Landgericht Essen Urteil, 18. Aug. 2016 - 10 S 9/16

Gericht
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Essen vom 27.11.2015 – 15 C 708/14 – aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, die Wohnung im 1. Geschoss des Hauses F-Straße …, … F1, bestehend aus drei Zimmern, Küche, Diele, Bad mit Toilette, Balkon, Abstellraum und Kellerraum geräumt an den Kläger herauszugeben.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 887,03 € zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß den §§ 540 II, 313a I 1 ZPO abgesehen. Ein Rechtsmittel ist gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig.
4Die Kammer lässt die Revision nicht zu.
5Die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 ZPO ist gemäß § 26 Nr. 8, S. 1 ZPOEG unzulässig, da der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer einen Betrag von 20.000,00 Euro nicht übersteigt.
6II.
7Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.
8Das Amtsgericht würdigte die von ihm – zutreffend – getroffenen Feststellungen dahingehend, dass die unstreitigen Vertragsverletzungen der Beklagten, im Wesentlichen also der verschiedentlich aufgetretene Zahlungsrückstand, weder eine außerordentliche fristlose Kündigung noch eine ordentliche Kündigung rechtfertige. Dabei stellte es zugunsten der Beklagten hauptsächlich auf die lange Dauer des Mietverhältnisses (17 Jahre), in der es bis vor wenigen Jahren zu keinen Zahlungsrückständen gekommen war, sowie auf das Alter der Beklagten (71 Jahre) ab. Demgegenüber stellten sich die Zahlungsverzögerungen als geringfügige Störung des Mietverhältnisses dar, da die Rückstände jeweils nicht lange bestanden und alle ausgeglichen wurden.
9Die Kammer dagegen ist der Ansicht, dass die Zahlungsverzögerungen jedenfalls eine ordentliche Kündigung begründen.
10Zum einen ist das Alter der Beklagten aus Sicht der Kammer in die Abwägung nur mit geringem Gewicht einzustellen. Die Beklagte ist durchaus noch rüstig. Es besteht kein Anlass, davon auszugehen, dass sie sich in ihrem Lebensabend befindet, und ein Umzug sie vor besondere Probleme stellen würde. Die Beklagte selbst gab auch an, sich einen Umzug durchaus vorstellen zu können, sie suche nur eine „angemessene“ Wohnung.
11Richtig ist, dass das Mietverhältnis bereits – weitgehend störungsfrei – relativ lange andauert, was die Anforderung an einen Kündigungsgrund stark erhöht.
12Allerdings ist die Verfehlung der Beklagten auch gewichtig. Sie ist zweimal anlassbezogen angemahnt worden, Zahlungen pünktlich zu leisten. Mehrfach musste der Kläger gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen, um eine vollständige Zahlung zu erreichen. Die Vertragsverletzungen der Beklagten durch die nicht volle Zahlung der Miete sind im Einzelfall nicht schwerwiegend, die Häufigkeit und Hartnäckigkeit, mit der die Beklagte den Kläger Zahlungen vorenthalten hat – insgesamt fünf Gruppen von Zu-Niedrig-Zahlung: Nichtzahlung der Nebenkosten-Nachforderung im Mai 2013, Nicht-Zahlung der erhöhten Nebenkosten-Vorauszahlungen im Juli 2013, Unberechtigte Minderung im Oktober 2013, Nicht-Zahlung der Nebenkosten-Nachzahlung im Mai 2014 trotz zwischenzeitlich erfolgter Abmahnung wegen verzögerter Zahlung, und schließlich Nicht-Zahlung der Mieterhöhung nach Modernisierungsmaßnahmen ab August 2014 trotz weiterer zwischenzeitlich erfolgter Abmahnung – stellen jedoch insgesamt einen schwerwiegenden Grund dar. Für den Kläger erwiesen sich die Zahlungsverzögerungen als äußerst lästig. Gleichzeitig ist nicht ersichtlich, warum die Beklagte die Miete nicht jeweils in voller Höhe zahlte. Ihre Ausführungen hierzu, sie habe sich auf ihren früheren Rechtsanwalt verlassen, dieser habe sie aber nicht informiert, überzeugen nicht, da die Beklagte auch direkt Schreiben der jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers erhielt, aus denen sich der – unstreitige – Zahlungsrückstand ergab, ohne, dass die Beklagte hierauf reagiert hätte. Jedenfalls hatte die Beklagte es in der Hand, spätestens nach der zweiten Abmahnung stets pünktlich zu zahlen. Dennoch hat es nach der zweiten Mahnung nicht einmal zwei Monate gedauert, bis die Beklagte erneut nicht die volle Miete zahlte. Erst nach Klageerhebung zahlte sie dann die 45,68 €, die auch nach ihrer Ansicht wegen der Modernisierungsmaßnahmen zu zahlen war, für drei Monate nach, in denen sie diese Zahlung nicht geleistet hatte.
13Unter diesen Umständen ist dem Kläger nicht zuzumuten gewesen, mit der Beklagten weiterhin als seine Mieterin verbunden zu bleiben.
14Zumindest die ordentliche Kündigung ist erfolgreich.
15Die Kündigungsfrist ist längst abgelaufen.
16Eine Räumungsfrist war nicht zu gewähren. Die Beklagte musste sich bereits seit Klageerhebung sicherheitshalber nach alternativem Wohnraum umsehen. Allerspätestens seit der mündlichen Verhandlung musste sie fest davon ausgehen, dass sie zur Räumung verurteilt werden wird. Soweit die Beklagte sich bislang nicht ernsthaft nach einer Ersatzwohnung umgesehen hat - in der mündlichen Verhandlung hat die Kammer den Eindruck gewonnen, dass bei der Beklagten keine wirkliche Bereitschaft zum Umzug besteht, ihre Anforderungen an eine Ersatzwohnung sich vielmehr als unangemessen hoch darstellen – geht dies zu ihren Lasten.
17Da die Kündigungserklärung vom 06.11.2014 berechtigt war, und der Kläger ferner berechtigt war, sich zur Kündigung anwaltlicher Hilfe zu bedienen, hat die Beklagte dem Kläger auch die hierdurch entstandenen Kosten der Rechtsverfolgung in tenorierter Höhe zu erstatten.
18III.
19Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 I 1 ZPO.
20Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713, 711 ZPO.
21Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 II 1 ZPO nicht vorliegen.

Annotations
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
Für das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 gelten folgende Übergangsvorschriften:
- 1.
(weggefallen) - 2.
Für am 1. Januar 2002 anhängige Verfahren finden die §§ 23, 105 Abs. 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes und § 92 Abs. 2, §§ 128, 269 Abs. 3, §§ 278, 313a, 495a der Zivilprozessordnung sowie die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug vor dem Einzelrichter in der am 31. Dezember 2001 geltenden Fassung weiter Anwendung. Für das Ordnungsgeld gilt § 178 des Gerichtsverfassungsgesetzes in der am 31. Dezember 2001 geltenden Fassung, wenn der Beschluss, der es festsetzt, vor dem 1. Januar 2002 verkündet oder, soweit eine Verkündung nicht stattgefunden hat, der Geschäftsstelle übergeben worden ist. - 3.
Das Bundesministerium der Justiz gibt die nach § 115 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 vom Einkommen abzusetzenden Beträge für die Zeit vom 1. Januar 2002 bis zum 30. Juni 2002 neu bekannt. Die Prozesskostenhilfebekanntmachung 2001 ist insoweit nicht mehr anzuwenden. - 4.
Ist die Prozesskostenhilfe vor dem 1. Januar 2002 bewilligt worden, gilt § 115 Abs. 1 Satz 4 der Zivilprozessordnung für den Rechtszug in der im Zeitpunkt der Bewilligung geltenden Fassung weiter. - 5.
Für die Berufung gelten die am 31. Dezember 2001 geltenden Vorschriften weiter, wenn die mündliche Verhandlung, auf die das anzufechtende Urteil ergeht, vor dem 1. Januar 2002 geschlossen worden ist. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können. - 6.
§ 541 der Zivilprozessordnung in der am 31. Dezember 2001 geltenden Fassung ist nur noch anzuwenden, soweit nach Nummer 5 Satz 1 über die Berufung nach den bisherigen Vorschriften zu entscheiden ist, am 1. Januar 2002 Rechtsfragen zur Vorabentscheidung dem übergeordneten Oberlandesgericht oder dem Bundesgerichtshof vorliegen oder nach diesem Zeitpunkt noch vorzulegen sind. - 7.
Für die Revision gelten die am 31. Dezember 2001 geltenden Vorschriften weiter, wenn die mündliche Verhandlung auf die das anzufechtende Urteil ergeht, vor dem 1. Januar 2002 geschlossen worden ist. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können. - 8.
(weggefallen) - 9.
(weggefallen) - 10.
Für Beschwerden und für die Erinnerung finden die am 31. Dezember 2001 geltenden Vorschriften weiter Anwendung, wenn die anzufechtende Entscheidung vor dem 1. Januar 2002 verkündet oder, soweit eine Verkündung nicht stattgefunden hat, der Geschäftsstelle übergeben worden ist. - 11.
Soweit nach den Nummern 2 bis 5, 7 und 9 in der vor dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung Vorschriften weiter anzuwenden sind, die auf Geldbeträge in Deutscher Mark Bezug nehmen, sind diese Vorschriften vom 1. Januar 2002 an mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Beträge nach dem Umrechnungskurs 1 Euro = 1,95583 Deutsche Mark und den Rundungsregeln der Verordnung (EG) Nr. 1103/97 des Rates vom 17. Juni 1997 über bestimmte Vorschriften im Zusammenhang mit der Einführung des Euro (ABl. EG Nr. L 162 S. 1) in die Euro-Einheit umgerechnet werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.