Landesarbeitsgericht München Urteil, 12. Nov. 2014 - 5 Sa 397/14


Gericht
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München
2. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien, deren Arbeitsverhältnis beendet ist, streiten darüber, ob der klägerische Anspruch auf eine variable Vergütung für das Jahr 2012 nach einer arbeitsvertraglichen Verfallklausel entfallen ist.
Der Kläger war bei der Beklagten als Vertriebsleiter beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete nach Maßgabe des Abwicklungsvertrages vom 08.11.2013 (Anl. K 10, Bl. 48 ff. d. A.) aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Kündigung mit Ablauf des 31.01.2014. In § 8 des Abwicklungsvertrages vereinbarten die Parteien eine Erledigungsklausel und nahmen hiervon ausdrücklich die Provisionsansprüche 2012 aus.
Für 2012 bestand ein zwischenzeitlich der Höhe nach unstreitiger Anspruch des Klägers auf variable Vergütung in Höhe von 10.666,39 € brutto. Mit Schreiben vom 18.04.2013 (Anl. K 5, Bl. 15 d. A.) gab die Beklagte die Höhe der „Sonderzahlung“ mit 2.500,- € an und zahlte die variable Vergütung in dieser Höhe mit der April-Abrechnung 2013 aus. Mit Schreiben vom 17.05.2013 (Anl. K 7, Bl. 17 d. A.) bezifferte der Kläger seinen Provisionsanspruch für 2012 auf 12.300,- € und forderte die Auszahlung des hiernach noch ausstehenden Betrages. Mit Klageschrift vom 08.11.2013, beim Arbeitsgericht München eingegangen am 12.11.2013, beantragte der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von variabler Vergütung für 2012 in Höhe von noch 8.166,39 € brutto. Die Klage wurde der Beklagten am 21.11.2013 zugestellt.
Die Beklagte beruft sich darauf, dass die Forderung nach den arbeitsvertraglich vereinbarten Ausschlussfristen verfallen sei. In § 14 des Arbeitsvertrages vom 19.04.2011 (Anl. K 1, Bl. 6 ff. d. A.) hatten die Parteien Folgendes vereinbart:
„§ 14 Ausschlussfristen
Die beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten ab Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Die Versäumung der Ausschlussfrist führt zum Verlust des Anspruchs. Trotz rechtzeitiger schriftlicher Geltendmachung der Ansprüche verfallen sie, wenn sie bei Ablehnung oder Schweigen durch die Gegenpartei nicht binnen einer Frist von weiteren sechs Monaten ab Geltendmachung eingeklagt wurden.“
Der Kläger hat sich darauf berufen, dass § 167 ZPO auch auf arbeitsvertragliche Ausschlussfristen anzuwenden sei (zum erstinstanzlichen Vortrag des Klägers im Einzelnen wird auf seine Schriftsätze vom 08.11.2013, Bl. 1 ff. d. A., und 07.03.2014, Bl. 43 ff. d. A., samt Anlagen, Bezug genommen).
Der Kläger hat beantragt:
Die Beklagte wird verpflichtet, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 8.166,39 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.05.2013 zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen
und die Auffassung vertreten, die §§ 166 ff. ZPO seien jedenfalls nicht auf individualvertraglich vereinbarte Fristen anzuwenden (zum erstinstanzlichen Vortrag der Beklagten im Einzelnen wird auf ihren Schriftsatz vom 10.02.2014, Bl. 36 ff. d. A., Bezug genommen).
Mit Urteil vom 29.04.2014 gab das Arbeitsgericht der Klage statt. Die zweite Stufe der vertraglichen Ausschlussfrist sei vom Kläger gewahrt. Zwar trete die Rechtshängigkeit eines Anspruchs gem. §§ 261 Abs. 1, 253 Abs. 1 ZPO erst mit Zustellung der Klageschrift ein. § 167 ZPO, wonach die Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung eintrete, wenn die Zustellung demnächst erfolge, sei aber auch im vorliegenden Fall, in dem es um die Einhaltung einer vertraglichen Ausschlussfrist gehe, anwendbar. Nach dem Gesetzeswortlaut gelte die Vorschrift nicht ausschließlich für gesetzliche und gerichtliche Fristen. Für tarifvertragliche Verfallfristen sei die Anwendung des § 167 ZPO anerkannt. Die Vorschrift des § 167 ZPO sei auf materielle Ausschlussfristen, die durch gerichtliche Geltendmachung gewahrt werden könnten, grundsätzlich anwendbar (zur Begründung des Arbeitsgerichts im Einzelnen wird auf das Urteil vom 29.04.2014, Bl. 59 ff. d. A., Bezug genommen).
In ihrer Berufungsbegründung hält die Beklagte daran fest, dass § 167 ZPO bei der zweiten Stufe einer vertraglich vereinbarten Ausschlussfrist nicht zur Anwendung komme. Das Arbeitsgericht stehe damit im Widerspruch zu einer von ihm selbst zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts und auch zu einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln. Das Zustandekommen von tarifvertraglichen und arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen sei miteinander nicht vergleichbar. Mit der Unterschrift unter den Arbeitsvertrag erkläre sich der Arbeitnehmer mit der Ausschlussfrist einverstanden, wohingegen die Existenz tarifvertraglicher Ausschlussfristen in vielen Fällen im Vorfeld nicht bekannt sei. Wie angesichts des Untertitels „Zustellung von Amts wegen“ der §§ 166 - 190 ZPO der Gesetzeswortlaut so gelesen werde, dass nicht nur gesetzliche und gerichtliche Fristen gemeint seien, sei nicht nachvollziehbar (zur Berufungsbegründung der Beklagten im Einzelnen wird auf ihren Schriftsatz vom 16.07.2014, Bl. 75 ff. d. A., Bezug genommen).
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts München
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
und verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Die von der Beklagten herangezogenen Urteile seien nicht vergleichbar, denn das Bundesarbeitsgericht habe über eine erst nach Ablauf der Ausschlussfrist eingereichte Klage zu entscheiden gehabt und das Landesarbeitsgericht Köln habe ausgeführt, dass § 167 ZPO bei zweistufigen Ausschlussfristen nicht auf die erste Stufe anwendbar sei. In einem aktuellen Urteil wende das Bundesarbeitsgericht § 167 ZPO auf eine einstufige Ausschlussfrist an, umso mehr müsse dessen Anwendbarkeit für die zweite Stufe gelten. Es sei zu berücksichtigen, dass durch die Einhaltung der ersten Stufe das schutzwürdige Vertrauen darauf, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, nicht mehr bestehe (zur Berufungserwiderung des Klägers im Einzelnen wird auf seinen Schriftsatz vom 22.08.2014, Bl. 92 ff. d. A., Bezug genommen).
Gründe

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Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.
(1) Durch die Erhebung der Klage wird die Rechtshängigkeit der Streitsache begründet.
(2) Die Rechtshängigkeit eines erst im Laufe des Prozesses erhobenen Anspruchs tritt mit dem Zeitpunkt ein, in dem der Anspruch in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht oder ein den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 entsprechender Schriftsatz zugestellt wird.
(3) Die Rechtshängigkeit hat folgende Wirkungen:
Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.
Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.
(1) Durch die Erhebung der Klage wird die Rechtshängigkeit der Streitsache begründet.
(2) Die Rechtshängigkeit eines erst im Laufe des Prozesses erhobenen Anspruchs tritt mit dem Zeitpunkt ein, in dem der Anspruch in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht oder ein den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 entsprechender Schriftsatz zugestellt wird.
(3) Die Rechtshängigkeit hat folgende Wirkungen:
Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.