Landgericht Essen Urteil, 09. Feb. 2015 - 1 O 212/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweilszu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Der Klägerin wurden am 26.03.2010 im Krankenhaus der Beklagten zu 1) beidseitig Silikonimplantate der Firma Q (Q1) im Rahmen einer Augmentationsplastik implantiert. Die Fa. Q1 hatte im fraglichen Zeitraum teilweise statt des zugelassenen Füllmaterials O ein Industriesilikon, das nur zur Verwendung auf Baustellen zugelassen war, zur Herstellung ihrer Implantate benutzt, um ihre Gewinnmarge zu maximieren.
3Die Beklagte zu 3) ist Herstellerin von Industriesilikon. Die Beklagte zu 2) fungierte für die Fa. Q1 im Rahmen des Konformitätsbewertungsverfahrens als sog. „benannte Stelle“ zur CE-Zertifizierung der Brustimplantate und nahm im Rahmen dessen regelmäßig Kontrollen auf dem Firmengelände vor. Die Beklagte zu 4) ist der französische Haftpflichtversicherer der nunmehr insolventen Fa. Q1.
4Vorgerichtlich forderte die Klägerin die Beklagten zur Schadensregulierung auf. Der Beklagten zu 2) und 3) setzte sie jeweils eine Frist bis zum 28.08.2012, der Beklagten zu 4) eine Frist zum 04.10.2012 und der Beklagten zu 1) eine Frist zum 12.11.2013.
5Die Klägerin behauptet, dass die bei ihr eingesetzten Implantate aufgrund ihrer Beschaffenheit einer erhöhten Rupturgefahr ausgesetzt seien. Durch das Industriesilikon bestehe ein erhöhtes Krebsrisiko, sowohl im Falle der Ruptur, als auch durch „Ausschwitzen“ des Silikons beim intakten Implantat. Letzteres könne auch zu Entzündungen, Hautgeschwülsten und sonstigen Veränderungen führen.
6Die Klägerin rügt die Aufklärung durch die Beklagte zu 1). Man hätte sie über die Herstellerfirma der Implantate aufklären müssen, dies sei erst kurz vor der Operation durch Dr. I erfolgt. Zum Zeitpunkt der Aufklärungsgespräche am 24.02.2010 und 25.03.2010 hätten schon Verdachtsmomente gegen die Fa. Q1 bestanden, die man der Klägerin hätte mitteilen müssen. Auch sei sie durch die behandelnden Ärzte nicht von der Durchsuchung des Firmengeländes der Fa. Q1 informiert worden.
7Das Verhalten der Beklagten zu 1) nach Bekanntwerden des Skandals sei nicht sachgerecht gewesen. Bereits bei der Nachuntersuchung habe Dr. I der Klägerin mitgeteilt, dass es „Ärger mit dem Implantat aus G“ gäbe. Dies zeige, dass die Beklagte zu 1) Kenntnis von der Minderwertigkeit des Implantats gehabt habe und bereit gewesen wäre, diese weiter in Körper zu verbauen bzw. zu belassen. Die Gefährlichkeit der Implantate sei durch die französischen Gesundheitsbehörden spätestens mit Schließung der Fa. Q1 am 29.03.2010 eindeutig festgestellt gewesen.
8Nach Bekanntwerden des „Q1-Skandals“ sei der Klägerin am 23.01.2012 dringend die Herausnahme der Implantate angeraten worden. Am 07.02.2012 sei die Wechseloperation durchgeführt worden, bei der die streitgegenständlichen Implantate ersetzt worden seien. Vom 06.02. bis 10.02.2012 sei die Klägerin hierfür stationär im Krankenhaus der Beklagten zu 1) gewesen. Für die Behandlungskosten habe die Klägerin anteilig 2.251,91 € gezahlt. Die Nachbehandlung ab dem 23.01.2012 ist zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) unstreitig.
9Die Klägerin meint, die Beklagte zu 2) sei haftbar, da sie als benannte Stelle im Sinne der Richtlinie 93/42/EWG und 2003/12/EG ihrer Prüfpflicht gegenüber der Fa. Q1 nicht ordnungsgemäß nachgekommen sei. Sie hätte unangemeldet oder wenigstens engmaschige Kontrollen bei der Fa. Q1 vornehmen müssen, insbesondere da im Jahre 2001 bereits eine Warnung der britischen Gesundheitsbehörde N vorgelegen habe. Diese habe zwar Hydrogen-Implantate betroffen, deren Zertifizierung im weiteren Verlauf von der Beklagten zu 2) versagt wurde; aufgrund der Unregelmäßigkeit hätte aber Anlass für unangekündigte Kontrollen bestanden.
10Die Beklagte zu 3) hafte, da sie ihre Produktbeobachtungspflicht vernachlässigt habe. Der Beklagten zu 3) habe der Fa. Q1 Industriesilikon geliefert, obwohl ihr bekannt gewesen sei, dass die Fa. Q1 vornehmlich Silikonimplantate herstellte. Die Beklagte zu 3) habe daher damit rechnen müssen, dass das gelieferte Silikon zweckwidrig verwandt werden würde. Dies gelte umso mehr, da andere Silikonhersteller die Belieferung von Herstellern von Implantaten kategorisch ablehnten.
11Die Haftung der Beklagten zu 4) ergäbe sich aus übergeleitetem Recht aus § 823 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 MPG. Hilfsweise stützt die Klägerin ihren Anspruch auf § 1 Abs. 1 ProdHaftG. Unter Berufung auf das Urteil der Audiencia Provincial de J (Az. …) meint die Klägerin, die Haftung sei auch nicht auf das französische Territorium beschränkt.
12Die Klägerin behauptet, sie habe nach der Erstoperation vom 26.03.2010 unter starken Schmerzen gelitten. Zudem habe sie psychisch sehr gelitten, da sie vor der Revisions-Operation vom 07.02.2012 in dem Bewusstsein habe leben müssen, gefährliche Stoffe im eigenen Körper zu tragen. Sie meint daher, ein Schmerzensgeld von mindestens 10.000 Euro sei angemessen.
13Die Klägerin beantragt,
14- 15
1. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an die Klägerin ein in das Ermessen des Gerichtes gestelltes Schmerzensgeld nebst 5 %-Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 29.08.2012 zu zahlen,
- 17
2. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, als Gesamtschuldner der Klägerin alle gegenwärtigen und künftigen materiellen sowie nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden aufgrund der am 26.03.2010 im Hause der Beklagten zu 1) implantierten Komponenten:
Q, REF: …, LOT: …, SN: …,
19Q, REF: …, LOT: …, SN: …,
20zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder sonstigen Dritten übergegangen sind;
21- 22
3. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an die Klägerin 2.251,91 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.08.2012 zu zahlen;
- 24
4. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an die Klägerin 1.827,84 € an außergerichtlichen Kosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
26die Klage abzuweisen.
27Die Beklagte zu 4) beantragt hilfsweise,
28den Rechtsstreit gegenüber der Beklagten zu 4) gem. Art. 28 Abs. 1 EuGVVO auszusetzen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in dem Rechtsstreit vor dem Berufungsgericht („Cour d’Appel“) von B unter dem Rubrum B1./. Rechtsanwalt M in dessen Eigenschaft als Mandataire Liquidataire der Gesellschaft Q1 S.A., gerichtliches Aktenzeichen …
29Die Beklagte zu 1) behauptet, die Klägerin sei ordnungsgemäß aufgeklärt worden. Zum Zeitpunkt der Erstimplantation habe die Beklagte zu 1) auf die Zertifizierung des U vertrauen dürfen. Es habe keinerlei Kenntnisse der Vorgänge um die Fa. Q1 bestanden. Der Skandal sei erst 2011 bekannt geworden, die Austauschempfehlung des BfArM sei dann Anfang 2012 ausgesprochen worden. Die Implantate der Klägerin seien bei Explantation noch intakt gewesen. Die Beklagte zu 1) bestreitet mit Nichtwissen, dass die Implantate der Klägerin tatsächlich solche waren, die mit minderwertigem Silikon befüllt waren.
30Die Beklagte zu 2) behauptet, sie habe keinerlei Hinweis auf die Verwendung minderwertigen Silikongels bei der Fa. Q1 gehabt, was auch durch die französischen Gesundheitsbehörden bestätigt worden sei. Die Fa. Q1 habe die Beklagte zu 2) über ihr Vorgehen getäuscht. Für die Genehmigung des Qualitätssicherungssystems im Rahmen des Konformitätverfahrens sei im Jahr 1997 erstmalig ein sog. Zertifizierungsaudit durchgeführt worden. In den Folgejahren seien regelmäßige Inspektionen und Re-Zertifizierungsaudits durchgeführt worden. Nachdem die Beklagte zu 2) Kenntnis des systematischen Betruges durch die Fa. Q1 erlangt habe, habe sie unverzüglich mit Schreiben vom 26.03.2010 das entsprechende Zertifikat ausgesetzt. Davor habe für die Beklagte zu 2) kein Anlass bestanden, unangekündigte Kontrollen bei der Fa. Q1 durchzuführen. Im Übrigen sei auch nicht gewiss, dass dadurch der Betrug aufgedeckt worden wäre.
31Die Beklagte zu 2) bestreitet die Verwendung von Industriesilikon in den Implantaten und eine Gesundheitsschädigung der Klägerin mit Nichtwissen. Das Silikon sei auch nicht gefährlicher als andere Silikone, so dass keine medizinische Indikation zum Austausch bestanden habe. Die Klägerin habe den Austausch aus ästhetischen Gründen vornehmen lassen, da bei ihr ein sog. „Wrinkling“ bestanden habe.
32Zudem erhebt die Beklagte zu 2) die Einrede der Verjährung. Die Klägerin hätte bereits im Jahr 2010 aufgrund der Berichterstattung in den Medien Kenntnis von den Vorgängen rund um die Implantate der Fa. Q1 haben müssen.
33Die Beklagte zu 3) behauptet, sie habe nie Lieferbeziehungen zur Fa. Q1 unterhalten und zu keinem Zeitpunkt Silikonöle an die Fa. Q1 geliefert. Darüber hinaus sei das Industriesilikon nicht gesundheitsgefährdend bzw. nicht gefährlicher als das für Medizinzwecke zugelassene Silikon. Der übrige Vortrag der Klägerin wird mit Nichtwissen bestritten. Insbesondere wird bestritten, dass die Klägerin mit Industriesilikon befüllte Implantate trug. Die Beklagte zu 3) meint zudem, eine Produktbeobachtungspflicht könne schon deswegen nicht angenommen werden, da es sich bei der Lieferung von Silikon nicht um das „Inverkehrbringen“ eines Produktes handle, wie für diese Pflicht erforderlich wäre.
34Die Beklagte zu 4) meint, sie sei nicht einstandspflichtig, da sich der Versicherungsschutz ausschließlich auf Schadensfälle innerhalb des französischen Territoriums beschränke. Im Übrigen sei der Versicherungsschutz wegen arglistiger Täuschung ihrer Versicherungsnehmerin Q1 ohnehin nicht gegeben. Denn die Fa. Q1 habe in den Fragebögen zum Abschluss der Versicherung angegeben, Implantate mit CE-Zertifizierung zu vertreiben. Tatsächlich habe sie aber nicht (nur) die zugelassenen Implantate auf den Markt gebracht, sondern habe auch Implantate mit nicht zugelassenem Silikongel vermarktet und sich dabei auf die CE-Zertifizierung berufen, die für die zugelassenen Implantate ausgestellt worden seien. Zudem habe die Fa. Q1 die Beklagte zu 4) über die Anzahl der Reklamationen getäuscht.
35Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
36Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. T (Bl. 425 ff. GA), das dieser in der mündlichen Verhandlung ergänzend erläutert hat. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 09.02.2015 (Bl. 651 ff. GA) verwiesen.
37Entscheidungsgründe
38Die Klage ist unbegründet.
39Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu.
40Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte zu 1). Der Beklagten zu 1) können weder haftungsbegründende Behandlungs- noch Aufklärungsfehler vorgeworfen werden.
41Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn der Arzt im konkreten Fall unter Einsatz der von ihm zu erwartenden und zu fordernden medizinischen Kenntnisse und Erfahrungen eine nicht vertretbare Entscheidung über diagnostische oder therapeutische Maßnahmen getroffen oder diese nicht sorgfältig durchgeführt hat, also dem Standard eines Facharztes nicht genügt (vgl. BGH NJW 1996, 779, 780; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, 6. Auflage, X Rn. 3 ff; Hager, in: Staudinger, § 823 Rn. 18a).
42Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
43Bei der Beurteilung der medizinischen Fragen folgt die Kammer den überzeugenden wie nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. T. An der fachlichen Qualifikation des Sachverständigen zur Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes bestehen keine Zweifel. Er verfügt sowohl über fundierte theoretische Kenntnisse als auch über umfassende praktische Erfahrung und ist der Kammer aus einer Vielzahl von „Q1“-Verfahren bekannt. Im Termin hat der Sachverständige die Überzeugungskraft seiner schriftlichen Ausführungen zusätzlich durch nachvollziehbare mündliche Erläuterungen verstärkt.
44Es war kein Behandlungsfehler, dass der Klägerin am 26.03.2010 Brustimplantate der Fa. Q1 eingesetzt wurden.
45Die behandelnden Ärzte der Beklagten zu 1) durften sich auf die bestehende CE-Zertifizierung der verwandten Implantate verlassen. Bei Medizinprodukten, die von Kliniken und Ärzten nicht selbst hergestellt werden (können), kann eine Qualitätskontrolle durch den Arzt – abgesehen von einer Sichtprüfung – nicht vorgenommen werden. Er ist darauf angewiesen, sich auf Prüfsiegel wie das CE-Kennzeichen zu verlassen.
46Erst am 01.4.2010 gab es eine Pressemitteilung des BfArM, mit der von der Entscheidung der französischen Gesundheitsbehörde, die Implantate der Fa. Q1 vom Markt zu nehmen berichtet wurde. Zwar hat es schon vor dem 01.04.2010 Hinweise auf die Schadhaftigkeit der Implantate gegeben. Allerdings waren die meisten Artikel auf Französisch, englische Artikel gab es nur spärlich. Erst mit der Pressemitteilung des BfArM vom 01.04.2010 gab es nach den Ausführungen des Sachverständigen genügend Substanz bzgl. der Unregelmäßigkeiten von Q1-Implantaten, um Ärzte in E zu veranlassen, vom Einsetzen der entsprechenden Implantate Abstand zu nehmen, bzw. die Patientinnen über Alternativen aufzuklären.
47Dass die Beklagte zu 1) und insb. die behandelnden Ärzte der Klägerin Kenntnis der Entwicklungen in G hatte und trotz dieser Kenntnis die Implantate der Fa. Q1 bei der Klägerin einsetzte, hat die Klägerin weder substantiiert behauptet, noch einen Beweis angetreten.
48Ein Aufklärungsversäumnis der Beklagten zu 1) kann ebenfalls nicht festgestellt werden. Der Klägerin musste mangels Kenntnis der Beklagten zu 1) von der Mangelhaftigkeit der Produkte der Fa. Q1 nicht über das Fabrikat der Implantate aufgeklärt werden. Ob die Beklagte zu 1) die Klägerin über Ermittlungstätigkeiten gegen die Fa. Q1 informieren musste, kann dahinstehen, da eine Kenntnis der Beklagten zu 1) von diesen Vorgängen nicht unterstellt werden kann.
49Gegen die Beklagte zu 2) hat die Klägerin ebenfalls keinen Anspruch.
50Vertragliche Beziehungen der Klägerin mit der Beklagten zu 2) bestehen nicht.
51Die Klägerin hat auch keinen Anspruch gegen die Beklagte zu 2) aus dem Vertrag der Beklagten zu 2) mit der Fa. Q1 über die Durchführung des Konformitätsbewertungsverfahrens nach § 6 MPG in Verbindung mit der Richtlinie 93/42/EWG vom 14.6.1993. Dies wäre nur dann der Fall, wenn es sich bei diesem Vertrag um einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter handeln würde, bei dem die Klägerin dergestalt in die Sorgfalts- und Obhutspflichten des Vertrags miteinbezogen wäre, dass sie aus diesem eigene Rechte herleiten könnte.
52Ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter kann nur unter engen Voraussetzungen angenommen werden, um die Haftung des Schuldners nicht unkalkulierbar auszudehnen (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 74. Auflage, § 328 Rz. 16). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt dies voraus, dass der Dritte mit der Hauptleistung nach dem Inhalt des Vertrags bestimmungsgemäß in Berührung kommen soll, ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten besteht, den Interessen des Schuldners durch Erkennbarkeit und Zumutbarkeit der Haftungserweiterung Rechnung getragen wird und der Dritte schutzbedürftig ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 2013 - III ZR 82/11 - Rz. 12 m.w.N., zitiert nach juris).
53Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
54Es fehlt schon an einem Willen der Fa. Q1 und der Beklagten zu 2), die Endkunden der Fa. Q1 in den Schutzbereich des Vertrages miteinzubeziehen.
55Das Konformitätsbewertungsverfahren, in dessen Rahmen die Beklagte zu 2) als benannte Stelle für die Fa. Q1 tätig geworden ist, zielt nicht darauf ab, die Qualität des Produktes festzustellen. Vielmehr geht es darum, gegenüber den zuständigen Behörden den Nachweis für die Freiverkehrsfähigkeit im europäischen Binnenmarkt zu ermöglichen. Die Dokumentation des Bewertungsverfahrens durch die benannte Stelle und die Ausstellung von Zertifikaten ist ein Teil des Nachweises, den der Hersteller gegenüber den zuständigen nationalen Behörden erbringen muss, um das Produkt mit der erforderlichen CE-Kennzeichnung versehen zu können. Die Produktverantwortlichkeit verbleibt jedoch beim Hersteller (vgl. OLG Zweibrücken, Urt. v. 30.1.2014, Az. 4 U 66/13, Rz. 40, juris).
56Das CE-Kennzeichen ist kein Prüfsiegel für die Qualität des Produktes. Es stellt keine Garantiezusage zwischen dem Hersteller und dem Endverbraucher dar (vgl. OLG Zweibrücken, Urt. v. 30.1.2014, Az. 4 U 66/13, Rz. 41, juris). Wenn das CE-Kennzeichen schon zu keiner Haftung zwischen dem Hersteller und Verbraucher führt, so muss das erst recht für den Verbraucher und die benannte Stelle gelten, die keine eigene Qualitätskontrolle des Produkts durchführt, sondern lediglich das Qualitätssicherungsverfahren des Herstellers überwacht, vgl. Ziffer 3.3. der Anlage II zur Richtlinie 93/42/EWG.
57Es würde auch gegen § 242 BGB verstoßen, wenn die Beklagte zu 2) gegenüber allen Kunden der Fa. Q1 haftbar wäre. Denn in diesem Fall wäre der Haftungskreis der Beklagten zu 2) unüberschaubar ausgeweitet, so dass sie das eigene Haftungsrisiko überhaupt nicht abschätzen und sich adäquat dagegen versichern könnte. Eine solche erweiterte Haftung der Beklagten allein aufgrund der Absatzkette der Fa. Q1 herzustellen wäre unbillig (vgl. OLG Zweibrücken, Urt. v. 30.01.2014, Az. 4 U 66/13, Rz. 42, juris), insb. da die Beklagte zu 2) in diesem Fall in einem Maß haftbar gemacht werden würde, dass das Medizinproduktegesetz und die Richtlinie 93/42/EWG gerade nicht vorsieht.
58Eine deliktische Haftung der Beklagten zu 2) gem. §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 i.V.m. dem Medizinproduktegesetz und dem Anhang II der Richtlinie 93/42/EWG kommt ebenfalls nicht in Betracht.
59Im Rahmen einer deliktischen Haftung wäre der Beklagten zu 2) allenfalls vorwerfbar, die Fa. Q1 nicht sorgfältiger bzw. unangekündigt überprüft zu haben. Ein solches Unterlassen setzt im Rahmen von § 823 BGB voraus, dass die Beklagte zu 2) eine Garantenpflicht gegenüber den Endkunden der Fa. Q1 hat. Dies ist indes nicht der Fall.
60Eine Garantenpflicht ergibt sich nicht aus dem Vertrag der Beklagten zu 2) mit der Fa. Q1 über die Durchführung des Konformitätsbewertungsverfahrens. Denn wie bereits erörtert waren die Endkunden gerade nicht in den Schutzbereich dieses Vertrags miteinbezogen.
61§ 6 MPG i.V.m. der Richtlinie 93/42/EWG führt ebenfalls zu keiner Garantenstellung der Beklagten zu 2). Die genannte Richtlinie hat zwar den Schutz von Patienten zum Zweck. Nach der Richtlinie war die Beklagte zu 2) als benannte Stelle jedoch weder zur Überprüfung der hergestellten Medizinprodukte, noch zur Überprüfung der Zulieferer der Fa. Q1 verpflichtet. Vielmehr war ihre Aufgabe die Überprüfung und Kontrolle des von der Fa. Q1 eingerichteten Qualitätssystems (vgl. Ziffer 3.3. des Anhangs II zur Richtlinie 93/42/EWG).
62Zu unangemeldeten Besichtigungen der Betriebsstätten der Fa. Q1 war die Beklagte zu 2) nicht verpflichtet. Nach Ziffer 5.4. des Anhangs II der Richtlinie 93/42/EWG „kann“ die benannte Stelle unangemeldete Besichtigungen durchführen. Ziffer 3.3. dieses Dokuments macht allerdings deutlich, dass eine solche Überprüfung nur dann stattfindet, wenn „hinreichender Anlass“ besteht. Dass ein solcher – und für die Beklagte zu 2) erkennbarer – Anlass vorgelegen hat, ist nicht ersichtlich. Das einmalige Versagen der CE-Zertifizierung für Hydrogen-Implantate im Jahr 2001, auf das die Klägerin sich beruft, dürfte jedenfalls nicht genügend Anlass für unangekündigte Besichtigungen gegeben haben. Hinweise für die Verwendung des Industriesilikons der Fa. Q1 gab es nicht, die eine unangekündigte Besichtigung erforderlich gemacht hätte. Ausweislich der Stellungnahme der Bundesregierung vom 6.2.2012 (BT-Drucks. 17/8548) hatte die Fa. Q1 vielmehr ein „nahezu perfektes System der Vertuschung“ implementiert. So wurden bspw. zwei verschiedene Dokumentationen geführt, um die Beklagte zu 2) und andere über das Verhalten der Fa. Q1 zu täuschen.
63Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die geltend gemachten Forderungen gegen die Beklagte zu 3), da die Klägerin für eine Lieferbeziehung zwischen der Beklagten zu 3) und der Firma Q1 beweisfällig geblieben ist. Somit konnte nicht festgestellt werden, dass – wie von der Klägerin behauptet – Industriesilikon aus einer Lieferung der Beklagten zu 3) für Brustimplantate der Fa. Q1 verwandt wurden.
64Eine Haftung der Beklagten zu 4) kommt ebenfalls nicht in Betracht.
65Ob ein wirksamer Versicherungsvertrag zwischen der Beklagten zu 4) und der Fa. Q1 besteht oder dieser aufgrund einer arglistigen Täuschung der Fa. Q1 unwirksam ist, kann dahinstehen, da die Beklagte zu 4) im Rahmen dieses Vertrages jedenfalls nur auf dem französischen Territorium haftet.
66Im Rahmen des Versicherungsvertrages zwischen der Fa. Q1, und der Beklagten zu 4) war vereinbart, dass die Haftung auf das französische Territorium beschränkt sein sollte. Dies ergibt sich aus den Sonderbestimmungen des in Anlage B9/B9a von der Beklagten zu 4) vorgelegten Vertrags (Vertrag Nr. …).
67Die haftungsbeschränkende Klausel hält einer Überprüfung mit dem maßgeblichen französischen Recht stand. Die Beschränkung der Haftung ist insb. nicht aufgrund einer unzulässigen Diskriminierung unwirksam (vgl. hierzu LG Karlsruhe,Az. 2 O 25/12, Urteil vom 28.10.2014, Anlage B 53 der Beklagten zu 4), S. 47 ff.).
68Nach Art. 225-1 Code pénal ist eine Diskriminierung aufgrund der Herkunft oder ethnischen Zugehörigkeit untersagt. Die haftungsbeschränkende Klausel des Vertrags knüpft allenfalls indirekt an die Herkunft an, indem es die Haftung außerhalb des französischen Hoheitsgebiets ausschließt. So eine indirekte Diskriminierung könnte dann zur Unwirksamkeit der Klausel führen, wenn sie dazu dienen würde, Art. 225-1 Code pénal zu umgehen. Dass dies im vorliegenden Fall bezweckt wurde, kann hingegen nicht festgestellt werden. Vielmehr besteht für die Haftungsbeschränkung ein sachlicher Grund. Nach französischem Recht besteht für Hersteller von Medizinprodukten eine Versicherungspflicht. Dass vor diesem Hintergrund mit einer Haftpflichtversicherung ein Vertrag nur im Geltungsbereich dieser allgemeinen Versicherungspflicht abgeschlossen wird, ist nachvollziehbar. Zudem muss das versicherte Risiko für den Haftpflichtversicherer, hier der Beklagten zu 4), kalkulierbar bleiben. Aufgrund unterschiedlicher Lebens- und Rechtsverhältnisse in den anderen Ländern, in denen die Implantate der Fa. Q1 verwandt wurden, wäre das Haftungsrisiko – nähme man eine uneingeschränkte Haftung an – unüberschaubar.
69Die Klausel muss auch nicht im Wege einer europarechtskonformen Auslegung auf Patienten in E ausgeweitet werden. Wie bereits ausgeführt, nimmt die haftungsbeschränkende Klausel keine unzulässige Diskriminierung vor, die eine europarechtskonforme Auslegung des Vertrages gebieten würde. Zudem ist eine Versicherungspflicht im Bereich der Medizinprodukte auf europarechtlicher Ebene nicht vorgesehen.
70Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf das Urteil der Audiencia Provincial de J, auf das sich die Klägerin berufen hat.
71Zwar hat das angerufene Gericht in dieser Entscheidung eine Haftung der Beklagten zu 4) angenommen. Diese Haftung wurde jedoch zum einen damit begründet, dass die Beklagte zu 4) sich zu spät auf den Haftungsausschluss berufen habe. Zum anderen war für das Gericht maßgeblich, dass die Versicherungsnehmerin – also die Fa. Q1 – angeblich keine Kenntnis von der territorialen Beschränkung des Vertrages gehabt habe und die Beklagte zu 4) sich einem Dritten gegenüber daher nicht auf diese Beschränkung berufen dürfe (vgl. S. 3 des Urteils der Audiencia Provincial de J, Anlage B49/B50).
72Die Grundsätze dieser Entscheidung sind nicht auf den hier zu entscheidenden Fall übertragbar. Die Beklagte zu 4) hat weder verspätet vorgetragen, noch hat sich die Klägerin darauf berufen, dass die Fa. Q1 keine Kenntnis der haftungsbeschränkenden Klausel gehabt habe. Dafür gibt es auch keinen Hinweis, da die Klausel im Vertragsdokument an exponierter Stelle unter der Überschrift „Entendue géographique“ (geografischer Geltungsbereich) aufgenommen ist.
73Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 S. 2 ZPO.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Landgericht Essen Urteil, 09. Feb. 2015 - 1 O 212/13
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Urteil einreichenLandgericht Essen Urteil, 09. Feb. 2015 - 1 O 212/13 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).
(1) Wird durch den Fehler eines Produkts jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Hersteller des Produkts verpflichtet, dem Geschädigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Im Falle der Sachbeschädigung gilt dies nur, wenn eine andere Sache als das fehlerhafte Produkt beschädigt wird und diese andere Sache ihrer Art nach gewöhnlich für den privaten Ge- oder Verbrauch bestimmt und hierzu von dem Geschädigten hauptsächlich verwendet worden ist.
(2) Die Ersatzpflicht des Herstellers ist ausgeschlossen, wenn
- 1.
er das Produkt nicht in den Verkehr gebracht hat, - 2.
nach den Umständen davon auszugehen ist, daß das Produkt den Fehler, der den Schaden verursacht hat, noch nicht hatte, als der Hersteller es in den Verkehr brachte, - 3.
er das Produkt weder für den Verkauf oder eine andere Form des Vertriebs mit wirtschaftlichem Zweck hergestellt noch im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit hergestellt oder vertrieben hat, - 4.
der Fehler darauf beruht, daß das Produkt in dem Zeitpunkt, in dem der Hersteller es in den Verkehr brachte, dazu zwingenden Rechtsvorschriften entsprochen hat, oder - 5.
der Fehler nach dem Stand der Wissenschaft und Technik in dem Zeitpunkt, in dem der Hersteller das Produkt in den Verkehr brachte, nicht erkannt werden konnte.
(3) Die Ersatzpflicht des Herstellers eines Teilprodukts ist ferner ausgeschlossen, wenn der Fehler durch die Konstruktion des Produkts, in welches das Teilprodukt eingearbeitet wurde, oder durch die Anleitungen des Herstellers des Produkts verursacht worden ist. Satz 1 ist auf den Hersteller eines Grundstoffs entsprechend anzuwenden.
(4) Für den Fehler, den Schaden und den ursächlichen Zusammenhang zwischen Fehler und Schaden trägt der Geschädigte die Beweislast. Ist streitig, ob die Ersatzpflicht gemäß Absatz 2 oder 3 ausgeschlossen ist, so trägt der Hersteller die Beweislast.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
- Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks A. 4-6 in K. , auf dem sich ein Wohn- und Geschäftshaus sowie mehrere Wirtschaftsgebäude befinden. Im Jahre 1994 führte die Beklagte zu 2 im Auftrag der erstbeklagten Verbandsgemeinde in dieser Straße Kanalbauarbeiten durch. Im Jahr darauf stellte der Kläger Risse an seinem Wohnhaus und 1999 ein starkes Absenken dieses Gebäudes und des Bürgersteigs fest. Mit der Behauptung, ursächlich hierfür seien Fehler bei den Kanalarbeiten, hat der Kläger die Beklag- ten gesamtschuldnerisch auf Schadensersatz in Höhe von zuletzt 51.685,34 € wegen durchgeführter Sanierungsmaßnahmen in Anspruch genommen. Außer- dem hat er die Feststellung begehrt, dass die Beklagten auch zur Erstattung der Kosten für die weiteren Schadensbeseitigungsarbeiten an seinem Haus im Zusammenhang mit den Kanalbauarbeiten 1994 verpflichtet seien.
- 2
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat der Kläger Schäden auch an weiteren Gebäuden behauptet und die Feststellung verlangt, die Beklagten seien zur Übernahme auch der insoweit entstandenen Schadensbeseitigungskosten verpflichtet. Mit Teilurteil vom 14. März 2007 hat das Berufungsgericht die Berufung des Klägers bezüglich der Beklagten zu 2 als unzulässig verworfen und bezüglich der Beklagten zu 1 hinsichtlich des Leistungsanspruchs zurückgewiesen. Der erkennende Senat hat dieses Teilurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Mit der nunmehr angefochtenen Entscheidung ist das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und dahingehend neu gefasst worden, dass der bezifferte Klageantrag und der Feststellungsantrag, soweit sie sich auf die in der Klageschrift geltend gemachten Gebäudeschäden beziehen, abgewiesen werden, dagegen eine Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 2 sowie eine Entschädigungspflicht der Beklagten zu 1 - in Höhe dieses Anspruchs gesamtschuldnerisch mit der Beklagten zu 2 - für die in der Berufungsinstanz weiter geltend gemachten Schäden festgestellt wird.
- 3
- Beide Beklagten erstreben mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision die vollständige Abweisung der Klage. Der Kläger hat Anschlussrevision eingelegt; er verfolgt damit seine Klageanträge im Umfang der Klageabweisung weiter, insbesondere hält er weiterhin einen Schadensersatzanspruch auch gegen die Beklagte zu 1 für begründet.
Entscheidungsgründe
- 4
- Die Revisionen der Beklagten und die Anschlussrevision des Klägers sind begründet und führen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
A.
Revisionen der Beklagten zu 1 und 2
I.
- 5
- Das Berufungsgericht hat das Feststellungsinteresse hinsichtlich der Schadensersatz- oder Entschädigungsverpflichtung der Beklagten wegen Schäden an den auf dem Anwesen A. 4-6 befindlichen Gebäuden, die zeitlich nach den mit der Klageschrift dargelegten Gebäudeschäden entstanden und durch die Kanalbauarbeiten im Jahr 1994 verursacht worden sein sollen, bejaht. Dies ergebe sich daraus, dass - wie die durchgeführte Beweisaufnahme gezeigt habe - die realistische Möglichkeit der Schädigung des Eigentums des Klägers infolge planwidrig nicht oder unzureichend ausgeführter Querriegel bestehe.
- 6
- In der Sache entnimmt das Berufungsgericht eine Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 2 aus einer Verletzung des zwischen den beiden Beklagten geschlossenen Werkvertrags, der Schutzwirkung zu Gunsten des Klägers entfalte. Hinsichtlich des Schadens genüge für den Feststellungsausspruch die naheliegende Möglichkeit der Verursachung durch die unzureichende Ausfüh- rung der Querriegel. Dagegen sei über die Auswirkungen eines Mitverschuldens im Hinblick auf etwa schon zuvor bestehende mangelhafte Gebäudeverhältnisse und über etwaige Abzüge "neu für alt" im Rahmen des Feststellungsbegehrens nicht zu entscheiden.
- 7
- Der geltend gemachte Anspruch sei ebenso wenig verjährt wie ein ebenfalls anzunehmender deliktischer Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 2. Sie habe fahrlässig gehandelt, weil ihr hätte bekannt sein müssen, welche Folgen das Absehen vom Einbau wirksamer Querriegel haben könne. Hinsichtlich einer möglichen Exkulpation bezüglich ihrer Mitarbeiter habe sie nichts dargetan.
- 8
- Gegen die Beklagte zu 1 bestehe (nur) ein verschuldensunabhängiger nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch, dessen Voraussetzungen bei infolge einer durch die Kanalbauarbeiten bedingten Setzung des Grundwasserspiegels eingetretenen Schäden am Grundstück des Klägers erfüllt seien. Eine Verhinderung der fehlerhaften und schadensauslösenden Kanalbauarbeiten sei dem Kläger weder möglich noch zumutbar gewesen. Dieser Anspruch sei nicht verjährt , weil zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1 Verhandlungen geschwebt hätten und im Übrigen nach altem Schuldrecht die dreißigjährige Regelverjährungsfrist gelte.
II.
- 9
- Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
- 10
- 1. Das Berufungsgericht hat die Zulässigkeit der Feststellungsanträge im Ergebnis zu Recht bejaht. Allerdings hat es das erforderliche Feststellungsinteresse für den erweiterten Antrag der im Berufungsverfahren in den Rechtsstreit eingeführten Gebäudeschäden unzutreffend erst unter Heranziehung des Ergebnisses der Beweisaufnahme, wonach erforderliche Querriegel nicht ordnungsgemäß eingebaut worden seien und es deshalb zu Stützverlusten kommen könne, angenommen. Zwar hat der Kläger bestrittene Voraussetzungen des Feststellungsinteresses grundsätzlich zu beweisen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 256 Rn. 7). Dies gilt jedoch nicht für Umstände, die auch Voraussetzung für die Begründetheit der Klage sind. Diese sind schon aufgrund des - auch vorliegend - schlüssigen Vorbringens des Klägers zu einem Schaden durch die Kanalbauarbeiten als sogenannte doppelrelevante Tatsachen für die Zulässigkeitsprüfung zu unterstellen (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 1993 - IX ZR 32/93, BGHZ 124, 237, 240 f mwN).
- 11
- 2. Zu Recht rügt die Revision der Beklagten zu 2 die Annahme des Berufungsgerichts als rechtsfehlerhaft, der Kläger sei in den Schutzbereich des zwischen ihr und der Beklagten zu 1 geschlossenen Bauvertrags einbezogen gewesen und könne deshalb einen eigenen Schadensersatzanspruch nach Vertragsgrundsätzen gegen sie geltend machen.
- 12
- a) Die Einbeziehung eines Dritten in die Schutzwirkungen eines Vertrags setzt voraus, dass Sinn und Zweck des Vertrags und die erkennbaren Auswirkungen der vertragsgemäßen Leistung auf den Dritten seine Einbeziehung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben erfordern und eine Vertragspartei, für den Vertragsgegner erkennbar, redlicherweise damit rechnen kann, dass die ihr geschuldete Obhut und Fürsorge in gleichem Maße auch dem Dritten entgegengebracht wird. Danach wird ein Dritter nur dann in die aus einem Vertrag folgenden Sorgfalts- und Schutzpflichten einbezogen, wenn er mit der Hauptleistung nach dem Inhalt des Vertrags bestimmungsgemäß in Berührung kommen soll, ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten besteht, den Interessen des Schuldners durch Erkennbarkeit und Zumutbarkeit der Haftungserweiterung Rechnung getragen wird und der Dritte schutzbedürftig ist (vgl. BGH, Urteile vom 2. Juli 1996 - X ZR 104/94, BGHZ 133, 168, 173; vom 2. April 1998 - III ZR 245/96, BGHZ 138, 257, 261; vom 20. April 2004 - X ZR 250/02, BGHZ 159, 1, 8 f und vom 6. Mai 2008 - XI ZR 56/07, BGHZ 176, 281 Rn. 27).
- 13
- b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen eine Einbeziehung des Klägers in den Schutzbereich des zwischen den Beklagten zu 1 und 2 geschlossenen Bauvertrags nicht angenommen werden. Das Berufungsgericht hat einen solchen eigenen Ersatzanspruchs für gegeben angesehen, weil sich der Kläger im Gefahrenbereich der vertraglichen Leistungen befinde und sich die erforderliche Nähebeziehung zur Beklagten zu 1 aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis ergebe. Dies wird den Anforderungen an einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten des Klägers jedoch nicht ausreichend gerecht.
- 14
- Selbst wenn eine bestimmungsgemäße Leistungsberührung und ein Schutzbedürfnis des Klägers zu bejahen sein sollten, ist nicht erkennbar, woraus sich ein berechtigtes Interesse der Beklagten zu 1 als Gläubigerin der Werkleistung an der Begründung vertraglicher Schutzpflichten zugunsten des Klägers herleiten lässt. Sie stand zum Kläger in keiner Sonderbeziehung und ist nur nach allgemeinen nachbar- und deliktsrechtlichen Vorschriften verpflichtet gewesen, dessen Rechtsgüter während der Kanalbauarbeiten nicht zu verletzen. Darüber hinaus ist auch nach Sinn und Zweck dieses Vertrags eine Einbe- ziehung gerade des Klägers nicht anzunehmen. Dass die Vertragsparteien den Willen hatten, Schutzpflichten auch zugunsten des Klägers zu begründen, ist weder festgestellt noch ersichtlich. Allein daraus, dass der Werkvertrag die Errichtung von Querriegeln zur Verhinderung von Grundwasserabflüssen vorsah, und dies objektiv auch den Interessen der Anlieger und damit auch des Klägers diente, folgt ein solcher Wille nicht. Diese Vorgabe war allein deshalb erforderlich , um die fachgerechte Erbringung der Werkleistung sicherzustellen und die Beklagte zu 1 vor Ansprüchen der Anlieger zu schützen. Dabei besteht ein derartiges Interesse der Beklagten zu 1 auch nicht aufgrund besonderer räumlicher Nähe. Ein Interesse daran, dem Kläger im Hinblick auf das Nachbarschaftsverhältnis für den Fall eines Schadens eine bevorzugte Rechtsposition einzuräumen , ergibt sich nach den Umständen dieses Falles nicht. Es ist auch fernliegend , dass etwa durch die Begründung vertraglicher Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte zu 2 eine eigene Inanspruchnahme der Beklagten zu 1 vermieden werden sollte. Ein eigener vertraglicher Ersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 2 scheidet danach aus.
- 15
- 3. a) Das Berufungsgericht geht bei der weiteren Beurteilung der geltend gemachten Ansprüche mit Recht davon aus, dass die Rechtsbeziehungen des Klägers zu beiden Beklagten bürgerlich-rechtlicher Natur sind. Die Kanalisationsarbeiten sind von der Beklagten zu 1 durch die Beauftragung eines privaten Bauunternehmens privatrechtlich organisiert worden sind (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 1987 - V ZR 219/85, NJW-RR 1988, 136, 137 mwN).
- 16
- Als Anspruchsgrundlage für das klägerische Begehren hat das Berufungsgericht zutreffend einen Entschädigungsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2, § 909 BGB gegen die Beklagte zu 1 und (des Weiteren) einen deliktischen Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 i.V.m. § 909 BGB gegen die Beklagte zu 2 in Betracht gezogen; dahinstehen kann hierbei, ob daneben noch, wie das Berufungsgericht angenommen hat, der Anwendungsbereich des § 823 Abs. 1 BGB (Eigentumsverletzung) eröffnet ist (vgl. dazu BGH, Urteil vom 5. April 1991 - V ZR 39/90, BGHZ 114, 161, 166 mwN). Soweit die Beklagte zu 1 ihre Passivlegitimation in Abrede gestellt hat, ist ihr nicht zu folgen. Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch richtet sich nicht nur gegen den Eigentümer des beeinträchtigenden Grundstücks, sondern auch gegen den Nutzer als denjenigen , der die Nutzungsart dieses Grundstücks bestimmt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 1991 - V ZR 308/89, BGHZ 113, 384, 392 und vom 30. Mai 2003 - V ZR 37/02, BGHZ 155, 99, 102). Dies ist hinsichtlich der Kanalisation die Beklagte zu 1 (Verbandsgemeinde).
- 17
- b) Die tatrichterlichen Feststellungen reichen jedoch nicht aus, um auf der Grundlage dieser Anspruchsnormen den getroffenen Feststellungsausspruch zu rechtfertigen. Das Berufungsgericht hat es versäumt, Feststellungen zur haftungsbegründenden Einwirkung des fraglichen Werkmangels auf das Grundstück des Klägers zu treffen. Die Annahme, für den Feststellungsanspruch genüge bereits die nahe liegende Möglichkeit der Schadensverursachung , ist rechtsfehlerhaft. Eine Klage auf Feststellung einer Schadensersatzverpflichtung ist zwar bereits dann zulässig, wenn der Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 1992 - IX ZR 43/92, NJW 1993, 648, 653 f, vom 24. Oktober 1996 - VII ZR 98/94, NJW-RR 1997, 339, 340 und Beschluss vom 9. Januar 2007 - VI ZR 133/06, NJW-RR 2007, 601 Rn. 5). Die Begründetheit eines solchen Feststellungsantrags setzt jedoch zusätzlich voraus, dass die sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs vorliegen, also ein haftungsrechtlich relevanter Eingriff feststeht (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Januar 2007 aaO Rn. 6).
- 18
- Im Streitfall hätte das Berufungsgericht deshalb dem Feststellungsbegehren bezüglich der Beklagten zu 1 nur dann entsprechen dürfen, wenn feststünde , dass der Haftungstatbestand der §§ 906, 909 BGB erfüllt ist, es also im Zuge der Kanalbauarbeiten zu einer Absenkung des Grundwassers und als Folge davon zu einer Kompression des Baugrundes und zu Bodensetzungen gekommen ist. Es hat indessen für die im Berufungsverfahren zusätzlich geltend gemachten Schäden gerade nicht die Überzeugung gewinnen können, dass ein solcher Zustand und ein dadurch bedingter Stützverlust vorlag. All dies ist lediglich als möglich angesehen worden. Damit ist der Tatbestand des § 909 BGB jedoch noch nicht erfüllt.
- 19
- Auch hinsichtlich eines deliktischen Anspruchs aus § 823 Abs. 1 BGB (Eigentumsverletzung) gegen die Beklagte zu 2 hat das Berufungsgericht eine haftungsrechtlich relevante Rechtsgutverletzung nicht festgestellt. Diese wird lediglich für möglich gehalten, nicht aber, wie geboten, aufgeklärt. Auch insoweit wäre die Feststellung erforderlich gewesen, dass das Grundstück des Klägers durch die im Zuge des Kanalbaus erfolgte Vertiefung und den damit einhergehenden Grundwasserabfluss infolge der Drainagewirkung des Kanals die erforderliche Stütze verloren hat. Lediglich die Gefahr eines solchen Stützverlusts begründet jedoch kein zum Schadensersatz oder zur Entschädigung verpflichtendes Rechtsverhältnis, sondern lässt dieses nur als in Zukunft möglich erscheinen. Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts lässt sich deshalb auch keine Eigentumsverletzung durch die Beklagte zu 2 bejahen.
- 20
- Das Berufungsgericht wird deshalb die für die Frage eines bereits vorliegenden haftungsrechtlichen Eingriffs in Rechtsgüter des Klägers maßgeblichen Feststellungen noch zu treffen haben.
- 21
- 4. Die Beklagten machen mit ihrer Revision weiter mit Rechtgeltend, dass bei dem vorliegenden Feststellungsurteil die Frage einer Anspruchsminderung auf der Grundlage des § 254 BGB - der auch auf den nachbarrechtlichen Entschädigungsanspruch Anwendung findet (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 1987 - V ZR 219/85, NJW-RR 1988, 136, 138) - nicht offen gelassen und einer späteren Klage überlassen werden kann.
- 22
- a) Die gegenteilige Beurteilung des Berufungsgerichts steht mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht in Einklang. Danach ist ein Feststellungsurteil, mit dem das Bestehen eines mit einer unbezifferten Feststellungsklage geltend gemachten Anspruchs vorbehaltlich eines noch zu prüfenden Mitverschuldens festgestellt wird, unzulässig (vgl. nur BGH, Urteil vom 10. Juli 2003 - IX ZR 5/00, NJW 2003, 2986 und Beschluss vom 4. August 2010 - VII ZR 207/08, NJW 2010, 3299 Rn. 11). Entsprechendes gilt für den vorliegenden Fall.
- 23
- Die Beklagte zu 2 hatte ebenso wie die Beklagte zu 1 nicht nur bestehende Vorschäden, sondern auch einen besonders schadensanfälligen Zustand des Hauses des Klägers behauptet. Diesem Gesichtspunkt der Schadensanfälligkeit ist aber dadurch Rechnung zu tragen, dass ein Eigentümer sich bei schadensgeneigter Beschaffenheit seines Grundstücks nach § 254 BGB eine Kürzung oder sogar den Ausschluss seiner Ersatz- oder Entschädigungsansprüche gefallen lassen muss (vgl. Senatsurteile vom 17. Januar 1985 - III ZR 109/83, NVwZ 1986, 76, 77; vom 20. Februar 1992 - III ZR 188/90, BGHZ 117, 240, 259 mwN und vom 25. Juni 1992 - III ZR 101/91, NJW 1992, 2884, 2885). Demgegenüber führt das Berufungsgericht lediglich aus, das Vorbringen der Beklagten betreffe lediglich die Höhe der konkreten Schadensersatzleistung. Der Einwand der Beklagten, der Schaden sei durch eine Schadensanfälligkeit aufgrund unzureichender Gründung der Gebäude mitverursacht, ist aber eine den Bestand des Klageanspruchs, den das Berufungsgericht als uneingeschränkt begründet angesehen hat, betreffende Einwendung, die das Berufungsgericht nicht einem Folgeprozess überlassen darf. Dies gilt auch hinsichtlich der Frage, ob ein Mitverschulden des Klägers vorliegt, weil er etwa notwendige eigene Stützungsmaßnahmen unterlassen hat (s. dazu BGH, Urteil vom 19. Oktober 1965 - V ZR 171/63, NJW 1966, 42).
- 24
- b) Entgegen der in der Revisionserwiderung geäußerten Auffassung des Klägers steht die Entscheidung des Senats vom 11. Januar 2007 (III ZR 294/05, NJW-RR 2007, 457 Rn. 24 f) dieser Beurteilung nicht entgegen. Sie betraf ein Berufungsurteil, das eine negative Feststellungsklage abgewiesen hatte, und dessen Bedeutung mit derjenigen eines Grundurteils vergleichbar war, bei dem die Prüfung des Mitverschuldens dem Rechtsstreit über die Höhe des Anspruchs vorbehalten werden kann, wenn es nur geeignet ist, zu einer Minderung , nicht aber zu einer Beseitigung des Anspruchs zu führen. Eine solche Fallgestaltung liegt hier nicht vor.
- 25
- c) In diesem Zusammenhang bleibt die Rüge der Beklagten zu 1, wonach das Berufungsgericht hinsichtlich des gegen sie zuerkannten Entschädigungsanspruchs zu Unrecht als unerheblich angesehen habe, dass der Kläger keine Abwehr- oder Beseitigungsmaßnahmen getroffen habe, allerdings ohne Erfolg.
- 26
- Die in der analog anzuwendenden Vorschrift des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB vorausgesetzte Nichtabwendbarkeit der Beeinträchtigung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen bezieht sich auf die Abwehr von Einwirkungen auf das Grundstück, hier also einen eingetretenen und eventuell fortschreiten- den Stützverlust durch die Bauarbeiten am Kanal. Der Kläger, der sich als Anlieger zunächst auf eine fachgerechte Ausführung der Arbeiten verlassen durfte (vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 1978 - III ZR 26/77, BGHZ 72, 289, 294 f), hatte erst aufgrund der von ihm nach Durchführung der Arbeiten festgestellten Schäden Anlass, hieran zu zweifeln.
- 27
- 5. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Frage der Verjährung des deliktischen Schadensersatzanspruchs und gesetzlichen Entschädigungsanspruchs sind ebenfalls nicht rechtsfehlerfrei.
- 28
- a) Gegenstand der ursprünglich erhobenen Klage waren nur Schäden an dem Wohn- und Geschäftshaus des Klägers, nicht aber an anderen Gebäuden auf seinem Anwesen. Allein daraus, dass im Feststellungsantrag in Übereinstimmung mit dem Aktivrubrum der Klageschrift "A. 4-6" genannt ist, lässt sich nicht entnehmen, dass mit der Klage geltend gemacht werden sollte, es existierten auf dem Anwesen weitere ebenfalls in Mitleidenschaft gezogene Gebäude.
- 29
- b) Die somit nach dem gestellten Antrag und dem dazu vorgetragenen Lebenssachverhalt (vgl. dazu nur BGH, Urteil vom 5. November 2009 - IX ZR 239/07, BGHZ 183, 77 Rn. 10) auf Schäden am Wohn- und Geschäftshaus beschränkte Klage konnte die Verjährung etwaiger weiterer Ansprüche wegen Schäden an anderen Gebäuden nicht unterbrechen oder hemmen. Schäden an weiteren Gebäuden, die sich ab dem Jahr 2007 gezeigt haben sollen, sind vom Kläger erst im Zuge des Berufungsverfahrens in den Prozess eingeführt worden. Er hat sie - entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichts - nicht bereits mit Berufungseinlegung, sondern erstmals mit Schriftsatz vom 4. Mai 2009 angesprochen. Mit Schriftsatz vom 12. Juli 2010 hat er sodann die Auffassung vertreten, der bisherige Feststellungsantrag umfasse auch Schäden an den Gebäuden A. 6 (Betriebswerkstatt und Bürogebäude). Keiner dieser Schriftsätze wurde jedoch zugestellt, so dass die Rechtshängigkeit der erweiterten Feststellungsanträge erst mit der Geltendmachung in der mündlichen Verhandlung vom 21. Juli 2010 gemäß § 261 Abs. 2 Alt. 1 ZPO eingetreten ist. Zwar hat der Kläger dabei nur den erstinstanzlichen Feststellungsantrag wiederholt. Dennoch ist davon auszugehen, dass er mit diesem Antrag nunmehr auch die Feststellung einer Ersatzverpflichtung hinsichtlich der Instandsetzungskosten an den anderen Gebäuden verfolgen wollte. Zusammen mit dem vorgetragenen Lebenssachverhalt ist dieser Antrag entsprechend weit auszulegen.
- 30
- c) Bei der erneuten tatrichterlichen Beurteilung der Verjährungsfrage unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats wird das Berufungsgericht zu berücksichtigen haben, dass entgegen der Auffassung der Beklagten zu 1 diese Anträge des Klägers nicht nur Schadensersatzansprüche, sondern auch Entschädigungsansprüche analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB betrafen. Zwar handelt es sich bei Schadensersatzansprüchen nach § 823 BGB und dem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB um unterschiedliche Streitgegenstände darstellende prozessual selbständige Ansprüche (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juli 2010 - V ZR 217/09, BeckRS 2010, 20140, Rn. 10). Ein auf Ersatz aller durch unerlaubte Einwirkungen im Wege einer Vertiefung entstandenen (und noch entstehenden) Schäden gerichtetes Klagebegehren erfasst jedoch beide Ansprüche, auch wenn die Klage nicht ausdrücklich auf den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gestützt ist (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 1997 - V ZR 48/96, NJW-RR 1997, 1374).
B.
Anschlussrevision des Klägers
- 31
- Die Abweisung der Klage bezüglich der bereits mit der Klageschrift geltend gemachten Schäden am Wohn- und Geschäftshaus des Klägers kann auf der Grundlage der vom Berufungsgericht vorgenommenen Würdigung keinen Bestand haben.
I.
- 32
- Das Berufungsgericht hat die Klage insoweit als unbegründet angesehen , weil es nicht die Überzeugung habe gewinnen können, dass diese Schäden durch eine Grundwassersenkung aufgrund der Kanalbauarbeiten oder durch sonstige von diesen Arbeiten ausgehende Einwirkungen verursacht worden seien. Es fehlten die für Setzungen des Untergrunds typischen Schadensbilder. Gegen eine Ursächlichkeit der Kanalbaumaßnahmen spreche auch, dass an den Nachbargebäuden solche Schäden nicht feststellbar seien. Dies gelte auch hinsichtlich einer Beeinträchtigung des Anwesens des Klägers durch eine unzureichende Sicherung der Baustelle mangels linearen Verbaus oder durch Erschütterungen des Baugrunds durch Baumaschinen. Auch eine Rückplanung der Gründungs- und Bauverhältnisse könne die Annahme der haftungsbegründenden Kausalität nicht rechtfertigen. Denn selbst wenn eine ordnungsgemäße Gründung nachgewiesen werde, sei doch weiterhin das Schadensbild zu berücksichtigen, das keinen Rückschluss auf eine Kausalität erlaube. Es könne sich auch um reine Altersschäden handeln, so dass der Kläger nicht den Beweis habe führen können, dass die bereits mit der Klageschrift geltend gemachten Schäden durch die Kanalbauarbeiten verursacht worden seien.
II.
- 33
- Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand; sie sind widersprüchlich und beruhen auf einer unzureichenden Beweiswürdigung (§ 286 ZPO).
- 34
- 1. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Abweisung der mit der Klage geltend gemachten Schäden versteht der erkennende Senat dahin, dass bereits ein durch die Kanalarbeiten verursachter Stützverlust verneint wird. Dies steht jedoch in Widerspruch zu den Ausführungen, die das Berufungsgericht zu den vom Kläger im Berufungsverfahren zusätzlich geltend gemachten Schäden gemacht hat. Denn das Berufungsgericht hat setzungsbedingte Schäden am Wohnhaus des Klägers unter anderem deshalb verneint, weil an umliegenden, konstruktionsbedingt empfindlicheren, Nachbarhäusern derartige Schadensbilder fehlten und dies auch nicht durch lokal begrenzte Auswirkungen der Kanalbaumaßnahme erklärbar sei. Bezogen auf die im Berufungsrechtszug klageerweiternd geltend gemachten Schäden, die auch weitere Schäden am Wohn- haus betreffen, bejaht es hingegen die „realistische Möglichkeit“ einer Schädi- gung des Eigentums des Klägers, ohne dass aus dem Gesamtzusammenhang der angestellten Beweiswürdigung diese unterschiedliche Wertung verständlich wird.
- 35
- In diesem Zusammenhang rügt die Anschlussrevision zu Recht, dass auch die der Feststellungsklage zugrunde liegenden (weiteren) Schäden für die Feststellung eines Stützverlusts von Bedeutung sein können. Denn die - nicht vorgenommene - nähere Untersuchung und Bewertung dieser Schäden könnte zu dem Schluss führen, dass auch den am Wohn- und Geschäftshaus geltend gemachten Schäden ein Stützverlust zugrunde gelegen hat.
- 36
- Darüber hinaus hat das Berufungsgericht, wie die Anschlussrevision weiter zutreffend rügt, den Streitstoff nicht umfassend gewürdigt. Es hat insbesondere nicht berücksichtigt, dass der Kläger geltend gemacht hat, die (Ursprungs -)Schäden beträfen durchweg die zur Straße gelegene Seite des Hauses , und der Bürgersteig vor dem Haus sei um etwa 12 cm zur Straße hin abgesunken ; zudem habe sich die Außentreppe vor dem Ladenlokal um bis zu 5 cm weggeneigt und ebenfalls - um 3 cm - gesenkt. Mit diesem Vorbringen, das dagegen spricht, dass es sich bei den feststellbaren Gebäudeschäden - wie es das Berufungsgericht jedenfalls für möglich hält - um bloße Altersschäden handelt, hat sich das Berufungsgericht nicht (hinreichend) befasst.
- 37
- Ebenfalls zu Recht rügt die Anschlussrevision, dass das Berufungsgericht einen Stützverlust mit dem Nichtvorliegen von Schiefstellungen, wie sie der Sachverständige P. als setzungstypisch bezeichnet hat, verneint, ohne hierbei die Aussage des bereits vom Landgericht vernommenen Zeugen G. zu würdigen, die Ladentür habe nach Durchführung der Bauarbeiten (im Laufe des Jahres 1995) oftmals geklemmt. In diesem Zusammenhang hat es weiterhin nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Kläger ausdrücklich geltend gemacht hat, die Eingangstür schließe nicht mehr selbständig, sondern sperre 4 cm, und auch andere Türen sowie Fenster seien damals wie heute verzogen. Damit hatte er aber auch Schäden vorgetragen, die auf eine Verformung des Baukörpers hindeuteten; nach den Ausführungen des Sachverständigen könnte dies grundsätzlich auf einen Stützverlust zurückzuführen sein.
- 38
- Das Berufungsgericht wird deshalb das Vorbringen des Klägers und die erhobenen Beweise - gegebenenfalls nach weiterer Beweisaufnahme - neu zu würdigen haben. Dabei erhält es Gelegenheit, sich, soweit erforderlich, mit den weiteren Rügen der Anschlussrevision zu befassen, auf die näher einzugehen der Senat keinen Anlass hat.
- 39
- 2. Die Rüge der Anschlussrevision, das Berufungsgericht habe bei seiner klageabweisenden Entscheidung die Bindungswirkung des Teilurteils des Senats vom 14. Februar 2008 unbeachtet gelassen, ist demgegenüber unbegründet.
- 40
- Die Bindungswirkung des § 563 Abs. 2 ZPO erfasst nur diejenigen Gesichtspunkte , deren rechtsirrtümliche Würdigung die Aufhebung unmittelbar herbeigeführt hat (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 1996 - IX ZR 69/95, BGHZ 132, 6, 10 f). Der Senat hat in seinem vorausgegangen Urteil vom 14. Februar 2008 nur entschieden, dass bestimmtes Vorbringen des Klägers im ersten Berufungsurteil nicht hätte zurückgewiesen werden dürfen, weil es an vom Revisionsgericht nicht nachholbaren Feststellungen dazu mangelte, dass die Verspätung des Vortrags auf grober Nachlässigkeit beruhte. Darüber hinaus hat der Senat ausgesprochen, dass dieses Vorbringen und die diesbezüglichen Beweisanträge auch nicht als unzulässige Ausforschung unbeachtlich seien. Die Entscheidung betrifft damit lediglich die prozessuale Unbeachtlichkeit des Vorbringens im Hinblick darauf. Daran hatte sich das Berufungsgericht zu halten , es war jedoch nicht gehindert, den Sachvortrag anhand der von ihm weiter durchgeführten Beweisaufnahme und deren Ergebnis frei zu würdigen und neu auf seine Erheblichkeit zu prüfen.
- 41
- 3. Ebenso vergeblich wendet sich die Anschlussrevision dagegen, dass das Berufungsgericht eine deliktische Haftung (auch) der Beklagten zu 1 nach §§ 823, 909, 831 BGB verneint hat. Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich nichts für eine deliktische Haftung der Beklagten zu 1 aufgrund eigenen Handelns. Auch für eine Haftung der Beklagten zu 1 gemäß § 831 BGB lässt sich den Feststellungen des Berufungsgerichts und den Rügen der Anschlussrevision nichts entnehmen. Die Beklagte zu 2 und der Streithelfer waren , wie die Anschlussrevision selbst hervorhebt, gegenüber der Beklagten zu 1 selbständige Unternehmer. Dass die Beklagte zu 2 und der Streithelfer gleichwohl in die Organisation der Beklagten zu 1 eingebunden und dementsprechend weisungsunterworfen gewesen wären, ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts und dem Vorbringen des Klägers nicht ersichtlich.
- 42
- Soweit das Berufungsgericht weitere mögliche Ansprüche gegen die Beklagte zu 1 verneint hat, ist dies rechtsfehlerfrei; die Anschlussrevision bringt hiergegen auch nichts Erhebliches vor.
C.
- 43
- Das angefochtene Urteil kann danach keinen Bestand haben. Da der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif ist, war die Sache gemäß § 563 Abs. 1 ZPO zur erneuten tatrichterlichen Beurteilung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
- 44
- a) Das Berufungsgericht wird dabei zunächst zu klären haben, ob die Anträge des Klägers nur auf einen Ersatz beziehungsweise eine Entschädigung hinsichtlich bereits eingetretener Schäden gerichtet sind oder auch Zukunftsschäden umfassen sollen. Der Tenor des Berufungsurteils betrifft nur bereits entstandene Schäden und das Berufungsgericht hat auch in seinen Gründen unter II. 2. nur einen Anspruch auf Ersatz von Schäden festgestellt, die nach den mit der Klageschrift dargestellten Schäden an den Gebäuden entstanden und durch die Kanalbauarbeiten im Jahre 1994 (bereits) verursacht worden sind, nicht aber solcher, die erst noch entstehen werden. Unter I. der Gründe hat es allerdings ausgeführt, der Kläger begehre mit dem Feststellungsantrag die umfassende Feststellung der Verantwortlichkeit der Beklagten für alle aus der Kanalbaumaßnahme resultierenden Schäden, die sich nach seiner Auffassung bereits entwickelt haben oder noch entwickeln werden.
- 45
- b) Bei der Beantwortung der Verjährungsfrage wird sich das Berufungsgericht gegebenenfalls mit dem Grundsatz der Schadenseinheit auseinandersetzen müssen. Nach diesem Grundsatz stellt der gesamte Schaden, der auf einem bestimmten einheitlichen Verhalten beruht, ein einheitliches Ganzes dar und ist mit der ersten Vermögenseinbuße als eingetreten anzusehen, so dass für den Anspruch auf Ersatz dieses Schadens einschließlich aller weiteren adäquat verursachten, zurechenbaren und voraussehbaren Nachteile eine einheitliche Verjährungsfrist läuft, sobald irgendein (Teil-)Schaden entstanden ist. Der Zeitpunkt der einzelnen Schadensfolgen ist unerheblich, soweit es sich bei den Schadensfolgen nur um eine bloße Weiterentwicklung handelt und mit ihnen bereits beim Auftreten des ersten Schadens gerechnet werden konnte (vgl.
Schlick Herrmann Hucke
Tombrink Remmert
Vorinstanzen:
LG Koblenz, Entscheidung vom 02.03.2006 - 3 O 89/01 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 01.04.2011 - 1 U 379/06 -
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.