Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 30. Jan. 2007 - 5 Sa 180/06

bei uns veröffentlicht am30.01.2007

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Stralsund vom 24.04.2006 (6 Ca 456/05) abgeändert.

2. Es wird festgestellt, dass die Klägerin seit dem 01.04.2005 in die Vergütungsgruppe II BAT-O, Fallgruppe 1 e, eingruppiert ist.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der beklagte Landkreis.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die tarifgerechte Eingruppierung in den BAT (VkA).

2

Die 1944 geborene Klägerin hat an der Agraringenieurschule Eldena den Abschluss eines Agraringenieurs für den Bereich Finanzen erworben. Sie ist beim beklagten Landkreis bzw. bei dem untergegangenen Landkreis Anklam seit 1991 angestellt und sie ist seit 1992 als Heimleiterin tätig.

3

Die Klägerin leitet das Behindertenzentrum Zirchow "Am kleinen Oderhaff" auf Usedom, das der beklagte Landkreis als Eigenbetrieb führt. In der Satzung des Eigenbetriebes heißt es zu den Aufgaben der Einrichtung in § 1 Abs. 1:

4
"Gegenstand des Eigenbetriebes ist die ganzheitliche Betreuung, Versorgung und Pflege, insbesondere behinderter Menschen entsprechend aktueller Erkenntnisse und Standards mit dem Ziel der Erhaltung, Förderung und Wiedergewinnung individueller Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Aufrechterhaltung eines weitgehend selbstständigen und sinnerfüllten Lebens in einem anregenden und unterstützenden Umfeld.

Die zeitweise Unterbringung von überwiegend behinderten Menschen in unserer Einrichtung soll zur Erholung und Regenerierung beitragen."
5

Die Einrichtung geht zurück auf die Psychiatrie in Heringsdorf. In das Behindertenzentrum Zirchow sind von dort die Bewohner verlegt worden, die nicht ständig unter ärztlicher Kontrolle leben müssen.

6

In dem Heim waren bei seiner Gründung im Jahre 1992 rund 80 Bewohner untergebracht, die von 60 Beschäftigten betreut wurden. Zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht waren in dem Heim regelmäßig 150 Bewohner untergebracht, davon etwa 2/3 im Pflegeheim und das übrige Drittel im Wohnheim. Diese Bewohner werden durch rund 90 Beschäftigte betreut. Im Bereich Pflegeheim gibt es sechs Wohnbereiche, die jeweils durch eine Krankenschwester als Wohnbereichsleiterin geleitet werden. Jedem Wohnbereich sind etwa acht weitere Mitarbeiter (Krankenpfleger und -pflegehelfer sowie gewerbliche Reinigungskräfte) zugeordnet.

7

Der Bereich Wohnheim ist nicht mehr weiter untergliedert. Auch er wird durch eine Krankenschwester geleitet, der allerdings zwischen 15 und 20 Mitarbeiter untergeordnet sind. Neben Pflegern und Helfern sind hier auch Heilerzieher und eine Ergotherapeutin tätig.

8

Zusätzlich gibt es in dem Heim eine Begegnungsstätte mit zuletzt neun Mitarbeitern, in der neben Pflegern und Helfern ebenfalls Physiotherapeuten und Ergotherapeuten tätig sind.

9

Letztlich gibt es noch den Bereich der Hausverwaltung und die gewerblichen Dienste mit der Wäscherei, der Küche und der Technik.

10

Das Haus wird von der Klägerin geführt, der zwei Sachbearbeiterinnen zugeordnet sind. Ihr Stellvertreter ist der einzige Sozialarbeiter der Einrichtung. Die Wohnbereiche im Bereich Pflegeheim und das Wohnheim werden durch die Pflegedienstleistung geführt, die der Klägerin untersteht. Die Begegnungsstätte wird durch den Stellvertreter der Klägerin geführt und der Küchenleiter und der Leiter Technik unterstehen der Klägerin direkt.

11

Nach der Satzung des Eigenbetriebes nimmt die Klägerin Einstellungen und Entlassungen selbstständig vor, ab der Vergütungsgruppe V b bzw. KR VII BAT/BAT-O oder LG 6 TV MitarbeiterO allerdings im Einvernehmen mit dem Landrat. Damit hat die Klägerin nach der Satzung die volle Personalverantwortung für das gesamte Personal, ausgenommen der Pflegedienstleiterin und ihres Stellvertreters. Zusätzlich hat die Klägerin ohne Widerspruch durch den beklagten Landkreis behauptet, rein tatsächlich hätte sie das gesamte Personal selbstständig eingestellt.

12

Der Klägerin als Heimleiterin obliegt die vollständige Finanzverantwortung für das Heim. Sie ist nicht nur zuständig für die zweckentsprechende Verwendung der Mittel aus dem Wirtschaftsplan. Sie hat vielmehr auch die Aufgabe, die Kostenstruktur im Auge zu behalten und die Kosteninteressen in den Pflegesatzverhandlungen zu vertreten. Es ist unstreitig, dass die Klägerin die Pflegesatzverhandlungen seit rund zehn Jahren völlig selbstständig und ohne Unterstützung aus der Kreisverwaltung führt.

13

Die Klägerin war seit 1992 zunächst in der Vergütungsgruppe III BAT-O eingruppiert und ist dann 1993 einvernehmlich in die Vergütungsgruppe IV a zum BAT/BAT-O herabgruppiert worden. Seit dem 01.01.1995 wird sie wieder nach der Vergütungsgruppe III BAT-O vergütet. Diese Eingruppierung hat sie bis heute beibehalten. Derzeit wird sie aus der Entgeltgruppe E 11 zum TVöD vergütet.

14

Nach der Eigenbetriebssatzung und auch nach dem Arbeitsvertrag der Parteien vom 01.07.1991 richtet sich das Arbeitsverhältnis nach dem BAT-O und den "ergänzenden, ändernden und ersetzenden" Tarifverträgen.

15

Die Klägerin hatte erstinstanzlich die Feststellung einer Eingruppierung begehrt, die eine Vergütung aus der Entgeltgruppe E 13 TVöD vermittelt. Im Berufungsrechtszug begehrt sie lediglich noch die Feststellung, dass sie seit April 2005 die Fallgruppe 1 e der Vergütungsgruppe II der Anlage 1 a zum BAT/BAT-O (VkA) eingruppiert sei, was zu einer Vergütung aus der Entgeltgruppe E 12 TVöD führen würde.

16

Die Klägerin hat ihre Ansprüche außergerichtlich im März 2005 schriftlich geltend gemacht.

17

Das Arbeitsgericht hat die Mitte November 2005 eingegangene Klage mit Urteil vom 24.04.2006 abgewiesen, da das Hervorhebungsmerkmal "das Maß der damit verbundenen Verantwortung" nicht nachgewiesen sei. Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.

18

Das Urteil ist der Klägerin am 22.05.2006 zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete Berufung vom 16.06.2006 ist hier am selben Tag per Fax eingegangen. Sie ist mit Schriftsatz vom 21.07.2006, Gerichtseingang am selben Tag per Fax, begründet worden.

19

Die Klägerin beantragt,

20

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichtes festzustellen, dass die Klägerin ab dem 01.04.2005 in die Vergütungsgruppe II, Fallgruppe 1 e BAT-O eingruppiert ist.

21

Der Beklagte beantragt,

22

die Berufung zurückzuweisen.

23

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

24

Die klägerische Berufung, die keinen Zulässigkeitsbedenken unterliegt, ist begründet.

I.

25

Die Klage ist zulässig. Es handelt sich um eine für den öffentlichen Dienst typische Feststellungsklage bezüglich der für die Vergütung und andere Umstände maßgeblichen Eingruppierung der Arbeitnehmerin.

26

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes hat der Arbeitnehmer zwar im Regelfall keinen Anspruch auf die Feststellung einer bestimmten Fallgruppe innerhalb einer Vergütungsgruppe, da der Wechsel einer Fallgruppe innerhalb der Vergütungsgruppe noch nicht zu einem anderen eingruppierungsrechtlichen Status des Arbeitnehmers führen würde (vgl. nur BAG 22.01.2003 - 4 AZR 700/01 - AP Nr. 24 zu § 24 BAT = ZTR 2003, 453). Diese Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht damit begründet, dass es nicht die Aufgabe des Gerichtes sein könne, durch die Feststellung einer bestimmten Fallgruppe einzelne Elemente eines zukünftigen Anspruchs auf höhere Eingruppierung nach Ablauf der Bewährungsfrist vor dem Ablauf dieser Frist festzustellen. Insoweit bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis und der Arbeitnehmer müsse zuwarten, bis alle Voraussetzungen für eine höhere Eingruppierung auf Grund der Bewährung vorliegen und müsse dann gegebenenfalls klageweise die höhere Eingruppierung geltend machen.

27

Diese Rechtsprechung ist im Hinblick auf die derzeitige Übergangszeit vom BAT/BAT-O zum TVöD nicht mehr ohne Einschränkungen anzuwenden. Im TVöD selbst sind noch keine Eingruppierungsvorschriften vorgesehen, die Eingruppierung richtet sich vielmehr für eine Übergangszeit nach wie vor noch nach den Regeln des BAT/BAT-O. Da die Arbeitnehmer allerdings bereits aus den neuen Entgeltgruppen vergütet werden und es für das Erreichen der hier streitigen Entgeltgruppe E 12 maßgebend ist, in welche Fallgruppe der Vergütungsgruppe II die Klägerin eingruppiert ist, hat sie hier ausnahmsweise ein aktuelles Rechtsschutzinteresse an der Klärung nicht nur ihrer Vergütungsgruppe, sondern auch an der Klärung der damit einhergehenden Fallgruppe. Die Angabe der Fallgruppe ist sogar zur präzisen Bezeichnung des klägerischen Rechtsschutzziels zwingend geboten.

II.

28

Die Berufung ist auch begründet. Unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils ist festzustellen, dass die Klägerin eingruppiert ist in die Fallgruppe 1 e der Vergütungsgruppe II der Anlage 1 a zum BAT/BAT-O (VkA).

29

1. Die Klägerin ist als allgemeine Verwaltungsangestellte einzugruppieren, da es für ihre Tätigkeit keine besonderen tariflichen Tätigkeitsmerkmale gibt.

30

Die Klägerin kann nicht als "Leiterin eines Erziehungsheimes" im Sinne des Tarifvertrages "Sozial- und Erziehungsdienst" eingruppiert werden, denn das Heim, dem die Klägerin vorsteht, ist kein "Erziehungsheim" im tariflichen Sinne. Nach der Protokollerklärung 11 zu dem Tarifvertrag Sozial- und Erziehungsdienst sind Erziehungsheime Heime, in denen überwiegend behinderte Kinder und Jugendliche oder Kinder und Jugendliche mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten untergebracht sind. Das Behindertenzentrum Zirchow, dem die Klägerin vorsteht, nimmt behinderte Menschen aller Altersgruppen auf und fällt schon deshalb nicht unter dem Heimbegriff des Tarifvertrages Sozial- und Erziehungsdienst. Im Übrigen hat das Heim der Klägerin auch keinen Erziehungsauftrag. Vielmehr besteht die Aufgabe ausweislich der Zweckbestimmung in der Eigenbetriebssatzung darin, den Bewohnern Unterkunft zu bieten und sie zu betreuen und zu versorgen.

31

2. Die Klägerin ist in der Fallgruppe 1 e zur Vergütungsgruppe II zur Anlage 1 a des BAT/BAT-O (VkA) eingruppiert, da ihre gesamte nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit dieser Fallgruppe entspricht (§ 22 Abs. 2 BAT-O).

32

Für diese Feststellung bedarf es keiner weiteren Aufgliederung der Tätigkeiten der Klägerin, denn die Führungsaufgabe der Klägerin als Heimleiterin ist insgesamt als ein einheitlicher Arbeitsvorgang zu bewerten. Denn alle einzelnen Tätigkeiten der Klägerin dienen dem einheitlichen Arbeitsergebnis, das ihr anvertraute Heim ordnungsgemäß zu leiten. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zu Führungsaufgaben in Leitungsfunktionen in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes (vgl. z. B. für den Leiter einer Stadtbibliothek BAG 11.02.2004 - 4 AZR 42/03 - AP Nr. 296 zu §§ 22, 23 BAT 1975 = NZA-RR 2004, 438 mit weiteren Nachweisen).

33

3. Die von der Klägerin begehrte Eingruppierung ist die höchste Eingruppierung innerhalb der Vergütungsgruppen, deren beamtenrechtliche Entsprechung die Laufbahnämter des gehobenen Dienstes umfasst. Die Basis bildet die Vergütungsgruppe V b, die "gründliche und umfassende Fachkenntnisse" und selbstständige Leistungen erfordert (dort Fallgruppe 1 a). In der ersten Steigerungsstufe wird zusätzlich verlangt, dass die Tätigkeit "besonders verantwortungsvoll" ist (Vergütungs IV b Fallgruppe 1 a). Die Steigerungsstufe zur Vergütungsgruppe IV a (Fallgruppe 1 a oder 1 b) kann nur erreichen, wessen Tätigkeit sich "durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung" aus der Vergütungsgruppe IV b, Fallgruppe 1 a hervorhebt. Die abermalige Steigerung und damit die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe III Fallgruppe 1 a ist nur möglich für Angestellte, "deren Tätigkeit sich durch das Maß der damit verbundenen Verantwortung erheblich aus der Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 b heraushebt". Inhaber dieser Vergütungsgruppe werden nach fünfjähriger Bewährung in die Vergütungsgruppe II Fallgruppe 1 e - das ist das Klageziel der Klägerin - eingruppiert.

34

4. Die Klägerin erfüllt alle zuvor wiedergegebenen Anforderungen an die ihr übertragene Tätigkeit.

35

a) Der Dienstposten der Klägerin setzt "gründliche und umfassende Fachkenntnisse" und "selbstständige Leistungen" im Sinne der Vergütungsgruppe V b zum BAT-O voraus.

36

Die Besoldungsgruppe, die der Vergütungsgruppe V b entspricht, ist die Eingangsbesoldungsgruppe für den gehobenen Dienst. Der Eintritt in den gehobenen Verwaltungsdienst setzt im Regelfall den erfolgreichen Abschluss eines Fachhochschulstudiums voraus. Das trifft im Regelfall auch für Angestellte zu. Mit gründlichen und umfassenden Fachkenntnissen sind daher die Kenntnisse und Fähigkeiten gemeint, die ein Beschäftigter nach Abschluss eines Fachhochschulstudiums als Berufsanfänger vorweisen kann. Da der beklagte Landkreis selbst davon ausgeht, dass die Heimleiterstelle im Regelfall ein Fachhochschulabschluss als Diplombetriebswirt (FH) voraussetzt (vgl. Klageerwiderung vom 05.01.2006, Seite 3, Blatt 52 d. A.), geht also auch der beklagte Landkreis davon aus, dass der Dienstposten gründliche und umfassende Fachkenntnisse im tariflichen Sinne erfordert.

37

Dass die Klägerin auch selbstständig arbeitet, liegt bei ihrer leitenden Stellung auf der Hand.

38

b) Die Tätigkeit auf dem Dienstposten der Klägerin ist auch "besonders verantwortungsvoll" im Sinne der Fallgruppe 1 a zur Vergütungsgruppe IV b.

39

Unter Verantwortung versteht man die Pflicht, dafür einstehen zu müssen, dass die dem Dienstbereich obliegenden Aufgaben sachgerecht, pünktlich und vorschriftsmäßig ausgeführt werden (vgl. nur BAG 20.09.1995 - 4 AZR 413/94 - AP Nr. 205 zu §§ 22, 23 BAT 1975 = ZTR 1996, 171). Da auch der Angestellte nach der Vergütungsgruppe V b Verantwortung zu tragen hat, muss die für die Vergütungsgruppe IV b übertragene Verantwortung wesentlich größer sein als für die Eingangsvergütungsgruppe gefordert (vgl. BAG 19.03.1986 - 4 AZR 642/84 - BAGE 51, 282 = AP Nr. 116 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

40

Dieses gesteigerte Maß der Verantwortung liegt hier vor. Wenn man davon ausgeht, dass die Vergütungsgruppe V b die Vergütungsgruppe für Berufsanfänger ist, so entspricht dem eine entsprechend dichte Kontrolle und Anleitung. Übernimmt dann der Angestellte auf Grund fortschreitender Berufserfahrung und Bewährung im Dienst schwierigere Aufgaben oder übernimmt er Personalverantwortung für Untergebene, liegt die besondere Verantwortung in der Tätigkeit vor. Ist jemand wie die Klägerin gar Leiterin eines ganzen Heimes, hat sie dieses Merkmal der besonderen Verantwortung nicht nur erfüllt, sondern bei weitem übertroffen.

41

c) Die Tätigkeit der Klägerin hat auch die für die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 b erforderliche "besondere Schwierigkeit" und die erforderliche "Bedeutung".

42

Mit besonderer Schwierigkeit werden besondere Anforderungen an die fachliche Qualifikation des Dienstposteninhabers bezeichnet. Es muss sich um Aufgaben handeln, die nur Spitzenkräfte dieser Angestelltengruppe erfüllen können. Die Anforderungen können sich aus einer besonderen Spezialisierung ergeben oder aber im Gegenteil auch aus der Fähigkeit ein besonders breites Leistungsspektrum ausfüllen zu können.

43

Zu Recht geht auch der beklagte Landkreis davon aus, dass der Dienstposten der Klägerin diese besondere Schwierigkeit im tariflichen Sinne aufweist, denn von der Klägerin als Leiterin werden nicht nur fachliche Kenntnisse im Haushalts- und Finanzwesen abgefordert, sondern darüber hinaus auch Kenntnisse in der Personalführung, in der Verwaltungsorganisation und die speziellen fachbezogenen Kenntnisse, die für das Betreiben eines Heimes für behinderte Menschen erforderlich sind.

44

Diese Tätigkeit hat auch die Bedeutung im tariflichen Sinne. Der Begriff der Bedeutung zielt auf die Auswirkungen der Tätigkeit. Zu Recht hat der beklagte Landkreis die tarifliche Bedeutung der Tätigkeit bejaht. Sie ergibt sich im Hinblick auf die Anzahl der Bewohner und die Anzahl der der Klägerin unterstellten Mitarbeiter fast schon von selbst. Ergänzend kann auf die Größe des Aufgabengebietes und die finanzielle Verantwortung der Heimleitung hingewiesen werden.

45

d) Letztlich hebt sich die Tätigkeit auf dem Dienstposten der Klägerin auch durch "das Maß der damit verbundenen Verantwortung" erheblich aus der Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 b im Sinne der Fallgruppe 1 a zur Vergütungsgruppe III hervor.

46

Diese Fallgruppe ist den Spitzenpositionen des gehobenen Angestelltendienstes vorbehalten. Die nochmals gesteigerte besondere Verantwortung in diesem Sinne kann sich - soweit hier von Bedeutung - insbesondere auch aus der Größe des Arbeitsbereiches ergeben (vgl. nur Sonntag/Bauer/Bockholt, Eingruppierung im öffentlichen Dienst 9. Auflage 2007 Rn. 244).

47

Nach Überzeugung der Kammer muss das besondere Maß der Verantwortung hier auf Grund der Größe des Aufgabenbereiches und der Verantwortlichkeit des Heimleiters auf den verschiedensten Gebieten bejaht werden.

48

aa) Den tarifrechtlichen Kern der Verantwortung sieht das Gericht in der Verantwortung der Klägerin für die inzwischen über 150 Bewohner des Heimes.

49

Dass die Tarifvertragsparteien das Ausmaß der Verantwortung in Relation zu der Anzahl der der Einrichtung anvertrauten Personen bestimmen, ergibt ein Blick in andere tarifierte Angestelltenberufsbilder. So hängt etwa die Eingruppierung der Leiter von Erziehungsheimen direkt von der Durchschnittsbelegung der eingerichteten Plätze im Erziehungsheim ab. Die höchste danach mögliche Vergütungsgruppe, die Vergütungsgruppe III, erreichen Leiter von Erziehungsheimen mit einer Durchschnittsbelegung von mindestens 90 Plätzen.

50

Auch die Leiter von Kindertagesstätten und von Kindertagesstätten für Behinderte werden in direkter Abhängigkeit von der Anzahl der durchschnittlich belegten Plätze bemessen, wobei der Leiter einer Kindertagesstätte mit einer Durchschnittsbelegung von 180 Plätzen die in diesem Rahmen höchste mögliche Vergütungsgruppe IV a erreicht. Als Leiter einer Kindertagesstätte für Behinderte wird diese Vergütungsgruppe bereits bei einer Durchschnittsbelegung von 90 Plätzen erreicht.

51

Dieser Seitenblick auf die unterschiedlichen Vergütungen in Abhängigkeit von der Anzahl der Plätze zeigt auch, dass einen "Verbrauch" eines tatsächlichen Umstandes, wenn er erst einmal für die Begründung eines Tätigkeitsmerkmals herangezogen wurde, nicht gibt. Die Verantwortung der Klägerin als Heimleiterin für die ihr anvertrauten Personen prägt ihre gesamte Tätigkeit und spielt daher selbstverständlich bei der Subsumtion unter jedes der Hervorhebungsmerkmale aller Vergütungsstufen entweder direkt oder indirekt eine Rolle. Es ist daher möglich und zulässig, die in § 11 HeimG gesetzlich umrissene Verantwortlichkeit der Heimleiterin bei der tariflichen Bewertung auf allen hier aufgezeigten Vergütungsstufen wiederholt zu berücksichtigen.

52

Will man die Größe der der Klägerin anvertrauten Einrichtung im Hinblick auf das Maß der damit verbundenen Verantwortung bewerten, hilft ebenfalls wieder der Seitenblick zu den Leitern der Kindertagesstätte einerseits und den Leitern eines Erziehungsheimes andererseits, denn das der Klägerin anvertraute Heim nimmt in Hinblick auf die damit verbundene Verantwortung eine Zwischenstellung ein, die das Gericht jedoch eher in der Nähe eines Erziehungsheimes als in der Nähe einer Kindertagesstätte sieht.

53

Mit einer Kindertagesstätte hat das Heim der Klägerin nur wenig Gemeinsamkeiten. Eine Gemeinsamkeit liegt in dem fehlenden Erziehungsauftrag. Die anvertrauten Personen sollen in erster Linie behütet und betreut werden, was selbstverständlich aktivierende Angebote nicht ausschließt. Diese Gemeinsamkeit zwischen einer Kindertagesstätte und dem Heim der Klägerin führt dazu, die Verantwortung der Klägerin in Abhängigkeit von der Anzahl der anvertrauten Personen niedriger anzusetzen als beispielsweise in einem Erziehungsheim. Das Behüten und Betreuen hilfsbedürftiger Personen kann und wird im Regelfall Personen mit Ausbildungsberufen übertragen, während die in Erziehungsheimen auch eingesetzten Sozialarbeiter und Sozialpädagogen für die Tätigkeit ein Hochschulstudium absolviert haben müssen.

54

Abgesehen von dem fehlenden Erziehungsauftrag ergeben sich jedoch viele Gemeinsamkeiten zwischen einem Erziehungsheim und dem von der Klägerin geleiteten Heim für behinderte Menschen. Das beginnt bei der ungeteilten Verantwortung für die anvertrauten Personen, die sich aus dem Umstand, dass diese in dem Heim wohnen, ergibt. Wie im Erziehungsheim sind die Bewohner des hier in Rede stehenden Heimes nicht in der Lage, für sich selber zu sorgen.

55

Da die Klägerin ein Heim mit einer Durchschnittsbelegung von über 150 Plätzen führt, bei Erziehungsheimen aber bereits 90 Plätze für die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe III ausreichen, meint das Gericht, dass hier das besondere Maß der Verantwortung gerade mit Blick auf die doch erheblichen Gemeinsamkeiten zwischen dem Behindertenzentrum, dem die Klägerin vorsteht, und Erziehungsheim bejaht werden kann und muss.

56

bb) Das besondere Maß der Verantwortung leitet das Gericht ergänzend auch noch aus dem Umstand ab, dass die Klägerin neben ihrer Verantwortung aus § 11 HeimG für die ihr anvertrauten Personen nach der beim beklagten Landkreis gehandhabten Organisation auch noch umfassende Personal- und Finanzverantwortung für das Heim trägt.

57

Ohne Widerspruch des beklagten Landkreises hat die Klägerin geschildert, dass sie die Personalverantwortung völlig selbstständig ausübt, das heißt, sie stellt das Personal ein, sie führt das Personal und sie hat die Befugnis, im Bedarfsfall Personal zu entlassen.

58

Genauso umfassend ist ihre Verantwortung auf Grund der Arbeitsteilung zwischen dem Heim und der Kreisverwaltung im Finanzbereich. Hier hat die Klägerin nicht nur dafür zu sorgen, dass die tatsächlichen Ausgaben sich im Rahmen der geplanten Ausgaben bewegen. Sie muss vielmehr zusätzlich Entwicklungstendenzen in der Ausgabenstruktur erkennen und den sich daraus ergebenden zukünftigen Finanzbedarf in den Pflegesatzverhandlungen einwerben.

59

e) Letztlich bleibt festzuhalten, dass die Klägerin auch die für die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe II, Fallgruppe 1 e, erforderliche Bewährungszeit erfolgreich absolviert hat. Dass die Klägerin in den letzten fünf Jahren vor April 2005 sich in ihre Tätigkeit im tariflichen Sinne bewährt hat, hat der beklagte Landkreis nie in Frage gestellt.

60

Es ist auch davon auszugehen, dass das hier festgestellte besondere Maß der Verantwortung in der Tätigkeit der Klägerin auch schon im Jahre 2000 vorhanden war. Ob es bereits in der Zeit vor April 2000 vorhanden war, kann angesichts der von der Klägerin begehrten Eingruppierung ab April 2005 unentschieden bleiben.

61

Der Gerichtsakte lassen sich zwar keine zuverlässigen Daten dazu entnehmen, wie viele Plätze regelmäßig im Heim im Jahre 2000 belegt waren. Aus der Entwicklungstendenz des Heimes schließt das Gericht jedoch, dass bereits im Jahre 2000 um die 120 Plätze vorhanden und belegt gewesen sein müssen. Auch für diese Anzahl von Plätzen bleibt das Gericht bei seiner Bewertung, dass damit bereits das besondere Maß der Verantwortung in der Tätigkeit der Klägerin erfüllt war.

III.

62

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der beklagte Landkreis als die unterlegene Partei (§ 91 ZPO).

63

Das Gericht hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Auslegung des Tarifvertrages zugelassen.

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Tenor 1. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen. 2. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Klägerin. 3. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand 1 ..

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(1) Ein Heim darf nur betrieben werden, wenn der Träger und die Leitung

1.
die Würde sowie die Interessen und Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner vor Beeinträchtigungen schützen,
2.
die Selbständigkeit, die Selbstbestimmung und die Selbstverantwortung der Bewohnerinnen und Bewohner wahren und fördern, insbesondere bei behinderten Menschen die sozialpädagogische Betreuung und heilpädagogische Förderung sowie bei Pflegebedürftigen eine humane und aktivierende Pflege unter Achtung der Menschenwürde gewährleisten,
3.
eine angemessene Qualität der Betreuung der Bewohnerinnen und Bewohner, auch soweit sie pflegebedürftig sind, in dem Heim selbst oder in angemessener anderer Weise einschließlich der Pflege nach dem allgemein anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse sowie die ärztliche und gesundheitliche Betreuung sichern,
4.
die Eingliederung behinderter Menschen fördern,
5.
den Bewohnerinnen und Bewohnern eine nach Art und Umfang ihrer Betreuungsbedürftigkeit angemessene Lebensgestaltung ermöglichen und die erforderlichen Hilfen gewähren,
6.
die hauswirtschaftliche Versorgung sowie eine angemessene Qualität des Wohnens erbringen,
7.
sicherstellen, dass für pflegebedürftige Bewohnerinnen und Bewohner Pflegeplanungen aufgestellt und deren Umsetzung aufgezeichnet werden,
8.
gewährleisten, dass in Einrichtungen der Behindertenhilfe für die Bewohnerinnen und Bewohner Förder- und Hilfepläne aufgestellt und deren Umsetzung aufgezeichnet werden,
9.
einen ausreichenden Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner vor Infektionen gewährleisten und sicherstellen, dass von den Beschäftigten die für ihren Aufgabenbereich einschlägigen Anforderungen der Hygiene eingehalten werden, und
10.
sicherstellen, dass die Arzneimittel bewohnerbezogen und ordnungsgemäß aufbewahrt und die in der Pflege tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mindestens einmal im Jahr über den sachgerechten Umgang mit Arzneimitteln beraten werden.

(2) Ein Heim darf nur betrieben werden, wenn der Träger

1.
die notwendige Zuverlässigkeit, insbesondere die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Betrieb des Heims, besitzt,
2.
sicherstellt, dass die Zahl der Beschäftigten und ihre persönliche und fachliche Eignung für die von ihnen zu leistende Tätigkeit ausreicht,
3.
angemessene Entgelte verlangt und
4.
ein Qualitätsmanagement betreibt.

(3) Ein Heim darf nur betrieben werden, wenn

1.
die Einhaltung der in den Rechtsverordnungen nach § 3 enthaltenen Regelungen gewährleistet ist,
2.
die vertraglichen Leistungen erbracht werden und
3.
die Einhaltung der nach § 14 Abs. 7 erlassenen Vorschriften gewährleistet ist.

(4) Bestehen Zweifel daran, dass die Anforderungen an den Betrieb eines Heims erfüllt sind, ist die zuständige Behörde berechtigt und verpflichtet, die notwendigen Maßnahmen zur Aufklärung zu ergreifen.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.