Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 30. Mai 2017 - 5 Sa 216/16

bei uns veröffentlicht am30.05.2017

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 08.06.2016 - 3 Ca 446/15 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung einer Hygienefachkraft im Krankenhaus.

2

Die 1959 geborene, zur Krankenschwester ausgebildete Klägerin nahm zum 01.09.1990 eine Beschäftigung im Krankenhaus B./Rügen. auf. Vom 07.09.1992 bis zum 20.06.1994 ließ sie sich vom Landeshygieneinstitut Mecklenburg-Vorpommern berufsbegleitend zur Hygienefachkraft weiterbilden. Die Weiterbildung erfolgte auf der Grundlage von Empfehlungen des Robert Koch-Instituts und umfasste insgesamt 720 Unterrichtsstunden, die sich wie folgt aufteilten:

3

Lehrgebiet

Stunden

Grundlagen der Krankenhaushygiene

240     

Grundlagen der Krankenhausbetriebsorganisation

 80     

Mikrobiologie

160     

Sozialwissenschaftliche Grundlagen

 80     

Grundlagen der technischen Krankenhaushygiene und des Krankenhausbaus

160     

4

Die Klägerin hatte Leistungsnachweise (Testate, Klausuren) zu erbringen und eine Pro-jektarbeit anzufertigen. Hinzu kamen Praktika entsprechend der BGA-Empfehlung vom September 1991.

5

Die Klägerin ist als Hygienefachkraft tätig. Die Krankenhäuser des Landes Mecklenburg-Vorpommern sind gemäß § 4 Abs. 1 der Verordnung des Landes Mecklenburg-Vorpommern zur Hygiene und Infektionsprävention in medizinischen Einrichtungen (MedHygVO M-V) vom 22.02.2012 (GVOBl. M-V 2012, 66) verpflichtet, Hygienefachkräfte zu beschäftigten. Hygienefachkräfte sind nach § 7 Abs. 2 MedHygVO M-V Pflegefachkräfte mit mindestens zweijähriger Berufserfahrung und staatlich anerkannter Weiterbildung zur Hygienefachkraft oder einer abgeschlossenen Weiterbildung zur Hygienefachkraft nach den Richtlinien des Robert Koch-Institutes für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention.

6

Die Beklagte schloss am 12.11./20.11.2014 mit der Gewerkschaft ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft den Anwendungs-Tarifvertrag für das S. Krankenhaus Rügen (AnwendungsTV Rügen 2014), der zum 01.07.2014 in Kraft trat und der folgenden Inhalt hat:

7

"…

8

§ 3 Sonstiges

9

In Anlage 7 sind die derzeit angewendeten Tarifverträge aufgeführt. Im Übrigen finden die §§ 2, 3, 4, 5, 6 und 8 des E-TV M/W/I S. Nr. 3 Anwendung.

10

11

Anlage 4: Eingruppierungssystematik

12

4.1 Medizinische Heil-, Fach- und Hilfsberufe

13

im medizinischen und pflegerischen Bereich, sowie im Labor und der Sterilgutaufbereitung

14

Entgelt-
gruppen

Funktionsgruppe

Arbeitsbereiche**

Im Regelfall
erforderliches
Qualifikations-
Niveau

…       

…       

…       

…       

M4    

Stationssekretär/in / Stationsassistenz (z. B. Therapiesteuerung)
Apothekenhelfer/in
Medizinische/r Fachangestellte/r
Medizinische/r Bademeister/in und Masseur/in
Rettungsassistent/in

OP, ITS, Anästhesie, Psychiatrie / Neurologie (MS) / Onkologie, Kinderkrankenpflege, Krankenpflege, Kardiotechnik, Sterilgutaufbereitung, Funktionsbereich, Wundmanagement, Schmerzmanagement, Case-Management, Belegungsmanagement, Apotheke

Mindestens zweijährige abgeschlossene einschlägige Berufsausbildung.

M5    

OTA Operationstechnische Assistenz
Gesundheits- und Krankenpfleger/in
Praxisanleiter/in
Mentor/in
OP-Manager/in (falls nicht Arzt)
Med. Dokumentationsassistent/in (Codierung)
EKG-Stationsdienst
MTA-L
MTA-R
MTA-F
MTA-O
PTA
Physiotherapeut/in
Ergotherapeut/in
Logopäde/Logopädin
Hebamme/Entbindungspfleger
Altenpfleger/in

OP, ITS, Anästhesie, Psychiatrie / Neurologie (MS) / Onkologie, Kinderkrankenpflege, Krankenpflege, Kardiotechnik, Sterilgutaufbereitung, Funktionsbereich, Wundmanagement, Schmerzmanagement, Case-Management, Belegungsmanagement, Radiologie, Funktionsdienst, Apotheke

Mindestens dreijährige abgeschlossene einschlägige Berufsausbildung.

M6    

Gesundheits-und Krankenpfleger/in mit Zusatzqualifikation

Diabetes, Hygiene, IMC

Mindestens dreijährige abgeschlossene einschlägige Berufsausbildung und eine mindestens 1-jährige pflegerische Zusatzqualifikation nach Empfehlung der jeweiligen Fachgesellschaft.

M7    

Kardiotechniker/in mit Fachweiterbildung
Gesundheits- und Krankenpfleger/in mit Fachweiterbildung
OP-Manager/in (falls nicht Arzt)

Anästhesie, Intensivmedizin, OP, ITS, Kardiotechnik, Nephrologie, Onkologie

Fachweiterbildung oder eine abgeschlossene mindestens dreijährige einschlägige Berufsausbildung verbunden mit einer 2-jährigen pflegerischen/medizinischen Zusatzqualifikation.

…       

…       

…       

…       

**Aufzählung muss nicht abschließend sein

15

…"

16

Die vorstehende Tabelle enthält auf der rechten Seite eine weitere Spalte, in der angegeben ist, welche Funktionszulagen erreicht werden können.

17

In dem Konzern-Entgelt-Tarifvertrag für die Funktionsbereiche Medizinische Heil-, Fach- und Hilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur (E-TV M/W/I S.) in Einrichtungen der S. Kliniken AG vom 30.01.2009 heißt es:

18

"…

19

§ 3 Grundsätze der Eingruppierung

20
(1) Die in den Einrichtungen typischen Tätigkeiten des Funktionsbereiches Medizinische Heil-, Fach- und Hilfsberufe sind in der Anlage … als Funktionsgruppen aufgelistet und den jeweiligen Entgeltgruppen zugeordnet.
21
(2) Die Funktionsgruppen sind der Maßstab für die individuelle Eingruppierung. Dabei sind für die Zuordnung des Arbeitsbereiches eines Beschäftigten zu einer Funktionsgruppe die jeweils überwiegend ausgeübten Tätigkeiten maßgeblich.
22
(3) Kann der Arbeitsbereich des Beschäftigten ausnahmsweise keiner Funktionsgruppe zugeordnet werden, so ist er so einzugruppieren, wie die Funktionsgruppe, die am ehesten als vergleichbar und gleichwertig mit dem Arbeitsbereich des Beschäftigten anzusehen ist.
23
(4) Die Tarifvertragsparteien werden regelmäßig prüfen, ob weitere Funktionsgruppen genannt oder schon genannte Funktionsgruppen abgeändert werden oder entfallen sollen.
24

…"

25

Der AnwendungsTV Rügen 2014 findet kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Die Beklagte zahlt der Klägerin die Vergütung der Entgeltgruppe M6 (Stufe 6). Mit Schreiben vom 24.06.2015 beantragte die Klägerin erfolglos die Höhergruppierung in die Entgeltgruppe M7.

26

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, sie verfüge über eine Fachweiterbildung im Sinne der Entgeltgruppe M7 des AnwendungsTV Rügen 2014. Eine staatliche Anerkennung ihrer Weiterbildung zur Hygienefachkraft sei nach dem Tarifvertrag nicht erforderlich. Im Land Mecklenburg-Vorpommern gebe es - anders als in vielen anderen Bundesländern - keine entsprechende Weiterbildungsverordnung, die eine staatliche Anerkennung ermögliche. Die Anerkennung der zuständigen Fachgesellschaft, hier des Robert Koch-Instituts, genüge.

27

Zwar führe der Tarifvertrag den Arbeitsbereich "Hygiene" bei der Entgeltgruppe M6 auf. Das sei jedoch unschädlich, da, wie sich aus der **-Anmerkung ergebe, die Aufzählung nicht abschließend sein müsse. Demnach könne die Hygiene ebenso unter die Entgeltgruppe M7 fallen.

28

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

29
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin als weiteres Arbeitsentgelt für die Monate Januar 2015 bis Oktober 2015 € 1.422,98 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.09.2015 zu zahlen, und
30
2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin für die Zeit ab dem 01.11.2015 in die Entgeltgruppe M7 Stufe 6 des Anwendungstarifvertrages für das S.-Krankenhaus Rügen einzugruppieren.
31

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, dass eine Eingruppierung in der M7 schon deshalb ausscheide, weil die Fortbildung der Klägerin nicht als Fachweiterbildung staatlich anerkannt sei. Zudem habe die Fortbildung nicht den geforderten zeitlichen Umfang von mindestens zwei Jahren gehabt. Es handele sich lediglich um eine Zusatzqualifikation im Sinne der Entgeltgruppe M6. Darüber hinaus sei der Arbeitsbereich "Hygiene" ausdrücklich in der Entgeltgruppe M6, nicht aber in der Entgeltgruppe M7 genannt.

32

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen der Entgeltgruppe M6 des AnwendungsTV Rügen 2014. Der Bereich "Hygiene", in dem die Klägerin arbeite, sei der Entgeltgruppe M6 zugeordnet. Diese Regelung sei abschließend. Aus Sicht der Tarifvertragsparteien habe offenbar kein Handlungsbedarf bestanden, die Eingruppierung der Hygienefachkräfte zu ändern. Abgesehen davon verfüge die Klägerin nicht über die in der Entgeltgruppe M7 geforderte fachliche Qualifikation.

33

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Sie weist nochmals darauf hin, dass eine staatliche Anerkennung ihrer Fachweiterbildung nach dem Wortlaut des Tarifvertrages nicht Voraussetzung für eine Eingruppierung in der Entgeltgruppe M7 sei. Eine abgeschlossene Weiterbildung zur Hygienefachkraft nach den Richtlinien des Robert Koch-Institutes genüge. Hätte sie keine entsprechende Fachweiterbildung, dürfte die Beklagte sie überhaupt nicht als Hygienefachkraft gemäß § 7 MedHygVO M-V beschäftigen. Jedenfalls verfüge die Klägerin über eine 2-jährige pflegerische/medizinische Zusatzqualifikation. Es komme nicht darauf an, wie lange die Weiterbildung tatsächlich gedauert habe, sondern auf welchen Zeitraum diese konzipiert sei. Soweit der Begriff "Hygiene" in der Entgeltgruppe M6 genannt werde, komme dem nur Indizwirkung zu, da die Aufzählung nicht abschließend sei. Maßgeblich sei vielmehr die Regelqualifikation. Die Krankenhaushygiene habe heutzutage einen viel höheren Stellenwert. Der Tarifvertrag habe diese Entwicklung nicht nachgezeichnet.

34

Die Klägerin beantragt,

35
1. das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 08.06.2016 - 3 Ca 446/15 - abzuändern und
36
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin als weiteres Arbeitsentgelt für die Monate Januar 2015 bis Oktober 2015 € 1.422,98 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.09.2015 zu zahlen, sowie
37
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab dem 01.11.2015 die Vergütung der Entgeltgruppe M7 Stufe 6 des Anwendungstarifvertrages für das S.-Krankenhaus Rügen zu zahlen.
38

Die Beklagte beantragt,

39

die Berufung zurückzuweisen.

40

Sie ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe zutreffend entschieden. Sie wiederholt und vertieft ihre erstinstanzliche Argumentation. Wenn die Ansicht der Klägerin richtig wäre, dass die Hygiene nicht nur unter die Entgeltgruppe M6, sondern auch unter die Entgeltgruppe M7 falle, würde die Nennung der Arbeitsbereiche in der Eingruppierungssystematik vollständig leerlaufen. Das sei mit dem Willen der Tarifvertragsparteien nicht vereinbar.

41

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsprotokolle sowie das angegriffene arbeitsgerichtliche Urteil verwiesen.

Entscheidungsgründe

42

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht und mit der zutreffenden Begründung abgewiesen. Das Berufungsgericht nimmt Bezug auf die Ausführungen der Vorinstanz.

43

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Vergütung der Entgeltgruppe M7 des AnwendungsTV Rügen 2014, dem das Arbeitsverhältnis der Parteien kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit unterliegt. Die von ihr überwiegend ausgeübten Tätigkeiten erfüllen nicht die Voraussetzungen dieser Entgeltgruppe.

44

Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung, ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (z. B. BAG, Urteil vom 29. Juni 2016 - 5 AZR 696/15 - Rn. 19, juris; BAG, Urteil vom 13. Januar 2016 - 10 AZR 42/15 - Rn. 15, juris = NZA-RR 2016, 309).

45

Die Eingruppierung nach dem AnwendungsTV Rügen 2014 in Verbindung mit dem E-TV M/W/I S. richtet sich nach Funktionsgruppen, für die es wiederum auf den Arbeitsbereich und das im Regelfall erforderliche Qualifikationsniveau ankommt.

46

Die Funktionsgruppen sind der Maßstab für die individuelle Eingruppierung (§ 3 Abs. 2 Satz 1 E-TV M/W/I S.). Die Funktionsgruppen geben die jeweils typischen Tätigkeiten wieder (§ 3 Abs. 1 E-TV M/W/I S.). Zur Bestimmung der typischen Tätigkeiten haben die Tarifvertragsparteien auf die üblichen Berufsbezeichnungen zurückgegriffen. Aus diesen Begriffen ergeben sich bestimmte Funktionen, die die Beschäftigten im Krankenhaus ausfüllen, z. B. Hebamme, Medizinisch-Technische Röntgenassistentin, Physiotherapeutin etc. Diese Funktionsbezeichnungen haben für die weiteren Eingruppierungsmerkmale eine übergeordnete Bedeutung, weshalb die Tarifvertragsparteien diese Tabellenspalte farblich unterlegt und damit besonders hervorgehoben haben. Das ist bei den beiden anderen Spalten "Arbeitsbereiche" und "Im Regelfall erforderliches Qualifikations-Niveau" nicht der Fall.

47

Welche der genannten Funktionsgruppen ausschlaggebend ist, richtet sich nach dem jeweiligen Arbeitsbereich, d. h. den konkret und überwiegend ausgeübten Tätigkeiten. Der Arbeitsbereich des Beschäftigten ist gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2, § 3 Abs. 3 E-TV M/W/I S. einer Funktionsgruppe zuzuordnen. Dabei sind für die Zuordnung des Arbeitsbereiches eines Beschäftigten zu einer Funktionsgruppe die jeweils überwiegend ausgeübten Tätigkeiten maßgeblich (§ 3 Abs. 2 Satz 2 E-TV M/W/I S.).

48

Der Arbeitsbereich bestimmt sich nach den jeweiligen Aufgaben und Organisationseinheiten innerhalb eines Krankenhauses, z. B. Anästhesie, OP, Onkologie etc. In den vorstehend genannten Arbeitsbereichen können verschiedene Funktionsgruppen zum Einsatz kommen, in anderen Arbeitsbereichen gibt es nur eine einzige Funktionsgruppe, z. B. IMC (Intensive Medical Care), Hygiene. Die Tarifvertragsparteien sind davon ausgegangen, dass die Anforderungen an die Beschäftigten je nach Einsatzbereich durchaus unterschiedlich sind, was sich in der Vergütung niederschlagen soll. Die unterschiedlichen Anforderungen können sich beispielsweise in besonderen physischen oder psychischen Belastungen widerspiegeln, dem Aufgabenumfang, einer besonderen Verantwortung usw. Die Tarifvertragsparteien haben im Rahmen ihrer Tarifautonomie einen Einschätzungs- und Ermessensspielraum, nach welchen Gesichtspunkten sie das Entgelt abstufen.

49

Zwar muss die Aufzählung der Arbeitsbereiche in der Tabelle nicht abschließend sein, wie sich aus dem **-Hinweis ergibt. Damit haben die Tarifvertragsparteien jedoch nur klargestellt, dass es noch weitere Arbeitsbereiche geben kann, die nicht aufgeführt sind, insbesondere weil sie sich aufgrund von technischen und medizinischen Entwicklungen oder organisatorischen Veränderungen erst später ergeben. "Nicht abschließend" bedeutet, dass die Aufzählung nicht beendet ist, dass also Ergänzungen möglich sind. Soweit jedoch Arbeitsbereiche bereits aufgeführt sind, bedarf es gerade keiner Ergänzung. "Nicht abschließend" bezieht sich auf die Aufzählung, nicht aber auf die Einordnung der bereits aufgezählten Arbeitsbereiche; diese ist abschließend. Die Einordnung der Arbeitsbereiche ist ein maßgeblicher Faktor für die Eingruppierung (§ 3 Abs. 2 E-TV M/W/I S.) und daher nicht beliebig veränderbar. Es widerspricht dem Sinn und Zweck der Aufzählung von Arbeitsbereichen, diese in andere Funktionsebenen auszudehnen oder zu verschieben, sei es nach unten oder nach oben. Die Arbeitsbereiche dienen gerade dazu, eine Zuordnung zu Funktions- und Entgeltgruppen zu ermöglichen. Deshalb haben die Tarifvertragsparteien bewusst unterschiedliche Arbeitsbereiche gebildet und diese auf verschiedenen Ebenen angesiedelt.

50

Der Hinweis auf die nicht abschließende Aufzählung entspricht im Übrigen der Regelung des § 3 Abs. 3 E-TV M/W/I S.. Danach richtet sich die Eingruppierung, wenn der Arbeitsbereich des Beschäftigten ausnahmsweise keiner Funktionsgruppe zugeordnet werden kann, nach der Funktionsgruppe, die am ehesten als vergleichbar und gleichwertig mit dem Arbeitsbereich des Beschäftigten anzusehen ist. Die Tarifvertragsparteien sind davon ausgegangen, dass grundsätzlich alle Arbeitsbereiche erfasst sind und nur in Ausnahmefällen eine Zuordnung nach Vergleichbarkeitsgesichtspunkten notwendig wird.

51

Die Klägerin ist nicht in einem Arbeitsbereich beschäftigt, der zur Funktionsgruppe "Gesundheits- und Krankenpfleger/in mit Fachweiterbildung" führt. Sie ist nicht in der Anästhesie, der Intensivmedizin, dem OP, auf der ITS (Intensivtherapiestation), in der Kardiotechnik, der Nephrologie oder in der Onkologie tätig. Die unter der M7 aufgeführten Arbeitsbereiche können nicht um den Bereich "Hygiene" ergänzt werden. Dieser Bereich fehlt nicht in der Aufzählung. Die Tarifvertragsparteien haben die Hygiene lediglich auf einer anderen Stufe, nämlich der M6, angesiedelt. Sie haben den Arbeitsbereich "Hygiene" nicht übersehen, sondern ihn der Funktionsgruppe "Gesundheits-und Krankenpfleger/in mit Zusatzqualifikation" zugeordnet. Damit ist die Klägerin in der Entgeltgruppe M6 eingruppiert, da sie auch das geforderte Qualifikationsniveau besitzt. Ob ihre Qualifikation über dieses Niveau hinausgeht und als Fachweiterbildung im Sinne des Tarifvertrages anzusehen ist, weil ihre Fortbildung der einer Fachkrankenschwester für Hygiene - sei es mit oder ohne staatliche Anerkennung - entspricht, bedarf hier keiner Entscheidung. Die Qualifikation allein führt noch nicht zu einer bestimmten Eingruppierung, solange nicht der Arbeitsbereich tarifvertraglich auf derselben Stufe angesiedelt ist.

52

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Rechtsstreit wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 29. Juni 2016 - 5 AZR 696/15

bei uns veröffentlicht am 29.06.2016

Tenor 1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 29. September 2015 - 11 Sa 237/15 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 13. Jan. 2016 - 10 AZR 42/15

bei uns veröffentlicht am 13.01.2016

Tenor 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 26. November 2014 - 6 Sa 17/14 - aufgehoben.

Referenzen

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 29. September 2015 - 11 Sa 237/15 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Vergütung wegen Annahmeverzugs.

2

Der Kläger ist als Fahrer bei der Beklagten im Geld- und Werttransport beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit die tariflichen Regelungen für Geld- und Wertdienste in der Bundesrepublik Deutschland Anwendung.

3

Der Mantelrahmentarifvertrag vom 1. Dezember 2006 für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland (im Folgenden MRTV) regelt ua.:

        

㤠6

Arbeitszeit

        

1.1.   

Die regelmäßige tägliche Arbeitszeit soll 8 Stunden nicht überschreiten. Sie kann ohne Vorliegen von Arbeitsbereitschaft auf bis zu 10 Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von 12 Kalendermonaten im Durchschnitt 8 Stunden werktäglich nicht überschritten werden. …

        

…       

        
        

1.5.   

… Die monatliche Regelarbeitszeit im Geld- und Werttransport und für Angestellte beträgt 173 Stunden im Durchschnitt des Kalenderjahres.

        

…       

        
        

§ 7

Freizeit

        

1.    

Jeder Arbeitnehmer hat pro Woche einen Anspruch auf mindestens eine unbezahlte Freischicht. …“

4

Am 11. November 2013 schlossen die Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste (BDGW) e. V. und der ver.di Bundesvorstand eine „Rahmenvereinbarung für Geld- und Wertdienste in der Bundesrepublik Deutschland“ (im Folgenden Rahmenvereinbarung), die ua. bestimmt:

        

㤠2 Besitzstandsfortschreibung und Arbeitsortprinzip

        

…       

        
        

1.    

Die Tarifparteien vereinbaren für die Laufzeit dieser Tarifvereinbarung, dass zunächst alle bis 31. Dezember 2013 für die Geld- und Wertdienstleistungsunternehmen gültigen oder nachwirkenden regionalen Tarifverträge und der Mantelrahmentarifvertrag vom 1. Dezember 2006 für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland für die Geld- und Wertdienstleistungsunternehmen ab 1. Januar 2014 weitergelten, sofern nachfolgend nichts anderes vereinbart ist.

        

…       

        
        

§ 3 Arbeitszeit

        

(Punkt I.3. des abschließenden Verhandlungsergebnisses vom 11.11.2013)

        

Die regelmäßige tarifliche monatliche Arbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte ist für 5 Tage an den Werktagen von Montag bis Samstag zu leisten und errechnet sich aus der entsprechenden Anzahl der Arbeitstage/Monat/Bundesland multipliziert x 8 Stunden pro Arbeitstag.

        

…       

        

§ 6 Mehrarbeitszuschlag

        

(Punkt I.6. des abschließenden Verhandlungsergebnisses vom 11.11.2013)

        

Bei Fortschreibung des Besitzstandes im Übrigen ist in Änderung der bisherigen Tarifregelung ein Mehrarbeitszuschlag zu zahlen für jede, über die regelmäßige monatliche Arbeitszeit gemäß § 3 Ziffer 1. hinaus angeordnete und geleistete Arbeitszeit im

        

a)    

Bundesland Nordrhein-Westfalen ab der 186. Monatsarbeitsstunde …“

5

Der Rahmenvereinbarung ist als Anlage das zuvor zwischen den Tarifvertragsparteien erzielte „Abschließende Verhandlungsergebnis zwischen der BDGW und Ver.di Bund anlässlich der 6. Tarifverhandlungsrunde am 11. November 2013 in Fulda“ (im Folgenden Verhandlungsergebnis) beigefügt, das ua. beinhaltet:

        

„I.     

Mantel

        

…       

        
        

3.    

Arbeitszeit: verstetigtes Einkommen: Arbeitstage / Monat x 8 h für Vollzeitkräfte …“

6

Betriebliche Regelungen zur Arbeitszeitverteilung bestehen bei der Beklagten nicht. Die Zuweisung von Arbeitstagen, abzuarbeitenden Touren und dienstfreien Tagen erfolgt durch mit dem Betriebsrat abgestimmte Dienstpläne.

7

In der dritten und siebten Kalenderwoche 2014 beschäftigte die Beklagte den Kläger jeweils an vier Tagen, in der achten Kalenderwoche 2014 an drei Tagen.

8

Nach erfolgloser Geltendmachung eines „Nachzahlungsanspruchs“ hat der Kläger im Juli 2014 Klage auf Zahlung weiterer Vergütung iHv. 422,40 Euro brutto erhoben.

9

Der Kläger meint, die Beklagte sei verpflichtet, ihn an fünf Tagen in der Woche einzusetzen. Obwohl er seine Arbeitskraft angeboten habe, sei er nicht entsprechend beschäftigt worden, womit ihm für weitere vier Tage Vergütung wegen Annahmeverzugs zustehe.

10

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 422,40 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. Juli 2014 zu zahlen.

11

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Tarifvertraglich bestehe keine Pflicht zur Beschäftigung der Arbeitnehmer an fünf Tagen in der Woche.

12

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Ein Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs gemäß § 611 Abs. 1, § 615 Satz 1 BGB für weitere vier Tage im Januar und Februar 2014 besteht nicht. Die Beklagte war nicht verpflichtet, den Kläger an diesen Tagen zu beschäftigen.

14

I. Der Vergütungsanspruch folgt nicht aus Annahmeverzug. Das Landesarbeitsgericht hat einen solchen Anspruch, gestützt auf § 611 Abs. 1, § 615 Satz 1 BGB, zu Recht verneint.

15

1. Nach § 615 Satz 1 BGB kann der Arbeitnehmer die vereinbarte Vergütung verlangen, wenn der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug kommt. Gemäß § 293 BGB kommt der Gläubiger in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. In welchem zeitlichen Umfang der Arbeitgeber in Annahmeverzug geraten kann, richtet sich grundsätzlich nach der arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeit. Diese bestimmt den zeitlichen Umfang, in welchem der Arbeitnehmer berechtigt ist, Arbeitsleistung zu erbringen und der Arbeitgeber verpflichtet ist, die Arbeitsleistung anzunehmen (vgl. BAG 16. April 2014 - 5 AZR 483/12 - Rn. 13; 25. Februar 2015 - 5 AZR 886/12 - Rn. 14, BAGE 151, 45).

16

2. Die Beklagte war an den streitgegenständlichen Tagen nicht verpflichtet, den Kläger zu beschäftigen.

17

a) § 3 Rahmenvereinbarung begründet keine Pflicht, Arbeitnehmer an fünf Tagen in der Woche zu beschäftigen. Das ergibt die Auslegung der Rahmenvereinbarung.

18

aa) Bei der Rahmenvereinbarung handelt es sich um einen Tarifvertrag iSv. § 1 Abs. 1 TVG. Die Tarifvertragsparteien wählen in § 1 und § 2 Rahmenvereinbarung diese Bezeichnung. Nach ihrem Willen sollen durch Modifikation der Regelungen des MRTV unmittelbar Rechte und Pflichten für die tarifunterworfenen Arbeitsverhältnisse begründet werden (vgl. BAG 19. September 2007 - 4 AZR 670/06 - Rn. 16, BAGE 124, 110).

19

bb) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr., vgl. nur BAG 24. Februar 2016 - 5 AZR 225/15 - Rn. 15 mwN).

20

cc) Danach ergibt die Auslegung, dass § 3 Rahmenvereinbarung zum Zweck der Einführung eines verstetigen monatlichen Einkommens eine monatliche Mindestarbeitszeit festlegt. Die Tarifnorm enthält jedoch keine Regelung zur Verteilung dieser Arbeitszeit auf einzelne Tage.

21

(1) Nach § 3 Rahmenvereinbarung ist „die regelmäßige tarifliche monatliche Arbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte […] für 5 Tage an den Werktagen von Montag bis Samstag zu leisten und errechnet sich aus der entsprechenden Anzahl der Arbeitstage/Monat/Bundesland multipliziert x 8 Stunden pro Arbeitstag“.

22

Bereits der Wortlaut regelt lediglich eine regelmäßige „monatliche“, nicht aber eine „wöchentliche“ oder „tägliche“ Arbeitszeit. Der Begriff der Regelmäßigkeit setzt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine gewisse Stetigkeit und Dauer voraus, auf den Rhythmus der Wiederholungen kommt es jedoch nicht an, Schwankungen und Ausnahmen sind möglich (vgl. BAG 3. Mai 1989 - 5 AZR 249/88 - zu I der Gründe zur „regelmäßigen Arbeitszeit“ nach § 2 Abs. 1 Satz 1 LFZG aF; 5. November 1992 - 6 AZR 228/91 - zu II 4 der Gründe zum Begriff der „regelmäßigen Arbeitsstelle“; 24. September 2008 - 10 AZR 106/08 - Rn. 20).

23

Die Formulierung „für 5 Tage“ statt „an 5 Tagen“ zeigt, dass die Angabe der Anzahl der Tage der Berechnung der monatlichen Arbeitszeit dient. Eine Verpflichtung zur Beschäftigung an mindestens fünf Tagen in der Woche enthält die Regelung nicht (vgl. LAG Hamm 11. März 2015 - 3 Sa 1502/14 - zu B II 4 der Gründe in Bezug auf eine tägliche Mindestarbeitszeit). Zudem spricht das Wort „errechnet“ für die Bestimmung einer Berechnungsgrundlage der monatlichen Arbeitszeit. Schließlich lässt sich nichts anderes aus der Formulierung herleiten, wonach die monatliche Arbeitszeit „zu leisten [ist]“. Die Verwendung des Indikativs kann zwar eine Verpflichtung ausdrücken, zwingend ist dies jedoch nicht (vgl. BAG 21. Januar 2003 - 1 ABR 5/02 - zu B II 2 a der Gründe; 30. September 2014 - 1 ABR 79/12 - Rn. 20).

24

(2) Auch tarifliche Systematik und Gesamtzusammenhang sprechen für die Festlegung einer monatlichen Arbeitszeit, nicht aber der wöchentlichen Mindestarbeitstage.

25

Rahmenvereinbarung und MRTV beziehen sich auch an anderer Stelle auf eine monatliche und nicht auf eine wöchentliche/tägliche Arbeitszeit. Nach § 6 Rahmenvereinbarung entsteht ein Anspruch auf Zahlung eines Mehrarbeitszuschlags nicht bei Überschreiten einer Arbeitszeit von 40 Wochenstunden, sondern nach einer näher bestimmten Anzahl geleisteter Monatsarbeitsstunden. Auch die Regelung zu Freischichten in § 7 Ziff. 1 MRTV entspricht dieser Systematik. Die Tarifnorm sieht zwar einen Anspruch jedes Arbeitnehmers auf mindestens eine unbezahlte Freischicht pro Woche vor, aus der Verwendung des Wortes „mindestens“ folgt aber, dass eine darüber hinausgehende Anzahl an unbezahlten Freischichten nicht ausgeschlossen ist.

26

(3) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte des Verhandlungsergebnisses bestätigen das Ergebnis.

27

Zweck der Neuregelung der Arbeitszeit war nach Ziff. I.3. des Verhandlungsergebnisses die Sicherung eines verstetigten (monatlichen) Einkommens. Dieser Zweck wird schon durch Festlegung einer monatlichen Arbeitszeit erreicht. Eine Regelung der Verteilung der Arbeitszeit auf bestimmte Tage ist hierfür nicht erforderlich. Ein Wille der Tarifvertragsparteien zur weiteren Einschränkung der zuvor im MRTV vorgesehenen, weitgehenden Flexibilisierung der Arbeitszeit (vgl. hierzu BAG 14. September 2011 - 10 AZR 358/10 - Rn. 23), lässt sich weder dem Verhandlungsergebnis noch der Rahmenvereinbarung mit der erforderlichen Deutlichkeit entnehmen (vgl. hierzu BAG 19. September 2007 - 4 AZR 670/06 - Rn. 32, BAGE 124, 110).

28

b) Die Arbeitseinteilung durch die Beklagte verstößt nicht gegen andere Rechtsvorschriften. Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, dass jeder Arbeitnehmer von Montag bis Freitag bzw. an fünf Tagen beschäftigt werden müsse. Ist die Verteilung der Arbeitszeit - wie hier - arbeitsvertraglich nicht geregelt und auch kollektivrechtlich oder gesetzlich nicht beschränkt, legt der Arbeitgeber die Lage der Arbeitszeit durch Weisung kraft seines Direktionsrechts fest (vgl. BAG 14. April 2014 - 5 AZR 483/12 - Rn. 18 mwN).

29

c) Weder der Klägervortrag noch die Lohnabrechnungen lassen erkennen, der Kläger sei in geringerem Umfang als durch § 3 Rahmenvereinbarung vorgesehen eingesetzt worden. Die Richtigkeit der Lohnabrechnungen ist unstreitig.

30

II. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Weber    

        

    Volk    

        

        

        

    Feldmeier    

        

    Reinders    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 26. November 2014 - 6 Sa 17/14 - aufgehoben.

2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm - Kammern Ravensburg - vom 17. Januar 2014 - 6 Ca 222/13 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Zinsen erst ab dem 4. Dezember 2012 zu zahlen sind.

3. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung und Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Berechnung der Höhe der betrieblichen Sonderzahlung und der Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2012 und in diesem Zusammenhang über die Einbeziehung tariflicher Ausgleichszahlungen zur Verdienstsicherung älterer Arbeitnehmer.

2

Der 1952 geborene Kläger ist Mitglied der Industriegewerkschaft Metall (IGM) und seit 1973 bei der Beklagten beschäftigt, die ihrerseits Mitglied des Verbands der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e. V. ist. Der Manteltarifvertrag für Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie in Südwürttemberg-Hohenzollern vom 14. Juni 2005 (im Folgenden MTV) gewährt Arbeitnehmern, die das 54. Lebensjahr vollendet haben, in § 6 einen Anspruch auf Verdienstsicherung. Die Vorschrift lautet auszugsweise wie folgt:

        

§ 6 Alterssicherung

        

6.1     

Beschäftigte, die das 54. Lebensjahr vollendet haben und dem Betrieb oder Unternehmen mindestens ein Jahr angehören, haben Anspruch auf Verdienstsicherung.

                 

Die tarifliche Verdienstsicherung bezieht sich nicht auf das Tarifentgelt, sondern auf das Effektiventgelt und wird wie folgt verwirklicht:

        

6.1.1 

Der Alterssicherungsbetrag … wird als Mindestverdienst garantiert.

        

6.1.2 

Der laufende Verdienst innerhalb des nach § 6.9 zu regelnden Vergleichszeitraums wird mit dem Alterssicherungsbetrag verglichen.

        

6.1.3 

Ist der laufende Verdienst niedriger als der Alterssicherungsbetrag, so ist ein Ausgleich bis zur Höhe des Alterssicherungsbetrages zu bezahlen.

        

…       

        
        

6.3     

Zusammensetzung und Errechnung des Alterssicherungsbetrages

                 

Der Alterssicherungsbetrag errechnet sich wie folgt:

        

6.3.1 

aus dem Monatsgrundentgelt der Entgeltgruppe zu Beginn der Verdienstsicherung

        

6.3.2 

aus den in den letzten 12 Monaten vor Beginn der Verdienstsicherung durchschnittlich erzielten leistungsabhängigen variablen Bestandteilen

        

6.3.3 

der Belastungszulage zu Beginn der Verdienstsicherung

        

6.3.4 

aus der übertariflichen Zulage zu Beginn der Verdienstsicherung

        

6.3.5 

aus den in den letzten zwölf Kalendermonaten vor Beginn der Verdienstsicherung erzielten (tariflichen und/oder übertariflichen) durchschnittlichen Zuschlägen für Sonn-, Feiertags-, Spät-, Nacht-(Schicht-), Montagearbeit sowie Erschwerniszulagen gemäß § 8 BMTV, …

        

…       

        
        

6.5     

Nicht in den Alterssicherungsbetrag einzubeziehen sind:

                 

Zuschläge für Mehrarbeit und sonstige unregelmäßige Bezüge, vermögenswirksame Leistungen, Auslösungen, Gratifikationen, zusätzliche Urlaubsvergütung und andere einmalige Zuwendungen.

        

6.6     

Alterssicherungsbetrag

                 

Durch die Berechnung gemäß §§ 6.3 und 6.4.2 ergibt sich der Alterssicherungsbetrag als durchschnittlicher Monatsverdienst, bezogen auf die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit … zu Beginn der Alterssicherung.

        

…       

        
        

6.7     

Festschreibung des Alterssicherungsbetrages

                 

Der sich aus der Berechnung nach §§ 6.3 und 6.4.2 ergebende Alterssicherungsbetrag ist mit den dort genannten Entgeltbestandteilen aufgegliedert festzuschreiben. Die Mindestverdienstgarantie (§ 6.1.1) bezieht sich auch auf diese Entgeltbestandteile.

        

…       

        
        

6.9     

Durchführung der Verdienstsicherung

                 

Der Verdienstausgleich gemäß § 6.1 ist monatlich (Vergleichsmonat) vorzunehmen.

                 

…       

                 

Der Vergleichszeitraum ist mit dem Betriebsrat festzulegen. Er darf einschließlich des Vergleichsmonats drei Monate nicht übersteigen. …

                 

Ausgleichszahlungen zum Zwecke der Verdienstsicherung sind in den laufenden Verdienst des Vergleichszeitraums einzubeziehen.“

3

Nach § 2.1 iVm. § 2.2 des Tarifvertrags über die tarifliche Absicherung betrieblicher Sonderzahlungen für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie in den Tarifgebieten Südbaden und Südwürttemberg-Hohenzollern vom 14. Juni 2005 (im Folgenden TV SoZa) haben Beschäftigte, die jeweils am Auszahlungstag in einem Arbeitsverhältnis stehen, nach 36 Monaten Betriebszugehörigkeit Anspruch auf eine betriebliche Sonderzahlung in Höhe von 60 % eines Monatsverdienstes je Kalenderjahr. Zur Berechnung bestimmt § 2.4 TV SoZa:

        

„2.4   

Für die Berechnung eines Monatsverdienstes sind zugrunde zu legen:

                 

-       

die festen und leistungsabhängigen variablen Bestandteile des Monatsentgelts und

                 

-       

die zeitabhängigen variablen Bestandteile des Monatsentgelts der letzten abgerechneten drei Monate vor Auszahlung der Sonderzahlung einschließlich aller Zulagen und Zuschläge in dem betreffenden Zeitraum, soweit diese nicht in den festen Bestandteilen des Monatsentgelts enthalten sind, jedoch ohne Mehrarbeitsgrundvergütung und Mehrarbeitszuschläge, Auslösungen und ähnliche Zahlungen (Reisespesen, Trennungsentschädigungen), Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Krankengeldzuschüsse, Urlaubsvergütung, die vermögenswirksamen Leistungen des Arbeitgebers sowie einmalige Zuwendungen, geteilt durch die Anzahl der in diesem Zeitraum bezahlten Tage ohne Krankheits- und Urlaubstage. Der sich hieraus ergebende Betrag ist mit dem Faktor 21,75 zu multiplizieren.

                                   
                 

Protokollnotiz zu § 2.4:

                 

Für die Berechnung des Monatsverdienstes nach § 2.4 sind die Grundsätze, wie sie für die Berechnung der Urlaubsvergütung gelten, maßgebend.“

4

Beschäftigte der Beklagten mit mindestens 15-jähriger Firmenzugehörigkeit hatten nach Maßgabe der „MITTEILUNG PERS 2002 - NR. 22“ vom 16. Oktober 2012 darüber hinaus Anspruch auf eine Weihnachtsgratifikation iHv. 40 % des Monatsentgelts. Zur Berechnung heißt es in der Mitteilung, es seien „grundsätzlich die unmittelbar anwendbaren oder in Bezug genommenen tariflichen Vorschriften entsprechend anzuwenden. Danach sind … die festen und leistungsabhängigen Bestandteile des laufenden Monatsentgelts sowie die zeitabhängigen variablen Bestandteile der letzten drei abgerechneten Monate … (August, September, Oktober) zugrunde zu legen. Eine etwaige Mehrarbeitsvergütung ... ist … nicht in den durchschnittlichen Arbeitsverdienst einzubeziehen.“

5

Mit der Vergütung für November 2012 zahlte die Beklagte an den Kläger 2.442,18 Euro brutto als betriebliche Sonderzahlung und weitere 1.632,82 Euro brutto als Weihnachtsgratifikation aus. Bei der Berechnung dieser Zahlungen berücksichtigte die Beklagte nicht die Ausgleichszahlungen zum Zwecke der Verdienstsicherung, die der Kläger in den letzten drei abgerechneten Monaten vor Auszahlung der betrieblichen Sonderzahlung erhalten hatte. Die Einbeziehung dieser Ausgleichszahlungen hätte zu einer Erhöhung der Sonderzahlung um 87,74 Euro brutto und der Weihnachtsgratifikation um 53,80 Euro brutto geführt. Diese Differenzbeträge hat der Kläger mit Schreiben vom 24. Januar 2013 gegenüber der Beklagten geltend gemacht.

6

Der Kläger hat gemeint, die Ausgleichszahlungen seien in die Berechnung des Monatsverdienstes nach § 2.1 TV SoZa und dementsprechend auch in die Berechnung der Weihnachtsgratifikation einzubeziehen. Der Alterssicherungsbetrag sei nach § 6.1.1 MTV als Mindestverdienst garantiert und werde gemäß § 6.7 MTV mit den dort näher bezeichneten Entgeltbestandteilen aufgegliedert festgeschrieben, auf die sich die Mindestverdienstgarantie ebenfalls beziehe. Damit sei der Alterssicherungsbetrag Bestandteil des „Monatsverdienstes“ iSv. § 2.4 TV SoZa.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 141,54 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2012 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und gemeint, die Ausgleichszahlungen seien keine Bestandteile des Monatsentgelts iSv. § 2.4 TV SoZa. Es handele sich auch nicht um eine Zulage oder einen Zuschlag, sondern vielmehr um eine Vergütungskomponente sui generis, die bei der Berechnung des Monatsverdienstes nach § 2.4 TV SoZa nicht zu berücksichtigen sei.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung der Beklagten gegen das arbeitsgerichtliche Urteil zu Unrecht entsprochen. Der Kläger hat Anspruch auf die von ihm begehrte Zahlung.

11

I. Der Kläger hat gegen die Beklagte aus § 2.1 Satz 1 iVm. § 2.2 TV SoZa Anspruch auf die der Höhe nach unstreitige restliche betriebliche Sonderzahlung von 87,74 Euro brutto für das Kalenderjahr 2012.

12

1. Der TV SoZa fand im Kalenderjahr 2012 aufgrund beiderseitiger Tarifbindung auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis Anwendung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 TVG).

13

2. Nach § 2.1 Satz 1 iVm. § 2.2 TV SoZa haben Beschäftigte, die am Auszahlungstag in einem Arbeitsverhältnis stehen, nach einer Betriebszugehörigkeit von 36 Monaten Anspruch auf eine Sonderzahlung in Höhe von 60 % eines Monatsverdienstes. Diese Anspruchsvoraussetzungen erfüllt der Kläger.

14

3. Der Monatsverdienst iSv. § 2.2 TV SoZa schließt die in den letzten drei abgerechneten Monaten vor Auszahlung der betrieblichen Sonderzahlung erbrachten Ausgleichszahlungen zum Zwecke der Verdienstsicherung ein. Das ergibt die Auslegung der einschlägigen Tarifvorschriften.

15

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mitzuberücksichtigen, sofern und soweit er in den tariflichen Regelungen und ihrem systematischen Zusammenhang Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG 28. August 2013 - 10 AZR 701/12 - Rn. 13 mwN). Die Auslegung eines Tarifvertrags durch das Berufungsgericht ist in der Revisionsinstanz in vollem Umfang nachzuprüfen (BAG 11. November 2015 - 10 AZR 719/14 - Rn. 17).

16

b) Bei der Wortlautauslegung ist, wenn die Tarifvertragsparteien einen Begriff nicht eigenständig definieren, erläutern oder einen feststehenden Rechtsbegriff verwenden, vom allgemeinen Sprachgebrauch auszugehen. Wird ein Fachbegriff verwendet, der in allgemeinen oder in den fachlichen Kreisen eine bestimmte Bedeutung hat, ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien mit diesem Begriff den allgemein üblichen Sinn verbinden wollten, wenn nicht sichere Anhaltspunkte für eine abweichende Auslegung gegeben sind, die aus dem Tarifwortlaut oder anderen aus dem Tarifvertrag selbst ersichtlichen Gründen erkennbar sein müssen (BAG 8. Juli 2009 - 10 AZR 672/08 - Rn. 23 mwN). Wird ein bestimmter Begriff mehrfach in einem Tarifvertrag verwendet, ist im Zweifel weiter davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien dem Begriff im Geltungsbereich dieses Tarifvertrags stets die gleiche Bedeutung beimessen wollen (vgl. BAG 22. Dezember 2009 - 3 AZR 936/07 - Rn. 15, BAGE 133, 62).

17

c) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hält die Auslegung des Landesarbeitsgerichts einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Sie ergibt vielmehr, dass der in § 2.2 TV SoZa verwendete Begriff „Monatsverdienst“ in einem umfassenden Sinn zu verstehen ist (so bereits BAG 28. März 2007 - 10 AZR 66/06 - Rn. 18 f.) und damit dem nach § 6.1.1 MTV als „Mindestverdienst“ garantierten Alterssicherungsbetrag entspricht, wenn und soweit der laufende Verdienst niedriger als der Alterssicherungsbetrag ist.

18

aa) § 2.2 TV SoZa stellt für die Berechnung der Höhe der betrieblichen Sonderzahlung auf die Betriebszugehörigkeit und den „Monatsverdienst“ ab. Dabei haben die Tarifvertragsparteien den Begriff „Monatsverdienst“ im TV SoZa nicht selbst bestimmt, so dass davon auszugehen ist, dass sie diesen Tarifbegriff in seiner allgemeinen Bedeutung verstanden wissen wollen. Danach ist der Verdienst das durch Arbeit erworbene Geld, das dadurch erzielte Einkommen oder auch das Entgelt für eine Tätigkeit, der Lohn, das Gehalt oder eine sonstige Vergütung (BAG 28. März 2007 - 10 AZR 66/06 - Rn. 20 mwN). Auf diesem weiten Verständnis beruhen ersichtlich auch die Regelungen in § 11.3 MTV. Bereits dies spricht dafür, den in § 6.1.1 MTV als Mindestverdienst garantierten Alterssicherungsbetrag als Monatsverdienst iSd. § 2.2 TV SoZa anzusehen.

19

bb) Die mit § 2.2 TV SoZa systematisch zusammenhängende Regelung in § 2.4 TV SoZa, nach der alle in § 11.3.1 und § 11.3.2 MTV genannten Vergütungsbestandteile mit Ausnahme der „sonstigen variablen Bestandteile“ für die Berechnung eines Monatsverdienstes zu berücksichtigen sind, bestätigt dieses dem Wortlaut entnommene Auslegungsergebnis. Der Alterssicherungsbetrag ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ein „fester Bestandteil“ des Monatsentgelts iSv. § 2.4 TV SoZa und kein „sonstiger variabler Bestandteil“ des Monatsentgelts. Er wird nach § 6.6 und § 6.7 MTV als durchschnittlicher Monatsverdienst festgeschrieben. Auch die Regelung in § 6.10 Abs. 5 MTV, nach der zur Fortschreibung des Alterssicherungsbetrags von dessen Festschreibung nach § 6.7 MTV auszugehen ist, bestätigt dessen Charakter als festen Bestandteil des Monatsverdienstes. Dass die von der Höhe des laufenden Verdienstes abhängige Ausgleichszahlung (§ 6.1.3 MTV) variieren kann, ändert daran nichts. Entscheidend ist vielmehr, dass der Alterssicherungsbetrag gemäß § 6.1.1 MTV als fester Mindestverdienst garantiert ist. Die tarifliche Alterssicherung beinhaltet mithin nach der Tarifsystematik eine Verdienstsicherung (§ 6.1 Abs. 2 MTV) bzw. einen Verdienstausgleich (§ 6.9 Abs. 1 MTV) für die Vergütungsbestandteile, die ein nicht altersgesicherter Arbeitnehmer allein durch Verwertung seiner Arbeitskraft erwirtschaften kann und für die er durch die betriebliche Sonderzahlung nach § 2 TV SoZa honoriert werden soll. Die Nichtberücksichtigung dieser Verdienstsicherung bei der Berechnung des für die betriebliche Sonderzahlung maßgeblichen Monatsverdienstes würde zu einer mit der tariflichen Systematik nicht zu vereinbarenden Reduzierung der Sonderzahlung bei altersgesicherten Beschäftigten führen.

20

cc) Die tarifsystematische Bestätigung der mit dem Wortlaut übereinstimmenden Auslegung des Begriffs „Monatsverdienst“ in § 2.2 TV SoZa wird durch die in § 6.5 und § 6.9 MTV enthaltenen Regelungen nicht infrage gestellt. Soweit § 6.5 MTV Sonderzahlungen bei der Berechnung der Alterssicherung ausnimmt, belegt dies lediglich, dass diese hierbei nicht zu berücksichtigen sind. Daraus ergibt sich jedoch kein Anhaltspunkt dafür, eine durch die Alterssicherung bedingte Ausgleichszahlung ihrerseits bei der Berechnung der Sonderzahlung nicht zu berücksichtigen. § 6.9 Abs. 5 MTV verlangt ebenfalls keine andere Auslegung. Es handelt sich dabei lediglich um eine abrechnungstechnische Durchführungsvorschrift zur Berechnung des Verdienstes im Vergleichszeitraum.

21

dd) Für das hier zugrunde gelegte Normverständnis spricht schließlich der Sinn und Zweck der in § 6 MTV geregelten Alterssicherung. Sie ist erkennbar darauf ausgerichtet, Beschäftigte vor einem durch das altersbedingte Nachlassen ihrer körperlichen Kräfte bedingten Einkommensverlust zu bewahren. Die Nichtberücksichtigung der Alterssicherungsbeträge bei der Berechnung der betrieblichen Sonderzahlung würde dieses System konterkarieren, weil sie zu dem mit diesem Alterssicherungsgedanken nicht zu vereinbarenden Ergebnis führte, dass altersgesicherte Beschäftigte finanzielle Einbußen erleiden, vor denen sie durch das detaillierte Regelungswerk in § 6 MTV explizit bewahrt werden sollen.

22

4. Da die Beklagte den Alterssicherungsbetrag bei der Berechnung der betrieblichen Sonderzahlung für das Kalenderjahr 2012 zu Unrecht außer Acht gelassen hat, kann der Kläger die Zahlung der rechnerisch unumstrittenen Differenz in Höhe von 87,74 Euro brutto von der Beklagten verlangen.

23

II. Der Kläger hat aus Ziff. 1.1 iVm. Ziff. 1.2 der „Mitteilung Nr. 22“ einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung weiterer 53,80 Euro brutto als Weihnachtsgratifikation für das Kalenderjahr 2012.

24

1. Die „Mitteilung Nr. 22“ ist eine Gesamtzusage, aus der dem Kläger dem Grunde nach ein vertraglicher Anspruch auf Zahlung einer Weihnachtsgratifikation für das Kalenderjahr 2012 gegen die Beklagte zusteht (zum Charakter von Gesamtzusagen als Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. §§ 305 ff. BGB und zu ihrer Auslegung vgl. BAG 7. Juli 2015 - 10 AZR 260/14 - Rn. 18 f. mwN).

25

2. Der Kläger erfüllte im Kalenderjahr 2012 die in der „Mitteilung Nr. 22“ beschriebenen Anspruchsvoraussetzungen für eine Weihnachtsgratifikation in Höhe von 40 % des Monatsentgelts. Er stand am Auszahlungstag in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis zur Beklagten und war zu diesem Zeitpunkt mehr als 15 Jahre bei ihr beschäftigt. Da der Monatsverdienst iSv. § 2.2 TV SoZa dem Alterssicherungsbetrag gemäß § 6.1.1 MTV entspricht, wenn und soweit der laufende Verdienst der letzten abgerechneten drei Monate vor Auszahlung der Sonderzahlung niedriger als der Alterssicherungsbetrag ist, gilt dies aufgrund der Bezugnahme in der „Mitteilung Nr. 22“ auch für das Monatsentgelt, auf dessen Grundlage die Weihnachtsgratifikation berechnet wird. Nachdem die Beklagte den Alterssicherungsbetrag bei der Berechnung der Weihnachtsgratifikation zu Unrecht nicht berücksichtigt hat, kann der Kläger von der Beklagten die Zahlung des rechnerisch unumstrittenen Differenzbetrags in Höhe von 53,80 Euro brutto verlangen.

26

3. Der Zinsausspruch beruht auf § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB.

27

a) Dem Kläger stehen nach § 187 Abs. 1 BGB Verzugszinsen ab dem Tag nach dem Eintritt der Fälligkeit zu(vgl. BAG 8. Oktober 2008 - 5 AZR 715/07 - Rn. 27 mwN). Soweit dieser Tag auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fällt, verschiebt sich der Zeitpunkt der Fälligkeit nach § 193 BGB auf den nächsten Werktag(BAG 19. November 2014 - 5 AZR 121/13 - Rn. 32).

28

b) Nach § 3.2 TV SoZa ist Auszahlungsstichtag für die betriebliche Sonderzahlung der 1. Dezember des jeweiligen Jahres. Einen davon abweichenden Fälligkeitstag hat der Kläger nicht behauptet. Nach Ziff. 1.3 Abs. 2 der „Mitteilung Nr. 22“ gilt dieser Stichtag auch für die Weihnachtsgratifikation. Der 1. Dezember 2012 war ein Samstag. Die betriebliche Sonderzahlung und die Weihnachtsgratifikation waren daher am Montag, den 3. Dezember 2012, fällig. Zinsen schuldet die Beklagte mithin erst ab Dienstag, den 4. Dezember 2012.

29

III. Die Kostentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO. Soweit der Kläger Zinsen bereits ab dem 1. Dezember 2012 begehrt hat, handelt es sich um eine geringfügige Zuvielforderung iSv. § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

        

    Linck    

        

    W. Reinfelder    

        

    Brune    

        

        

        

    D. Kiel    

        

    Züfle    

                 

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)