Landgericht Hamburg Beschluss, 03. Aug. 2018 - 326 T 41/17

bei uns veröffentlicht am03.08.2018

Tenor

1. Die Verfahren 326 T 41/17 und 326 T 43/17 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden. Das Verfahren 326 T 41/17 führt.

2. Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers zu 1) vom 19.04.2017 (Az 326 T 41/17) gegen den Vergütungsbeschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 05.04.2017, Az. 67b IN 167/13, wird zurückgewiesen.

3. Aufgrund der sofortigen Beschwerde des Insolvenzverwalters vom 20.04.2017 (Az 326 T 43/17) wird der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 05.04.2017, Az. 67b IN 167/13, aufgehoben. Die Vergütung des Beschwerdeführers zu 1), Rechtsanwalt J. W., A.- H.-Straße... ,... H., als ehemaliges Mitglied des Gläubigerausschusses, wird wie folgt neu festgesetzt:

Vergütung

23.456,00 €

Umsatzsteuer

4.456,64 €

Endbetrag:

27.912,64 €

4. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens 326 T 41/17 trägt der Beschwerdeführer zu 1), die Kosten des Beschwerdeverfahrens 326 T 43/17 werden niedergeschlagen.

5. Die Rechtsbeschwerde wird in beiden Verfahren zugelassen.

Gründe

I.

1

Der Beschwerdeführer zu 1), Rechtsanwalt und Fachanwalt für Insolvenzrecht, war in dem Insolvenzverfahren Az 67b IN 167/13 für die Zeit vom 04.09.2013 bis zur Verfahrenseröffnung am 01.10.2013 Mitglied des vor-vorläufigen Gläubigerausschusses und vom 01.10.2013 bis 19.11.13 im vorläufigen Gläubigerausschuss. Das Verfahren betrifft ein Unternehmen, dessen Jahresumsatz vor Insolvenzeröffnung 28,5 Mio € betrug und bei dem 72 Arbeitnehmer beschäftigt waren.

2

Am 30.12.2016 beantragte der Beschwerdeführer zu 1) die Vergütung der Tätigkeit im vor-vorläufigen Ausschuss (für 55,69 h) in Höhe von 16.707,00 € zzgl. Umsatzsteuer und der Tätigkeit im vorläufigen Ausschuss mit 18.777,00 € zzgl. Umsatzsteuer (für 62,59 h), was einem Stundensatz von 300,00 € entspricht (zur Tätigkeitsaufstellung wird auf Bl. 1934 ff. d.A. und Bl. 1940 ff. d.A. verwiesen). Eine solche Vergütung sei nicht unangemessen. Er verwies auf Entscheidungen des Amtsgerichts Bremen (15.12.2015 40 IN 588/05L) und des Amtsgerichts Hamburg (67c IN 300/15) sowie auf eine entsprechende Stellungnahme der Rechtsanwaltskammer (Bl. 1942) d.A.).

3

Er machte geltend, es habe sich um ein komplexes Verfahren gehandelt, bei dem ungewöhnliche Sachverhalte aufgetreten seien. Die Tätigkeit sei außerordentlich haftungsträchtig gewesen und habe eine genaue und rechtliche Begleitung erfordert. Er habe daher umfangreiche Berichte, rechtliche Hinweise und Eingaben fertigen müssen, Vertragsentwürfe geprüft, zu Telefonkonferenzen eingeladen und diese geführt sowie vor- und nachbereitet. Es habe Gespräche mit dem Insolvenzrichter, vorläufigen Insolvenzverwalter und anderen Ausschussmitgliedern gegeben (Einzelheiten vgl. Bl. 2074 ff.). Auch habe er seine Fahrzeiten mit berechnet und habe an einer Fortbildung über die Haftung von Gläubigerausschussmitgliedern teilgenommen.

4

Ferner sei seine besondere Qualifikation zur berücksichtigen. Als Feld-Wald-Wiesen-Anwalt würden Mitglieder des Gläubigerausschusses Kostenerstattung von rund 170,00 €/h erhalten. Hier sei eigentlich eine noch höhere Erschwerniszulage gerechtfertigt. Die Tätigkeit als Mitglied des Gläubigerausschusses dürfe nicht zu einem Sonderopfer werden. Als Selbständiger erhalte er die Vergütung nicht „on Top“ zu einem Angestelltengehalt, wie dies bei anderen Ausschussmitgliedern der Fall sei. Vielmehr sei er mit laufenden Kanzleikosten belastet, trage Verantwortung für Mitarbeitergehälter, Krankheitsrisiken, sozialversicherungsrechtlich und steuerlich abweichende Lasten. Einer Vergütung von 95 €/h für ein im Übrigen angestelltes Ausschussmitglied, würde bei einer Gleichbehandlung der Mitglieder für einen Selbständigen einen Stundensatz von 289,25 €/h erfordern (Einzelheiten Bl. 2024 f. d.A.). Dies sei zu berücksichtigen.

5

In seiner Stellungnahme führte der Insolvenzverwalter aus, die Gläubigerausschussmitglieder wären hier überdurchschnittlich gefordert gewesen, hätten über Fragen der Eigenverwaltung, Unternehmensfortführung oder -Stilllegung, und der Unternehmensveräußerung zu entscheiden gehabt. Die Vergütung von 300 €/h, wie der hiesige Beschwerdeführer zu 1) sie beantrage, sei bisher aber nur für sehr aufwendige, zB 11jähriges Verfahren in Bezug auf ein Unternehmen mit 400 Mitarbeitern verteilt auf 8 Standorte für gerechtfertigt gehalten worden (AG Bremen). Dies sei mit dem vorliegenden Verfahren nicht vergleichbar. Eine Überschreitung des in § 17 verankerten Höchststundensatzes solle nur als Ausnahme in Betracht gezogen werden. Es sei ggf. Aufgabe des Verordnungsgebers, nicht der Gerichte, den Höchststundensatz in § 17 I InsVV heraufzusetzen. Der vom Beschwerdeführer zu 1) veranschlagte Zeitaufwand weiche ferner erheblich und unplausibel nach oben von den Angaben der übrigen Ausschussmitglieder ab.

6

Das Insolvenzgericht wies mit Schreiben vom 08.03.2017 auf Bedenken in Bezug auf den geltend gemachten Zeitaufwand als auch auf den Stundensatz hin. Nachdem beide Seiten weiter vorgetragen hatten, wurde mit Beschluss vom 05.04.2017 die Vergütung des Beschwerdeführers zu 1) für seine Tätigkeit als ehemaliges Mitglied des Gläubigerausschusses auf 23.656,00 € zzgl. Umsatzsteuer festgesetzt. Im Übrigen wurde sein Antrag zurückgewiesen. Der beantragte Zeitaufwand wurde dabei vom Gericht nicht mehr in Frage gestellt. Das Gericht hielt einen Stundensatz von 200 € angesichts der tatsächlichen und rechtlichen Probleme des konkreten Verfahrens für angemessen und ausreichend.

7

Es führte aus, als erhöhende Faktoren gegenüber dem regelmäßigen Vergütungshöchstsatz nach § 17 InsVV würden die besondere berufliche Stellung, Sachkunde und Qualifikation, aktive Mitwirkung auch außerhalb der Sitzungen, die Beteiligung an Verhandlungen, sowie die Haftungsrisiken des Beschwerdeführers anerkannt. Nach der Verordnung könne aufgrund außergewöhnlicher Umstände ein Anlass zur Abweichung von dem Regelvergütungsrahmen bestehen. Dies sei hier berücksichtigt worden. Es sei aber Aufgabe des Verordnungsgebers den Höchststundensatz ggf. grundsätzlich herauf zu setzen. Es gebe vor dem Amtsgericht Hamburg erheblich komplexe Verfahren, in denen ein geringerer Stundensatz festgesetzt worden sei. Die vom Beschwerdeführer zu 1) in Bezug genommenen Entscheidungen des Amtsgerichts Bremen und des Amtsgerichts Hamburg seien mit dem vorliegenden bzgl. des Umfang, der rechtlichen Schwierigkeiten, des Haftungsrisikos und der Verfahrensdauer nicht vergleichbar.

8

Hiergegen legte der Beschwerdeführer zu 1) am 19.04.2017 sofortige Beschwerde ein (Bl. 2110 ff. d.A.) (Az 326 T 41/17), mit dem Antrag, die Vergütung in Höhe von 35.484,00 € und den Umsatzsteuerausgleich auf 6.741,36 € festzusetzen sowie die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

9

Der Beschwerdeführer zu 1) vertieft im Beschwerdeverfahren seine bisherige Argumentation. In dem Verfahren seien zahlreiche ungewöhnliche Sachverhalte vorgekommen (vgl. beispielhafte Aufstellung Bl. 2112 d.A.), die er effektiv und effizient substantiiert aufgedeckt, durch Belege dokumentiert und zur Insolvenzakte gereicht habe. Er habe die Insolvenzschuldnerin und den Insolvenzverwalter unterstützen und auch kritisch überwachen müssen. Die Rechtsanwaltskammer halte eine Vergütung von 300 € nach ihrer Stellungnahme für zumindest nicht unüblich. Die in § 17 InsVV benannten Stundensätze würden nur eine - praktisch nicht brauchbare - Orientierung abgeben. Dies zeige sich an der sehr unterschiedlichen Handhabung durch die Gerichte und daraus erkennbaren Unsicherheiten in der Handhabung von Zu- und Abschlägen. Zu diesen Sätzen sei es nicht möglich, qualifizierte, unabhängige Gläubigerausschussmitglieder zu bestellen. Diese seien für ein ordnungsgemäßes Verfahren jedoch unverzichtbar. Er sei seit 20 Jahren Konkurs- und Insolvenzverwalter und Sanierungsexperte. Sein Sachverstand habe dem Verfahren einen Mehrwert gebracht, der entsprechend seinem höheren Haftungsrisiko auch zu vergüten sein. Er berechne regelmäßig einend deutlich höheren Stundensatz für Mandate als die zuerkannten 200 €/h, da er deutlich höhere, laufende Kosten habe.

10

Auch der Insolvenzverwalter legte gegen den Vergütungsbeschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 05.04.2017 mit Zustimmung des Gläubigerausschusses sofortige Beschwerde ein (Bl. 2150 ff. d.A.). Er wendet sich nicht gegen die Stundensatzhöhe, aber gegen die vom Gericht zugrunde gelegte Stundenanzahl, die vom Beschwerdeführer zu 1) nicht schlüssig dargelegt worden sei. Die Teilnahme an eine Sitzung der Gläubigerversammlung erfolge in Bezug auf das vertretene Mandat für die Insolvenzgläubiger, werde insoweit von diesen vergütet und könne daher nicht als Ausschussvergütung geltend gemacht werden (Stichwort: Doppelvergütung). Die Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung könne ebenfalls nicht zu Lasten der Insolvenzmasse gehen. Der Beschwerdeführer könne sich sein besonderes Know-how, für das er gesondert vergütet werde, nicht auch noch auf Kosten der Gläubigergemeinschaft verschaffen. Auch habe der Beschwerdeführer zu 1) Zeitaufwand für eine bloße Auflistung des Aktenbestandes und die Erstellung eines Protokolls in einem Umfang von 11,62 h in Rechnung gestellt. Dies sei nicht effizient und damit nicht nachvollziehbar. An diversen Daten seiner Aufwandsübersicht habe der Beschwerdeführer zu 1) ferner lediglich als Aufwand „Vertrag“ genannt, ohne dies weiter nachvollziehbar zu begründen.

11

Aufgrund dieser Unklarheiten hätte das Gericht den Stundenaufwand des Beschwerdeführers zu 1) schätzen müssen, aber nicht unkritisch übernehmen dürfen. Bezüglich des Höchststundensatzes habe das Gericht den vom Verordnungsgeber gesetzten Rahmen zu beachten. Dies sei dem Beschwerdeführer zu 1) bei seiner Bestellung bekannt gewesen. Die angeblichen „ungewöhnlichen Sachverhalte“ dieses Verfahrens, die der Beschwerdeführer zu 1) für seinen erhöhten Aufwand ins Felde führe, seien mit der Frage einer angemessenen Vergütung nicht zu vermengen.

12

Der Beschwerdeführer zu 1) führt aus, der Aufwand „Vertrag“ sei eine automatische Einstellung seines Computer-Programms. Eine Doppelvergütung für die Gläubigerversammlung habe er nicht erzielt, weil der angedachte Lieferantenpool der Kleingläubiger, für die er tätig werden sollte, im vorliegenden Verfahren nicht zustande gekommen sei. Die Fortbildung habe der Recherche zur BGH-Rechtsprechung gedient. Es seien weder die Fahrtkosten noch die Teilnahmegebühren abgerechnet worden.

13

Das Insolvenzgericht hat den übrigen Gläubigerausschussmitgliedern rechtliches Gehör gewährt.

14

Mit Beschluss vom 08.06.2017 (Bl. 2210 ff. d.A.) hat das Insolvenzgericht den sofortigen Beschwerden des Beschwerdeführers zu 1) und des Insolvenzverwalters nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt. Die Festsetzung des Stundensatzes sei in Anwendung der gesetzlichen Vorschriften der §§ 73 InsO, 17 InsVV erfolgt. Die maßgeblichen Umstände des Sachverhalts und in der Person des Beschwerdeführers zu 1) seien berücksichtigt worden und hätten zu einer deutlichen Erhöhung des Stundensatzes geführt. Die Anzahl der getätigten Stunden seien Ausdruck von Einsatz, Sachkunde und Problembewusstsein und individuell vom Bearbeiter abhängig. Die Stundenaufstellung hätten nach Aktenlage keine Zweifel an der Berechnung des Beschwerdeführers zu 1) begründet. Eine Doppelvergütung liege nicht vor, da die Insolvenzmasse nicht doppelt belastet werde. Der Fortbildungsvortrag in Bezug auf Haftungsfragen von Gläubigerausschussmitgliedern sei für das hiesige Verfahren relevant gewesen und es seien nur die Vortragsstunden in Rechnung gestellt worden.

15

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Rechtsvortrages wird auf den gesamten Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.

II.

1.

16

Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers zu 1) ist zulässig (§§ 73 II, 64 III InsO, 567 ZPO), jedoch unbegründet.

17

Die vom Amtsgericht Hamburg für den Beschwerdeführer zu 1) festgesetzte Vergütungshöhe von 200 € pro Stunde ist angemessen und ausreichend und daher rechtlich nicht zu beanstanden. Das Insolvenzgericht hat insoweit eine ausgewogene und sachlich gerechtfertigte Interessenabwägung im konkreten Einzelfall zwischen den wirtschaftlich berechtigten Interessen des Beschwerdeführers zu 1) und dem Interesse der Gläubigergemeinschaft an einer möglichst geringen Belastung der Masse vorgenommen.

a.

18

Die Vergütung der Mitglieder des vor-vorläufigen, vorläufigen und endgültigen Gläubigerausschusses richtet sich nach ganz herrschender Meinung einheitlich nach den §§ 73 InsO, 17 InsVV (Zimmer, ZIP 2013, 1309).

19

Diese Normen sehen dabei einen Regelstundensatz zwischen 35 € und 95 € pro Stunde vor und weisen darauf hin, dass die Festsetzung insbesondere den Umfang der Tätigkeit zu berücksichtigen habe. Dies wird als semantische Ungenauigkeit kritisiert, da der Umfang der Tätigkeit korrekter Weise nur die Anzahl der zu vergütenden Stunden, jedoch nicht deren Vergütungshöhe betreffen kann. Mit Umfang der Tätigkeit könne der Verordnungsgeber daher lediglich die Qualität der Tätigkeit gemeint haben. Da in der Norm ferner von einer „regelmäßigen“ Vergütungshöhe gesprochen wird, ist es nach ganz herrschender Meinung möglich, die normativ genannte Höchstgrenze von 95 €/h zu überschreiten, wenn die besonderen Umstände des Verfahrens oder die Qualifikation des Ausschussmitgliedes dies rechtfertigen.

b.

20

Im vorliegenden Fall hat das Amtsgericht die Qualifikation des Beschwerdeführers zu 1) und seine besonderen Haftungsrisiken unter Beachtung dieser Grundsätze zutreffend und ausreichend gewürdigt und auch die Bedeutung des Verfahrens zutreffend eingeordnet, als es den Stundensatz für den Beschwerdeführer zu 1) auf 200 € festsetzte.

21

Das Amtsgericht hat die besondere Qualifikation des Beschwerdeführers zu 1) als erfahrener Insolvenzverwalter und Sanierungsexperte gesehen und berücksichtigt. Es hat auch zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich bei dem vorliegenden Verfahren zwar um ein großes Verfahren handelt (Jahresumsatz des Schuldners 28 Mio €), angesichts einer Mitarbeiterzahl von 72 jedoch nicht um eines der ganz großen, besonders komplexen Insolvenzverfahren. Auch hat der Beschwerdeführer zu 1) in dem Verfahren nur eine vergleichsweise kurze Zeit als Ausschussmitglied mitgewirkt.

22

Soweit der Beschwerdeführer zu 1) darauf hinweist, dass dieses Verfahren eine Vielzahl von anspruchsvollen Besonderheiten aufgewiesen habe (zB Vorbefassung des eingesetzten Verwalters mit dem schuldnerischen Unternehmen, Grundstücksverkäufe kurz vor Insolvenzantragstellung etc.), hat das Insolvenzgericht der damit verbundenen Mühe für den Beschwerdeführer zu 1), der diese Umstände offengelegt sowie kritisch und sorgfältig begleitet hat, bei der Anerkennung der – im Vergleich zu den anderen Ausschussmitgliedern – deutlich höheren Stundenanzahl ausreichend Rechnung getragen.

23

Soweit der Beschwerdeführer geltend mach, es müssten auch seine hochqualifizierten Backoffice-Kosten und seine besonderen Belastungen aufgrund seiner selbständigen Tätigkeit, Krankheitsrisiken etc. berücksichtigt werden, verkennt er, dass es sich bei der „Vergütung“ nach § 17 InsVV dem Sinn und Zweck nach um eine Aufwandsentschädigung für eine freiwillige Tätigkeit, nicht jedoch um die Bezahlung einer hauptberuflich ausgeübten Tätigkeit handelt (vgl. ebenso: MüKo/Stephan, InsVV, 3. Aufl., § 17 Rn 7).

24

Soweit der Beschwerdeführer zu 1) darauf hinweist, dass nur bei einer Anhebung der Stundensätze für Gläubigerausschussmitglieder zukünftig eine sachverständige und kompetente Besetzung der Gläubigerausschüsse gewährleistet sein wird, weil man nicht erwarten könne, dass hochqualifizierte Personen aus Idealismus altruistische Sonderopfer erbringen, macht er rechtspolitische Erwägungen geltend, die vom Insolvenzgericht im Rahmen seiner Einzelfallentscheidung nicht heranzuziehen sind, sondern allenfalls an den Verordnungsgeber zu richten wären, der trotz der nunmehr seit vielen Jahren geführten diesbezüglichen Diskussion einen dringenden Handlungsbedarf aber offenbar nicht zu erkennen vermag. Dies muss das Insolvenzgericht, das im Rahmen der Normenanwendung an die bestehende Gesetzeslage und den Willen des Verordnungsgebers gebunden ist, insoweit berücksichtigen und kann sich nicht an dessen Stelle setzen und normändernd tätig werden.

25

Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers zu 1) war daher zurückzuweisen.

2.

26

Die sofortige Beschwerde des Insolvenzverwalters ist zulässig (§§ 73 II, 64 III InsO, 567 ZPO).

27

Sie ist auch begründet, soweit sie in Bezug auf die vom Beschwerdeführer zu 1) besuchte Fortbildungsveranstaltung am 02.11.2013 den Stundenansatz von 1 Stunde kritisiert. Im Übrigen ist sie unbegründet.

a)

28

Bei der Festsetzung der Vergütung eines Gläubigerausschussmitglieds ist beim Umfang der Tätigkeit auch die aktive Mitwirkung außerhalb der Ausschusssitzungen, die Beteiligung an Verhandlungen und die Prüfung von Verträgen zu berücksichtigen (vgl. AG Detmold NZI 2008, 505). Als Zeitaufwand zu berücksichtigen sind dabei alle Zeiten, die im Zusammenhang mit der Ausschusstätigkeit stehen, also auch die Zeiten der An- und Abfahrt und der Vor- und Nacharbeit (vgl. AG Konstanz 11.08.15 40 IN 408/14) oder von Einzelgesprächen mit Beteiligten oder Telefonkonferenzen. Im vorliegenden Fall war ferner zu berücksichtigen, dass aufgrund der Besonderheiten dieses Einzelfalls (Vorbefassung des Insolvenzverwalters mit dem schuldnerischen Unternehmen, Grundstücksverkauf kurz vor Insolvenzantragstellung) eine besondere Sachverhaltsaufklärung des Beschwerdeführers zu 1) gerechtfertigt war. Auch der diesbezügliche erhöhte Zeitaufwand – im Vergleich zu den anderen Ausschussmitgliedern - ist insoweit plausibel begründet und entsprechend zu vergüten.

29

Soweit der Insolvenzverwalter die Zeiten der Gläubigerversammlung als nicht berücksichtigungsfähig rügt, weil das Ausschussmitglied insoweit die Interessen seines (Gläubiger-) Mandanten vertrete und bereits vergütet werde, hat der Beschwerdeführer zu 1) zu Recht darauf hingewiesen, dass er im vorliegenden Verfahren keine doppelte Vergütung für diese Zeiten erhalten hat, weil die insoweit geplante Poolbildung mit Interessenvertretung der Kleingläubiger gescheitert ist.

b)

30

Nicht berücksichtigungsfähig ist nach Auffassung der Kammer allerdings der Umstand, dass der Beschwerdeführer zu 1) am 02.11.13 den Besuch einer einstündigen Fortbildungsveranstaltung über die Haftung von Gläubigerausschussmitgliedern in seinen Stundenansatz eingestellt und auch vergütet bekommen hat. Insoweit hat der Insolvenzverwalter zu Recht darauf verwiesen, dass ein Ausschussmitglied sich sein besonderes Know-how, für das er gesondert vergütet werden möchte, nicht auch noch auf Kosten der Gläubigergemeinschaft verschaffen dürfe. Ferner wäre insoweit die Möglichkeit gegeben, dass das Ausschussmitglied sich die Fortbildungstätigkeit in mehreren Verfahren und damit mehrfach vergüten lassen könnte.

31

Die Vergütungsfestsetzung war somit um eine Stunde in Höhe von 200 € zzgl. Umsatzsteuer herabzusetzen. Im Übrigen war die Beschwerde des Insolvenzverwalters zurückzuweisen.

3.

32

Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, weil sie in diesem Fall der Rechtsvereinheitlichung und Rechtsfortbildung zu dienen geeignet ist. Eine höchstrichterliche Stellungnahme zu der Frage steht noch aus, ob eine erhöhte Vergütung von Gläubigerausschussmitgliedern im Einzelfall von den Insolvenzgerichten auch damit gerechtfertigt werden kann, dass das Ausschussmitglied nicht nur eine persönlich erworbene besondere Qualifikation aufweist, sondern auch für das Verfahren besonders wertvoll ist, aufgrund einer von ihm vorgehaltenen, sachnahen aber kostenintensiven Infrastruktur (Backoffice aus selbständiger Tätigkeit als Insolvenzverwalter). Auch eine obergerichtliche Stellungnahme zu der Frage, ob rechtspolitische Erwägungen in die einzelfallbezogene Vergütungsentscheidung des Insolvenzgerichtes mit einbezogen werden dürfen, um auch zukünftig die wünschenswerte Bestellung von besonders sachkundigen Ausschussmitgliedern zu ermöglichen, kann der Rechtsfortbildung dienen. Die Vergütungsfestsetzung der Insolvenzgerichte variiert derzeit sehr breit, weil insoweit eine einheitliche obergerichtliche Leitlinie derzeit nicht erkennbar ist. Schließlich wurde bisher auch noch nicht obergerichtlich entschieden, ob allgemeine Fortbildungstätigkeiten eines Ausschussmitgliedes, welche für eine Vielzahl von Verfahren nutzbar sind, im jeweiligen Einzelfall beim Stundenansatz geltend gemacht werden können.

4.

33

Die Kostenentscheidungen beruhen auf § 91 ZPO, § 4 InsO.

34

Da der Insolvenzverwalter mit seiner Beschwerde teilweise erfolgreich war, waren die Kosten dieses Beschwerdeverfahrens (326 T 43/17) niederzuschlagen.

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(1) Die Vergütung der Mitglieder des Gläubigerausschusses beträgt regelmäßig zwischen 50 und 300 Euro je Stunde. Bei der Festsetzung des Stundensatzes sind insbesondere der Umfang der Tätigkeit und die berufliche Qualifikation des Ausschussmitglieds zu berücksichtigen.

(2) Die Vergütung der Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses für die Erfüllung der ihm nach § 56a und § 270b Absatz 3 der Insolvenzordnung zugewiesenen Aufgaben beträgt einmalig 500 Euro. Nach der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder eines vorläufigen Sachwalters richtet sich die weitere Vergütung nach Absatz 1.

(1) Die Mitglieder des Gläubigerausschusses haben Anspruch auf Vergütung für ihre Tätigkeit und auf Erstattung angemessener Auslagen. Dabei ist dem Zeitaufwand und dem Umfang der Tätigkeit Rechnung zu tragen.

(2) § 63 Abs. 2 sowie die §§ 64 und 65 gelten entsprechend.

(1) Die Vergütung der Mitglieder des Gläubigerausschusses beträgt regelmäßig zwischen 50 und 300 Euro je Stunde. Bei der Festsetzung des Stundensatzes sind insbesondere der Umfang der Tätigkeit und die berufliche Qualifikation des Ausschussmitglieds zu berücksichtigen.

(2) Die Vergütung der Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses für die Erfüllung der ihm nach § 56a und § 270b Absatz 3 der Insolvenzordnung zugewiesenen Aufgaben beträgt einmalig 500 Euro. Nach der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder eines vorläufigen Sachwalters richtet sich die weitere Vergütung nach Absatz 1.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen und Terminen die Beteiligten in der Ladung auf die Verpflichtung hinzuweisen sind, wissentliche Ton- und Bildaufzeichnungen zu unterlassen und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Dritte die Ton- und Bildübertragung nicht wahrnehmen können.