Landgericht Heidelberg Beschluss, 13. Feb. 2006 - 2 Qs 9/06

bei uns veröffentlicht am13.02.2006

Tenor

Auf die Beschwerde des Beschuldigten wird der Beschluss des Amtsgerichts Heidelberg vom 16.01.2006 - 10 Gs 21/06 - aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Beschuldigten in diesem erwachsenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe

 
Mit dem angefochtenen Beschluss entzog das Amtsgericht dem Beschuldigten gem. § 111a StPO vorläufig die Fahrerlaubnis. Es ging davon aus, dass der Beschuldigte eines Vergehens des unerlaubten Entfernens vom Unfallort dringend verdächtig sei, wobei ein Regelfall für die Entziehung der Fahrerlaubnis vorliege, da der Beschuldigte bei dem Unfall einen „nicht unerheblichen“ Fremdschaden (das Gesetz spricht von einem bedeutenden Schaden) verursacht habe. Tatsächlich betrugen die Reparaturkosten an dem beschädigten Fahrzeug 1186,34 EUR.
Die zulässige Beschwerde des Beschuldigten hat Erfolg.
Zwar teilt die Kammer ohne weiteres die Einschätzung des Amtsgerichts hinsichtlich des dringenden Tatverdachts. Zwar hat der Beschuldigte behauptet, den Anstoß an das andere Fahrzeug nicht bemerkt zu haben. Diese Behauptung ist jedoch angesichts der Art des Verkehrsvorganges und des verursachten konkreten Schadens und nicht zuletzt der Angaben des Zeugen, der von einem „ziemlich lauten“ Unfallgeräusch sprach, unglaubhaft.
Allerdings ist der verursachte Schaden unter der Grenze des bedeutenden Schadens angesiedelt. Zwar hat auch die Kammer in älteren Entscheidungen (zuletzt in einer Entscheidung vom 09.07.2002 - 2 Qs 48/02) die Auffassung vertreten, dass bei einem Sachschaden von über 1000 EUR ein solcher bedeutender Schaden anzunehmen sei. Die Kammer schließt sich jedoch der mittlerweile geänderten h. M. an, wonach ein bedeutender Schaden erst bei Überschreitung einer Wertgrenze von 1300 EUR anzunehmen ist (vgl. zum Streitstand Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl., Rdnr. 29 zu § 69a). Angesichts der in den letzten Jahren schnell angestiegenen Reparaturkosten sieht auch die Kammer die früher angesetzte Wertgrenze als zu niedrig an.
Dass hier neben den reinen Reparaturkosten ein nennenswerter merkantiler Minderwert anzusetzen sein könnte, liegt angesichts der verwendeten Reparaturmethode fern. Auch sonst sind keine Umstände ersichtlich, die eine Entziehung der Fahrerlaubnis im weiteren Verfahren erwarten lassen würden: Der Beschuldigte ist nicht vorbestraft und auch in verkehrsrechtlicher Hinsicht nicht vorbelastet. Er musste angesichts des Schadensbildes und der Art der Schadensentstehung beim Ausparken auch nicht davon ausgehen, dass ein weitergehender Sachschaden entstanden wäre als der durch die Reparaturrechnung belegte.
Auf die Beschwerde war daher der angefochtene Beschluss mit der Kostenfolge aus § 467 Abs. 1 StPO analog aufzuheben. Der Führerschein ist an den Beschuldigten herauszugeben.

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Landgericht Heidelberg Beschluss, 13. Feb. 2006 - 2 Qs 9/06 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 467 Kosten und notwendige Auslagen bei Freispruch, Nichteröffnung und Einstellung


(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zu

Strafprozeßordnung - StPO | § 111a Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis


(1) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, daß die Fahrerlaubnis entzogen werden wird (§ 69 des Strafgesetzbuches), so kann der Richter dem Beschuldigten durch Beschluß die Fahrerlaubnis vorläufig entziehen. Von der vorläufigen Entziehung k

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(1) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, daß die Fahrerlaubnis entzogen werden wird (§ 69 des Strafgesetzbuches), so kann der Richter dem Beschuldigten durch Beschluß die Fahrerlaubnis vorläufig entziehen. Von der vorläufigen Entziehung können bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausgenommen werden, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, daß der Zweck der Maßnahme dadurch nicht gefährdet wird.

(2) Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ist aufzuheben, wenn ihr Grund weggefallen ist oder wenn das Gericht im Urteil die Fahrerlaubnis nicht entzieht.

(3) Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis wirkt zugleich als Anordnung oder Bestätigung der Beschlagnahme des von einer deutschen Behörde ausgestellten Führerscheins. Dies gilt auch, wenn der Führerschein von einer Behörde eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ausgestellt worden ist, sofern der Inhaber seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat.

(4) Ist ein Führerschein beschlagnahmt, weil er nach § 69 Abs. 3 Satz 2 des Strafgesetzbuches eingezogen werden kann, und bedarf es einer richterlichen Entscheidung über die Beschlagnahme, so tritt an deren Stelle die Entscheidung über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis.

(5) Ein Führerschein, der in Verwahrung genommen, sichergestellt oder beschlagnahmt ist, weil er nach § 69 Abs. 3 Satz 2 des Strafgesetzbuches eingezogen werden kann, ist dem Beschuldigten zurückzugeben, wenn der Richter die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Fehlens der in Absatz 1 bezeichneten Voraussetzungen ablehnt, wenn er sie aufhebt oder wenn das Gericht im Urteil die Fahrerlaubnis nicht entzieht. Wird jedoch im Urteil ein Fahrverbot nach § 44 des Strafgesetzbuches verhängt, so kann die Rückgabe des Führerscheins aufgeschoben werden, wenn der Beschuldigte nicht widerspricht.

(6) In anderen als in Absatz 3 Satz 2 genannten ausländischen Führerscheinen ist die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis zu vermerken. Bis zur Eintragung dieses Vermerkes kann der Führerschein beschlagnahmt werden (§ 94 Abs. 3, § 98).

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.