Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 26. Okt. 2017 - 2 Sa 165/17
Gericht
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 15.12.2016 - 9 Ca 984/16 - abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits (1. und 2. Instanz) hat der Kläger zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist.
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Der 1964 geborene, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger war bei der Beklagten seit 01. Juni 1989 als Müllwerker beschäftigt.
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Am 15. Mai 2015 war der Kläger als einer von vier Mülladern neben dem Fahrer auf dem Kurs in einem A-Stadtteil eingesetzt. Er war zum Rausstellen der Mülltonnen im Parcours abgesetzt worden und sollte später nach Erledigung des Rausstellvorgangs vom Fahrer wieder aufgenommen werden, um beim Ladevorgang oder beim Zurückstellen der Tonnen im Team mitzuarbeiten. Da das Fahrzeug bereits frühzeitig erstmals seinen Füllhöchststand erreichte, wurde eine erste Entladung auf der Deponie notwendig, wodurch sich die Wiederaufnahme des Klägers verzögerte. Gemäß dem gegen ihn ergangenen, seit 15. September 2015 rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Mainz vom 27. August 2015 (Bl. 41 - 46 d. A.) besuchte der Kläger in dieser Zeit gegen 08:00 Uhr die zu diesem Zeitpunkt allein im Haus ihrer Eltern weilende 12-jährige D., die Tochter eines seiner Arbeitskollegen. Er bat D., die noch einen Schlafanzug trug, um einen Kaffee. Sie brachte ihm einen Kaffee und setze sich neben ihn auf das Bett in ihrem Kinderzimmer. Der Kläger setzte das Mädchen sodann auf seinen Schoß und fing an, sie am Rücken zu streicheln und sodann unter dem Schlafanzugoberteil auch die nackten Brüste, bis das Mädchen vorgab, zur Toilette gehen zu müssen. Als sie von dort wieder zurückkam, zog er sie erneut auf seinen Schoß und streichelte wiederum mit der Hand ihre nackten Brüste. Im Strafbefehl wird dem Kläger zur Last gelegt, am 15. Mai 2015 sexuelle Handlungen an einer Person unter 14 Jahren (Kind) vorgenommen zu haben (Vergehen gemäß § 176 Abs. 1 StGB), und gegen ihn eine Freiheitsstrafe von 10 Monaten zur Bewährung festgesetzt mit einer Bewährungszeit von 3 Jahren. Eine Mitteilung in Strafsachen (MiStra) über den Strafbefehl an den Arbeitgeber erfolgte nicht.
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Der Vater von D. teilte am 16. Juni 2015 der zuständigen Abteilungsleiterin des Entsorgungsbetriebes der Beklagten die sexuelle Belästigung seiner Tochter durch den Kläger mit. Er habe Strafanzeige gegen den Kläger gestellt und bat darum, diesen auf einem anderen Kurs einzusetzen. Mit Schreiben vom 17. Juni 2015 teilte der Werkleiter des Entsorgungsbetriebs den Sachverhalt der Personalabteilung und der zuständigen Dezernentin der Beklagten mit. Es wurde entschieden, zunächst die strafrechtlichen Ermittlungen abzuwarten.
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Vom 20. Juni bis zum 24. Juli 2015 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Am 30. Juni 2015 kam es zu einem - der Beklagten erst im Zuge der Anhörung zur Kündigung vom Kläger mitgeteilten - tätlichen Angriff auf diesen. Ein Mann, der dem Kläger vom Sehen her bekannt war, verprügelte ihn mit einem Stock. Zwei Männer, von denen einer ein Arbeitskollege des Klägers war, beobachteten die Tat so lange, bis die Polizei gerufen wurde. Ein weiterer Versuch eines tätlichen Angriffs am 05. Juli 2015 blieb erfolglos.
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Am 06. Juli 2015 bat der Kläger um Versetzung zur Landkreisabfallentsorgung mit Standort in W-Stadt. Diesem Wunsch entsprach die Beklagte. Im Anschluss an die Arbeitsunfähigkeit nahm der Kläger bis zum 14. August 2015 Urlaub. Ab dem 17. August 2015 trat er seinen Dienst in der Landkreisabfallentsorgung in W-Stadt an. Er arbeitete dort vier Tage bis einschließlich zum 20. August 2015. Während seines viertägigen Einsatzes im Betriebshof in W-Stadt äußerten verschiedene Mitarbeiter gegenüber der Betriebsleitung die Bitte, nicht mit dem Kläger auf ein Fahrtzeug gesetzt zu werden. Seit dem 21. August 2015 ist der Kläger durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Eine Entscheidung darüber, ob und wenn ja, wie der Kläger weiter eingesetzt werden könnte, wurde im Hinblick auf die Erkrankung des Klägers nicht getroffen.
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Das Hauptamt/Personalabteilung wandte sich mit Schreiben vom 09. Mai 2016 an das Rechtsamt mit der Bitte, bei der Staatsanwaltschaft den Sachstand des Strafverfahrens zu erfragen, da eigene Auskunftsersuchen erfolglos geblieben seien. Von dort konnte in Erfahrung gebracht werden, dass das Strafverfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen war, weshalb mit Schreiben vom 17. Mai 2016 die Staatsanwaltschaft um Übersendung des rechtskräftigen Strafbefehls gebeten wurde, der sodann am 30. Mai 2016 in Kopie bei der Beklagten einging. Am 31. Mai 2016 erlangte der zuständige Sachbearbeiter der Beklagten Kenntnis vom Inhalt des Strafbefehls, der sodann den Kläger zu einer Anhörung am 02. Juni 2016 lud; wegen der Einzelheiten der am 02. Juni 2016 erfolgten Anhörung des Klägers wird auf das Protokoll vom gleichen Tag (Bl. 48, 49 d. A.) verwiesen. Mit Anhörungsschreiben vom 06. Juni 2016 (Bl. 50 - 53 d. A.) unterrichtete die Beklagte den Personalrat über ihre Absicht, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich mit sozialer Auslauffrist von sechs Monaten zum Quartalsende zum nächstmöglichen Zeitpunkt verhaltensbedingt zu kündigen; wegen der angegebenen Sozialdaten des Klägers und der mitgeteilten Kündigungsgründe wird auf das Anhörungsschreiben vom 06. Juni 2016 verwiesen. Mit Schreiben vom 10. Juni 2016 (Bl. 54, 55 d. A.) nahm der Personalrat hierzu Stellung. Mit Schreiben vom 13. Juni 2016 (Bl. 4 - 6 d. A.), dem Kläger am 14. Juni 2016 zugegangen, kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich mit sozialer Auslauffrist von sechs Monaten zum 31. Dezember 2016.
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Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 01. Juli 2016 beim Arbeitsgericht Mainz eingegangenen Kündigungsschutzklage.
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Wegen des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf die erstinstanzlich eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
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Der Kläger hat beantragt,
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1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 13. Juni 2016 nicht beendet wird,
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2. im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Müllwerker weiterzubeschäftigen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Mit Urteil vom 15. Dezember 2016 - 9 Ca 984/16 - hat das Arbeitsgericht Mainz der Klage stattgegeben. Wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Urteils verwiesen.
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Gegen das ihr am 24. März 2017 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 18. April 2017, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 22. Mai 2017, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet.
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Die Beklagte trägt vor, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die Interessenabwägung zugunsten des Klägers ausfalle und für sie keine Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des Klägers bestehe. Für den Kläger spreche allein seine lange Betriebszugehörigkeit, während alle anderen Umstände gegen ihn sprechen würden. Der Kläger habe sich eines schweren strafrechtlichen Vergehens schuldig gemacht. Sexueller Missbrauch eines Kindes sei ein die Integrität des Opfers in schwerwiegender Weise verletzendes Delikt. Dass es sich im vorliegenden Fall "um einen einmaligen Fall und damit nicht einen mehrfachen Vertrauensmissbrauch wie im Falle des BAG" handele, wie das Arbeitsgericht in seinem Urteil ausführe, sei im Hinblick auf das Gewicht der Pflichtverletzung des Klägers unerheblich. Ein Arbeitnehmer müsse nicht mehrfach straffällig werden, vielmehr reiche die Begehung einer Straftat aus, um die nachhaltige Störung des Betriebsfriedens zu verursachen. Der Kläger habe durch sein Verhalten die Betriebsstörung selbst herbeigeführt. Er habe während der Arbeitszeit das Kind eines Kollegen sexuell missbraucht und dadurch bewirkt, dass sich Mitarbeiter geweigert hätten, mit ihm zusammenzuarbeiten. Das positive kollegiale Betriebsklima bei seiner alten Arbeitsstelle sei aus den Fugen geraten. Der Kläger habe das Vertrauen eines Kollegen und dessen Familie in schwerwiegender Weise missbraucht. Aufgrund seines Verhaltens erscheine auch anderen Kollegen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihm nicht mehr möglich. Die erheblichen Auswirkungen auf den Betriebsfrieden würden besonders dadurch deutlich, dass der Kläger entweder auf Veranlassung von Kollegen, zumindest aber mit Einverständnis eines Kollegen verprügelt worden sei. Der Kläger selbst gehe davon aus, dass ein Weiterarbeiten bei seiner alten Arbeitsstelle nicht mehr in Betracht komme. Sein Einsatz bei der Landkreisabfallentsorgung habe ebenfalls erhebliche Auswirkungen auf den Betriebsfrieden, auf Seiten der Kollegen, die nicht mit ihm zusammenarbeiten wollten, und mit Folgen auch für den Kläger, der dort nicht mehr als vier Tage gearbeitet habe bzw. habe arbeiten können, bevor er arbeitsunfähig krank geworden sei. Für sie sei es daher nicht zumutbar, den Kläger unter Inkaufnahme einer fortbestehenden Störung des Betriebsfriedens weiterzubeschäftigen. Nach der vorangegangenen Straftat des Klägers sei sie nicht gehalten gewesen, sich schützend vor den Kläger zu stellen und zu versuchen, die Kollegen von ihrer Weigerung, mit dem Kläger zusammenzuarbeiten, abzubringen. Die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil, dass sie hier eine Zusammenarbeit mit dem Kläger hätte fordern müssen, gingen fehl und widersprächen den Ausführungen im Urteil des BAG vom 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 -. Zudem solle nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 08. Juni 2000 - 2 AZR 638/99 - das Ansehen eines öffentlichen Arbeitgebers in besonderem Maße geschützt und nicht beeinträchtigt werden, weil die Öffentlichkeit an dessen Verhalten strengere Maßstäbe stelle. Die Möglichkeit einer Versetzung sei in der Regel nur bei arbeitsplatzbezogenen, nicht aber bei arbeitsplatzunabhängigen Kündigungsgründen zu prüfen. Die Schwere der Pflichtverletzung und die gravierende Störung des Betriebsfriedens im gesamten Entsorgungsbetrieb und auch in der Stadtverwaltung machten die Weiterbeschäftigung des Klägers für sie unzumutbar.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 15. Dezember 2016 - 9 Ca 984/16 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er erwidert, das Arbeitsgericht habe zu Recht die Auffassung vertreten, dass die Interessenabwägung zu seinen Gunsten ausfalle. Im Gegensatz zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - bestehe im vorliegenden Fall eine entsprechende Beschäftigungsmöglichkeit außerhalb des Kreises der Kollegen um den unmittelbar betroffenen Mitarbeiter, nämlich in der Landkreisabfallentsorgung. Im Übrigen würden auch weitere Gründe, die vom Arbeitsgericht nicht ausgeführt worden seien, zu seinen Gunsten bei der Interessenabwägung sprechen. Er habe eine Freiheitsstrafe von 10 Monaten erhalten, die sich im unteren Bereich des vorgesehenen Strafmaßes des § 176 Abs. 1 StGB von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bewege. Bei der Bemessung des Strafmaßes habe die Staatsanwaltschaft die Schwere der Schuld berücksichtigt. Hinzu komme, dass die Strafe zur Bewährung ausgesetzt worden sei. Es sei nicht unzumutbar gewesen, ihn weiterhin in der Landekreisabfallentsorgung zu beschäftigen. Dort gebe es weder unmittelbar noch mittelbar betroffene Kollegen, weil die Kollegen in der Landkreisabfallentsorgung weder mit dem Vater des Opfers noch mit den Arbeitskollegen des Vaters des Opfers bekannt seien. Vielmehr hätten sich die Kollegen in der Landkreisabfallentsorgung wegen der Kenntnis vom "Hören-Sagen" echauffiert. Deshalb hätte die Beklagte, so wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt habe, die Zusammenarbeit mit ihm von den dortigen Kollegen einfordern müssen. Das habe nichts mit der Situation bei einer Druckkündigung zu tun. Im Gegensatz zu den Ausführungen der Beklagten spreche der Umstand, dass er entweder auf Veranlassung der Kollegen, zumindest aber mit Einverständnis eines Kollegen verprügelt worden sei, für ihn. Die Arbeitskollegen hätten ihn somit zusätzlich zur Strafgerichtsbarkeit auf ihre Weise "bestraft", womit aus Sicht der Arbeitskollegen der Gerechtigkeit Genüge geleistet worden sei. Man könne es auch so ausdrücken, dass nach der Tracht Prügel der Betriebsfriede wiederhergestellt worden sei. Bei der aufgeworfenen Frage, ob das Ansehen eines öffentlichen Arbeitgebers gefährdet sei, komme es auch auf die Repräsentanten des öffentlichen Arbeitgebers an. Es solle hier nicht in Abrede gestellt werden, dass ein Müllwerker oder auch ein Mülltonnenleerer wertvolle Arbeit verrichte. In der Hierarchie der Bediensteten des öffentlichen Arbeitgebers stehe er allerdings nicht an oberster und auch nicht an mittlerer Stelle. Mit zunehmender Hierarchie stelle auch die Öffentlichkeit an das Verhalten dieser höher gestellten Repräsentanten strengere Maßstäbe. Anders als bei Bediensteten, die in der Weise im öffentlichen Ansehen stehen würden, dass Bürger mit ihnen direkt in Kontakt träten, werde der einzelne Müllwerker als Person wenig wahrgenommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b und c ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).
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Die Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Die zulässige Kündigungsschutzklage ist unbegründet. Die von der Beklagten mit Schreiben vom 13. Juni 2016 ausgesprochene außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist zum 31. Dezember 2016 ist wirksam.
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I. Die unter Gewährung einer "sozialen Auslauffrist" ausgesprochene außerordentliche Kündigung ist nach §§ 626 BGB, 34 Abs. 2 S. 1 TVöD gerechtfertigt.
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1. Nach § 34 Abs. 2 S. 1 TVöD können die Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten, die das 40. Lebensjahr vollendet haben und die den Regelungen des Tarifgebiets Wests unterliegen, nach einer Beschäftigungszeit von mehr als 15 Jahren durch den Arbeitgeber nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden. Der Kläger erfüllte im Zeitpunkt der Kündigung die Voraussetzungen für den tariflichen Sonderkündigungsschutz.
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Mit dem Begriff "wichtiger Grund" knüpft die tarifvertragliche Bestimmung an die gesetzliche Regelung des § 626 Abs. 1 BGB an. Deren Verständnis ist deshalb auch für die Auslegung der Tarifnorm maßgebend. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände "an sich", d.h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht. Dabei gilt ein objektiver Maßstab. Nach § 626 Abs. 1 BGB bestimmt sich der wichtige Grund anhand des Vorliegens von Tatsachen. Maßgeblich ist nicht, ob ein bestimmter Arbeitgeber meint, ihm sei die Einhaltung der Kündigungsfrist nicht zuzumuten, und ob er weiterhin hinreichendes Vertrauen in einen Arbeitnehmer hat. Es kommt darauf an, ob die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist dem Kündigenden aus der Sicht eines objektiven und verständigen Betrachters unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zumutbar ist oder nicht (BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - Rn. 26 - 29, AP BGB § 626 Nr. 254).
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Der Arbeitgeber ist bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zur außerordentlichen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB nicht gezwungen, fristlos zu kündigen. Er kann die Kündigung grundsätzlich auch - etwa aus sozialen Erwägungen - unter Gewährung einer Auslauffrist aussprechen. Ob die Gewährung einer Auslauffrist zu der Annahme berechtigt, dem Arbeitgeber sei die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zumindest bis zum Ablauf der Frist auch objektiv zumutbar, ist unabhängig davon und nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Für sich genommen erlaubt die Gewährung einer Auslauffrist einen solchen Schluss nicht. Aus § 34 Abs. 2 S. 1 TVöD folgt nichts anderes. Schon der Wortlaut der Bestimmung schließt lediglich eine Kündigung ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes aus, nicht aber eine Kündigung aus wichtigem Grund mit Auslauffrist. Ein solches Verständnis widerspricht nicht etwa dem Sinn und Zweck des tariflichen Sonderkündigungsschutzes. Durch ihn sollen länger beschäftigte ältere Arbeitnehmer, die im Allgemeinen weniger schnell Zugang zum Arbeitsmarkt finden, einen weiter gehenden Arbeitsplatzschutz erlangen. Dieser Schutz wird bei Vorliegen eines wichtigen Grundes durch die Gewährung einer Auslauffrist in keiner Weise geschmälert (BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - Rn. 30 u. 31, AP BGB § 626 Nr. 254).
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Ein Arbeitgeber, der - wie hier die Beklagte - ausdrücklich eine außerordentliche Kündigung erklärt hat, verzichtet durch die Gewährung einer "sozialen Auslauffrist" auch nicht etwa auf sein Recht zur außerordentlichen Kündigung (BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - Rn. 38, AP BGB § 626 Nr. 254).
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2. Die außerordentliche Kündigung vom 13. Juni 2016 beruht auf einem wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB.
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a) Wie auch das Arbeitsgericht mit zutreffender Begründung angenommen hat, ist der dem Kläger vorzuwerfende sexuelle Missbrauch des Kindes eines Arbeitskollegen "an sich" als wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB geeignet.
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Der Kläger hat seine Pflicht aus § 241 Abs. 2 BGB, auf die berechtigten Interessen der Beklagten Rücksicht zu nehmen, durch den sexuellen Missbrauch der Tochter eines Arbeitskollegen in erheblichem Maße verletzt. Die vom Kläger begangene Straftat hat auch einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit.
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aa) Als wichtiger Grund ist neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten auch die erhebliche Verletzung von Nebenpflichten "an sich" geeignet. Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Der Arbeitnehmer ist auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Die Pflicht zur Rücksichtnahme kann deshalb auch durch außerdienstliches Verhalten verletzt werden. Allerdings kann ein außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers die berechtigten Interessen des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer grundsätzlich nur beeinträchtigen, wenn es einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit hat. Das ist der Fall, wenn es negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat. Fehlt ein solcher Zusammenhang, scheidet eine Pflichtverletzung regelmäßig aus (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 31, NZA 2011, 798).
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bb) Die vom Kläger begangene Straftat hat einen solchen Bezug zum Arbeitsverhältnis. Dieser Bezug besteht zunächst darin, dass Opfer der Straftat des Klägers das Kind eines Arbeitskollegen war (vgl. BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 33, NZA 2011, 798). Wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, fand der sexuelle Missbrauch während der vergüteten Arbeitszeit statt, auch wenn der Kläger im Zeitpunkt der Tatbegehung keiner aktiven dienstlichen Tätigkeit nachzugehen hatte. Weiterhin hat das Arbeitsgericht zutreffend angenommen, dass die vom Kläger an der Tochter seines Arbeitskollegen begangene Sexualstraftat auch negative Auswirkungen auf das betriebliche Miteinander hatte. Sowohl der Arbeitskollege, dessen Tochter sexuell vom Kläger missbraucht worden war, als auch Mitarbeiter der Landkreisabfallentsorgung baten darum, nicht mit dem Kläger eingesetzt zu werden. Auch der Kläger selbst bat um seine Versetzung. Die vom Kläger begangene Sexualstraftat hat das kollegiale Miteinander und damit das Arbeitsverhältnis schwer belastet. Der von ihm während seiner vergüteten Arbeitszeit begangene sexuelle Missbrauch der Tochter eines Arbeitskollegen stellt eine schwerwiegende Verletzung der ihm obliegenden Rücksichtnahmepflicht dar, die "an sich" als wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB geeignet ist.
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b) Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts ist die außerordentliche Kündigung auch unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falls und nach Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt. Der Beklagten war es aufgrund des Fehlverhaltens des Klägers - objektiv - unzumutbar, den Kläger auch nur bis zum Ablauf der - fiktiven - Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen.
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aa) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung - etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlustes und ihrer wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtlichen milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Als mildere Reaktion sind insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen - zu erreichen (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 39, NZA 2011, 798).
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bb) Danach ist die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 13. Juni 2016 gerechtfertigt.
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Der Kläger hat während seiner bezahlten Arbeitszeit das Kind eines Arbeitskollegen sexuell missbraucht. Er hat vorsätzlich gehandelt. Dabei hat er die ihm zur Last gelegten sexuellen Handlungen an der zum damaligen Zeitpunkt 12-jährigen Tochter des Kollegen gemäß dem im Strafbefehl dargestellten Sachverhalt zunächst vorgenommen, bis diese vorgab, zur Toilette zu müssen. Auch nachdem sie von der Toilette wieder zurückkam, hat er den ihm vorgeworfenen sexuellen Missbrauch fortgesetzt. Der Vater des Kindes und Kollege des Klägers hat wegen des sexuellen Missbrauchs seiner Tochter durch den Kläger die Beklagte darum gebeten, den Kläger auf einem anderen Kurs einzusetzen. Der Kläger selbst hat ebenfalls um seine Versetzung gebeten. Auch nach der daraufhin erfolgten Versetzung haben sich in den vier Tagen, in denen der Kläger tatsächlich seinen Dienst für die Landkreisabfallentsorgung verrichtet hat, verschiedene Mitarbeiter an die Betriebsleitung mit der Bitte gewandt, nicht mit dem Kläger auf einem Fahrzeug eingesetzt zu werden. Danach musste die Beklagte davon ausgehen, dass auch ein anderweitiger Einsatz des Klägers auf einer anderen Arbeitsstelle im Bereich der Landkreisabfallentsorgung erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den Betriebsfrieden hat. Im Hinblick darauf, dass Opfer der vom Kläger begangenen Sexualstraftat das Kind eines Kollegen war, ist objektiv nachvollziehbar, dass auch andere Kollegen deswegen nicht mehr mit dem Kläger zusammenarbeiten wollten.
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Der Beklagten war es nicht zumutbar, den Kläger unter Inkaufnahme einer fortbestehenden Störung des Betriebsfriedens weiterzubeschäftigen. Anders als in einer Drucksituation, der kein Verhalten des Arbeitnehmers und kein personenbedingter Grund zugrunde liegt, war die Beklagte nicht gehalten, sich etwa schützend vor den Kläger zu stellen und zu versuchen, die Kollegen von ihrer Weigerung, weiter mit dem Kläger zusammenzuarbeiten, abzubringen (vgl. dazu BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 42, NZA 2011, 798). Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts war es der Beklagten angesichts der vom Kläger an dem Kind eines Kollegen begangenen Sexualstraftat nicht zumutbar, von anderen Kollegen eine weitere Zusammenarbeit überhaupt zu fordern (vgl. BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 44, NZA 2011, 798). Der Kläger hat durch sein Verhalten die Betriebsstörung selbst herbeigeführt. Dass auch anderen Kollegen angesichts dessen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihm nicht mehr möglich erschien, ist objektiv nachvollziehbar. Sexueller Missbrauch von Kindern ist ein die Integrität der Opfer in schwerwiegender Weise verletzendes Delikt. Geschützt ist die Entwicklung der Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung. Äußere, fremdbestimmte Eingriffe in die kindliche Sexualität sind in besonderer Weise geeignet, diese Entwicklung zu stören. Die Tat birgt die Gefahr von nachhaltigen Schädigungen des Kindes und ist nach § 176 Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bedroht (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 42, NZA 2011, 798).
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Entgegen der Ansicht des Klägers rechtfertigt der Umstand, dass er strafrechtlich nur zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt wurde, keine andere Bewertung. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Bewertung an. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Kläger die ihm obliegende Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) durch den sexuellen Missbrauch des Kindes eines Arbeitskollegen schwerwiegend verletzt hat und die Beklagte angesichts der Reaktionen der Arbeitskollegen in der Landkreisabfallentsorgung davon ausgehen musste, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit auch an einem anderen Arbeitsplatz zwischen dem Kläger und seinen Kollegen nicht mehr zu erwarten war. Der Kläger hat nicht in Abrede gestellt, dass auch andere Kollegen in der Landkreisabfallentsorgung gemäß dem Vortrag der Beklagten nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten wollten, nachdem sich der Vorfall bereits herumgesprochen hatte. Entgegen seiner Ansicht war die Beklagte nicht gehalten, die Zusammenarbeit mit ihm von den dortigen Kollegen einzufordern. Dass er auf Veranlassung von Kollegen, zumindest aber mit Einverständnis eines Kollegen verprügelt worden ist, lässt jedenfalls nicht den Schluss darauf zu, dass "nach der Tracht Prügel" der Betriebsfrieden wiederhergestellt worden sein soll.
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Einer vorherigen Abmahnung bedurfte es nicht. Angesichts der Schwere der Pflichtverletzung war deren auch nur erstmalige Hinnahme durch die Beklagte offensichtlich ausgeschlossen (vgl. BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 43, NZA 2011, 798).
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Die lange unbeanstandete Beschäftigungsdauer des Klägers und sein Lebensalter sowie seine Unterhaltsverpflichtungen rechtfertigen kein anderes Ergebnis. An der Schwere der Pflichtverletzung und Störung des Betriebsfriedens ändern sie nichts. Vielmehr ist es der Beklagten in Anbetracht der Schwere der Pflichtverletzung und der negativen Auswirkungen auf den Betriebsfrieden auch unter Berücksichtigung der Interessen des Klägers am Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, diesen auch nur bis zum Ablauf der (fiktiven) ordentlichen Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen. Im Hinblick darauf, dass in einem solchen Fall eine außerordentliche Kündigung auch dann gerechtfertigt wäre, wenn die ordentliche Kündigung nicht ausgeschlossen wäre, hat der Umstand, dass der Kläger ordentlich unkündbar war, auf die Interessenabwägung keinen gesonderten Einfluss.
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Auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein pflichtwidriges Verhalten, das bei einem Arbeitnehmer ohne Sonderkündigungsschutz nur eine ordentliche Kündigung rechtfertigen würde, gerade wegen der infolge des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung langen Bindungsdauer einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung für den Arbeitgeber i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB darstellen kann, kommt es mithin im Streitfall nicht an (vgl. hierzu BAG 17. November 2016 - 2 AZR 730/15 - Rn. 21, NZA 2017, 394; BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - Rn. 44, APBGB § 626 Nr. 254).
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3. Die Beklagte hat die Kündigungserklärungsfrist gemäß § 626 Abs. 2 BGB gewahrt.
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a) Nach § 626 Abs. 2 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen will oder nicht. Auch grob fahrlässige Unkenntnis setzt die Frist nicht in Gang. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen eine Kündigung sprechenden Umstände (BAG 26. September 2013 - 2 AZR 741/12 - Rn. 22, NZA 2014, 529). Geht es um ein strafbares Verhalten des Arbeitnehmers, darf der Arbeitgeber den Fort- und Ausgang des Ermittlungs- und Strafverfahrens abwarten und abhängig davon zu einem nicht willkürlich gewählten Zeitpunkt kündigen. Der Arbeitgeber kann den endgültigen Ausgang eines Strafverfahrens auch dann abwarten, wenn es ihm auf das Werturteil ankommt, das mit einer Verurteilung des Arbeitnehmers verbunden ist (BAG 26. September 2013 - 2 AZR 741/12 - Rn. 24 u. 25, NZA 2014, 529).
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b) Danach hat die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Die Beklagte hatte sich dazu entschieden, zunächst die strafrechtlichen Ermittlungen abzuwarten. Erst nach mehreren Auskunftsersuchen ist am 30. Mai 2016 eine Abschrift des rechtskräftigen Strafbefehls vom 27. August 2015 bei der Beklagten eingegangen. Daraufhin hat sie den Kläger hinreichend zügig am 02. Juni 2016 angehört, so dass die Frist nicht vor dem 02. Juni 2016 zu laufen begonnen hat (vgl. BAG 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - RN. 35, NZA 2006, 101). Die Kündigung ist dem Kläger am 14. Juni 2016 und damit innerhalb der Zwei-Wochen-Frist gemäß § 626 Abs. 2 BGB zugegangen.
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II. Die außerordentliche Kündigung ist auch nicht nach § 83 Abs. 4 LPersVG unwirksam.
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Nach § 83 Abs. 3 S. 1 LPersVG ist der Personalrat vor außerordentlichen Kündigungen anzuhören. Die Leiterin oder der Leiter der Dienststelle hat die beabsichtigte Maßnahme zu begründen (§ 83 Abs. 3 S. 2 LPersVG). Hat der Personalrat Bedenken, so hat er sie unter Angabe der Gründe der Leiterin oder dem Leiter der Dienststelle unverzüglich, spätestens innerhalb von vier Werktagen, schriftlich mitzuteilen (§ 83 Abs. 3 S. 3 LPersVG).
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Die Beklagte hat mit ihrem Anhörungsschreiben vom 06. Juni 2016 unter Angabe der Sozialdaten des Klägers die von ihr beabsichtigte außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist von sechs Monaten zum Quartalsende im Einzelnen begründet und den für ihren Kündigungsentschluss maßgeblichen Kündigungssachverhalt ausreichend mitgeteilt. Soweit der Kläger erstinstanzlich beanstandet hat, dass dem Personalrat fehlerhaft mitgeteilt worden sei, dass er die ihm zur Last gelegte strafbare Handlung während der Arbeitszeit begangen habe, ist die Darstellung der Beklagten nicht unzutreffend. Vielmehr hat der Kläger die Straftat nach Aufnahme seiner Tätigkeit während der bezahlten Arbeitszeit begangen, auch wenn er im Zeitpunkt der Tatbegehung keinen aktiven dienstlichen Tätigkeiten nachzugehen hatte. Entgegen der Annahme des Klägers war die Beklagte auch nicht gehalten, den Personalrat detaillierter darüber zu informieren, welche Maßnahmen sie unternommen habe, um den Betriebsfrieden wiederherzustellen. Unerheblich ist weiterhin, dass die Beklagte im Anhörungsschreiben hinsichtlich der von ihr beabsichtigten außerordentlichen Kündigung § 626 "Abs. 2" BGB zitiert hat. Aus dem Anhörungsschreiben geht eindeutig hervor, dass die Beklagte den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund nach § 626 BGB i.V.m. § 34 Abs. 2 TVöD unter Gewährung einer sozialen Auslauffrist von sechs Monaten zum Quartalsende beabsichtigt. Der Personalrat hat hierzu mit Schreiben vom 10. Juni 2016, das er am gleichen Tag an den Oberbürgermeister der Beklagten übersandt hat (Bl. 107, 108 d. A.), abschließend Stellung genommen. Die Beklagte hat nach Erhalt der abschließenden Stellungnahme des Personalrats mit Schreiben vom 13. Juni 2016 die außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist zum 31. Dezember 2016 wirksam ausgesprochen.
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Aufgrund des Unterliegens des Klägers mit dem Kündigungsschutzantrag zu 1. ist der als unechter Hilfsantrag gestellte Weiterbeschäftigungsantrag zu 2. nicht zur Entscheidung angefallen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.
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(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer
- 1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt, - 2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt, - 3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.
(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.
(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.
(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer
- 1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt, - 2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt, - 3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.
(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.