Ausgleichsanspruch schon mit Rücksicht auf den enteigungsähnlichen Charakter des Eingriffs naheliegen, der sich zudem jeder sonst möglichen schadensersatzrechtlichen Lösung entzieht, da die unterirdische Speicherung zulässig war. Im übrigen wird das Gas von außen unter Druck eingespeist , wobei es wertungsmäßig keinen Unterschied macht, ob dies direkt geschieht oder von einem Nachbargrundstück aus.
Im konkreten Fall ist es strukturell anders. Es geht nicht um die Beeinträchtigung eines Grundstückseigentümers (oder -benutzers) von außen, sondern um einen Konflikt zweier Nutzer desselben Grundstücks, um die Beeinträchtigung des einen durch den anderen, durch Immissionen, die von dem ei-
nen Nutzungsbereich auf den anderen einwirken. Mit dem der Entscheidung BGHZ 110, 17 zugrunde liegenden Konflikt hat das nichts zu tun.
bb) In der Entscheidung aus dem Jahre 1954 (VI ZR 35/53, VersR 1954, 288) hat der VI. Zivilsenat allerdings die Grundsätze des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB auf das Verhältnis von Mietern eines Hauses untereinander für anwendbar erklärt, soweit es um die Bestimmung der Grenzen dessen geht, was ein Mieter an Geräuschen hinnehmen muß, die von den Räumen eines anderen Mieters ausgehen. Eine nähere Begründung dazu fehlt. Die Entscheidungen des Reichsgerichts, auf die der Bundesgerichtshof verweist, stellen bei genauerer Sicht nur eine in verschiedenen Zeitschriften veröffentlichte Entscheidung dar (RG HRR 1931 Nr. 1219 = JW 1932, 2984 Nr. 11, dort nur Leitsatz), in der die entsprechende Anwendung ebenfalls nicht begründet wird. Unabhängig davon wird aber auch nur deutlich, daß nach Auffassung des Bundesgerichtshofs die Grenzen der Duldungspflicht nach den in § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB festgelegten Kriterien ermittelt werden können. Ob zwischen Mietern desselben Hauses auch ein verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch in Betracht kommen kann, erörtert der Bundesgerichtshof nicht und stützt den geltend gemachten Schadensersatzanspruch auf § 823 Abs. 1 BGB, freilich auch schon in Ermangelung einer Regelung des verschuldensunabhängigen Anspruchs überhaupt. Diese wurde erst später als Absatz 2 Satz 2 in die Vorschrift eingefügt.

b) Eine entsprechende Anwendung der von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Grundsätze zum verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist auch nicht aus anderen Gründen gerechtfertigt.

aa) Soweit eine entsprechende Anwendung des § 906 BGB auf das Verhältnis von Mietern eines Hauses untereinander für möglich erachtet wird, geschieht dies zumeist pauschal, ohne näheres Eingehen auf die Voraussetzungen einer Analogie (vgl. BGH, Urt. v. 14. April 1954, VI ZR 35/53, VersR 1954, 288; OLG München, NJW-RR 1992, 1097, ohnehin nur als Hilfserwägung ; Staudinger/Roth, BGB [2001], § 906 Rdn. 107). Außerdem steht im Vordergrund die Überlegung, die in § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB niedergelegten Kriterien zur Bestimmung von Grenzen der nachbarlichen Duldungspflicht auf eine Mietergemeinschaft entsprechend anzuwenden. Die Gewährung eines Ausgleichsanspruchs analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bejaht - soweit ersichtlich - nur das Oberlandesgericht Düsseldorf in der von dem Berufungsgericht angeführten Entscheidung.
bb) Solche Erwägungen lassen außer Betracht, daß es an einer die Analogie rechtfertigenden ausfüllungsbedürftigen Gesetzeslücke fehlt.
§ 906 BGB ist Teil des bürgerlich-rechtlichen Nachbarrechts der §§ 905 bis 924 BGB (Staudinger/Roth, § 906 Rdn. 3; Erman/Hagen/Lorenz, BGB, 10. Aufl., § 906 Rdn. 1; weiter demgegenüber MünchKomm-BGB/Säcker, 3. Aufl., § 906 Rdn. 1, 138: nicht auf das Nachbarverhältnis beschränkt). Der von Absatz 2 Satz 2 der Norm gewährte Ausgleichsanspruch und seine Fortentwicklung durch die Rechtsprechung hat seine Grundlage im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis (Senat, BGHZ 38, 61, 64; BGHZ 113, 384, 391). Er ist Teil des Interessenausgleichs, der für eine sachgerechte Nutzung von Grundstücken im nachbarlichen Raum unerläßlich ist (vgl. Erman/Hagen/Lorenz , § 906 Rdn. 1; vgl. auch Senat, BGHZ 38, 61, 63 f.; MünchKomm-
BGB/Säcker, § 906 Rdn. 1). In einem solchen grundstücksbezogenen Rege- lungszusammenhang sind Normen, die das Verhältnis von Mietern untereinander regeln, nicht zu erwarten. Sie könnten auch nicht an dem Gedanken der Beschränkung der Eigentümerrechte nach § 903 BGB anknüpfen, um den es bei § 906 BGB, allgemein gefaßt, geht (vgl. Erman/Hagen/Lorenz aaO), sondern müßte im Mietrecht angesiedelt werden. Daß das Verhältnis der Mieter untereinander keine Berücksichtigung in § 906 BGB gefunden hat, kann daher nicht als planwidrige Lücke angesehen werden. Daß es auch im Mietrecht keine Normen gibt, die einen Interessenausgleich bezwecken, stellt ebenfalls kein Regelungsdefizit dar, das durch eine analoge Anwendung nachbarrechtlicher Vorschriften, insbesondere durch § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, behoben werden könnte. Dem Gesetzgeber kann nicht verborgen geblieben sein, daß es zwischen Mietern Streit um beeinträchtigende Immissionen geben kann und in der Praxis auch gibt. Wenn er gleichwohl zur Regelung dieses Konflikts keine dem Charakter des § 906 BGB entsprechende Vorschriften geschaffen hat, so kann daraus nur gefolgert werden, daß er eine Regelung für entbehrlich, möglicherweise auch für sachlich fragwürdig, gehalten hat, nicht aber, daß ihm ein dem Regelungskonzept zuwiderlaufender Fehler in Form einer Gesetzeslücke anzulasten ist.
Dagegen spricht auch, daß es einer spezifischen Regelung nicht bedarf. Die Grenzen, die ein Mieter bei der Nutzung der gemieteten Räume einzuhalten hat, ergeben sich aus dem Vertragsverhältnis zum Vermieter, das häufig näher ausgestaltete Verhaltensregeln in Hausordnungen, die Bestandteil des Mietvertrages sind, bereithält. Solche Regelungen werden zugunsten der jeweiligen Mitmieter getroffen und geben ihnen ein eigenes Recht, von den anderen Mietern die Einhaltung der Bestimmungen der Hausordnung zu verlan-
gen, § 328 BGB (OLG München, NJW-RR 1992, 1097 m.w.N.). Im übrigen kann der Mieter vom Vermieter eine von Dritten, insbesondere von Mitmietern, ungestörte Gebrauchsgewährung verlangen, § 535 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl. nur Palandt/Weidenkaff, BGB, 62. Aufl., § 535 Rdn. 28 m.w.N.).
cc) Daraus wird zugleich deutlich, daß es auch an einer vergleichbaren Interessenlage fehlt. Das Verhältnis von Mietern untereinander hat, anders als das Verhältnis benachbarter Grundstückseigentümer, keine rechtliche Ausgestaltung erfahren. Soweit Ansprüche untereinander bestehen, gründen diese auf das Vertragsverhältnis zum Vermieter oder beruhen auf besitzschutz- oder deliktsrechtlichen Normen (vgl. OLG München, NJW-RR 1992, 1097; siehe auch Staudinger/Emmerich, BGB [2003], § 535 Rdn. 134 f.). Unmittelbare Schutzpflichten der Mieter untereinander bestehen nicht (SchmidtFutterer /Eisenschmid, Mietrecht, 8. Aufl., § 535 Rdn. 146 m.w.N.). Eine nähere Bindung, die strukturell dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis gliche, fehlt. Für eine entsprechende Lösung besteht, wie dargelegt, auch kein zwingendes Bedürfnis. Allein der Umstand, daß ein Mieter einen ihm an sich zustehenden Unterlassungsanspruch nach § 862 Abs. 1 BGB wegen der faktischen Gegebenheiten nicht rechtzeitig geltend machen kann, rechtfertigt keine Übertragung der Grundsätze des verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruchs analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf Beeinträchtigungen durch Mitmieter. Analogiefähig wäre dieses Rechtsinstitut nur bei struktureller Vergleichbarkeit und anders nicht zu befriedigender Schutzbedürftigkeit. Daß jemand in seinen Rechten oder Rechtsgütern von Dritten beeinträchtigt wird und er diese Beeinträchtigung nicht rechtzeitig abwehren kann und daher auf verschuldensabhängige Schadensersatzansprüche beschränkt ist, ist keine Unzuträglichkeit und hat die Rechtsprechung nur unter den besonderen Voraussetzungen eines
nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zu einer weitergehenden Lösung, angelehnt an § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, berechtigt (vgl. auch Senat, Urt. v. 29. Juni 1973, V ZR 71/71, MDR 1973, 1013).

III.


Der Rechtsstreit ist nicht zur Entscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). In Betracht kommt eine Haftung des Beklagten, wie vom Landgericht angenommen , nach § 823 Abs. 1 BGB. Insofern bedarf die Sache hinsichtlich der Verschuldensfrage nach den Feststellungen des Berufungsgerichts weiterer Aufklärung.
Wenzel Tropf Krüger Gaier Schmidt-Räntsch

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 10/10 Verkündet am:
21. Mai 2010
Weschenfelder,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Wird die Nutzung des Sondereigentums durch einen Mangel am Gemeinschaftseigentum
beeinträchtigt, so steht dem Sondereigentümer kein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch
in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zu.
BGH, Urteil vom 21. Mai 2010 - V ZR 10/10 - LG München I
AG Augsburg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom
21. Mai 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter
Dr. Klein, die Richterin Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Landgerichts München I, 1. Zivilkammer , vom 14. Dezember 2009 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Kläger sind Eigentümer einer Wohnung in einer Wohnungseigentumsanlage in N. (B. ); Beklagte ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.
2
Die Wohnung der Kläger war vermietet. Ende März 2006 zeigte sich ein Wasserschaden an der Decke im Wohnzimmer. Eine erste Reparatur an einem Regenrohr brachte keinen Erfolg. Die Eigentümerversammlung beschloss Anfang Mai 2006 die Instandsetzung unter Einschaltung eines Architekten und der Beauftragung von Fachunternehmen. Trotz mehrerer Reparaturversuche kam es von Juni bis August 2006 zu weiteren Wassereinbrüchen, bis man einen Konstruktionsfehler an dem Tür-Fenster-Element in der über der Wohnung der Kläger liegenden Wohnung als Ursache des Mangels erkannte und diesen Fehler durch Austausch des Bauelements behob.
3
Die Kläger verlangen von der Beklagten Ersatz für Mietminderungen und Ausfälle durch den Auszug der Mieterin und Ersatz der Kosten der Instandsetzung in Höhe von insgesamt 4.317,30 € zuzüglich Zinsen sowie vorgerichtliche Kosten von 359,50 €.
4
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen; das Landgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger diese Ansprüche weiter.

Entscheidungsgründe:


I.

5
Das Berufungsgericht verneint einen verschuldensabhängigen Ersatzanspruch , weil die Wasserschäden auf einen Konstruktionsmangel am Gemeinschaftseigentum zurückgingen, an dem die Beklagte und ihre Organe kein Verschulden getroffen habe. Die Eigentümerversammlung habe nach dem ersten Wassereinbruch auch umgehend reagiert und die Mängelbeseitigung beschlossen.
6
Ein verschuldensunabhängiger Ersatzanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB komme - entgegen der Ansicht der Kläger - nicht in Betracht. Die Vorschrift sei unmittelbar nicht einschlägig, weil sie eine von einem anderen Grundstück ausgehende Störung voraussetze. Sie sei auch nicht analog anwendbar, da die Interessenlage innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft sich von derjenigen zwischen Grundstücksnachbarn unterscheide.
7
Grundstückseigentümer bestimmten selbstständig, wie sie ihre Grundstücke nutzten, ohne dass der Nachbar darauf Einfluss habe. Unter Wohnungseigentümern sei dies in Bezug auf die vom gemeinschaftlichen Eigentum ausgehenden Störungen anders, weil jeder Wohnungseigentümer über seinen Miteigentumsanteil Einfluss auf dessen Nutzung und damit auch auf die Störungsquelle habe. Wohnungseigentümer seien damit in Bezug auf die von dem gemeinschaftlichen Eigentum ausgehenden Störungen weniger schutzwürdig als Grundstückseigentümer gegenüber den von einem Nachbargrundstück ausgehenden Einwirkungen.
8
Es fehle auch an einer Regelungslücke im Wohnungseigentumsgesetz, das in § 14 Nr. 4 Halbs. 2 einen verschuldensunabhängigen Ersatzanspruch kenne. Diese Norm zeige, dass sich der Gesetzgeber der Problematik solcher Beeinträchtigungen bewusst gewesen sei, er aber nur für bestimmte Fälle eine verschuldens unabhängige Haftung angeordnet habe. Wäre eine der Regelung des § 906 Abs. 2 BGB entsprechende Ersatzpflicht gewollt gewesen, hätte man § 14 Nr. 4 Halbs. 2 WEG weiter fassen können. Die analoge Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB führte überdies dazu, dass § 14 Nr. 4 Halbs. 2 WEG neben dem allgemeinen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch überflüssig würde, was aber nicht als vom Gesetz gewollt angenommen werden könne.
9
Abgesehen davon sei der beklagte Verband für einen solchen Anspruch nicht passivlegitimiert.

II.

10
Die Revision der Kläger ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Abweisung eines Schadensersatzanspruchs nach §§ 280, 286 BGB wegen einer Verletzung der Pflicht zu ordnungsgemäßer Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG) wendet.
11
1. Die Revision ist nämlich nur hinsichtlich der Entscheidung über den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch zugelassen worden, was sich zwar nicht aus dem Tenor, aber aus den Gründen des Berufungsurteils ergibt (vgl. dazu: BGHZ 153, 358, 360; 155, 392, 394; Senat, Urt. v. 8. Oktober 2004, V ZR 84/04, AuR 2005, 410; Beschl. v. 2. Juli 2009, V ZB 40/09, NJW-RR 2009, 1431, 1432).
12
Eine solche Beschränkung der Zulassung liegt - wenn sie in dem Berufungsurteil nicht ausdrücklich (im Tenor) ausgesprochen worden ist - dann vor, wenn die Rechtsfrage, deretwegen das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, nur für einen selbständigen Teil des selbständigen, abtrennbaren Teil des Streitstoffs erheblich ist (BGHZ 153, 358, 362; 155, 392, 398). Die in dem Berufungsurteil für die Zulassung der Revision benannten Rechtsfragen, ob eine analoge Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in Betracht kommt und gegen wen ein solcher Anspruch gegebenenfalls zu richten wäre, beziehen sich allein auf den verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruch.
13
2. a) Eine solche Begrenzung des in der Rechtsmittelinstanz anfallenden Streitstoffs ist allerdings nur dann zulässig, wenn es um einen tatsächlich und rechtlich abgrenzbaren Teil des Gesamtstreitstoffs geht, der Gegenstand eines Teil- oder Grundurteils sein kann oder auf den der Rechtsmittelkläger selbst sein Rechtsmittel beschränken könnte (BGHZ 161, 15, 18; Senat, Beschl. v. 2. Juli 2009, V ZB 40/09, NJW-RR 2009, 1431, 1432).
14
b) Das ist hier jedoch der Fall, weil der Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung der Pflicht der Wohnungseigentümer zu ordnungsgemäßer Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 21 Abs 5 WEG) und der nach- barrechtliche Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB unterschiedliche Streitgegenstände darstellende, prozessual zwei selbständige Ansprüche sind.
15
Der Senat hat das für die Ansprüche aus dem Deliktsrecht nach §§ 823 ff. BGB und den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ausgesprochen (BGHZ 111, 158, 166; 120, 239, 249). Diese Ansprüche verfolgen zwar dasselbe Ziel und werden meistens im Wege der Anspruchshäufung (§ 260 ZPO) geltend gemacht (Senat, Urt. v. 4. Juli 1997, V ZR 48/96, NJW-RR 1997, 1374), über sie kann aber jeweils durch Teilurteil entschieden werden (Senat , BGHZ 111, 158, 166) und das Rechtsmittel auf einen der beiden Ansprüche beschränkt werden (Senat, Urt. v. 20. November 1998, V ZR 411/97, NJW 1999, 1029, 1030).
16
Dasselbe gilt für das Verhältnis des Schadensersatzanspruchs wegen schuldhafter Verletzung der Pflicht zu ordnungsgemäßer Verwaltung (§ 21 Abs. 5 WEG) zu dem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch. Auch dies sind zwei selbständige , auf unterschiedlichen Rechtsgründen beruhende Ansprüche. Grundlage eines Schadensersatzanspruchs ist stets eine schuldhafte Pflichtverletzung, entweder der Wohnungseigentümer selbst (vgl. dazu KG ZMR 2001, 657, 658) oder eines ihnen oder dem Verband nach § 31 BGB oder § 278 BGB zurechenbaren Verschuldens Dritter bei der Umsetzung eines Beschlusses (vgl. dazu Senat, BGHZ 141, 224, 228). Rechtsgrund des Ausgleichsanspruchs nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist dagegen eine Kompensation für einen normalerweise gegebenen Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB (Senat BGHZ 111, 158, 167), wenn von einem Grundstück im Rahmen seiner privatwirtschaftlichen Nutzung Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung überschreiten (Senat, BGHZ 142, 66, 67; 157, 188, 189). Auch die Rechtsfolgen der Ansprüche sind verschieden. Bei einer Verpflichtung zum Schadensersatz bestimmt sich die Ersatzpflicht nach den §§ 249 ff. BGB, während § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB einen Ausgleich in Geld in Anlehnung an die Grundsätze der Enteignungsentschädigung gewährt (Senat, BGHZ 111, 158, 167).

III.

17
Soweit die Revision sich gegen die Abweisung des Ausgleichsanspruchs nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB wendet, ist sie unbegründet. Das Berufungsgericht hat mit zutreffender Begründung eine analoge Anwendung der Norm wegen einer auf einem Mangel im Gemeinschaftseigentum beruhenden Beeinträchtigung des Sondereigentums eines Wohnungseigentümers verneint.
18
1. Die Voraussetzungen für die analoge Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bei Beeinträchtigungen durch sogenannte Grobimmissionen (hier durch das Eintreten von Wasser in die Wohnung der Kläger) sind in dem angefochtenen Urteil rechtsfehlerfrei bestimmt worden. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das Bestehen eines Anspruchs auf Abwehr einer solchen Beeinträchtigung nach § 1004 Abs. 1 BGB, der aus besonderen (meist tatsächlichen ) Gründen nicht oder nicht rechtzeitig geltend gemacht werden kann, um die Beeinträchtigungen zu unterbinden (vgl. Senat, BGHZ 142, 66, 68; 155, 99, 103; 160, 232, 236; Urt. v. 27. Januar 2006, V ZR 26/05, NJW 2006, 992), zwar eine notwendige, aber nicht die allein hinreichende Voraussetzung für die Anwendung der Grundsätze des verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruchs nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist. Analogiefähig ist das Rechtsinstitut des nachbarrechtlichen Ausgleichs nur bei struktureller Vergleichbarkeit und anders nicht zu befriedigender Schutzbedürftigkeit (Senat, BGHZ 157, 188, 195).
19
2. Letzteres hat das Berufungsgericht mit zutreffender Begründung verneint.
20
a) Es fehlt bereits an der strukturellen Übereinstimmung des in § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB geregelten Sachverhalts mit dem hier zu entscheidenden.
21
aa) § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist Teil des für eine sachgerechte Nutzung von Grundstücken im nachbarlichen Raum unerlässlichen Interessenausgleichs (Senat, BGHZ 38, 61, 63; 157, 188, 193). Grundlage des Anspruchs ist ein billiger Ausgleich der gegenläufigen Interessen bei der Nutzung benachbarter Grundstücke auf der Grundlage eines zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtenden nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses (Hagen, Festschrift für Hermann Lange, S. 483 ff., 501). Daran fehlt es im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander , wenn es um die Vorteile und die Risiken des gemeinschaftlichen Eigentums geht. Die ordnungsgemäße Nutzung und Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums liegt nämlich im Interesse aller Miteigentümer, die sich insoweit nicht mit widerstreitenden Interessen bei der Nutzung ihres Eigentums gegenüberstehen. Die Regelung eines Ausgleichs zwischen Miteigentümern bei Baumängeln und -schäden an der gemeinschaftlichen Sache ist nicht Gegenstand des Ausgleichsanspruchs nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB.
22
An der strukturellen Verschiedenheit des Ausgleichsanspruchs nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB und dem hier geltend gemachten Anspruch auf Ausgleich des Schadens eines Miteigentümers ändert sich auch dann nichts, wenn der Mangel im Gemeinschaftseigentum nicht alle Miteigentümer gleich betrifft, sondern nur zu einem Schaden an einer Sondereigentumseinheit (hier der Kläger) führt. Die Beeinträchtigung des Sondereigentums beruht auch dann nicht auf der Nutzung benachbarter Eigentumsrechte an Grundstücken, sondern auf dem Mangel an einem im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Bestandteil desselben Gebäudes, zu dessen Erhaltung und Instandsetzung alle Miteigentümer verpflichtet sind.
23
bb) Eine entsprechende Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist auch nicht - unabhängig davon - zum Schutz des Sondereigentums wegen der von Mängeln im Gemeinschaftseigentum ausgehenden Einwirkungen geboten.
24
Eine im Wege richterlicher Rechtsfortbildung zu schließende Lücke zum Schutz gegenüber solchen Einwirkungen liegt nicht vor. Das Wohnungseigentumsgesetz schützt das Sondereigentum bei erlaubter Inanspruchnahme durch einen dem § 904 Satz 2 BGB nachgebildeten Aufopferungsanspruch (BGHZ 153, 182, 187; BayObLGZ 1987, 50, 52; 1994, 140, 146) und im Übrigen durch das unter den Wohnungseigentümern bestehende gesetzliche Schuldverhältnis (vgl. Senat, BGHZ 141, 224, 228), das jedem Wohnungseigentümer einen Anspruch auf eine ordnungsgemäße Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gibt, zu der insbesondere die Instandhaltung und die Instandsetzung (§ 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG) und der Abschluss von Versicherungsverträgen (§ 21 Abs. 5 Nr. 3 WEG) gehören. Unter Berücksichtigung des unter den Wohnungseigentümern - im Unterschied zu Grundstücksnachbarn - bestehenden Gemeinschaftsverhältnisses mit speziellen Schutz- und Treuepflichten in Bezug auf das gemeinschaftliche Eigentum ist für eine entsprechende Anwendung des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB danach kein Raum, wenn die Nutzung des Sondereigentums durch Mängel im gemeinschaftlichen Eigentum beeinträchtigt wird (vgl. auch J.H. Schmidt, ZMR 2005, 669, 677).
25
cc) Auf die von dem Berufungsgericht weiter erörterte Frage, ob ein solcher Ausgleichsanspruch bei den von einem anderen Sondereigentum ausgehenden Beeinträchtigungen zu bejahen ist (vgl. OLG Stuttgart NJW 2006, 1744; LG Bochum VersR 2004, 1454), bei der entsprechenden Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB im Verhältnis der Wohnungseigentümer also nach der Quelle der Störung (gemeinschaftliches Eigentum oder - anderes Sondereigentum) unterschie- den werden muss, kommt es hier nicht an. Jedenfalls für die auf einem Mangel des Gemeinschaftseigentums beruhenden Beeinträchtigungen der Nutzung seines Sondereigentums steht dem Wohnungseigentümer ein Ausgleichsanspruch in analoger Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB aus den vorstehenden Gründen nicht zu.

IV.

26
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Krüger Klein Stresemann Czub Roth
Vorinstanzen:
AG Augsburg, Entscheidung vom 23.04.2009 - 31 C 5746/08 -
LG München I, Entscheidung vom 14.12.2009 - 1 S 9716/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 230/12
Verkündet am:
25. Oktober 2013
Lesniak
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Wird die Nutzung des Sondereigentums durch rechtswidrige Einwirkungen beeinträchtigt
, die von im Sondereigentum eines anderen Wohnungseigentümers stehenden
Räumen ausgehen, kann dem betroffenen Wohnungseigentümer ein nachbarrechtlicher
Ausgleichsanspruch in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2
Satz 2 BGB zustehen; das gilt auch im Verhältnis von Mietern solcher Räume.
BGH, Urteil vom 25. Oktober 2013 - V ZR 230/12 - OLG Köln
LG Aachen
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. Oktober 2013 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die
Richter Dr. Lemke und Dr. Roth und die Richterinnen Dr. Brückner und
Weinland

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 11. September 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Beklagte betrieb im dritten Obergeschoss eines Gebäudes ein sog. ambulantes Operationszentrum. In dem darunter liegenden Stockwerk befand sich die Arztpraxis von Dr. W. (im Folgenden Versicherungsnehmer), dessen Betriebsunterbrechungs- und Inhaltsversicherer die Klägerin ist. Das Grundstück ist nach dem Wohnungseigentumsgesetz geteilt. Sowohl der Beklagten als auch dem Versicherungsnehmer waren die von ihnen genutzten Räume jeweils mietweise überlassen worden, der Beklagten direkt von dem Teil- bzw.
Wohnungseigentümer, dem Versicherungsnehmer von einem Zwischenvermieter , der die Räume seinerseits von einem Teil- bzw. Wohnungseigentümer angemietet hatte. In der Nacht vom 7. auf den 8. Juni 2007 löste sich im Sterilisationsraum der Beklagten eine Schlauchverbindung, wodurch es zu einem Wasseraustritt und zu Schäden auch in den Praxisräumen des Versicherungsnehmers kam. Letztere glich die Klägerin in Höhe von 165.889,76 € aus. Gestützt auf § 67 VVG aF verlangt sie von der Beklagten aus übergegangenem Recht den genannten Betrag nebst Zinsen, darüber hinaus vorgerichtliche Anwaltskosten.
2
Das Landgericht hat der Klage dem Grunde nach stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision möchte die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.

3
Das Berufungsgericht lässt offen, ob die Beklagte ein Verschulden an dem Schadensereignis trifft. Darauf komme es nicht an, weil das Landgericht der Klage zu Recht dem Grunde nach gemäß § 67 VVG aF i.V.m. § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in entsprechender Anwendung stattgegeben habe. Der aus der zuletzt genannten Vorschrift folgende Ausgleichsanspruch stehe nicht nur dem Eigentümer eines Grundstücks, sondern auch dem Besitzer zu, der seinen Abwehranspruch aus tatsächlichen Gründen nicht habe geltend machen können. Schuldner des Ausgleichsanspruchs könne ebenfalls ein Besitzer sein, sofern er (wie ein Mieter oder Pächter) verantwortlich für den gefahrenträchtigen Zu- stand sei. Dies sei hier bei der gebotenen wertenden Betrachtung zu bejahen. Auch lägen die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB vor. Es bestehe eine strukturelle Übereinstimmung des von der Norm erfassten Sachverhalts mit Konstellationen, in denen das schadensträchtige Ereignis - wie hier - nicht vom Gemeinschaftseigentum, sondern vom Sondereigentum ausgehe und davon eine andere Sondereigentumseinheit betroffen sei. Auch im Verhältnis zwischen Sondereigentümern bestünden Eigentums - und Besitzschutzansprüche, an deren Geltendmachung der betroffene Sondereigentümer aus tatsächlichen Gründen gehindert sein könne. Der Sondereigentümer befinde sich dann in einer vergleichbaren Situation wie ein Grundstückseigentümer, der Einwirkungen von einem Nachbargrundstück nicht verhindern könne. Auch die Schutzbedürftigkeit sei nicht anders zu beurteilen als in Fällen, in denen sich Eigentümer benachbarter Grundstücke gegenüberstünden. Schließlich sei der Anspruch nicht verjährt.

II.

4
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
5
1. Das folgt allerdings nicht schon daraus, dass das Berufungsgericht offen lässt, ob die Beklagte ein Verschulden an dem Wasseraustritt trifft. Zwar scheidet eine Heranziehung des subsidiären nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB aus, soweit eine andere - in sich geschlossene - Regelung besteht (Senat, Urteil vom 19. September 2008 - V ZR 28/08, BGHZ 178, 90, 98 mwN). Das ist jedoch bei den allgemeinen deliktsrechtlichen Bestimmungen der §§ 823 ff. BGB nicht der Fall (so bereits Senat , Urteil vom 15. Juli 2011 - V ZR 277/10, NJW 2011, 3294 Rn. 16 f. für eine an landesrechtliche Nachbarvorschriften anknüpfende deliktsrechtliche Haftung; vgl. auch Senat, Urteil vom 21. Mai 2010 - V ZR 10/10, BGHZ 185, 371, 374 f. Rn. 15).
6
2. Auch nimmt das Berufungsgericht zu Recht an, dass der Klägerin aus übergegangenem Recht ein Anspruch entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB dem Grunde nach zusteht.
7
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gegeben , wenn von einem Grundstück im Rahmen seiner privatwirtschaftlichen Benutzung Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung überschreiten , sofern der davon betroffene Eigentümer aus besonderen Gründen gehindert war, diese Einwirkungen nach § 1004 Abs. 1 BGB rechtzeitig zu unterbinden (Senat, Urteil vom 11. Juni 1999 - V ZR 377/98, BGHZ 142, 66, 67 f. mwN; Urteil vom 21. März 2003 - V ZR 319/02, NJW 2003, 1732, 1733). Wie das Berufungsgericht zu Recht annimmt, ist dieser Anspruch über den Wortlaut des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB hinaus nicht auf die Folgen der Zuführung unwägbarer Stoffe beschränkt, sondern erfasst auch - worum es hier geht - die Störung durch sogenannte Grobimmissionen wie etwa Wasser (Senat, Urteil vom 12. Dezember 2003 - V ZR 180/03, BGHZ 157, 188, 190; Urteil vom 21. Mai 2010 - V ZR 10/10, BGHZ 185, 371, 376 Rn. 18).
8
b) Ebenfalls zutreffend legt das Berufungsgericht zugrunde, dass der Anspruch in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auch dem berechtigten Besitzer zustehen kann, dessen Abwehranspruch aus § 862 Abs. 1 BGB aus tatsächlichen Gründen nicht geltend gemacht werden konnte (Senat, Urteil vom 23. Februar 2001 - V ZR 389/99, NJW 2001, 1865, 1866; BGH, Urteil vom 10. November 1977 - III ZR 157/75, BGHZ 70, 212, 220; je- weils mwN). Das ist deshalb gerechtfertigt, weil der berechtigte Besitzer seine Rechtsstellung unmittelbar oder - wie etwa in Fällen gestatteter Zwischenvermietung - mittelbar von dem Eigentümer ableitet und dadurch bei der gebotenen wertenden Betrachtung in das zwischen den Grundstückseigentümern bestehende nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis einrückt, welches insbesondere mit § 906 BGB als der Generalnorm des zivilrechtlichen Nachbarschutzes (PWW/Lemke, BGB, 8. Aufl., § 906 Rn. 1) die widerstreitenden gleichrangigen Eigentümerinteressen zum Ausgleich bringen soll (vgl. Senat, Urteil vom 21. Oktober 1983 - V ZR 166/82, BGHZ 88, 344, 346; Urteil vom 12. Dezember 2003 - V ZR 180/03, BGHZ 157, 188, 193). Schließlich kann auch der Benutzer des Grundstücks, von dem die Emissionen ausgehen, zum Ausgleich verpflichtet sein, sofern er die Nutzungsart bestimmt. Die Eigentumsverhältnisse sind insoweit weder im Bereich der unmittelbaren Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB noch im Bereich der entsprechenden Anwendung der Vorschrift entscheidend (vgl. Senat, Urteil vom 1. April 2011 - V ZR 193/10, NJW-RR 2011, 739 Rn. 8 mwN). Dass vorliegend weder der Versicherungsnehmer der Klägerin noch der Beklagte Grundstückseigentümer sind, steht einem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch danach ebenfalls nicht von vornherein entgegen (vgl. auch Senat, Urteil vom 12. Dezember 2003 - V ZR 180/03, aaO).
9
c) Ob § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog anzuwenden ist, wenn Sondereigentum durch Einwirkungen beeinträchtigt wird, die von einem anderen Sondereigentum ausgehen, wird nicht einheitlich beurteilt.
10
aa) Während die herrschende Meinung die Voraussetzungen für einen Analogieschluss bejaht (OLG Stuttgart, NJW 2006, 1744; LG Bochum VersR 2004, 1454; Bamberger/Roth/Fritzsche, BGB, 3. Aufl., § 906 Rn. 89; MünchKomm -BGB/Säcker, 6. Aufl., § 906 Rn. 1; NK-BGB-Ring, 3. Aufl., § 906 Rn. 283a; PWW/Lemke, aaO, § 906 Rn. 10; Timme/Dötsch, WEG, § 15 Rn. 182; Wenzel, NJW 2005, 241, 244; wohl auch LG München I, ZMR 2011, 62, 63 f.; Riecke/Schmid/Abramenko, WEG, 3. Aufl., § 14 Rn. 8; Spielbauer/ Then, WEG, 2. Aufl., § 13 Rn. 16; Staudinger/Roth, BGB [2009], § 906 Rn. 70; Günther, VersR 2004, 1454; für eine entsprechende Anwendung jedenfalls dann, wenn sich die Sondereigentumseinheiten in verschiedenen Gebäuden befinden, LG Bonn, BeckRS 2007, 05000; eine Analogie in Betracht ziehend OLG München, NZM 2008, 211; Hogenschurz in Jennißen, WEG, 3. Aufl., § 14 Rn. 39; Klein in Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 13 Rn. 140; vgl. auch Dötsch, ZMR 2006, 391, 392 f.; ders., NZM 2010, 607, 609 mwN), wenden die Vertreter der Gegenauffassung ein, mit Rücksicht auf den aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer resultierenden speziellen Schutz könne das Bestehen einer planwidrigen Gesetzeslücke nicht angenommen werden (Schmidt, ZMR 2005, 669, 677; Becker, ZfIR 2010, 645, 647; wohl auch Briesemeister , ZWE 2010, 325; vgl. auch BayObLG, NJW-RR 1994, 718 u. NJWRR 2001, 156 [Ablehnung von Schadensersatzansprüchen mangels Verschuldens ohne Erörterung einer analogen Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB]; eine Analogie jedenfalls zugunsten obligatorischer Nutzungsberechtigter von Sondereigentum ablehnend LG Konstanz, NJW-RR 2009, 1670, 1671; kritisch dazu Timme/Dötsch, WEG, § 15 Rn. 182).
11
bb) Verneint hat der Senat eine analoge Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB für das Verhältnis von Mietern bei Beeinträchtigungen, die von einer Mietwohnung innerhalb desselben (ungeteilten) Grundstückseigentums auf eine andere Mietwohnung einwirken (Urteil vom 12. Dezember 2003 - V ZR 180/03, BGHZ 157, 188), für das Verhältnis von sondernutzungsberechtigten Bruchteilseigentümern (Senat, Versäumnisurteil vom 10. Februar 2012 - V ZR 137/11, WM 2013, 231, 232) sowie für das Verhältnis von Wohnungseigentümern , wenn die Nutzung des Sondereigentums durch einen Mangel am Gemeinschaftseigentum beeinträchtigt wird (Urteil vom 21. Mai 2010 - V ZR 10/10, BGHZ 185, 371, 375 ff.). Bejaht hat er jedoch die entsprechende Anwendbarkeit nachbarrechtlicher Vorschriften für Streitigkeiten über die Bepflanzung benachbarter Gartenteile, an denen Sondernutzungsrechte verschiedener Wohnungseigentümer bestanden (Urteil vom 28. September 2007 - V ZR 276/06, BGHZ 174, 20, 22 f. Rn. 9; vgl. auch Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 130/09, NJW-RR 2010, 807 Rn. 20 für den Fall, dass die Wohnungseigentümer nach der Teilungserklärung möglichst so zu stellen sind, wie sie bei Realteilung stünden). Ausdrücklich offen gelassen hat er, ob ein Ausgleichsanspruch unter Wohnungseigentümern besteht, wenn Sondereigentum beeinträchtigt wird durch Einwirkungen, die von einem anderen Sondereigentum ausgehen (Urteil vom 21. Mai 2010 - V ZR 10/10, BGHZ 185, 371, 378 Rn. 25).
12
cc) Der Senat entscheidet die Streitfrage nunmehr im Sinne der herrschenden Auffassung.
13
(1) § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB setzt in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich voraus, dass die Störung von einem anderen Grundstück herrührt (Senat, Urteil vom 12. Dezember 2003 - V ZR 180/03, BGHZ 157, 188, 190), es sich also um einen grenzüberschreitenden „Eingriff von außen“ handelt (Senat, Versäumnisurteil vom 10. Februar 2012 - V ZR 137/11, WM 2013, 231, 232 Rn. 9 mwN; PWW/Lemke, aaO, § 906 Rn. 10). Vor diesem Hintergrund ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Norm nur bei struktureller Vergleichbarkeit und nicht anders zu befriedigender Schutzbedürftigkeit analogiefähig ist (Senat, Urteil vom 12. Dezember 2003 - V ZR 180/03, BGHZ 157, 188, 195; Urteil vom 21. Mai 2010 - V ZR 10/10, BGHZ 185, 371, 376 Rn. 18). Entgegen der Revision stellt das Berufungsgericht dabei zutreffend nur auf das Verhältnis der Sondereigentümer und nicht auf das der Mieter ab, weil es bei der Frage, ob ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch zu bejahen ist, um den Ausgleich gleichrangiger Eigentümerbefugnisse geht, an denen berechtigte Besitzer lediglich partizipieren (oben II.2.b).
14
(2) Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB liegen vor.
15
(a) Anders als bei Beeinträchtigungen des Sondereigentums, die von dem Gemeinschaftseigentum der Wohnungseigentümer ausgehen, geht es bei von Sondereigentum herrührenden Beeinträchtigungen um eine Beeinträchtigung „von außen“; insoweit stehen sich strukturell keine gleichgerichteten Interessen gegenüber. Mit Blick auf das Sondereigentum verwirklicht sich in herausgehobenem Maße, dass es sich bei dem grundstücksgleichen Recht des Wohnungseigentums um „echtes Eigentum“ im Sinne von § 903 Satz 1 BGB (vgl. nur Senat, Beschluss vom 19. Dezember 1991 - V ZB 27/90, BGHZ 116, 392, 394; Urteil vom 1. Oktober 2004 - V ZR 210/03, NJW-RR 2005, 10 f.) handelt. Insoweit besteht kein Bruchteilseigentum mit ideellen Anteilen sämtlicher Wohnungseigentümer, sondern „Alleineigentum“ an bestimmten dinglichgegenständlich abgegrenzten Gebäudeteilen (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Januar 1968 - V ZB 9/67, BGHZ 49, 250, 251 f.), mit denen der Wohnungseigentümer grundsätzlich nach Belieben verfahren und jeden anderen von Einwirkungen hierauf ausschließen kann (§ 13 Abs. 1 WEG). Dies erhellt, dass das Sondereigentum - auch in der Wahrnehmung des Rechtsverkehrs - als eine Art Ersatzgrundstück fungiert (zutreffend Dötsch, ZMR 2006, 391, 392). Anders als bei Beeinträchtigungen, die von dem Gemeinschaftseigentum ausgehen, besteht daher weder formal noch teleologisch Identität zwischen dem Grundstückseigentum , von dem die Störung ausgeht, und dem beeinträchtigten Grundstückseigentum mit der Folge, dass sich dieselben Miteigentümer gleichzeitig sowohl auf Störerseite als auch auf Seiten des beeinträchtigten Eigentums befinden. Vielmehr stehen sich die Sondereigentümer ebenso mit gegensätzlichen Interessen gegenüber wie Grundstückseigentümer in den idealtypischen - unmittelbar von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB erfassten - Fällen.
16
(b) Auch der Aspekt der Schutzbedürftigkeit spricht für die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke.
17
(aa) Grundlage des Anspruches nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist ein billiger Ausgleich der gegenläufigen Interessen bei der Nutzung benachbarter Grundstücke auf der Grundlage eines zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtenden nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses (Senat, Urteil vom 21. Mai 2010 - V ZR 10/10, BGHZ 185, 371, 376 Rn. 21). Zwischen Sondereigentümern besteht - wie nicht zuletzt die Vorschriften des § 14 Nr. 1 und § 15 Abs. 3 WEG belegen - ein gesetzliches Schuldverhältnis (vgl. auch Senat, Urteil vom 21. Mai 2010 - V ZR 10/10, BGHZ 185, 371, 377 Rn. 24 mwN). Das daraus folgende Gebot der Rücksichtnahme auf die anderen Sondereigentümer ist den Verpflichtungen, die Grundstückseigentümern aus dem Nachbarverhältnis auferlegt sind, durchaus vergleichbar. Zwar haben die Wohnungseigentümer die Möglichkeit, Gebrauchsregelungen zum Schutz vor Schäden zu vereinbaren oder nach § 15 Abs. 2 WEG Mindeststandards zu beschließen. Diese Überlegung wird aber zum einen bereits dadurch deutlich relativiert, dass der einzelne Wohnungseigentümer bei Vereinbarungen auf die Mitwirkung sämtlicher und bei einer Beschlussfassung auf die Mehrheit der Miteigentümer angewiesen ist, und zum anderen dadurch, dass sich die Frage des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruches in aller Regel nur in Fällen stellt, in denen aus tatsächlichen Gründen - etwa in Unkenntnis einer latenten Gefahr - die Bedrohungslage gerade nicht rechtzeitig abgewendet werden konnte (Dötsch, ZMR 2006, 391,

393).


18
(bb) Ob neben der in Rede stehenden entsprechenden Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB eine Verschuldenshaftung nach § 823 BGB in Betracht kommt, ist für die Frage der Gesetzesanalogie ohne Bedeutung (s. oben II.1.; vgl. auch OLG Stuttgart, NJW 2006, 1744; Wenzel, NJW 2005, 241). Der Umstand, dass das unter Wohnungseigentümern bestehende gesetzliche Schuldverhältnis den geschädigten Sondereigentümer bei Schadensersatzansprüchen gegen einen anderen Sondereigentümer hinsichtlich der Darlegungsund Beweislast besser stellt (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB) als Grundstückseigentümer (§ 823 ff. BGB), zwischen denen regelmäßig keine Sonderverbindung existiert, ist nicht von einem solchen Gewicht, dass eine andere Beurteilung gerechtfertigt wäre.
19
(cc) Anders wäre allerdings zu entscheiden, wenn das Wohnungseigentumsgesetz mit Blick auf das Verhältnis der Sondereigentümer eine abschließende Sonderregelung enthielte. Das ist jedoch schon deshalb nicht der Fall, weil es keinem vernünftigen Zweifel unterliegt, dass einem Wohnungseigentümer , dessen Sondereigentum von einem anderen Sondereigentümer bei Bestehen einer Notstandslage beeinträchtigt wird, der Aufopferungsanspruch aus § 904 Satz 2 BGB zusteht. Dass zumindest grundsätzlich auch auf andere nachbarrechtliche Regelungen zurückgegriffen werden kann, hat der Senat bereits für das Verhältnis sondernutzungsberechtigter Wohnungseigentümer entschieden (Urteil vom 28. September 2007 - V ZR 276/06, BGHZ 174, 20, 22 f. Rn. 9; vgl. auch Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 130/09, NJW-RR 2010, 807 Rn. 20); für das Verhältnis der Sondereigentümer untereinander kann nichts anderes gelten. Und anders als bei Beeinträchtigungen, die von dem Gemeinschaftseigentum ausgehen, besteht auch kein Konflikt mit der Sonderregelung des § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG. Deren Sachbereich ist nur betroffen, wenn auf das Sondereigentum im Interesse des Gemeinschaftseigentums eingewirkt wird oder Mängel von dem Gemeinschaftseigentum ausgehen, nicht aber, wenn Beeinträchtigungen von dem Sondereigentum eines anderen Miteigentümers herrühren (vgl. auch LG München I, ZMR 2011, 62, 63 f.).
20
(dd) Der analogen Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf das Verhältnis von Sondereigentümern untereinander steht schließlich nicht entgegen , dass der Senat mit Blick auf im Grundbuch eingetragene Sondernutzungsrechte von Bruchteilseigentümern (§ 1010 BGB) eine entsprechende Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB verneint hat (Senat, Versäumnisurteil vom 10. Februar 2012 - V ZR 137/11, WM 2013, 231, 232). Da solche Rechte das nur - ideelle - Bruchteilseigentum ausgestalten, fehlt es im Gegensatz zum Sondereigentum und zu im Grundbuch eingetragenen Sondernutzungsrechten nach dem Wohnungseigentumsgesetz (dazu Senat, Urteil vom 28. September 2007 - V ZR 276/06, BGHZ 174, 20, 22 f. Rn. 9) an dem erforderlichen Eingriff von außen. Dabei ist die Gleichstellung von verdinglichten Sondernutzungsrechten von Wohnungseigentümern mit dem Sondereigentum deshalb gerechtfertigt , weil derartige Rechte dem Sondereigentum als Inhaltsbestimmung zugeordnet sind (vgl. Senat, Beschluss vom 24. November 1978 - V ZB 11/77, BGHZ 73, 145, 148; Beschluss vom 3. Juli 2008 - V ZR 20/07, NZM 2008, 732, 734 Rn. 36) und daher dessen rechtliche Einordnung auch in Bezug auf eine entsprechende Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB jedenfalls dann teilen, wenn sie ein Recht zur Alleinnutzung einräumen.
21
d) Ohne Rechtsfehler verneint das Berufungsgericht das Eingreifen der von der Beklagten erhobenen Verjährungseinrede. Die diesbezüglichen Erwägungen werden von der Revision nicht in Zweifel gezogen.
22
3. Gleiches gilt für die unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Verzuges dem Grunde nach zuerkannten Anwaltskosten.
23
4. Die angefochtene Entscheidung kann aber deshalb keinen Bestand haben, weil das Landgericht „sämtliche Schäden“ dem Grunde nach als ersatzfähig angesehen und das Berufungsgericht diese Erwägung - wenn auch pauschal - gebilligt hat.
24
a) Das ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision jedoch nicht schon daraus, dass nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht Schadensersatz, sondern lediglich ein nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung zu bestimmender Ausgleich verlangt werden kann (Senat, Urteil vom 1. Februar 2008 - V ZR 47/07, NJW 2008, 992, 993 Rn. 9 ff.), wonach nur der unzumutbare Teil der Beeinträchtigung auszugleichen ist (Senat, Urteil vom 19. September 2008 - V ZR 28/08, NJW 2009, 762, 765 Rn. 32 ff.; PWW/Lemke, aaO, § 906 Rn. 43 i.V.m. Rn. 36 f. mwN). Denn selbst wenn die Vorinstanzen die Formulierung in den Entscheidungsgründen „sämtliche Schäden“ rechtstechnisch verstanden haben sollten, bliebe der Rüge im Ergebnis jedenfalls deshalb der Erfolg versagt , weil der keinen schadensersatzrechtlichen Bezug enthaltende Tenor im Lichte des nunmehr ergehenden Revisionsurteils auszulegen wäre.
25
b) Das Berufungsurteil ist aber deshalb aufzuheben, weil die bisher von dem Berufungsgericht getroffenen Feststellungen den Erlass eines Grundurteils nach § 304 Abs. 1 ZPO nicht rechtfertigen. Dabei kann offen bleiben, ob in der Revisionsrüge, wonach beide Vorinstanzen verkannt hätten, dass die geltend gemachten Positionen nach entschädigungsrechtlichen Grundsätzen „zumin- dest teilweise“ nicht ausgleichspflichtig seien, bei verständiger Würdigung auch eine Verfahrensrüge nach § 304 ZPO zu erblicken ist. Denn es entspricht der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die Voraussetzungen für den Erlass eines Grundurteils im Hinblick auf dessen innerprozessuale Bindungswirkung - auch im Revisionsverfahren - von Amts wegen zu prüfen sind (vgl. nur BGH, Urteil vom 16. Januar 1991 - VIII ZR 14/90, NJW-RR 1991, 599, 600 mwN).
26
aa) Ein Grundurteil darf nur ergehen, wenn ein Anspruch nach Grund und Höhe streitig ist, grundsätzlich alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt sind, und wenn nach dem Sach- und Streitstand zumindest wahrscheinlich ist, dass der Anspruch in irgendeiner Höhe besteht (BGH, Urteil vom 16. Januar 1991 - VIII ZR 14/90, aaO; vgl. auch Senat, Urteil vom 12. November 2010 - V ZR 181/09, BGHZ 188, 43, 49 Rn. 16; Versäumnisurteil vom 14. März 2008 - V ZR 13/07, NJW-RR 2008, 1397, 1398).
27
bb) Diese Voraussetzungen sind hier schon deshalb nicht erfüllt, weil der Senat im Hinblick auf die Bindungswirkung des Grundurteils nicht überprüfen kann, ob tatsächlich irgendwelche Positionen dem Grunde nach ausgleichspflichtig sind. Tatsächliche Feststellungen hierzu hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Mangels Darstellung der geltend gemachten Positionen bleibt damit auch die Frage, ob die für den Erlass eines Grundurteils erforderliche hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, in der Schwebe.
28
5. Kann das Berufungsurteil nach allem mangels ausreichender Feststellungen keinen Bestand haben, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 562, 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Mit Blick auf den erneuten Erlass eines Grundurteils wird allerdings bei der Ermessensausübung nach § 304 Abs. 1 ZPO ggf. zu berücksichtigen sein, dass die Rechtsfrage der analogen Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nunmehr geklärt ist.
Stresemann Lemke Roth
Brückner Weinland

Vorinstanzen:
LG Aachen, Entscheidung vom 19.12.2011 - 11 O 279/11 -
OLG Köln, Entscheidung vom 11.09.2012 - 3 U 7/12 -

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 10/10 Verkündet am:
21. Mai 2010
Weschenfelder,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Wird die Nutzung des Sondereigentums durch einen Mangel am Gemeinschaftseigentum
beeinträchtigt, so steht dem Sondereigentümer kein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch
in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zu.
BGH, Urteil vom 21. Mai 2010 - V ZR 10/10 - LG München I
AG Augsburg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom
21. Mai 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter
Dr. Klein, die Richterin Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Landgerichts München I, 1. Zivilkammer , vom 14. Dezember 2009 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Kläger sind Eigentümer einer Wohnung in einer Wohnungseigentumsanlage in N. (B. ); Beklagte ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.
2
Die Wohnung der Kläger war vermietet. Ende März 2006 zeigte sich ein Wasserschaden an der Decke im Wohnzimmer. Eine erste Reparatur an einem Regenrohr brachte keinen Erfolg. Die Eigentümerversammlung beschloss Anfang Mai 2006 die Instandsetzung unter Einschaltung eines Architekten und der Beauftragung von Fachunternehmen. Trotz mehrerer Reparaturversuche kam es von Juni bis August 2006 zu weiteren Wassereinbrüchen, bis man einen Konstruktionsfehler an dem Tür-Fenster-Element in der über der Wohnung der Kläger liegenden Wohnung als Ursache des Mangels erkannte und diesen Fehler durch Austausch des Bauelements behob.
3
Die Kläger verlangen von der Beklagten Ersatz für Mietminderungen und Ausfälle durch den Auszug der Mieterin und Ersatz der Kosten der Instandsetzung in Höhe von insgesamt 4.317,30 € zuzüglich Zinsen sowie vorgerichtliche Kosten von 359,50 €.
4
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen; das Landgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger diese Ansprüche weiter.

Entscheidungsgründe:


I.

5
Das Berufungsgericht verneint einen verschuldensabhängigen Ersatzanspruch , weil die Wasserschäden auf einen Konstruktionsmangel am Gemeinschaftseigentum zurückgingen, an dem die Beklagte und ihre Organe kein Verschulden getroffen habe. Die Eigentümerversammlung habe nach dem ersten Wassereinbruch auch umgehend reagiert und die Mängelbeseitigung beschlossen.
6
Ein verschuldensunabhängiger Ersatzanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB komme - entgegen der Ansicht der Kläger - nicht in Betracht. Die Vorschrift sei unmittelbar nicht einschlägig, weil sie eine von einem anderen Grundstück ausgehende Störung voraussetze. Sie sei auch nicht analog anwendbar, da die Interessenlage innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft sich von derjenigen zwischen Grundstücksnachbarn unterscheide.
7
Grundstückseigentümer bestimmten selbstständig, wie sie ihre Grundstücke nutzten, ohne dass der Nachbar darauf Einfluss habe. Unter Wohnungseigentümern sei dies in Bezug auf die vom gemeinschaftlichen Eigentum ausgehenden Störungen anders, weil jeder Wohnungseigentümer über seinen Miteigentumsanteil Einfluss auf dessen Nutzung und damit auch auf die Störungsquelle habe. Wohnungseigentümer seien damit in Bezug auf die von dem gemeinschaftlichen Eigentum ausgehenden Störungen weniger schutzwürdig als Grundstückseigentümer gegenüber den von einem Nachbargrundstück ausgehenden Einwirkungen.
8
Es fehle auch an einer Regelungslücke im Wohnungseigentumsgesetz, das in § 14 Nr. 4 Halbs. 2 einen verschuldensunabhängigen Ersatzanspruch kenne. Diese Norm zeige, dass sich der Gesetzgeber der Problematik solcher Beeinträchtigungen bewusst gewesen sei, er aber nur für bestimmte Fälle eine verschuldens unabhängige Haftung angeordnet habe. Wäre eine der Regelung des § 906 Abs. 2 BGB entsprechende Ersatzpflicht gewollt gewesen, hätte man § 14 Nr. 4 Halbs. 2 WEG weiter fassen können. Die analoge Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB führte überdies dazu, dass § 14 Nr. 4 Halbs. 2 WEG neben dem allgemeinen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch überflüssig würde, was aber nicht als vom Gesetz gewollt angenommen werden könne.
9
Abgesehen davon sei der beklagte Verband für einen solchen Anspruch nicht passivlegitimiert.

II.

10
Die Revision der Kläger ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Abweisung eines Schadensersatzanspruchs nach §§ 280, 286 BGB wegen einer Verletzung der Pflicht zu ordnungsgemäßer Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG) wendet.
11
1. Die Revision ist nämlich nur hinsichtlich der Entscheidung über den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch zugelassen worden, was sich zwar nicht aus dem Tenor, aber aus den Gründen des Berufungsurteils ergibt (vgl. dazu: BGHZ 153, 358, 360; 155, 392, 394; Senat, Urt. v. 8. Oktober 2004, V ZR 84/04, AuR 2005, 410; Beschl. v. 2. Juli 2009, V ZB 40/09, NJW-RR 2009, 1431, 1432).
12
Eine solche Beschränkung der Zulassung liegt - wenn sie in dem Berufungsurteil nicht ausdrücklich (im Tenor) ausgesprochen worden ist - dann vor, wenn die Rechtsfrage, deretwegen das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, nur für einen selbständigen Teil des selbständigen, abtrennbaren Teil des Streitstoffs erheblich ist (BGHZ 153, 358, 362; 155, 392, 398). Die in dem Berufungsurteil für die Zulassung der Revision benannten Rechtsfragen, ob eine analoge Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in Betracht kommt und gegen wen ein solcher Anspruch gegebenenfalls zu richten wäre, beziehen sich allein auf den verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruch.
13
2. a) Eine solche Begrenzung des in der Rechtsmittelinstanz anfallenden Streitstoffs ist allerdings nur dann zulässig, wenn es um einen tatsächlich und rechtlich abgrenzbaren Teil des Gesamtstreitstoffs geht, der Gegenstand eines Teil- oder Grundurteils sein kann oder auf den der Rechtsmittelkläger selbst sein Rechtsmittel beschränken könnte (BGHZ 161, 15, 18; Senat, Beschl. v. 2. Juli 2009, V ZB 40/09, NJW-RR 2009, 1431, 1432).
14
b) Das ist hier jedoch der Fall, weil der Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung der Pflicht der Wohnungseigentümer zu ordnungsgemäßer Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 21 Abs 5 WEG) und der nach- barrechtliche Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB unterschiedliche Streitgegenstände darstellende, prozessual zwei selbständige Ansprüche sind.
15
Der Senat hat das für die Ansprüche aus dem Deliktsrecht nach §§ 823 ff. BGB und den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ausgesprochen (BGHZ 111, 158, 166; 120, 239, 249). Diese Ansprüche verfolgen zwar dasselbe Ziel und werden meistens im Wege der Anspruchshäufung (§ 260 ZPO) geltend gemacht (Senat, Urt. v. 4. Juli 1997, V ZR 48/96, NJW-RR 1997, 1374), über sie kann aber jeweils durch Teilurteil entschieden werden (Senat , BGHZ 111, 158, 166) und das Rechtsmittel auf einen der beiden Ansprüche beschränkt werden (Senat, Urt. v. 20. November 1998, V ZR 411/97, NJW 1999, 1029, 1030).
16
Dasselbe gilt für das Verhältnis des Schadensersatzanspruchs wegen schuldhafter Verletzung der Pflicht zu ordnungsgemäßer Verwaltung (§ 21 Abs. 5 WEG) zu dem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch. Auch dies sind zwei selbständige , auf unterschiedlichen Rechtsgründen beruhende Ansprüche. Grundlage eines Schadensersatzanspruchs ist stets eine schuldhafte Pflichtverletzung, entweder der Wohnungseigentümer selbst (vgl. dazu KG ZMR 2001, 657, 658) oder eines ihnen oder dem Verband nach § 31 BGB oder § 278 BGB zurechenbaren Verschuldens Dritter bei der Umsetzung eines Beschlusses (vgl. dazu Senat, BGHZ 141, 224, 228). Rechtsgrund des Ausgleichsanspruchs nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist dagegen eine Kompensation für einen normalerweise gegebenen Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB (Senat BGHZ 111, 158, 167), wenn von einem Grundstück im Rahmen seiner privatwirtschaftlichen Nutzung Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung überschreiten (Senat, BGHZ 142, 66, 67; 157, 188, 189). Auch die Rechtsfolgen der Ansprüche sind verschieden. Bei einer Verpflichtung zum Schadensersatz bestimmt sich die Ersatzpflicht nach den §§ 249 ff. BGB, während § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB einen Ausgleich in Geld in Anlehnung an die Grundsätze der Enteignungsentschädigung gewährt (Senat, BGHZ 111, 158, 167).

III.

17
Soweit die Revision sich gegen die Abweisung des Ausgleichsanspruchs nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB wendet, ist sie unbegründet. Das Berufungsgericht hat mit zutreffender Begründung eine analoge Anwendung der Norm wegen einer auf einem Mangel im Gemeinschaftseigentum beruhenden Beeinträchtigung des Sondereigentums eines Wohnungseigentümers verneint.
18
1. Die Voraussetzungen für die analoge Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bei Beeinträchtigungen durch sogenannte Grobimmissionen (hier durch das Eintreten von Wasser in die Wohnung der Kläger) sind in dem angefochtenen Urteil rechtsfehlerfrei bestimmt worden. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das Bestehen eines Anspruchs auf Abwehr einer solchen Beeinträchtigung nach § 1004 Abs. 1 BGB, der aus besonderen (meist tatsächlichen ) Gründen nicht oder nicht rechtzeitig geltend gemacht werden kann, um die Beeinträchtigungen zu unterbinden (vgl. Senat, BGHZ 142, 66, 68; 155, 99, 103; 160, 232, 236; Urt. v. 27. Januar 2006, V ZR 26/05, NJW 2006, 992), zwar eine notwendige, aber nicht die allein hinreichende Voraussetzung für die Anwendung der Grundsätze des verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruchs nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist. Analogiefähig ist das Rechtsinstitut des nachbarrechtlichen Ausgleichs nur bei struktureller Vergleichbarkeit und anders nicht zu befriedigender Schutzbedürftigkeit (Senat, BGHZ 157, 188, 195).
19
2. Letzteres hat das Berufungsgericht mit zutreffender Begründung verneint.
20
a) Es fehlt bereits an der strukturellen Übereinstimmung des in § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB geregelten Sachverhalts mit dem hier zu entscheidenden.
21
aa) § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist Teil des für eine sachgerechte Nutzung von Grundstücken im nachbarlichen Raum unerlässlichen Interessenausgleichs (Senat, BGHZ 38, 61, 63; 157, 188, 193). Grundlage des Anspruchs ist ein billiger Ausgleich der gegenläufigen Interessen bei der Nutzung benachbarter Grundstücke auf der Grundlage eines zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtenden nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses (Hagen, Festschrift für Hermann Lange, S. 483 ff., 501). Daran fehlt es im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander , wenn es um die Vorteile und die Risiken des gemeinschaftlichen Eigentums geht. Die ordnungsgemäße Nutzung und Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums liegt nämlich im Interesse aller Miteigentümer, die sich insoweit nicht mit widerstreitenden Interessen bei der Nutzung ihres Eigentums gegenüberstehen. Die Regelung eines Ausgleichs zwischen Miteigentümern bei Baumängeln und -schäden an der gemeinschaftlichen Sache ist nicht Gegenstand des Ausgleichsanspruchs nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB.
22
An der strukturellen Verschiedenheit des Ausgleichsanspruchs nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB und dem hier geltend gemachten Anspruch auf Ausgleich des Schadens eines Miteigentümers ändert sich auch dann nichts, wenn der Mangel im Gemeinschaftseigentum nicht alle Miteigentümer gleich betrifft, sondern nur zu einem Schaden an einer Sondereigentumseinheit (hier der Kläger) führt. Die Beeinträchtigung des Sondereigentums beruht auch dann nicht auf der Nutzung benachbarter Eigentumsrechte an Grundstücken, sondern auf dem Mangel an einem im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Bestandteil desselben Gebäudes, zu dessen Erhaltung und Instandsetzung alle Miteigentümer verpflichtet sind.
23
bb) Eine entsprechende Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist auch nicht - unabhängig davon - zum Schutz des Sondereigentums wegen der von Mängeln im Gemeinschaftseigentum ausgehenden Einwirkungen geboten.
24
Eine im Wege richterlicher Rechtsfortbildung zu schließende Lücke zum Schutz gegenüber solchen Einwirkungen liegt nicht vor. Das Wohnungseigentumsgesetz schützt das Sondereigentum bei erlaubter Inanspruchnahme durch einen dem § 904 Satz 2 BGB nachgebildeten Aufopferungsanspruch (BGHZ 153, 182, 187; BayObLGZ 1987, 50, 52; 1994, 140, 146) und im Übrigen durch das unter den Wohnungseigentümern bestehende gesetzliche Schuldverhältnis (vgl. Senat, BGHZ 141, 224, 228), das jedem Wohnungseigentümer einen Anspruch auf eine ordnungsgemäße Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gibt, zu der insbesondere die Instandhaltung und die Instandsetzung (§ 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG) und der Abschluss von Versicherungsverträgen (§ 21 Abs. 5 Nr. 3 WEG) gehören. Unter Berücksichtigung des unter den Wohnungseigentümern - im Unterschied zu Grundstücksnachbarn - bestehenden Gemeinschaftsverhältnisses mit speziellen Schutz- und Treuepflichten in Bezug auf das gemeinschaftliche Eigentum ist für eine entsprechende Anwendung des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB danach kein Raum, wenn die Nutzung des Sondereigentums durch Mängel im gemeinschaftlichen Eigentum beeinträchtigt wird (vgl. auch J.H. Schmidt, ZMR 2005, 669, 677).
25
cc) Auf die von dem Berufungsgericht weiter erörterte Frage, ob ein solcher Ausgleichsanspruch bei den von einem anderen Sondereigentum ausgehenden Beeinträchtigungen zu bejahen ist (vgl. OLG Stuttgart NJW 2006, 1744; LG Bochum VersR 2004, 1454), bei der entsprechenden Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB im Verhältnis der Wohnungseigentümer also nach der Quelle der Störung (gemeinschaftliches Eigentum oder - anderes Sondereigentum) unterschie- den werden muss, kommt es hier nicht an. Jedenfalls für die auf einem Mangel des Gemeinschaftseigentums beruhenden Beeinträchtigungen der Nutzung seines Sondereigentums steht dem Wohnungseigentümer ein Ausgleichsanspruch in analoger Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB aus den vorstehenden Gründen nicht zu.

IV.

26
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Krüger Klein Stresemann Czub Roth
Vorinstanzen:
AG Augsburg, Entscheidung vom 23.04.2009 - 31 C 5746/08 -
LG München I, Entscheidung vom 14.12.2009 - 1 S 9716/09 -

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 37/02 Verkündet am:
30. Mai 2003
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Wird durch den Bruch einer von den Stadtwerken privatrechtlich betriebenen
Wasserversorgungsleitung das benachbarte Grundstück überschwemmt, so haben
die Stadtwerke für die Schäden des Eigentümers oder Grundstücksnutzers
einen angemessenen Ausgleich in Geld zu leisten (Bestätigung der bisherigen
Senatsrechtsprechung).

b) Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch wird durch die Anlagenhaftung gemäß
§ 2 Abs. 1 Satz 1 HaftpflG nicht ausgeschlossen.
BGH, Urt. v. 30. Mai 2003 - V ZR 37/02 - OLG Hamm
LG Essen
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. April 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und
Dr. Schmidt-Räntsch

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 15. November 2001 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Feststellung getroffen worden ist, daß die Beklagte der Klägerin schadensersatzpflichtig ist.
Im Umfang der Aufhebung wird auf die Berufung der Klägerin das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 3. Dezember 1999 abgeändert.
Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, alle weiteren Schäden aus dem Ereignis vom 19. Mai 1992 angemessen auszugleichen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des ersten Rechtszugs werden gegeneinander aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Am 19. Mai 1992 brach die unter der Straße L. in E. - St. verlegte Hauptwasserleitung. Die Leitung ist Teil des örtlichen Wasserversorgungsnetzes , das die Beklagte, eine Aktiengesellschaft, unterhält. Das ausfließende Wasser überflutete u.a. das Grundstück H. H. 30/30a und richtete an dem Grundstück, dem aufstehenden Gebäude und den in dem Gebäude aufgestellten Maschinen erheblichen Schaden an. Eigentümerin des Grundstücks ist der Ehemann der Klägerin. Er hatte Grundstück, Gebäude und Maschinen der Klägerin zum Betrieb eines Textilveredelungsunternehmens verpachtet. Durch das Schadensereignis kam es zu erheblichen Beeinträchtigungen des von der Klägerin betriebenen Unternehmens. Zum Ausgleich des der Klägerin, ihrem Ehemann und weiteren Geschädigten entstandenen Schadens leistete die Beklagte im Rahmen der Höchstbetragsregelung von § 10 HaftPflG a.F. Ersatz.
Die Klägerin hat aus eigenem und von ihrem Ehemann abgetretenem Recht beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 463.780,71 DM zuzüglich Zinsen zu verurteilen und festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihr alle weiteren Schäden aus dem Ereignis vom 19. Mai 1992 zu ersetzen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung hat die Klägerin den Zahlungsantrag in Höhe von 215.851,33 DM zuzüglich Zinsen und den Feststellungsantrag weiter verfolgt. Das Oberlandesgericht hat den Anträgen mit Ausnahme eines Teils der verlangten Zinsen stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht sieht das Zahlungsverlangen der Klägerin in Höhe des verlangten Betrages als begründet an. Es meint, die Beklagte habe auch die über die Haftungsgrenze von § 10 HaftPflG hinausgehenden Schäden der Klägerin und ihres Ehemanns aus dem Ereignis vom 19. Mai 1992 zu ersetzen. Das folge zwar nicht aus §§ 823, 836 BGB; die Beklagte sei jedoch in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zahlungspflichtig. Das Entstehen weiterer Schäden sei nicht auszuschließen.
Das hält der revisionsrechtlichen Prüfung im wesentlichen stand.

II.


1. Die Revision nimmt die Feststellung des Berufungsgerichts als ihr günstig hin, daß eine Haftung der Beklagten wegen Verschuldens am Eintritt des Schadensereignisses nicht in Betracht kommt. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.
2. Entgegen der Meinung der Revision ist die Beklagte der Klägerin jedoch nach den Grundsätzen des verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs in entsprechender Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB verantwortlich.

a) Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch steht ihr einerseits aufgrund der erfolgten Abtretung wegen der ihrem
Ehemann als Eigentümer des Grundstücks und der Betriebseinrichtung entstandenen Beeinträchtigung zu. Andererseits ist die Klägerin wegen der Beeinträchtigung ihres pachtrechtlichen Besitzrechts aus eigenem Recht anspruchsberechtigt. Wie der Bundesgerichtshof bereits mehrfach entschieden hat, erstreckt sich der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch sowohl bei unmittelbarer als auch bei entsprechender Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf den Besitzer (BGHZ 70, 212, 220; Senat, BGHZ 147, 45, 50 m. w. Nachw.). Denn der Ausgleichsanspruch dient als Kompensation für den Ausschluß primärer Abwehransprüche (Senat, BGHZ 111, 158, 162; 122, 283, 284; 144, 200, 209), die auch dem Besitzer zustehen (§ 862 Abs. 1 BGB) und ihm einen den Rechten des Eigentümers aus § 1004 Abs. 1 BGB ähnlichen Schutz gegen Störungen bieten (MünchKomm-BGB/Joost, 3. Aufl., § 862 Rdn. 1).

b) Die Beklagte ist als Nutzerin des Straßengrundstücks passivlegitimiert. Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch richtet sich nämlich nicht nur gegen den Eigentümer des beeinträchtigenden Grundstücks, sondern auch gegen den Nutzer als denjenigen, der die Nutzungsart dieses Grundstücks bestimmt (Senat, BGHZ 113, 384, 392; Senat, Urt. v. 20. November 1998, V ZR 411/97, NJW 1999, 1029; Urt. v. 24. Januar 2003, V ZR 172/02, Umdruck S. 10; Staudinger/Roth, BGB [2001], § 906 Rdn. 70; Erman/Hagen/Lorenz, BGB, 10. Aufl., § 906, Rdn. 35). Wird ein Grundstück von mehreren Personen zu unterschiedlichen Zwecken genutzt, dann richtet sich der Ausgleichsanspruch ebenso wie der Abwehranspruch, an dessen Stelle er tritt, gegen den für die beeinträchtigende Nutzungsart Verantwortlichen. Es kommt daher entgegen der Meinung der Revision nicht darauf an, ob die Nutzung des Straßengrundstücks durch die von der Beklagten unterhaltene Wasserleitung "geprägt“
wurde. Entscheidend ist vielmehr, daß die Nutzung des Straßengrundstücks der Beklagten überlassen worden ist, soweit sie die Verlegung und Unterhaltung der Rohrleitung zum Gegenstand hat, und allein die Beklagte darüber zu befinden hatte, ob sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machte. Denn Störer ist auch derjenige, der die Anlage hält, von der die Einwirkung ausgeht (Senatsurt. v. 24. Januar 2003, V ZR 172/02, Umdruck S. 10).

c) Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muß, aus besonderen Gründen jedoch nicht gemäß §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB unterbinden kann, sofern er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen (BGHZ 58, 149, 158; Senat, BGHZ 62, 361, 366 f.; 72, 289, 291; 85, 375, 384; 90, 255, 262; 111, 158, 162 f.; 142, 66, 67; BGHZ 142, 227, 235; Senat, BGHZ 147, 45, 49 f.).
aa) Unter diesen Voraussetzungen gewährt die Rechtsprechung den Ausgleichsanspruch über die Immissionsfälle des § 906 BGB hinaus außer bei Vertiefungen (vgl. Senat, BGHZ 72, 289, 292; 85, 375, 384; 90, 255, 262; 147, 45, 50) auch bei Grobimmissionen (vgl. Senat, BGHZ 111, 158, 162 - Schrotblei ; Urt. v. 19. April 1985, V ZR 33/84, WM 1985, 1041 - Wasserrohrbruch). Der Anspruch ist jedoch wie in den Fällen des § 906 BGB subsidiär, setzt also voraus, daß der Eigentümer oder Besitzer aus besonderen Gründen gehindert ist, die Einwirkungen gemäß §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB rechtzeitig zu unterbinden. Ein faktischer Duldungszwang genügt. Er kann sich u. a. daraus
ergeben, daß der Betroffene die abzuwehrende Gefahr nicht rechtzeitig erkannt hat und auch nicht erkennen konnte (Senat, BGHZ 111, 158, 163).
Die analoge Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf rechtswidrige Grobimmissionen, die aus tatsächlichen Gründen nicht rechtzeitig abgewehrt werden können, dient wie die unmittelbare Anwendung der Vorschrift dem Ausgleich gleichrangiger Nachbarinteressen als Ausdruck der Situationsgebundenheit der Grundstücke und beruht auf dem Gedanken, daß im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis der betroffene Eigentümer oder Nutzer bei einer nicht abwehrbaren, vom Nachbargrundstück ausgehenden rechtswidrigen Einwirkung auf sein Grundstück nicht schlechter stehen darf als bei einer rechtmäßigen Einwirkung. Deswegen hat der Senat sowohl die durch einen technischen Defekt an elektrischen Leitungen verursachten Brandschäden an dem benachbarten Haus (Senatsurt. v. 11. Juni 1999, V ZR 377/98, NJW 1999, 2896, 2897) als auch die Wasserschäden infolge eines Rohrbruchs auf dem Nachbargrundstück (Senatsurt. v. 19. Mai 1985, V ZR 33/84, WM 1985, 1041) für ausgleichspflichtig angesehen.
bb) An dieser Rechtsprechung hält der Senat gegen die kritischen Stimmen in der Literatur (vgl. Littbarski, EWiR 1999, 947, 948; Roth, in: Roth/Lemke/Krohn, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch als Problem der Systemgerechtigkeit im Schadensersatzrecht, 2001, S. 1, 23 ff.; ders. LM BGB § 906 Nr. 101; Schimikowski, r+s 1999, 409) fest. Es geht in diesen "technischen Unfallschadensfällen" von der Interessenlage her nicht um die Einführung einer Gefährdungshaftung für eine gefährliche Einrichtung im Verhältnis zwischen Nachbarn (so aber Roth aaO S. 25), also nicht um das Einstehen für Schäden, die allein auf das rechtmäßige Vorhandensein einer Anla-
ge oder eine erlaubte Tätigkeit zurückzuführen sind, sondern um die Haftung für rechtswidrige Störungen aus einer bestimmungsgemäßen Grundstücksnutzung , die von dem beeinträchtigten Nachbarn aus tatsächlichen Gründen nicht abgewehrt werden können. Dieser typisch nachbarrechtliche Nutzungskonflikt ist in § 906 Abs. 2 BGB nicht geregelt, hätte aber vom Regelungsplan des Gesetzgebers her zu dem gleichen Abwägungsergebnis geführt. Daß der Wasserrohrbruch auch von § 2 Satz 2 HPflG erfaßt wird, steht dem ebenso wenig entgegen wie die Verschuldenshaftung. Denn für die Frage einer Gesetzesanalogie zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist es nicht von Bedeutung, ob auch noch ein nach Voraussetzung und Rechtsfolge anders gelagerter Haftungstatbestand erfüllt ist. In dem für das private Nachbarrecht maßgeblichen dreiteiligen Haftungsrecht von Gefährdungshaftung, Verschuldenshaftung und verschuldensunabhängiger Störerhaftung kann das Bestehen einer Gesetzeslücke in dem einen Haftungstatbestand nicht damit verneint werden, daß ein anderer Haftungstatbestand eingreift. Entscheidend ist vielmehr, daß die verschuldensunabhängige Störerhaftung in dem Regelungssystem des § 906 BGB eine Lücke enthält, die durch eine entsprechende Anwendung des Absatzes 2 Satz 2 zu schließen ist. Davon zu trennen ist die andere Frage, ob § 2 HaftPflG für Schäden aus Rohrleitungsbrüchen die verschuldensunabhängige Störerhaftung ausschließt (dazu unter 4).
cc) Der analogen Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf Wasserrohrbruchschäden steht auch nicht entgegen, daß der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes bei dem Bruch einer öffentlich-rechtlich betriebenen Wasserleitung eine verschuldensunabhängige Haftung unter dem Gesichtspunkt des enteignungsgleichen Eingriffs abgelehnt und allein die Verschuldenshaftung gemäß § 836 BGB für anwendbar gehalten hat (BGHZ 55, 229, 231; 125,
19, 21). Zwar steht der an privatrechtliche Einwirkungen anknüpfende nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch nach Inhalt und Funktion den Ansprüchen aus enteignendem oder enteignungsgleichem Eingriff durch hoheitliche Maßnahmen nahe (Senat, Urt. v. 18. November 1994, V ZR 98/93, NJW 1995, 714, 715). Er ist jedoch seinen Voraussetzungen nach mit diesen Ansprüchen nicht identisch (Senat, BGHZ 62, 361, 366). Während es im öffentlich-rechtlichen Entschädigungsrecht bei der wertenden Zurechnung der Schadensfolgen nach Verantwortungsbereichen und Risikosphären (BGHZ 125, 19, 21) wesentlich auf die Unmittelbarkeit des Eingriffs ankommt, stellt das Haftungssystem des privaten Nachbarrechts auf die Störereigenschaft im Sinne der §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB ab. Diese folgt nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht allein aus dem Eigentum oder dem Besitz an dem Grundstück, von dem die Einwirkung ausgeht, und setzt auch keinen unmittelbaren Eingriff voraus. Vielmehr ist ausreichend, aber auch erforderlich, daß die Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers oder Besitzers zurückgeht. Ob dies der Fall ist, kann nicht begrifflich, sondern nur in wertender Betrachtung von Fall zu Fall festgestellt werden (Senat, BGHZ 142, 66, 69; Urt. v. 7. Juli 1995, V ZR 213/94, NJW 1995, 2633, 2634, jeweils m. w. Nachw.). Entscheidend ist, ob es jeweils Sachgründe gibt, dem Grundstückseigentümer oder Nutzer die Verantwortung für ein Geschehen aufzuerlegen (Senat, BGHZ 142, 66, 69 f.).
Dies hat der Senat im Fall des Eindringens von Wasser infolge eines Rohrbruchs im Duschraum des Nachbarhauses aus § 836 BGB abgeleitet (Senat , Urt. v. 19. April 1985, V ZR 33/84, WM 1985, 1041; zustimmend Palandt /Bassenge, BGB, 62. Aufl., § 1004 Rdn. 22), weil der Bruch als "Ablösung von Teilen“ eines mit dem Grundstück verbundenen Werks im Sinne dieser
Bestimmung anzusehen ist (BGHZ 55, 229, 235; BGH, Urt. v. 17. März 1983, III ZR 116/81, VersR 1983, 588). Das ist bei einer in einem Straßengrundstück verlegten Wasserleitung nicht anders. Ein Rohrbruch und die hierdurch verursachte Überschwemmung ist vermeidbar und nicht die Folge eines von niemandem zu beherrschenden Naturereignisses (vgl. Senat, BGHZ 122, 283, 284 f. - Sturmschaden durch umstürzende Bäume; Urt. v. 7. Juli 1995, V ZR 213/94, NJW 1995, 2633, 2634 - Wolläuse). Der Betreiber muß nur für einen Zustand sorgen, der eine von seinem Grundstück ausgehende Überschwemmung des Nachbargrundstücks oder ein Übergreifen des Brands verhindert. Insoweit besteht kein Unterschied zum Niederschlagswasserfall (Senat, BGHZ 90, 255; dazu Roth, aaO, S. 15 f.). Der gefährdete Nachbar dürfte jeweils die Immission im Wege einer vorbeugenden Unterlassungsklage in dem Augenblick abwehren, in dem objektiv die drohende Gefahr eines die Immission ermöglichenden Defekts sich konkret abzeichnet und ein Einschreiten erfordert. Da er diese Gefahr aber nicht erkennen kann und deswegen die Einwirkung dulden muß, steht ihm der Anspruch auf angemessenen Ausgleich für die erlittenen Schäden zu. Daß der Unterlassungsanspruch mit dem Abschluß des Geschehens aus dem Wasserrohrbruch erlischt, ist unerheblich (a.A. Roth aaO S. 28). Der Ausgleich wird dafür geschuldet, daß der primäre Abwehranspruch nicht verfolgt werden konnte. Daher sprechen auch die Gesichtspunkte der Veranlassung, der Gefahrenbeherrschung und der Vorteilsziehung dafür, die Beklagte als Störerin anzusehen und ihr eine an die Stelle der faktisch undurchsetzbaren primären Abwehransprüche gemäß §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB tretende Ausgleichspflicht aufzuerlegen (vgl. Hagen, in: Festschrift für Hermann Lange, 1992, S. 483, 501).
3. Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Beklagte verpflichtet, der Klägerin die aus dem Wasserrohrbruch entstandenen Schäden angemessen auszugleichen. Sie und ihr Ehemann hatten tatsächlich keine Möglichkeit, die durch den Wasserrohrbruch verursachte Überschwemmung des Grundstücks H. H. 30/30a durch die Geltendmachung von Abwehransprüchen gemäß §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB zu verhindern. Die hierdurch an dem Grundstück, dem Gebäude und an der Betriebseinrichtung verursachten Sachschäden belaufen sich - ohne Berücksichtigung des der Klägerin entstandenen Verdienstausfallschadens - nach den insoweit nicht angefochtenen Feststellungen des Berufungsgerichts auf 205.041,85 DM und übersteigen damit das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Einwirkung. Die Beeinträchtigung beruht auch auf einer privatwirtschaftlichen Nutzung des Straßengrundstücks. Die Beklagte nimmt als Trägerin der örtlichen Wasserversorgung zwar eine Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge war, sie ist als Aktiengesellschaft aber privatrechtlich organisiert. Damit ist ihre Tätigkeit insgesamt dem Privatrecht zuzurechnen (vgl. Senat, Beschl. v. 21. November 1996, V ZB 19/96, NJW 1997, 744; Filthaut, VersR 1992, 150, 156).
4. Zuzustimmen ist dem Berufungsgericht schließlich darin, daß der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht durch die Anlagenhaftung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 HaftPflG ausgeschlossen wird (ebenso OLG Düsseldorf, VersR 1992, 326, 327; Filthaut, VersR 1992, 150, 152; ders., Haftpflichtgesetz, 5. Aufl., § 12 Rdn. 244; Staudinger /Kohler, BGB [2001], § 2 HaftPflG Rdn. 41).

a) Die Gefährdungshaftung nach dem Haftpflichtgesetz bezweckt den Schutz der Öffentlichkeit vor den von bestimmten Anlagen und Einrichtungen
ausgehenden Gefahren und greift daher grundsätzlich zugunsten jedes Geschädigten Platz (Amtliche Begründung zum Gesetz zur Änderung des Reichshaftpflichtgesetzes vom 15. August 1943 [RGBl. I S. 489], DJ 1943, 430). Um das mit dieser weiten Ausdehnung der Haftung verbundene Risiko für den Schädiger überschaubar zu halten, sind die Schadensersatzansprüche gemäß § 10 HaftPflG der Höhe nach beschränkt (Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 8/108, S. 6). Dagegen steht der auf Entschädigung nach enteignungsrechtlichen Grundsätzen gerichtete (Senat, BGHZ 90, 255, 263 m. w. Nachw.) nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch nur den Eigentümern und Besitzern der von schädigenden Einwirkungen betroffenen Grundstücke wegen solcher die Zumutbarkeitsschwelle überschreitender Schäden zu, die an dem Grundstück selbst entstanden sind oder sich aus der Beeinträchtigung der Substanz oder der Nutzung des betroffenen Grundstücks entwickelt haben (BGHZ 92, 143, 145; 147, 45, 50). Da er der Kompensation für den Ausschluß an sich gegebener , aber undurchsetzbarer primärer Abwehransprüche dient (Senat, BGHZ 147, 45, 50), fehlt es an einem Grund für eine Haftungsbegrenzung.

b) Im Hinblick auf die persönlichen und sachlichen Beschränkungen, denen der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch unterliegt, führt seine Anwendung neben der Ersatzpflicht aus § 2 HaftPflG nicht dazu, daß die gesetzliche Anlagenhaftung bedeutungslos wäre. Auch der Schutzzweck des Haftpflichtgesetzes steht der Anerkennung konkurrierender Anspruchsgrundlagen nicht entgegen. Allerdings ist der Gesetzgeber bei der zum 1. Januar 1978 in Kraft getretenen Neufassung von § 2 HaftPflG im Hinblick auf das Urteil BGHZ 55, 229 ff. davon ausgegangen, daß ein Ersatzanspruch wegen der durch den Bruch einer Wasserrohrleitung verursachten Schäden nur aus § 836 BGB her-
geleitet werden könne und daß die Geltendmachung dieses Anspruchs wegen der Möglichkeit des Entlastungsbeweises vielfach erfolglos bleibe. Diese Schutzlücke sollte durch die Einführung einer allgemeinen Gefährdungshaftung für Rohrleitungsschäden geschlossen werden (BT-Drucks. 8/108, S. 11 f.). Erkennt man für den Bereich privatwirtschaftlich genutzter Wasserrohrleitungen einen verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch an, ist die Schutzlücke zwar kleiner als vom Gesetzgeber angenommen. Die Anerkennung eines solchen Anspruchs neben § 2 HaftPflG entspricht aber gerade der vom Gesetzgeber verfolgten Absicht eines möglichst umfassenden Opferschutzes (vgl. BT-Drucks. 8/108, S. 7, 14).

c) Das kommt insbesondere durch § 12 HaftPflG deutlich zum Ausdruck. Das Reichshaftpflichtgesetz vom 7. Juni 1871 begründete eine verschuldensunabhängige Haftung zunächst nur für Personenschäden, die auf den Betrieb einer Eisenbahn zurückgehen (§ 1 RHaftPflG 1871). Ziel des Gesetzes war es, die Ersatzansprüche der Geschädigten gegenüber den landesrechtlichen Vorschriften zu erweitern. Soweit ein Geschädigter auch nach diesen Vorschriften Ersatz verlangen konnte, blieben die so begründeten Ansprüche daher unberührt (§ 9 RHaftPflG 1871). Die Aufhebung des Landesrechts mit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs änderte hieran nur insoweit etwas, als an die Stelle der nach § 9 RHaftPflG unberührt bleibenden landesrechtlichen Gesetze "die gesetzlichen Vorschriften" traten (Biermann, Reichshaftpflichtgesetz, § 9 Anm. I). Soweit die Haftung des Betreibers einer Eisenbahn nach reichsgesetzlichen Vorschriften über die Haftung nach dem Reichshaftpflichtgesetz hinausging, sollte diese Haftung keine Einschränkung erfahren (Biermann, aaO.).
Dieser Grundsatz wurde bei der Einbeziehung der Ersatzpflicht für Personenschäden und bei der Erstreckung der Haftung auf Sachschäden aus dem Betrieb von elektrischen oder Gasleitungen nicht eingeschränkt. Auch nach § 9 a RHaftPflG 1943 blieb die Haftung der Inhaber der Energieversorgungsanlagen nach anderen "reichsgesetzlichen Vorschriften" von der Haftung nach dem Reichshaftpflichtgesetz "unberührt".
Die 1978 erfolgte Novellierung des Haftpflichtgesetzes hat hieran nichts geändert. Die Einbeziehung weiterer gefahrenträchtiger Sachverhalte in die Haftung diente allein dazu, den als unzureichend empfundenen Schutz der Geschädigten für Rohrleitungsschäden durch § 836 BGB zu erweitern (BTDrucks. 8/108 S. 11 f). §§ 9, 9 a RHaftPflG 1943 wurden zu § 12 HaftPflG zusammengeführt. Eine abschließende Regelung der Haftung für derartige Schäden durch das Haftpflichtgesetz sollte nicht erfolgen. Insoweit verhält es sich anders als in den Fällen der wasserrechtlichen Anlagenhaftung gemäß § 22 Abs. 2 WHG (BGHZ 142, 227, 236) und der Verpflichtung zum Ersatz von Bergschäden gemäß §§ 114 ff. BBergG (BGHZ 148, 39, 53).

d) Etwas anderes folgt auch nicht aus der summenmäßigen Begrenzung der Anlagenhaftung gemäß § 10 HaftPflG. Der Erwägung, die Haftungsbegrenzung sei Voraussetzung dafür, das Risiko zu kalkulieren und zu tragbaren Bedingungen abzusichern, ist bereits der Gesetzgeber mit dem Hinweis darauf entgegengetreten, daß eine an den Haftungshöchstgrenzen orientierte Versicherung lediglich das Risiko aus der Gefährdungshaftung abdecke, während für die vielfach daneben bestehenden Ansprüche aus unerlaubter Handlung, die keine summenmäßige Beschränkung kennen, ohnehin Vorsorge getroffen werden müsse. Darüber hinaus sähen ausländische Rechtsordnungen eine
summenmäßige Haftungsbegrenzung im allgemeinen nicht vor, ohne daß dies zu unüberwindlichen Schwierigkeiten geführt habe (BT-Drucks. 8/108, S. 7). Angesichts der vom Gesetzgeber selbst geäußerten Zweifel an der Berechtigung einer Haftungsbegrenzung und des ausdrücklichen Hinweises darauf, daß die in § 10 HaftPflG normierte Haftungsbegrenzung nur gelte, soweit Ansprüche ausschließlich aus dem Gesichtspunkt der Gefährdungshaftung hergeleitet werden könnten (BT-Drucks. 8/108, S. 6), kann keine Rede davon sein, die entsprechende Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB unterlaufe die vom Gesetzgeber gewollte Haftungsbegrenzung.

III.


1. Der Senat hat die Angriffe der Revision gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe durch die Überschwemmung ihrer Betriebsräume bis zur Aufgabe des Geschäftsbetriebs einen Verdienstausfallschaden in Höhe von 179.930 DM erlitten, geprüft. Die Rügen der Revision sind nicht begründet. Von der Darstellung wird gemäß § 565 a ZPO a.F. abgesehen.
2. Dem Berufungsgericht kann jedoch insoweit nicht gefolgt werden, als es die Feststellung trifft, die Beklagte sei verpflichtet, der Klägerin Schadensersatz zu leisten, soweit das Schadensereignis vom 19. Mai 1992 zu weiteren Schäden führe. Die Anspruch der Klägerin aus eigenem Recht und der ihr abgetretene Anspruch gehen nicht auf Schadensersatz, sondern auf Ausgleich der Beeinträchtigung, den die Klägerin bzw. ihr Ehemann aufgrund des Ereignisses vom 19. Mai 1992 erlitten haben oder noch erleiden können.
Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch ist auf eine angemessene Entschädigung in Geld gerichtet. Seine Höhe ist nach den Grundsätzen über die Enteignungsentschädigung zu bestimmen (Senat, BGHZ 85, 375, 386; 90, 255, 263; Urt. v. 18. November 1994, V ZR 98/93, NJW 1995, 714, jeweils m. w. Nachw.). Besteht die Einwirkung in einer Substanzschädigung, kann der Entschädigungsanspruch auf vollen Schadensersatz gehen (Senat, BGHZ 142, 66, 70 f.; Senat, Urt. v. 19. April 1985, V ZR 33/84, WM 1985, 1041; Urt. v. 4. Juli 1997, V ZR 48/96, NJW-RR 1997, 1374 m. w. Nachw.) und den Ausgleich der Folgen umfassen, die sich aus der Beeinträchtigung der Nutzung des betroffenen Grundstücks entwickeln (BGHZ 58, 149, 161; 92, 143, 145).
Dies ist bei der Beeinträchtigung der gewerblichen Nutzung eines Grundstücks, um die es hier geht, regelmäßig die Ertragseinbuße, die aus dem Schadensereignis folgt (Senat, BGHZ 147, 45, 53 m. w. Nachw.). Auch in diesem Fall ist die Verpflichtung zur Ausgleichsleistung nach den Grundsätzen des Nachbarrechts mit einem Schadensersatzanspruch jedoch nicht notwendig deckungsgleich. Es besteht vielmehr Raum für eine wertende Entscheidung, die zu einem Zurückbleiben des Ausgleichsanspruchs hinter einem Anspruch auf Schadensersatz führen kann. Das muß im Tenor des Feststellungsausspruchs Berücksichtigung finden.

IV.


Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 Abs. 1, 92, 269 Abs. 3 ZPO.
Wenzel Krüger Klein Gaier Schmidt-Räntsch

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 389/99 Verkündet am:
23. Februar 2001
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
-----------------------------------

a) Dem Besitzer eines Grundstücks kann im Falle verbotener Eigenmacht, die aus
besonderen Gründen nicht nach §§ 862, 858 BGB abgewendet werden kann, ein
nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch in Geld entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2
BGB zustehen. Gegenstand des Ausgleichs ist der Vermögenswert, der auf dem
Recht, den Besitz innezuhaben, beruht.

b) Der Mieter eines bebauten Betriebsgrundstücks kann Ausgleich der durch die
Störung des Besitzes verursachten vermögenswerten Nachteile des Gewerbebetriebs
, nicht dagegen der am Gebäude entstandenen Schäden verlangen. Der
Anspruch setzt nicht voraus, daß die Störung betriebsbezogen im Sinne des
Schutzes des Gewerbebetriebs vor unerlaubten Handlungen ist.

c) Infolge der Besitzstörung eingetretene Ertragseinbußen sind insoweit auszugleichen
, als sie während der Dauer der Beeinträchtigung des Betriebs eingetreten
sind und nach der bisherigen Ertragslage angemessen erscheinen.

d) Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch des Besitzers unterliegt nicht der einjährigen
Ausschlußfrist des § 864 BGB.

e) Dem Besitzer steht bei unzulässiger Vertiefung des Nachbargrundstücks (§ 909
BGB) ein Abwehranspruch wegen Besitzstörung (§ 862 BGB) zu.
BGH, Urt. v. 23. Februar 2001 - V ZR 389/99 - OLG Naumburg
LG Halle
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. Februar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die
Richter Tropf, Schneider, Dr. Klein und Dr. Lemke

für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten zu 1 gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 1. September 1999 wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Beklagten zu 1 und zu 2 als Gesamtschuldner 60 %; weitere 40 % trägt der Beklagte zu 1 allein.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist Mieterin einer Produktionshalle, die an einem Hang entlang der Grenze zum daruntergelegenen Grundstück des Beklagten zu 1 steht. Sie unterhält dort einen Betrieb für Mittel- und Niederspannungsanlagen. Am 10. Dezember 1993/27. Januar 1994 traf der Beklagte zu 1 mit der Deutschen Shell AG eine Vereinbarung über die Errichtung und anschließende Verpachtung eines Tankstellenbetriebs. In der Folgezeit vergab die Deutsche Shell AG - als bevollmächtigte Vertreterin des Beklagten zu 1 - die Architektenleistungen einschließlich Genehmigungsplanung, Bauleitung und Objektüberwachung an
den Beklagten zu 2. Dieser beauftragte u.a. die G. B. GmbH mit der Bauausführung.
Nach Erteilung der Baugenehmigung zur Errichtung einer Shell-Station ging am 13. Juli 1995 beim Bauordnungsamt ein Nachtragsantrag ein, der u.a. die Anlegung von vier Stellplätzen an der südöstlichen Grenze zum benachbarten Hallengrundstück vorsah. Die geplanten Parkplätze sollten von der G. B. GmbH errichtet werden und bis auf etwa 1 m an die gemeinsame Grundstücksgrenze heranreichen. Am 5. September 1995 nahmen Mitarbeiter der G. B. GmbH im Bereich dieser Grenze Ausschachtungsarbeiten vor. Dabei legten sie die Fundamente der von der Klägerin genutzten Produktionshalle in voller Länge bis Unterkante der Streifenfundamente und teilweise noch darunter frei. Dadurch kam es noch am selben Tag zu einem Grundbruch am nordöstlichen Teil der Halle, der zu einem Einsturz der Außenwände und der Zwischendecke auf einer Länge von ca. 20 m führte. Das Bauordnungsamt untersagte daraufhin wegen Einsturzgefahr am 6. September 1995 die weitere Nutzung des Gebäudekomplexes. Drei Tage später stürzte auch das Hallendach ein.
Die von der Eigentümerin des Hallengrundstücks im Vorprozeß gegen den Bauunternehmer sowie die Beklagten zu 1 und 2 erhobene Klage auf Ersatz des Gebäudeschadens hatte nur gegen die zwischenzeitlich in Vermögensverfall geratene G. B. GmbH Erfolg.
Im Streitfall verlangt die Klägerin im Wege der Teilklage von den Beklagten Zahlung in Höhe von 403.206,55 DM. Dem Anspruch legt sie einen "entgangenen Kostendeckungsbeitrag" einschließlich entgangenem Gewinn in Höhe von 230.450 DM, Produktionserschwerniskosten und Mehraufwendungen
durch Beeinträchtigung der Produktion in Höhe von 104.436,50 DM und 28.713 DM sowie Arbeitsaufwand für den Umzug in den wiederaufgebauten Gebäudebereich und die Räumung einer Ausweichhalle, 32.428,80 DM und 7.178,25 DM, zugrunde. Hilfsweise stützt sie den Antrag auf Produktionsausfall , Kosten der Produktionsverlagerung und Verlust an Werkzeug und Material, insgesamt 146.936,67 DM. Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage dem Grunde nach stattgegeben. Hiergegen richten sich die Revisionen der beiden Beklagten, die weiterhin Klagabweisung begehren. Der Senat hat nur die Revision des Beklagten zu 1 angenommen. Die Klägerin beantragt Zurückweisung dieses Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


I.

Das Berufungsgericht hält die gegen den Beklagten zu 1 gerichtete Klage dem Grunde nach gemäß §§ 823 Abs. 2, 909 BGB für gerechtfertigt. Es vertritt die Auffassung, der Beklagte zu 1 habe als Bauherr an einer unzulässigen Vertiefung des Nachbargrundstücks mitgewirkt und dabei der ihm als Grundeigentümer obliegenden Schutzpflicht aus § 909 BGB schuldhaft nicht genügt. Denn er habe weder das mit der Bauausführung betraute Unternehmen ordnungsgemäß beaufsichtigt noch Vorkehrungen gegen eine Beeinträchtigung der Standfestigkeit der Produktionshalle getroffen. Hilfsweise billigt das Berufungsgericht der Klägerin einen verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zu.
Diese Ausführungen halten der Revision nur im Ergebnis stand.

II.


1. Mit Erfolg wendet sich die Revision allerdings gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte zu 1 habe gemäß §§ 823 Abs. 2, 909 BGB für die bei der Klägerin infolge des Halleneinsturzes verursachten Schäden einzustehen. Eine auf diese Vorschriften gestützte Haftung des Beklagten zu 1 ist mangels schuldhafter Pflichtverletzung ausgeschlossen.
Das Berufungsgericht überspannt die an einen Grundeigentümer bei der Durchführung von Vertiefungsarbeiten zu stellenden Anforderungen. Diesen trifft zwar eine eigenverantwortliche Pflicht zur Überprüfung, ob die beabsichtigte Maßnahme zu einer Beeinträchtigung der Standfestigkeit des Nachbargrundstückes führt (Senat, Urt. v. 12. Juli 1996, V ZR 280/94, NJW 1996, 3205, 3206 m.w.N.). Nach ständiger Rechtsprechung des Senats genügt aber ein Grundstückseigentümer dieser Verpflichtung regelmäßig schon dadurch, daß er sorgfältig ausgewählte, fachkundige Architekten, Ingenieure und Bauunternehmer mit der Lösung der anfallenden bautechnischen Aufgaben und deren sachgemäßen Durchführung betraut (Senat, Urt. v. 27. Juni 1969, V ZR 41/66, NJW 1969, 2140, 2141; v. 27. Mai 1987, V ZR 59/86, NJW 1987, 2810 f (insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 101, 106 ff), v. 18. September 1987, V ZR 219/85, WM 1988, 200, 203 ff; v. 4. Juli 1997, V ZR 48/96, WM 1997, 2262 ff). Die sorgfältige Auswahl der mit der Planung und der Bauausführung befaßten Fachleute reicht zur Entlastung des Bauherrn und Grundeigentümer nur dann nicht aus, wenn auch für ihn erkennbar eine erhöhte Gefahrenlage gegeben war oder wenn Anlaß zu Zweifeln bestand, ob die eingesetzten Fach-
kräfte in ausreichendem Maße den Gefahren und Sicherheitserfordernissen Rechnung tragen würden (Senat, Urt. v. 4. Juli 1997, V ZR 48/96 aaO). Derartige Umstände hat das Berufungsgericht jedoch nicht festgestellt. Es hat weder einen Auswahlfehler des Beklagten zu 1 aufgezeigt noch Feststellungen dazu getroffen, weshalb trotz der Einschaltung von Fachleuten (Architekt und Bauunternehmer ) ausnahmsweise Anlaß zu einem eigenen Einschreiten des Bauherrn bestanden hätte. Das angefochtene Urteil ist daher mit der erfolgten Begründung nicht haltbar.
2. Auch Schadensersatzansprüche gemäß § 823 Abs. 1, § 823 Abs. 2 i.V.m. § 858 Abs. 1 BGB sind mangels hinreichender Anhaltspunkte für eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beklagten zu 1 ausgeschlossen. Für eine Eintrittspflicht nach § 831 BGB fehlt es an der Feststellung, daß Architekt oder Bauunternehmer bei der Durchführung der Vertiefungsarbeiten - was ohnehin nur ausnahmsweise in Frage kommen kann - als weisungsabhängige Verrichtungsgehilfen des Bauherrn tätig geworden sind (vgl. BGH, Urt. v. 21. Juni 1994, VI ZR 215/93, NJW 1994, 2756, 2757 m.w.N.).

III.


Die angefochtene Entscheidung kann jedoch aus einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt aufrechterhalten bleiben (§ 563 ZPO). Denn im Streitfall kommt eine verschuldensunabhängige Ersatzpflicht des Beklagten zu 1 auf der Grundlage einer entsprechenden Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in Betracht.
1. Die Klägerin hat ihre Klage zwar nicht ausdrücklich auf diesen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch gestützt. Bei sachgerechter Auslegung ist ihr Klagebegehren aber nicht auf deliktische Ansprüche beschränkt, sondern erfaßt auch eine auf das gleiche prozessuale Ziel (Ersatz der Vertiefungsschäden ) gerichtete Ausgleichsforderung nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog (Senat, Urt. v. 4. Juli 1997, V ZR 48/96, aaO; Senat, BGHZ 113, 384, 390; noch offengelassen in Senat, BGHZ 111, 158, 161). Mit Recht haben die Tatgerichte daher den vorgetragenen Sachverhalt auch unter dem Aspekt einer verschuldensunabhängigen, nachbarrechtlichen Eintrittspflicht gewürdigt.
2. Ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB besteht nach gefestigter Rechtsprechung regelmäßig dann, wenn von einem Grundstück auf ein benachbartes Grundstück einwirkende Beeinträchtigungen zwar rechtswidrig sind und daher nicht, wie im gesetzlich geregelten Falle, geduldet werden müßten, der betroffene Eigentümer jedoch aus besonderen Gründen gehindert ist, solche Störungen gemäß § 1004 Abs. 1 BGB zu unterbinden; der Anspruch setzt voraus, daß der Betroffene hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Einwirkung übersteigen (Senat, BGHZ 90, 255, 262 f; 111, 158, 163; BGHZ 142, 227, 235; Senat, Urt. v. 12. November 1999, V ZR 229/98, NJW-RR 2000, 537). Der Ausgleichsanspruch ist nicht auf die Folgen der Zuführung unwägbarer Stoffe, für die § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB unmittelbar gilt, beschränkt, sondern hat auch andere Störungen, insbesondere Schädigungen wegen einer unzulässigen Vertiefung (§ 909 BGB), um die es hier geht, zum Gegenstand (BGHZ 72, 289, 292; Senat BGHZ 85, 375, 384; 90, 255, 262).
Das gleiche gilt im Ausgangspunkt für den hier zu beurteilenden Fall der Störung des Besitzes. Denn der Ausgleichsanspruch dient als Kompensation für den Ausschluß primärer Abwehransprüche (Senat BGHZ 68, 350, 354; 112, 283, 284; Urt. v. 7. April 2000, V ZR 39/99, NJW 2000, 2901, 2903, für BGHZ 144, 200 bestimmt), die auch dem Besitzer zustehen (§ 862 Abs. 1 BGB), und ihm einen, den Rechten des Eigentümers aus § 1004 BGB ähnlichen (statt aller : MünchKomm-BGB/Joost, 3. Aufl., § 862 Rdn. 1), Schutz gegen Störungen bieten. Der Ausgleichsanspruch tritt im Falle einer aus besonderen Gründen nicht abwehrbaren verbotenen Eigenmacht (§ 858 Abs. 1 BGB) neben den Schadensersatzanspruch wegen Besitzverletzung (§ 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 i.V.m. § 858 Abs. 1 BGB), der in der Rechtsprechung von jeher anerkannt ist (RGZ 59, 326; 170, 1, 6; BGHZ 32, 194, 204), aber ein Verschulden des Störers voraussetzt. In Anerkennung der vergleichbaren Interessenlage bei Eigentums- und Besitzstörungen hat die Rechtsprechung den gesetzlichen Ausgleichsanspruch wegen duldungspflichtiger Immissionen (§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB) auf den Besitzer erstreckt (Senat, BGHZ 30, 273, 280; BGHZ 92, 143, 145; zust.: Erman/Hagen/Lorenz, BGB, 10. Aufl., § 906 Rdn. 35; MünchKomm-BGB/Säcker, aaO, § 906 Rdn. 134; RGRK-Augustin, BGB, 12. Aufl., § 906 Rdn. 76; Staudinger/Roth, 1996, § 906 Rdn. 231). Hiervon ist sie auch bei der entsprechenden Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB wiederholt ausgegangen (Senat, BGHZ 62, 361, 367; 70, 212, 220).
3. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Anspruchs sind gegeben.

a) Der Klägerin stand ein Abwehrrecht wegen unzulässiger Vertiefung des Grundstücks des Beklagten zu 1 zu. Nach überwiegender Meinung ist zur Geltendmachung des Unterlassungs- und Beseitigungsanspruchs aus § 909
BGB nicht nur der Eigentümer, sondern darüber hinaus der Besitzer des durch Vertiefung beeinträchtigten Grundstücks befugt (Erman/Hagen/Lorenz aaO § 909 Rdn. 4; Jauernig, BGB, 9. Aufl., § 902 Rdn. 2; RGRK-Augustin, aaO, § 909 Rdn. 8 [s. Eigenbesitzer]; Soergel/Baur, BGB, 12. Aufl., § 909 Rdn. 13; Staudinger/Roth, aaO, § 909 Rdn. 35; a.A. Palandt/Bassenge, BGB, 60. Aufl., § 909 Rdn. 9). Der Senat hat die Frage bisher offengelassen (BGHZ 114, 161, 164). Er beantwortet sie nunmehr in dem Sinne, daß der Besitzer in den Schutzbereich des § 909 BGB einbezogen ist; unter den Voraussetzungen des § 909 BGB steht ihm mithin ein Abwehranspruch wegen Besitzstörung (§ 862 Abs. 1 BGB) zu. Vom Verlust der bodenphysikalischen Stütze, dem das Verbot des § 909 BGB entgegenwirken will, ist auch der Besitzer des Grundstücks betroffen. Rechtlich ist der Schutz vor unzulässiger Vertiefung mit dem Eigentum nicht in der Weise verbunden, daß der bloße Besitz ihm keine Grundlage verschaffen könnte. § 909 BGB stellt, soweit ihm gegenüber § 1004 Abs. 1 BGB eigenständige Bedeutung zukommt, klar, daß die Entziehung des stützenden Erdreichs keine lediglich negative und deshalb nicht abwehrfähige Immission darstellt (vgl. Staudinger/Roth, aaO, § 909 Rdn. 1 unter Hinweis auf Senat, BGHZ 113, 384, 388). Dies gilt auch für die Immissionsabwehr nach § 862 Abs. 1 BGB.

b) Nach den von der Revision nicht in Zweifel gezogenen Feststellungen des Berufungsgerichts hatte die Klägerin keine Möglichkeit, die nachteiligen Einwirkungen auf die Standfestigkeit des von ihr genutzten Grundstücks rechtzeitig zu unterbinden. Für die entstandenen Beeinträchtigungen gebührt ihr daher ein angemessener Ausgleich in Geld. Dieser Anspruch richtet sich, entgegen der Ansicht der Revision, gegen den Beklagten zu 1. Denn Anspruchsgegner ist grundsätzlich der Eigentümer des unsachgemäß vertieften Grund-
stücks (vgl. Senat, BGHZ 101, 290, 294; 113, 384, 392; Urt. v. 26. Januar 1996, V ZR 264/94, NJW-RR 1996, 852, 853). Die Eintrittspflicht des Beklagten zu 1 besteht unabhängig davon, ob er die Ausführung der Vertiefungsarbeiten konkret in Auftrag gegeben hat oder nicht. Denn die hierbei verursachte Beeinträchtigung der Standfestigkeit des Nachbargrundstücks stellt eine adäquate Folge der von ihm als Bauherrn veranlaßten Errichtung der Tankstellenanlage dar. Nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge ist nämlich in Rechnung zu stellen, daß bei Bauvorhaben solchen Ausmaßes die statischen Verhältnisse angrenzender Grundstücke tangiert werden. Dem Beklagten zu 1 war als Bauherrn und Eigentümer auch die Möglichkeit eröffnet, jederzeit auf Art und Umfang der auf seinem Grundstück durchgeführten Bauarbeiten Einfluß zu nehmen. Entsprechend den zur mittelbaren Störerhaftung entwickelten Grundsätzen (vgl. Senat, Urt. v. 30. Oktober 1981, V ZR 171/80, NJW 1982, 440; Urt. v. 7. April 2000, V ZR 39/99, aaO) rechtfertigen diese Umstände eine an die Stelle der nicht durchsetzbaren Abwehrbefugnisse tretende Ausgleichspflicht analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB (Senat BGHZ 142, 66, 69 f). Ob daneben eine Haftung der Tankstellenpächterin in Betracht kommt, ist hierbei unbeachtlich, da der Beklagte zu 1 auch in diesem Falle zum Ausgleich verpflichtet bliebe (Senat, BGHZ 113, 384, 392; Erman/Hagen/Lorenz, aaO, § 906 Rdn. 35).

c) Der Anspruch ist auch nicht wegen Ablaufs der Ausschlußfrist des § 864 BGB erloschen. Zwar wurde die Klage erst im Jahre 1998, mithin mehr als ein Jahr nach der Verübung der verbotenen Eigenmacht, erhoben. Der Ausgleich der Besitzstörung in Geld liegt aber außerhalb des mit der Befristung des Abwehranspruchs verbundenen Zwecks. Der Abwehranspruch dient der Wiederherstellung der auf dem Besitz beruhenden vorläufigen Güterzuordnung. Der Ausgleich gilt den vollen oder teilweisen Wegfall dieses Schutzes
ab. Das Scheitern der Abwehr findet eine Kompensation, die dem beeinträchtigten Besitzer verbleibt. Einer Befristung des hierauf gerichteten Anspruchs fehlte der innere Grund.
4. Gegenstand des Ausgleichs der Besitzstörung in Geld ist der Vermögenswert , der auf dem Recht, den Besitz innezuhaben, beruht. Die Klägerin war aufgrund des Mietvertrags mit der Eigentümerin des Hallengrundstücks berechtigt, dieses zur Unterhaltung ihres Betriebs für Mittel- und Niederspannungsanlagen zu nutzen. Vermögenswerte Nachteile für den Betrieb, die ihre Ursache in der Besitzstörung haben, sind auszugleichen. Anders als in den Fällen, in denen ein Anspruch unmittelbar aus dem Eingriff in einen Gewerbebetrieb hergeleitet wird, bedarf es nicht der Unterscheidung zwischen betriebsbezogenen (die Grundlagen des Betriebs oder den Funktionszusammenhang der Betriebsmittel beeinträchtigenden) und anderen Störungen (zum Schadensersatz : BGHZ 55, 153; 69, 128; 86, 152). Denn die Gefahr einer haftungsrechtlichen Privilegierung des Unternehmens durch Ausgleich (bloßer) Vermögensschäden besteht hier nicht. Haftungsgrundlage ist eine gesetzliche Rechtsposition, der Besitz. Ausgleichspflichtig sind nur die Vermögensschäden , die dessen Störung nach sich zieht. Die Haftungsgrenze wird durch den rechtlich berücksichtigungsfähigen Kausalverlauf gezogen.
5. Die vermögenswerten Betriebsnachteile der Klägerin sind nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung auszugleichen (Senat, Urt. v. 8. Juli 1988, V ZR 45/87, NJW-RR 1988, 1291 f; v. 4. Juli 1999, V ZR 48/96, aaO; v. 7. April 2000, V ZR 39/99, aaO). Sie unterscheidet sich von der Schadloshaltung darin, daß nicht, wie es § 249 Satz 1 BGB fordert, der Zustand herzustellen ist, der bestehen würde, wenn die Störung nicht eingetreten
wäre. Der Ausgleich beschränkt sich vielmehr auf die Beseitigung der durch die Störung eingetretenen Vermögenseinbuße, deren Abgrenzung vom Schaden sich allerdings nicht allein durch die Ausschaltung hypothetischer Kausalverläufe herstellen läßt, sondern darüber hinaus einer wertenden Entscheidung bedarf.

a) Als ausgleichspflichtige Einbuße des Betriebs kann der zufolge der Besitzstörung vergebliche Aufwand für die Einräumung des Nutzungsrechts in Frage kommen. Diese Kosten werden jedoch regelmäßig durch die von Gesetzes wegen eintretende Minderung des Miet- oder Pachtzinses (§§ 537, 581 Abs. 2 BGB) ausgeglichen, so daß - von Ausnahmefällen abgesehen - ein Entschädigungsanspruch insoweit entfällt (BGH, Beschl. v. 10. Juli 1986, III ZR 269/85, BGHR GG vor Art. 1, enteignender Eingriff, Entschädigung 1; BGHZ 112, 392, 396). Dem trägt die Klägerin Rechnung, denn sie stellt nicht (unmittelbar) auf frustrierte Mietaufwendungen ab.

b) Die Klage ist vielmehr auf einen Ausgleich von Kosten und Gewinneinbußen gerichtet, die durch den Einsturz der Produktionshalle und die damit verbundene Störung der Betriebstätigkeit hervorgerufen sind. Dies ist im Ausgangspunkt berechtigt. Bei vorübergehenden Eingriffen in den Gewerbebetrieb kann der Ausgleichsbemessung unmittelbar der während der Dauer der Beeinträchtigung eingetretene Ertragsverlust bzw. der ausgebliebene Gewinn zugrunde gelegt werden (BGHZ 57, 359, 368; Senat BGHZ 62, 361, 371; BGH, Urt. v. 3. März 1977, III ZR 181/74, NJW 1977, 1817; Senat, Urt. v. 8. Juli 1988, V ZR 45/87, WM 1988, 1730; BGH, Urt. v. 15. Mai 1997, III ZR 46/96, WM 1997, 1755, 1759; Senat, Urt. v. 7. April 2000, V ZR 39/99, aaO). Eine Zuwachsrate für künftige Gewinnerwartungen hat dabei aber außer Betracht zu
bleiben, da die Entschädigung anders als ein Schadenersatzanspruch nicht an einer hypothetischen Vermögensentwicklung auszurichten ist (BGHZ 57, 359, 370; BGH, Urt. v. 26. Juni 1972, III ZR 203/68, NJW 1972, 1574; Urt. v. 3. Mai 1977, III ZR 181/74, NJW 1977, 1817). Die von der Klägerin in Ansatz gebrachten Ertragseinbußen einschließlich des entgangenen Gewinnes sind daher nur insoweit auszugleichen, als sie während der Dauer der Nutzungsbeeinträchtigung angefallen sind und angesichts der bisherigen Ertragssituation des Betriebs angemessen erscheinen. Dabei ist zu gewährleisten, daß die Ertragsverluste nicht doppelt in die Entschädigungsberechnung einfließen; erforderlichenfalls ist daher zu klären, ob die von der Klägerin hilfsweise begehrten Produktionsausfallkosten nicht bereits in dem geltend gemachten "Deckungsbeitrag" einschließlich entgangenem Gewinn enthalten sind.

c) Neben dem Ertragsverlust sind auch diejenigen Aufwendungen zu ersetzen, die erforderlich waren, um eine ungestörte Fortführung des Gewerbebetriebs zu gewährleisten. Denn auch solche wirtschaftlichen Nachteile sind Teil der dem Betroffenen durch die Besitzstörung abverlangten und damit auszugleichenden Vermögenseinbuße (vgl. BGH, Urt. v. 19. September 1966, III ZR 216/63, NJW 1967, 1085, 1086). Zu den ersatzfähigen Folgeschäden zählen dabei vor allem Kosten für die Verlagerung des Betriebs, Aufwendungen wegen Unbrauchbarkeit des bisherigen Inventars, Umbaukosten und Kosten für anfängliche Betriebsanlaufsschwierigkeiten (BGH, Urt. v. 27. April 1964, III ZR 136/63, WM 1964, 968, 971; Urt. v. 6. Dezember 1965, III ZR 172/64, NJW 1966, 493, 495 ff; Urt. v. 13. Juli 1967, III ZR 11/65, WM 1967, 1062, 1064). Zu ersetzen sind diese Aufwendungen allerdings nur insoweit , als sie nicht auch bei Beendigung des Mietverhältnisses angefallen wären (BGH, Urt. v. 15. November 1971, III ZR 162/69, NJW 1972, 528; BGHZ 83, 1,
6 ff). Vorliegend sind von der Klägerin aber keine Aufwendungen getätigt worden , die mit Ablauf des Mietverhältnisses ohnehin angefallen wären. Denn im Streitfall erfolgte keine Betriebsverlegung auf ein anderes Grundstück, vielmehr wurde die Produktion nach dem Vorbringen der Klägerin in wesentlichen Teilen in eine auf dem beeinträchtigten Grundstück befindliche, vor Bezug zu renovierende und neu auszustattende Ausweichhalle verlagert und nach Wiederaufbau der eigentlichen Produktionshalle in diese zurückverlegt. Die für diese Tätigkeiten angefallenen Kosten sind damit ebenso wie die zum Ausgleich von aufgetretenen Produktionserschwernissen aufgewendeten Sachund Geldmittel dem Grunde nach ersatzfähig. Dabei darf jedoch für all diese Posten, insbesondere für Arbeiten, Einrichtungen und Zeitaufwand, nur eine Entschädigung gewährt werden, die ein billiges, angemessenes Maß nicht übersteigt (BGH, Urt. v. 27. April 1964, III ZR 136/63, WM 1964, 968; Urt. v. 6. Dezember 1965, III ZR 172/64, NJW 1966, 493). Außerdem muß gewährleistet sein, daß angefallene Kosten nicht doppelt berücksichtigt werden, insbesondere der Mieterin keine Entschädigung für den bei der Grundstückseigentümerin eingetretenen Substanzverlust zugesprochen wird (vgl. BGH, Urt. v. 19. September 1966, III ZR 216/63, NJW 1967, 1085 ff); die Klägerin kann nicht Ausgleich für Wiederherstellungsarbeiten an dem beschädigten Gebäude beanspruchen. Inwieweit die von der Klägerin angeführten Einzelpositionen nach diesen Maßstäben bei der Festsetzung des einheitlichen Ausgleichsbetrags Berücksichtigung zu finden haben, ist letztlich im Betragsverfahren zu klären, wobei die Beweiserleichterung des § 287 ZPO Anwendung findet.
6. Die Haftung des Beklagten zu 1 auf nachbarrechtlichen Ausgleich und des Beklagten zu 2 wegen unerlaubter Handlung ist eine gesamtschuldnerische (Senat, BGHZ 85, 375, 386).

IV.


Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1 ZPO, 100 Abs. 4 ZPO.
Wenzel Tropf Schneider Klein Lemke

(1) Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Mietzeit ein solcher Mangel, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Miete befreit. Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, hat er nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten. Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt außer Betracht.

(1a) Für die Dauer von drei Monaten bleibt eine Minderung der Tauglichkeit außer Betracht, soweit diese auf Grund einer Maßnahme eintritt, die einer energetischen Modernisierung nach § 555b Nummer 1 dient.

(2) Absatz 1 Satz 1 und 2 gilt auch, wenn eine zugesicherte Eigenschaft fehlt oder später wegfällt.

(3) Wird dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache durch das Recht eines Dritten ganz oder zum Teil entzogen, so gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

(4) Bei einem Mietverhältnis über Wohnraum ist eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung unwirksam.

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 47/07 Verkündet am:
1. Februar 2008
Weschenfelder,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB
umfasst auch Vermögenseinbußen, die der Eigentümer oder Besitzer des beeinträchtigten
Grundstücks infolge der Beschädigung sich auf dem Grundstück befindlicher
beweglicher Sachen erleidet (Abgrenzung zu BGHZ 92, 143).
BGH, Urt. v. 1. Februar 2008 - V ZR 47/07 - OLG Stuttgart
LG Ulm
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Dezember 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den
Richter Dr. Klein, die Richterin Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und
Dr. Roth

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 23. Februar 2007 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Im Juni 2004 geriet eine im Eigentum des Beklagten stehende und von ihm genutzte Wohnung infolge eines defekten Küchengeräts in Brand. Dadurch wurde auch das angrenzende Gebäude beschädigt, in dem der Geschädigte in angemieteten Räumen ein Lederwarengeschäft betreibt. Dieser hatte seine Betriebseinrichtung und die Warenvorräte bei der Klägerin versichert; ferner bestand Versicherungsschutz für Betriebsunterbrechungsschäden.
2
Die Klägerin zahlte wegen der an den Warenvorräten durch Rauch, Ruß und Löschwasser entstandenen Schäden 118.510€ an den Geschädigten sowie 17.000 € zum Ausgleich seines Betriebsunterbrechungsschadens. Diese Beträge verlangt sie aus übergegangenem Recht des Geschädigten von dem Beklagten ersetzt.
3
Die Klage ist vor dem Landgericht erfolglos geblieben. Das Oberlandesgericht hat den Anspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und den Rechtsstreit zur Feststellung der Anspruchshöhe an das Landgericht zurückverwiesen. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht hält die Voraussetzungen eines nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB für gegeben. Die durch den Brand in die Geschäftsräume des Geschädigten eingedrungenen Rauch- und Rußpartikel stellten rechtswidrige Immissionen dar. Der Ausgleichsanspruch umfasse den unmittelbar an den Warenvorräten eingetretenen Schaden. Denn er diene als Kompensation für den Ausschluss primärer Abwehransprüche , die nach § 862 Abs. 1 BGB auch dem Besitzer des Nachbargrundstücks und damit dem Geschädigten als Mieter zustünden. Hätte dieser seinen Abwehranspruch gegen die von dem Brandereignis ausgehenden Immissionen durchsetzen können, wäre der Schaden an seinen Warenvorräten nicht eingetreten. Das rechtfertige es, sie in den Schutzbereich des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs einzubeziehen. Entsprechendes gelte für den Betriebsausfallschaden, soweit er nicht durch die Reinigungs- und Sanierungsarbeiten am Gebäude, sondern möglicherweise auch durch die Dauer der Wiederbeschaffung des Warenbestands bedingt gewesen sei.

II.

5
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
6
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Klägerin aus übergegangenem Recht des Geschädigten (§ 67 VVG) ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch in analoger Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zusteht.
7
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein solcher Anspruch gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muss, aus besonderen Gründen jedoch nicht gemäß §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB unterbinden kann, sofern er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen (vgl. Senat, BGHZ 155, 99, 102 m.w.N.). Hiervon ist auszugehen , wenn ein Brand auf ein fremdes Grundstück übergreift, da der Nachbar die Gefahr in aller Regel - und so auch hier - nicht erkennen und die Einwirkungen auf sein Grundstück daher nicht rechtzeitig abwehren kann.
8
b) Das Berufungsgericht verkennt auch nicht, dass sich der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch nur gegen einen Störer im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB richten kann (vgl. Senat, Urt. v. 27. Januar 2006, V ZR 26/05, NJW 2006, 992). Der Senat hat bereits entschieden, dass der Eigentümer eines Hauses, welches infolge eines technischen Defekts seiner elektrischen Geräte in Brand gerät, Störer ist (BGHZ 142, 66). Für den Beklagten als Eigentümer einer selbstgenutzten Wohnung gilt nichts anderes (vgl. aber auch Senat, Urt. v. 27. Januar 2006, V ZR 26/05, NJW 2006, 992 für den Fall einer vermieteten Wohnung).
9
2. Rechtsfehlerfrei nimmt das Berufungsgericht ferner an, dass sich Inhalt und Umfang des Anspruchs nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung bestimmen (vgl. Senat, BGHZ 142, 66, 70 ff.) und dass diese Entschädigung auch die Nachteile erfasst, die der hier Geschädigte infolge der Beeinträchtigung seiner Warenvorräte durch Rauch, Ruß und Löschwasser erlitten hat.
10
a) Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB dient als Kompensation für den Ausschluss primärer Abwehransprüche nach §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB (Senat, BGHZ 155, 99, 106), schützt also wie diese das Eigentum und den Besitz an einem Nachbargrundstück. Die Ausgleichsleistung knüpft an diese Rechtspositionen an; bei einer Besitzstörung richtet sie sich nach dem Vermögenswert, der auf dem Recht beruht, den Besitz innezuhaben. Folgt das Besitzrecht, wie hier, aus einem Mietvertrag über Gewerberäume, ist dies vor allem die Möglichkeit, den Besitz zur Unterhaltung eines Gewerbebetriebes zu nutzen. Daher sind die vermögenswerten Betriebsnachteile auszugleichen, die ihre Ursache in der Besitzstörung haben (vgl. Senat, BGHZ 147, 45, 52 f.).
11
Zu diesen Nachteilen zählen die für eine ungestörte Fortführung des Gewerbebetriebs erforderlichen Aufwendungen. Das umfasst Aufwendungen für den Ersatz von Inventar, von Warenvorräten und ähnlichen Betriebsmitteln, die durch die Besitzstörung beschädigt worden sind (vgl. Senat, aaO, S. 55 für unbrauchbar gewordenes Inventar sowie Senat, BGHZ 155, 99, 106 für eine beschädigte Betriebseinrichtung).
12
Dabei kommt es nicht darauf an, ob die sich auf dem Grundstück befindlichen Betriebsmittel, hier also die Warenvorräte des Geschädigten, infolge einer Beeinträchtigung der Grundstücks- oder Gebäudesubstanz (vgl. Senat, BGHZ 147, 45, 54 f.: Inventar wird durch den Gebäudeeinsturz zerstört) oder unmittelbar durch die auf das Grundstück einwirkenden Immissionen beschädigt werden (hier: Schaden unmittelbar an den Waren durch Rauch, Ruß oder Löschwasser). Denn auch der primäre Abwehranspruch gemäß §§ 1004, 862 Abs. 1 BGB, dessen faktischer Ausschluss durch die Entschädigung kompensiert werden soll, besteht unabhängig davon, welches Schadensbild infolge der drohenden unzulässigen Störung im Einzelnen zu erwarten ist. Entscheidend ist, dass der Schaden an den beweglichen Sachen nicht eingetreten wäre, wenn der Besitzer seinen Unterlassungsanspruch hätte durchsetzen können, und sich damit als Teil der diesem durch die Besitzstörung abverlangten Vermögenseinbuße darstellt.
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Ebenso wenig ist maßgeblich, ob durch die Besitzstörung hervorgerufene Ertragseinbußen, welche grundsätzlich ebenfalls auszugleichen sind (vgl. Senat , aaO, S. 54) und hier infolge der Notwendigkeit, neue Lederwaren zu beschaffen , eingetreten sein sollen, auf eine Beschädigung des Grundstücks oder darauf befindlicher beweglicher Sachen zurückzuführen sind.
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b) Eine andere Beurteilung folgt entgegen der Auffassung der Revision nicht aus dem sog. Kupolofen-Fall (BGHZ 92, 143), in dem auf einem Betriebsparkplatz abgestellte Fahrzeuge von Arbeitnehmern durch Staubauswürfe einer benachbarten Schmelzanlage beschädigt worden waren. Die Begründung, mit der der Bundesgerichtshof einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch der Arbeitnehmer gegen den Betreiber des Schmelzofens verneint hat - es fehle an dem erforderlichen Bezug der Schäden zu dem von den Immissionen betroffenen Grundstück - verweist auf die notwendige, im Kupolofen-Fall aber fehlende Haftungsgrundlage für einen solchen Anspruch. Da die klagenden Arbeitnehmer bloße Benutzer des Betriebsparkplatzes waren (aaO, S. 146), stand ihnen ein Abwehranspruch gegen die Immissionen aus §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB nicht aufgrund eines Rechts an dem betroffenen Grundstück, sondern nur als Eigentümer oder Besitzer der abgestellten Fahrzeuge zu. Rechte an beweglichen Sachen können - für sich genommen - aber keinen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch begründen. Als Teil des Interessenausgleichs für eine sachgerechte Nutzung benachbarter Grundstücke setzt ein solcher Anspruch auf Seiten des Anspruchstellers stets eine Störung seines Eigentums oder Besitzes an einem Grundstück voraus (vgl. Senat, BGHZ 157, 188, 193). Nichts anderes wird in der Kupolofen-Entscheidung angesprochen, wenn es dort heißt, der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch erfasse Folgeschäden nur, wenn und soweit diese sich aus der Beeinträchtigung der Substanz oder Nutzung des betroffenen Grundstücks entwickelten.

III.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Krüger Klein Stresemann Czub Roth
Vorinstanzen:
LG Ulm, Entscheidung vom 18.09.2006 - 4 O 151/06 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 23.02.2007 - 10 U 226/06 -

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

(1) Beruft sich eine Partei im Prozess auf Tatsachen, über die selbständig Beweis erhoben worden ist, so steht die selbständige Beweiserhebung einer Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht gleich.

(2) War der Gegner in einem Termin im selbständigen Beweisverfahren nicht erschienen, so kann das Ergebnis nur benutzt werden, wenn der Gegner rechtzeitig geladen war.

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

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(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Soweit der Schuldner die fällige Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbringt, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat. Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung nur verlangen, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht wie geschuldet bewirkt, so kann der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung nicht verlangen, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.

(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert oder wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigen.

(3) Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an deren Stelle eine Abmahnung.

(4) Der Anspruch auf die Leistung ist ausgeschlossen, sobald der Gläubiger statt der Leistung Schadensersatz verlangt hat.

(5) Verlangt der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung, so ist der Schuldner zur Rückforderung des Geleisteten nach den §§ 346 bis 348 berechtigt.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.