Landgericht Duisburg Urteil, 21. Aug. 2015 - 10 O 89/15
Gericht
Tenor
Das beklagte Land wird verurteilt, an die Kläger 448,51 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.04.2015 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu 2/3 und das beklagte Land zu 1/3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand
2Die Kläger begehren vom beklagten Land den Ersatz von Steuerberatergebühren.
3Die Kläger hatten Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Mit Schreiben vom 28.10.2014 der Steuerberaterkanzlei N & H beantragten sie beim Finanzamt X die Herabsetzung ihrer Vorauszahlungen ab dem 4. Quartal 2014, da der voraussichtliche Gewinn für das Jahr 2014 nur 100.000,- EUR betragen sollte (Bl. 6 d.A.). Daraufhin erließ das Finanzamt X am 12.11.2014 einen abgeänderten Vorauszahlungsbescheid, dem ein Gewinn von 100.000,- EUR zugrunde gelegt wurde (Bl. 7 ff. d.A.).
4Mit Bescheiden vom 22.12.2014 wurden die Vorauszahlungen sowohl rückwirkend für das Jahr 2014 als auch die zukünftigen Vorauszahlungen für das Jahr 2015 auf Grundlage eines jährlichen Gewinns von 150.672,- EUR abgeändert (Bl. 11 ff., 15 ff. d.A.), da der Sachbearbeiter des Finanzamtes übersehen hatte, dass eine Herabsetzung der Vorauszahlungen beantragt und bewilligt worden war. Die Haftung des beklagten Landes dem Grunde nach ist unstreitig.
5Gegen diese Bescheide des Finanzamtes legten die Kläger durch die Steuerberaterkanzlei N & H am 29.12.2014 Einspruch ein und beantragten zugleich die Aussetzung der Vollziehung der Vorauszahlungsbescheide (Bl. 19 d.A.).
6Mit Bescheid des Finanzamtes X vom 05.01.2015 wurden die Vorauszahlungen abermals abgeändert auf der Grundlage eines Gewinns von 100.000,- EUR (Bl. 20 f. d.A.).
7Mit Rechnung vom 16.01.2015 forderte die Steuerberaterkanzlei N & H 1.300,67 EUR von den Klägern (Bl. 23 d.A.), die sie am 10.02.2015 bezahlten (Bl. 46 d.A.). Mit Schreiben vom 02.02.2015 verlangten die Kläger vom beklagten Land die Erstattung dieser Kosten (Bl. 22 d.A.), was das beklagte Land mit seinem Schreiben vom 24.02.2015 ablehnte (Bl. 24 f. d.A.).
8Die Kläger behaupten, sie seien finanziellen Risiken durch die Möglichkeit einer Vollziehung der Vorauszahlungsbescheide ausgesetzt gewesen, wenn sie bloß einen erneuten Antrag auf Herabsetzung der Vorauszahlungen gestellt hätten. Ihrer Ansicht nach sei für die Berechnung der Steuerberatergebühren § 40 Abs. 2 StBVV maßgeblich.
9Die Kläger beantragen,
10das beklagte Land zu verurteilen, an sie 1.300,67 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
11Das beklagte Land beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Das beklagte Land behauptet, die Kosten für die Einlegung des Einspruchs seien nicht erforderlich gewesen, da das Versehen des Finanzamtes offenkundig gewesen sei. Es sei zunächst ausreichend gewesen, den Sachbearbeiter auf das Versehen hinzuweisen bzw. einen Antrag auf Herabsetzung der Vorauszahlungen zu stellen. Seiner Ansicht nach sei für die Berechnung der Steuerberatergebühren § 40 Abs. 1 S. 3 StBVV maßgeblich.
14Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
15Entscheidungsgründe
16Die Kläger haben gegen das beklagte Land einen Amtshaftungsanspruch aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG i.H.v. 448,51 EUR wegen der rechtsfehlerhaften Vorauszahlungsbescheide vom 22.12.2014.
17Die Kläger haben nicht gegen ihre Schadensminderungspflicht aus § 254 Abs. 2 BGB verstoßen, da die Einspruchseinlegung eine angemessene und nachvollziehbare Reaktion darstellt (vgl. dazu Kilian/Schwerdtfeger, Amtshaftung und Einspruchsverfahren, DStR 2006, 1773 ff.).
18Auch die evidente Fehlerhaftigkeit der Vorauszahlungsbescheide führt nicht dazu, dass die Kläger zunächst den Weg über einen formlosen Hinweis oder einen bloßen Antrag hätten versuchen müssen. Denn angesichts der durch die Bescheide vom 22.12.2014 im Raum stehenden Vorauszahlungen ist kein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht darin zu sehen, dass vorliegend der gesetzlich vorgesehene Weg der Beanstandung der Bescheide durch den förmlichen Rechtsbehelf des Einspruchs gewählt wurde (vgl. dazu OLG Düsseldorf, Urteil vom 10.11.2010 – I-18 U 56/10; OLG Celle, Urteil vom 23.08.2012 – 16 U 8/12; OLG Brandenburg NVwZ-RR 2007, 369 ff.). Dieser bietet dem Steuerpflichtigen die größtmögliche Rechtssicherheit und zudem den Vorteil, dass der Einspruch anders als ein bloßer Änderungsantrag mit einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung verbunden werden kann (vgl. Kilian/Schwerdtfeger, DStR 2006, 1773, 1775).
19Die Kläger verursachten auch aus anderen Gründen keine unnötigen Kosten. Entgegen der Rechtsansicht des Oberlandesgerichts Brandenburg kommt es nicht darauf an, ob ein Missverhältnis zwischen dem wirtschaftlichen Nutzen der Tätigkeit des Steuerberaters, mithin der Einspruchseinlegung, und den durch sie anfallenden Gebühren besteht (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 10.11.2010 – I-18 U 56/10; OLG Celle, Urteil vom 23.08.2012 – 16 U 8/12). Denn in der ständigen Rechtsprechung ist die staatliche Pflicht zum Ersatz von Schäden aufgrund einer Inanspruchnahme von Steuerberatern grundsätzlich anerkannt, was insbesondere vor dem Hintergrund erheblicher finanzieller Risiken bei höheren Streitwerten gilt. Wird auf ein wirtschaftliches Missverhältnis abgestellt, werden die erheblichen rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken, die aus den rechtswidrigen Vorauszahlungsbescheiden resultieren, von der schadensverursachenden Finanzbehörde auf den Steuerpflichtigen verlagert.
20Da die Steuerberaterkanzlei N & H Gebühren nach § 28 StBGebV erhalten hat, infolge der vorherigen Prüfung der Vorauszahlungsbescheide, kann sie nach § 40 Abs. 2 StBVV eine Geschäftsgebühr von 3/10 bis 20/10 einer vollen Gebühr nach Tabelle E abrechnen.
21Angemessen erscheint indessen lediglich eine 3/10-Gebühr. Der Ansatz von 10/10 im Rahmen des § 40 Abs. 2 StBVV ist dabei überhöht.
22Zwar bestimmt nach § 11 StBVV der Steuerberater die Gebühr grundsätzlich nach billigem Ermessen, soweit ein Rahmen vorgesehen ist. Er berücksichtigt dabei alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Bedeutung der Angelegenheit, den Umfang und die Schwierigkeit der beruflichen Tätigkeit. Die Feststellungen zur Angemessenheit der Gebührennote kann das Gericht dabei jedoch aus eigener Sachkunde treffen, ohne dass es deshalb der Einholung eines diesbezüglichen Gutachtens der Steuerberaterkammer bedarf. Die StBVV sieht die zwingende Einschaltung der Berufskammer bei Rechtsstreitigkeiten über Gebühren nicht vor (vgl. dazu OLG Düsseldorf, Urteil vom 10.11.2010 – I-18 U 56/10; OLG Celle, Urteil vom 19.02.2002 – 16 U 185/01).
23Bei der Festlegung der angemessenen Gebühr war zu berücksichtigen, dass die Vorauszahlungsbescheide auf einem offensichtlichen Fehler des Sachbearbeiters beruhten, da die vorherige Herabsetzung der Vorauszahlungen nicht berücksichtigt wurde. Die Ausführungen des Steuerberaters in der Einspruchsbegründung vom 29.12.2014 waren weder umfänglich noch schwierig, so dass eine Gebühr im untersten Bereich des Gebührenrahmes angemessen war. Insbesondere musste der Steuerberater keine umfangreichen Akten und Steuererklärungen durcharbeiten, da er aufgrund der bis dahin ausgeübten Tätigkeiten entsprechende Kenntnisse besaß. Ein besonderer Zeitumfang der Bearbeitung ist nicht erkennbar und wird nicht vorgetragen.
24Die Rechtsprechung des BGH, wonach eine Anpassung der Regelgebühr im Rahmen von 20% der gerichtlichen Überprüfung entzogen ist (vgl. zu Rechtsanwaltsgebühren: BGH NJW 2011, 1603; BGH NJW-RR 2012, 887; BGH NZV 2012, 538), ist vorliegend nicht einschlägig. Aus den vorstehenden Erörterungen ergibt sich auch, dass die von den Steuerberatern mit 10/10 festgesetzte Gebühr (1.023,- EUR) sich nicht mehr im Rahmen der sogenannten Toleranz, also eines Spielraumes von 20% in Bezug auf die tatsächlich angemessene 3/10 Gebühr (306,90 EUR), hält.
25Das beklagte Land kann sich letztlich auch nicht auf einen Anspruchsausschluss nach § 839 Abs. 3 BGB berufen. Denn im steuerrechtlichen Einspruchsverfahren findet mangels entsprechender gesetzlicher Regelung eine Kostenerstattung nicht statt, mithin auch nicht bei einem erfolgreichen Einspruch gegen einen Vorauszahlungsbescheid.
26Der Zinsanspruch beruht auf den §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.
27Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
28Streitwert: 1.300,67 EUR.
29G C Dr. F
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Annotations
Auf die Vergütung des Steuerberaters für Verfahren vor den Verwaltungsbehörden sind die Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes sinngemäß anzuwenden.
(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.
(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.
Für die Prüfung eines Steuerbescheids erhält der Steuerberater die Zeitgebühr.
Auf die Vergütung des Steuerberaters für Verfahren vor den Verwaltungsbehörden sind die Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes sinngemäß anzuwenden.
Ist für die Gebühren ein Rahmen vorgesehen, so bestimmt der Steuerberater die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der beruflichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Steuerberaters kann bei der Bemessung herangezogen werden. Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Steuerberater getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.
(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.
(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.