Landgericht Ingolstadt Endurteil, 09. Juni 2017 - 41 O 1994/15

bei uns veröffentlicht am09.06.2017

Tenor

I.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.824,71 € nebst Zinsen in Höhe von 2,5 %-Punkten über dem EZB-Zinssatz seit dem 24.12.2014, sowie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 958,19 € zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 32 %, die Beklagte 68 %.

III.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 18.860,12 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche aus einem behaupteten Verkehrsunfall in Italien.

Bei der Beklagten war zum Zeitpunkt des 06.11.2014 der rumänische Staatsangehörige, Herr ... gemäß Art. 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 1969, Nr. 990, gesetzlich haftpflichtversichert bezogen auf einen Pkw BMW mit dem italienischen Sonderkennzeichen .... Der Kläger hat bei der Beklagten am 04.12.2014 eine Schadensmeldung abgegeben und eine Schadensregulierung betreffend eines Fahrzeugs Porsche 911 Carrera 4 S Cabrio, amtl. Kennzeichen: ... mit einem Gesamtschaden von 18.860,12 € unter Fristsetzung bis 23.12.2014 gefordert. Die Beklagte verweigerte jedoch die Zahlung mit der Behauptung, der Unfall sei gestellt worden. Seit dem 24.07.2015 ist das klägerische Fahrzeug auf Herrn ... zugelassen.

Der Kläger trägt vor, im Zeitpunkt des 06.11.2014 Eigentümer des Fahrzeugs Porsche 911 Carrera 4s Cabrio, amtl. Kennzeichen ... gewesen zu sein. Damals sei er auch als Eigentümer in den Kfz-Brief eingetragen gewesen. Er habe das Fahrzeug im Internet gesehen, dann in Italien unbesehen per Handschlag durch seinen Sohn, ... gekauft und gezahlt und an einem anderen Ort, ebenfalls in Italien, abgeholt.

Ergibt an, dass sich am 06.11.2014 gegen 16:40 Uhr sein Sohn, ..., mit dessen Ex-Verlobter ... mit dem klägerischen Fahrzeug auf der Rückfahrt von Belvedere in Italien nach Ingolstadt befunden habe. Er sei zu diesem Zeitpunkt auf der SS47 bei Alttezza Romano Nord in Richtung Trento gefahren. Bei der SS47 handle es sich um eine Schnellstraße, die mit zwei Fahrbahnen je Richtung ausgestattet sei. Das klägerische Fahrzeug sei mit einer Geschwindigkeit von 80–90 km/h auf der rechten Spur gefahren. Der bei der Beklagten versicherte Fahrer mit dem Fahrzeug BMW 530d, Sonderkennzeichen ... habe das klägerische Fahrzeug auf der linken Spur überholt. Noch bevor er vollständig am klägerischen Fahrzeug vorbeigefahren war, habe er bereits eingeschert und dabei mit dem rechten Kotflügel den Pkw des Klägers an der Fahrertür und dem linken Kotflügel gestreift. Der Sohn des Klägers sei dadurch erschrocken und habe versucht, dem Beklagtenfahrzeug auszuweichen. Dabei sei er gegen die Leitplanke, welche sich am rechten Fahrbahnrand befand, gestoßen.

Der Kläger gibt an, das Fahrzeug sei vor dem Unfall unbeschädigt gewesen, von Schäden vor dem Kauf habe er jedenfalls keine Kenntnis.

Nach dem Anfahren an die Leitplanke seien die Unfallbeteiligten am rechten Straßenrand stehengeblieben. Der Versicherte der Beklagten habe dann seine Versichertenbestätigung/grüne Karte und den Führerschein vorgezeigt, welche der Sohn des Klägers fotografiert habe. Außerdem habe der Versicherungsnehmer der Beklagten sein alleiniges Verschulden an dem Unfall auf einem Unfallbogen bestätigt, sodass der Sohn des Klägers auf die Hinzuziehung der Polizei verzichtet habe.

Zurück in Deutschland habe er ein Kurzgutachten über die Schäden bei Herrn ... erstellen und das Fahrzeug wieder in Stand setzen lassen.

Im Einzelnen werden folgende Schadensposten geltend gemacht:

Reparaturkosten netto

17.529,41

Kosten für das Kurzgutachten

357,71

Nutzungsausfallentschädigung

984,00

Allgemeine Kostenpauschale

25,00

gesamt

18.860,12

Der Kläger beantragt

– unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH und des BGH zur Zuständigkeit des deutschen Gerichts gem. Art. 11, 9 Abs. 1 Nr. 2 EuGVVO, allerdings unter Anwendung des italienischen materiellen Rechts gem. Art. 4 Abs. 1 Rom-II-VO –:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 18.860,12 nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.12.2014 sowie weitere, nicht streitwerterhöhende außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. € 1.266,16 zu bezahlen.

Die Beklagte verweigerte die Zahlung. Sie rügte zunächst die Aktivlegitimation, da der Eigentumserwerb des Klägers nicht ordnungsgemäß nachgewiesen sei. Sie trägt weiter in der Sache im Wesentlichen vor, es handle sich um einen vorgetäuschten Unfall der Unfallbeteiligten, so dass eine Haftung der Versicherung ausgeschlossen sei. Typisch für einen gestellten Unfall sei, dass der Haftungssachverhalt völlig eindeutig sei, es sich um einen typisch gestellten Unfallverlauf handle, es keine Unfallzeugen gäbe, insbesondere keine polizeilichen Ermittlungen, die behaupteten Schäden nicht zum geschilderten Hergang passten, keine Eigen- und Fremdgefährdung bei dem stattgefundenen Zusammenstoß bestanden habe, das schädigende Fahrzeug ein auffallend wertloses Fahrzeug sei (der bei der Beklagten versicherte Pkw habe lediglich einen Wert von € 500,00), ein erheblicher Sachschaden am Pkw der Oberklasse zu verzeichnen sei und auf der Basis eines Sachverständigengutachtens abgerechnet worden sei.

Auch wird vorgetragen, dass ein Unfall an genau dieser Stelle wegen der Übersichtlichkeit und Geradlinigkeit der Straße sehr unwahrscheinlich sei und beim vom Kläger geschilderten Unfallhergang der bei der Beklagten Versicherte sehenden Auges seitlich in das Klägerfahrzeug gefahren sei. Die Reaktion des Fahrers des Klägerfahrzeugs sei außerdem atypisch.

Des Weiteren wird bzgl. des Unfallhergangs bezweifelt, dass der Zeuge und Fahrer des Klägerfahrzeugs bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 80–90 km/h zum Zeitpunkt des Aufeinanderprallens der beiden Fahrzeuge auf 25 km/h abgebremst und dann erst an die Leitplanke gefahren sei, was die 4–5 m Streifspuren an der Leitplanke erkläre.

Außerdem könnten sowohl der Schweller an der Fahrertür, als auch der vertikale Kratzer an der Seitenwand hinten links sowie der Schaden am Schalldämpfer der Auspuffanlage nicht von dem vorderen, seitlichen Anfahren des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs an das Klägerfahrzeug herrühren.

Des Weiteren sei bei der Reparatur der Austausch des Kotflügels vorne und der linken Tür berechnet worden, die Messung der Lackstärke habe aber bei der Nachbesichtigung durch den Gutachter der Beklagten ergeben, dass diese nur instandgesetzt worden sei.

Außerdem wird vorgetragen, dass das klägerische Fahrzeug vom 02.07.2015 bis 24.07.2015 auf Herrn ... zugelassen gewesen sei. Die klägerseits geschilderten Umstände zum Barkauf des Fahrzeugs im Ausland von unbekannten Dritten ohne schriftlichen Kaufvertrag seien ebenfalls verdächtig.

Die Beklagte ist der Meinung, dass die Gesamtschau all dieser Umstände hinreichende Anhaltspunkte nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung dazu ergebe, dass es sich um einen getürkten Verkehrsunfall gehandelt hätte.

Die Beklagte beantragt daher:

Die Klage wird abgewiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen Herrn ... und Frau ... und Erholung eines Sachverständigengutachtens des Herrn .... Die Parteien haben der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. § 128 Abs. 2 ZPO zugestimmt.

Bezüglich der näheren Einzelheiten wird auf das Protokoll der Sitzung vom 17.06.2016, das Sachverständigengutachten, das Kurzgutachten des Herrn R. sowie die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

Die Kammer ist nach der Durchführung des Verfahrens nicht mit der erforderlichen Sicherheit überzeugt, dass die streitgegenständliche Kollision vom Sohn des Klägers und dem Versicherungsnehmer der Beklagte gewollt herbeigeführt worden ist.

I.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das LG Ingolstadt international, sowie auch sachlich (§§ 23, Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG) und örtlich zuständig, da der Klägerin Ingolstadt seinen Wohnsitz hat, auch wenn sich der Unfall selbst in Italien zugetragen hat.

Gemäß Art. 4 I ROM-II VO ist materiell-rechtlich italienisches Recht anwendbar, weil sich der Unfall in Italien ereignet hat. Die vorliegende Klage richtet sich nur gegen die Beklagte.

Gemäß Art. 144 III Codice delle Assicurazioni Private müsste der Schädiger grundsätzlich mitverklagt werden, da gemäß Art. 6 Nr. 1 EuGVVO keine Annexzuständigkeit des Gerichts für die Klage gegen ihn besteht. Dieser müsste demnach am Unfallort, also in Italien, verklagt werden. Dennoch ergibt sich die internationale Zuständigkeit des deutschen Gerichts aus Art. 11 Abs. 1 lit. b, VO EuGVVO. Danach kann der Geschädigte bei Streitigkeiten mit Kfz-Versicherern, sofern die Versicherung aus einem EU-Mitgliedstaaten stammt, am Gericht seines Wohnsitzes klagen. Bei der Auslegung des Art. 11 Abs. 2 EuGVVO ist der Art. 18 der RL 2009/103/EG zu beachten, welcher besagt, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, dass die Geschädigten einen Direktanspruch gegen das Versicherungsunternehmen haben. Laut EuGH (Urt. v. 13.12.2007, Az. C-463/06 = NJW 2008, 819) dient diese Norm dazu, eine Direktklage des Geschädigten gegen die Versicherung bei dessen Heimatgericht zu ermöglichen, auch wenn (wie hier) der Schädiger eigentlich mitverklagt werden müsste und für diesen keine Annexzuständigkeit besteht.

Das Prozessrecht richtet sich allerdings nach deutschen Recht (ZPO), so dass insbesondere auch die Regeln zum Beweisrecht Anwendung finden. Insoweit hat das Gericht daher die nach der höchstrichterlichen deutschen Rechtsprechung geltenden Grundsätze für die Beweislastverteilung des Nachweises eines gestellten Verkehrsunfalles zur Anwendung gebracht.

II.

Die Klage ist dem Grunde nach vollständig, der Höhe nach jedoch nur teilweise begründet.

1. Das Gericht sieht die Eigentümerstellung des Klägers am 06.11.2014 im Ergebnis als ausreichend nachgewiesen an. Nach hier anwendbarem italienischen Recht besteht gem. Art. 1350 Codice Civile kein Schriftformerfordernis für den Kauf von Kfz. Somit reicht als Beweis der Eigentümerstellung die Eintragung im Kfz-Brief. Außerdem hat die Zeugeneinvernahme ergeben, dass das Fahrzeug in Italien gekauft wurde, da dies vom Zeugen ... bestätigt wurde, der angab, das Fahrzeug selbst im Internet gefunden, und dann mit einem Freund im Wege des Barkaufs in Italien für seinen Vater erworben zu haben. Für einen Wagen, den man bloß auf Fotos im Internet gesehen hat, in Italien ungesehen Geld zu zahlen, den Kauf lediglich per Handschlag zu besiegeln und das Fahrzeug erst danach an einem anderen Ort abzuholen, mag zwar unvernünftig oder ungewöhnlich sein, vermag aber nicht den Beweis der Fahrzeugbescheinigung Teil II zu erschüttern, zumal die Beklagte keinen Gegenbeweis führen konnte, der widerlegt hätte, dass sich das Fahrzeug zum damaligen Zeitpunkt im Eigentum und Besitz des Klägers befand. Der bloße Hinweis, dass kein schriftlicher Vertrag vorliege und der Kauf selbst ungewöhnlich leichtsinnige Vertrauensseligkeit belege, da offenbar eine Vorauszahlung des Geldbetrages erfolgt und die Abholung des Fahrzeugs an einem anderen Ort stattgefunden hatte, kann hier nicht genügen. Insbesondere ist es auch nach deutschen Recht und infolge der Verbreitung des Internets inzwischen auch in weiten Teilen Europas, offensichtlich auch in Italien, wo der hier streitige Kauf stattfand, durchaus üblich, dass Fahrzeugkäufe via Internet angebahnt, und dann mündlich gegen Barzahlung, teilweise auch gegen vorherige, nicht unerhebliche Anzahlungen erfolgen. Kaufverträge über gebrauchte Autos zwischen Privatpersonen oder Gebrauchtwagenhändlern werden mittlerweile häufig über Internet abgewickelt, auch wenn hier immer wieder auch betrügerische Verkäufer unterwegs sind. Der Umstand eines Kaufs eines Gebrauchtwagens per Handschlag gegen Barzahlung ist somit kein hinreichender Nachweis dafür, dass der Kauf und ein Eigentumswechsel nicht stattgefunden hätte, zumal auch sonst keine Hinweise vorliegen, dass mit dem Kauf etwas nicht gestimmt hätte, etwa eine Diebstahlsanzeige eines früheren Besitzers, eine Fahndungsmeldung für das Fahrzeug oder ähnliches.

Das Gericht ist aufgrund der Zeugenaussagen, des Unfallprotokolls und der Sachverständigengutachten auch zur Überzeugung gelangt, dass sich der Unfall wie vom Kläger geschildert zugetragen hat, und daher ein Schadensersatzanspruch gem. Art. 2054 Codice Civile besteht. Der Ansicht der Beklagten, es handle sich um einen vorgetäuschten Unfall, kann nicht gefolgt werden.

Steht wie hier ein Zusammenstoß mit beteiligten Fahrzeugen fest, weil offenkundige Unfallschäden vorliegen, trifft nach ständiger Rechtsprechung den in Anspruch genommenenen Haftpflichtversicherer die Beweislast dafür, dass der Geschädigte in die Beschädigung seines Fahrzeugs eingewilligt hat, also ein über seinen Sohn und den Versicherungsnehmer der Beklagten gestellter Unfall vorliegt (BGH, VersR 1979, 281; VersR 1979, 514).

Dazu muss der Pflichtversicherer allerdings dearart gewichtige Indizien vorbringen und gegebenenfalls beweisen, die bei einer Gesamtschau den triftigen Schluss auf eine Unfallmanipulation zulassen, wobei allerdings keine lückenlose Gewissheit notwendig ist. Erforderlich ist aber der Nachweis einer erheblichen Wahrscheinlichkeit für ein unredliches Verhalten, wobei die Rechtsprechung die Grundsätze des Anscheinsbeweises für die Frage eines abgesprochenen Unfallgeschehens entsprechend anwendet (vgl. OLG Naumburg, Urt. v. 21.5.2015, Az. 4 U 29/14 mit weiteren Nachweisen zur Rspr. Und Literatur).

Auch wenn somit einige Umstände bei isolierter Betrachtung in das Muster eines gestellten Unfalls passen könnten, genügt dies für sich genommen nicht, wenn die Auffälligkeiten nicht in einer Gesamtschau aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles den Schluss rechtfertigen, dass ein manipulierter Unfall vorliegt.

Typische Anzeichen sind z.B. relativ alte und mit einem erheblichen Wertunterschied versehene beteiligte und typischerweise auch erst kurz vor dem Unfall angeschaffte, sowie danach schnell weiterverkaufte Fahrzeuge, der Umstand, dass sich die Unfallbeteiligten schon vor dem Unfall kannten, eine leicht zu steuernde Unfallkonstellation mit geringen Geschwindigkeiten und ohne relevante Verletzungsrisiken, bei dem Schäden an vorab festlegbaren Stellen leicht herbeigeführt werden können und ähnliches.

Der Beklagten ist insoweit zuzugeben, dass es sich bei dem klägerischen Fahrzeug um ein hochpreisiges, wenn auch auch gebrauchtes älteres Fahrzeug (Porsche Carrera 911 Cabrio mit EZ 16.04.2004) handelte, das erst am 15.05.2014 auf den Kläger zugelassen wurde, somit allerdings schon knapp ein halbes Jahr vor dem streitgegenständlichen Unfall, also nicht mehr im eigentlichen Sinn kurz oder unmittelbar vor dem Unfall. Bei dem mitbeteiligten Fahrzeug soll es sich um ein laut Beklagte weitgehend wertloses Fahrzeug, einen alten BMW, gehandelt haben, wobei die Beklagte allerdings keine näheren Nachweise zu dem wohl zwischenzeitlich weiterverkauften oder jedenfalls anderweitig versicherten Fahrzeug beibrachte und auch den bei ihr versicherten Unfallbeteiligten nicht als Zeugen benannte.

Das Unfallgeschehen ist allerdings vorliegend eindeutig keine derartige, leicht zu manipulierende Unfallsituation, wie es bei den typischen Parkplatzunfällen mit niedrigen Geschwindigkeiten der Fall ist: Die Aussagen der im Termin angehörten Zeugen und der Unfallbogen stimmen überein, insbesondere zur klägerischen Behauptung, dass der Unfall alleinverursacht wurde durch den Fahrer des haftpflichtversicherten Fahrzeugs. Zwar kann auch gerade diese Eindeutigkeit in Einzelfällen für ein kollusives Zusammenwirken von Geschädigtem und Versicherungsnehmer sprechen.

Hier erinnerten die Zeugen aber nicht mehr sämtliche Details, z.B. die Strecke, die zwischen Anstoß und Stehenbleiben noch zurückgelegt wurde oder das Aussehen des anderen Unfallfahrzeugs, was für ihre Glaubwürdigkeit spricht. Außerdem ist fraglich, welchen Nutzen die Zeugin ... als ehemalige Verlobte, die zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Tags bereits vom Sohn des Klägers getrennt war, von einer Falschaussage hätte. Ihre Aussage war weder in sich, noch zu den Angaben des Zeugen ... widersprüchlich oder unschlüssig. Das Gericht hat die beiden Zeugen als glaubwürdig eingestuft, Gegenzeugen wurden beklagtenseits nicht benannt.

Die Glaubwürdigkeit der Angaben der Zeugen zu dem Unfall und dessen Hergang wird darüber hinaus auch gestützt durch das vom Gericht erholte unfallanalytische Gutachten des Sachverständigen Dipl-Ing. ..., vom 21.11.2016 (Bl. 60/00 d.A.) in Verbindung mit dem Ergänzungsgutachten vom 27.03.2017 (Bl. 116/124 d.A.), das auch zur Kompatibilität des behaupteten Unfallgeschehens und der festgestellten Schäden am Fahrzeug Ausführungen beiinhaltet.

Insoweit hat das Gutachten nämlich ergeben, dass es plausibel sei, dass der geschilderte Unfall bei den angegebenen 80–90 km/h passiert ist. Sowohl das Fahrreaktionsverhalten des Zeugen ..., als auch die entstandenen Schäden am Fahrzeug passen danach zum behaupteten Unfallhergang und zu den behaupteten Geschwindigkeiten.

Das Gericht hat keine Zweifel an der fachlichen Richtigkeit der technischen Ausführungen des dem Gericht als erfahren und zuverlässig bekannten Sachverständigen der D. I., zumal auch die Parteien keine relevanten Einwände gegen die fachliche Richtigkeit der Ausführungen erhoben haben.

Es kann nach Meinung des Gerichts außerdem auch nicht ohne ganz erhebliche gegenteilige Anzeichen davon ausgegangen werden, dass der Kläger Leib und Leben seines Sohnes und dessen Ex-Verlobter absichtlich gefährdet hat, bloß um Geld von der Versicherung zu erlangen, oder dass es eine entsprechende Absprache seitens des Klägers mit dem Sohn und der Zeugin ... gab, durch einen derartig waghalsig gestalteten, absichtlich herbeigeführten Unfall bei hohen Geschwindigkeiten auf einer mehrspurigen Schnellstraße im Ausland an Geldbeträge der Versicherung zu gelangen, die dann zwischen den Beteiligten aufgeteilt werden würden.

Auch führt der Umstand, dass der Sohn des Klägers die Polizei nicht verständigt hat, vorliegend nicht zu einem gewichtigen Indiz für einen versuchten Versicherungsbetrug, wie die Beklagten meinen. Denn es bestand objektiv keine Veranlassung für den Sohn des Klägers, die Polizei zu informieren, nachdem er vom Schädiger das Unfallprotokoll erhalten hatte. Trotz der Verständigungsschwierigkeiten ist aufgrund der Zeichnung unmissverständlich zum Ausdruck gebracht worden, dass der bei der Beklagten Versicherte den Unfall alleine verschuldet hat. Insoweit ist durchaus nachvollziehbar, dass ein deutscher Staatsangehöriger, der mit einem rumänischen Staatsangehörigen mit Wohnsitz und Zulassung des Fahrzeugs in Italien einen Verkehrsunfall mit seinem deutschen Fahrzeug hat, keinen gesteigerten Wert darauf legt, dass troztzdem noch die italienische Polizei beigezogen wird, zumal keine italienischen Sprachkenntnisse bestanden und nicht klar war, welche Folgen dies, etwa für etwaige Ordnungswidrigkeitenverfahren u.ä. haben könnte.

Die Verständigungsschwierigkeiten sind ein weiterer Punkt, welcher gegen einen vorgetäuschten Unfall spricht. Denn es ist höchst unwahrscheinlich, dass ein in Deutschland lebender Türke und ein in Italien lebender Rumäne, welche sich kaum verständigen können, auf die Distanz einen Unfall verabreden, um einen Versicherungsbetrug zu begehen. Ein Nachweis dahingehend, dass die Unfallbeteiligten oder der Kläger mit dem Unfallverursacher bereits vor dem Unfall in irgendeinem Kontakt gestanden hätten, ist der Beklagten nicht gelungen, die sich auf bloße Spekulationen beschränkte.

Außerdem passen die Unfallschäden größtenteils zum geschilderten Unfallgeschehen, oder sind mit diesem jedenfalls soweit erklärlich, dass sie sich nicht widerlegen lassen. Soweit hier im vorgerichtlich erholten Privatgutachten des von der Deutschen Sachverständigen Gesellschaft (DESAG) zertifizierten Sachverständigen R. weitere Schäden bestätigt wurden, die nach den Feststellungen des Sachverständigen ... entweder keine Beschädigung darstellt, sondern eine bauseitig gewollte Verformung darstellt (Einstiegsschweller auf Höhe der Mitte der Türen, Gutachten S. 72 d.Akte), oder Schäden an der Auspuffanlage nicht erkennbar waren, geht das Gericht von einem Fehler des Sachverständigen R. aus, der nicht der Klagepartei zur Last gelegt werden kann. Insoweit fehlt es an jedem Anhaltspunkt dafür, dass es auch noch ein kollusives Zusammenwirken des Klägers mit dem Privatgutachter gegeben hätte, oder der Kläger überhaupt die Fehlbeurteilungen seines vorgerichtlich beauftragten Sachverständigen erkannt hätte. Wenn sich der Geschädigte nämlich vorgerichtlich zur Klärung des Umfangs seiner Ansprüche aus einem Unfallgeschehen eines berufsmäßig tätigen Kfz-Gutachters bedient, besteht keine Verpflichtung des Geschädigten, dessen Feststellungen zum Schadensumfang anzweifeln und nachprüfen zu müssen, zumal ihm dazu in der Regel auch die erforderliche Sachkunde fehlen dürfte.

Das Gericht hat diese von der Beklagten immer wieder betonte unberechtigte Geltendmachung tatsächlich nicht vorhandener Schäden am klägerischen Fahrzeug daher auch nicht als Indiz für ein manipuliertes Unfallgeschehen gewertet.

Soweit die Beklagten noch ins Feld geführt haben, dass auch die Schadensabrechnung typischerweise fiktiv auf Gutachtensbasis gefordert wurde, und das Fahrzeug tatsächlich inzwischen deutlich kostengünstiger instand gesetzt wurde, handelt es sich allenfalls um ein sehr schwaches Indiz, da es nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung eben zulässig und in der Praxis auch weitverbreitet ist, dass ein Schaden fiktiv auf Nettobasis abgerechnet werden kann und das Fahrzeug dann anderweitig kostengünstiger repariert oder auch gänzlich unrepariert weiter verkauft werden kann. Dieser Umstand könnte allenfalls als abrundendes Indiz bei ansonsten schon überzeugenden Indizien für einen manipulierten Unfall sprechen, keinesfalls aber selbst insoweit als entscheidendes Indiz gewertet werden.

Als nicht relevant erachtet das Gericht auch den Umstand, dass an dem klägerischen Fahrzeug offensichtlich am Tacho manipuliert wurde, weil anhand einer beklagtenseits vorgelegten früheren Reparaturrechnung des klägerischen Fahrzeugs nachvollzogen werden kann, dass dieses Fahrzeug bereits im Jahr 2012 eine signifikant höhere Laufleistung (157.861 km) aufwies, als mehr als 2 Jahre später am Tag der Begutachtung durch den Sachverständigen Rituarante (116.843 km). Da das Fahrzeug allerdings bereits mehrere Vorbesitzer, und jedenfalls zwischen 2012 und dem Kauf durch den Kläger mindestens einen Vorbesitzer aufwies, ist nicht auszuschließen, dass die Tachomanipuliation bereits vor dem Erwerb des Fahrzeugs durch den Kläger im Jahr 2014 erfolgt ist und dieser – wie er unwiderlegt behauptet hat – das Fahrzeug bereits mit diesem (veränderten) Tachostand erworben hat, ohne zu wissen, dass eine Manipulation stattgefunden hat. Diese Kenntnis des Klägers von der Tachomanipulation, die Voraussetzung wäre für die Annahme eines Indizes für einen gestellten Unfall, konnte die Beklagte nicht beweisen.

Ein vorgetäuschter Unfall scheint daher weder nach den einzelnen Indizien, noch bei einer Gesamtbetrachtung überwiegend wahrscheinlich. Die Beklagte wäre hier beweisbelastet gewesen, hat aber nur Ausführungen allgemeiner Natur gemacht und es versäumt, konkrete Anhaltspunkte für einen vorgetäuschten Unfall im vorliegenden Fall darzulegen. Auch wurden ihre Behauptungen, dass sich das Unfallgeschehen technisch nicht wie behauptet abgespielt haben könnte, und die behaupteten Schäden durch das vorgetragene Unfallgeschehen nicht eingetreten sein könnten, durch das erholte gerichtliche Sachverständigengutachten gerade nicht gestützt.

Der Gutachter kommt vielmehr ausdrücklich zum Ergebnis, dass die behaupteten vor dem Unfall gefahrenen und die behauptete Kollisionsgeschwindigkeit technisch nicht rekonstruierbar, damit aber auch nicht widerlegbar sind. Die klägerseits behauptete Ausweichreaktion des Zeugen B. nach rechts zur Leitplanke hin sei aus technischer Sicht sogar eine nachvollziebare Reaktion „von der Gefahr weg“ und somit auch nicht unplausibel. Das Gericht hat somit keinen Anlass, den von den beiden einvernommenen Zeugen geschilderten Unfallhergang zu bezweifeln.

2. Die klägerische Forderung erweist sich allerdings der Höhe nach als teilweise unbegründet:

Der Kläger hatte mit Schriftsatz vom 11.12.2015 € 18.860,12 Schadensersatz gefordert. Aufgelistet waren unter anderem Reparaturkosten für den Einstiegschweller und für die Blende des rechten Schalldämpfers. Der Einstiegsschweller ist jedoch laut Sachverständigengutachten nicht eingedrückt, sondern serienmäßig geschwungen gebaut. Die Blende des rechten Schalldämpfers ist nicht defekt, sondern verdreht. Es müsste lediglich die Verschraubung gelöst und die Blende richtig ausgerichtet werden. Die in Fahrzeugrichtung laufenden Kratzspuren an der Blende wurden dem neuen Eigentümer des Wagens, Herrn ... zugeordnet. Sie stammen wohl vom Einfahren in dessen Garage. Des Weiteren ist es bereits denklogisch unmöglich, dass bei dem seitlichen Anfahren an ein Auto von links auf Höhe von Fahrertür und linkem Kotflügel, wobei dessen Fahrer nach rechts steuert und dabei mit der Leitplanke kollidiert, Schäden am Heck des Fahrzeugs entstehen.

Somit können diese Schadenspositionen im Rahmen des Schadensersatzes nicht berücksichtigt werden.

Die Reparaturkosten belaufen sich laut dem vom Gericht erholten Gutachten daher der Höhe nach nur auf netto € 12.824,71. Dieser Betrag war dem Kläger zuzusprechen.

Es ist zwar richtig, dass einige Fahrzeugteile laut dem vorliegenden gerichtlichen Gutachten nicht erneuert, sondern lediglich instandgesetzt wurden, was sich aus der Dicke des Lacks ergeben hat. In Italien ist es aber üblich, Schäden aufgrund von Kostenvoranschlägen oder Gutachten abzurechnen, sodass die tatsächlichen Reparaturkosten nicht ausschlaggebend sind. Auch nach deutschen Recht wäre eine fiktive Abrechnung auf Gutachtensbasis nach den Nettokosten zulässig, so dass es nicht darauf ankommt, ob das Fahrzeug überhaupt repariert oder unrepariert weiter verkauft wurde.

Angesetzt wurde außerdem ein Nutzungsausfall i.H.v. € 79,00 pro Tag für 12 Tage. Nach italienischem Recht setzt die Nutzungsentschädigung für die Dauer einer Kfz-Reparatur aber voraus, dass der Geschädigte die Notwendigkeit der Nutzung seines Fahrzeugs, deren effektiven Verlust und den durch den Verlust verursachten Schaden in Form entgangenen Gewinns oder des für die notwendige Benutzung anderer Transportmittel entstandenen Aufwands im Einzelnen nachweist (Corte di Cassazione Rom, Urteil vom 14.10.2015 – 20620 –, juris). Derartige Nachweise wurden nicht erbracht, insbesondere wurde keine Rechnung für ein etwaiges angemietetes Ersatzfahrzeug während der Reparaturdauer vorgelegt, so dass davon auszugehen ist, dass dem Kläger auch keine nachweisbaren Aufwände entstanden sind, sondern dieser auch insoweit nur nach rein fiktivem Aufwand gemäß Gutachten pauschal abrechnen wollte. Der Anspruch war daher abzuweisen.

Die Gutachterkosten sind nach italienischem Recht nur dann ersatzfähig, wenn das Gutachten durch das Gericht in Auftrag gegeben wurde. Das ist bei dem Gutachten R. nicht der Fall, so dass auch insoweit die Kosten der Klagepartei nicht zugesprochen werden konnten.

Eine Kostenpauschale wird nach italienischem Recht gleichfalls nicht gewährt, vgl. AG Köln, Urt. v. 29.04.2014, Az. 268 C 89/11.

Der auszugleichende Schadensersatz beläuft sich somit insgesamt nur auf € 12.824,71.

3. Diese sind von der Beklagten zu 100 % zu tragen.

Nach italienischem Recht wird gem. Art. 2054 Abs. 2 Codice Civile vermutet, dass beide Fahrer den Unfall zu gleichen Teilen verschuldet haben, wenn nicht das Gegenteil bewiesen wird.

Vorliegend haben sowohl die Zeugeneinvernahme, als auch das Unfallprotokoll ergeben, dass der bei der Beklagten Versicherte den Unfall alleine verschuldet hat.

Außerdem ist es laut Gutachten wahrscheinlich, dass der Überholvorgang zunächst normal ablief, sodass eine Sekunde vor Erstkontakt für den Sohn des Klägers nicht ersichtlich war, dass es zu einem verfrühten Einscheren mit Unfallfolge kommen würde. Die einzige kausale Ursache für den Unfall lag daher im Fahrverhalten des anderen Fahrers, also des bei der Beklagten Versicherten.

Dass der Fahrzeugführer des angefahrenen Kfz eine Ausweichbewegung von der Gefahr weg macht, ist eine typische Reaktion nach dem Anfahren von der Seite und hat auch nicht zum Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge geführt, sondern erfolgte erst danach und ist damit für die Entstehung des Unfalls nicht zu berücksichtigen. Laut Gutachten lagen zwischen dem Anfahren und der Kollision mit der Leitplanke lediglich 1,3 Sekunden, was für eine Reflexbewegung des Sohns des Klägers spricht.

Es liegt also ein grob verkehrswidriges Verhalten des Unfallverursachers vor, sodass der Unfall für den Kläger nicht abwendbar war.

III.

Nach italienischem Recht stehen dem Kläger pauschal lediglich 2,5 % Zinsen über dem EZB-Zinssatz zu. Die klägerische Forderung nach 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz orientiert sich hingegen offenkundig an der Pauschale nach deutschem Recht und ist demnach in der über 2, 5 % liegenden Höhe, da nicht näher dargelegt und nachgewiesen, unschlüssig.

IV.

Die Rechtsanwaltsgebühr für die vorgerichtliche Tätigkeit beläuft sich bei dem zu erstattenden Betrag von € 12.824,71 auf netto € 785,20, zuzüglich € 20 Unkostenpauschale, zuzüglich € 152,99 Umsatzsteuer, gesamt € 958,19.

V.

Die Kostenteilung erfolgt nach dem Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen, § 92 Abs. 1 S. 1 Var. 2 ZPO.

VI.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung ergibt sich aus § 709 S. 1 u. S. 2 ZPO.

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(2) Mit Zustimmung der Parteien, die nur bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage widerruflich ist, kann das Gericht eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen. Es bestimmt alsbald den Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, und den Termin zur Verkündung der Entscheidung. Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist unzulässig, wenn seit der Zustimmung der Parteien mehr als drei Monate verstrichen sind.

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Streitigkeiten über Ansprüche aus einem Mietverhältnis über Wohnraum oder über den Bestand eines solchen Mietverhältnisses; diese Zuständigkeit ist ausschließlich;
b)
Streitigkeiten zwischen Reisenden und Wirten, Fuhrleuten, Schiffern oder Auswanderungsexpedienten in den Einschiffungshäfen, die über Wirtszechen, Fuhrlohn, Überfahrtsgelder, Beförderung der Reisenden und ihrer Habe und über Verlust und Beschädigung der letzteren, sowie Streitigkeiten zwischen Reisenden und Handwerkern, die aus Anlaß der Reise entstanden sind;
c)
Streitigkeiten nach § 43 Absatz 2 des Wohnungseigentumsgesetzes; diese Zuständigkeit ist ausschließlich;
d)
Streitigkeiten wegen Wildschadens;
e)
(weggefallen)
f)
(weggefallen)
g)
Ansprüche aus einem mit der Überlassung eines Grundstücks in Verbindung stehenden Leibgedings-, Leibzuchts-, Altenteils- oder Auszugsvertrag.

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 01. April 2014, Az.: 10 O 816/12, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten zu 1 und 3, die auch als Streithelfer des Beklagten zu 2 für dessen Kosten in der Berufungsinstanz aufzukommen haben, insgesamt als Gesamtschuldner.

3. Das Urteil ist ebenso ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar wie nunmehr auch das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 01. April 2014, Az.: 10 O 816/12.

Gründe

I.

1

Der Kläger als Eigentümer und Halter eines am 14. Dezember 2011 (Bl. 8 Bd. I d. A.) für 7.100 € erworbenen BMW 320d Touring (Erstzulassung: Juli 2002) begehrt wegen eines streitigen, namentlich von der Drittbeklagten als gestellt angesehenen Verkehrsunfalls vom 11. Januar 2012 gegen 17.00 Uhr im Ausfahrtsbereich des M. in B. von den Beklagten – der Halterin, dem Fahrer und dem Haftpflichtversicherer des anderen am Unfall beteiligten Fahrzeugs, eines Lancia Lybra (Erstzulassung: 25.01.2001), der rückwärts aus einer Parktasche fahrend gegen den linken hinteren Teil des BMW gestoßen sei – Ersatz des ihm dadurch entstandenen Schadens in Höhe von 5.500,-- € nebst Freistellung von den sich über 946,49 € (Bl. 26 Bd. I d. A.) verhaltenden Kosten des seinerseits in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens der C. GmbH vom 16. Januar 2012 (Bl. 13 - 25 und Bl. 55 - 67 Bd. I d. A.).

2

Der geltend gemachte Schaden bezüglich des Pkw setzt sich entsprechend dem Gutachten wie folgt zusammen:

3

Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs

7.300,00 €

./. Restwert

- 2.300,00 €

Nutzungsausfallentschädigung für 10 Tage à 50 €    

     500,00 €

Klageforderung

5.500,00 €

4

Die Beklagten zu 1 und 3 haben, abweichend von dem das Unfallgeschehen bestätigenden Beklagten zu 2, für den sie deshalb als Streithelfer fungieren, einen inszenierten Unfall behauptet und dazu namentlich in erster Instanz vorgetragen, die Beschädigungsbilder an den beteiligten Fahrzeugen stimmten nicht bzw. weitgehend nicht mit dem behaupteten Unfallhergang überein.

5

Außerdem lägen weitere Anhaltspunkte vor, die bei einer Gesamtschau für einen gestellten Unfall sprächen. So seien die Parteien miteinander bekannt. Es werde zudem auf Gutachtenbasis nach vorherigem Verkauf der beiden Fahrzeuge abgerechnet. Auf eine Hinzuziehung der Polizei sei verzichtet worden. Beide Unfallfahrzeuge seien kurz vor dem Unfall angemeldet bzw. angeschafft worden. Das Fahrzeug der Beklagten zu 1 habe erhebliche Vorschäden aufgewiesen und sei deshalb als nur für den Unfall beschafftes Schrottfahrzeug anzusehen. Sowohl der Kläger als auch der Beklagte zu 2 befänden sich in angespannten wirtschaftlichen Verhältnissen. Beide Fahrzeuge seien noch vor Geltendmachung der streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche verkauft worden, wodurch eine Nachbesichtigung unmöglich geworden sei.

6

Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 01. April 2014 nach Einholung eines unfallanalytischen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. Z. in der Sache, abgesehen von einer zeitlichen Beschränkung des Zinsantrages, vollen Umfanges stattgegeben und im Wesentlichen ausgeführt:

7

Dem Kläger stehe gegen die Beklagten als Gesamtschuldner ein Schadensersatzanspruch gemäß den §§ 7, 18 StVG in Verb. mit § 823 BGB und § 3 Nr. 1 PflVG in Höhe von 5.500,-- € nebst Zinsen sowie auf Freistellung von den Sachverständigenkosten in Höhe von 946,49 € zu, weil sich der Unfall, wie vom Zweitbeklagten bei seiner Anhörung bestätigt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme tatsächlich zugetragen habe und nicht als gestellt anzusehen sei. Denn der gerichtlich bestellte Sachverständige Dipl.-Ing. Z. habe ebenso wie zuvor auch schon der vom Kläger beauftragte Privatgutachter eine Kompatibilität zwischen der Unfallschilderung und den Beschädigungsbildern an den beteiligten Fahrzeugen festgestellt.

8

Die Beklagten hingegen hätten demgegenüber nicht den von ihnen zu führenden Nachweis eines vorgetäuschten Unfalls erbracht, weil nicht genügend gewichtige Anzeichen für eine Unfallmanipulation vorlägen. Weder der kurze Zeitraum zwischen Zulassung bzw. Erwerb der beteiligten Fahrzeuge und dem Unfallgeschehen noch das Alter des klägerischen Pkw von fast 10 Jahren sowie dessen alsbaldiger Verkauf nach dem Unfall, noch die Bekanntschaft zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2 reichten für die Annahme einer Unfallmanipulation aus. Dasselbe gelte für den Verzicht auf eine polizeiliche Unfallaufnahme und die vom Kläger vorgenommene Schadensabrechnung auf Gutachtenbasis. Die bloße Bekanntschaft der einer Altersgruppe angehörenden Parteien sei bei einer Kleinstadt wie B. kein für einen gestellten Unfall sprechendes Indiz, zumal eine nähere Bekanntschaft oder gar eine Freundschaft nicht bestanden habe noch vorgetragen sei. Dass bei einem Unfall mit klarer Schuldfrage die Polizei nicht hinzugezogen werde, liege nahe und sei nicht weiter verwunderlich.

9

Auch eine Beweisvereitelung könne nicht angenommen werden, weil der Kläger den Pkw vor der Veräußerung habe begutachten lassen, bei welcher Gelegenheit Fotografien des Wagens angefertigt worden seien.

10

Gegen die Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten, wobei die Erst- und Drittbeklagten wiederum als Nebenintervenienten für den Zweitbeklagten tätig werden.

11

Sie rügen, das Landgericht habe sich nicht mit sämtlichen von ihnen vorgetragenen Indizien für eine Unfallmanipulation befasst und es unterlassen, eine notwendige Gesamtschau aller nur vereinzelt gewürdigten Umstände vorzunehmen, andernfalls die Klage hätte abgewiesen werden müssen.

12

Auf das Alter oder den Wert des vom Kläger erworbenen BMW komme es nicht entscheidend an, vielmehr sei insoweit auf das Verhältnis der unfallbeteiligten Fahrzeuge zueinander abzustellen, wobei sich ein erheblicher Wertunterschied bemerkbar mache.

13

Der anschließende Verkauf beider Fahrzeuge sei entgegen der Auffassung des Landgerichts sehr wohl als Beweisvereitelung zu werten, weil die Parteien es bewusst und gewollt unterlassen hätten, die Polizei zur Feststellung des Unfallhergangs und der Endstellung der Fahrzeuge unmittelbar nach dem Unfall herbeizurufen. Der vom Gericht beauftragte Sachverständige Dipl.-Ing. Z. habe sein Gutachten ausdrücklich unter den Vorbehalt gestellt, dass keine objektiv auswertbaren Beweisangebote hinsichtlich der kollisionsbedingten Endstellungen der beteiligten Fahrzeuge noch Spuren auf der Fahrbahn zur Verfügung gestanden hätten.

14

Das Landgericht hätte zudem die weiteren Umstände, nämlich die Abrechnung auf Gutachtenbasis und die Bekanntschaft von Kläger und Zweitbeklagtem, anders werten bzw. gewichten müssen. Mit der Abrechnung auf Gutachtenbasis habe der Kläger einen deutlichen finanziellen Gewinn erzielt, weil er das Fahrzeug unrepariert veräußert und sich danach ein deutlich günstigeres Auto angeschafft habe.

15

Die Beklagten beantragen dementsprechend,

16

das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 01. April 2014 abzuändern und die Klage abzuweisen.

17

Der Kläger beantragt,

18

die Berufung zurückzuweisen,

19

und verteidigt die seines Erachtens zutreffende Entscheidung des Landgerichts, im Wesentlichen unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens.

20

Im Übrigen wird von der Darstellung des Sachverhalts gemäß § 540 Abs. 2 in Verb. mit § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO und § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO Abstand genommen.

II.

21

Die gemäß § 511 Abs. 1 und 2 Nr. 1 ZPO statthafte und auch sonst formell zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gemäß den §§ 517, 519, 520 ZPO eingelegte und begründete Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

22

Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch in der vom Landgericht zuerkannten Höhe gegen die Beklagten als Gesamtschuldner zu, und zwar wegen schuldhafter Verletzung seines Eigentums an dem BMW durch den unversehens rückwärts am 11. Januar 2012 auf dem M. -Parkplatz in B. mit dem Lancia Lybra ausparkenden Zweitbeklagten. Dessen Haftung folgt sowohl grundlegend aus § 823 Abs. 1 BGB wie auch des Weiteren aus § 823 Abs. 2 BGB in Verb. mit § 9 Abs. 5 StVO und aus der vermuteten Verschuldenshaftung für den Fahrer eines in Betrieb befindlichen Pkw nach § 18 Abs. 1 StVG (in Verb. mit den §§ 7, 17 Abs. 1 StVG), welche schuldhafte Pflichtverletzung sich die Erstbeklagte als Halterin des Fahrzeugs gemäß den §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 2 und 1 StVG und die für beide, Fahrer wie Halter, nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 und 4 VVG (in Verb. mit § 1 PflVG) – und nicht, wie vom Landgericht rechtsirrig, aber folgenlos angenommen,§ 3 Nr. 1 PflVG a. F. – haftende Drittbeklagte entgegenhalten lassen müssen.

23

Die gesamtschuldnerische Haftung aller drei Beklagten folgt aus § 115 Abs. 1 Satz 4 VVG in Verb. mit einer entsprechenden Anwendung des § 840 Abs. 1 BGB.

24

Die für den Haftungstatbestand an sich unstreitige Eigentumsverletzung durch den Zweitbeklagten indiziert zugleich deren notwendige Rechtswidrigkeit, die auch nicht, wie die Erst- und Drittbeklagte behaupten, aufgrund einer Einwilligung des Klägers in einen bloß inszenierten Unfall entfallen sein kann. Das Landgericht hat vielmehr zu Recht einen bewusst und manipulativ herbeigeführten Unfall des Klägers nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme unter Berücksichtigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalles verneint und den Beklagten die volle Haftung für den hieraus dem Kläger entstandenen Schaden zugewiesen.

25

Indizien, die bei isolierter Betrachtung noch für einen manipulierten und damit die Rechtswidrigkeit der Eigentumsverletzung entfallen lassenden Unfall sprechen mochten (1), werden durch gegenläufige andere Umstände im Rahmen einer umfassenden Gesamtwürdigung derart entkräftet, dass ein gestellter Unfall nicht mehr erheblich oder überwiegend wahrscheinlich erscheint (2).

26

Angesichts des einseitig schuldhaften Verkehrsverstoßes vonseiten des Zweitbeklagten ist auch der komplette unfallbedingte Schaden des Klägers der Höhe nach zu ersetzen (3).

27

1. Steht wie hier ein Zusammenstoß der beteiligten Fahrzeuge fest, trifft den in Anspruch genommenen Haftpflichtversicherer, also hier die Drittbeklagte, die Beweislast dafür, dass der Geschädigte, hier in Person des Klägers, in die Beschädigung seines Fahrzeugs eingewilligt hat, also ein gestellter Unfall vorliegt (BGH, VersR 1979, 281; VersR 1979, 514).

28

Für einen solchen Nachweis reicht es aus, dass der Pflichtversicherer derart gewichtige Indizien vorbringt und gegebenenfalls beweist, die bei einer Gesamtschau den triftigen Schluss auf eine Unfallmanipulation zulassen. Hierfür ist wiederum keine wissenschaftlich lückenlose Gewissheit notwendig, sondern der Nachweis einer erheblichen Wahrscheinlichkeit für ein unredliches Verhalten ausreichend. Die Rechtsprechung wendet die Grundsätze des Anscheinsbeweises für die Frage eines abgesprochenen Unfallgeschehens entsprechend an (BGH, VersR 1979, 514, 515; KG, VersR 2006, 614, 615; OLG Düsseldorf, Urteil vom 05. Oktober 2010, Az.: 1 U 190/09, zitiert nach juris, Rdnr. 49 - 51; OLG Celle, Urteil vom 30. Juli 2010, Az.: 14 U 6/10, zitiert nach juris, Rdnr. 6 ff.; OLG Karlsruhe, MDR 2007, 1019; Kaufmann, in: Geigel, Haftpflichtprozess, 26. Aufl., 2011, § 25 Rdnr. 12, 13; Born, in: ZV 1996, 257, 260; Krumbholz, DAR 2004, 67, 69). Dabei sind gewissermaßen typische, jeweils für eine Unfallmanipulation sprechende Anzeichen herausgebildet worden, die es allerdings im konkreten Kontext des Einzelfalles in einer Gesamtschau aller maßgeblichen Umstände zu gewichten und des Näheren zu würdigen gilt.

29

Danach ist der Drittbeklagten zuzugestehen, dass durchaus einige Umstände gleichsam prima vista bei isolierter Betrachtung in das Muster eines gestellten Unfalls passen könnten. Bei dem hier vorliegenden Parkplatzunfall handelt es sich um eine leicht zu steuernde Unfallkonstellation mit geringen Geschwindigkeiten und ohne nennenswertes Verletzungsrisiko, bei dem Schäden an den gewünschten Stellen und in der angestrebten Größenordnung leicht herbeigeführt werden können. Beide am Unfall beteiligten Fahrzeuge waren relativ alt und ihr Wertunterschied – auch wenn der Zeitwert des bei der Drittbeklagten versichert gewesenen Lancia Lybra unbekannt geblieben ist – wohl erheblich. Zudem wies das Fahrzeug der Erstbeklagten auf der gesamten rechten Seite erhebliche Beschädigungen auf, die nach den Feststelllungen des gerichtlichen Sachverständigen nicht durch den streitgegenständlichen Unfall hervorgerufen worden sind. Der Kläger und der Zweitbeklagte als unmittelbar Unfallbeteiligte kannten sich zudem vom Sehen und haben trotz des einen Bagatellfall übersteigenden Schadens nicht die Polizei hinzugezogen. Beide Unfallfahrzeuge sind auch verdächtigerweise erst kurze Zeit vor dem Unfall angemeldet bzw. angeschafft worden, der BMW am 14. Dezember 2011, der Lancia am 13. September 2011. Noch vor Geltendmachung der streitbefangenen Schadensersatzansprüche sind schließlich beide Fahrzeuge weiterverkauft worden.

30

2. Berücksichtigt man demgegenüber im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller für und gegen eine Manipulation sprechenden Aspekte die folgenden weiteren Umstände, so erachtet der Senat insgesamt einen gestellten Unfall für nicht mehr überwiegend wahrscheinlich.

31

Gegen ein manipuliertes Geschehen spricht zunächst schon, dass der Unfall untypischerweise weder an einem abgelegenen Ort noch zu entlegener Zeit etwa nachts, in den frühen Morgen- oder späten Abendstunden stattgefunden hat, sondern am späten Nachmittag gegen 17.00 Uhr auf dem zu dieser Uhrzeit stark frequentierten Parkplatz eines McDonald-Restaurants in B. . Es bestand mithin für die Beteiligten ein beträchtliches Risiko, an diesem Ort und zu dieser Zeit unliebsame Zeugen zu haben, denen der inszenierte Parkplatzunfall auch als solcher oder zumindest als ungewöhnlich hätte auffallen können. Überdies hat der Kläger hier sogar für den von ihm geschilderten Unfallhergang in erster Instanz B. H. als gleichsam neutralen Zeugen benannt, von dessen Vernehmung das Landgericht indes zu Recht – wegen der bereits anderweitig letztlich unergiebigen Umstände für eine Unfallmanipulation – abgesehen hat.

32

Besondere Hervorhebung verdient des Weiteren auch der Umstand, dass die gerade erstinstanzlich von der Drittbeklagten zentral in den Vordergrund des Manipulationsvorwurfes gerückte Behauptung der vermeintlichen Inkompatibilität der Fahrzeugschäden – in zweiter Instanz lautet die Argumentation dann diametral anders, die Plausibilität der Fahrzeugschäden sei ein geradezu typisches Kennzeichen fingierter Unfälle – sich nach der eigens hierzu durchgeführten Beweisaufnahme als nicht stichhaltig erwiesen hat. Nach den Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen ist das Unfallgeschehen vom Schadensbild der Unfallfahrzeuge her aus technischer Sicht plausibel und widerspruchsfrei nachzuvollziehen und weist keine irgendwie gearteten Auffälligkeiten für eine Manipulation auf. Dem entspricht das vom Kläger einen Tag nach dem Unfall in Auftrag gegebene Privatgutachten der C. GmbH wie auch die Unfallschilderung des erstinstanzlich angehörten Zweitbeklagten.

33

Die Entscheidung der Unfallbeteiligten, die beiden Fahrzeuge nach der Kollision zur Seite zu fahren, ist wegen des generell nachmittags hohen Pkw-Aufkommens auf dem M. -Parkplatz und ausweislich der vom Sachverständigen Dipl.-Ing. Z. gefertigten Fotografien der Unfallörtlichkeit, die für Fahrzeuge anderer Restaurantbesucher im Fall eines Verharrens der Unfallfahrzeuge am Kollisionsort keine Ausweichmöglichkeiten gelassen hätte, ebenfalls ohne Weiteres nachvollziehbar und nichts weniger als verdächtig.

34

Dass sich im Übrigen der Kläger und der etwa gleichaltrige Zweitbeklagte schon vor dem Unfall vom Sehen her kannten, ist nach zutreffender Ansicht des Landgerichts in einer Kleinstadt wie B. nichts Ungewöhnliches und ein eher unverfängliches Indiz. Als ambivalent, d. h. im Ergebnis neutral und mitnichten für einen gestellten Unfall sprechend hat des Weiteren zu gelten, dass die Unfallbeteiligten wegen ihrer Bekanntschaft sowie der eindeutigen Verursachung des Unfalls durch den Zweitbeklagten von einer Einschaltung der Polizei zum Zwecke der ihnen müßig erscheinenden Unfallaufnahme abgesehen haben.

35

Es verhält sich entgegen der Darstellung der Drittbeklagten auch nicht etwa so, dass der Kläger sich seines Fahrzeugs bereits kurze Zeit nach dem Unfall durch Verkauf entledigt hätte, um auf diese Weise eine ihm unliebsame Begutachtung des Pkw zu vereiteln oder unmöglich zu machen. Der von ihm beauftragte Kfz-Sachverständige der C. GmbH hat den Pkw vielmehr einen Tag nach dem Unfall in Augenschein nehmen können und dabei eine umfangreiche Bilddokumentation angefertigt, die den gerichtlich bestellten Sachverständigen in die Lage versetzte, ein Unfallrekonstruktionsgutachten zu erstellen. Der anschließende Verkauf insbesondere des BMW hat somit die Aufklärung des Unfallhergangs nicht oder jedenfalls nicht nennenswert beeinträchtigt. Ohnedies kann dem Geschädigten eines Verkehrsunfalls, sofern dieser nicht gerade seine eigene Kasko-Versicherung in Anspruch nimmt, gegenüber der Haftpflichtversicherung des Gegners kein langwieriges Zuwarten bezüglich der wie immer vonstattengehenden Schadensbeseitigung angesonnen werden, jedenfalls dann nicht, wenn sich für die Unfallbeteiligten, wie im vorliegenden Fall, die Sachlage und Schuldfrage als völlig eindeutig darstellen.

36

Als weiterhin auch noch nachhaltig gegen eine Unfallmanipulation sprechendes Indiz fällt schließlich, zumal im Kontext mit den übrigen Begleitumständen, ins Gewicht, dass der Kläger – entgegen der unerfindlich bleibenden Behauptung der Drittbeklagten von einem seinerseits deutlichen Gewinn – durch den Unfall keinen oder bestenfalls einen äußerst geringen wirtschaftlichen Vorteil gehabt hat, ein fingierter Unfall für ihn daher nicht profitabel gewesen wäre. Für den von ihm mit finanzieller Hilfe der Eltern gekauften Pkw BMW des Typs 320d – als Auszubildender verfügte er seinerzeit altersgemäß und nicht, wie die Drittbeklagte zu suggerieren scheint, etwa zwielichtiger Umstände halber über keine eigenen nennenswerten Einkünfte oder Ersparnisse – zahlte er ausweislich des vorgelegten Kaufvertrages vom 14. Dezember 2011, dessen Echtheit die Drittbeklagte nicht in Zweifel zieht und die zu bezweifeln auch sonst kein Anhalt besteht, einen Betrag von 7.100 €. Den Wiederbeschaffungswert des BMW abzüglich des Restwertes hat der vom Kläger beauftragte Kfz-Sachverständige auf 5.000 € veranschlagt. Nach den nicht bestrittenen Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er für den unrepariert nach dem Unfall privat verkauften Pkw noch einen Betrag in Höhe von 1.500 bis 1.600 € erzielen können, sodass er zusammen mit der reklamierten Entschädigungsleistung, wenn man auch noch die Entschädigung für den Nutzungsausfall in Höhe von insgesamt 500 € hinzunimmt, summa summarum gerade einmal den Betrag erhalten hat, den er für den Kauf des BMW ca. einen Monat vor dem Unfall hat aufwenden müssen. Dass dem Kläger die Inszenierung des streitgegenständlichen Unfalls überhaupt, geschweige denn in lohnenswertem Ausmaße zum Vorteil gereicht hätte, kann demnach nicht festgestellt werden.

37

3. Die Beklagten haben den Schaden des Klägers, wie vom Landgericht erkannt, vollen Umfanges zu ersetzen.

38

Angesichts dessen, dass der Zweibeklagte allein schuldhaft unter Hinwegsetzung über die besonderen Sorgfaltsanforderungen beim Rückwärtsfahren gemäß § 9 Abs. 5 StVO den Unfall verursacht hat, kann eine Betriebsgefahr auf Seiten des Klägers nicht anspruchsmindernd gemäß § 17 Abs. 1 und 2 StVG oder § 254 Abs. 1 BGB zum Zuge kommen.

39

Der dem Kläger antragsgemäß zu ersetzende Schaden unterliegt auch der Höhe nach gemäß den §§ 249 Abs. 2, 251 Abs. 1 BGB keinen Bedenken, die auch im Berufungsverfahren nicht mehr erhoben werden.

III.

40

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO in Verb. mit den §§ 100 Abs. 4 Satz 1, 101 Abs. 1 ZPO.

41

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit dieses Urteils wie auch des angefochtenen Urteils nunmehr ohne Sicherheitsleistung entspricht den §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1, 713 ZPO in Verb. mit § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO.

42

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind nicht ersichtlich. Weder kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.


Tenor

Die Beklagte zu 2 wird verurteilt, an den Kläger 900 EUR nebst Zinsen i.H.v. 2,5 % seit dem 11.05.2011 zu zahlen sowie ihn von der von der Gebührennote der Rechtsanwälte Dr. K & Partner aus Anlass deren außergerichtlicher Tätigkeit zur Regulierung des Verkehrsunfallgeschehens vom 22.10.2010in Höhe von 180,00 EUR freizustellen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 48% und die Beklagte zu 2) zu 52 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht zuvor der Vollstreckende Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages geleistet hat.


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