Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 17. Apr. 2012 - 5 Sa 191/11

bei uns veröffentlicht am17.04.2012

Tenor

1. Die Berufung wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die soziale Rechtfertigung einer verhaltensbedingten bzw. personenbedingten Kündigung.

2

Die Beklagte betreibt mit mehr als 70 Arbeitnehmern einen auf Spezialbauleistungen am Dach fokussierten Betrieb. Die Beklagte ist bundesweit tätig. Unmittelbar unterhalb der Ebene des Geschäftsführers arbeiten bei der Beklagten fünf Bauleiter, die weitgehend eigenständig die eingeworbenen Aufträge vor Ort auf den Baustellen abarbeiten.

3

Der zum Zeitpunkt der Kündigung etwas mehr als 50 Jahre alte Kläger ist ledig und einem Kind gegenüber zum Unterhalt verpflichtet. Er ist ausgebildeter Diplom-Ingenieur und ist seit Mai 2007 bei der Beklagten als einer der fünf Bauleiter beschäftigt. In dieser Position verdient der Kläger rund 2.300,00 Euro brutto monatlich. Der Kläger und der Geschäftsführer der Beklagten kennen sich noch aus DDR-Zeiten. Der Kläger hatte früher ein eigenes Unternehmen, das er jedoch wegen Zahlungsunfähigkeit aufgeben musste. Danach hat er Arbeit bei der Beklagten gefunden.

4

Das Arbeitsverhältnis verläuft nicht spannungsfrei. Schon im Jahre 2008 hatte die Beklagte das Arbeitsverhältnis gekündigt. Im Rahmen der Kündigungsschutzklage (Arbeitsgericht Stralsund – 3 Ca 155/08) hatte man sich dann allerdings im Juni 2008 vergleichsweise auf die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses geeinigt. Das Grundthema des Konflikts der Parteien ist seit Jahren dasselbe. Die Beklagte meint, bei den Entscheidungen und Handlungen des Klägers spiele der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens oft eine zu geringe Rolle. Dabei gehe es nicht in erster Linie um Fehlverhalten des Klägers, man müsse jedoch nüchtern feststellen, dass ihm wohl die Bissigkeit und Hartnäckigkeit, vielleicht auch das Durchsetzungsvermögen fehle, das man in der Stellung als Bauleiter heutzutage zum Überleben am Bau benötige.

5

Anfang März 2010 führten die Parteien Gespräche über die von der Beklagten gesehenen Mängel an der Arbeitsleistung bzw. der Einstellung des Klägers. Das Gespräch vom 1. März 2010 brachte keine Ergebnisse, der Kläger wollte zu den vom Geschäftsführer der Beklagten vorgetragenen Problemen bis zum 3. März 2010 schriftlich Stellung nehmen. Als am 3. März 2010 keine schriftliche Stellungnahme vorlag, kam es abermals zu einer Aussprache mit dem Geschäftsführer. Der Kläger hat nicht bestritten, dass er dabei – wie von der Beklagten vorgetragen - sinngemäß gesagt hat, er handele nicht mit Absicht, vielleicht liege es an seiner Insolvenz, dass er oft zu schnell und unüberlegt handele.

6

In der Konsequenz dieser beiden Gespräche sprach die Beklagte die streitgegenständliche Kündigung vom 31. März 2010 aus. Die von der Beklagten beim Kläger gesehenen Schwächen hat sie erstinstanzlich an zwei Ereignissen illustriert und hat dem im Berufungsrechtszug sechs weitere Begebenheiten hinzugefügt. Viele der Vorfälle sind in wichtigen Details streitig. Unstreitig sind die folgenden Umstände.

7

Im Februar 2010 war der Kläger auf einer Baustelle in K. W. als Bauleiter eingesetzt. Dort wurde eine Sporthalle neu errichtet, und die Beklagte war für die Dacharbeiten zuständig. Auf dem Flachdach sollten Lichtkuppeln angebracht werden, durch die Tageslicht in die Halle gelangen kann. Üblicherweise werden diese Lichtkuppeln in einem der letzten Arbeitsgänge auf dem Dach angebracht, da sie sehr leicht zerbrechlich sind und daher durch die anderen Arbeiten gefährdet sein könnten. Für die Zeit bis zur Montage der Kuppeln werden die Auslassungen im Dach provisorisch durch eine Holzabdeckung verschlossen, damit der Innenausbau der Halle trotz des noch fehlenden endgültigen Abschlusses des Dachs fortschreiten kann. Im Februar 2010 kam es dazu, dass durch die provisorische Holzabdeckung Regenwasser in die Halle eingedrungen war, das die anderen dort tätigen Handwerker behindert hat. Die Bauleitung hat daher gefordert, die Beklagte solle nunmehr schnellstens die Lichtkuppeln setzen. Dem hat der Kläger entsprochen. Für den Ankauf der Kuppeln hat er sich für das Angebot der Firma J. entschieden, das sich auf brutto 8.644,16 Euro belief. Zum Zeitpunkt der Entscheidung lag dem Kläger auch ein um knapp 2.000,00 Euro günstigeres Angebot der Firma L. vor, die aber erst 6 Wochen später hätten liefern können. Auch die vom Kläger eingekaufte teurere Leistung hat sich noch im Rahmen der Auftragskalkulation bewegt, der Preisunterschied hat sich allerdings zu Lasten des Gewinns der Beklagten aus der Baustelle ausgewirkt.

8

Für dasselbe Bauvorhaben hat der Kläger am 19. Februar 2010 unter anderem fünf Attikaeinläufe zu je 140,00 Euro, die bei der Dachentwässerung zum Einsatz kommen, bestellt. Diese waren in Zink ausgeführt, obwohl – was streitig ist – die Beklagte generell angewiesen habe, nur noch Attika-Einläufe aus Aluminium zu verbauen, da die Zink-Einläufe eine zu hohe Schadensquote hätten. Der Geschäftsführer hat dann nach Entdeckung des Fehlers noch die Aluminium-Einläufe nachbestellt, die dann auch verbaut wurden. Die Zink-Einläufe hat die Beklagte auf ihr Lager genommen.

9

Für dasselbe Bauvorhaben hat der Kläger am 24. März 2010 Hartschaumdämmplatten mit einer Dicke von 80 Millimeter zum Preis von 6,00 Euro pro Quadratmeter eingekauft. Am selben Tag wurde ein vergleichbarer Auftrag bei demselben Lieferanten für noch dickere Platten zum Preis von 4,50 Euro pro Quadratmeter ausgelöst.

10

Auf einer Baustelle in D. war es durch Doppelbestellung von Material durch den Kläger einerseits und den Geschäftsführer der Beklagten andererseits zu einem Überhang an Selbstklebebahnen im Umfang von 4 Paletten gekommen. Der Kläger hat versucht, dieses überschüssige Material auf einer Baustelle der Beklagten in B. verbauen zu lassen, obwohl dort eigentlich andere Selbstklebebahnen ausgeschrieben waren ("Hasse-Bahnen"). Am 23. Februar 2010 entdeckte der Geschäftsführer der Beklagten diesen Plan des Klägers und hat dann veranlasst, dass die überschüssigen Bahnen aus D. auf Lager genommen werden.

11

Der Kläger war auch zuständig für eine Baustelle in S.. Hier liegen in der Gerichtsakte inzwischen zwei Angebote der Firma I., beide vom 4. März 2010, vor, die für mehr oder weniger dieselbe Leistung (Lieferung und Montage von Absturzsicherungen) Preise ausweisen, die sich in der Summe um rund 2.750,00 Euro unterscheiden. Der Auftrag wurde auf Basis des teureren Angebots (etwas unter 10.000,00 Euro) vergeben.

12

Der Kläger war auch zuständig für eine Baustelle in L. (Neubau Kinder- und Jugendtheater). Dort war es, was niemand dem Kläger zum Vorwurf macht, während der Bauphase zu einem Wassereinbruch gekommen, der auch die schon eingebrachte Dämmung geschädigt hat. Der Bauherr hat daher die Leistung nur unter Vorbehalt abgenommen. Der Geschäftsführer der Beklagten hat dann den Kläger im Juli 2009 angewiesen mit einem speziellen Messgerät der Beklagten der Sache nachzugehen. Dabei hatte er sich wohl vorgestellt, durch die Messungen könnte der Vorbehalt ausgeräumt werden. Tatsächlich ergab die Messung noch einen beachtlichen Wert an Restfeuchtigkeit im Dach, was den Kläger veranlasst hatte, dem Bauherrn eine Öffnung des Dachs zum Zwecke des Austausches der Dämmung anzubieten. Damit wären Kosten in Höhe von geschätzt 10.000,00 Euro verbunden gewesen. Erst eine Intervention des Geschäftsführers der Beklagten beim Bauherrn konnte dies verhindern. Er hat den Bauherrn davon überzeugt, dass die Feuchtigkeit aus dem Dach auch so verschwinde, man solle lieber später nochmals messen. Entsprechend dieser Prognose ist dann die Feuchtigkeit später tatsächlich ohne erneuten Eingriff in das Dach verschwunden.

13

Letztlich geht es noch um die kaufmännische Abarbeitung eines Bauvorhabens in B. (F.straße). Hier hat der Bauherr auf die Schlussrechnung der Beklagten eine Schlusszahlung vorgenommen, die einen Abzug im Umfang von rund 15.000,00 Euro gegenüber der Schlussrechnung aufgewiesen hat. Die Schlusszahlung war mit einer Schlusszahlungserklärung verbunden, die der Beklagten am 1. September 2009 zugegangen war. Den nach VOB fristgebundenen und begründet zu erklärenden Vorbehalt gegen eine solche Erklärung hat der Kläger erst am 22. Februar 2010 und lediglich unter Anfügung einer Auflistung der noch offenen Posten abgegeben. Nach Darstellung der Beklagten konnten die noch offenen rund 15.000,00 Euro aus diesem Grunde nicht mehr durchgesetzt werden.

14

Der achte Vorwurf, der klägerisches Verhalten aus dem Jahre 2007 betrifft und zu einem Schaden in Höhe von 13,22 Euro geführt haben soll, kann in der Berufungsbegründung nachgelesen werden (dort Punkt 6 Seite 11, hier Blatt 143).

15

Die Kündigungsschutzklage ist am 9. April 2010 beim Arbeitsgericht eingegangen.

16

Am 11. Oktober 2010 ist dann zunächst gegen den Kläger ein Versäumnisurteil ergangen. Auf den klägerischen Einspruch hin hat das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage mit Urteil vom 10. Mai 2011 in vollem Umfang entsprochen. Auf dieses Urteil wird wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.

17

Mit der rechtzeitig eingelegten und rechtzeitig begründeten Berufung begehrt die Beklagte nach wie vor die vollständige Abweisung der Klage.

18

Die Beklagte behauptet, die Bestellung der teureren Lichtkuppeln sei voreilig und ohne Druck der Bauleitung erfolgt, jedenfalls habe es keinen sachlichen Anlass für die schnelle Bestellung gegeben, die Lichtkuppeln seien auch tatsächlich erst viele Wochen später verbaut worden. Weiteren Wasserschäden hätte man jedenfalls besser mit der Ausbesserung der provisorischen Verschlüsse begegnen können. Der Kläger müsse auch selber ein schlechtes Gewissen gehabt haben, denn er habe nach Auslösung des Auftrages noch weitere Angebote eingeholt. Das sei wohl geschehen, um zu vertuschen, dass er sich nicht richtig um ein preiswertes Angebot bemüht habe.

19

Wegen der vier Paletten Selbstklebebahnen, die auf der Baustelle in D. zu viel angeliefert wurden, behauptet die Beklagte, deren Verbau auf der Baustelle in B. wäre ein schwerer Fehler gewesen, der zu einem Schaden in der Größenordnung von 10.000,00 Euro hätte führen können, wenn der Geschäftsführer nicht rechtzeitig interveniert hätte.

20

Wegen der Bestellung der Absturzsicherungen auf Basis des teureren Angebots der Firma I. behauptet die Beklagte, das Geschäft habe nicht mehr rückgängig gemacht werden können, da sich die Firma I. detailreich und glaubhaft auf einen mündlichen Vertragsabschluss mit dem Kläger berufen habe.

21

Zu der Schlusszahlungserklärung bezüglich der Baustelle in B. behauptet die Beklagte, der Auftrag sei unter Vereinbarung der VOB eingegangen worden, so dass man wegen der Fristversäumnis des Klägers keine Handhabe mehr gehabt habe, die eigene Position weiter durchzusetzen.

22

Die Beklagte beantragt,

23

unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen.

24

Der Kläger beantragt,

25

die Berufung zurückzuweisen.

26

Der Kläger verteidigt das zu seinen Gunsten ergangene Urteil. Es könne weder festgestellt werden, dass er mit der Arbeitsaufgabe überfordert sei, noch könne man ihm Pflichtverletzungen vorwerfen.

27

Zur schnellsten Bestellung der Lichtkuppeln (Bauvorhaben K. W.) habe er sich aufgrund des Drucks der dortigen Bauleitung gedrängt gefühlt. – Den Auftrag wegen der Absturzsicherungen (Baustelle S.) habe nicht er, sondern der Geschäftsführer unterzeichnet. – Die von ihm gekauften Attika-Einläufe aus Zink seien anerkannt gut und würden landauf und landab überall verbaut; eine anderslautende Weisung der Beklagten sei dem Kläger nicht bekannt. – Der Einbau der Selbstklebebahnen, die für die Baustelle in D. zu viel geordert wurden, auf der Baustelle in B. sei mit dem dortigen Bauleiter abgesprochen gewesen. – Wegen des Preises der Hartschaum-Dämmplatten für die Baustelle in K. W. könne man ihm keinen Vorwurf machen, denn diese Preise seien mit dem Händler von der Beklagten ausgehandelt, darauf habe er bei seinen Bestellungen keinen Einfluss mehr. – Zum Wasser im Dach des Kinder- und Jugendtheaters in L. behauptet der Kläger, ihm gegenüber habe der Bauherr auf einem Austausch der feuchten Dämmung bestanden, obwohl auch er mitgeteilt habe, dieser sei handwerklich betrachtet nicht erforderlich, da sich die Feuchtigkeit über die Monate von selbst verflüchtige. – Wegen des notwendigen Vorbehalts gegen die Schlussrechnungserklärung (Baustelle B., F.straße) geht der Kläger davon aus, dass er für eine solche Erklärung gar nicht zuständig gewesen wäre; außerdem zweifelt er an, dass der Auftrag nach VOB abgeschlossen wurde.

28

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrages der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

29

Die Berufung, die keinen Zulässigkeitsbedenken unterlieg, hat keinen Erfolg. Jedenfalls im Ergebnis zutreffend hat das Arbeitsgericht darauf erkannt, dass die streitgegenständliche Kündigung vom 31. März 2010 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet hat.

I.

30

Die Kündigung ist weder unter dem Gesichtspunkt der verhaltensbedingten Kündigung noch unter dem Gesichtspunkt einer personenbedingten Kündigung sozial gerechtfertigt im Sinne von § 1 Absatz 2 KSchG. Das gilt selbst dann, wenn man die weiteren Vorfälle, die die Beklagte erstmals im Berufungsrechtszug konkret vorgetragen hat, in die Bewertung mit einfließen lässt.

1.

31

Die Beklagte betont selbst immer wieder, dem Kläger sei nicht aus verhaltensbedingten Gründen gekündigt worden, sondern weil er mit der ihm übertragenen Aufgabe überfordert sei. Daher kann sich das Gericht insoweit kurz halten. Es lässt sich nicht feststellen, dass das Arbeitsverhältnis wegen Fehlverhaltens des Klägers so belastet ist, dass es durch eine verhaltensbedingte Kündigung beendet werden kann.

32

Die Umstände, die die Kündigung rechtfertigen sollen, beschreiben im Kern alle eine bestimmte Art und Weise, wie der Kläger seine Arbeitspflicht erfüllt hat, und die von dem abweicht, was sich der Arbeitgeber als richtige Erfüllung der Arbeitspflicht vorstellt.

33

Will der Arbeitgeber eine Kündigung auf Mängel im Leistungsverhalten des Arbeitnehmers stützen, muss feststehen, dass der Arbeitnehmer trotz Abmahnung keine Besserung gezeigt hat. Da die Beklagte den Kläger nicht abgemahnt hat, können die geschilderten Umstände nicht die soziale Rechtfertigung einer verhaltensbedingte Kündigung begründen.

34

Bei einzelnen Vorfällen schwingen allerdings auch Vorwürfe gegenüber dem Verhalten des Klägers mit. So etwa, wenn die Beklagte behauptet, der Kläger habe seine fehlende sorgfältige Preisrecherche bei der Bestellung der Lichtkuppeln durch das nachträgliche Anfordern weiterer Angebote, nachdem er bereits den Auftrag vergeben hatte, zu kaschieren versucht. Oder bei dem Vorwurf bezüglich der Baustelle B. (F.straße) der Kläger habe den rechtzeitigen Vorbehalt gegen die Schlusszahlungserklärung versäumt. Aber auch, wenn man hier zu Gunsten der Beklagten unterstellt, es handele sich um erwiesene Pflichtverletzungen, könnten diese die Kündigung nicht rechtfertigen, da es auch insoweit zuvor einer Abmahnung bedurft hätte. Eine Pflichtverletzung kann nur dann ohne Abmahnung eine Kündigung rechtfertigen, wenn dem Arbeitnehmer klar sein musste, dass der Arbeitgeber sein Verhalten ohne Weiteres zum Anlass einer Kündigung nehmen würde, wenn also klar war, dass das Fehlverhalten nicht sanktionslos bleiben wird. Das kann für die angedeuteten Pflichtverletzungen nicht festgestellt werden.

2.

35

Die Kündigung ist aber auch unter dem Blickwinkel einer personenbedingten Kündigung sozial nicht gerechtfertigt im Sinne von § 1 Absatz 2 KSchG.

36

Die soziale Rechtfertigung der personenbedingten Kündigung bildet einen sehr offenen Tatbestand, der nur schwer mit einem einheitlichen Obersatz beschrieben werden kann. Im Kern ist die personenbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn das Leben und Wirken des Arbeitnehmers legitime Interessen des Arbeitgebers erheblich beeinträchtigt und daher das weitere Festhalten am Arbeitsverhältnis nicht zumutbar ist. Darunter fällt ein breites Spektrum an Einzelfällen, das von der Kündigung der muslimischen Verkäuferin wegen des Tragens eines Kopftuchs während der Arbeit reicht (BAG 10. Oktober 2002 – 2 AZR 472/01 – BAGE 103, 111 = AP Nr. 44 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung = NZA 2003, 483, von der Beklagten in der Berufungsbegründung mehrfach zitiert) bis hin zu den klassischen Überforderungsfällen, in denen der Arbeitnehmer wegen Krankheit oder Gebrechen oder aber auch wegen eines altersbedingten Rückgang des Leistungsvermögens nicht mehr in der Lage ist, die arbeitsvertraglich übernommenen Pflichten weiterhin zufriedenstellend zu erfüllen.

37

Nach den Schilderungen, die nach Auffassung der Beklagten die Kündigung rechtfertigen, geht sie von einer Überforderung des Klägers mit den ihm übertragenen Aufgaben aus, möglicherweise sogar von einem Eignungsmangel. Einer näheren Abgrenzung bedarf es nicht, denn beide Erscheinungsformen der personenbedingten Kündigung (wegen Leistungsmängeln und wegen Eignungsmängeln), sind nach dem gleichen Maßstab zu beurteilen (Oetker in ErfK § 1 KSchG RNr. 167).

38

Die fehlende Eignung des Arbeitnehmers zur Erfüllung der ihm übertragenen Arbeitsaufgabe ist ein Grund zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses (Oetker in ErfK § 1 KSchG RNr. 162). Lässt sich die fehlende Eignung allerdings nicht aus Umständen ableiten, die vom Willen des Arbeitnehmers unabhängig sind (Krankheit, Gebrechen, Alter), bedarf es auch in diesen Fällen einer vorausgehenden Abmahnung. Das hat das Bundesarbeitsgericht bereits für den Fall entschieden, dass einer Führungskraft die Führungseigenschaften gefehlt haben sollen (BAG 29. Juli 1976 – 3 AZR 50/75 – AP Nr. 9 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung = DB 1976, 2356). Diese Rechtsprechung lässt sich ohne weiteres auf den vorliegenden Fall übertragen, wo dem Kläger vorgeworfen wird, ihm fehle es an der für einen Bauleiter notwendigen Durchsetzungskraft gegenüber Lieferanten und Bauherrn. Denn auch insoweit soll sich der Eignungsmangel aus einem willensgesteuerten Verhalten des Arbeitnehmers ableiten lassen.

39

Das Erfordernis der Abmahnung in den Fällen, in denen der Eignungsmangel aus willensgesteuertem Verhalten abgeleitet wird, ist auch durch das Prognoseprinzip gefordert. Eine Kündigung kann nie im Sinne einer Sanktion für vergangenes Verhalten sozial gerechtfertigt sein, sondern allenfalls mit Blick auf die Gefahren, die von dem Arbeitnehmer für die Zukunft ausgehen. Erforderlich ist daher eine Prognose, die sich an den Vorfällen der Vergangenheit auszurichten hat. In diesem Sinne wird man häufig erst dann die notwendige Prognosesicherheit zur zukünftigen Entwicklung des Arbeitsverhältnisses erhalten können, wenn der Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung klar erklärt bekommen hat, dass er bei einem Festhalten an seinen Verhaltensmustern im Wiederholungsfalle mit einer Kündigung zu rechnen habe und es dann tatsächlich trotzdem zum Wiederholungsfall kommt.

40

Gemessen an diesem Maßstab erweist sich die ausgesprochene Kündigung als nicht sozial gerechtfertigt.

a)

41

Stellt man dabei allein auf den schriftsätzlichen Vortrag ab, mit dem die Parteien die mündliche Verhandlung vorbereitet haben, ergibt sich dies schon aus dem Umstand, dass sich die Beklagte bei vielen Vorfällen nicht mit dem durchaus erheblichen Entlastungsvorbringen des Klägers auseinander gesetzt hat, obwohl sie die Darlegungs- und Beweislast für den Kündigungsgrund trägt.

42

Hinsichtlich der zu teuer und zu früh bestellten Lichtkuppeln hat sich der Kläger im Rechtsstreit auf einen darauf gerichteten Erwartungsdruck des Bauherrn berufen. Mit diesem Argument hat sich die Beklagte nicht auseinander gesetzt. Für einen Bauhandwerker kann es im Einzelfall klüger sein, einem Erwartungsdruck eines Bauherrn zu entsprechen, um das für die Vollendung des Auftrags notwendige gute beiderseitige Einvernehmen nicht zu gefährden, auch wenn dies Kosten verursacht, die aus handwerklicher Sicht eigentlich vermeidbar sind. – Die Beklagte hat sich mit diesem Argument nicht auseinandergesetzt. Der Vortrag ist weder im Tatsächlichen widerlegt, noch hat sich die Beklagte mit dem vom Kläger gesehenen Erwartungsdruck der Bauleitung des Bauherrn auseinandergesetzt. Für eine Prognose des zukünftigen Verhaltens ist der Vorfall daher unergiebig.

43

Bei den Attika-Einläufen aus dem falschen Material hat sich der Kläger darauf berufen, dass er nicht davon in Kenntnis gesetzt worden sei, dass die Beklagte generell auf den Einbau von Zink-Einkäufen zu Gunsten von Aluminium-Einläufen verzichtet. Mit diesem Entlastungsvorbringen hat sich die Beklagte nicht auseinander gesetzt. Der Vorfall ist daher nicht geeignet, Prognosen über das zukünftige Verhalten des Klägers abzugeben.

44

Wegen der für dasselbe Bauvorhaben angeblich zu teuer eingekauften Dämmplatten hat sich der Kläger darauf berufen, dass er bei diesen Materialien am Aushandeln der Preise mit dem Lieferanten überhaupt nicht beteiligt sei. Damit hat sich die Beklagte nicht auseinander gesetzt. Also können aus dem Vorfall auch keine Folgerungen für die Zukunft des Arbeitsverhältnisses gezogen werden.

45

Wegen der Baustelle in S. und den dort angeblich zu teuer eingekauften Absturzsicherungen hat sich der Kläger darauf berufen, dass der Auftrag letztlich vom Geschäftsführer unterzeichnet worden sei. Das kann ihn zwar nicht vollständig entlasten, denn die Beklagte trägt vor, dem Geschäftsführer sei nichts anderes übrig geblieben, da der Lieferant auf eine mündliche Absprache mit dem Kläger verwiesen habe. Das ist vom Kläger bestritten worden, ohne dass die Beklagte sich dann näher dazu eingelassen hat, wann und wie es zu der mündlichen Preisabsprache mit dem Kläger gekommen sein soll. Eine Beweisaufnahme konnte daher nicht durchgeführt werden. Der Vorfall ist daher für eine Prognose ebenfalls nicht geeignet.

46

Auch der Versuch des Klägers, das für die Baustelle in D. zu viel georderte Material auf einer Baustelle in B. zu verbauen, lässt Rückschlüsse auf Eignungsmängel des Klägers nicht zu. Zum einen hat der Kläger hier im Kosteninteresse der Beklagten und in Absprache mit dem Bauherrn in B. nach einer Lösung des Problems gesucht, zum anderen sind die Andeutungen der Beklagten zu dem angeblichen Schaden, der entstanden wäre, wenn man die Bahnen in B. verbaut hätte, nur sehr vage vorgetragen.

47

Wegen des Wassereintritts in dem Gebäude in L. hat der Kläger wiederum sein Verhalten mit der Erwartungshaltung des Bauherrn begründet, ohne dass sich die Beklagte mit diesem Argument ernsthaft auseinander gesetzt hat. Allein der Umstand, dass es dem Geschäftsführer der Beklagten später gelungen ist, den Bauherrn umzustimmen, reicht als Indiz für das Versagen des Klägers nicht aus, zumal man die sicherlich ganz erhebliche Durchsetzungskraft des Geschäftsführers der Beklagten nicht zum Maßstab für einen durchschnittlichen Bauleiter in seinem Betrieb machen kann.

48

Wegen der fehlenden rechtzeitigen Intervention gegen die Schlussrechnungserklärung des Bauherrn bei der Baustelle B. (F.straße) hat sich der Kläger darauf berufen, es sei möglicherweise kein Auftrag unter Vereinbarung der VOB gewesen und er sei eigentlich für die rechtzeitige Intervention gar nicht zuständig gewesen. Schriftsätzlich hat sich die Beklagte weder mit dem einen noch mit dem anderen Argument auseinander gesetzt, so dass auch dieser Vorfall als Prognosegrundlage nicht brauchbar ist.

b)

49

Die mündliche Verhandlung, an der der Kläger nicht teilgenommen hat, ermöglicht nur wenige ergänzende Feststellungen. Sie sind insgesamt nicht geeignet, die Kündigung sozial zu rechtfertigen.

50

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung konnte die Beklagte immerhin schlüssig ein Bild des Klägers zeichnen als eine Person, die nicht in der Lage ist, im unternehmerischen Interesse unberechtigte Erwartungen des Bauherrn und seiner Bauleitung entgegenzutreten (Lichtkuppeln in K. W., feuchte Dämmung in L.). Wer nicht in der Lage ist, unberechtigte oder zu weit gehende Erwartungen des Bauherrn abzuwehren, ist für den Job eines Bauleiters, so wie er bei der Beklagten verstanden und gelebt wird, nicht umfassend geeignet.

51

Eine Kündigung des Klägers kommt dennoch aus diesem Grund jedenfalls derzeit nicht in Betracht, denn es ist durch nichts erwiesen, dass es sich insoweit um einen im Charakter oder der Persönlichkeit des Klägers fußenden Mangel handelt, der nicht behebbar ist. Spätestens im Rahmen der notwendigen Interessenabwägung muss sich die Beklagte die Frage gefallen lassen, welche Anstrengungen sie denn unternommen hat, um dem Kläger zu helfen, das von ihr gesehene Defizit in der Arbeitsausführung, überwinden zu lernen.

52

Dabei muss das Gericht auch berücksichtigen, dass sich der Geschäftsführer der Beklagten und der Kläger schon lange kannten und dass sich das von der Beklagten gesehene Defizit des Klägers nicht im Laufe des Berufslebens erst entwickelt hat, sondern von Anbeginn vorhanden war. Es kann daher auch sein, dass dieses Defizit bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses schon bekannt und damit sozusagen schon eingepreist war, was angesichts des für einen Bauleiter bescheiden anmutenden klägerischen Einkommens sogar durchaus nahe liegt.

53

Letztlich kann auch das eigene Eingeständnis des Klägers aus dem Gespräch vom 3. März 2010, dass er wohl manchmal unüberlegt handelt, die Kündigung nicht weiter rechtfertigen. Denn auch insoweit steht nicht fest, dass es sich um einen sozusagen unveränderlichen Charakterzug des Klägers handelt. Im Gegenteil, der Kläger hat diese Schwäche selbst in Zusammenhang mit seiner Insolvenz gestellt, als in Zusammenhang mit einer Ausnahmesituation, die ihn möglicherweise überfordert hat. Das lässt die Hoffnung berechtigt erscheinen, dass es dem Kläger gelingt mit Hilfe der Beklagten diese Schwächephase zu überwinden, um wieder zu einem vollwertigen Bauleiter heranzureifen.

54

Der Kläger muss sich allerdings im Klaren darüber sein, dass er den Rechtsstreit hier in erster Linie gewonnen hat, weil die Beklagte wohl den Aufwand unterschätzt hat, der erforderlich ist, um den Nachweis eines Eignungsmangels als Kündigungsgrund zu führen. Sollte es daher zukünftig zu weiteren Ereignissen kommen, die geeignet sind, die fehlende Durchsetzungsfähigkeit gegenüber Kunden und Lieferanten zu illustrieren, muss der Kläger mit einer wiederholten Kündigung rechnen, bei der er sich angesichts der gerichtlichen Aufbereitung des Sachverhalts im vorliegenden Rechtsstreit nicht mehr wird darauf berufen können, dass ihm nicht klar war, welche Defizite ihm vorgeworfen werden.

II.

55

Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte, da das Rechtsmittel keinen Erfolg hat (§ 97 ZPO).

56

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision aus § 72 ArbGG liegen nicht vor.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen


(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt is

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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 25. März 2014 - 6 Sa 357/13

bei uns veröffentlicht am 25.03.2014

Tenor Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 23. Mai 2013 - 3 Ca 2324/12 - wird, soweit sie sich gegen ihre Verurteilung zur Erteilung eines Zwischenzeugnisses richtet, auf ihre Kosten als unzulässig verworf

Referenzen

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.