Landgericht Düsseldorf Beschluss, 19. Dez. 2014 - 14c O 227/14
Tenor
I.
Der Antragsgegnerin wird bei Meidung eines vom Gericht für jeden Einzelfall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle der Wiederholung bis zu zwei Jahren, letztere zu vollziehen an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern der Antragsgegnerin, untersagt, im geschäftlichen Verkehr in der Europäischen Union
Stühle mit folgenden Merkmalen
- eine durchgehende, ergonomisch geformte Sitzschale,
- bei der Sitz- und Rückenfläche aus jeweils einer etwa gleich großen
rechteckigen Grundform mit abgerundeten Ecken bestehen,
- die mit vier stämmigen, runden Beinen kombiniert wird,
- wobei die Stuhlbeine leicht nach außen stehen
gemäss den nachfolgenden Abbildungen zu benutzen, insbesondere anzubieten oder anbieten zu lassen, einschliesslich zu bewerben, und/oder abzubilden:
Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3
Abb. 4 Abb. 5 Abb. 6
Abb. 7 Abb. 8 Abb. 9
Abb. 10 Abb. 11 Abb. 12
Abb. 13 Abb. 14 Abb. 15
Abb. 16 Abb. 17
Abb. 18 Abb. 19 Abb. 20
Abb. 21 Abb. 22 Abb. 23
Abb. 24 Abb. 25 Abb. 26
Abb. 27 Abb. 28 Abb. 29
Abb. 30 Abb. 31 Abb. 32
Abb. 33 Abb. 34 Abb. 35
Abb. 36 Abb. 37 Abb. 38
Abb. 39 Abb. 40 Abb. 41
Abb. 42
II.
Die Kosten des Verfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.
III.
Bei Zustellung dieses Beschlusses soll eine beglaubigte Abschrift der Antragsschrift ohne Anlagen beigefügt werden.
IV.
Der Streitwert wird auf 250.000,-- Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
3Die einstweilige Verfügung war zu erlassen, weil die Voraussetzungen der Paragraphen 935, 940, 936 Satz 1, 920 Absatz 2 Zivilprozessordnung vorlagen.
4I.
5Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf und die gemeinschaftsweite Reichweite der Zuständigkeit für Verletzungen ergeben sich aus den Artikeln 82 Absatz 2, 83 Absatz 1 Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung. Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass die in China ansässige Antragsgegnerin keine Niederlassung im Sinne des Art. 82 Absatz 1 Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung in einem der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union hat, da sie ausweislich des als Anlage 22 vorgelegten Screenshots der Internetseite www.alibabagroup.com zwar über ein „Office“ in Großbritannien verfügt, dieses aber nach den auf ihrer Internetseite erteilten Informationen anders als die anderen „Offices“ nicht einmal über einen Telefon- und Faxanschluss verfügt und auch sonst nicht ersichtlich ist, dass hierüber eine relevante Geschäftstätigkeit ausgeführt wird, die die Annahme einer Niederlassung begründen könnte. Die Antragstellerin hat weiter glaubhaft gemacht, dass sie selbst mit der W GmbH, D-Straße, 79576 Weil am Rhein über eine Niederlassung in Deutschland verfügt, über die sämtliche Geschäfte mit W-Produkten in Deutschland abgewickelt werden (Eidesstattliche Versicherung des Herrn T, vorgelegt als Anlage 2, in Verbindung mit dem Handelsregisterauszug der W GmbH, vorgelegt als Anlage 23).
6Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf beruht auf § 32 Zivilprozessordnung. Das Verkaufsportal der Antragsgegnerin alibaba.com, auf dem die zum Gegenstand des Tenors gemachten Stühle ausweislich der Anlage 8 am 10.12.2014 gezeigt worden sind, ist auch in deutscher Sprache abrufbar und mithin an deutsche Kunden gerichtet (Anlage 10). Damit waren die Abbildungen der Stühle bestimmungsgemäß auch in Düsseldorf abrufbar.
7II.
8Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass ihr gegen die Antragsgegnerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus Artikel 19 Absatz 1, Artikel 10, Artikel 89 Absatz 1 a) Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung zusteht.
9Die Antragstellerin ist ausweislich des als Anlage 4 vorgelegten Registerauszugs Inhaberin des am 11.10.2010 angemeldeten und eingetragenen und am 21.10.2010 veröffentlichten Gemeinschaftsgeschmacksmusters Nr. #####/####-0001(im Folgenden: Verfügungsgeschmacksmuster), nach dem sie ausweislich der Anlage 1 unter der Bezeichnung „HAL Wood“ Stühle vertreibt. Im Register des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt sind folgende Abbildungen hinterlegt:
100001.1
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0001.2 |
0001.3 |
0001.4 |
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0001.5 |
0001.6 |
Das Verfügungsgeschmacksmuster zeigt mithin einen Stuhl, der durch folgende Merkmale geprägt wird:
131) Eine durchgehende, ergonomisch geformte Sitzschale,
142) bei der Sitz- und Rückenfläche aus jeweils einer etwa gleich großen rechteckigen Grundform mit abgerundeten Ecken bestehen,
153) die mit vier stämmigen, runden Beinen kombiniert wird,
164) die an den zu den Ecken der Sitzflächen hin verlaufenden Ausläufern eines die Grundform der Fläche übernehmenden Befestigungselementes montiert sind, das mittig auf der Unterseite der Sitzfläche angebracht ist,
175) wobei die Stuhlbeine leicht nach außen stehen.
18Die Rechtsgültigkeit des eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters wird im Verletzungsprozess vermutet, Artikel 85 Absatz 1 Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung. Darüber hinaus hat die Antragstellerin auch glaubhaft gemacht, dass sich der Gegenstand des Verfügungsgeschmacksmusters von dem im Jahr 2012 auf dem Markt befindlichen Formenschatz, den sie als Anlage 7 vorgelegt hat, deutlich unterscheidet.
19Die im Beschlusstenor abgebildeten Verletzungsmuster erwecken jeweils denselben Gesamteindruck wie das Verfügungsgeschmacksmuster, da sie jedenfalls die vorstehend wiedergegebenen, den Gesamteindruck des Verfügungsgeschmacksmusters prägenden Merkmale zu 1) – 3) und 5) vollständig übernehmen. Unterschiede sind nicht zu erkennen. Soweit bei einzelnen Abbildungen die Gestaltung der Unterseite der Sitzschale nicht in allen Einzelheiten zu erkennen ist, so würde allein eine Abweichung bei der Befestigung der Beine an der Sitzschale (beschrieben in Merkmal 4)) nicht aus dem übereinstimmenden Gesamteindruck herausführen. Eine solche ist aber auch fernliegend, da die angegriffenen Stühle ausdrücklich unter Bezugnahme auf den von der Antragstellerin nach dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster vertriebenen Stuhl „HAL Wood“ beworben werden.
20Es ist durch Vorlage der Angebotsübersicht der Antragsgegnerin vom 10.12.2014 als Anlage 8 weiterhin glaubhaft gemacht, dass alle im Beschlusstenor abgebildeten Stühle auf dem auch an deutsche Kunden gerichteten Verkaufsportal der Antragsgegnerin alibaba.com abrufbar waren.
21Der Antragsgegnerin kommt schließlich nicht die Haftungsprivilegierung nach Paragraph 10 Telemediengesetz zugute. Danach sind Diensteanbieter für fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern, dann nicht verantwortlich, wenn sie keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information haben und ihnen im Falle von Schadensersatzansprüchen auch keine Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung oder die Information offensichtlich wird, oder wenn sie unverzüglich tätig geworden sind, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren, sobald sie diese Kenntnis erlangt haben. Es kann letztlich dahinstehen, ob die Antragsgegnerin aufgrund ihres Geschäftsmodells als Diensteanbieterin im vorstehenden Sinne anzusehen ist. Denn vorliegend ist glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin durch die Antragstellerin bereits am 28.11.2014 im Wege der Abmahnung auf verschiedene rechtsverletzende Abbildungen des geschmacksmustergeschützten Stuhls aufmerksam gemacht worden ist (Anlagen 2, 18). Sie hat diese jedoch ausweislich ihrer als Anlage 8 vorgelegten Angebotsübersicht vom 10.12.2014 teilweise nur zeitweise gelöscht (Angebot gemäß Anlage 12). Im Übrigen hat sie, obwohl ihr spätestens gemäß der E-Mail der Antragstellerin vom 01.12.2014 (Anlage 20) durch die Bezeichnung der Stühle als „HAL“ bzw. „HAL Wood“ ein Auffinden der rechtsverletzenden Angebote ohne Weiteres möglich gewesen wäre, diese nicht entfernt, und noch am 10.12.2014 online wiedergegeben. Sie hat es mithin trotz Kenntnis der entscheidenden Informationen versäumt, den Zugang zu den rechtsverletzenden Abbildungen zu sperren.
22III.
23Die Androhung von Ordnungsmitteln beruht auf Paragraph 890 Absatz 2 Zivilprozessordnung.
24IV.
25Es liegt auch der erforderliche Verfügungsgrund vor. Die Antragstellerin ist zur Wahrung ihrer Rechte auf einstweiligen Rechtsschutz angewiesen. Sie hat insbesondere durch eidesstattliche Versicherung des Herrn T (Anlage 2) und die Vorlage der E-Mail der Frau E vom 11.11.2014 (Anlage 17) glaubhaft gemacht, dass ihr IP-Koordinator T erst am 11.11.2014 von der Mitarbeiterin der spanischen Tochtergesellschaft E auf die streitgegenständlichen Angebote auf alibaba.com aufmerksam gemacht worden ist. Nach der Abmahnung und der vorprozessualen Korrespondenz mit der Antragsgegnerin hat sie am 17.12.2014 den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung gestellt. Damit hat sie ausreichend gezeigt, dass ihr die Sache dringlich ist.
26V.
27Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 91 Absatz 1 Zivilprozessordnung.
28Rechtsbehelfsbelehrung:
29Gegen diesen Beschluss kann Widerspruch erhoben werden (§ 924 ZPO). Dieser ist bei dem Landgericht Düsseldorf (Werdener T-Straße, 40227 Düsseldorf oder Postfach 103461, 40025 Düsseldorf) schriftlich einzulegen. Der Widerspruch soll eine Begründung unter Darlegung der Gründe, die für die Aufhebung geltend gemacht werden, enthalten. Eine Frist ist nicht einzuhalten. Die Gerichtssprache ist deutsch.
30Vor dem Landgericht herrscht Anwaltszwang. Widerspruchs- und Widerspruchsbegründungsschrift sind durch eine zugelassene Rechtsanwältin oder einen zugelassenen Rechtsanwalt einzureichen und zu unterzeichnen.
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Für Klagen aus unerlaubten Handlungen ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.
(1) Gegen den Beschluss, durch den ein Arrest angeordnet wird, findet Widerspruch statt.
(2) Die widersprechende Partei hat in dem Widerspruch die Gründe darzulegen, die sie für die Aufhebung des Arrestes geltend machen will. Das Gericht hat Termin zur mündlichen Verhandlung von Amts wegen zu bestimmen. Ist das Arrestgericht ein Amtsgericht, so ist der Widerspruch unter Angabe der Gründe, die für die Aufhebung des Arrestes geltend gemacht werden sollen, schriftlich oder zum Protokoll der Geschäftsstelle zu erheben.
(3) Durch Erhebung des Widerspruchs wird die Vollziehung des Arrestes nicht gehemmt. Das Gericht kann aber eine einstweilige Anordnung nach § 707 treffen; § 707 Abs. 1 Satz 2 ist nicht anzuwenden.