Landgericht Bochum Urteil, 22. Juli 2015 - 4 O 413/14

Gericht
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 11.689,34 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.206,09 € seit dem 01.10.2014, aus 1.206,09 € seit dem 01.11.2014, aus 1.206,09 € seit dem 01.12.2014, aus 1.153,01 € seit dem 01.02.2015; aus 1.153,01 € seit dem 01.03.2015, aus 1.153,01 € seit dem 01.04.2015, aus 1.153,01 € seit dem 01.05.2016, aus 1.153,01 € seit dem 01.06.2015 und aus 1.153,01 € seit dem 01.07.2015 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zukünftig beginnend mit dem 01.08.2015 monatlich im Voraus die vereinbarte BU-Rente in Höhe von 1.153,01 € bis längstens 01.09.2033 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beitragszahlungspflicht des Klägers in der bei der Beklagten unter der Versicherungsscheinnummer # bestehenden Berufsunfähigkeitsversicherung auch ab dem 01.01.2015 bis längstens 01.09.2032 nicht besteht.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Einstellung der Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung durch die Beklagte unter Verweisung des Klägers auf eine neue von ihm ausgeübte berufliche Tätigkeit.
3Der am 24.11.1977 geborene Kläger schloss bei der Beklagten am 25.09.2001 eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung unter der Versicherungsnummer # ab. Die monatliche Berufsunfähigkeitsrente beträgt 1.153,01 EUR und der monatliche Beitrag 53,08 EUR. Maßgebend sind die „Allgemeinen Bedingungen für die Berufsunfähigkeitsversicherung (EBP801)“. § 33 Abs. 1 und 4 der Bedingungen lauten wie folgt:
4(1) Nach Anerkennung Ihrer Ansprüche sind wir berechtigt, das Fortbestehen unserer Leistungspflicht zu prüfen. Dabei können wir auch prüfen, ob die versicherte Person eine andere Tätigkeit ausübt, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und ihrer Lebensstellung bei Eintritt der Berufsunfähigkeit entspricht.
5(4) Ist die Berufsunfähigkeit wegegefallen oder hat sich ihr Grad auf weniger als 50 Prozent vermindert bzw. ist die Pflegebedürftigkeit unter Pflegestufe I gesunken, stellen wir unsere Leistungen ein. Die Einstellung teilen wir dem Anspruchberechtigten unter Hinweis auf seine Rechte mit; sie wird nicht vor Ablauf eines Monats nach Absenden dieser Mitteilung wirksam. Zu diesem Zeitpunkt muss die Beitragszahlung wieder aufgenommen werden.
6Wegen der weiteren Bestimmungen wird auf das Bedingungswerk der Beklagten in der Anlage 1 zur Klageschrift vom 10.12.2014 Bezug genommen.
7Der Kläger war mit einem Bruttogehalt von 1.919,88 EUR als Soldat bei der Bundeswehr tätig, wobei er auch an Auslandseinsätzen teilnahm. Infolge posttraumatischer Belastungsstörungen war der Kläger seit dem 29.09.2004 nicht mehr fähig, diesen Beruf fortzuführen.
8Mit Schreiben vom 09.06.2005 erkannte die Beklagte ihre unbefristete Leistungspflicht an, nachdem sie bereits zuvor die monatlichen Renten zur Auszahlung gebracht und den Kläger von der Beitragspflicht befreit hatte.
9Der Kläger nahm in der Folge ein Studium der Germanistik nebst pädagogischer Zusatzausbildung in der Schweiz auf. Zum 01.09.2013 begann er eine bis zum 31.08.2015 befristete Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit einer täglichen Arbeitszeit von 4 Stunden und einem Bruttogehalt von 2.988,85 EUR an der Universität. Im Rahmen seiner Tätigkeit mit freier Zeiteinteilung und Homeoffice betreute er unter anderem ein E-Journal. Wegen der weiteren Einzelheiten des Arbeitsverhältnisses wird auf die Ablichtung des Anstellungsvertrages vom 10.09.2013 in der Anlage zum Verhandlungsprotokoll vom 10.06.2015 verwiesen.
10Die Beklagte trat in das Nachprüfungsverfahren ein. Sie übermittelte dem Kläger mit Schreiben vom 04.06.2014 das Ergebnis, wonach eine weitere Berufsunfähigkeit im Sinne der Bedingungen nicht mehr vorliege, nachdem der Kläger auf die von ihm ausgeübte Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter verwiesen werden könne. Die Zahlungen stellte sie zum 01.10.2014 ein und zog die monatlichen Beiträge wieder ein. Wegen des weiteren Inhalts dieses Schreibens wird auf die Anlage 5 zur Klageschrift verwiesen.
11Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.06.2014 forderte der Kläger die Beklagte erfolglos unter Fristsetzung auf, das Fortbestehen ihrer Leistungspflicht über den 01.10.2014 anzuerkennen.
12Der Kläger meint, die Leistungseinstellung durch die Beklagte sei unzulässig.
13Bereits die formellen Voraussetzungen einer wirksamen Leistungseinstellung aus § 33 Abs. 4 der Bedingungen seien in dem Schreiben vom 04.06.2014 nicht erfüllt.
14Die Leistungseinstellung sei auch materiell nicht begründet. Eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit sei nach wie vor gegeben. Die nach Eintritt der Berufsunfähigkeit erworbenen beruflichen Fähigkeiten seien nicht zu berücksichtigen, so dass eine Verweisung auf den Beruf als wissenschaftlicher Mitarbeiter unzulässig sei. Für die Frage, ob der Versicherer dem Versicherungsnehmer in einem solchen Fall die Berufsunfähigkeit unter Verweisung auf seine neue berufliche Tätigkeit absprechen dürfe, sei die diesbezügliche Regelung im jeweils vereinbarten Bedingungswerk maßgeblich. Während in § 13 Abs. 1 S. 2 der Musterbedingungen die Berücksichtigungsfähigkeit neu erworbener beruflicher Fähigkeiten ausdrücklich vorgesehen sei, sei dies in § 33 Abs. 1 der EBP801 gerade nicht der Fall. Sähen die Bedingungen anders als die Musterbedingungen eine Berücksichtigung neu erworbener Fähigkeiten nicht vor, müssten diese unberücksichtigt bleiben. Der Kläger meint, dies gelte entgegen der Auffassung der Beklagten auch in den Fällen, in denen der Versicherungsnehmer tatsächlich einen Arbeitsplatz entsprechend der neuen Qualifikationen gefunden habe.
15Selbst wenn die neu erworbenen Fertigkeiten zu berücksichtigen wären, so sei der Beruf des Soldats nicht mit demjenigen des wissenschaftlichen Mitarbeiters vergleichbar. Die Berufe unterschieden sich im Berufsbild und in der gesellschaftlichen Wahrnehmung. Der regelmäßigen vierstündigen Arbeitszeit im Bereich der Geisteswissenschaften stehe die stark körperlich betonte Tätigkeit mit Auslandseinsätzen gegenüber. Die soziale Absicherung im Rahmen der neuen Tätigkeit entspreche nicht dem gefestigten sozialen Status als Soldat. Der Kläger behauptet, der von vornherein befristete Arbeitsvertrag an der Hochschule, welcher zum 31.08.2015 auslaufe, werde nicht verlängert. Danach stehe ihm kein Einkommen mehr zur Verfügung.
16Das Feststellungsinteresse bezüglich des Antrags zu 3) sei gegeben, weil insoweit die Verjährung einer selbstständigen vertraglichen Verpflichtung der Beklagten abgewendet werde.
17Der Kläger beantragt,
181. |
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.618,27 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.206,09 EUR seit dem 01. Oktober 2014, aus 1.206,09 EUR seit dem 01.November 2014 und aus 1.206,09 EUR seit dem 01. Dezember 2014; |
2. |
die Beklagte zu verurteilen, an ihn zukünftig beginnend mit dem 01. Januar 2015 monatlich im Voraus die vereinbarte BU-Rente in Höhe von 1.153,01 EUR zu zahlen bis längstens 01. September 2033; |
3. |
festzustellen, dass die Beitragszahlungspflicht des Klägers in der bei der Beklagten unter der Versicherungsscheinnummer # bestehenden Berufsunfähigkeitsversicherung auch zukünftig ab dem 01. Januar 2015 bis längstens 01. September 2032 nicht besteht; |
4. |
die Beklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.954,46 EUR zu zahlen. |
Die Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen. |
Die Beklagte meint, die Änderungsmitteilung vom 04.06.2014 habe das Erlöschen ihrer Leistungspflicht zum Oktober 2014 herbeigeführt, nachdem sie den Kläger in zulässiger Weise auf die von diesem ausgeübte Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule verwiesen habe. Bei ihrer Nachprüfung habe sie die vom Kläger tatsächlich erworbenen neuen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten in vollem Umfang berücksichtigen dürfen. Zwar fehle in § 33 Abs. 1 der Bedingungen die ausdrückliche Regelung der Berücksichtigungsfähigkeit nachträglich erworbener Kenntnisse und Fertigkeiten. Aus Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers sei die Regelung in den Bedingungen so zu verstehen, dass die im Zeitpunkt der Nachprüfung tatsächlich vorhandenen Kenntnisse zu Grunde zu legen seien, auch wenn sie im Zeitpunkt des Eintritts der Berufsunfähigkeit nicht vorhanden gewesen seien.
22Da der Kläger tatsächlich eine zumutbare und mögliche Beschäftigung entsprechend seiner neu erworbenen beruflichen Fähigkeiten gefunden habe, sei es ihr nicht nach Treu und Glauben verwehrt, die nach dem Eintritt der Berufsunfähigkeit freiwillig erworbenen Fertigkeiten zu berücksichtigen und die Leistungen einzustellen. Dem Versicherer sei in einem solchen Fall die Leistungseinstellung nur dann verwehrt, wenn der Versicherungsnehmer trotz seiner – in zumutbarer Weise erfolgten – Bemühungen einen entsprechenden Arbeitsplatz nicht gefunden habe (sog. abstrakte Verweisung).
23Die neue Tätigkeit entspreche auch der bisherigen Lebensstellung des Klägers und sei daher vergleichbar. Die Beklagte meint, die Befristung eines Arbeitsverhältnisses stehe der Vergleichbarkeit nicht entgegen und stelle auch ansonsten kein rechtlich relevantes Verweisungshindernis dar. Vielmehr sei die Befristung Ausdruck des Arbeitsmarktrisikos, welches gerade nicht versichert sei.
24Die Beklagte ist der Auffassung, der Feststellungsantrag zu 3) sei mangels Feststellungsinteresse nicht zulässig. Die Beitragsfreistellung sei eine zwingende Folge des mit dem Antrag zu 2) verfolgten Leistungsantrags.
25Entscheidungsgründe
26Die zulässige Klage ist – mit Ausnahme des Antrags auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren – begründet.
27I.
28Der Kläger hat auch über den Zeitpunkt der Leistungseinstellung zum Oktober 2014 hinaus einen Anspruch auf Rentenleistung und Beitragsbefreiung aus der Berufsunfähigkeitsversicherung.
29Für den Zeitraum von Oktober 2014 bis Juli 2015 ergibt sich der auf die rückständigen Renten zuzusprechende Betrag von 11.530,10 EUR. Daneben war die für den Zeitraum von Oktober 2014 bis Dezember 2014 beantragte Rückerstattung der Beiträge von insgesamt 159,24 EUR zuzusprechen.
30Soweit inzwischen Renten bis zum 01.07.2015 fällig geworden sind, war nicht mehr über zukünftige Leistungen zu entscheiden. Die Kammer hat daher zur Zahlung der bis zu diesem Zeitpunkt fälligen Rentenzahlungen in Höhe von insgesamt 11.530,10 EUR (10 Monate à 1.153,01 EUR) verurteilt und im Übrigem dem Antrag auf zukünftige Leistungen stattgegeben. Einer Änderung der Klageanträge bedurfte es insoweit nicht (BGH, NJW-RR 2005, 1169; Greger in: Zöller, ZPO, 29. Auflage 2012, 257 Rn. 7).
31Die Beklagte ist an das mit Schreiben vom 09.06.2005 erklärte Anerkenntnis ihrer Leistungspflicht gegenüber dem Kläger gebunden. Das Anerkenntnis bindet die Beklagte gem. § 174 VVG/ § 31 EBP801 bis zum vertragsgemäßen Erlöschen der Leistungspflicht. Sie bleibt an ihr Anerkenntnis so lange gebunden, bis sie mit Erfolg das Verfahren nach § 174 VVG durchgeführt hat (Prölss/Martin/Lücke VVG § 173 Rn 3, 174 Rn 2).
32Die Änderungsmitteilung vom 04.06.2014 hat das Erlöschen der Leistungspflicht der Beklagten zum Oktober 2014 nicht herbeigeführt.
33Die Beklagte war nicht gem. § 33 Abs. 4 S. 1 EBP801/ § 174 VVG berechtigt, ihre Leistungen wegen eines Wegfalls der Berufsunfähigkeit einzustellen.
34Nach § 33 Abs. 1 EBP801/§ 172 Abs. 3 VVG darf die Beklagte bei der Überprüfung des Fortbestehens der Leistungspflicht prüfen, ob die versicherte Person eine andere Tätigkeit ausübt, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und ihrer Lebensstellung bei Eintritt der Berufsunfähigkeit entspricht. Damit ist vorliegend die konkrete Verweisungsmöglichkeit vereinbart. Da die Bedingungen weder eine Verpflichtung zur Umschulung noch eine solche zur Annahme einer anderen Tätigkeit begründen, hat es der Versicherte zivilrechtlich, arbeits- und sozialrechtlich wird das oft anders aussehen, selbst in der Hand, der Verweisungsmöglichkeit aus dem Wege zu gehen. Nur in krassen Fällen wird der Versicherte nach Treu und Glauben so behandelt werden können, als ob er die ihm mögliche und zumutbare Arbeit tatsächlich ausüben würde (vgl. Lücke in Prölls/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, § 172 Rn. 113 ff.; § 2 BU Rn. 91 ff.).
35Infolge der vertraglichen Vereinbarung der Verweisungsmöglichkeit gem. § 172 Abs. 3 VVG ist das Fehlen der Verweisungsmöglichkeit auf einen vergleichbaren Beruf Voraussetzung für das Bestehen und auch das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit.
36Eine konkrete Verweisung des Klägers auf die derzeit ausgeübte zeitlich befristete Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter war der Beklagten unabhängig von der Frage, ob die durch das Studium und damit nach Anerkenntnis erlangte Qualifikation in diesem Versicherungsverhältnis überhaupt berücksichtigt werden darf, jedenfalls infolge der Befristung der Tätigkeit verwehrt.
37Die Beklagte darf ihre Leistungen nur dann einstellen, wenn sie den Kläger auf einen bereits ausgeübten konkreten Beruf verweisen kann.
38Der Beklagten war es jedenfalls nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verwehrt, den Kläger auf die lediglich befristete Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter zu verweisen.
39Bereits der Umstand, dass es sich bei der Tätigkeit, auf die der Kläger verwiesen wird, nicht um eine Festanstellung handelt, steht der Annahme entgegen, er „übe jetzt einen Verweisberuf aus“. Vielmehr bedarf es eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses (OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.12.2012 - 12 U 93/12, =VersR 2013, 747).
40Nach dem Anerkenntnis des Versicherers können neu erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten jedenfalls nur berücksichtigt werden, wenn sie zu einer Festanstellung geführt haben (Lücke in: Prölls/Martin BU § 2 Rn. 45; VVG § 174 Rn. 16; Voit/Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 2. Aufl., J. Rn 28 ff.).
41Soweit die Beklagte meint, dass eine konkrete Verweisung grundsätzlich auch bei der Befristung einer neuen, den Lebensweg prägenden Tätigkeit des Versicherungsnehmers zulässig sei, weil es sich bei der Befristung um ein im Rahmen der Berufsunfähigkeitsversicherung nicht versichertes Risiko des Arbeitsmarktes handele, folgt aus diesem Rechtsgedanken für den zu entscheidenden Fall kein anderes Ergebnis. Wenn der Versicherungsnehmer seine beruflichen Fähigkeiten freiwillig erst nach dem Anerkenntnis durch den Versicherer in Form eines Hochschulstudiums erweitert und nach Abschluss desselben wieder freiwillig ein befristetes Arbeitsverhältnis als wissenschaftlicher Mitarbeiter aufnimmt, darf er berechtigterweise erwarten, der Versicherer werde von seinem Recht zur Leistungseinstellung nach Treu und Glauben erst Gebrauch machen, wenn er eine Festanstellung gefunden hat. Sieht der Versicherungsnehmer, der nach der Anerkennung der Berufsunfähigkeit freiwillig seine Kenntnisse erweitert hat, davon ab, ein Beschäftigungsverhältnis aufzunehmen, darf er mangels abstrakter Verweisungsmöglichkeit weiter mit den Leistungen aus der Versicherung rechnen. Bis der Versicherungsnehmer in einem solchen Fall eine Festanstellung erlangt, trägt der Versicherer die von ihm vertraglich übernommene Leistungsverpflichtung. Erst wenn die nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ausgestaltete vertragliche Leistungspflicht des Versicherers endet, trägt der Versicherungsnehmer das allgemeine Arbeitsmarktrisiko.
42Soweit die konkrete Verweisung auf einen Nischen- bzw. Schonarbeitsplatz durch das OLG Frankfurt in seinem Urteil von 20.02.2007 (VersR 2007, 1358) mit der Begründung für zulässig erachtet wird, die Gründe für die fehlende abstrakte Verweisungsmöglichkeit seien nicht gegeben, steht diese Entscheidung dem vorliegenden Ergebnis nicht entgegen.
43Dem Versicherer mag es nach Treu und Glauben nicht verwehrt sein, den Versicherungsnehmer auf einen konkret ausgeübten Schonarbeitsplatz zu verweisen, für welchen es ansonsten keinen regulären Arbeitsmarkt geben würde. Für befristete Arbeitsplätze existiert demgegenüber gerade ein Arbeitsmarkt und an der Universität sind solche Arbeitsplätze üblich. Maßgeblich ist vor allem, dass der eigens eingerichtete Schonarbeitsplatz im Gegensatz zur vorliegenden Fallkonstellation gerade eine sichere Festanstellung darstellt.
44Die Beklagte hat die Befristung des Beschäftigungsverhältnisses ausweislich des vom Kläger im Termin vorgelegten Anstellungsvertrages nicht in Abrede gestellt. Soweit sie mit Nichtwissen bestreitet, dass von Beginn an keine Möglichkeit auf Verlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses bestanden habe und dass eine Daueranstellung des Klägers von vornherein nicht vorgesehen gewesen sei, ist dies unerheblich. Dies ändert nichts daran, dass der Kläger derzeit unstreitig keinen unbefristeten Verweisungsberuf in Festanstellung ausübt.
45Überdies ist zweifelhaft, ob § 33 Abs. 1 EBP 801 die Verweisung auf eine konkret ausgeübte Tätigkeit auch unter Berücksichtigung neu erworbener Kenntnisse und Fähigkeiten zulässt. Sehen die Bedingungen – wie im vorliegenden Fall – anders als die Musterbedingungen eine Berücksichtigung neu erworbener Fähigkeiten nicht vor, müssen diese unberücksichtigt bleiben (Lücke in: Prölls/Martin, BU § 13 Rn. 8; VVG § 174 Rn. 16).
46Soweit die Beklagte meint, der verständige Versicherungsnehmer müsse den Wortlaut der Regelung in dem Sinne verstehen, dass jene tatsächlich vorhandenen Kenntnisse zu berücksichtigen seien, welche im Zeitpunkt der Nachprüfung gegeben seien, ist dem nicht zu folgen. Ohne eine ausdrückliche Regelung der Berücksichtigungsfähigkeit neu erworbener Kenntnisse und Fähigkeiten muss der Versicherungsnehmer auch im Falle der Vereinbarung einer konkreten Verweisung nicht davon ausgehen, dass insoweit vom so genannten Stichtagsprinzip abgewichen werde. Sowohl bei der Frage, ob eine Berufsunfähigkeit besteht, als auch bei der Frage ob eine solche fortbesteht, ist bei der Ermittlung des Ausbildungs- und Erfahrungsstandes grundsätzlich der Zeitpunkt maßgeblich, in dem der Versicherte die Fähigkeit zur Ausübung seines bisherigen Berufes verloren hat. Was der Versicherte später hinzulernt, ist grundsätzlich nicht berücksichtigungsfähig (Lücke in Prölls/Martin, § 2 BU Rn. 45). Dass infolge des Umstandes, dass das Bedingungswerk nur die konkrete Verweisung vorsieht, etwas anderes gelten soll, erschließt sich vor diesem Hintergrund nicht.
47II.
48Der Feststellungsantrag zu 3) ist zulässig und begründet. Der Kläger hat insoweit das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.
49Der Anspruch auf Beitragsfreistellung folgt aus § 11 Abs. 2, 3 der EBP801 bei Eintritt des Versicherungsfalles. Mag die Beitragsbefreiung auch eine vertragliche Folge des Versicherungsfalles sein, so folgt das diesbezügliche Feststellungsinteresse des Klägers daraus, dass die Beklagte dem Fortbestehen des Versicherungsfalles entgegentritt. Der Antrag auf zukünftige Beitragsbefreiung ist ferner nicht bereits Gegenstand der Klageanträge zu 1) und 2).
50III.
51Dem Kläger steht der mit dem Antrag zu 4) geltend gemachte Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten gem. §§ 281 Abs. 2, 286 BGB nicht zu. Im Zeitpunkt der Beauftragung seines Prozessbevollmächtigten am 16.06.2014 lag kein Verzug vor.
52Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 709 S. 2 ZPO.

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(1) Stellt der Versicherer fest, dass die Voraussetzungen der Leistungspflicht entfallen sind, wird er nur leistungsfrei, wenn er dem Versicherungsnehmer diese Veränderung in Textform dargelegt hat.
(2) Der Versicherer wird frühestens mit dem Ablauf des dritten Monats nach Zugang der Erklärung nach Absatz 1 beim Versicherungsnehmer leistungsfrei.
(1) Stellt der Versicherer fest, dass die Voraussetzungen der Leistungspflicht entfallen sind, wird er nur leistungsfrei, wenn er dem Versicherungsnehmer diese Veränderung in Textform dargelegt hat.
(2) Der Versicherer wird frühestens mit dem Ablauf des dritten Monats nach Zugang der Erklärung nach Absatz 1 beim Versicherungsnehmer leistungsfrei.
(1) Bei der Berufsunfähigkeitsversicherung ist der Versicherer verpflichtet, für eine nach Beginn der Versicherung eingetretene Berufsunfähigkeit die vereinbarten Leistungen zu erbringen.
(2) Berufsunfähig ist, wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben kann.
(3) Als weitere Voraussetzung einer Leistungspflicht des Versicherers kann vereinbart werden, dass die versicherte Person auch keine andere Tätigkeit ausübt oder ausüben kann, die zu übernehmen sie auf Grund ihrer Ausbildung und Fähigkeiten in der Lage ist und die ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht.
(1) Stellt der Versicherer fest, dass die Voraussetzungen der Leistungspflicht entfallen sind, wird er nur leistungsfrei, wenn er dem Versicherungsnehmer diese Veränderung in Textform dargelegt hat.
(2) Der Versicherer wird frühestens mit dem Ablauf des dritten Monats nach Zugang der Erklärung nach Absatz 1 beim Versicherungsnehmer leistungsfrei.
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
(1) Soweit der Schuldner die fällige Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbringt, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat. Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung nur verlangen, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht wie geschuldet bewirkt, so kann der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung nicht verlangen, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.
(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert oder wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigen.
(3) Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an deren Stelle eine Abmahnung.
(4) Der Anspruch auf die Leistung ist ausgeschlossen, sobald der Gläubiger statt der Leistung Schadensersatz verlangt hat.
(5) Verlangt der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung, so ist der Schuldner zur Rückforderung des Geleisteten nach den §§ 346 bis 348 berechtigt.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.