Landesarbeitsgericht Köln Beschluss, 18. Aug. 2016 - 4 Ta 164/16
Gericht
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 08.03.2016 – 15 Ca 853/16 – abgeändert:
Der Streitwert wird für das Verfahren und den Vergleich auf 5.100,00 € festgesetzt.
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G r ü n d e
2Die Beschwerde des Klägers hatte Erfolg. Für die Zeugnisregelung in dem Vergleich vom 08.03.2016 war ein Mehrwert nicht anzusetzen.
3I. Grundsätzlich gilt zum Mehrwert eines Vergleichs Folgendes:
41. Der Wert eines Vergleichs ergibt sich aus dem Wert der rechtshängigen und nichtrechtshängigen Ansprüche, die erledigt werden und nicht aus dem Wert dessen, was die Parteien aus dem Vergleich erlangen oder welche Leistungen sie zum Zwecke der Erledigung der Streitpunkte übernehmen (vgl. hierzu Zöller/Herget § 3 ZPO Rn. 16 „Vergleich“). Daraus folgt z. B., dass– auch außerhalb des Arbeitsverhältnisses – ein vereinbarter Kapitalbetrag in einem sogenannten Abfindungsvergleich nicht für den Wert eines Vergleichs maßgeblich ist (Zöller/Herget a. a. O.). Der Streitwert eines Vergleichs ist– anders ausgedrückt – gleichbedeutend mit dem Wert der Streitgegenstände, die durch den Vergleich beigelegt werden. Er ist nicht gleichbedeutend mit dem Wert der Leistungen, die sich die Parteien in dem Vergleich im Wege des gegenseitigen Nachgebens gegenseitig versprechen (Wenzel Anm. zu LAG Köln vom 27.07.1995 – AR Blattei ES 160.113 Nr. 199).
5Wie schon der Begriff „Streitgegenstand“ nahe legt, muss es sich bei den wertbestimmenden Gegenständen um „streitige“ Gegenstände handeln (vgl. auch BGH 14.09.2005 – IV ZR 145/04). Es muss sich – was den Mehrwert anbelangt – um die Ausdehnung des Vergleichs auf bereits „rechtshängige“ oder „nichtrechtshängige Streitgegenstände“ bzw. um die „Miterledigung anderer Streitpunkte“ (BGH a. a. O.) handeln.
6Diese Grundsätze und ihre Auswirkungen auf verschiedene, oft diskutierte Vergleichsmehrwerte wurden grundlegend in den Entscheidungen der erkennenden Kammer vom 03.03.2009 (4 Ta 467/08, NZA-RR 2009, 503 bis 505 und juris) ausgeführt.
72. Im Beschluss der erkennenden Kammer vom 15.05.2009 (4 Ta 88/09 – NRWE) wurden diese Grundsätze im Anschluss an eine Entscheidung des LAG Hamm vom 27.07.2007 (6 Ta 357/07 - juris) dahingehend ergänzt, dass in einem Prozessvergleich über die Erledigung streitgegenständlicher und nicht streitgegenständlicher Ansprüche hinaus auch die Ungewissheit über künftige Ansprüche, z. B. über Schadensersatzansprüche, beseitigt werden kann. Auch dieses letztere kann zu einem Mehrwert führen (vgl. auch den Streitwertkatalog in der Fassung vom 05.04.2016, Gliederungspunkt I. 22.1)
8Bei dem Begriff der „Ungewissheit“ im vorgenannten Sinne ist darauf abzustellen, mit welcher Wahrscheinlichkeit noch künftige Forderungen auftreten können und mit welcher Wahrscheinlichkeit sie strittig sein werden. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Regelung der Beurteilung von Leistung und Führung für ein noch zu erteilenden Zeugnis in der Regel als eine solche Beseitigung einer Ungewissheit anzusehen und mit einem entsprechend Mehrwert zu bewerten (vgl. dazu den bereits zitierten Beschluss vom 15.05.2009 – 4 Ta 88/09, NRWE, ferner den Beschluss der erkennenden Kammer vom 23.12.2010 – 4 Ta 436/10, NRWE).
9Da die „Gesamtbenotung“ in einem Zeugnis typischerweise zentraler Streitpunkt eines Zeugnisrechtsstreits ist, kann bei Vergleichen, die eine Regelung über diesen zentralen Zeugnisinhalt enthalten, typischerweise davon ausgegangen werden, dass sie einen künftigen Zeugnisrechtsstreit vermeiden (Beschlüsse der erkennenden Kammer vom 15.05.2009 – 4 Ta 88/09, NRWE; ferner z. B. 06.01.2010 – 4 Ta 407/09, NRWE; 23.12.2010 – 4 Ta 436/10, NRWE; vgl. auch die Beschlüsse der 7. Kammer des LAG Köln vom 12.06.2013 - 7 Ta 20/13, juris, und 18.08.2011 - 7 Ta 139/11, juris, sowie den Beschluss der 5. Kammer des LAG Köln vom 28.11.2012 - 5 Ta 320/12, juris).
10In diesen Fällen einer Regelung des wesentlichen Zeugnisinhalts ist es gerechtfertigt, ein Monatsgehalt für die Zeugnisregelung anzusetzen (vgl. den Beschluss der erkennenden Kammer vom 06.01.2010 – 4 Ta 407/09, NRWE).
11II. Nach diesen Maßgaben gilt im vorliegenden Fall Folgendes:
12Dass die Parteien darüber gestritten hätten, ob die Beklagte überhaupt verpflichtet ist, ein Zeugnis zu erteilen, ist weder nach dem Vortrag im Beschwerdeverfahren noch aus der Akte ersichtlich und auch angesichts der klaren gesetzlichen Regelung in § 109 GewO gänzlich unwahrscheinlich.
13Dass sie über den Inhalt des Zeugnisses gestritten haben, wie der Prozessbevollmächtigte der Beklagten im Schriftsatz vom 2. Juni 2016 mitteilt, kann unterstellt werden. Ein solcher Streit ist aber durch die im Vergleich enthaltene Klausel nicht so geregelt worden, dass eine streitträchtige Ungewissheit dadurch beseitigt worden wäre:
14Wie oben ausgeführt, ist die Benotung in einem Zeugnis typischerweise zentraler Streitpunkt eines Zeugnisrechtsstreits. Dies rechtfertigt es nach Auffassung der erkennenden Kammer und weiterer Kammern des Landesarbeitsgerichts Köln (s. o. I. 2.) für eine Regelung in einem Vergleich, die diesen zentralen typischen Streitpunkt für ein Zeugnis ausräumt und damit eine streitträchtige Ungewissheit beseitigt, einen Mehrwert von einem Bruttomonatsgehalt anzusetzen.
15Im vorliegenden Fall aber enthält die Klausel („Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen, dass ihn in seinem beruflichen Fortkommen nachhaltig fördert.“) keine streitvermeidende Regelung des typischen zentralen Streitpunktes eines Zeugnisrechtsstreits. Die Formulierung „in seinem beruflichen Fortkommen nachhaltig fördert“ ist zu unscharf, als dass aus ihr eine konkrete Benotung des Leistungs- oder des Führungsverhaltens abgeleitet werden könnte. Durch sie kann ein möglicher künftiger Zeugnisrechtsstreit bei typisierender Betrachtung nicht vermieden werden. Es fehlt gerade die Beseitigung der Ungewissheit über den wesentlichen Zeugnisinhalt.
16Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
Annotations
Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.
(1) Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken.
(2) Das Zeugnis muss klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen.
(3) Die Erteilung des Zeugnisses in elektronischer Form ist ausgeschlossen.