Landgericht Aachen Beschluss, 17. Okt. 2014 - 11 O 320/14
Tenor
Der angerufene Rechtsweg zu den Zivilgerichten ist unzulässig.
Der Rechtsstreit wird verwiesen an das Familiengericht Düren.
1
Gründe:
2I.
3Die Antragstellerin macht gegen den Antragsgegner Ansprüche betreffend die Nutzung der Räumlichkeiten in der B-Straße 1a in E geltend, in der die Parteien gemeinsam eine ärztliche Praxis betrieben haben zunächst als Praxisgemeinschaft, dann als Gemeinschaftspraxis in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Sie trägt dazu im wesentlichen vor, der Antragsgegner habe im zeitlichen Zusammenhang mit einer Auseinandersetzung der Parteien im Frühjahr 2014 den Zugang zu den Praxisräumlichkeiten durch ein elektronisches Schloss erschwert und mache geltend, schließlich zum 30.9.2014 die Berufsausübungsgemeinschaft gekündigt zu haben. Er nutze diese nunmehr zu Unrecht alleine, habe ihr Hausverbot erteilt und sie von der Nutzung der Räumlichkeiten ausgeschlossen. Sie begehrt daher den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Wegen der Einzelheiten wird auf die Antragsschrift vom 06.10.2014 nebst Anlagen sowie den Schriftsatz vom 16.10.2014 (Bl. 1ff, 132ff d.A.) Bezug genommen.
4Das Gericht hat die Parteien mit der Ladung zum Termin zur Frage seiner Zuständigkeit und einer Verweisung an das Familiengericht angehört. Der Antragsgegner hat hierauf mit Schriftsatz vom 16.10.2014 die Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts gerügt, die Antragstellerin mit Schriftsatz vom selben Tag jedenfalls hilfsweise die Verweisung des Rechtsstreites an das Familiengericht beantragt.
5II.
6Der von der Antragstellerin beschrittene Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist nicht gegeben. Eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit gemäß § 13 GVG liegt nicht vor, es handelt sich vielmehr um eine in die Zuständigkeit der Familiengerichte fallende Rechtsstreitigkeit. Auch im Verhältnis der für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten und für Familiensachen zuständigen Spruchkörper zueinander gelten die Bestimmungen des § 17a Abs. 1 – 5 GVG für eine Rechtswegverweisung entsprechend, § 17a Abs. 6 GVG.
7Es handelt sich vorliegend um eine Familiensache. Nach § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG sind Familiensachen auch Verfahren, die Ansprüche zwischen miteinander verheirateten oder ehemals miteinander verheirateten Personen oder zwischen einer solchen und einem Elternteil im Zusammenhang mit Trennung oder Scheidung oder Aufhebung der Ehe betreffen, sofern nicht die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gegeben ist oder das Verfahren eines der in § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchstabe a bis k ZPO genannten Sachgebiete, das Wohnungseigentumsrecht oder das Erbrecht betrifft. Dies trifft auch auf den vorliegenden Sachverhalt zu.
8Die Parteien sind miteinander verheiratet. Das Verfahren betrifft keines der in § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchstabe a bis k ZPO genannten Sachgebiete, das Wohnungseigentumsrecht oder das Erbrecht. Gesellschaftsrechtliche Ansprüche werden von diesem – abschließenden – Ausnahmekatalog nicht umfasst.
9Die Antragstellerin macht auch einen Anspruch im Zusammenhang mit der Trennung geltend. Dabei kommt es für die Prüfung, ob der zur Entscheidung anstehende Verfahrensgegenstand eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit oder eine Familiensache i. S. des § 17 Abs. 6 GVG darstellt, nicht allein auf den Vortrag der Antragstellerseite, sondern ebenfalls auf das Verteidigungsvorbringen der Gegenseite an. Sofern die Gegenseite – wie hier der Antragsgegner – einwendet, die Ansprüche stünden in einem solchen Zusammenhang, hat der Antragsteller diesen Vortrag zu widerlegen (BGH NJW 2013, 616). Bei der Beurteilung der Frage nach einem Zusammenhang mit Trennung oder Scheidung oder Aufhebung der Ehe ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit § 266 FamFG den Zuständigkeitsbereich der Familiengerichte deutlich erweitert hat („Großes Familiengericht“). Damit sollen bestimmte Zivilrechtsstreitigkeiten, die eine besondere Nähe zu familienrechtlich geregelten Rechtsverhältnissen aufweisen oder die in engem Zusammenhang mit der Auflösung eines solchen Rechtsverhältnisses stehen, ebenfalls Familiensachen werden. Ordnungskriterium dabei ist nach der Gesetzesbegründung allein die Sachnähe des Familiengerichts zum Verfahrensgegenstand. Im Interesse aller Beteiligten soll es dem Familiengericht möglich sein, alle durch den sozialen Verband von Ehe und Familie sachlich verbundenen Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden. Auf diese Weise soll insbesondere die vermögensrechtliche Auseinandersetzung zwischen den Ehegatten außerhalb des Güterrechts (sog. Nebengüterrecht) den Familiengerichten zugewiesen werden. Dabei hat der Begriff des Zusammenhangs nach der Gesetzesbegründung eine inhaltliche wie eine zeitliche Komponente (BGH a.a.O.). Im Hinblick auf die gewünschte möglichst umfassende Zuständigkeit der Familiengerichte ist der Begriff des Zusammenhangs mit der Beendigung der ehelichen Gemeinschaft großzügig zu beurteilen. Auszuscheiden sind die Fälle, in denen der familienrechtliche Bezug völlig untergeordnet ist, so dass eine Entscheidung durch das Familiengericht sachfremd erscheint. Ein inhaltlicher Zusammenhang ist vor allem bei naheliegenden und häufig vorkommenden Folgen oder Begleiterscheinungen der Beendigung einer Ehe gegeben. Der erforderliche inhaltliche Zusammenhang kann rechtlicher oder wirtschaftlicher Art sein. Trennung, Scheidung oder Aufhebung der Ehe müssen jedenfalls in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht für die geltend gemachte Rechtsfolge ursächlich sein. Dass die Ansprüche ihren Grund unmittelbar in der Ehe haben oder aus diesem Rechtsverhältnis herrühren, ist für eine Zuständigkeit nach § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG nicht erforderlich (BGH a.a.O. S. 617).
10Ein inhaltlicher Zusammenhang liegt danach vor, wenn das Verfahren vor allem die wirtschaftliche Entflechtung der (vormaligen) Ehegatten betrifft. Daher können z.B. zwischen den (geschiedenen) Ehegatten bestehende Mietstreitigkeiten sonstige Familiensachen sein (BGH a.a.O.). Z.T. werden bereits Vorgänge anlässlich der Beendigung der Ehe für ausreichend erachtet (vgl. Zöller-Lorenz, ZPO, 30. Auflage, § 266 FamFG, Rn. 17 mit weiteren Nachweisen). Auch Ansprüche zwischen Ehegatten wegen Auflösung einer zwischen ihnen bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts können erfasst sein (OLG Stuttgart Hinweisbeschluss vom 10.01.2011 - 13 W 69/10, NJW-RR 2011, 867; Zöller-Lorenz a.a.O. Rn. 18). Dass dies auf eine Ehegatteninnengesellschaft beschränkt wäre, wie die Antragstellerin meint, ergibt sich aus der zitierten Rechtsprechung und Literatur nicht, ein Grund hierfür ist auch nicht ersichtlich.
11Gemessen an diesen Kriterien besteht hier ein Zusammenhang mit der Trennung der Parteien. Die Parteien haben die Gemeinschaftspraxis begründet, als sie bereits miteinander verheiratet waren. Sie haben in einem handschriftlichen Zusatz zu dem offenbar vorformulierten Vertrag festgehalten, dass „gegenseitige Zahlungen … nicht erforderlich (sind), da die Gesellschafter … in einer Ehe mit Zugewinn leben …“ (S. 2 des Vertrages vom 08.04.2005, Bl. 29 d.A.). Bereits danach ist davon auszugehen, dass der Praxiswert im Zugewinnausgleich der Parteien zu berücksichtigen sein wird, was zwar nicht für sich genommen, aber in der Zusammenschau mit den anderen Umständen für einen inhaltlichen Zusammenhang spricht (dazu BGH a.a.O.).
12Die Beendigung der Gemeinschaftspraxis fällt mit der Trennung der Parteien zusammen (zu diesem Kriterium BGH a.a.O.). Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 28.02.2014 hat nämlich der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin die außerordentliche fristlose Kündigung der Berufsausübungsgemeinschaft erklärt und sich zur Begründung „neben dem bereits erheblich angespannten Verhältnis (der Parteien) als Ehegatten“ (das sich nach dem Vorbringen des Antragsgegners in der Schutzschrift vom 08.09.2014 seit Ende 2013 verschlechterte) hauptsächlich auf einen tätlichen Angriff der Antragstellerin auf den Antragsgegner in der ehelichen Wohnung am 14.02.2014 gestützt und hierdurch das Vertrauensverhältnis als „unwiederbringlich zerstört“ angesehen (Anl. Ast 4 = Bl. 36ff d.A.). Die Antragstellerin selbst spricht in der Antragsschrift davon, dass diese Kündigung „parallel zur Scheidung“ (gemeint offenbar: Trennung) der Ehe ausgesprochen worden sei. Danach lassen offenbar trennungs- bzw. scheidungsbedingte Konflikte den vertragsgemäßen gemeinschaftlichen Betrieb der ärztlichen Praxis als unzumutbar erscheinen (vgl. BGH a.a.O. bzgl. eines Mietverhältnisses).
13Nichts anderes ergibt sich daraus, wenn die Antragstellerin im Schriftsatz vom 16.10.2014 zur Begründung ihres Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vortragen lässt, sie „soll und muss künftig ihre ärztliche Tätigkeit in größerem Umfang ausüben, als dies in der Vergangenheit geschehen ist“. Auch dieses von der Antragstellerin geltend gemachte Bedürfnis steht ersichtlich im Zusammenhang mit der Trennung der Parteien; einen anderen Grund hierfür führt die Antragstellerin jedenfalls selbst ebenfalls nicht an.
14Dass die Parteien selbst einen solchen Zusammenhang mit ihrer ehelichen Trennung gesehen haben, ergibt sich schließlich daraus, dass die Kündigung vom 28.02.2014 auch Gegenstand eines Vergleiches vor dem Familiengericht Düren in der Sitzung vom 07.03.2014 gewesen ist (Anl. Ast 5 = Bl. 40ff d.A.).
15Dies führt zur Zuständigkeit des Familiengerichts, hier des Familiengerichts Düren. Auf den Hilfsantrag der Antragstellerin war der Rechtsstreit daher an dieses zu verweisen.
16Aachen, 17.10.2014
1711. Zivilkammer
18D Vorsitzender Richter am Landgericht |
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Vor die ordentlichen Gerichte gehören die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die Familiensachen und die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Zivilsachen) sowie die Strafsachen, für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder auf Grund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind.
(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden.
(2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges. Sind mehrere Gerichte zuständig, wird an das vom Kläger oder Antragsteller auszuwählende Gericht verwiesen oder, wenn die Wahl unterbleibt, an das vom Gericht bestimmte. Der Beschluß ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges bindend.
(3) Ist der beschrittene Rechtsweg zulässig, kann das Gericht dies vorab aussprechen. Es hat vorab zu entscheiden, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt.
(4) Der Beschluß nach den Absätzen 2 und 3 kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Er ist zu begründen. Gegen den Beschluß ist die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben. Den Beteiligten steht die Beschwerde gegen einen Beschluß des oberen Landesgerichts an den obersten Gerichtshof des Bundes nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Die Beschwerde ist zuzulassen, wenn die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das Gericht von der Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht. Der oberste Gerichtshof des Bundes ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden.
(5) Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.
(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten für die in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständigen Spruchkörper in ihrem Verhältnis zueinander entsprechend.
(1) Sonstige Familiensachen sind Verfahren, die
- 1.
Ansprüche zwischen miteinander verlobten oder ehemals verlobten Personen im Zusammenhang mit der Beendigung des Verlöbnisses sowie in den Fällen der §§ 1298 und 1299 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zwischen einer solchen und einer dritten Person, - 2.
aus der Ehe herrührende Ansprüche, - 3.
Ansprüche zwischen miteinander verheirateten oder ehemals miteinander verheirateten Personen oder zwischen einer solchen und einem Elternteil im Zusammenhang mit Trennung oder Scheidung oder Aufhebung der Ehe, - 4.
aus dem Eltern-Kind-Verhältnis herrührende Ansprüche oder - 5.
aus dem Umgangsrecht herrührende Ansprüche
(2) Sonstige Familiensachen sind auch Verfahren über einen Antrag nach § 1357 Abs. 2 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
(1) Die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges wird durch eine nach Rechtshängigkeit eintretende Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt. Während der Rechtshängigkeit kann die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden.
(2) Das Gericht des zulässigen Rechtsweges entscheidet den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Artikel 14 Abs. 3 Satz 4 und Artikel 34 Satz 3 des Grundgesetzes bleiben unberührt.
(1) Sonstige Familiensachen sind Verfahren, die
- 1.
Ansprüche zwischen miteinander verlobten oder ehemals verlobten Personen im Zusammenhang mit der Beendigung des Verlöbnisses sowie in den Fällen der §§ 1298 und 1299 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zwischen einer solchen und einer dritten Person, - 2.
aus der Ehe herrührende Ansprüche, - 3.
Ansprüche zwischen miteinander verheirateten oder ehemals miteinander verheirateten Personen oder zwischen einer solchen und einem Elternteil im Zusammenhang mit Trennung oder Scheidung oder Aufhebung der Ehe, - 4.
aus dem Eltern-Kind-Verhältnis herrührende Ansprüche oder - 5.
aus dem Umgangsrecht herrührende Ansprüche
(2) Sonstige Familiensachen sind auch Verfahren über einen Antrag nach § 1357 Abs. 2 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.