Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss, 17. Juni 2015 - 4 TaBV 14/14

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2015:0617.4TABV14.14.0A
bei uns veröffentlicht am17.06.2015

I. Die Beschwerden der Antragsteller, des Betriebsrats und der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 11.3.2014 - 8 BV 32/13 - werden zurückgewiesen.

II. Die Beschwerde des Beteiligten zu 12. wird als unzulässig verworfen.

III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer im Betrieb der Beteiligten zu 10. (im Folgenden: Arbeitgeberin) durchgeführten Wahl, aus der der zu 11. beteiligte Betriebsrat hervorging und zu dessen Vorsitzenden der Beteiligte zu 12. gewählt wurde. Bei den Beteiligten zu 1. bis 9. (Antragsteller) handelt es sich um wahlberechtigte Arbeitnehmer des Betriebs. Kernbereich der Geschäftstätigkeit der Arbeitgeberin ist das Beschichten von Bettungen von Sandalen und Clogs.

2

In der vom Wahlvorstand - zusammen mit dem Wahlausschreiben - am 28.03.2013 am Schwarzen Brett im Betrieb ausgehängten Wählerliste waren insgesamt 54 Arbeitnehmer als wahlberechtigt aufgelistet. Darunter befand sich auch der Beteiligte zu 12, dessen aktives und passives Wahlrecht zwischen den Beteiligten umstritten ist. Nicht aufgeführt in der Wählerliste waren jedoch mehrere seinerzeit im Betrieb beschäftigten Leiharbeitnehmer.

3

Im Zeitpunkt der Betriebsratswahl beschäftigte die Arbeitgeberin sieben Leiharbeitnehmer, die im Zeitraum vom 13.03. bis 13.05.2013 in den Betrieb eingetreten waren. Auf Anfrage des Wahlvorstands hatte die Arbeitgeberin die Auskunft erteilt, diese Leiharbeitnehmer würden nicht länger als drei Monate beschäftigt. Tatsächlich waren jedoch fünf dieser Leiharbeitnehmer noch im Zeitpunkt des erstinstanzlichen Anhörungstermin (11.03.2014) im Betrieb tätig.

4

34 der in der Wählerliste aufgeführten Arbeitnehmer sind Deutsche. Die restlichen 20 Arbeitnehmer sprechen insgesamt neun verschiedene Muttersprachen. Die Arbeitsverträge und Aushänge im Betrieb werden in deutscher Sprache verfasst. Im Vorfeld der Betriebsratswahl beabsichtigte die Vorsitzende des Wahlvorstandes, das Wahlausschreiben und die Briefwahlunterlagen in neun Sprachen (Türkisch, Vietnamesisch, Russisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Polnisch, Tschechisch und Thailändisch) übersetzen zu lassen. Nachdem sich die Arbeitgeberin jedoch lediglich dazu bereiterklärte, die Kosten für die Übersetzung in nur zwei Sprachen zu übernehmen, wurde das Wahlausschreiben nur in die vietnamesische und in die russische Sprache übersetzt. Eine Übersetzung der Briefwahlunterlagen erfolgte nicht.

5

Zur Betriebsratswahl wurden drei Vorschlagslisten zugelassen.

6

Die Öffnung der insgesamt 53 abgegebenen Wahlumschläge und die Stimmauszählung erfolgten am 14.05.2013. Dabei wurden drei abgegebene Stimmzettel vom Wahlvorstand für ungültig erklärt. Am nächsten Tag, dem 15.05.2013, bemerkten die Mitglieder des Wahlvorstandes an den Selbstklebelaschen von drei Briefwahlumschlägen, bezüglich derer noch am Vortrag die Gültigkeit der abgegebenen Stimmen festgestellt worden war, Spuren, die nach ihrer Ansicht auf ein vorzeitiges Öffnen hindeuteten.

7

Nach dem Ergebnis der am 14.05.2013 erfolgten Stimmauszählung entfielen auf die Liste 1 9 Stimmen, auf die Liste 2 22 Stimmen und auf die Liste 3 19 Stimmen. Damit erhielten die Listen 2 und 3 jeweils 2 Betriebsratssitze, die Liste 1 einen Betriebsratssitz.

8

Die Bekanntgabe des Wahlergebnisses erfolgte am 17.05.2013.

9

Mit am 28.05.2013 beim Arbeitsgericht eingereichter Antragsschrift haben die Beteiligten zu 1. bis 8., mit am 31.05.2013 eingereichtem Schriftsatz auch der Beteiligte zu 9. die Nichtigkeit sowie hilfsweise die Unwirksamkeit der Betriebsratswahl geltend gemacht.

10

Die Antragsteller haben erstinstanzlich geltend gemacht, die Betriebsratswahl sei wegen vorzeitiger Öffnung dreier Briefwahlumschläge nichtig. Die vorzeitige Öffnung könne daraus geschlossen werden, dass die Selbstklebelaschen bei diesen Briefwahlumschlägen verknittert, in einem Fall darüber hinaus sogar eingerissen gewesen seien. Die vorzeitige Öffnung sei durch den Beteiligten zu 12. vorgenommen worden, der die Briefwahlunterlagen verspätet an den Wahlvorstand herausgegeben habe. Im Übrigen sei die Betriebsratswahl aus mehreren Gründen anfechtbar. Bei dem Beteiligten zu 12. handele es sich um einen leitenden Angestellten, der weder aktiv noch passiv wahlberechtigt sei. Seine Einordnung als leitender Angestellter ergebe sich insbesondere daraus, dass er die Grundlagen für die an die Mitarbeiter auszuzahlenden Leistungsprämien sicherstelle und die Prämien errechne. Außerdem entscheide er über die Urlaubsgewährung, dürfe Abmahnungen aussprechen und entscheide auch über Sonderzahlungen für die Erbringung besonderer Leistungen. Auch leite er die Teamleiterbesprechungen. Seinen erheblichen Entscheidungsspielraum könne man daran erkennen, dass die Geschäftsführung bis vor wenigen Monaten nur ein- oder zweimal im Jahr vor Ort gewesen sei. Die Betriebsratswahl sei auch deshalb anfechtbar, weil die seinerzeit im Betrieb tätigen Leiharbeitnehmer sämtlich wahlberechtigt gewesen seien. Ein Anfechtungsgrund ergebe sich auch aus der unzulässigen Einflussnahme des Beteiligten zu 12. auf die Betriebsratswahl. Zum einen habe er den Beteiligten zu 5. durch den Vorwurf diffamiert, er sei "bekloppt", könne nicht zum Betriebsrat gewählt werden und spiele sich als Chef auf. Darüber hinaus habe er eine Mitarbeiterin unter Druck gesetzt, in dem er ihr erklärt habe, sie dürfe nicht mehr mit dem Firmenbus zur Arbeit fahren, wenn sie ihn - den Beteiligten zu 12. - nicht wähle. Ausschließlich aus diesem Grund habe die betreffende Mitarbeiterin den Beteiligten zu 12. gewählt. Schließlich habe er einer Mitarbeiterin einen fünfwöchigen Urlaub in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Betriebsratswahl bewilligt, obwohl dies nach dem Inhalt ihres Arbeitsvertrages nicht vorgesehen sei. Zur Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl führten auch die unterbliebene Übersetzung der Briefwahlunterlagen und die nicht ausreichende Übersetzung des Wahlausschreibens. Zwei der drei abgegebenen ungültigen, per Briefwahl abgegebenen Stimmen, seien auf Verständnisprobleme der vietnamesischen Mitarbeiter zurückzuführen. Eine der türkischen Arbeitnehmerinnen hätte anders gewählt, wenn eine Übersetzung in die türkische Sprache erfolgt wäre.

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Die Antragsteller haben beantragt,

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die Betriebsratswahl im Betrieb der Firma S., S-Straße, Sankt K., vom 14.05.2013 für nichtig zu erklären,

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hilfsweise,

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die Betriebsratswahl für unwirksam zu erklären,

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höchst hilfsweise,

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festzustellen, dass der Betriebsratsvorsitzende, Herr W., nicht als Betriebsratsmitglied wählbar war.

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Die Beteiligten zu 10., 11. und 12 haben beantragt,

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die Anträge zurückzuweisen.

19

Die Beteiligten zu 10. bis 12. haben erstinstanzlich geltend gemacht, die Betriebsratswahl sei wirksam. Der Beteiligte zu 12. sei kein Betriebsleiter im eigentlichen Sinne, sondern nehme vielmehr klassische Aufgaben eines Vorarbeiters wahr. Das Prämiensystem sei vorgegeben und werde von ihm nur umgesetzt. Er selbst habe keinen Einfluss auf die Berechnung von Prämien und habe niemals selbständig Sonderzahlungen gewährt. Auch die Urlaubsgewährung sei ihm nur nach den Vorgaben der Geschäftsleitung erlaubt. Auch bei der Einteilung der Arbeitszeit bestehe für ihn keine Möglichkeit, von den klaren Vorgaben der Geschäftsführung abzuweichen. Hinsichtlich der Leiharbeitnehmer sei dem Wahlvorstand keine falsche Auskunft erteilt worden. Deren Einsatz sei nur für sechs bis acht Wochen ab Eintrittsdatum geplant gewesen. Dies sei auch vertraglich mit dem Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen vereinbart worden, wie sich aus der Eidesstattlichen Versicherung des Regionalleiters des betreffenden Unternehmens vom 07.03.2014 (Bl. 399 d. A.) ergebe. Der dem Wahlvorstand erteilten Auskunft habe die Ende 2012 erstellte Personalplanung für das Jahr 2013 zugrunde gelegen. Kriterium für die Planung sei die Zahl der zu produzierenden Schuhpaare gewesen. Ende 2012 seien für den Zeitraum von März bis Juni 2013 33.000 Paar pro Arbeitstag und für den Zeitraum für Juli bis August 2013 22.000 Paar pro Arbeitstag geplant gewesen. Tatsächlich seien dann jedoch im März und im April mindestens 36.000, im Juni 34.500 und im Juli und August 35.000 Paare angefordert worden. Die Produktion entwickele sich insgesamt besser als vorhergesehen. Ende 2013 seien pro Arbeitstag sogar 38.500 Paar bearbeitet worden. Außerdem sei im Februar 2013 der Krankenstand im Betrieb ungewöhnlich hoch gewesen. Im März habe sich der Krankenstand sodann wieder auf das normale Niveau reduziert. Auch deswegen habe ein erheblicher zusätzlicher Personalbedarf bestanden, der vorher nicht absehbar gewesen sei. Der Beteiligte zu 12. habe keinerlei Einfluss auf die Betriebsratswahl genommen.

20

Zur Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den tatbestandlichen Teil des Beschlusses des Arbeitsgerichts Koblenz vom 11.03.2014 (Bl. 428 bis 437 d. A.) Bezug genommen.

21

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 11.03.2014 die Betriebsratswahl für unwirksam erklärt und den auf Feststellung der Nichtigkeit der Betriebsratswahl gerichteten Hauptantrag abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Betriebsratswahl sei in Ermangelung eines groben und offensichtlichen Verstoßes gegen wesentliche Wahlgrundsätze nicht nichtig, jedoch wegen Verstoßes gegen § 7 Satz 2 BetrVG anfechtbar, weil zumindest fünf der zum damaligen Zeitpunkt im Betrieb tätigen Leiharbeitnehmer in die Wählerliste hätten aufgenommen werden müssen.

22

Der Beschluss des Arbeitsgerichts enthielt (zunächst) eine Rechtsmittelbelehrung, nach deren Inhalt gegen den Beschluss von den Beteiligten sofortige Beschwerde innerhalb einer Frist von 2 Wochen eingelegt werden kann. In dieser Fassung ist der Beschluss vom 11.03.2014 den Antragstellern, dem Betriebsrat sowie dem Beteiligten zu 12. am 10.06.2014 und der Arbeitgeberin am 11.06.2014 zugestellt worden. Auf Antrag der Beteiligten zu 11. und 12. hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 16.06.2014 die Rechtsmittelbelehrung gemäß § 319 Abs. 1 ZPO berichtigt und sodann den Beschluss vom 11.03.2014 mit berichtigter und korrekter Rechtsmittelbelehrung (erneut) der Arbeitgeberin, dem Betriebsrat und dem Beteiligten zu 12 am 20.06.2014 und den Antragstellern am 24.06.2014 zugestellt.

23

Gegen den Beschluss vom 11.03.2014 haben die Arbeitgeberin am 25.06.2014, der Betriebsrat sowie der Beteiligte zu 12. am 03.07.2014 und die Antragsteller am 04.07.2014 Beschwerde eingelegt. Die Arbeitgeberin hat ihre Beschwerde am 14.08.2014, der Betriebsrat sowie der Beteiligte zu 12. ihre Beschwerden am 19.08.2014 und die Antragsteller ihre Beschwerden innerhalb der ihnen mit Beschluss vom 26.08.2014 verlängerten Beschwerdebegründungsfrist am 22.09.2014 begründet.

24

Die Antragsteller machen zur Begründung ihrer Beschwerde im Wesentlichen geltend, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei die Betriebsratswahl nicht nur anfechtbar, sondern darüber hinaus auch nichtig. Da die Arbeitgeberin neben der Stammbelegschaft von seinerzeit 54 Mitarbeitern damals sieben Leiharbeitnehmer beschäftigt habe, die fehlerhafterweise nicht an der Betriebsratswahl hätten teilnehmen können, stehe fest, dass mehr als zehn Prozent der wahlberechtigten Arbeitnehmer von der Betriebsratswahl ausgeschlossen gewesen seien. Unter dieser Voraussetzung könne der gewählte Betriebsrat nicht mehr über die erforderliche demokratische Legitimation verfügen. Die Betriebsratswahl sei aber auch deshalb für nichtig zu erklären, da mit dem Beteiligten zu 12. praktisch diejenige Person, die im Unternehmen über Jahre hinweg sämtliche Arbeitgeberfunktionen ausgeübt habe, zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt worden sei. Zwar verfüge der Beteiligte zu 12 unstreitig über keine Prokura und dürfe auch keine Entlassungen vornehmen, er sei jedoch gegenüber sämtlichen Mitarbeitern - mit Ausnahme des weiteren Betriebsleiters - weisungsbefugt sowie verantwortlich für die tägliche Arbeitsorganisation. Darüber hinaus übe er Kontrollfunktionen wie etwa die Erfassung der Anzahl der produzierten Schuhe aus, unterzeichne die Urlaubsanträge und bewillige den Urlaub. Ihm obliege praktisch die gesamte Kommunikation zwischen Geschäftsführung und Belegschaft. Daher sei er zwingend als leitender Angestellter anzusehen.

25

Die Antragsteller beantragen,

26

1. den erstinstanzlichen Beschluss dahingehend abzuändern, dass die Betriebsratswahl für nichtig erklärt wird,

27

2. die Beschwerden der Arbeitgeberin, des Betriebsrats und des Beteiligten zu 12 zurückzuweisen.

28

Die Beteiligten zu 10. bis 12. machen zur Begründung ihrer Beschwerden im Wesentlichen geltend, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts seien die seinerzeit im Betrieb beschäftigten Leiharbeitnehmer nicht wahlberechtigt gewesen. Zum Zeitpunkt der Betriebsratswahl sei beabsichtigt gewesen, die betreffenden Leiharbeitnehmer nur für einen kurzen Zeitraum zu beschäftigen. Diesbezüglich sei zunächst § 2 des mit dem Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen geschlossenen Überlassungsvertrages zu berücksichtigen, wonach die Leiharbeitnehmer "auf Anforderung" überlassen würden. Die Verweildauer sei jeweils durch mündliche Ab-sprachen festgelegt worden. Konkret sei mit dem Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen eine Einsatzzeit von jeweils sechs bis acht Wochen vereinbart worden, was durch den Inhalt der bereits erstinstanzlich vorgelegten Eidesstattlichen Versicherung des Regionalleiters vom 07.03.2014 bestätigt werde. Diese kurzen Einsatzzeiten seien auf der Grundlage des voraussichtlich bestehenden Personalbedarfs festgelegt worden. Zum Zeitpunkt der Betriebsratswahl sei nicht absehbar gewesen, dass die Leiharbeitnehmer - entgegen dieser Planung - teilweise länger als drei Monate eingesetzt würden. Zwar seien im März und April 2013 mit mindestens 36.000 Paaren je Arbeitstag mehr Schuhe produziert worden als dies die ursprüngliche, Ende 2012 erstellte Produktionsplanung für 2013 vorgesehen habe. Zum Zeitpunkt der Betriebsratswahl sei jedoch noch keinesfalls von einer nachhaltigen Entwicklung ausgegangen worden. Erst in der zweiten Hälfte des Jahres 2013 sei die Personalplanung nach oben korrigiert worden. Dies habe daran gelegen, dass der Absatz der gefertigten Produkte sich sowohl im Inland als auch im Ausland unerwartet gut entwickelt habe, wofür u. a. der heiße Sommer 2013 ein wesentlicher Faktor gewesen sei. Zu der positiven Entwicklung dürften auch eine Vielzahl an strukturellen und organisatorischen Neuerungen im Unternehmen geführt haben. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts könne der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die Überlassung grundsätzlich unbefristet erfolgen solle. Dies sei schon mit dem typischen vorübergehenden Charakter der Arbeitnehmerüberlassung unvereinbar. Auch stelle das in § 8 Abs. 4 dieses Vertrages vereinbarte Recht des Verleihers, den Arbeitnehmer unter Einhaltung einer zweitägigen Ankündigungsfrist auszutauschen, einer prognostizierbaren, länger als drei Monate andauernden Beschäftigung des einzelnen Arbeitnehmers entgegen. Eine rechtliche Verpflichtung, die Ende des Jahres 2012 erstellte Personalplanung anlässlich der Durchführung der Betriebsratswahl zu aktualisieren, habe nicht bestanden. Unabhängig davon habe auch keine Veranlassung dafür bestanden, die Personalplanung zu ändern. Dass sich die Nachfrage nach den produzierten Schuhen so positiv entwickeln würde, sei zum Zeitpunkt der Betriebsratswahl (noch) nicht abzusehen gewesen. Insgesamt sei daher festzuhalten, dass die zum Zeitpunkt der Betriebsratswahl beschäftigten Leiharbeitnehmer nicht wahlberechtigt gewesen seien.

29

Die Beteiligten zu 10. bis 12. beantragen,

30

1. den erstinstanzlichen Beschluss abzuändern und den Antrag insgesamt abzuweisen,

31

2. die Beschwerde der Antragsteller zurückzuweisen.

32

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten im Beschwerdeverfahren wird auf die in zweiter Instanz zu den Akten gereichten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

33

1. Die statthaften Beschwerden der Beteiligten sind sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden, wobei die Monatsfrist zur Einlegung des Rechtsmittels (§§ 87 Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG) erst mit Zustellung des berichtigten, mit der richtigen Rechtsmittelbelehrung versehenen Beschlusses in Gang gesetzt worden war (§ 9 Abs. 5 Satz 3 ArbGG) und die zweimonatige Beschwerdebegründungsfrist bis zu diesem Zeitpunkt gehemmt war (BAG v. 13.04.2005 - 5 AZB 76/04 - AP Nr. 28 zu § 9 ArbGG 1979).

34

Die Beschwerde des Beteiligten zu 12. ist jedoch unzulässig, da es insoweit an der erforderlichen Beschwer fehlt. Der Beteiligten zu 12. ist durch den erstinstanzlichen Beschluss nicht beschwert. Das Arbeitsgericht hat über den nur äußerst hilfsweise gestellten Antrag auf Feststellung, dass er - der Beteiligte zu 12. - nicht wählbar ist, nicht befunden. Die Rechtsstellung des Beteiligten zu 12., die erstinstanzlich seine Beteiligungsbefugnis als Antragsgegner begründet hat, ist daher in keiner Weise beeinträchtigt.

35

2. Die insgesamt zulässigen Beschwerden der Antragsteller, der Arbeitgeberin und des Betriebsrats sind nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht den auf Feststellung der Nichtigkeit der Betriebsratswahl gerichteten Antrag zurückgewiesen, die Wahl jedoch für unwirksam erklärt.

36

a) Die am 14.05.2013 im Betrieb der Arbeitgeberin durchgeführt Betriebsratswahl ist nicht nichtig.

37

Eine Betriebsratswahl ist nur nichtig bei groben und offensichtlichen Verstößen gegen wesentliche Grundsätze des gesetzlichen Wahlrechts, die so schwerwiegend sind, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr besteht. Wegen der weitreichenden Folgen einer von Anfang an unwirksamen Betriebsratswahl kann deren jederzeit feststellbare Nichtigkeit nur bei besonders gravierenden Wahlverstößen angenommen werden: Voraussetzung ist, dass der Mangel offenkundig und deshalb ein Vertrauensschutz in die Gültigkeit der Wahl zu versagen ist. Die Betriebsratswahl muss "den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn tragen" (BAG v. 21.09.2011 - 7 ABR 54/10 - AP Nr. 9 zu § 3 BetrVG 1972).

38

Hiernach ist die Betriebsratswahl nicht nichtig. Keiner der von den Antragstellern gerügten Wahlverstößen ist derart gravierend, dass von einem offenkundigen Mangel ausgegangen werden könnte und ein Vertrauensschutz in die Gültigkeit der Wahl deshalb zu versagen wäre.

39

Weder die von den Antragstellern behauptete Nichtwählbarkeit des Beteiligten zu 12. noch eine nicht ausreichende Unterrichtung der ausländischen Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 5 WO führen dazu, dass gegen die allgemeinen Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maß verstoßen sein könnte, dass bereits der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr vorliegt. Gleiches gilt für die Nichtaufnahme der im Betrieb beschäftigten Leiharbeitnehmer in die Wählerliste und einer damit verbundenen Vereitelung des aktiven Wahlrechts dieser Arbeitnehmer. Dies gilt auch dann, wenn - wie von den Antragstellern geltend gemacht - hiervon mehr als zehn Prozent der Belegschaft betroffen waren, da es sich bei der fehlerhaften Prognose hinsichtlich der für das Bestehen des aktiven Wahlrechts gemäß § 7 Satz 2 BetrVG der betreffenden Leiharbeitnehmer erforderlichen Beschäftigungsdauer nicht um einen besonders gravierenden Wahlverstoß bzw. um einen offenkundigen Mangel handelt. Ein willkürlicher Ausschluss der Leiharbeitnehmer von der Wahl ist vorliegend nicht erkennbar. Die von den Antragstellern behauptete Beeinflussung zweier Mitarbeiterinnen durch den Beteiligten zu 12. vermag eine Nichtigkeit der Wahl ebenfalls nicht zu begründen. Eine Wahlbeeinflussung führt nur in besonders schweren Fällen, in denen der Abstimmung schon rein äußerlich der Charakter einer Wahl fehlt, zur Nichtigkeit (BAG v. 08.03.1957 - 1 ABR 5/55 - AP Nr. 1 zu § 19 BetrVG), was vorliegend jedoch keinesfalls bejaht werden kann. Entsprechendes gilt bezüglich der vom Beteiligten zu 12. öffentlich geäußerten Zweifel an der Arbeit des Wahlvorstandes und seiner Kritik an dem Beteiligten zu 5.

40

Schließlich führt auch die behauptete Manipulation von Briefwahlunterlagen in drei Fällen nicht zur Nichtigkeit der Betriebsratswahl. Allein der Umstand, dass die Briefwahlunterlagen auch durch die Hände des Beteiligten zu 12. gingen, stellt keinen Verstoß gegen Wahlvorschriften dar. Es kann auch nicht - wie bereits vom Arbeitsgericht in den Gründen seiner Entscheidung zutreffend ausgeführt wurde - davon ausgegangen werden, dass die von den Antragstellern behaupteten Manipulationen tatsächlich stattgefunden haben. Der Wahlvorstand hat beim Öffnen der Briefwahlunterlagen keine Spuren einer vorzeitigen Öffnung festgestellt. Die Feststellung von Beschädigungsspuren am darauffolgenden Tag stellt kein ausreichendes Indiz für eine vorzeitige Öffnung der Briefwahlunterlagen dar. Die von den Antragstellern beschriebenen Beschädigungen an den Selbstklebelaschen können sowohl bereits vom ordnungsgemäßen Öffnen bei der Auszählung als auch von einem mehrmaligen Verschließen durch die Briefwähler selbst herrühren. Ebenso ist es möglich, dass die Beschädigungen erst im Zeitraum zwischen der Stimmenauszählung am 14.05.2013 und ihrer Entdeckung am folgenden Tag entstanden sind.

41

b) Der Hilfsantrag der Antragsteller, die Betriebsratswahl für unwirksam zu erklären, ist jedoch zulässig und begründet.

42

aa) Die Anfechtung der Betriebsratswahl ist zulässig.

43

Die neun Antragsteller sind gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zur Anfechtung berechtigt. Die in § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG normierte Zweiwochenfrist ist gewahrt.

44

bb) Der Antrag, die Betriebsratswahl für unwirksam zu erklären, ist auch begründet.

45

Nach § 19 Abs. 1 BetrVG kann eine Betriebsratswahl angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.

46

Diese Voraussetzungen liegen vor.

47

(1) Bei der angefochtenen Betriebsratswahl wurde gegen § 7 Satz 2 BetrVG, eine wesentliche Vorschrift über die Wahlberechtigung, verstoßen, da zumindest fünf wahlberechtigte Leiharbeitnehmer infolge ihrer Nichtaufnahme in die Wählerliste nicht zur Wahl zugelassen worden waren.

48

Nach § 7 Satz 2 BetrVG sind Leiharbeitnehmer aktiv wahlberechtigt, wenn sie länger als drei Monate im Betrieb eingesetzt werden. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung der Voraussetzung des aktiven Wahlrechts ist der Wahltag. War der Leiharbeitnehmer am Wahltag noch nicht länger als drei Monate im Betrieb eingesetzt, so ist eine Prognoseentscheidung bezüglich seiner weiteren Einsatzzeit erforderlich (vgl. Richardi, BetrVG, 13. Auflage, § 7 Rz. 10).

49

Vorliegend waren im Betrieb der Arbeitgeberin am Wahltag insgesamt sieben Leiharbeitnehmer beschäftigt, die im Zeitraum vom 13.03. bis einschließlich 13.05.2013 eingestellt worden waren. Fünf dieser Leiharbeitnehmer waren unstreitig noch am 11.03.2014 und damit weitaus länger als drei Monate ununterbrochen im Betrieb beschäftigt.

50

Eine den Dreimonatszeitraum überschreitende Einsatzzeit dieser Arbeitnehmer war am Wahltag auch bereits abzusehen bzw. prognostizierbar.

51

Die bezüglich der Beschäftigungsdauer erforderliche Prognoseentscheidung hat sich in erster Linie am Vertrag zwischen Betriebsinhaber und Verleiher zu orientieren (vgl. Richardi, a. a. O., § 7, Rz. 10). Sowohl die Arbeitgeberin als auch der Betriebsrat haben diesbezüglich vorgetragen, mit dem Regionalleiter des Arbeitnehmerüberlassungsunternehmens sei eine Einsatzzeit der Leiharbeitnehmer für jeweils nur sechs bis acht Wochen vereinbart worden. Dieser Sachvortrag wird auch durch den Inhalt der vorgelegten Eidesstattlichen Versicherung des Regionalleiters des Zeitarbeitsunternehmens vom 07.03.2014 bestätigt. Die betreffende Vereinbarung wurde indessen nicht eingehalten. Vier der insgesamt sieben am Wahltag bei der Arbeitgeberin beschäftigten Leiharbeitnehmer waren nämlich - wie sich aus den Eintrittsdaten ergibt - zu diesem Zeitpunkt bereits länger als acht Wochen ununterbrochen im Betrieb eingesetzt. Ein maximal achtwöchiger Einsatz von Leiharbeitnehmern konnte daher am Wahltag keineswegs mehr prognostiziert werden. Der zwischen der Arbeitgeberin und dem Zeitarbeitsunternehmen geschlossene Arbeitnehmerüberlassungsvertrag vom 15.04.2013 enthält keine Bestimmungen, die auf eine Verleihdauer von maximal drei Monaten hindeuten. Zwar ist der Personaldienstleister nach § 8 Abs. 4 des Vertrages berechtigt, die beim Auftraggeber eingesetzten Arbeitnehmer unter Einhaltung einer zweitägigen Ankündigungsfrist auszutauschen, was - jedenfalls bei isolierter Betrachtung - der Vorhersehbarkeit eines länger als drei Monate andauernden Einsatzes des einzelnen Leiharbeitnehmers entgegenstehen könnte (vgl. Richardi, a. a. O., § 7, Rz. 10). Diesem Gesichtspunkt kommt vorliegend jedoch angesichts einer am Wahltag bereits in vier Fällen abgelaufenen ca. zweimonatigen Beschäftigungszeit und der ununterbrochenen Weiterbeschäftigung von fünf dieser Leiharbeitnehmer bis 11.03.2014 keine entscheidende Bedeutung zu. Es ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, ob überhaupt und wie oft der Verleiher von seinem Austauschrecht Gebrauch gemacht hat.

52

Die Richtigkeit der Prognose eines längerfristigen, d. h. den Zeitraum von drei Monaten überschreitenden Einsatzes der einzelnen Leiharbeitnehmer ergibt sich aus dem eigenen Vorbringen der Arbeitgeberin. Deren Geschäftsführer hat im Anhörungstermin vom 11.03.2014, wie sich aus dem Sitzungsprotokoll ergibt, erklärt, dass ab März 2013 erkennbar gewesen sei, dass die tatsächlichen Produktionszahlen erheblich von den im Jahr 2012 projektierten Produktionszahlen nach oben abweichen würden. Unstreitig hat die Arbeitgeberin im März und April 2013 mehr produziert als noch im Jahr 2012 erwartet. Dies gilt auch für die Monate Juni, Juli und August 2013. Bereits Anfang September 2013 wurde das Produktionsziel - unter Zugrundelegung des Vorbringens der Arbeitgeberin - sogar auf 37.500 Paare pro Tag erhöht. Angesichts dieses Zahlenmaterials, insbesondere des Umstandes, dass ein Anstieg der Produktionszahlen nach Behauptung der Arbeitgeberin bereits ab März 2013 erkennbar war, erscheint die Prognose eines lediglich sechs- bis achtwöchigen Einsatzes der Leiharbeitnehmer am Wahltag nicht mehr nachvollziehbar. Dies vor allem auch vor dem Hintergrund, dass dieser Zeitraum am Wahltag bereits in vier Fällen überschritten war. Hinzu kommt, dass der Geschäftsführer der Arbeitgeberin unstreitig mehrere Wochen vor der Betriebsratswahl gegenüber der Arbeitnehmerschaft erklärt hat, dass man die Produktion ab April 2013 im Hinblick auf die gute Auftragslage sogar auf ca. 40.000 Paar Schuhe pro Tag erhöhen müsse. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass diesbezüglich lediglich von einem kurzfristigen Anstieg der Produktionszahlen ausgegangen werden konnte, sind auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich bei der Produktion von Sandalen und Clogs um ein Saisongeschäft handelt, weder vorgetragen noch ersichtlich. Letztlich geht auch der Hinweis der Arbeitgeberin auf einen rückläufigen Krankenstand im März 2013 in diesem Zusammenhang fehl, da gerade im Monat März unstreitig vier Leiharbeitnehmer eingestellt wurden.

53

In Anbetracht der vorgenannten Umstände war im Zeitpunkt der Betriebsratswahl die Prognose zu treffen, dass jedenfalls diejenigen fünf Leiharbeitnehmer, die auch noch am 11.03.2014 eingesetzt wurden, über einen längeren Zeitraum als drei Monate durchgehend beschäftigt werden. Diese Prognose wird auch letztlich durch den tatsächlichen weiteren Verlauf bestätigt.

54

Die betreffenden Leiharbeitnehmer waren daher - jedenfalls nachträglich nach § 4 Abs. 3 Satz 1 WO - in die Wählerliste aufzunehmen. Da dies nicht erfolgt ist, waren sie an der Ausübung ihres aktiven Wahlrechts (§ 7 Satz 2 BetrVG) gehindert.

55

Die Nichtzulassung der fünf Leiharbeitnehmer zur Wahl war auch geeignet, das Wahlergebnis zu beeinflussen. Schlägt man beispielsweise die fünf Stimmen dieser Arbeitnehmer der Liste 2 zu, so entfällt die niedrigste der für die Verteilung der Betriebsratssitze auf die einzelnen Listen in Betracht kommende Höchstzahl (9) auf die Listen 1 und 2 mit der Folge, dass gemäß § 15 Abs. 2 Satz 3 WO insoweit durch Los zu entscheiden gewesen wäre.

56

Den Antragstellern ist es auch nicht deshalb verwehrt, die Unvollständigkeit der Wählerliste und die damit verbundene Vereitelung des aktiven Wahlrechts der Leiharbeitnehmer geltend zu machen, weil sie nicht zuvor Einspruch gegen die Wählerliste eingelegt haben. Durch Einspruch gegen die Wählerliste nach § 4 Abs. 1 WO können Arbeitnehmer zwar geltend machen, dass die Wählerliste nicht alle wahlberechtigten Arbeitnehmer des Betriebes erfasst. Der rechtzeitige Einspruch beim Wahlvorstand gegen die Richtigkeit der Wählerliste ist jedoch keine Voraussetzung für die Anfechtungsberechtigung. In § 19 Abs. 2 BetrVG ist die Anfechtungsbefugnis uneingeschränkt gewährt. Durch niederrangiges Recht wie die Wahlordnung können die gesetzlichen Voraussetzungen für die Wahlanfechtung nicht eingeschränkt werden. Mit dieser überzeugenden Begründung hat das BAG entschieden, dass die Wahlanfechtungsbefugnis einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft nicht davon abhängt, dass zuvor Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste eingelegt wurde (BAG v. 29.03.1974 - 1 ABR 27/73 - AP Nr. 2 zu § 19 BetrVG 1972; BAG v. 25.06.1974 - 1 ABR 68/73 - AP Nr. 3 zu § 19 BetrVG 1972). Für das Anfechtungsrecht der Arbeitnehmer kann nichts anderes gelten (LAG Köln v. 04.05.2000 - 10 TaBV 56/99 - zitiert nach juris). Hinzu kommt, dass in der vorliegenden Fallkonstellation die Anfechtungsbefugnis bereits deshalb nicht von einem vorherigen fristgerechten Einspruch gegen die Wählerliste abhängig gemacht werden kann, weil bei der Prognose bezüglich der Dauer des Einsatzes der Leiharbeitnehmer und damit für die Frage, ob diese in die Wählerliste aufzunehmen sind, auf den Zeitpunkt der Wahl bzw. auf den Tag vor Beginn der Stimmabgabe (§ 4 Abs. 3 Satz 2 WO) abgestellt werden muss und zu diesem Zeitpunkt die Einspruchsfrist des § 4 Abs. 1 WO längst abgelaufen ist. Innerhalb der Einspruchsfrist ist oftmals nicht erkennbar, ob am Wahltag eine Einsatzzeit von Leiharbeitnehmern, insbesondere wenn diese erst nach Erlass des Wahlausschreibens eingestellt werden, prognostiziert werden kann.

57

(2) Die Betriebsratswahl vom 14.05.2013 ist auch deshalb unwirksam, weil gegen § 2 Abs. 5 WO verstoßen wurde.

58

Bei der Regelung in § 2 Abs. 5 WO handelt es sich trotz der Ausgestaltung als Soll-Vorschrift um eine wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren i. S. v. § 19 Abs. 1 BetrVG, deren Verletzung zur Anfechtung der Betriebsratswahl berechtigt (BAG v. 13.10.2004 - 7 ABR 5/04 - AP Nr. 1 zu § 2 WO BetrVG 1972). Nach dieser Bestimmung soll der Wahlvorstand dafür sorgen, dass ausländische Arbeitnehmer, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, vor Einleitung der Betriebsratswahl über Wahlverfahren, Aufstellung der Wähler- und Vorschlagslisten, Wahlvorgang und Stimmabgabe in geeigneter Weise unterrichtet werden. Insoweit wird überwiegend vertreten, dass dieser Pflicht - entgegen dem Gesetzeswortlaut: "Vor Einleitung der Betriebsratswahl" - regelmäßig auch dadurch genügt werden kann, dass der Wahlvorstand die Aushänge im Zusammenhang mit der Betriebsratswahl auch in den Sprachen macht, die von den ausländischen Arbeitnehmern verstanden werden (vgl. Richardi, BetrVG, 13. Auflage, § 2 WO, Rz. 21. m. w. N.).

59

Vorliegend hat der Wahlvorstand bei der Betriebsratswahl gegen § 2 Abs. 5 WO verstoßen, da er das Wahlausschreiben lediglich in die vietnamesische und die russische Sprache übersetzen ließ und eine den Anforderungen des § 2 Abs. 5 WO genügende Unterrichtung der übrigen im Betrieb tätigen ausländischen Arbeitnehmer, die (weitere) insgesamt sieben verschiedene Muttersprachen (Türkisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Polnisch, Tschechisch und Thailändisch) sprechen, nicht erfolgt ist. Dies, obwohl er zunächst selbst davon ausging und auch davon ausgehen musste, dass diese Arbeitnehmer der deutschen Sprache nicht i. S. v. § 2 Abs. 5 WO mächtig sind.

60

Bei der Frage, ob die im Betrieb beschäftigten ausländischen Arbeitnehmer der deutschen Sprache i. S. v. § 2 Abs. 5 mächtig sind, ist im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift, ausländischen Arbeitnehmern die wesentlichen Grundsätze über die durchzuführende Wahl zu vermitteln, um ihnen in gleicher Weise wie deutschen Arbeitnehmern die Wahrnehmung ihres aktiven und passiven Wahlrechts zu ermöglichen, nicht lediglich darauf abzustellen, ob sie sich bei der täglichen Arbeit hinreichend verständigen können. Entscheidend ist vielmehr, ob ihre Deutschkenntnisse ausreichen, um die zum Teil komplizierten Wahlvorschriften und den Inhalt eines Wahlausschreibens verstehen zu können. Im Zweifelsfall muss der Wahlvorstand von unzureichenden deutschen Sprachkenntnissen ausgehen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn im Betrieb eine größere Anzahl ausländischer Arbeitnehmer im gewerblichen Bereich mit einfachen Arbeiten beschäftigt ist. Diese Arbeitnehmer mögen zwar über die für die tägliche Arbeit erforderlichen Deutschkenntnisse verfügen. Das bedeutet aber nicht, dass diese Kenntnisse auch genügen, um sich die zu einer umfassenden Wahrnehmung der Rechte im Zusammenhang mit einer Betriebsratswahl nötigen Informationen selbst zu verschaffen. Denn zur Erledigung einfacher Tätigkeiten im gewerblichen Bereich sind in der Regel nur geringe Deutschkenntnisse erforderlich (BAG v. 13.10.2004 - 7 ABR 5/04 - AP Nr. 1 zu § 2 WO BetrVG 1972).

61

Der Wahlvorstand ging - nicht zuletzt im Hinblick auf die betrieblichen Verhältnisse - zunächst zu Recht davon aus, dass die im Betrieb tätigen ausländischen Arbeitnehmer die deutsche Sprache nicht hinreichend beherrschen, um sich selbst über Wahlverfahren, Aufstellung der Wähler- und Vorschlagslisten, Wahlvorgang und Stimmenabgabe zu informieren. Die Beteiligten haben im Anhörungstermin übereinstimmend bekundet, dass die im Betrieb der Arbeitgeberin tätigen Arbeitnehmer - mit Ausnahme der Betriebsleiter - ausschließlich einfache manuelle gewerbliche Arbeiten ausführen, die keinerlei Ausbildung bedürfen. Vom Vorhandensein der zum Verständnis der komplizierten Wahlvorschriften und des Inhalts des Wahlausschreibens ausreichender Deutschkenntnisse kann bei diesen Arbeitnehmern keinesfalls ausgegangen werden. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Arbeitsverträge und die betrieblichen Aushänge im Betrieb in deutscher Sprache verfasst werden. Es mag zwar zutreffen, dass die im Betrieb beschäftigten ausländischen Arbeitnehmer den Inhalt ihres Arbeitsvertrages und der betrieblichen Aushänge verstehen. Dies bedeutet jedoch noch nicht, dass die Deutschkenntnisse dieser Arbeitnehmer ausreichen, um komplizierte Wahlvorschriften zu verstehen.

62

Der Wahlvorstand hat demgemäß zunächst zu Recht beabsichtigt, das Wahlausschreiben und die Briefwahlunterlagen in die neun im Betrieb vertretenen Fremdsprachen übersetzen zu lassen. Aufgrund der Weigerung der Geschäftsführung der Arbeitgeberin, die Kosten für eine Übersetzung in mehr als zwei Fremd-sprachen zu übernehmen, hat sich der Wahlvorstand - entgegen seiner ursprünglichen Absicht - dazu entschieden, lediglich das Wahlausschreiben in zwei Sprachen - Vietnamesisch und Russisch - übersetzen zu lassen und damit gegen § 2 Abs. 5 WO verstoßen.

63

Zwar wird vertreten, der Vorschrift des § 2 Abs. 5 WO sei genüge getan, wenn eine Übersetzung der Bekanntmachungen und Aushänge des Wahlvorstandes lediglich in die im Betrieb vertretenen Hauptsprachen erfolgt (so etwa LAG Hessen v. 25.09.2003 - 9 TaBV 33/03 - zitiert nach juris). Diese Ansicht ist jedoch nach Auffassung des Beschwerdegerichts mit dem Zweck der Vorschrift, jedem ausländischen Arbeitnehmer die notwendigen Kenntnisse zur Ausübung seines aktiven und passiven Wahlrechts zu vermitteln, nicht vereinbar und führt zu einer Benachteiligung desjenigen Arbeitnehmers, dessen Muttersprache im Betrieb nur gering vertreten ist. Aber auch soweit diese Ansicht vertreten wird, wird gefordert, dass jedenfalls ein in den Hauptsprachen abgefasster allgemeiner Hinweis darauf, dass bei Bedarf eine Unterrichtung in weitere Sprachen erfolgt, zu erteilen ist, um den Anforderungen des § 2 Abs. 5 WO zu genügen (vgl. LAG Hessen, a.a.O.). Ein solcher allgemeiner Hinweis ist im vorliegenden Fall nicht erfolgt.

64

Der Verstoß gegen die nach § 2 Abs. 5 WO Unterrichtungspflicht war auch geeignet, da Wahlergebnis zu beeinflussen. Die Anzahl derjenigen Arbeitnehmer, in deren Muttersprache keine Übersetzung des Wahlausschreibens erfolgte, beläuft sich auf mindestens sieben. Es ist nicht auszuschließen, dass diese Arbeitnehmer im Falle einer ordnungsgemäßen Unterrichtung von ihrem Wahlrecht in anderer Weise Gebrauch gemacht hätten als dies tatsächlich geschehen ist. Dies hätte zu einem anderen Wahlergebnis führen können.

65

(3) Ob die angefochtene Betriebsratswahl auch aus weiteren Gründen unwirksam ist, kann dahinstehen.

III.

66

Nach alledem waren die Beschwerden der Antragsteller, des Betriebsrats und der Arbeitgeberin zurückzuweisen. Die Beschwerde des Beteiligten zu 12. war als unzulässig zu verwerfen.

67

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 92 a ArbGG), wird hingewiesen.

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Wahlberechtigt sind alle Arbeitnehmer des Betriebs, die das 16. Lebensjahr vollendet haben. Werden Arbeitnehmer eines anderen Arbeitgebers zur Arbeitsleistung überlassen, so sind diese wahlberechtigt, wenn sie länger als drei Monate im Betrieb einges

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Bundesarbeitsgericht Beschluss, 21. Sept. 2011 - 7 ABR 54/10

bei uns veröffentlicht am 21.09.2011

Tenor Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 26. August 2010 - 5 TaBV 9/10 - aufgehoben.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss, 17. Juni 2015 - 4 TaBV 14/14.

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss, 27. Okt. 2015 - 6 TaBV 6/15

bei uns veröffentlicht am 27.10.2015

weitere Fundstellen ... Diese Entscheidung wird zitiert Tenor I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) bis 3) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 09. Januar 2015 - Az.: 8 BV 44/14 wird zurückgewiesen. II. Die Rechtsbeschw

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Wahlberechtigt sind alle Arbeitnehmer des Betriebs, die das 16. Lebensjahr vollendet haben. Werden Arbeitnehmer eines anderen Arbeitgebers zur Arbeitsleistung überlassen, so sind diese wahlberechtigt, wenn sie länger als drei Monate im Betrieb eingesetzt werden.

(1) Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in dem Urteil vorkommen, sind jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen.

(2) Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(3) Gegen den Beschluss, durch den der Antrag auf Berichtigung zurückgewiesen wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, findet sofortige Beschwerde statt.

(1) Gegen die das Verfahren beendenden Beschlüsse der Arbeitsgerichte findet die Beschwerde an das Landesarbeitsgericht statt.

(2) Für das Beschwerdeverfahren gelten die für das Berufungsverfahren maßgebenden Vorschriften sowie die Vorschrift des § 85 über die Zwangsvollstreckung entsprechend, soweit sich aus den §§ 88 bis 91 nichts anderes ergibt. Für die Vertretung der Beteiligten gilt § 11 Abs. 1 bis 3 und 5 entsprechend. Der Antrag kann jederzeit mit Zustimmung der anderen Beteiligten zurückgenommen werden; § 81 Abs. 2 Satz 2 und 3 und Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden.

(3) In erster Instanz zu Recht zurückgewiesenes Vorbringen bleibt ausgeschlossen. Neues Vorbringen, das im ersten Rechtszug entgegen einer hierfür nach § 83 Abs. 1a gesetzten Frist nicht vorgebracht wurde, kann zurückgewiesen werden, wenn seine Zulassung nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Beschlussverfahrens verzögern würde und der Beteiligte die Verzögerung nicht genügend entschuldigt. Soweit neues Vorbringen nach Satz 2 zulässig ist, muss es der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung, der Beschwerdegegner in der Beschwerdebeantwortung vortragen. Wird es später vorgebracht, kann es zurückgewiesen werden, wenn die Möglichkeit es vorzutragen vor der Beschwerdebegründung oder der Beschwerdebeantwortung entstanden ist und das verspätete Vorbringen nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und auf dem Verschulden des Beteiligten beruht.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hat aufschiebende Wirkung; § 85 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Das Verfahren ist in allen Rechtszügen zu beschleunigen.

(2) Die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes über Zustellungs- und Vollstreckungsbeamte, über die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung, über die Gerichtssprache, über die Wahrnehmung richterlicher Geschäfte durch Referendare und über Beratung und Abstimmung gelten in allen Rechtszügen entsprechend. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landesarbeitsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesarbeitsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Arbeitsgerichtsgesetz tritt.

(3) Die Vorschriften über die Wahrnehmung der Geschäfte bei den ordentlichen Gerichten durch Rechtspfleger gelten in allen Rechtszügen entsprechend. Als Rechtspfleger können nur Beamte bestellt werden, die die Rechtspflegerprüfung oder die Prüfung für den gehobenen Dienst bei der Arbeitsgerichtsbarkeit bestanden haben.

(4) Zeugen und Sachverständige erhalten eine Entschädigung oder Vergütung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz.

(5) Alle mit einem befristeten Rechtsmittel anfechtbaren Entscheidungen enthalten die Belehrung über das Rechtsmittel. Soweit ein Rechtsmittel nicht gegeben ist, ist eine entsprechende Belehrung zu erteilen. Die Frist für ein Rechtsmittel beginnt nur, wenn die Partei oder der Beteiligte über das Rechtsmittel und das Gericht, bei dem das Rechtsmittel einzulegen ist, die Anschrift des Gerichts und die einzuhaltende Frist und Form schriftlich belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsmittels nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung der Entscheidung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsmittel nicht gegeben sei; § 234 Abs. 1, 2 und § 236 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gelten für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 26. August 2010 - 5 TaBV 9/10 - aufgehoben.

Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 11. März 2010 - 11 BV 28/09 - abgeändert.

Die Betriebsratswahl vom 2. Dezember 2009 im Wahlbezirk 17 (Freiberg) wird für unwirksam erklärt.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer außerhalb der regelmäßigen Wahlperiode durchgeführten, erstmaligen Betriebsratswahl vom 2. Dezember 2009.

2

Die Arbeitgeberin betreibt bundesweit eine Vielzahl von Filialen und Verkaufsstellen zum Vertrieb von Drogeriewaren. Einzelne Filialen und Verkaufsstellen sind zu Bezirken zusammengefasst, die jeweils einem Bezirksleiter unterstehen. Die Arbeitgeberin änderte den Zuschnitt der Bezirke in der Vergangenheit wiederholt.

3

Am 7. März 1995 unterzeichneten die Arbeitgeberin und die damalige Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) eine „Gemeinsame Erklärung“, in der es ua. heißt:

        

„Die Firma Anton Schlecker und die Gewerkschaft HBV haben sich am 7.3.1995 geeinigt und werden in einem Tarifvertrag § 3 BetrVG festlegen, daß Betriebsräte in der Firma Anton Schlecker grundsätzlich auf der Ebene der Bezirksleitungen gewählt werden können.

        

Die HBV vertrat bisher die Auffassung, daß auf der Ebene der Verkaufsbüros eine Betriebsratswahl stattfinden könne, Schlecker wollte für die einzelnen betriebsratsfähigen Filialen und für den Hauptbetrieb Betriebsratswahlen zulassen.

        

Nach Unterzeichnung des Tarifvertrages treten alle bisher von der HBV initiierten Wahlvorstände zurück. Es werden dann Wahlen auf der vereinbarten Organisationsebene der Firma eingeleitet.“

4

Am 7. April 1995 unterzeichneten die Arbeitgeberin und die Gewerkschaft HBV den „Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 Ziffer 3 Betriebsverfassungsgesetz“(im Folgenden: Zuordnungs-TV). Dieser hat folgenden Inhalt:

        

㤠1

        

Tariflicher Geltungsbereich

        

Dieser Tarifvertrag gilt

        

1.    

räumlich:

für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland

        

2.    

sachlich:

für alle Verkaufsstellen oder Filialen der Fa. Anton Schlecker, Ehingen, ausgenommen Lager (Logistik-Service Center), Zentrale, Verkaufsbüros, SB-Warenhäuser, Baumärkte, Fleischwerke und Fleischverkaufsstellen

        

3.    

persönlich:

für alle im räumlichen und sachlichen Geltungsbereich bei der Fa. Anton Schlecker beschäftigten Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG

        

§ 2

        

Zusammenarbeit

        

Zur Gewährleistung eines erfolgreichen Zusammenwirkens zwischen den Arbeitnehmern, dem Arbeitgeber und den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften in Fragen Betriebsverfassung und wegen der besonderen Verhältnisse in den Verkaufsstellen oder Filialen, sind sich die Parteien einig, nach § 3 Abs. 1 Ziffer 3 BetrVG eine von § 4 BetrVG abweichende Regelung über die Zuordnung von Betriebsteilen vorzunehmen. Die Errichtung von Betriebsräten wird dadurch erleichtert.

        

§ 3

        

Zuordnung von Betriebsteilen

        

Die im Geltungsbereich dieses Vertrages liegenden Verkaufsstellen oder Filialen, die als Betriebsteile anzusehen sind, werden abweichend von § 4 BetrVG untereinander zugeordnet in Regionen, die sich im einzelnen aus der beiliegenden und einen wesentlichen Bestandteil dieses Tarifvertrages bildenden Karte ergeben.

        

Infolge dieser Zuordnung wählen die Arbeitnehmer der in der jeweiligen Region liegenden Verkaufsstellen oder Filialen jeweils einen Betriebsrat.

        

§ 4

        

Neue Betriebsteile

        

Die Zuordnung gemäß § 3 gilt auch für Betriebsteile, die während der Laufzeit dieses Vertrages errichtet oder übernommen werden.

        

§ 5

        

Geltungsdauer

        

Dieser Tarifvertrag tritt mit Erteilung der Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung in Kraft. Der Vertrag wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Er kann mit einer Frist von sechs Monaten erstmals zum 31.12.1997 und danach zum Ende der gesetzlichen Amtszeit gemäß § 13 BetrVG gekündigt werden.“

5

Zuverlässige auf den Zeitpunkt der Unterzeichnung des Zuordnungs-TV am 7. April 1995 bezogene Feststellungen über Existenz und Inhalt der in § 3 des Tarifvertrags angesprochenen Karte sind vom Landesarbeitsgericht nicht getroffen. Nach dem - unwidersprochenen - Vorbringen der Arbeitgeberin im Rechtsbeschwerdeverfahren wurden „die Karten“ nach dem Abschluss des Tarifvertrags von der Arbeitgeberin erstellt und dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung nachgereicht. Der Senat hat eine auf seine Aufforderung von der Arbeitgeberin vorgelegte und von dieser als authentisch bezeichnete Karte in der mündlichen Anhörung in Augenschein genommen. Die Karte hat einen Maßstab von 1:700 000. Sie erfasst das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. In ihr sind - erkennbar von Hand - mit schwarzem, ca. 1,0 bis 1,5 mm breitem Stift Gebietsgrenzen und Zahlen eingetragen. Die Karte enthält keinen ausdrücklichen Bezug auf den Zuordnungs-TV. Unterschriften oder Paraphen finden sich auf der Karte nicht. Die Karte weist - insbesondere an den Faltungen - erhebliche Gebrauchsspuren auf. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts entsprachen die - in der Karte eingezeichneten - Grenzen der Betriebsratsregionen den Zuständigkeitsbereichen der damaligen Bezirksleitungen.

6

Die Karte weist ua. den Bezirk „17“ aus. In diesem befindet sich ua. der Ort Freiberg und - ganz oder teilweise - der Kreis Freiberg und der Mittlere Erzgebirgskreis. An den Bezirk grenzen - soweit erkennbar - die mit den Nummern 391, 35, 37 und 370 bezeichneten Bezirke an. Der Grenzverlauf des Bezirks 17 lässt sich jedenfalls anhand der Karte insbesondere im Westen nicht eindeutig erkennen. Auch wurden in diesem Bereich mit weißer Farbe Korrekturen vorgenommen.

7

Am 2. Dezember 2009 führte der vom Gesamtbetriebsrat eingesetzte Wahlvorstand im Bezirk 17 außerhalb des regelmäßigen Wahlzeitraums erstmals eine Betriebsratswahl durch. Der Wahlvorstand beteiligte an der Wahl die Arbeitnehmer der in diesem Bezirk gelegenen Filialen. Aufgrund von Umstrukturierungen waren die Zuständigkeitsbereiche der Bezirksleiter zu dieser Zeit gegenüber denjenigen von 1995 erheblich verändert. Der Bezirk 17 fiel im Dezember 2009 in die Zuständigkeit von fünf Bezirksleitungen. Das Wahlergebnis wurde am 7. Dezember 2009 bekannt gegeben.

8

Mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2009, beim Arbeitsgericht am 11. Dezember 2009 eingegangen, hat die Arbeitgeberin begehrt, die Wahl für unwirksam zu erklären. Die Antragsschrift ist von dem Prokuristen S unterzeichnet.

9

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, die Betriebsratswahl sei nichtig, jedenfalls aber anfechtbar. Bei der Wahl sei der Betriebsbegriff verkannt worden. Auf der Grundlage des Zuordnungs-TV sei eine Betriebsratswahl nicht mehr zulässig gewesen, da sich seit Abschluss des Tarifvertrags im Jahr 1995 aufgrund von Expansionen und betrieblichen Umorganisationen die Identität der betrieblichen Organisationseinheiten geändert habe. Der Zuordnungs-TV sei nicht mehr wirksam.

10

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

        

die Betriebsratswahl vom 2. Dezember 2009 im Wahlbezirk 17 (Freiberg) für unwirksam zu erklären.

11

Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag der Arbeitgeberin abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, der Antrag sei bereits unzulässig, da die Antragsschrift nicht ordnungsgemäß unterschrieben sei. Außerdem könne die Betriebsratswahl im Bezirk 17 nicht isoliert angefochten werden. Jedenfalls sei die Wahlanfechtung unbegründet. Der Betriebsbegriff sei nicht verkannt worden. Der Wahlbezirk 17 gelte auf der Grundlage des Zuordnungs-TV weiterhin als Betrieb, in dem ein Betriebsrat zu wählen sei.

12

Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihren Antrag weiter.

13

B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Die von der Arbeitgeberin frist- und formgerecht angefochtene Betriebsratswahl ist unwirksam. Durch die Einbeziehung sämtlicher Filialen, die in den geographischen Bereich des als Bezirk 17 bezeichneten Gebiets fallen, wurde der Betriebsbegriff verkannt. Allerdings war und ist der Zuordnungs-TV wirksam. Seine Wirkung wurde entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin durch die vorgenommenen Umstrukturierungen und Veränderungen der Gebiete der Bezirksleiter nicht beendet. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht aber angenommen, die Einheiten, für die nach dem Zuordnungs-TV Betriebsräte zu wählen seien, seien trotz der Umstrukturierungen unverändert geblieben. Wie die gebotene Auslegung des Zuordnungs-TV ergibt, sind für die Errichtung von Betriebsräten nicht statisch bestimmte geographische Grenzen, sondern dynamisch die jeweiligen, aufgrund der Entscheidungen der Arbeitgeberin geschaffenen Regionen der Bezirksleitungen maßgeblich. Dies hat der Wahlvorstand bei der streitbefangenen Wahl nicht beachtet. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist ein Anfechtungsrecht der Arbeitgeberin auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil vorangegangene Betriebsratswahlen in benachbarten Regionen unangefochten geblieben sind.

14

I. Der Antrag der Arbeitgeberin ist zulässig. Er ist form- und fristgerecht beim Arbeitsgericht eingegangen. Die Arbeitgeberin ist anfechtungsberechtigt. Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht entgegen, dass vorangegangene Betriebsratswahlen in benachbarten Regionen nicht angefochten wurden.

15

1. Die förmlichen Voraussetzungen einer zulässigen Wahlanfechtung sind erfüllt. Die Arbeitgeberin ist nach § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zur Anfechtung der Wahl berechtigt. Die Anfechtungsfrist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses ist eingehalten. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, wahrte die Antragsschrift die Schriftform des § 81 Abs. 1 Halbs. 2 Alt. 1 ArbGG. Der Namenszug des Prokuristen S unter der Antragsschrift erfüllt die an eine ordnungsgemäße Unterschrift zu stellenden Anforderungen.

16

a) Die ein Verfahren nach § 81 Abs. 1 Halbs. 2 ArbGG einleitende Antragsschrift bedarf nach dem auch im Beschlussverfahren anwendbaren § 130 Nr. 6 ZPO der eigenhändigen Unterschrift der den Schriftsatz verantwortenden Person(vgl. BAG 21. Oktober 1969 - 1 ABR 8/69 - zu II 3 a der Gründe, AP BetrVG § 3 Nr.10). Eine Unterschrift setzt einen individuellen Schriftzug voraus, der sich - ohne lesbar sein zu müssen - als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lässt. Ein Schriftzug, der als bewusste und gewollte Namenskürzung erscheint (Handzeichen, Paraphe), stellt keine formgültige Unterschrift dar. Ob ein Schriftzug eine Unterschrift oder lediglich eine Abkürzung darstellt, beurteilt sich nach dem äußeren Erscheinungsbild. In Anbetracht der Variationsbreite, die selbst Unterschriften ein und derselben Person aufweisen, ist insoweit ein großzügiger Maßstab anzulegen, wenn die Autorenschaft gesichert ist (BAG 13. Februar 2008 - 2 AZR 864/06 - Rn. 13 mwN, BAGE 125, 345).

17

b) Der Namenszug des Prokuristen S in der Antragsschrift entspricht diesen Anforderungen. Der Schriftzug ist zwar nicht lesbar. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, lassen die mehrfachen richtungsändernden Schreibbewegungen aber insbesondere unter Berücksichtigung des relativ kurzen Namens hinreichend erkennen, dass eine volle Unterschrift und nicht lediglich eine Paraphe oder Abkürzung des Namens gewollt war. Der Betriebsrat hat gegen diese Würdigung des Landesarbeitsgerichts im Rechtsbeschwerdeverfahren auch keine Einwendungen erhoben.

18

2. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, das Anfechtungsrecht der Arbeitgeberin sei vorliegend deshalb ausgeschlossen, weil die Wahlen in anderen, insbesondere auch den benachbarten Regionen unangefochten geblieben seien.

19

a) Allerdings hat der Senat, worauf das Landesarbeitsgericht zutreffend hinweist, mit Beschluss vom 31. Mai 2000 (- 7 ABR 78/98 - BAGE 95, 15) in Anknüpfung an einen Beschluss vom 7. Dezember 1988 (- 7 ABR 10/88 - BAGE 60, 276) entschieden, bei der Anfechtung einer Betriebsratswahl, die darauf gestützt werde, dass in einem einheitlichen Betrieb unter Verkennung des Betriebsbegriffs mehrere Betriebsräte für jeweils unselbständige Betriebsteile gewählt worden seien, müsse die Wahl aller Betriebsräte angefochten werden; die gegen die Wahl eines einzelnen Betriebsrats gerichtete Anfechtung sei in einem solchen Fall unzulässig (BAG 31. Mai 2000 - 7 ABR 78/98 - zu B II 1 der Gründe, aaO). Dies gelte auch, soweit in einem solchen Wahlanfechtungsverfahren weitere Verfahrensverstöße geltend gemacht würden, die unabhängig von einer Verkennung des Betriebsbegriffs die Unwirksamkeit der Wahl zur Folge hätten (BAG 31. Mai 2000 - 7 ABR 78/98 - zu B II 1 b der Gründe, aaO). Der Senat hat das vor allem mit der Erwägung begründet, es könne in einem solchen Fall durch die Annullierung von nur einer Betriebsratswahl kein betriebsverfassungsgemäßer Zustand erreicht werden. Wenn in einem einheitlichen Betrieb unter Verkennung des Betriebsbegriffs für einen unselbständigen Betriebsteil ein Betriebsrat gewählt worden sei, könne dieser betriebsverfassungswidrige Zustand nur durch gerichtliche Annullierung der Wahl sämtlicher Betriebsräte beseitigt werden, damit die Betriebsbelegschaft einen neuen, für den gesamten Betrieb einheitlich zuständigen Betriebsrat wählen könne (BAG 31. Mai 2000 - 7 ABR 78/98 - zu B II 1 a der Gründe, aaO).

20

b) Der Streitfall verlangt keine Entscheidung, ob an dieser Rechtsprechung uneingeschränkt festzuhalten ist. Jedenfalls ist sie auf die vorliegende Fallgestaltung entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht übertragbar. Zum einen kann bei Anwendung eines Tarifvertrags, der gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, Abs. 5 BetrVG bestimmte Betriebe eines Unternehmens zu betriebsverfassungsrechtlichen Einheiten zusammenfasst, die Zulässigkeit einer Wahlanfechtung wegen Verkennung des - tarifvertraglich gewillkürten - Betriebsbegriffs nicht davon abhängig gemacht werden, dass alle Wahlen in den gebildeten Organisationseinheiten angefochten werden. Zum andern gilt dies in besonderem Maße, wenn die Wahlen nicht zeitgleich, sondern - insbesondere wegen § 13 Abs. 2 BetrVG - zeitlich versetzt stattfinden.

21

aa) Wäre die Zulässigkeit einer auf die Verkennung des Betriebsbegriffs gestützten Anfechtung der Betriebsratswahl in einer nach einem Zuordnungstarifvertrag gebildeten betriebsorganisatorischen Einheit davon abhängig, dass auch die Betriebsratswahlen in den angrenzenden Regionen angefochten werden, würde die in § 19 Abs. 1 BetrVG vorgesehene und gewährleistete Möglichkeit der Anfechtung von Betriebsratswahlen in unzumutbarer Weise eingeschränkt und erschwert. Zum einen führte die Obliegenheit, die Betriebsratswahlen auch in den angrenzenden Regionen anzufechten, zu einem das gesamte Tarifgebiet erfassenden „Domino-Effekt“, grenzen doch an die angrenzenden Regionen wiederum weitere Regionen an. Zum zweiten müsste bei einem solchen „Konzept“ entweder den nach § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ebenfalls anfechtungsberechtigten drei Wahlberechtigten oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft die Obliegenheit und damit die Befugnis zuerkannt werden, auch die Wahlen in - sämtlichen - anderen Betrieben, denen sie nicht angehören oder in denen sie nicht vertreten sind, anzufechten, oder es müsste bei der Zulässigkeit von Wahlanfechtungen je nach Anfechtungsberechtigtem unterschieden werden. Beides erscheint systematisch unvertretbar. Zum dritten würde die Situation gänzlich perplex, wenn ein zur Anfechtung der Wahl Berechtigter einen anderen Anfechtungsgrund als die Verkennung des Betriebsbegriffs geltend machen würde und sich der Betriebsrat zur Verteidigung darauf beriefe, seine Wahl sei isoliert nicht anfechtbar, da auch der Betriebsbegriff verkannt worden sei.

22

bb) Dass die unterbliebene Anfechtung der Betriebsratswahlen in den angrenzenden Regionen der Zulässigkeit der Wahlanfechtung nicht entgegenstehen kann, zeigt sich besonders deutlich, wenn die Wahlen nicht zeitgleich, sondern - wie hier - zeitlich versetzt stattfinden. Ein derartiges Zulässigkeitserfordernis könnte vielmehr dazu führen, dass sich ein betriebsverfassungs- und tarifvertragsgemäßer Zustand überhaupt nicht mehr herstellen ließe. Vielmehr könnte der Anfechtung einer nach § 13 Abs. 2 BetrVG „unregelmäßigen“ Wahl in einer betriebsorganisatorischen Einheit die unterbliebene Anfechtung der nach § 13 Abs. 1 BetrVG „regelmäßigen“ Wahlen in anderen Einheiten entgegengehalten werden. Gleiches könnte umgekehrt im Falle der Anfechtung der nächsten regelmäßigen Wahl geschehen.

23

cc) Die - isolierte - Anfechtung der hier streitbefangenen Wahl ist nicht etwa deshalb unzulässig, weil sich so ein betriebsverfassungs- und tarifvertragsgemäßer Zustand nicht herstellen ließe. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass im Falle der Begründetheit der Wahlanfechtung eine die Verkennung des Betriebsbegriffs vermeidende, alle betroffenen Arbeitnehmer erfassende Neuwahl nicht möglich ist, sondern bis zu den nächsten regelmäßigen Betriebsratswahlen vorübergehend ein Zustand eintritt, in dem ein Teil der oder sogar alle betroffenen Arbeitnehmer keine Möglichkeit haben, von ihrem Recht zur Wahl eines Betriebsrats Gebrauch zu machen. Das bedeutet jedoch nicht notwendig, dass sie bis dahin vertretungslos würden. Vielmehr spricht angesichts des Umstands, dass sich die Zahl der Gebietsleiter in der streitbefangenen Region vergrößert und deren geographischer Zuständigkeitsbereich verkleinert hat, vieles dafür, dass im Falle der Begründetheit der vorliegenden Wahlanfechtung ein Teil der betroffenen Arbeitnehmer erneut einen Betriebsrat in der für sie zutreffend ermittelten betriebsverfassungsrechtlichen organisatorischen Einheit wählen kann, während ein anderer Teil von den bereits unangefochten gewählten Betriebsräten in den angrenzenden Regionen repräsentiert wird. Weitergehende Hinweise sind insoweit schon mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen weder geboten noch möglich.

24

II. Die Wahlanfechtung ist entgegen der Beurteilung des Landesarbeitsgerichts begründet. Die angefochtene Wahl ist zwar nicht nichtig. Sie ist aber anfechtbar, da der Betriebsbegriff verkannt wurde. Allerdings ist der Zuordnungs-TV entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin weiterhin wirksam. Der Wahlvorstand ist jedoch auf der Grundlage des Zuordnungs-TV nicht von der zutreffenden betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheit ausgegangen.

25

1. Die angefochtene Betriebsratswahl ist nicht nichtig.

26

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist eine Betriebsratswahl nur nichtig bei groben und offensichtlichen Verstößen gegen wesentliche Grundsätze des gesetzlichen Wahlrechts, die so schwerwiegend sind, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr besteht. Wegen der weitreichenden Folgen einer von Anfang an unwirksamen Betriebsratswahl kann deren jederzeit feststellbare Nichtigkeit nur bei besonders gravierenden Wahlverstößen angenommen werden. Voraussetzung ist, dass der Mangel offenkundig und deshalb ein Vertrauensschutz in die Gültigkeit der Wahl zu versagen ist. Die Betriebsratswahl muss „den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn tragen“. Dies ist bei einer Betriebsratswahl, die unter Verkennung des Betriebsbegriffs durchgeführt worden ist, grundsätzlich nicht der Fall. Sie hat in der Regel nur die Anfechtbarkeit der Wahl zur Folge (BAG 19. November 2003 - 7 ABR 25/03 - zu C I 1 der Gründe mwN, AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 55 = EzA BetrVG 2001 § 19 Nr. 1).

27

b) Hiernach ist die Betriebsratswahl nicht nichtig. Zwar hat der Wahlvorstand den Begriff der nach dem Zuordnungs-TV maßgeblichen betriebsorganisatorischen Einheit verkannt (s. hierzu noch unten). Dieser Fehler ist jedoch nicht so schwerwiegend, als dass der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr bestünde. Vielmehr hat der Wahlvorstand lediglich in einer schwierigen Auslegungsfrage eine fehlerhafte Beurteilung vorgenommen.

28

2. Die Betriebsratswahl ist anfechtbar. Der Wahlvorstand hat entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts die für die Wahl maßgebliche betriebsorganisatorische Einheit verkannt.

29

a) Nach § 19 Abs. 1 BetrVG kann die Wahl eines Betriebsrats angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, durch den Verstoß konnte das Wahlergebnis nicht verändert oder beeinflusst werden. Ein solcher Verstoß liegt ua. vor, wenn bei der Wahl der betriebsverfassungsrechtliche Betriebsbegriff verkannt wurde (vgl. BAG 19. November 2003 - 7 ABR 25/03 - zu C I 1 der Gründe mwN, AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 55 = EzA BetrVG 2001 § 19 Nr. 1). Gleiches gilt, wenn eine Betriebsratswahl unter Anwendung eines unwirksamen Tarifvertrags nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BetrVG durchgeführt wurde(vgl. hierzu BAG 29. Juli 2009 - 7 ABR 27/08 - Rn. 11, BAGE 131, 277) oder der Wahlvorstand bei der Anwendung eines wirksamen Tarifvertrags nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BetrVG die danach maßgebliche betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit verkannt hat.

30

b) Hiernach ist die vorliegende Wahl anfechtbar. Zwar ist der Zuordnungs-TV wirksam geschlossen worden. Er hat auch entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin durch die späteren Umstrukturierungen und organisatorischen Änderungen seine Wirkung nicht verloren. Der Wahlvorstand hat aber entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts die nach dem Zuordnungs-TV maßgebliche betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit verkannt.

31

aa) Der Zuordnungs-TV ist wirksam. Gegen seine Wirksamkeit bestünden allerdings durchgreifende Bedenken, wenn die in § 3 des Zuordnungs-TV angesprochene Karte konstitutiver Bestandteil des Tarifvertrags sein sollte. In diesem Fall würde der Tarifvertrag weder dem Schriftformerfordernis des § 1 Abs. 2 TVG noch den an die Normenklarheit zu stellenden Mindestanforderungen genügen. Wie die gebotene Auslegung des Zuordnungs-TV ergibt, ist die Karte jedoch kein konstitutiver Bestandteil des Tarifvertrags, sondern hat lediglich erläuternden Charakter.

32

(1) Falls die in § 3 des Zuordnungs-TV angesprochene Karte Bestandteil des Tarifvertrags sein sollte, wäre - jedenfalls nach den dem Senat zur Verfügung stehenden, einer weiteren Aufklärung ersichtlich nicht zugänglichen tatsächlichen Feststellungen - dem Schriftformerfordernis des § 1 Abs. 2 TVG nicht genügt.

33

(a) Nach § 1 Abs. 2 TVG bedürfen Tarifverträge der Schriftform. Das Tarifvertragsrecht kennt keinen eigenständigen Schriftformbegriff. Die Schriftform richtet sich daher grundsätzlich nach § 126 BGB und den in der Rechtsprechung entwickelten Konkretisierungen dieser Norm. Hiernach muss die Urkunde eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden. Es reicht bei Dokumenten mit Anlagen aber aus, wenn die sachliche Zusammengehörigkeit von unterzeichneter Haupturkunde und Anlage zweifelsfrei feststeht. Dem Schriftformerfordernis des § 1 Abs. 2 TVG ist daher genügt, wenn die Tarifvertragsurkunde klar und zweifelsfrei auf - selbst nicht unterzeichnete - Schriftstücke verweist, selbst wenn diese nicht körperlich mit der Urkunde verbunden sind. Dies ist anzunehmen, wenn der Tarifvertrag in seinem Wortlaut unmittelbar oder mittelbar auf die Anlage Bezug nimmt (BAG 3. Mai 2006 - 1 ABR 2/05 - Rn. 30, BAGE 118, 141; 6. Oktober 2010 - 7 ABR 80/09 - Rn. 19 mwN, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 45 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 19). Die Zusammengehörigkeit von Haupturkunde und Anlage kann auch dadurch sichergestellt werden, dass die unterzeichnete Anlage ihrerseits auf die Haupturkunde verweist (vgl. zur Notwendigkeit einer solchen Rückverweisung bei einem Interessenausgleich mit Namensliste BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 551/08 - Rn. 23, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 20 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 21). Fehlt es sowohl an einer körperlichen Verbindung als auch an einer Unterzeichnung oder Paraphierung der Anlage, ist für die Wahrung der Schriftform zumindest erforderlich, dass zweifelsfrei nur eine Fassung der in Bezug genommenen, eindeutig bezeichneten Anlage existiert. Andernfalls lässt sich nicht zuverlässig feststellen, welche Norm maßgeblich sein und für die Normunterworfenen gelten soll.

34

(b) Hiernach ist die in § 3 Abs. 1 des Zuordnungs-TV angesprochene Karte nicht formwirksam in Bezug genommen. Zwar wird sie in § 3 Abs. 1 des Zuordnungs-TV als wesentlicher Bestandteil des Tarifvertrags bezeichnet. Eine zuverlässige Zuordnung von Tarifvertrag und Karte ist aber nicht möglich. Ein von den Tarifvertragsparteien unterzeichnetes Exemplar der Karte gibt es ersichtlich nicht. Die von der Arbeitgeberin - einer der beiden Tarifvertragsparteien - vorgelegte, in der mündlichen Anhörung vor dem Senat in Augenschein genommene Karte weist weder Unterschriften noch eine Rückverweisung auf den Zuordnungs-TV aus. Allein anhand dieser Karte lässt sich daher nicht einmal eine unmittelbare Verbindung zu dem Zuordnungs-TV herstellen. Darüber hinaus ist nicht sicher feststellbar, wie viele Exemplare oder Fassungen dieser Karte es gibt. Gegen die Annahme, es gebe nur ein Exemplar, spricht bereits der Umstand, dass nach dem - unwidersprochenen - Vorbringen der Arbeitgeberin im Rechtsbeschwerdeverfahren „die Karten“ nach dem Abschluss des Tarifvertrags von der Arbeitgeberin erstellt und dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung nachgereicht wurden. Bei ausschließlich maschinenschriftlichen Schriftstücken könnte das Vorhandensein mehrerer identischer Anlagen möglicherweise noch als unschädlich erachtet werden. Bei Anlagen, die zu wesentlichen Teilen aus manuell eingezeichneten Linien bestehen, ist dies jedoch nicht der Fall.

35

(2) Falls die in § 3 des Zuordnungs-TV angesprochene Karte konstitutiver Bestandteil des Tarifvertrags sein sollte, wäre darüber hinaus den Mindestanforderungen des Gebots der Bestimmtheit und Normenklarheit nicht genügt.

36

(a) Das letztlich aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Gebot der Bestimmtheit und Normenklarheit verlangt grundsätzlich, dass der Normgeber die von ihm erlassenen Regelungen so bestimmt fasst, dass die Rechtsunterworfenen in zumutbarer Weise feststellen können, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm ausgesprochene Rechtsfolge vorliegen (vgl. zum „Gebot der Bestimmtheit und Klarheit“ - allerdings bei gesetzlichen Grundrechtsbeschränkungen - BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 - und - 1 BvR�1 BvR 1254/07 - Rn. 93 bis 97 mwN, BVerfGE 120, 378). Dies gilt grundsätzlich auch für tarifvertragliche Regelungen. Allerdings haben die Tarifvertragsparteien bei der technischen Umsetzung der von ihnen verfolgten Zwecke regelmäßig einen weiten Gestaltungsspielraum. Daher ist ihnen insbesondere auch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe nicht verwehrt. Gerichte dürfen diese nicht etwa wegen mangelnder Justiziabilität unangewendet lassen. Vielmehr ist es ihre Aufgabe, erforderlichenfalls unbestimmte Rechtsbegriffe im Wege der Auslegung zu konkretisieren. Lediglich in ganz besonderen Ausnahmefällen dürfen Gerichte tarifliche Regelungen wegen mangelnder Bestimmtheit und des darauf beruhenden Verstoßes gegen rechtsstaatliche Grundsätze für unwirksam erachten (vgl. BAG 29. Januar 1986 - 4 AZR 465/84 - zu 5 bis 7 der Gründe mwN, BAGE 51, 59; vgl. auch 4. Dezember 1997 - 2 AZR 809/96 - zu B II 3 der Gründe, BAGE 87, 210).

37

(b) Hier läge, sofern die in § 3 des Zuordnungs-TV angesprochene Karte konstitutiver Bestandteil des Tarifvertrags sein sollte, ein solcher Ausnahmefall vor. Falls die handschriftlich in die Karte oder die Karten - ob es nur eine oder aber mehrere Karten gibt, ist, wie ausgeführt, nicht zuverlässig feststellbar - eingezeichneten Linien konstitutiv die Grenzen der betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten darstellen sollten, ließen sich diese insbesondere in Randbereichen auch im Wege der Auslegung nicht mehr zuverlässig ermitteln. Der Senat hat sich durch den nach § 293 ZPO auch im Rechtsbeschwerdeverfahren zulässigen(vgl. dazu BAG 15. April 2008 - 9 AZR 159/07 - Rn. 41 mwN, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 38 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 21),in der mündlichen Anhörung vorgenommenen Augenschein in die von der Arbeitgeberin vorgelegte Karte davon überzeugt, dass aufgrund des kleinen Maßstabs, der Genauigkeit der Karte, der Dicke der handschriftlichen Linien und der Linienführung in vielen Bereichen, insbesondere in Ballungsgebieten und in Randbereichen, eine zuverlässige Grenzziehung nicht möglich ist. Die Filialen oder Verkaufsstellen selbst sind in der Karte nicht eingezeichnet. Die „Unschärfen“ sind auch nicht etwa unbeachtlich. Gerade bei tarifvertraglichen Vorschriften, durch die abweichend von den gesetzlichen Betriebsverfassungsstrukturen betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheiten geschaffen werden, sind eindeutige Grenzziehungen - sei es auch durch abstrakte, eine Subsumtion ermöglichende Kriterien - unverzichtbar.

38

(3) Die Wirksamkeit des Zuordnungs-TV scheitert gleichwohl weder am Schriftformerfordernis des § 1 Abs. 2 TVG noch an den an seine Bestimmtheit zu stellenden Mindestanforderungen. Wie die Auslegung des Zuordnungs-TV ergibt, ist die in seinem § 3 angesprochene Karte kein konstitutiver Bestandteil des Tarifvertrags, sondern hat lediglich deklaratorischen, erläuternden Charakter. Sie gibt nur ungefähr die Grenzen der bei Abschluss des Tarifvertrags im April 1995 bestehenden Regionen wieder. Maßgebliches Kriterium für die durch den Tarifvertrag gewillkürten betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten sind die jeweiligen, aufgrund der organisatorischen Entscheidung der Arbeitgeberin gebildeten Regionen der Bezirksleiter. Die durch den Tarifvertrag vorgesehenen betriebsratsfähigen Einheiten sind daher nicht statisch auf den Zustand im Jahr 1995 festgeschrieben, sondern dynamisch und damit Veränderungen unterworfen.

39

(a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben der Tarifnorm zu haften. Bei nicht eindeutigem Wortsinn ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist dabei stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen - ohne Bindung an eine Reihenfolge - weitere Kriterien, wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags oder die praktische Tarifübung, ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, gesetzeskonformen und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. nur BAG 24. Februar 2011 - 2 AZR 830/09 - Rn. 12 mwN, NZA 2011, 708).

40

(b) Die Anwendung dieser Grundsätze auf die Auslegung des Zuordnungs-TV führt zu dem Ergebnis, dass für die Bildung der betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten nicht die in der Karte nur ungefähr wiedergegebenen Grenzen der Bezirksleiterregionen von 1995, sondern vielmehr die Bezirksleiterregionen in ihrem jeweiligen Zuschnitt maßgeblich sind.

41

(aa) Der Wortlaut des Tarifvertrags und der durch ihn vermittelte Wortsinn sind nicht eindeutig. Allerdings spricht die Formulierung in § 3 Abs. 1 Zuordnungs-TV, wonach sich die Regionen „im einzelnen aus der beiliegenden und einen wesentlichen Bestandteil dieses Tarifvertrages bildenden Karte ergeben“, dafür, dass die Karte konstitutiven Charakter haben und die in ihr eingezeichneten Gebiete unveränderlich festgeschrieben werden sollen. Zwingend ist dies jedoch nicht.

42

(bb) Wesentlich gegen ein solches statisch-geographisches Verständnis der tariflichen Regelung sprechen der tarifliche Gesamtzusammenhang sowie Sinn und Zweck der Regelung. Bereits aus der „Gemeinsamen Erklärung“ der Tarifvertragsparteien vom 7. März 1995 ergibt sich, dass sich die Tarifvertragsparteien darauf geeinigt haben, dass „Betriebsräte in der Firma Anton Schlecker grundsätzlich auf der Ebene der Bezirksleitungen gewählt werden können“. Das spricht gegen ein statisch-geographisches und für ein dynamisch-funktionales Verständnis der tariflichen Regelung. Vor allem aber entspricht ein dynamisch-funktionales Verständnis dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelung.

43

(aaa) Bereits nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG in der bis zum 27. Juli 2001 geltenden Fassung (aF) dienten die von § 4 BetrVG(aF) abweichenden tariflichen Regelungen dazu, die Bildung von Vertretungen der Arbeitnehmer zu erleichtern. Schon der Zweck dieser Regelung ging - jedenfalls auch - dahin, es den Tarifvertragsparteien zu ermöglichen, betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheiten zu schaffen, die eine optimale Wahrnehmung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats und eine größtmögliche Betreuung der Arbeitnehmer bewirken (vgl. BAG 24. Januar 2001 - 4 ABR 4/00 - zu B III 2 a der Gründe, BAGE 97, 31; Fitting 19. Aufl. § 3 Rn. 49). Noch deutlicher ist das gesetzgeberische Anliegen in § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BetrVG in der seit 28. Juli 2001 geltenden Fassung, wonach tariflich die Zusammenfassung von Betrieben dann vorgesehen werden kann, „wenn dies die Bildung von Betriebsräten erleichtert oder einer sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer dient“. Im Interesse einer sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer liegt es insbesondere, wenn die Interessenvertretungen dort errichtet werden, wo unternehmerische Leitungsmacht konkret entfaltet und ausgeübt wird und die mitbestimmungsrechtlich relevanten Entscheidungen getroffen werden (vgl. BAG 13. Oktober 2004 - 7 ABR 56/03 - zu B IV 1 e cc [1] der Gründe mwN, BAGE 112, 166). Maßgeblich für die sachgerechte Bildung von Arbeitnehmervertretungen sind daher die organisatorischen Vorgaben des Arbeitgebers. Diese sind nicht nur für die gesetzlichen, sondern ebenso bei tarifvertraglich gewillkürten Vertretungsstrukturen von Bedeutung. Auch bei Tarifverträgen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BetrVG ist es sachgerecht, sich bei der Zusammenfassung von Betrieben zu einer tarifvertraglichen betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheit an den organisatorischen Entscheidungen des Arbeitgebers zu orientieren. Dies gilt nicht nur für die bei Abschluss des Tarifvertrags bestehenden Organisationsstrukturen. Vielmehr ist es sinnvoll, nicht nur statisch einen bestimmten Zustand festzuschreiben, sondern bei der tariflichen Regelung bereits die Möglichkeit späterer Veränderungen der Organisationsstrukturen zu berücksichtigen. Andernfalls liefe der Tarifvertrag Gefahr, bei jeder wesentlichen Änderung der Organisation, die dem Arbeitgeber als solche regelmäßig nicht verboten ist, sein Substrat zu verlieren (vgl. Fitting 25. Aufl. § 3 Rn. 86).

44

(bbb) Dass auch die Tarifvertragsparteien des Zuordnungs-TV das Ziel im Auge hatten, dauerhafte, auch Änderungen einbeziehende, effiziente Vertretungsstrukturen zu schaffen, zeigen die Regelungen in §§ 2, 4 und 5 Zuordnungs-TV. So ist in § 2 als Ziel des Tarifvertrags ausdrücklich die „Gewährleistung eines erfolgreichen Zusammenwirkens zwischen den Arbeitnehmern, dem Arbeitgeber und den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften in Fragen Betriebsverfassung“ genannt. In § 3 Zuordnungs-TV ist die Möglichkeit berücksichtigt, dass während der Laufzeit des Tarifvertrags neue Betriebsteile errichtet und übernommen werden, und § 4 macht deutlich, dass die Regelungen des Tarifvertrags nicht etwa nur für eine Amtszeit, sondern auf Dauer gelten sollen. Auch dies spricht gegen ein geographisch-statisches und für ein dynamisch-funktionales Verständnis der tariflichen Regelungen.

45

(cc) Gegen einen konstitutiven Charakter der in § 3 Zuordnungs-TV in Bezug genommenen Karte und für ein dynamisch-funktionales, an die jeweiligen Regionen der Bezirksleitungen anknüpfendes dynamisches Verständnis spricht maßgeblich auch der Grundsatz der möglichst gesetzeskonformen Auslegung. Danach ist im Zweifel der Auslegung der Vorzug zu geben, bei der sich die tarifliche Regelung als wirksam erweist. Hier wäre der Tarifvertrag wegen mangelnder Schriftform nach § 1 Abs. 2 TVG sowie aus Gründen mangelnder Bestimmtheit unwirksam, wenn die Karte als konstitutiver Bestandteil zu erachten wäre. Dagegen begegnet es keinen durchgreifenden Wirksamkeitsbedenken, wenn für die Errichtung der Betriebsräte die jeweiligen Regionen der Bezirksleiter maßgeblich sind. Die damit verbundene Dynamik ist rechtlich zulässig. Auch die gesetzlichen Betriebsverfassungsstrukturen sind insofern dynamisch, als bei der Errichtung von Betriebsräten die sich ändernden organisatorischen Vorgaben des Arbeitgebers zu beachten und nachzuvollziehen sind. Bei diesem Verständnis wird die tarifliche Regelung nicht unbestimmt. Wie die Vorsitzende des Betriebsrats in der mündlichen Anhörung erklärt hat, ist unschwer feststellbar, welche Verkaufsstellen und Filialen zu welcher jeweiligen Region gehören.

46

bb) Der Zuordnungs-TV ist auch nicht aus anderen Gründen unwirksam. Er wird sowohl den Erfordernissen des bei seinem Abschluss im Jahr 1995 geltenden § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG(aF) als auch den Voraussetzungen des seit 28. Juli 2001 geltenden, einen weiteren Anwendungsbereich erfassenden § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BetrVG gerecht. Bei der Arbeitgeberin handelt es sich um ein Unternehmen mit vielen, bundesweit verstreuten Filialen. Sie weist damit eine Unternehmensstruktur auf, für die ein besonderes Bedürfnis nach einer „maßgeschneiderten“ Vertretungsstruktur im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG(aF) bestand (vgl. dazu BAG 24. Januar 2001 - 4 ABR 4/00 - zu B III 2 b der Gründe, BAGE 97, 31) und bei der die Zusammenfassung von Betrieben die Bildung von Betriebsräten iSv. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BetrVG erleichtert und zugleich einer sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer dient. Insoweit haben die Beteiligten auch keine Bedenken erhoben. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat die nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BetrVG(aF) noch erforderliche Zustimmung zu dem Tarifvertrag erteilt.

47

cc) Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin hat der Zuordnungs-TV durch die zahlreichen erheblichen Umstrukturierungen und organisatorischen Veränderungen seine Wirksamkeit nicht verloren.

48

(1) Allerdings kann durch Strukturveränderungen das Substrat für eine durch einen Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BetrVG errichtete betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit entfallen. Die tarifvertraglich gebildete Einheit kann ihre Identität verlieren (vgl. Fitting § 3 Rn. 86). So kann beispielsweise die Grundlage für Spartenbetriebsräte iSv. § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG verloren gehen, wenn der Arbeitgeber die Spartenorganisation aufgibt. Auch im Rahmen der gesetzlichen Betriebsverfassung ist es dem Arbeitgeber unbenommen, durch organisatorische Veränderungen Betriebe im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes zu bilden, zusammenzulegen, zu spalten oder zu zerschlagen. Das ist im Rahmen der tariflich gewillkürten Betriebsverfassungsstrukturen nicht anders.

49

(2) Hier ist durch die Umstrukturierungen und organisatorischen Änderungen die Möglichkeit, auf der Grundlage des Zuordnungs-TV Betriebsräte zu bilden, nicht entfallen. Bei einem rein geographisch-statischen Verständnis des Tarifvertrags könnte dies zwar der Fall sein, da dann zu einem erheblichen Teil die Leitungsstrukturen nicht mehr kongruent wären mit den betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten. Bei einem dynamisch-funktionalen Verständnis ist das jedoch nicht der Fall. Vielmehr ist es hiernach weiterhin möglich, Betriebsräte jeweils dort zu errichten, wo sich die unternehmerische Leitungsmacht entfaltet. Werden Bezirksleiterregionen zusammengelegt, ist dort statt bislang mehrerer Betriebsräte nur noch ein Betriebsrat zu wählen, werden sie aufgespalten, sind statt eines Betriebsrats mehrere Betriebsräte zu wählen.

50

dd) Die streitbefangene Wahl vom 2. Dezember 2009 ist anfechtbar, weil der Wahlvorstand auf der Grundlage des weiterhin anzuwendenden Zuordnungs-TV den Betriebsbegriff verkannt hat. Da es zum damaligen Zeitpunkt im sog. Bezirk 17 mehrere Bezirksleitungen mit jeweils eigenen Zuständigkeitsbereichen gab, durfte keine einheitliche Wahl durchgeführt werden. Betriebsräte waren vielmehr nach Maßgabe der organisatorischen Vorgaben der Arbeitgeberin in den damaligen Regionen der Bezirksleitungen zu wählen.

        

    Linsenmaier    

        

    Schmidt    

        

    Gallner    

        

        

        

    Bea    

        

    Krollmann    

                 

(1) Durch Tarifvertrag können bestimmt werden:

1.
für Unternehmen mit mehreren Betrieben
a)
die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats oder
b)
die Zusammenfassung von Betrieben,
wenn dies die Bildung von Betriebsräten erleichtert oder einer sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer dient;
2.
für Unternehmen und Konzerne, soweit sie nach produkt- oder projektbezogenen Geschäftsbereichen (Sparten) organisiert sind und die Leitung der Sparte auch Entscheidungen in beteiligungspflichtigen Angelegenheiten trifft, die Bildung von Betriebsräten in den Sparten (Spartenbetriebsräte), wenn dies der sachgerechten Wahrnehmung der Aufgaben des Betriebsrats dient;
3.
andere Arbeitnehmervertretungsstrukturen, soweit dies insbesondere aufgrund der Betriebs-, Unternehmens- oder Konzernorganisation oder aufgrund anderer Formen der Zusammenarbeit von Unternehmen einer wirksamen und zweckmäßigen Interessenvertretung der Arbeitnehmer dient;
4.
zusätzliche betriebsverfassungsrechtliche Gremien (Arbeitsgemeinschaften), die der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit von Arbeitnehmervertretungen dienen;
5.
zusätzliche betriebsverfassungsrechtliche Vertretungen der Arbeitnehmer, die die Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Arbeitnehmern erleichtern.

(2) Besteht in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1, 2, 4 oder 5 keine tarifliche Regelung und gilt auch kein anderer Tarifvertrag, kann die Regelung durch Betriebsvereinbarung getroffen werden.

(3) Besteht im Fall des Absatzes 1 Nr. 1 Buchstabe a keine tarifliche Regelung und besteht in dem Unternehmen kein Betriebsrat, können die Arbeitnehmer mit Stimmenmehrheit die Wahl eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats beschließen. Die Abstimmung kann von mindestens drei wahlberechtigten Arbeitnehmern des Unternehmens oder einer im Unternehmen vertretenen Gewerkschaft veranlasst werden.

(4) Sofern der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nichts anderes bestimmt, sind Regelungen nach Absatz 1 Nr. 1 bis 3 erstmals bei der nächsten regelmäßigen Betriebsratswahl anzuwenden, es sei denn, es besteht kein Betriebsrat oder es ist aus anderen Gründen eine Neuwahl des Betriebsrats erforderlich. Sieht der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung einen anderen Wahlzeitpunkt vor, endet die Amtszeit bestehender Betriebsräte, die durch die Regelungen nach Absatz 1 Nr. 1 bis 3 entfallen, mit Bekanntgabe des Wahlergebnisses.

(5) Die aufgrund eines Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung nach Absatz 1 Nr. 1 bis 3 gebildeten betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten gelten als Betriebe im Sinne dieses Gesetzes. Auf die in ihnen gebildeten Arbeitnehmervertretungen finden die Vorschriften über die Rechte und Pflichten des Betriebsrats und die Rechtsstellung seiner Mitglieder Anwendung.

Wahlberechtigt sind alle Arbeitnehmer des Betriebs, die das 16. Lebensjahr vollendet haben. Werden Arbeitnehmer eines anderen Arbeitgebers zur Arbeitsleistung überlassen, so sind diese wahlberechtigt, wenn sie länger als drei Monate im Betrieb eingesetzt werden.

(1) Die Wahl kann beim Arbeitsgericht angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.

(2) Zur Anfechtung berechtigt sind mindestens drei Wahlberechtigte, eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft oder der Arbeitgeber. Die Wahlanfechtung ist nur binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, zulässig.

(3) Die Anfechtung durch die Wahlberechtigten ist ausgeschlossen, soweit sie darauf gestützt wird, dass die Wählerliste unrichtig ist, wenn nicht zuvor aus demselben Grund ordnungsgemäß Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste eingelegt wurde. Dies gilt nicht, wenn die anfechtenden Wahlberechtigten an der Einlegung eines Einspruchs gehindert waren. Die Anfechtung durch den Arbeitgeber ist ausgeschlossen, soweit sie darauf gestützt wird, dass die Wählerliste unrichtig ist und wenn diese Unrichtigkeit auf seinen Angaben beruht.

Wahlberechtigt sind alle Arbeitnehmer des Betriebs, die das 16. Lebensjahr vollendet haben. Werden Arbeitnehmer eines anderen Arbeitgebers zur Arbeitsleistung überlassen, so sind diese wahlberechtigt, wenn sie länger als drei Monate im Betrieb eingesetzt werden.

(1) Die Wahl kann beim Arbeitsgericht angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.

(2) Zur Anfechtung berechtigt sind mindestens drei Wahlberechtigte, eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft oder der Arbeitgeber. Die Wahlanfechtung ist nur binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, zulässig.

(3) Die Anfechtung durch die Wahlberechtigten ist ausgeschlossen, soweit sie darauf gestützt wird, dass die Wählerliste unrichtig ist, wenn nicht zuvor aus demselben Grund ordnungsgemäß Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste eingelegt wurde. Dies gilt nicht, wenn die anfechtenden Wahlberechtigten an der Einlegung eines Einspruchs gehindert waren. Die Anfechtung durch den Arbeitgeber ist ausgeschlossen, soweit sie darauf gestützt wird, dass die Wählerliste unrichtig ist und wenn diese Unrichtigkeit auf seinen Angaben beruht.