Landesarbeitsgericht Köln Beschluss, 30. Juli 2015 - 7 Ta 252/15

Gericht
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin hin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 18.06.2015, mit welchem der PKH-Antrag der Klägerin zurückgewiesen wurde, aufgehoben:
Der Klägerin wird für das Verfahren ArbG Köln 11 Ca 1981/15 Prozesskostenhilfe in vollem Umfang mit Wirkung ab Antragstellung (13.03.2015) unter Beiordnung von Rechtsanwalt M H bewilligt mit der Maßgabe, dass die Klägerin aufgrund ihrer glaubhaft gemachten derzeitigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse derzeit keinen eigenen Beitrag zu den Kosten zu leisten hat.
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G r ü n d e
2I. In dem Klageverfahren Arbeitsgericht Köln 11 Ca 1981/15 wandte sich die Klägerin mit ihrer Klage vom 13.03.2015 gegen eine Kündigung ihres Arbeitgebers vom 09.03.2015, welche fristlos und hilfsweise fristgerecht zum nächstmöglichen Termin ausgesprochen worden war. In der Klageschrift beantragte die Klägerin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit dem Versprechen, die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nachzureichen. Die ausgefüllte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse reichte die Klägerin mit Schriftsatz vom 17.03.2015, beim Arbeitsgericht eingegangen am 20.03.2015 nach. Der Erklärung waren 3 aktuelle Gehaltsabrechnungen für die Monate Dezember 2014, Januar 2015 und Februar 2015 beigefügt sowie Belege über die von der Klägerin angegebenen, der Finanzierung ihrer Wohnung dienenden Darlehensverpflichtungen. In dem Feld „Bruttoeinnahmen aus nicht selbstständiger Arbeit“ des Erklärungsvordrucks hatte die Klägerin das durch die beigefügten Abrechnungen belegte Bruttoeinkommen aus dem in seinem Bestand streitigen Arbeitsverhältnis eingetragen. In dem Feld „Beruf, Erwerbstätigkeit“ hatte die Klägerin „z.Z. arbeitslos“ eingetragen, was sich ersichtlich auf den Umstand bezog, dass die Arbeitgeberin am 09.03.2015 in erster Linie eine fristlose Kündigung ausgesprochen hatte.
3Am 14.04.2015 kam es vor dem Arbeitsgericht zum Gütetermin. In diesem schlossen die Parteien einen bis zum 28.04.2015 widerruflichen Vergleich, nach dessen Inhalt das Arbeitsverhältnis erst durch ordentliche Kündigung zum 30.04.2015 beendet und bis zu diesem Zeitpunkt zu den arbeitsvertraglichen Bedingungen ordnungsgemäß abgewickelt werden sollte. Sodann heißt es im Protokoll des Gütetermins:
4„Beschlossen und verkündet
5Der Klägerin wird aufgegeben, eine aktuelle Verdienstbescheinigung (Arbeitslosengeldbescheid) zur Gerichtsakte zu reichen.
6Über den Prozesskostenhilfeantrag wird im schriftlichen Verfahren entschieden.“
7Der Vergleich vom 14.04.2015 wurde rechtskräftig. Mit Schreiben vom 13.06.2015, beim Arbeitsgericht eingegangen am 17.06.2015, ließ die Klägerin den Arbeitslosengeldbewilligungsbescheid vom 08.04.2015 übermitteln, der ergangen war, nachdem sich die Klägerin im Hinblick auf die fristlose Kündigung arbeitslos gemeldet hatte. In diesem Arbeitslosengeldbescheid verhängte die Bundesagentur für Arbeit unter dem ausdrücklichen Vorbehalt einer abschließenden Überprüfung eine Sperrzeit für die Zeit bis zum 02.06.2015.
8Mit dem hier angegriffenen Beschluss vom 18.06.2015 lehnte das Arbeitsgericht die Gewährung von Prozesskostenhilfe ab mit der Begründung, die Klägerin habe entgegen § 117 Abs. 2 S. 1 ZPO die erforderlichen Unterlagen und Belege nicht rechtzeitig vorgelegt. Der Prozess sei mit Rechtskraft des Vergleichs am 28.04.2015 zu Ende gegangen und eine rückwirkende Bewilligung der Prozesskostenhilfe sei nun nicht mehr möglich.
9II. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 18.06.2015 ist begründet. Der Beschluss vom 18.06.2015 verletzt die Klägerin in ihren Rechten und ist in seiner Begründung unter mehreren Gesichtspunkten nicht haltbar.
101. Die Klägerin hat zu keinem Zeitpunkt ihre Mitwirkungspflichten aus § 117 Abs. 2 ZPO verletzt. Sie hat bereits am 20.03.2015 die ausgefüllte Formularerklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht. Dieser Erklärung waren u.a. die Verdienstbescheinigungen der Monate Dezember 2014, Januar und Februar 2015 beigefügt. Aktuellere Verdienstbescheinigungen als diese existierten im Zeitpunkt des Einreichens der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht.
112. Auch im Zeitpunkt des Gütetermins am 14.04.2015 und nachfolgend in der Zeit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Prozesses am 28.04.2015 bestand für die Klägerin (noch) kein zwingender Anlass, eine andere als die bereits vorgelegten Verdienstbescheinigungen beizubringen. Im Vergleich vom 14.04.2015 einigten sich die Parteien nämlich darauf - wenn auch zunächst noch widerruflich –, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis bis zum 30.04.2015 fortbestehen und bis zu diesem Zeitpunkt seitens der beklagten Arbeitgeberin auch erfüllt werden sollte. Auch im April 2015 hatte die Klägerin somit noch ein Einkommen, wie es den von ihr vorgelegten Verdienstbescheinigungen entsprach.
123.a. Die vom Arbeitsgericht im Gütetermin vom 14.04.2015 beschlossene Auflage an die Klägerin, zum PKH-Antrag einen Arbeitslosengeldbescheid als „aktuelle Verdienstbescheinigung“ nachzureichen, mag zum damaligen Zeitpunkt aus prozessökonomischen Gründen sinnvoll gewesen sein, um einem ansonsten später alsbald drohenden Abänderungsverfahren wegen Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse vorzubeugen. Rechtlich zwingend war diese Auflage zum damaligen Zeitpunkt jedoch nicht.
13b. Der Klägerin kann aber nicht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung versagt werden, dass sie bis zu einem Zeitpunkt (28.04.2015), bis zu dem sie objektiv betrachtet noch gar nicht arbeitslos war, keinen Arbeitslosengeldbescheid vorgelegt hat.
14c. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass sich die Klägerin im Hinblick auf die zunächst fristlos ausgesprochene Kündigung vorzeitig arbeitslos gemeldet hatte und daraufhin auch bereits ein vorläufiger Arbeitslosengeldbescheid vom 08.04.2015 erlassen wurde. Abgesehen davon, dass nicht festgestellt werden kann, wann dieser Arbeitslosengeldbescheid der Klägerin zugegangen ist, war er inhaltlich nur vorläufiger Natur und stand unter dem Vorbehalt einer abschließenden Überprüfung. Zudem wurde er auch tatsächlich durch den Abschluss des Vergleichs der Parteien vom 14.04.2015 inhaltlich überholt.
154. Zudem erscheint der Auflagenbeschluss des Arbeitsgerichts vom 14.4.2015 als zu unbestimmt, um auf dessen vermeintlich nicht rechtzeitige Befolgung die vollständige Versagung der Prozesskostenhilfe stützen zu können.
16a. Das Gericht hat der Klägerin zwar mit Beschluss vom 14.04.2015 aufgegeben, einen Arbeitslosengeldbescheid zur Gerichtsakte zu reichen, es aber versäumt, der Klägerin hierfür eine klare Frist zu setzen. Ebenso hat es versäumt, die Klägerin zumindest darauf hinzuweisen, dass der Arbeitslosengeldbescheid aus seiner Sicht in jedem Fall vor dem rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits in der Hauptsache eingegangen sein müsse.
17b. Dies war in der damaligen Situation des 14.04.2015 alles andere als selbsterklärend, und zwar gerade für den Fall, dass der am 14.04.2015 abgeschlossene Vergleich rechtskräftig werden würde; denn gerade weil der Vergleich vorsah, dass die Klägerin noch während des gesamten Monats April volle Gehaltsansprüche gegenüber ihrem bisherigen Arbeitgeber haben würde, konnte sie davon ausgehen, dass einstweilen die bereits erfolgt Übermittlung von Belegen über den Verdienst aus ihrem Arbeitsverhältnis ausreichend wäre.
18c. So, wie der Auflagenbeschluss vom 14.04.2015 formuliert ist, kann der Empfänger den Eindruck gewinnen, dass das Gericht keine bestimmte kalendarische Frist setzen wollte oder anderweitig im Auge hatte, und dass die Übersendung des Arbeitslosengeldbescheides auch dann noch rechtswahrend möglich wäre, wenn der Zustand der Arbeitslosigkeit tatsächlich eingetreten sein würde.
195. Hinzukommt Folgendes: Ein Einkommen aus Arbeitslosengeld ist regelmäßig niedriger als das von der Klägerin durch aktuelle Verdienstbescheinigungen ordnungsgemäß belegte Einkommen aus dem vorangegangenen Arbeitsverhältnis. Hätte der Klägerin zurecht vorgeworfen werden können, dass sie den Arbeitslosengeldbescheid nicht rechtzeitig beigebracht hat, so hätte sie ggf. so behandelt werden müssen, als wäre die Einkommensminderung durch den Eintritt der Arbeitslosigkeit nicht eingetreten. Keinesfalls hätte ihr unter diesem Gesichtspunkt jedoch die Prozesskostenhilfe insgesamt entzogen werden können (vgl. das Wort „insoweit“ in § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO).
20III. Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht zugelassen.

Annotations
(1) Der Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe ist bei dem Prozessgericht zu stellen; er kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. In dem Antrag ist das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Zwangsvollstreckung ist bei dem für die Zwangsvollstreckung zuständigen Gericht zu stellen.
(2) Dem Antrag sind eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Die Erklärung und die Belege dürfen dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden; es sei denn, der Gegner hat gegen den Antragsteller nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts einen Anspruch auf Auskunft über Einkünfte und Vermögen des Antragstellers. Dem Antragsteller ist vor der Übermittlung seiner Erklärung an den Gegner Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Er ist über die Übermittlung seiner Erklärung zu unterrichten.
(3) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, zur Vereinfachung und Vereinheitlichung des Verfahrens durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Formulare für die Erklärung einzuführen. Die Formulare enthalten die nach § 120a Absatz 2 Satz 4 erforderliche Belehrung.
(4) Soweit Formulare für die Erklärung eingeführt sind, muss sich die Partei ihrer bedienen.
(1) Dem Gegner ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, ob er die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für gegeben hält, soweit dies aus besonderen Gründen nicht unzweckmäßig erscheint. Die Stellungnahme kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. Das Gericht kann die Parteien zur mündlichen Erörterung laden, wenn eine Einigung zu erwarten ist; ein Vergleich ist zu gerichtlichem Protokoll zu nehmen. Dem Gegner entstandene Kosten werden nicht erstattet. Die durch die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen nach Absatz 2 Satz 3 entstandenen Auslagen sind als Gerichtskosten von der Partei zu tragen, der die Kosten des Rechtsstreits auferlegt sind.
(2) Das Gericht kann verlangen, dass der Antragsteller seine tatsächlichen Angaben glaubhaft macht, es kann insbesondere auch die Abgabe einer Versicherung an Eides statt fordern. Es kann Erhebungen anstellen, insbesondere die Vorlegung von Urkunden anordnen und Auskünfte einholen. Zeugen und Sachverständige werden nicht vernommen, es sei denn, dass auf andere Weise nicht geklärt werden kann, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint; eine Beeidigung findet nicht statt. Hat der Antragsteller innerhalb einer von dem Gericht gesetzten Frist Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht oder bestimmte Fragen nicht oder ungenügend beantwortet, so lehnt das Gericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe insoweit ab.
(3) Die in Absatz 1, 2 bezeichneten Maßnahmen werden von dem Vorsitzenden oder einem von ihm beauftragten Mitglied des Gerichts durchgeführt.