Landgericht Düsseldorf Urteil, 27. März 2014 - 21 S 211/13
Tenor
Die Berufung der Beklagten (*1) gegen das am 06.06.2013 verkündete Urteil des
Amtsgerichts Düsseldorf - 37 C 13695/12 - wird zurückgewiesen.
Die Kostend er Berufungsinstanz trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
Gründe:
2I.Die Klägerin unterhielt ein Girokonto bei der beklagten Bank.Weiterhin nahm die Klägerin seit ca. 15 Jahren bei einer anderen Bank und dann bei der Beklagten Bankgeschäfte regelmäßig durch Online-Banking vor.Die Klägerin ist Opfer eines sog. Pharming-Angriffs geworden. Dabei wird zunächst ein sog. Trojaner auf dem Computer des Bankkunden platziert.Wenn der Bankkunde die Website seiner Bank aufruft, wird er mittels des zuvor platzierten Trojaners aufgefordert, sog. TANs – das sind personalisierte Sicherungsmerkmale für das Online-Banking – in den Computer einzugeben. Dies hat die Klägerin dann auch gemacht.Mittels dieser erschlichenen TANs hat der unbekannte Täter am 18.4.2012 drei Abbuchungen vom Girokonto der Klägerin in Höhe von insgesamt 770 € vorgenommen.Diesen Betrag verlangt die Klägerin von der Beklagten ersetzt.Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und hierzu insbesondere ausgeführt, das Verhalten der Klägerin sei als grob fahrlässig zu qualifizieren.Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin.Von der Darstellung tatsächlicher Feststellungen im Übrigen wird gem. §§ 540 Abs.2, 313 a Abs. 1 S.1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
3II.Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.In der Sache hat die Berufung der Klägerin jedoch keinen Erfolg.1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und der Gesetzeslage steht dem Kunden gegen seine Bank bei einer nicht autorisierten Abbuchung oder Überweisung von seinem Konto ein Anspruch zu, die entsprechende Abbuchung rückgängig zu machen bzw. ihm diesen Betrag zu erstatten. Dies folgt aus § 675 u S. 2 BGB.Dass es sich vorliegend am 18.4.2012 um nicht autorisierte Abbuchen handelte ist zwischen den Parteien unstreitig.2. Die beklagte Bank kann aber mit einem Schadenersatzanspruch in gleicher Höhe aufrechnen . Grundlage hierfür ist § 675 v BGB.a) Wenn die Klägerin , also die Bankkundin, im Zusammenhang mit dem Abhandenkommen von Authentisierungsmedien nicht grob fahrlässig handelt, ist die Haftung des Kunden gem. § 675 v Abs.1 BGB auf 150 € begrenzt.Von einer einfachen Fahrlässigkeit der Klägerin im Zusammenhang mit dem Tatbestand des § 675 v Abs.1 S.2 BGB ist vorliegend jedenfalls auszugehen.Insoweit liegt eine grundlegende Entscheidung des Bundesgerichtshofes (vgl. NJW 2012, 2422 ff.) zur alten Rechtslage vor dem 31.10.2009 vor. Vor diesem Zeitpunkt kam es auf die Differenzierung zwischen einfacher und grober Fahrlässigkeit nicht an.Unabhängig davon, welche Warnhinweise auf der (gefälschten) Website der Beklagten auftauchten, als sich die Klägerin einloggte , liegt nach Auffassung der Kammer jedenfalls einfache Fahrlässigkeit der Klägerin vor. Dass man bei einem Online-Banking-Vorgang immer nur einmal eine sog. TAN verwendet ist allgemein bekannt.Wenn man über das Internet aufgefordert wird, 120 TANs einzugeben, muss einem Bankkunden bewusst werden, dass etwas nicht in Ordnung ist . Dabei spielt es nach Auffassung der Kammer auch keine Rolle, ob wie in dem Fall, den der Bundesgerichtshof zu entscheiden hatte, der Warnhinweis der Bank, dass der Bankkunde niemals mehrere TANs preisgeben dürfe, auf der Website sichtbar ist oder ob dieser Warnhinweis, wie hier, nur über einen Link zu erreichen ist.b) Nach Auffassung der Kammer ist der Verstoß der Klägerin gegen die Pflichten aus § 675 l BGB auch als grob fahrlässig im Sinne des § 675 v Abs.2 BGB zu qualifizieren ist. Dies führt dazu, dass der Beklagten ein Schadensersatzanspruch in Höhe des gesamten Schadens zusteht, der infolge des nicht autorisierten Zahlungsvorganges entstanden sind. Dies sind vorliegend ein Anspruch in Höhe von 770.00 €.Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden oder das nicht beachtet worden ist, was im konkreten Fall jedem hätte einleuchten müssen. (vgl. Willershausen, jurisPR: BKR 8/20102)Aus der o.g. Entscheidung des Bundesgerichtshofes kann nach Auffassung der Kammer nicht entnommen werden, dass für einen vergleichbaren Fall nur einfache Fahrlässigkeit angenommen werden kann. (so aber Borges, NJW 2012, 2385 ff.)Da der Bundesgerichtshof zur alten Rechtslage zu entscheiden hatte, wonach der Bank auf der Grundlage des § 280 Abs.1 BGB bereits bei einfacher Fahrlässigkeit ein Schadensersatzanspruch zustand, enthält dieses Urteil keine Differenzierung zwischen einfacher und grober Fahrlässigkeit.(so auch Willershausen, aaO)Der Vorwurf gegen die Klägerin beruht nicht auf dem Umstand, dass sie Opfer eines Pharming-Angriffes geworden ist.Ein solcher Angriff dürfte im Regelfall schwer zu erkennen sein.Der Fahrlässigkeitsvorwurf beruht vielmehr darauf, dass die Klägerin diesen Angriff trotz massiver Anhaltspunkte in Einzelfall nicht erkannt und diesbezügliche Verdachtsmomente ignoriert hat.Auch wenn die Klägerin, so ihr Vortrag, beim Login-Vorgang noch keine TANs eingegeben hat, so musste ihr als langjähriger Nutzerin des Online-Banking bewusst sein, dass jede Bank beim Online-Banking für jeden Buchungsvorgang jeweils nur eine TAN abfragt. Der Klägerin musste sich daher ein Verdacht eines manipulierten Vorganges aufdrängen, wenn die – vermeintliche – Beklagte über die – gefälschte – Website sie als Bankkundin auffordert, 120 verschiedene TANs einzugeben, ohne dass auch 120 Buchungsvorgänge vorgenommen wurden.Auch wenn vorliegend auf dem Bildschirm der gefälschten Website der Beklagten keine Sicherheitshinweise für die Klägerin sichtbar waren, hat sie vorliegend ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt, die im konkreten Fall jedem erfahrenen Nutzer des Online-Banking-Systems hätten einleuchten müssen.Ihr Verhalten ist daher als grob fahrlässig zu qualifizieren. Das Amtsgericht hat weiterhin zu Recht ausgeführt, dass nicht von einem Mitverschulden der Beklagten gem. § 254 BGB ausgegangen werden kann.Insoweit sieht die Kammer die entsprechenden Ausführungen im angefochtenen Urteil auf Seite 6 im dritten Absatz als zutreffend an.Selbst wenn der Beklagten , so wie die Klägerin dies meint, eine sog. sekundäre Darlegungslast obliegt, so ist sie dieser durch ihren Vortrag gerecht geworden.
4III.Die prozessualen Nebenentscheidungen haben ihre Grundlage in den §§ 97 Abs.1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
5Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs.2 ZPO nicht vorliegen.
6Streitwert für die Berufungsinstanz: 770,00 €
7(*1):
8Am 08.04.2014 erging folgender Berichtigungsbeschluss:
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(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.