Landgericht Essen Urteil, 08. Juli 2016 - 19 O 303/15
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.740,18 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2015 zu zahlen, sowievorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.029,35 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.01.2016.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von allen wirtschaftlichen Vermögensnachteilen freizustellen, die adaequat-kausal aus dem Vertragswechsel der Klägerin zur gezeichneten W, Versicherungsnummer … resultieren.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
T a t b e s t a n d :
2Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz wegen behaupteter Falschberatung bei Abschuss eines neuen Versicherungsvertrages.
3Die Klägerin hatte im Jahr 2004 bei der W1 zwecks Kapitalanlage eine Lebensversicherung abgeschlossen. Darin war darin eine steuerfreie Ausschüttung von 51.072,00 Euro zum 01.12.2016 garantiert. Am 15.05.2012 beantragte die Klägerin nach Beratung durch die Beklagte, die vom Zeugen X begleitet worden war, den Abschluss einer fondsgebundenen Rentenversicherung mit einer Beitragszahlungsdauer von 24 Jahren und anschließendem Rentenbeginn ab dem 01.07.2036. Zugleich kündigte sie mit Wirkung zum 01.06.2012 den Altvertrag. Von der aus diesem Vertrag erhaltenen Versicherungsleistung in Höhe von 47.469,88 Euro musste die Klägerin infolge der vorzeitigen Vertragsbeendigung 2.460,77 Euro an Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag zahlen.
4Die Klägerin behauptet, der neue Versicherungsvertrag sei für sie nicht vorteilhaft. Sie hätte diesen Vertrag nicht abgeschlossen, wenn sie von der Beklagten richtig beraten worden wäre. Die Beklagte habe sie insbesondere nicht darauf hingewiesen, dass bei vorzeitiger Beendigung des alten Vertrages für Erträge aus diesem Vertrag Steuern zu zahlen wären. Sie sei zudem nicht darauf hingewiesen worden, dass sie nach Ablauf eines Zeitraums von fünf Jahren auf den neuen Vertrag weiterhin monatlich 750,- Euro zahlen müsse. Sie beziehe lediglich Einkünfte aus einer Frührente in Höhe von etwa 1.500,- Euro monatlich. Sie wäre daher nicht in der Lage gewesen, über eine Laufzeit von 26 Jahren monatlich etwa die Hälfte ihres Einkommens in diese Kapitalanlage einzuzahlen. Dies sei der Beklagten bekannt gewesen. Der aus einer Erbschaft erhaltene Betrag habe nicht in die Altersvorsorge, sondern in die Renovierung ihrer Wohnung fließen sollen.
5Zum Abschluss des Vertrages sei es allein deshalb gekommen, weil die Beklagte ihr erklärt habe, man müsse nur fünf Jahre einzahlen und können den Vertrag dann wie ein Sparbuch ruhen lassen, ohne dass sich dies negativ auf den Vertrag auswirke. Sie sei zudem nicht auf den niedrigen Garantiezins der neuen Kapitalanlage hingewiesen worden und auch nicht darauf, dass erhebliche Provisionszahlungen und Verwaltungskosten anfallen würden. Das von der Beklagten in Bezug genommene Beratungsprotokoll sei nicht aussagekräftig, da ihr vor Vertragsschluss nicht die Möglichkeit gegeben worden sei, den kleingeschriebenen Text am Computer zu lesen. Sie habe daher auf das gesprochene Wort vertraut und auf Bitten des Zeugen X auf dem Computer eine Unterschrift geleistet.
6Erst als sie im Jahr 2014 durch einen Bekannten über das auf Anraten der Beklagten abgeschlossene Vertragskonstrukt aufgeklärt worden sei, habe sie die neue, von der Beklagten vermittelte Kapitalanlage gekündigt. Nach Abwicklung des neuen Vertrages habe sie insgesamt 44.331,82 Euro erhalten. Den Differenzbetrag zwischen dieser Summe und der garantierten Ausschüttung von 51.072,00 Euro, die sie bei Fortführung des Altvertrages am 01.12.2016 erhalten hätte, nämlich 6.740,18 Euro, macht die Klägerin als Schaden geltend. Das Feststellungsinteresse begründet sie damit, dass auf den Altvertrag zum damaligen Zeitpunkt inklusive von Überschüssen ein Gesamtbetrag von 58.920,- Euro errechnet worden sei, der zum gegenwärtigen Zeitpunkt – d.h. vor Ablauf des 01.12.2016 – noch nicht feststehe.
7Steuerliche Vorteile habe sie aus dem Wechsel der Anlageform nicht erzielt. Sie habe vielmehr eine Nachzahlung an Kirchensteuern leisten müssen. Aus der Neuanlage des nach Kündigung des Fonds erhaltenen Geldes habe sie keinen derzeit absehbaren Vorteil ziehen können.
8Die Klägerin forderte die Beklagte mit vorgerichtlichem Schreiben vom 13.11.2015 unter Fristsetzung bis zum 27.11.2015 zur Zahlung von Schadenersatz auf.
9Hinsichtlich der vorgerichtlichen Kosten nimmt sie auf die Kostenrechnung vom 04.01.2016 sowie auf ein Ermächtigungsschreiben der Rechtsschutzversicherung vom 04.05.2016 Bezug.
10Die Klägerin beantragt,
11die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.740,18 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2015 zu zahlen, sowie
12an sie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.029,35 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.01.2016 zu zahlen, sowie
13festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie von allen wirtschaftlichen Vermögensnachteilen freizustellen, die mittelbar oder unmittelbar aus der von der Klägerin gezeichneten W, Versicherungsnummer … resultieren.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie behauptet, sie habe die Klägerin ordnungsgemäß beraten und aufgeklärt. Für die Klägerin sei bei Abschluss des neuen Vertrages die dadurch gewährleistete Flexibilität im Alter ausschlaggebend gewesen. Der hohe Monatsbetrag von 750,- Euro rechtfertige sich daraus, dass der Klägerin Geld aus einer Erbschaft zur Verfügung gestanden habe. Im Übrigen seien die Beiträge vom in Höhe von 45.000,- Euro eröffneten Fondsdepot der Klägerin bezahlt worden. Der Inhalt des Beratungsgesprächs ergebe sich zudem aus der von der Klägerin unterzeichneten formularmäßig gefassten Erklärung vom 15.05.2012. In jener sei auch darauf hingewiesen worden, dass bei vorzeitiger Beendigung des Altvertrages Steuern zu zahlen gewesen seien. Im Übrigen habe sie der Klägerin bei persönlicher Aushändigung des Versicherungsscheines noch Weiteres erläutert.
17Nachdem die Beklagte ursprünglich hat vortragen lassen, es stehe fest, dass der Klägerin das Beratungsprotokoll bereits vor Vertragsschluss ausgedruckt vorgelegen habe und ihr nicht nur die Unterlagen auf CD zu einem unbestimmten Zeitpunkt ausgehändigt worden seien, ist im Nachhinein unstreitig geworden, dass die Klägerin am 15.05.2012 lediglich eine CD-ROM mit in Dateiform gespeicherten Vertragsunterlagen erhalten hat.
18Hinsichtlich der Schadenshöhe lasse die Klägerin unberücksichtigt, dass ihr infolge der Kündigung des Altvertrages ab dem 08.01.2015 ein Gesamtbetrag von 44.331,82 Euro zur Verfügung gestanden habe, der habe angelegt werden können. Es sei daher davon auszugehen, dass der Klägerin für diesen Betrag in der Zeit vom 08.01.2015 bis zum 30.11.2016 Zinsvorteile entstanden seien.
19Den Anfall der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und die Inrechnungstellung derselben bestreitet die Beklagte mit Nichtwissen.
20Mit nicht fristgerecht eingegangenem Schriftsatz vom 27.06.2016 hat die Beklagte unter anderem die Rechtsauffassung vertreten, der Klägerin nur deshalb ein Schaden entstanden, weil sie den nach Vermittlung der Beklagten geschlossenen Vertrag gekündigt habe. Es stehe zudem zu vermuten, dass die Klägerin Steuervorteile erzielt habe.
21Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 04.07.2016 hat die Beklagte unter Anderem darauf hingewiesen, dass es rechtlich unbeachtlich sei, ob die Klägerin die Unterlagen auf CD-ROM oder in Textform erhalten habe und mit Nichtwissen bestritten, dass die Klägerin keine vertieften Kenntnisse in Kapitalanlagesachen habe und auf die Beratung anderer vertraue.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Gerichtsakten gereichten Unterlagen.
23Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen X.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der Sitzung vom 27.05.2016.
24E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
25Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 61, 63 VVG. Denn die Beklagte hat als Versicherungsvermittlerin eine ihr obliegende Beratungspflicht verletzt, was sie zu vertreten hat. Sie hat der Klägerin den dadurch adaequat-kausal entstandenen Schaden zu ersetzen.
26Gemäß § 63 VVG ist der Versicherungsvermittler zum Ersatz desjenigen Schadens verpflichtet, der dem Versicherungsnehmer durch die Verletzung einer Pflicht nach § § 61 VVG entsteht. Gemäß § 61 Abs. 1 S. 1 VVG hat der Versicherungsvermittler den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Bei einer Kapitallebensversicherung handelt es sich regelmäßig um einen komplizierten und damit auch besonders beratungsbedürftigen Versicherungsvertrag (vgl. BGH, Urteil vom 13.11.2014 – III ZR 544/13, NJW 2015, 1026; LG Saarbrücken, NJW-RR 2013, 809) Der Versicherungsvermittler muss seinen Kunden insbesondere auf die Folgen und Risiken der vorzeitigen Kündigung einer bestehenden und des Abschlusses einer neuen Lebensversicherung hinweisen (vgl. OLG Stuttgart, BeckRS 2011, 02562; OLG Karlsruhe VersR 2012, 858; OLG Saarbrücken, VersR 2011, 1441; OLG München, VersR 2012, 1293; Dörner in Prölss/Martin, § 61 Rn. 27 m.w.Nw.). Entsprechendes muss bei einer fondsgebundenen Rentenversicherung gelten, die zum Zwecke der Kapitalanlage mit einer Laufzeit von 24 Jahren geschlossen wird, wenn dabei eine bestehende Kapitallebensversicherung gekündigt wird.
27Wenn ein Versicherungsvermittler über die Auswahl zwischen zwei Versicherern berät, hat er über sämtliche Folgen des Wechsels und insbesondere über konkret zu befürchtende Nachteile aufzuklären (OLG Köln, Urt. v. 10.05.2005, 9 U 123/04, r + s 2006, 483).
28Im Falle einer Umdeckung muss der Makler den Versicherungsnehmer über sämtliche Folgen des Wechsels aufklären, einschließlich der Abwicklung eines alten Vertrages und von etwaigen Nachteilen einer vorzeitigen Kündigung. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die seinerzeit noch steuerbegünstigt abgeschlossenen Lebensversicherungen (Prölss/Martin, § 61 VVG Rz 8 m.w.Nw.).Dabei hat grundsätzlich der Versicherungsnehmer die Verletzung einer Beratungspflicht zu beweisen. Wenn sich indes eine Beratungsdokumentation in einem schematischen Ankreuzen bestimmter Themenbereiche ohne nähere Erläuterung erschöpft, weder Angaben zur konkreten Motivation für den Versichererwechsel noch zu den Vorstellungen des Versicherungsnehmers vom gewollten Umfang des Versicherungsschutzes im Vergleich zum bisherigen enthält, noch zu einer Aufklärung über etwaige erhebliche Risiken, die mit dem Wechsel verbunden sind, genügt diese nicht den Anforderungen des § 61 Abs. 1 VVG (vrl. OLG München, Urt. v. 22.06.2012 – 25 U 3343/11, BeckRS 2012, 15241).
29Das Gericht ist nach dem Ergebnis der Anhörung der Parteien und der durchgeführten Beweisaufnahme in Anlegung des vorgenannten Maßstabs davon überzeugt, dass die Beklagte die Klägerin nicht über sämtliche Folgen des Wechsels der Versicherungen aufgeklärt hat, und dass die Klägerin infolge der unterlassenen Aufklärung über die Nachteile der vorzeitigen Beendigung des Altvertrages den Neuvertrag abgeschlossen hat, was sie bei ordnungsgemäßer Beratung nicht getan hätte. Die Beklagte hat der Klägerin daher den dadurch adaequat-kausal entstandenen Schaden zu ersetzen.
30Es kann hier sogar dahin stehen, ob wegen der – diesseits als unzureichend erachteten – Dokumentation eine Beweislastumkehr stattfindet mit der Folge, dass nicht die Klägerin einen Aufklärungsmangel, sondern die Beklagte eine ordnugsgemäße Beratung zu beweisen hätte.
31Für eine unzureichende Dokumentation spricht schon das nur rudimentär ausgefüllte Beratungsprotokoll (Anlage BLD 7), das teilweise unzutreffend und teilweise gar nicht ausgefüllt ist. So ist in dem Beratungsprotokoll als Anlass oder Grund der Beratung eine Umstellung der Haftpflichtversicherung genannt. Dies hat allerdings nicht einmal die Beklagte selbst anlässlich ihrer persönlichen Anhörung als Grund für die Beratung genannt. Sie hat vielmehr ausdrücklich erklärt, die Gesprächsanbahnung sei auf ihrer Initiative zurückgegangen. Sie habe ein „neues Produkt“, die W2-Rente gehabt, das sie habe vorstellen wollen. Auf Frage, ob sie vor diesem Angebot geprüft habe, ob dieses Produkt speziell für die Klägerin Vorteile bringe, hat die Beklagte erklärt, sie „verstehe die Frage nicht“. Anders, als es im Beratungsprotokoll angegeben ist, hat die Beklagte zudem erläutert, sie habe der Klägerin erklärt, es müsse einmal überprüft werden, ob „alles in Ordnung“ sei. Die Klägerin habe keine Hausratversicherung und keine Haftpflichtversicherung gehabt.
32Diese Ausführungen passen nicht dazu, dass im Beratungsprotokoll unter Anlass/Grund angegeben ist „Umstellung Haftpflicht“. Etwas, das nicht vorhanden ist, kann man nicht umstellen. Entweder ist das Protokoll falsch, weil es nichts umzustellen gab, oder die Erklärung der Beklagten anlässlich ihrer persönlichen Anhörung ist unrichtig.
33Im Übrigen ist das Beratungsprotokoll von Lückenhaftigkeit geprägt. Es sind wesentliche Fragen überhaupt nicht angekreuzt, u.a. die Fragen nach der Priorisierung der Ziele und Wünsche der Kundin, nach der Bereitschaft der Kundin, monatlich einen Betrag in einer bestimmten Höhe zu investieren und die Fragen nach etwaigen Versorgungslücken.
34Auch der Anhang zum Beratungsprotokoll ist nicht geeignet, das Beratungsgespräch hinreichend individualisiert zu dokumentieren, da er im Wesentlichen aus einem Textbaustein besteht.
35In ähnlicher Weise vom Textbausteincharakter geprägt ist die Erklärung der Versicherungsnehmerin vom 15.05.2012 (Anlage BLD 13). Hierin sind sogar unter bestimmten Spiegelstrichen Angaben enthalten, die nichts mit dem konkreten Vertragsverhältnis zu tun haben. So hat die Beklagte auf Nachfrage selbst einräumen müssen, dass der Spiegelstrich zur erneuten Gesundheitsprüfung nur für die Lebensversicherung zutreffe, was aber hier nicht der Fall sei, weil es sich ja um eine Rentenversicherung handele. Deutlicher kann nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass die Beratungsdokumentation zu Dokumentationszwecken nicht oder allenfalls sehr eingeschränkt geeignet ist, weil anhand der vorgegebenen Textbausteine nicht einmal danach unterschieden wurde, welche der vorformulierten Textbausteine zu der konkreten Versicherung passen und welche nicht. Es dürfte daher Einiges dafür sprechen, unter den gegebenen Umständen die Beweislast auf Seiten der Beklagten und nicht auf Seiten der Klägerin zu sehen.
36Dies kann jedoch im Ergebnis sogar dahin stehen. Denn nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist das Gericht nicht gehindert, seine Überzeugungsbildung auf eine Parteierklärung nach § 141 ZPO zu stützen (BGH Urt. v. 25.09.2003, III ZR 384/02; BGH, Urt. v. 16.07.1998, I ZR 32/96). Im Rahmen der freien Würdigung des Verhandlungsergebnisses nach § 286 ZPO kann den Behauptungen und Angaben einer Partei unter Umständen auch dann geglaubt werden, wenn dies ihre Richtigkeit sonst nicht beweisen kann; einer förmlichen Parteivernehmung bedarf es nicht zwingend (BGH Urt. v. 24.04.1991, IV ZR 172/90; OLG Hamm, Urt. v. 04.03.2016, I – 9 U 77/15).
37Hier schenkt das Gericht den Ausführungen der Klägerin anlässlich ihrer Anhörung im Termin deutlich mehr Glauben als den Ausführungen der Beklagten, die sich anlässlich ihrer Anhörung in Widersprüche verwickelt hat. Dies gilt zum Einen für den Widerspruch zwischen der Dokumentation zum Anlass für die Beratung und den Angaben der Beklagten hierzu. Dies gilt des Weiteren für den anfänglichen schriftsätzlichen Sachvortrag der Beklagten, die Klägerin habe bei Vertragsschluss Unterlagen in Papierform erhalten, den sie im Nachhinein schriftsätzlich dahingehend hat korrigieren müssen, dass die Klägerin nur eine CD-ROM erhalten hat. Dies gilt zudem für die mündliche Erklärung der Beklagten anlässlich ihrer persönlichen Anhörung, dass für die Klägerin das Formular Anlage BLD 13 ausgedruckt worden sei, wie sie glaube, mit dem Drucker des Zeugen X, den dieser mitnehme, wohingegen der Zeuge X bekudnet hat, er habe „zu 99 Prozent“ keinen Drucker dabei gehabt.All dies vermittelt dem Gericht den Eindruck, dass es die Beklagte mit der Wahrheit nicht allzu genau nimmt, sondern versucht hat, auf Fragen so zweckdienlich wie möglich zu antworten.
38Vor diesem Hintergrund glaubt das Gericht der Beklagten auch nicht, dass sie die Klägerin auf den Verlust von Steuervorteilen bei einer vorzeitigen Beendigung des Altvertrages hingewiesen haben will. Die Beklagte hat zwar erläutert, sie habe der Kundin auch erklärt, dass die Auszahlung des gekündigten Vertrages steuerpflichtig sei. Diese Äußerung ist jedoch relativ kurz gehalten, inhaltlich „blass“ und wenig überzeugend vermittelt worden.
39Dem stehen die Angaben der Klägerin gegenüber, die sich gerade zu diesem Punkt sehr viel deutlicher, anschaulicher und lebensnäher erklärt hat. Die Klägerin hat unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie den alten Vertrag nicht gekündigt hätte, wenn sie gewusst hätte, dass sie durch die vorzeitige Vertragsbeendigung Steuervorteile verlieren würde. Sie hat dies sogar dahingehend bekräftigt, dass sie ausschließen könne, dass sie darauf hingewiesen worden sei. Dies konnte die Klägerin nachvollziehbar damit begründen, dass sie „mit den Steuern ein gebranntes Kind“ sei und die jährliche Fertigung der Steuererklärung hasse. Aus diesem Grunde wäre es ihr sicherlich aufgefallen, wenn die Beklagte etwas von Steuern erklärt hätte. Diese Schilderung der Klägerin war so anschaulich und wirkte so authentisch, dass das Gericht der Klägerin Glauben schenkt.
40Es kommt hinzu, dass der Zeuge X, der an dem Beratungsgespräch teilgenommen hat, sich wohl dazu äußern konnte, dass die Erträge aus dem Altvertrag „per 2016“ steuerbegünstigt gewesen seien, und bei vorzeitiger Kündigung nicht. Der Zeuge X konnte allerdings nichts dazu sagen, ob die Klägerin darauf hingewiesen worden ist, dass die Steuerbegünstigung bei vorzeitiger Vertragsbeendigung entfällt. Dies verwundert. Denn der Zeuge hat von sich aus erklärt, dass der Altvertrag „per 2016“ steuerbegünstigt gewesen sei, konnte sich also sogar an ein Detail, die Jahresangabe 2016, erinnern. Weshalb er sich dann nicht mit diesem Komplex zusammenhängende Frage, ob über steuerliche Nachteile einer vorzeitigen Vertragsbeendigung aufgeklärt wurde, nicht konkret erinnern konnte, ist nicht ganz deutlich geworden. Auch diese Erinnerungslücke des Zeugen X indiziert, dass die Erklärung der Klägerin einen größeren Wahrheitsgehalt hat als die Angaben der Beklagten.
41Das Gericht geht daher davon aus, dass die Beklagte über den wesentlichen Umstand der Steuernachteile bei vorzeitiger Beendigung des Altvertrages nicht aufgeklärt und damit die ihr obliegende Beratungspflicht verletzt hat. Umstände, aus denen sich ergäbe, dass sie diese Pflichtverletzung nicht zu vertreten hätte, sind nicht dargetan.
42Im Übrigen glaubt das Gericht der Klägerin auch, dass ihr nicht bewusst war, dass monatlich 750,- Euro bis zum Ende der Vertragslaufzeit zu zahlen sind. Bei der Schilderung, dass ihr dies erst nachträglich klar gemacht wurde, wirkte sie authentisch. Authentisch wirkten auch die Angaben dazu, wie die Beklagte durch Gespräche über persönliche Angelegenheiten das Vertrauen der Klägerin erworben hatte und dieses schließlich dazu benutzt hat, der Klägerin eigeninitiativ ein Versicherungsprodukt vorzustellen, für das die Klägerin mangels Ablaufs ihres bestehenden Versicherungsvertrages jedenfalls vor Ablauf des 01.12.2016 offensichtlich keinen Bedarf hatte und das für sie mit einem konkreten Nachteil verbunden war. Es spricht hier Einiges dafür, dass der von der Beklagten iniitierte Vertragswechsel nicht den pekuniären Zwecken der Klägerin, sondern denen der Beklagten zu dienen bestimmt war.
43Die Beklagte hat daher den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Das Gericht folgt dem Berechnungsansatz der Klägerin. Die Einwendungen der Beklagten greifen nicht durch.Die Klägerin hat sich dazu erklärt, dass sie aus der Neuanlage des nach Kündigung des Neuvertrages erhaltenen Geldes keinen derzeit absehbaren Vorteil habe erzielen können. Diese Erklärung mag für den derzeitigen Sach-und Streitstand ausreichen. Ob insoweit zu einem späteren Zeitpunkt, wenn zu klären ist, ob die Beklagte im Hinblick auf den Feststellungsantrag zu weiteren Zahlungen verpflichtet sein wird, ggf. dann auf diesen Zeitpunkt bezogen abschließend weitere Berechnungen aufgrund noch vorzulegender weiterer Unterlagen zu erfolgen haben, bedarf derzeit keiner abschließenden Entscheidung.
44Dass die Klägerin Steuervorteile aufgrund des Vertragswechsels erzielt habe, wird von der Beklagten lediglich vermutet und nicht hinreichend konkretisiert.
45Der Zinsanspruch ergibt sich aus Verzug. Der Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten folgt aus § 280 BGB.
46Im Hinblick darauf, dass sich derzeit noch nicht feststellen lässt, ob und ggf. in welcher Höhe die Klägerin zum 01.12.2016 von einer Überschussbeteiligung profititiert hätte, ist auch der Feststellungsantrag zulässig und begründet.
47Das Gericht hat diesen Antrag lediglich zur Verdeutlichung des maßgeblichen Inhalts unter inhaltlicher Berücksichtigung des Klägervobringens inhaltlich klarstellend gefasst.
48Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
49Die Schriftsätze der Beklagten vom 27.06. und 04.07.2016 gaben keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Hinsichtlich etwaiger Steuervorteile der Klägerin enthält der Sachvortrag im Wesentlichen Vermutungen. Die in den vorgenannten Schriftsätzen geäußerten Rechtsauffassungen haben es nicht erfordert, der Klägerin hierzu vor der Endentscheidung noch Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen.
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(1) Der Versicherungsvermittler hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags nach § 62 zu dokumentieren.
(2) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung oder die Dokumentation nach Absatz 1 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherungsvermittler ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf die Möglichkeit des Versicherungsnehmers auswirken kann, gegen den Versicherungsvermittler einen Schadensersatzanspruch nach § 63 geltend zu machen. Handelt es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinn des § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs, kann der Versicherungsnehmer in Textform verzichten.
(1) Der Versicherungsvermittler hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags nach § 62 zu dokumentieren.
(2) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung oder die Dokumentation nach Absatz 1 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherungsvermittler ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf die Möglichkeit des Versicherungsnehmers auswirken kann, gegen den Versicherungsvermittler einen Schadensersatzanspruch nach § 63 geltend zu machen. Handelt es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinn des § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs, kann der Versicherungsnehmer in Textform verzichten.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
- Die Kläger nehmen die Beklagten unter dem Vorwurf der Verletzung von Hinweis- und Beratungspflichten im Zusammenhang mit der Kündigung eines bestehenden und dem Abschluss eines neuen Lebensversicherungsvertrags auf Schadensersatz in Anspruch.
- 2
- Die Beklagten sind selbständige Versicherungsvertreter und als solche für die D. V. AG tätig. Die Beklagte zu 1 überprüfte Anfang des Jahres 2011 den für die Kläger bestehenden Versicherungsschutz.
- 3
- Die Kläger haben geltend gemacht, die Beklagten hätten sie fehlerhaft beraten, indem sie nicht auf die Nachteile einer Kündigung der bestehenden und des Abschlusses einer neuen Lebensversicherung hingewiesen hätten, nämlich den zwischenzeitlichen Wegfall der Steuerfreiheit, das höhere Eintrittsalter mit höheren Prämien, den erneuten Anfall von Abschlusskosten und einen geringeren Garantiezins. Die Kläger sind der Auffassung, die Beklagten hätten eine ordnungsgemäße Beratung zu beweisen. Der ihnen, den Klägern, entstandene Schaden, bemesse sich nach der Differenz der Kosten und Erträge der alten und der neuen Lebensversicherung.
- 4
- Die Beklagten haben ihre Passivlegitimation bestritten und behauptet, die Kläger hätten die alte Lebensversicherung unbedingt beenden wollen; die Beklagten hätten die Kläger auf die Folgen einer Kündigung der alten Lebensver- sicherung hingewiesen und ihnen geraten, diese ruhend (beitragsfrei) zu stellen.
- 5
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen eingelegte Berufung der Kläger durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
- 6
- Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
- 7
- Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Zwar komme entgegen der Ansicht des Landgerichts eine persönliche Haftung der Beklagten für etwaige Beratungsfehler gemäß § 63 Satz 1 VVG in Betracht. Das Landgericht sei aber zutreffend davon ausgegangen , dass die Kläger für ihre Behauptung, die Beklagten hätten sie fehlerhaft beraten, beweisfällig geblieben seien. Nach allgemeinen Grundsätzen treffe die Beweislast für die geltend gemachte objektive Pflichtverletzung nicht die Beklagten, sondern die Kläger als Anspruchsteller. Ihrer sekundären Darlegungslast hätten die Beklagten genügt, indem sie vorgetragen hätten, die Kläger dahin beraten zu haben, dass von der Kündigung der alten Lebensversiche- rung wegen der damit verbundenen Nachteile abgesehen und diese lediglich beitragsfrei gestellt werden solle.
II.
- 8
- 1. Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Das Berufungsgericht hat erhebliches Vorbringen der Kläger nicht beachtet und in rechtlicher Hinsicht übersehen , dass sich aus einer Verletzung der Dokumentationspflicht des Versicherungsvertreters nach §§ 61, 62 VVG Beweiserleichterungen bis hin zu einer Beweislastumkehr ergeben können.
- 9
- a) Zu Recht hat das Berufungsgericht als Anspruchsgrundlage auf § 63 VVG abgestellt. Seit dem 22. Mai 2007 gelten für die Haftung des Versicherungsvermittlers (Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler, § 59 Abs. 1 VVG) wegen der Verletzung von Pflichten in der Phase bis zum Abschluss des Versicherungsvertrags vorrangig die speziellen Regelungen des Versicherungsvertragsgesetzes (s. etwa OLG Karlsruhe, VersR 2012, 856, 857; OLG Saarbrücken, VersR 2010, 1181, 1182; OLG Hamm, VersR 2010, 1215; MünchKommVVG/Reiff, § 63 Rn. 22 ff, 34 ff; Prölss/Martin/Dörner, VVG, 28. Aufl., § 63 Rn. 1 ff). Diese waren zunächst in §§ 42a ff, 42e VVG (aF) enthalten (Art. 2 Nr. 1 und Art. 4 Satz 3 des Gesetzes zur Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechts vom 19. Dezember 2006, BGBl. I S. 3232) und finden sich seit dem 1. Januar 2008 - inhaltlich unverändert - in den §§ 59 ff, 63 VVG (Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23. November 2007, BGBl. I S. 2631; s. Art. 1 Abs. 1 und 2 EGVVG).
- 10
- b) Die als selbständige Versicherungsvertreter für die D. V. AG tätigen Beklagten sind der Haftung nach § 63 VVG unterworfen. Unter den Anwendungsbereich der §§ 59 ff, § 63 VVG fallen gemäß § 59 Abs. 2 VVG auch solche Versicherungsvertreter, die nicht vom Versicherer selbst, sondern von einem anderen Versicherungsvertreter (hier: D. V. AG) als Untervertreter damit betraut sind, gewerbsmäßig Versicherungsverträge zu vermitteln oder abzuschließen (s. dazu etwa MünchKommVVG /Reiff, § 59 Rn. 38 f). Für das Vorliegen einer Ausnahme nach § 66 VVG in Verbindung mit § 34d Abs. 9 Nr. 1 GewO (sogenannte Bagatellvermittler ) ist kein Anhaltspunkt vorgetragen oder sonst ersichtlich.
- 11
- c) Zutreffend hat das Berufungsgericht unter Zugrundelegung des Vorbringens der Kläger eine Pflichtverletzung der Beklagten in Betracht gezogen.
- 12
- Gemäß § 61 Abs. 1 VVG hat der Versicherungsvermittler den Versicherungsnehmer , soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben und dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags zu dokumentieren. Bei einer Kapitallebensversicherung handelt es sich regelmäßig - so auch hier - um einen komplizierten und damit auch besonders beratungsbedürftigen Versicherungsvertrag (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechts, BT-Drucks. 16/1935 S. 24; LG Saarbrücken, VersR 2013, 759, 760; MünchKommVVG/Reiff, § 61 Rn. 6). Der Versicherungsvermittler (hier: Versicherungsvertreter) muss seinen Kunden insbesondere auf die Folgen und Risiken der vorzeitigen Kündigung einer bestehenden und des Abschlusses einer neuen Lebensversicherung hinweisen (vgl. OLG Stuttgart , BeckRS 2011, 02562 mwN; OLG Karlsruhe aaO S. 858 mwN [für Versicherungsmakler ]; OLG Saarbrücken, VersR 2011, 1441, 1443 [für Versicherungsmakler ]; OLG München, VersR 2012, 1292, 1293 [für Krankenversicherung ]; Prölss/Martin/Dörner aaO § 61 Rn. 27 mwN; MünchKommVVG/Reiff, § 61 Rn. 11).
- 13
- Sollten die Beklagten die Kläger nicht auf die negativen Folgen einer Kündigung der alten - für die Kläger günstigen - Kapitallebensversicherung hingewiesen haben, so hätten sie ihre Beratungspflicht verletzt.
- 14
- d) Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Kläger seien für den von ihnen geltend gemachten Beratungsfehler beweisfällig geblieben, ist allerdings von Rechtsfehlern beeinflusst.
- 15
- aa) Im Ansatz zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass grundsätzlich der den Schadensersatz begehrende Kunde (Versicherungsnehmer ) darlegen und beweisen muss, dass der Versicherungsvermittler seine Beratungspflicht verletzt hat, wobei den Versicherungsvermittler eine sekundäre Darlegungslast trifft (Senatsurteil vom 25. September 2014 - III ZR 440/13, BeckRS 2014, 19132 Rn. 34 mwN).
- 16
- bb) Das Berufungsgericht hat jedoch verkannt, dass sich die Kläger unter anderem auch darauf berufen haben, dass die Beklagten die Beratung nicht dokumentiert hätten, und dass sich hieraus Folgen für die Beweislastverteilung ergeben können.
- 17
- (1) Die Kläger haben unwidersprochen vorgetragen, dass es kein Protokoll und keine Auflistung über alle wesentlichen leistungs- und beitragsrelevanten Unterschiede der bestehenden und der angebotenen Versicherung gebe, und geltend gemacht, dass hieraus die Beweisbelastung der Beklagten folge (Berufungsbegründung vom 21. Mai 2013, Seite 9 [GA II 236]). Dieses - unstreitige - Vorbringen, das in der Sache dahin geht, dass es an einer Dokumentation über die Beratung durch die Beklagten fehle, hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt.
- 18
- (2) Dieser Vortrag ist entscheidungserheblich. Die Nichtbeachtung der Dokumentationspflicht des Versicherungsvermittlers nach § 61 Abs. 1 Satz 2, § 62 VVG kann Beweiserleichterungen zugunsten des Versicherungsnehmers bis hin zu einer Beweislastumkehr nach sich ziehen (Senatsurteil vom 25. September 2014 aaO mwN; s. auch BT-Drucks. 16/1935 S. 26). Die Funktion der vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Dokumentationspflicht liegt vornehmlich darin, dass der Versicherungsnehmer mit einer Beratungsdokumentation die wesentlichen Inhalte der Beratung vor Augen geführt und an die Hand bekommt ; hierdurch wird er in die Lage versetzt, seine Entscheidung des Näheren zu überprüfen und den ihm sonst kaum möglichen Nachweis über den Inhalt der Beratung zu führen. Wird ihm diese Nachweismöglichkeit durch das Fehlen einer Dokumentation abgeschnitten, so hat dies zu seinen Gunsten Auswirkungen auf die Verteilung der Beweislast. Ist ein erforderlicher Hinweis von wesentlicher Bedeutung - wie er auch hier in Rede steht - nicht, auch nicht im Ansatz, dokumentiert worden, so muss grundsätzlich der Versicherungsvermittler beweisen , dass dieser Hinweis erteilt worden ist (vgl. OLG München, VersR 2012, 1292, 1293; OLG Saarbrücken, VersR 2011, 1441, 1443 und VersR 2010, 1181, 1182; MünchKommVVG/Reiff, § 63 Rn. 49). Gelingt ihm dieser Beweis nicht, so ist zugunsten des Versicherungsnehmers davon auszugehen, dass der betreffende Hinweis nicht erteilt worden ist, der Versicherungsvermittler mithin pflichtwidrig gehandelt hat.
- 19
- 2. Hiernach kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil die Sache noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO). Das Berufungsgericht wird unter Beachtung der beweisrechtlichen Folgen einer Verletzung der Dokumentationspflicht der Beklagten erneut zu prüfen haben, ob eine Pflichtverletzung der Beklagten vorliegt und ob und inwieweit das Schadensersatzbegehren der Kläger begründet ist.
Remmert Reiter
Vorinstanzen:
LG Ulm, Entscheidung vom 08.02.2013 - 2 O 287/12 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 22.11.2013 - 7 U 119/13 -
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Streitwertfestsetzung im Senatsbeschluss vom 11. April 2005 wird als unzulässig verworfen.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
- 1
1. Die Beschwerde ist unzulässig und - da kein Beschwerderechtszug gegeben ist (§ 567 Abs. 1 ZPO; vgl. auch Zöller/Gummer, 25. Auflage, § 567 ZPO Rdnr. 38) - vom Senat selbst als „Erstgericht“ zu verwerfen (vgl. a.a.O. § 572 Rdnr. 6 m.w.N.).
- 2
2. Eine Änderung des Streitwertbeschlusses von Amts wegen nach § 63 Abs. 3 GKG scheidet aus. Der Streitwert wird durch eine nur einseitig gebliebene Erledigungserklärung nicht verändert. Der Senat schließt sich den überzeugenden Erwägungen des 4. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinische Oberlandesgerichts im Beschluss vom 2. Februar 2004 - 4 U 47/03 (SchlHA 2005, 92 f. = OLGR 2004, 342 m.w.N. auch zur Gegenauffassung) an. An seiner dem entgegenstehenden früheren - grundsätzlich auf das Kosteninteresse abstellenden - Rechtsprechung (vgl. SchlHA 1999, 134 f.) hält der Senat nicht weiter fest. Das Argument, bei einseitiger Erledigungserklärung sei über die Zulässigkeit und Begründetheit der ursprünglichen Klage lediglich als Vorfrage der Erledigung zu entscheiden (a.a.O.), beachtet nicht hinreichend den Inhalt des Erledigungsbegehrens, das bei exakter Ausformulierung auf die Feststellung gerichtet ist, die zunächst zulässige und begründete Klage sei infolge des erledigenden Ereignisses unzulässig bzw. unbegründet geworden. Demgemäß erwächst auch der Ausspruch über den Inhalt des Feststellungsbegehrens in Rechtskraft, was etwa bedeutsam wird, wenn die Parteien nachträglich über das Behaltendürfen einer zur Erfüllung eines Klageanspruchs geleisteten Zahlung streiten, die als erledigendes Ereignis bewertet worden ist (vgl. OLG München NJW-RR 1996, 956 <957>). Im übrigen gilt es Folgendes zu beachten: Schließt sich der Beklagte der Erledigungserklärung nicht an, kann der Kläger dem Gericht die Entscheidung über Zulässigkeit und Begründetheit der Klage ebenso wenig entziehen, wie dies in der insoweit vergleichbaren Konstellation der Klagerücknahme nach Beginn der mündlichen Verhandlung ohne die erforderliche Zustimmung des Beklagten (§ 269 Abs. 1 ZPO) der Fall ist. Im einen wie im anderen Fall wird der Kläger (zumindest auch) an seinem ursprünglichen Interesse festgehalten (ähnlich OLG München a.a.O. <958> m.w.N.). Dem ist auch bei der Streitwertfestsetzung Rechnung zu tragen.
II.
- 3
Der Ausspruch über die Kosten beruht auf § 63 Abs. 3 GKG.
(1) Der Versicherungsvermittler hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags nach § 62 zu dokumentieren.
(2) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung oder die Dokumentation nach Absatz 1 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherungsvermittler ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf die Möglichkeit des Versicherungsnehmers auswirken kann, gegen den Versicherungsvermittler einen Schadensersatzanspruch nach § 63 geltend zu machen. Handelt es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinn des § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs, kann der Versicherungsnehmer in Textform verzichten.
(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten, so sieht das Gericht von der Anordnung ihres Erscheinens ab.
(2) Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; der Zustellung bedarf die Ladung nicht.
(3) Bleibt die Partei im Termin aus, so kann gegen sie Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Beklagten tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Streitwert: 74.137,32
Gründe:
Einer Zulassung der Revision bedarf es nicht. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats (§ 543 Abs 2 Satz 1 ZPO).
1. Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit dem Landgericht auf der Grundlage der erstinstanzlichen Beweisaufnahme für erwiesen angesehen,
daß spätestens bei der Besichtigung des Grundstücks am 24. September 1998 ein Maklervertrag zwischen den Parteien zustande gekommen ist. Es hat sich dabei auf die Aussage des Zeugen B. gestützt, der dies vor dem Landgericht bestätigt hat. Hiergegen erhebt die Beschwerde die Verfahrensrüge, die Vorinstanzen hätten dem Antrag der Beklagten, gegenbeweislich den Beklagten zu 2 als Partei zu vernehmen, hilfsweise anzuhören, stattgeben müssen. Indem sie dies unterlassen hätten, hätten sie gegen das Verfahrensgrundrecht der Beklagten auf Gewährung des rechtlichen Gehörs verstoßen. Die Beschwerde bezieht sich insoweit auf die neuere Rechtsprechung zur Waffengleichheit bei Vier-Augen-Gesprächen, die im Anschluß an die Entscheidung des EGMR NJW 1995, 1413, ergangen ist, insbesondere BVerfG NJW 2001, 2531; BGH, Urteile vom 16. Juli 1998 (I ZR 32/96 = NJW 1999, 363) und vom 7. Oktober 1997 (VI ZR 144/96 = NJW 1998, 307). Damit kann sie jedoch keinen Erfolg haben.
2. Allerdings mag zu ihren Gunsten davon ausgegangen werden, daß der entscheidende Teil jener Besprechung, die Provisionsforderung und -zusage, unter vier Augen, nämlich zwischen dem Beklagten zu 2 und dem Zeugen B. , stattgefunden hat. Insoweit konnte es sich also in der Tat um die Konstellation gehandelt haben, daß der Verhandlungsführer der Klägerin uneingeschränkt als Zeuge zur Verfügung stand, während die Beklagten lediglich auf den Beklagten zu 2 verweisen konnten. Dies stellt in einem späteren Gerichtsverfahren eine Benachteiligung dar, die im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 448 ZPO berücksichtigt werden kann. Dabei kann offenbleiben, ob es geboten ist, in einem solchen Fall einer Anregung zur Parteivernehmung nachzukommen. Denn dem Grundsatz der Waffengleichheit kann auch dadurch genügt werden, daß die durch ihre prozessuale Stellung bei der Aufklä-
rung des Vier-Augen-Gesprächs benachteiligte Partei nach § 141 ZPO persönlich angehört wird. Das Gericht ist nicht gehindert, einer solchen Parteierklärung den Vorzug vor den Bekundungen eines Zeugen zu geben (BGH, Urteil vom 16. Juli 1998 aaO). Damit hat der Bundesgerichtshof die Anforderungen an die Zulässigkeit der Parteivernehmung abgesenkt, ohne auf die Notwendigkeit der Anfangswahrscheinlichkeit (des "Anbewiesenseins") ausdrücklich zu verzichten, und hat den Anwendungsbereich und Beweiswert einer Parteianhörung erweitert (BVerfG aaO S. 2532 m.w.N.). Dies nützt den Beklagten im vorliegenden Fall indessen nichts. Denn das Berufungsgericht hat in rechtsfehlerfreier tatrichterlicher Würdigung auch die Reaktion der Beklagten auf die beiden Schreiben der Klägerin vom 5. und 14. Oktober 1998, nämlich daß sie der darin erhobenen Provisionsforderung mit keinem Worte widersprochen hatten, als Indiz für die Richtigkeit der Angaben des Zeugen B. gewertet. Daß die Provisionsforderung der Klägerin in Höhe von 5 v.H. von vornherein "im Raum stand", wird auch durch den in der ersten Instanz weiter vernommenen Zeugen Be. bestätigt, der keineswegs einseitig dem Lager der Klägerin, sondern eher demjenigen der Beklagten zuzuordnen ist. Zwar hat Be. seine Aussage durch eine privatschriftliche Erklärung zur Vorlage beim Berufungsgericht abzuschwächen versucht, das betrifft aber nicht diesen zentralen Punkt.
3. Liegen aber sonstige Beweismittel und Indizien vor, die die der Gegenseite günstige Zeugenaussage objektiv stützen, so entfällt die Notwendigkeit einer formellen Vernehmung oder auch nur einer zu protokollierenden Anhörung der benachteiligten Partei. Um so mehr gilt dies, als keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, daß etwa der Beklagte zu 2 gehindert gewesen wäre, in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 29. Oktober 1999, bei der er persönlich anwesend war, seine Sicht der Dinge zu schildern.
Dasselbe gilt für die mündliche Berufungsverhandlung vom 17. Oktober 2002, wo zwar sein persönliches Erscheinen nicht angeordnet war, er aber gleichwohl Gelegenheit gehabt hätte, diejenigen Erklärungen abzugeben, die aus seiner Sicht zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlich waren.
4. Richtig ist, daß das Berufungsgericht sich mit den Anträgen auf Parteivernehmung oder -anhörung in den Urteilsgründen nicht näher auseinandergesetzt hat, soweit sie das Zustandekommen des Maklervertrages betreffen. Gleichwohl ist dem Urteil mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß und aus welchen Gründen das Berufungsgericht die Aussage des Zeugen B. für glaubhaft gehalten hat und damit inzidenter, wieso es auf eine förmliche Vernehmung oder Anhörung des Beklagten zu 2 glaubte verzichten zu können.
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(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.