Landesarbeitsgericht Hamm Beschluss, 16. Dez. 2014 - 7 TaBV 73/14
Tenor
Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Herford vom 24.10.2014 – 2 BV52/14 – abgeändert und der Antrag des Betriebsrates abgewiesen.
1
Gründe
2A.
3Die Beteiligten streiten um die Einrichtung einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Veranstaltung Modernes Verkaufen für Verkaufsaußendienstmitarbeiter“.
4Antragsteller ist der siebenköpfige Betriebsrat (im Folgenden: Betriebsrat) im Betrieb der Antragsgegnerin (im Folgenden: Arbeitgeberin). Die Arbeitgeberin beschäftigt ca. 140 Arbeitnehmer und betreibt ein Unternehmen im Bereich der Thermoformung von Kunststoff als Zulieferer insbesondere für die Küchenmöbelindustrie.
5Nach der Darstellung des Betriebsrates fand im Betrieb der Arbeitgeberin ein Vorbereitungstermin Ende August 2014 zwischen der Geschäftsleitung und einem Vertreter der Firma „L Training und Consulting“ statt. Bei dieser Firma handelt es sich um einen auf dem freien Schulungsmarkt tätigen Anbieter, der Fortbildungen und Seminare durchführt. Eine Information an den Betriebsrat durch die Arbeitgeberin über die beabsichtigte Beauftragung der Firma L fand nicht statt. Am 05.09.2014 führte die Firma L eine ganztägige Veranstaltung „Modernes Verkaufen“ im Hause der Arbeitgeberin durch, an der neben den beiden Geschäftsführern auch weitere Verkaufsaußendienstmitarbeiter der Arbeitgeberin teilnahmen.
6Hieraus entwickelte sich eine Auseinandersetzung zwischen den Betriebspartnern über die Frage, ob die Durchführung der Vortragsreihe „Modernes Verkaufen“ durch die Firma L der Mitbestimmung des Betriebsrates unterliege oder nicht. Im Rahmen dieser Auseinandersetzung teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat unter anderem am 24.09.2014 mit:
7„Hiermit informieren Sie über Inhalte und Teilnehmer der Veranstaltung „Modernes Verkaufen“ für unsere Verkaufsaußendienstmitarbeiter.
8Die Maßnahme wird durch einen externen Anbieter, die Firma L Training/Consulting durchgeführt. An dieser Maßnahme nehmen auch externe Personen als Teilnehmer teil. Der Anbieter führt die Maßnahme zu unserer Kostenreduzierung in unseren Räumlichkeiten durch.
9Kernfähigkeiten, welche unsere Mitarbeiter aus dem Verkaufsaußendienst durch dieser Entwicklungsmaßnahme kennenlernen werden:
10- 11
Aufbau eines vertrauensvollen Beziehungsmanagements zum Kunden
- 12
Wie verhelfe ich dem Kunden zur besten Lösung durch das Herausfinden des wahren Kaufmotivs
- 13
Wirkungsvolle Nutzenargumentation: Wie erkenne ich Einkäufertypen und präsentiere den Nutzen derart, dass echtes Interesse geweckt wird
- 14
Praxistraining eines kompletten strukturierten Verkaufsgesprächs
- 15
Wie erlange ich größere Souveränität in schwierigen Verhandlungen?
Teilnehmer seitens B: …“
17Wegen der Einzelheiten des Schreibens vom 24.09.2014 wird auf Bl. 10 d.A. Bezug genommen.
18Nachdem die Arbeitgeberin auch gegenüber den jetzigen Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates mit weiterem Schreiben vom 24.09.2014 die Auffassung vertreten hat, dass es – wenn überhaupt – um Fragen des Teilnehmerkreises gehe, der Betriebsrat sich hierzu aber nicht geäußert habe, verfolgt der Betriebsrat mit vorliegendem, beim Arbeitsgericht Herford am 30.09.2014 eingegangenen Antrag auf Einleitung eines Beschlussverfahrens sein Ansinnen weiter, eine Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Veranstaltung Modernes Verkaufen“ einzurichten.
19Der Betriebsrat hat vorgetragen:
20Dem Betriebsrat stehe ein Mitbestimmungsrecht bei der Durchführung sonstigerBildungsmaßnahmen im Betrieb zu. Es könne nicht ernsthaft bestritten werden, dass es sich bei der genannten Veranstaltung um eine betriebliche Berufsbildungsmaßnahme handele, da sie notwendige Kenntnisse und Fähigkeiten für die Ausfüllung des Arbeitsplatzes beinhalte. Die im Schreiben der Arbeitgeberin vom 24.09.2014 zu vermittelnden Kernfähigkeiten hätten zweifelsohne einen beruflichen Bezug. Die Termine der Veranstaltung seien offensichtlich mit der Firma L angestimmt; die Fortbildungen würden - unstreitig - in den Räumen der Arbeitgeberin durchgeführt.
21Soweit sich die Arbeitgeberin darauf berufen habe, es handele sich um eine außerbetriebliche Bildungsmaßnahme, da sie keinen Einfluss auf Inhalt und Gestaltung der streitgegenständlichen Schulung habe, so bestreite der Betriebsrat dies. Deutlich werde der maßgebende Einfluss der Arbeitgeberin schon daran, dass die Schulung in den Räumlichkeiten der Arbeitgeberin stattfinde. Nach Kenntnis des Betriebsrates würden auch keine Externen an der Schulung teilnehmen. Im Übrigen liege einebetriebliche Berufsbildungsmaßnahme nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch dann vor, wenn der Arbeitgeber einem Veranstalter die Bildungsmaßnahme übertrage, nachdem er sich mit Inhalt und Ausgestaltung des Angebots einverstanden erklärt habe. Der Betriebsrat müsse davon ausgehen, dass die Arbeitgeberin im vorbereitenden Gespräch Ende August 2014 auf das Angebot der Firma L Einfluss zumindest in der Gestalt der Durchführung der Schulung in ihrem Hause genommen habe. Im Übrigen müsse sie sich mit dem Angebot der FirmaL einverstanden erklärt haben, da die Schulung sonst nicht durchgeführt würde.
22Weitere Fragen seien im Einigungsstellenverfahren zu klären; jedenfalls sei die Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig.
23Demgegenüber hat die Arbeitgeberin die Einigungsstelle für offensichtlich unzuständig gehalten, da ein Mitbestimmungsrecht, wie es der Betriebsrat für sich reklamiere, nur bei einer betrieblichen, nicht aber bei einer außerbetrieblichen Bildungsmaßnahme in Betracht komme. Diese Differenzierung ergebe sich aus den unterschiedlichen Mitbestimmungsrechten in § 98 Abs. 1 und Abs. 3 BetrVG, wonach bei einer betrieblichen Bildungsmaßnahme ein umfassendes Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Durchführung, bei einer außerbetrieblichen Bildungsmaßnahme nur ein solches hinsichtlich des Teilnehmerkreises bestehe.
24Die Arbeitgeberin habe bei der Firma L eine von mehreren von dieser angebotenen auf dem Markt frei verfügbaren Schulungen gebucht. Die Arbeitgeberin habe weder auf den Inhalt der Schulung, noch auf das Schulungskonzept, den Aufbau, den Ablauf, der Aufteilung, auf die Themenschwerpunkte, die Methoden, den Zeitplan und alle sonstigen Fragen der Durchführung des Inhalts der Schulung Einfluss genommen. Gegenüber der Firma L habe eine solche Möglichkeit auch nicht bestanden. Lediglich aus Gründen der Kostenersparnis habe man dem Fortbildungsanbieter die Möglichkeit gegeben, die Schulung in den Räumen der Arbeitgeberin durchzuführen. Seitens der Firma L sei diese Schulungsmaßnahme auch für externe Teilnehmer offengeblieben.
25Ein Mitbestimmungsrecht, welches sich umfassend auf die angebotene Vortragsreihe beziehe, sei damit ausgeschlossen; ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich des Teilnehmerkreises habe der Betriebsrat zu keinem Zeitpunkt für sich reklamiert.
26Durch Beschluss vom 24.10.2014 hat das Arbeitsgericht Herford dem Antrag des Betriebsrates im Wesentlichen mit der Begründung stattgegeben, dass nach eigenem Vorbringen der Arbeitgeberin die Schulung Kernfähigkeiten für die Mitarbeiter des Außendienstes vermittele, weshalb nicht ausgeschlossen werden könne, dass es sich um eine Bildungsmaßnahme im Sinne des BetrVG handele. Die Arbeitgeberin könne sich nicht darauf berufen, dass der Betriebsrat keine Verhandlungen geführt habe, da sie selbst diejenige gewesen sei, die bereits ohne entsprechende Information an den Betriebsrat mit der Vortragsreihe begonnen habe.
27Wegen der Einzelheiten der angegriffenen Entscheidung vom 24.10.2014 wird auf Bl. 69 – 73 d.A. Bezug genommen.
28Gegen diesen, den Vertretern der Arbeitgeberin am 27.10.2014 zugestellten Beschluss, wendet sie sich mit der vorliegenden, beim Landesarbeitsgericht am 10.11.2014 vorab per Telefax eingegangenen und begründeten Beschwerde.
29Die Arbeitgeberin trägt vor:
30Das Arbeitsgericht habe sich an keiner Stelle mit der Frage befasst, ob überhaupt ein umfassendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bestehe, ob es sich also tatsächlich um eine betriebliche oder um eine außerbetriebliche Bildungsmaßnahme handele. In der angegriffenen Entscheidung werde lediglich von einer Bildungsmaßnahme gesprochen, was zur Begründung eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrates bei deren Durchführung bereits nach dem Gesetzeswortlaut des § 98 BetrVG nicht ausreiche.
31Die Arbeitgeberin verbleibe dabei, dass es sich bei der von der Firma L angebotenen Vortragsreihe um eine von dieser konzipierte und allgemein für Verkaufsmitarbeiter buchbare Veranstaltung handele. Keinesfalls sei die Veranstaltung „Modernes Verkaufen“ speziell für das Unternehmen der Arbeitgeberin konzipiert worden.Irgendwelche Vorstellungen der Arbeitgeberin seien in den Inhalt der Schulung nicht eingeflossen. Die Schulungsunterlagen würden keinerlei individualisierten Firmenbezug aufweisen. Dementsprechend habe der Inhaber der Firma L ausdrücklich bestätigt, dass die Arbeitgeber auf den Schulungsinhalt keinerlei Einfluss genommen hat, was auch nicht möglich gewesen wäre. Auf die von der Arbeitgeberin vorgelegte Mitteilung des Herrn L vom 23.10.2014 Bl. 67 d.A. wird Bezug genommen.
32Keinesfalls habe es am 29.08.2014 einen Vorbereitungstermin zwischen der Geschäftsleitung der Arbeitgeberin und Herrn L gegeben. Zutreffend sei lediglich, dass Herr L das Angebot der Arbeitgeberin angenommen habe, die Veranstaltung in den Räumlichkeiten der Arbeitgeberin stattfinden zu lassen. Dies sei allein deswegen geschehen, weil an der Veranstaltung auch Mitarbeiter freier anderer Unternehmen teilnehmen würden, Herr L selbst aus X komme und der Veranstaltungsort M für eine Veranstaltung mit diesem Teilnehmerkreis geographisch günstig erschienen sei. Die Arbeitgeberin habe das Angebot der Firma L für ihre Vertriebsmitarbeiter lediglich als Möglichkeit betrachtet, an der Veranstaltung „Modernes Verkaufen“ teilzunehmen, sofern es ihre Zeit zulasse. Eine Verpflichtung zur Teilnahme habe zu keinem Zeitpunkt bestanden und es sei auch nicht beabsichtigt gewesen. Die tatsächliche Teilnahme zeige auch, dass die Vertriebsaußendienstmitarbeiter der Arbeitgeberin gerade nicht sämtlichst alle von der Firma L angebotenen Veranstaltungstermine wahrnehmen würden. Aus vorstehenden Gründen verbleibe die Arbeitgeberin dabei, dass es sich um eine außerbetriebliche Bildungsmaßnahme handele, hinsichtlich derer allenfalls ein Mitbestimmungsrecht wegen des Teilnehmerkreises in Betracht komme, welches der Betriebsrat für sich allerdings zu keinem Zeitpunkt reklamiert habe.
33Die Arbeitgeberin beantragt,
34den Beschluss des Arbeitsgerichts Herford vom 24.10.2014 – 2 BV 52/14 - abzuändern und die Anträge abzuweisen.
35Der Betriebsrat beantragt,
36die Beschwerde zurückzuweisen.
37Er verteidigt die angegriffene Entscheidung als zutreffend und weist ausdrücklich darauf hin, dass dem Betriebsrat zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Unterlagen über die Veranstaltung „Modernes Verkaufen“ vorgelegt worden seien. Damit seien ihm die Möglichkeiten genommen worden, zu überprüfen, auf welcher Basis das Vertragsverhältnis zwischen der Arbeitgeberin und der Firma L durchgeführt werde. Jeder Arbeitgeber könne bei der Verweigerung von Informationen die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates bei der Berufsbildung leer laufen lassen. Dies könne indessen nicht im Einigungsstelleneinsetzungsverfahren geklärt werden, sondern müsse der Einigungsstelle selbst vorbehalten bleiben.
38Wegen der weiteren Einzelheiten im Vorbringen der Beteiligten wird ergänzend auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Terminsprotokolle Bezug genommen.
39B.
40Die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin ist begründet, da eine Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Veranstaltung Modernes Verkaufen“ im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 ArbGG offensichtlich unzuständig ist.
41I.
42Eine Einigungsstelle im Sinne des § 76 BetrVG kann gemäß § 99 Abs. 1 ArbGG durch das Arbeitsgericht nur eingerichtet werden, wenn sie im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 ArbGG nicht offensichtlich unzuständig ist. Offensichtlich unzuständig ist eine Einigungsstelle nur dann, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates in der fraglichen Angelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt, sich also die Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erkennbar nicht unter einem mitbestimmungspflichtigen Tatbestand subsummieren lässt (vgl. nur LAG Hamm, Beschluss vom 18.12.2009, 13 TaBV 52/09 m. zahlreichen N. zur Rechtsprechung und Literatur; LAG Hamm, Beschluss vom 17.12.2013, 7 TaBV 91/13 bei juris). Die Frage der offensichtlichen Unzuständigkeit entbindet nach alledem das Gericht im Verfahren nach § 99 ArbGG nicht davon, überhaupt einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand festzustellen.
43II.
44Nach diesen Maßstäben ist die vom Betriebsrat begehrte Einigungsstelle offensichtlich unzuständig. Dabei weist die Beschwerdekammer darauf hin, dass der Prüfung im Verfahren nach § 99 ArbGG ausschließlich solche mitbestimmungspflichtigen Tatbestände unterzogen wurden, die sich auf Bildungsmaßnahmen im Sinne des BetrVG beziehen. Andere Mitbestimmungsrechte sind ersichtlich nicht betroffen.
451.
46Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gemäß § 97 Abs. 2 BetrVG ist vorliegend nicht gegeben. Nach dieser Bestimmung steht dem Betriebsrat bei der Einführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung ein Mitbestimmungsrecht zu, wenn der Arbeitgeber Maßnahme plant oder durchführt, die dazu führen, dass sich die Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmer ändert und ihre beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr ausreichen.
47Zu den grundlegenden Voraussetzungen dieses Mitbestimmungsrechts, nämlich die Planung und Durchführung von Maßnahmen, die zu einer Änderung von Tätigkeiten führen, ist dem Vorbringen des Betriebsrates und dem gesamten Akteninhalt nichts zu entnehmen. Der Betriebsrat selbst hat sich auch nicht auf ein Mitbestimmungsrecht aus § 97 Abs. 2 BetrVG berufen; zumindest was den entsprechenden Tatsachenvortrag dazu angeht, finden die Grundsätze sogenannter objektiver Darlegungslast Anwendung, die § 83 Abs. 1 Satz 2 ArbGG auch für das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren festschreibt. Wenn also damit der Betriebsrat, der die Einigungsstelle einsetzen möchte, nichts darlegt, bestand auch keine Veranlassung für die Beschwerdekammer, insoweit nach den Grundsätzen der Amtsermittlung weiter tätig zu werden.
482.
49Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates ergibt sich auch nicht aus § 98 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 BetrVG.
50a)
51§ 98 BetrVG differenziert hinsichtlich der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates und deren Ausgestaltung danach, ob es sich um eine betriebliche oder um eine außerbetriebliche Bildungsmaßnahme handelt. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut, der in § 98 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 BetrVG von betrieblicher Bildungsmaßnahme spricht und in § 98 Abs. 3 das Mitbestimmungsrecht sodann für außerbetriebliche Maßnahmen nicht mehr auf die Durchführung und die Auswahl der Teilnehmer, sondern ausschließlich nur noch auf die Auswahl der Teilnehmer bezieht (vgl. Raab, Betriebliche und außerbetriebliche Bildungsmaßnahmen, NZA 2008, S. 270 ff. m.z.N.).
52b)
53Bei der Veranstaltung „Modernes Verkaufen“ handelt es sich um eine außerbetriebliche Bildungsmaßnahme im Sinne des § 98 Abs. 3 i.V.m. Abs. 6 BetrVG mit der Folge, dass ein Mitbestimmungsrecht bei der Durchführung dieser Maßnahme nicht besteht.
54aa)
55Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dem die Beschwerdekammer folgt, ist der Begriff der betrieblichen – wie auch der außerbetrieblichen – Bildungsmaßnahme nicht so zu verstehen, dass es auf den Ort der Bildungsmaßnahme ankommt, sondern der Begriff ist funktional zu verstehen. Demnach liegt eine betriebliche Berufsbildungsmaßnahme vor, wenn der Arbeitgeber Träger bzw. Veranstalter der Maßnahme ist und die Berufsbildungsmaßnahme für seine Arbeitnehmer durchführt. Für die betriebliche Bildungsmaßnahme reicht es einerseits aus und ist andererseits aber auch erforderlich, dass der Arbeitgeber auf Inhalt und Organisation der Berufsbildung rechtlich oder tatsächlich einen beherrschenden Einfluss hat (BAG, Beschluss vom 04.12.1990, 1 ABR 10/90).
56Diese entscheidende Einflussnahme als Voraussetzung für das Mitbestimmungsrecht im Sinne des § 98 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 BetrVG ist zwingende Voraussetzung, weil ein echtes Mitbestimmungsrecht nur denkbar ist bei Maßnahmen des eigenen Arbeitgebers bzw. der Maßnahmen, auf die er einen beherrschenden Einfluss hat. Dagegen würde die Gewährung eines Mitbestimmungsrechts bei außerbetrieblichen Maßnahmen schon daran scheitern, dass der Arbeitgeber Inhalt und Ausgestaltung einer von einem externen Schulungsträger durchgeführten Maßnahme nicht beeinflussen kann (BAG, Beschluss vom 12.11.1991, 1 ABR 21/91, juris Rdnr. 22; Beschluss vom 18.04.2000, 1 ABR 28/99, juris Rdnr. 29 ff.; Beschluss vom 05.03.2013, 1 ABR 11/12, juris Rdnr. 15). So handelte es sich bei dem vom Bundesarbeitsgericht im genannten Beschluss vom 12.11.1991 aaO entschiedenen Fall um einen externen Bildungsträger, bei dem sich der Arbeitgeber einen beherrschenden Einfluss gesichert hatte, u.a. indem er Vorgaben für Inhalt und Ausgestaltung der Maßnahmen gegeben und über deren Inhalt mit dem Schulungsinstitut verhandelt hat.
57bb)
58Nach diesen Kriterien für eine betriebliche Bildungsmaßnahme kann die Veranstaltung „Modernes Verkaufen“ nur als außerbetriebliche Bildungsmaßnahme qualifiziert werden. Insoweit hat die Arbeitgeberin – auch unter Vorlage einer entsprechenden Erklärung des Anbieters – im Einzelnen dargelegt und näher beschrieben, dass sie die Schulung „Modernes Verkaufen“ ohne jeglichen Einfluss auf Inhalt, Ausgestaltung, Themenplan usw. bei der Firma L „eingekauft“ hat. Damit ist nicht erkennbar, dass die Arbeitgeberin überhaupt irgendeinen Einfluss auf die Schulung genommen hat; wie bereits dargelegt, kommt es auf die Frage, dass sie in Räumlichkeiten der Arbeitgeberin stattgefunden hat, für die Qualifizierung als betriebliche Bildungsmaßnahme nicht an.
59Der Betriebsrat ist dem Vorbringen der Arbeitgeberin insoweit entgegengetreten, als dass er die Angaben der Arbeitgeberin pauschal bestritten hat. Allein dieses Bestreiten veranlasst die Beschwerdekammer indessen nicht, den vom Arbeitgeber substantiiert dargelegten Sachverhalt weiter aufzuklären, da der Betriebsrat derjenige ist, der das Einigungsstelleneinrichtungsverfahren betreibt und ihn damit auch letztendlich die objektive Darlegungslast – auch im Beschlussverfahren – gemäß § 83 Abs. 1 Satz 2 ArbGG trifft (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG 13.A., § 83 Rdnrn. 84 und 94).
603.
61Die Einrichtung einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Veranstaltung modernes Verkaufen“ wegen des Mitbestimmungsrechts aus § 98 Abs. 3 BetrVG kam ebenfalls nicht in Betracht.
62a)
63Nach dieser Vorschrift bezieht sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei außerbetrieblichen Bildungsmaßnahmen auf die Auswahl des Teilnehmerkreises. Dieses Mitbestimmungsrecht nach § 98 Abs. 3 BetrVG setzt zwingend voraus, dass der Betriebsrat eigene Vorschläger hinsichtlich des Teilnehmerkreises macht (so ausdrücklich BAG, Beschluss vom 20.04.2010, 1 ABR 78/08 und Fitting u.a., BetrVG 27. Aufl., § 98 Rdnr. 32 m.w.N.).
64b)
65Insoweit ist zwischen den Beteiligten des vorliegenden Beschlussverfahrens nicht im Streit, dass der Betriebsrat zu keinem Zeitpunkt eigene Vorschläge hinsichtlich des Teilnehmerkreises an der streitgegenständlichen Veranstaltung gemacht hat; auch zu dem Zeitpunkt, nach dem der Arbeitgeber mit Schreiben vom 24.09.2014 den Teilnehmerkreis mitgeteilt hat, erfolgte insoweit kein Vorschlag des Betriebsrates.
66III.
67Nach alledem besteht unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates hinsichtlich der Veranstaltung der Firma L „Modernes Verkaufen“ mit der Folge, dass sich die vom Betriebsrat begehrte Einigungsstelle im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 ArbGG als offensichtlich unzuständig erweist.
68Soweit der Betriebsrat darauf hingewiesen hat, dass die Arbeitgeberin ihm im Vorfeld keine Informationen, erst recht keine Unterlagen über die Schulung der FirmaL zur Verfügung gestellt hat, spricht vieles dafür, dass sie damit gegen ihreInformations- und Beratungsverpflichtungen aus § 92 Abs. 1 und § 96 Abs. 1 BetrVG verstoßen hat. Allerdings bedurfte diese Frage keiner abschließenden Entscheidung durch die Beschwerdekammer, da ein solcher Verstoß jedenfalls nicht dazu führt, dass ein Mitbestimmungsrecht erwächst und so die vom Betriebsrat begehrte Einigungsstelle einzurichten wäre.
69Nach alledem hatte die Beschwerde Erfolg.
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(1) Der Betriebsrat hat bei der Durchführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung mitzubestimmen.
(2) Der Betriebsrat kann der Bestellung einer mit der Durchführung der betrieblichen Berufsbildung beauftragten Person widersprechen oder ihre Abberufung verlangen, wenn diese die persönliche oder fachliche, insbesondere die berufs- und arbeitspädagogische Eignung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes nicht besitzt oder ihre Aufgaben vernachlässigt.
(3) Führt der Arbeitgeber betriebliche Maßnahmen der Berufsbildung durch oder stellt er für außerbetriebliche Maßnahmen der Berufsbildung Arbeitnehmer frei oder trägt er die durch die Teilnahme von Arbeitnehmern an solchen Maßnahmen entstehenden Kosten ganz oder teilweise, so kann der Betriebsrat Vorschläge für die Teilnahme von Arbeitnehmern oder Gruppen von Arbeitnehmern des Betriebs an diesen Maßnahmen der beruflichen Bildung machen.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 1 oder über die nach Absatz 3 vom Betriebsrat vorgeschlagenen Teilnehmer eine Einigung nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
(5) Kommt im Fall des Absatzes 2 eine Einigung nicht zustande, so kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, die Bestellung zu unterlassen oder die Abberufung durchzuführen. Führt der Arbeitgeber die Bestellung einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung zuwider durch, so ist er auf Antrag des Betriebsrats vom Arbeitsgericht wegen der Bestellung nach vorheriger Androhung zu einem Ordnungsgeld zu verurteilen; das Höchstmaß des Ordnungsgeldes beträgt 10.000 Euro. Führt der Arbeitgeber die Abberufung einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung zuwider nicht durch, so ist auf Antrag des Betriebsrats vom Arbeitsgericht zu erkennen, dass der Arbeitgeber zur Abberufung durch Zwangsgeld anzuhalten sei; das Höchstmaß des Zwangsgeldes beträgt für jeden Tag der Zuwiderhandlung 250 Euro. Die Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes über die Ordnung der Berufsbildung bleiben unberührt.
(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten entsprechend, wenn der Arbeitgeber sonstige Bildungsmaßnahmen im Betrieb durchführt.
(1) In den Fällen des § 2a Absatz 1 Nummer 6 wird das Verfahren auf Antrag einer Tarifvertragspartei eines kollidierenden Tarifvertrags eingeleitet.
(2) Für das Verfahren sind die §§ 80 bis 82 Absatz 1 Satz 1, die §§ 83 bis 84 und 87 bis 96a entsprechend anzuwenden.
(3) Der rechtskräftige Beschluss über den nach § 4a Absatz 2 Satz 2 des Tarifvertragsgesetzes im Betrieb anwendbaren Tarifvertrag wirkt für und gegen jedermann.
(4) In den Fällen des § 2a Absatz 1 Nummer 6 findet eine Wiederaufnahme des Verfahrens auch dann statt, wenn die Entscheidung über den nach § 4a Absatz 2 Satz 2 des Tarifvertragsgesetzes im Betrieb anwendbaren Tarifvertrag darauf beruht, dass ein Beteiligter absichtlich unrichtige Angaben oder Aussagen gemacht hat. § 581 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.
(1) Zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat ist bei Bedarf eine Einigungsstelle zu bilden. Durch Betriebsvereinbarung kann eine ständige Einigungsstelle errichtet werden.
(2) Die Einigungsstelle besteht aus einer gleichen Anzahl von Beisitzern, die vom Arbeitgeber und Betriebsrat bestellt werden, und einem unparteiischen Vorsitzenden, auf dessen Person sich beide Seiten einigen müssen. Kommt eine Einigung über die Person des Vorsitzenden nicht zustande, so bestellt ihn das Arbeitsgericht. Dieses entscheidet auch, wenn kein Einverständnis über die Zahl der Beisitzer erzielt wird.
(3) Die Einigungsstelle hat unverzüglich tätig zu werden. Sie fasst ihre Beschlüsse nach mündlicher Beratung mit Stimmenmehrheit. Bei der Beschlussfassung hat sich der Vorsitzende zunächst der Stimme zu enthalten; kommt eine Stimmenmehrheit nicht zustande, so nimmt der Vorsitzende nach weiterer Beratung an der erneuten Beschlussfassung teil. Die Beschlüsse der Einigungsstelle sind schriftlich niederzulegen und vom Vorsitzenden zu unterschreiben oder in elektronischer Form niederzulegen und vom Vorsitzenden mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen sowie Arbeitgeber und Betriebsrat zuzuleiten.
(4) Durch Betriebsvereinbarung können weitere Einzelheiten des Verfahrens vor der Einigungsstelle geregelt werden.
(5) In den Fällen, in denen der Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt, wird die Einigungsstelle auf Antrag einer Seite tätig. Benennt eine Seite keine Mitglieder oder bleiben die von einer Seite genannten Mitglieder trotz rechtzeitiger Einladung der Sitzung fern, so entscheiden der Vorsitzende und die erschienenen Mitglieder nach Maßgabe des Absatzes 3 allein. Die Einigungsstelle fasst ihre Beschlüsse unter angemessener Berücksichtigung der Belange des Betriebs und der betroffenen Arbeitnehmer nach billigem Ermessen. Die Überschreitung der Grenzen des Ermessens kann durch den Arbeitgeber oder den Betriebsrat nur binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tage der Zuleitung des Beschlusses an gerechnet, beim Arbeitsgericht geltend gemacht werden.
(6) Im übrigen wird die Einigungsstelle nur tätig, wenn beide Seiten es beantragen oder mit ihrem Tätigwerden einverstanden sind. In diesen Fällen ersetzt ihr Spruch die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat nur, wenn beide Seiten sich dem Spruch im voraus unterworfen oder ihn nachträglich angenommen haben.
(7) Soweit nach anderen Vorschriften der Rechtsweg gegeben ist, wird er durch den Spruch der Einigungsstelle nicht ausgeschlossen.
(8) Durch Tarifvertrag kann bestimmt werden, dass an die Stelle der in Absatz 1 bezeichneten Einigungsstelle eine tarifliche Schlichtungsstelle tritt.
(1) In den Fällen des § 2a Absatz 1 Nummer 6 wird das Verfahren auf Antrag einer Tarifvertragspartei eines kollidierenden Tarifvertrags eingeleitet.
(2) Für das Verfahren sind die §§ 80 bis 82 Absatz 1 Satz 1, die §§ 83 bis 84 und 87 bis 96a entsprechend anzuwenden.
(3) Der rechtskräftige Beschluss über den nach § 4a Absatz 2 Satz 2 des Tarifvertragsgesetzes im Betrieb anwendbaren Tarifvertrag wirkt für und gegen jedermann.
(4) In den Fällen des § 2a Absatz 1 Nummer 6 findet eine Wiederaufnahme des Verfahrens auch dann statt, wenn die Entscheidung über den nach § 4a Absatz 2 Satz 2 des Tarifvertragsgesetzes im Betrieb anwendbaren Tarifvertrag darauf beruht, dass ein Beteiligter absichtlich unrichtige Angaben oder Aussagen gemacht hat. § 581 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.
(1) Der Arbeitgeber hat mit dem Betriebsrat über die Errichtung und Ausstattung betrieblicher Einrichtungen zur Berufsbildung, die Einführung betrieblicher Berufsbildungsmaßnahmen und die Teilnahme an außerbetrieblichen Berufsbildungsmaßnahmen zu beraten.
(2) Hat der Arbeitgeber Maßnahmen geplant oder durchgeführt, die dazu führen, dass sich die Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmer ändert und ihre beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr ausreichen, so hat der Betriebsrat bei der Einführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung mitzubestimmen. Kommt eine Einigung nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt im Rahmen der gestellten Anträge von Amts wegen. Die am Verfahren Beteiligten haben an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken.
(1a) Der Vorsitzende kann den Beteiligten eine Frist für ihr Vorbringen setzen. Nach Ablauf einer nach Satz 1 gesetzten Frist kann das Vorbringen zurückgewiesen werden, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts seine Zulassung die Erledigung des Beschlussverfahrens verzögern würde und der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt. Die Beteiligten sind über die Folgen der Versäumung der nach Satz 1 gesetzten Frist zu belehren.
(2) Zur Aufklärung des Sachverhalts können Urkunden eingesehen, Auskünfte eingeholt, Zeugen, Sachverständige und Beteiligte vernommen und der Augenschein eingenommen werden.
(3) In dem Verfahren sind der Arbeitgeber, die Arbeitnehmer und die Stellen zu hören, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz, dem Sprecherausschussgesetz, dem Mitbestimmungsgesetz, dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz, dem Drittelbeteiligungsgesetz, den §§ 177, 178 und 222 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, dem § 18a des Berufsbildungsgesetzes und den zu diesen Gesetzen ergangenen Rechtsverordnungen sowie nach dem Gesetz über Europäische Betriebsräte, dem SE-Beteiligungsgesetz, dem SCE-Beteiligungsgesetz, dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung und dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitendem Formwechsel und grenzüberschreitender Spaltung im einzelnen Fall beteiligt sind.
(4) Die Beteiligten können sich schriftlich äußern. Bleibt ein Beteiligter auf Ladung unentschuldigt aus, so ist der Pflicht zur Anhörung genügt; hierauf ist in der Ladung hinzuweisen. Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(5) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Arbeitsgerichts oder seines Vorsitzenden findet die Beschwerde nach Maßgabe des § 78 statt.
(1) Der Betriebsrat hat bei der Durchführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung mitzubestimmen.
(2) Der Betriebsrat kann der Bestellung einer mit der Durchführung der betrieblichen Berufsbildung beauftragten Person widersprechen oder ihre Abberufung verlangen, wenn diese die persönliche oder fachliche, insbesondere die berufs- und arbeitspädagogische Eignung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes nicht besitzt oder ihre Aufgaben vernachlässigt.
(3) Führt der Arbeitgeber betriebliche Maßnahmen der Berufsbildung durch oder stellt er für außerbetriebliche Maßnahmen der Berufsbildung Arbeitnehmer frei oder trägt er die durch die Teilnahme von Arbeitnehmern an solchen Maßnahmen entstehenden Kosten ganz oder teilweise, so kann der Betriebsrat Vorschläge für die Teilnahme von Arbeitnehmern oder Gruppen von Arbeitnehmern des Betriebs an diesen Maßnahmen der beruflichen Bildung machen.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 1 oder über die nach Absatz 3 vom Betriebsrat vorgeschlagenen Teilnehmer eine Einigung nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
(5) Kommt im Fall des Absatzes 2 eine Einigung nicht zustande, so kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, die Bestellung zu unterlassen oder die Abberufung durchzuführen. Führt der Arbeitgeber die Bestellung einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung zuwider durch, so ist er auf Antrag des Betriebsrats vom Arbeitsgericht wegen der Bestellung nach vorheriger Androhung zu einem Ordnungsgeld zu verurteilen; das Höchstmaß des Ordnungsgeldes beträgt 10.000 Euro. Führt der Arbeitgeber die Abberufung einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung zuwider nicht durch, so ist auf Antrag des Betriebsrats vom Arbeitsgericht zu erkennen, dass der Arbeitgeber zur Abberufung durch Zwangsgeld anzuhalten sei; das Höchstmaß des Zwangsgeldes beträgt für jeden Tag der Zuwiderhandlung 250 Euro. Die Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes über die Ordnung der Berufsbildung bleiben unberührt.
(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten entsprechend, wenn der Arbeitgeber sonstige Bildungsmaßnahmen im Betrieb durchführt.
Tenor
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Auf die Rechtsbeschwerde der Personalvertretung wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 2. Dezember 2011 - 10 TaBV 21/11 - aufgehoben.
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Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 16. September 2010 - 6 BV 250/09 - wird zurückgewiesen.
Gründe
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A. Die Beteiligten streiten über die Mitbestimmung der Personalvertretung Cockpit bei der Bestellung eines „Managers Flight Training“ und eines „Managers Ground Training“ durch die Arbeitgeberin.
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Diese betreibt ein Luftfahrtunternehmen. Für das Cockpitpersonal besteht eine Personalvertretung, die gemäß § 117 Abs. 2 BetrVG nach Maßgabe des Tarifvertrags Personalvertretung Nr. 1 zwischen der Arbeitgeberin und der Vereinigung Cockpit e.V. vom 25. Juli 2007 (TV-PV) gebildet wurde. Gemäß § 1 Abs. 3 TV-PV findet das Betriebsverfassungsgesetz in der jeweils gültigen Fassung Anwendung, soweit der Tarifvertrag nichts anderes bestimmt.
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Die Arbeitgeberin unterhält eine Trainingsabteilung, in der die dort beschäftigten Arbeitnehmer sowohl das Cockpitpersonal als auch das Kabinen- und Bodenpersonal aus- und fortbilden. Die Positionen des „Managers Flight Training“ und die des „Managers Ground Training“ übertrug die Arbeitgeberin ohne vorherige Beteiligung der Personalvertretung zwei Mitarbeitern, die auch für die Schulung und Ausbildung des Cockpitpersonals zuständig sind.
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Die Personalvertretung hat geltend gemacht, ihr stehe nach § 1 Abs. 3 TV-PV iVm. § 98 Abs. 2 BetrVG bei der Bestellung der beiden Manager ein Beteiligungsrecht zu, da diese auch für die berufliche Weiterbildung der Mitarbeiter des Cockpits zuständig seien. Die Personalvertretung hat - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Bedeutung - beantragt,
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1.
festzustellen, dass die Arbeitgeberin verpflichtet ist, sie vor der Bestellung eines Ausbildungsleiters „Manager Flight Training“ in ihrem Betrieb zu beteiligen, dh. rechtzeitig und umfassend zu informieren;
2.
hilfsweise festzustellen, dass ihr ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 98 Abs. 2 und Abs. 5 BetrVG zusteht, soweit im Betrieb der Arbeitgeberin die Position eines Ausbildungsleiters „Manager Flight Training“ vergeben wird;
3.
festzustellen, dass die Arbeitgeberin verpflichtet ist, sie vor der Bestellung eines Ausbildungsleiters „Manager Ground Training/Chief Ground Instructor“ in ihrem Betrieb zu beteiligen, dh. rechtzeitig und umfassend zu informieren;
4.
hilfsweise festzustellen, dass ihr ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 98 Abs. 2 und Abs. 5 BetrVG zusteht, soweit im Betrieb der Arbeitgeberin die Position eines Ausbildungsleiters „Manager Ground Training/Chief Ground Instructor“ vergeben wird.
- 5
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Die Arbeitgeberin hat zur Begründung ihres Abweisungsantrags darauf abgestellt, dass die beiden Manager nicht dem Flugbetrieb zuzuordnen seien und deshalb die Personalvertretung Cockpit nicht zu beteiligen sei.
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Das Arbeitsgericht hat den Feststellungsanträgen zu 1. und 3. entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Beschwerde der Arbeitgeberin die Anträge abgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Personalvertretung ihre Feststellungsanträge weiter.
- 7
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B. Die zulässige Rechtsbeschwerde der Personalvertretung ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
- 8
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I. Die Anträge zu 1. und 3. sind zulässig.
- 9
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1. Nach der gebotenen Auslegung unter Berücksichtigung der Antragsbegründung sind die Anträge der Personalvertretung so zu verstehen, dass diese ein Mitbestimmungsrecht des nach § 1 Abs. 3 TV-PV anwendbaren § 98 BetrVG nur in Bezug auf Ausbilder in Anspruch nimmt, die auch das fliegende Personal ausbilden. Die Personalvertretung verlangt erkennbar keine Mitbestimmung bei der Bestellung von Personen, die nicht mit der Schulung des fliegenden Personals befasst sind. Mit der im Antrag zu 3. enthaltenen zusätzlichen Bezeichnung „Chief Ground Instructor“ neben „Manager Ground Training“ ist keine andere oder zusätzliche Stelle gemeint, sondern nur die in der Stellenausschreibung mit „Manager Ground Training“ bezeichnete näher konkretisiert.
- 10
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2. Mit den Anträgen zu 1. und 3. begehrt die Personalvertretung jeweils die Feststellung eines betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsverhältnisses iSv. § 256 Abs. 1 ZPO, da Gegenstand der Anträge ein Streit der Betriebsparteien über das Bestehen und den Umfang eines Mitbestimmungsrechts ist(dazu BAG 21. Juli 2009 - 1 ABR 42/08 - Rn. 16, BAGE 131, 225).
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II. Die Anträge zu 1. und 3. sind begründet. Der Personalvertretung steht ein Beteiligungsrecht nach § 1 Abs. 3 TV-PV iVm. § 98 Abs. 2 BetrVG bei der Bestellung des „Managers Flight Training“ und des „Managers Ground Training“ zu. Die Arbeitgeberin ist daher verpflichtet, die Personalvertretung vor deren Bestellung rechtzeitig und umfassend zu unterrichten.
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1. Nach der Senatsrechtsprechung ist der Begriff der betrieblichen Berufsbildung in § 98 BetrVG weit auszulegen. Er umfasst alle Maßnahmen der Berufsbildung iSd. § 1 Abs. 1 BBiG und damit solche der Berufsausbildung, der beruflichen Fortbildung und der beruflichen Umschulung. Hierzu gehören alle Maßnahmen, die über die - mitbestimmungsfreie - Unterrichtung des Arbeitnehmers über seine Aufgaben und Verantwortung, die Art seiner Tätigkeit und ihrer Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs sowie über die Unfall- und Gesundheitsgefahren und die Maßnahmen und Einrichtungen zur Abwendung dieser Gefahren iSd. § 81 BetrVG hinausgehen, indem sie dem Arbeitnehmer gezielt Kenntnisse und Erfahrungen vermitteln, die ihn zur Ausübung einer bestimmten Tätigkeit erst befähigen(BAG 23. April 1991 - 1 ABR 49/90 - zu B II 2 a der Gründe). Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung sind auch Lehrgänge, die dem Arbeitnehmer die für die Ausfüllung seines Arbeitsplatzes und seiner beruflichen Tätigkeit notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten verschaffen sollen (BAG 10. Februar 1988 - 1 ABR 39/86 - zu B II 1 a der Gründe, BAGE 57, 295).
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2. Hiernach betreffen die Lehrgänge, die von den in den Anträgen bezeichneten Ausbildern durchgeführt werden, Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung iSd. § 98 BetrVG.
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a) Gegenstand der Fortbildungsveranstaltungen ist die berufliche Fortbildung des fliegenden Personals. Die in den Anträgen benannten Personen haben nach der vorgelegten Aufgabenbeschreibung ua. das Flugtraining am Simulator zu planen und Programme für Wiederholungsschulungen und Eignungsüberprüfungen des Flugpersonals zu entwickeln. Sie haben auf der Grundlage gesetzlicher Bestimmungen Schulungsmethoden zu verbessern und eine sichere, wirtschaftliche und effiziente Schulung zu gewährleisten. Des Weiteren haben sie ein Kommunikationssystem zu erstellen, das den problemlosen Austausch von Informationen zwischen den Abteilungen Schulung, Kabine und Flugbetrieb in allen Fragen des Bodentrainings sicherstellt. Sie haben die Planungsorganisation und Implementierung des typenspezifischen Bodentrainings für das Flug- und Kabinenpersonal im Rahmen der Grundausbildung zu erarbeiten, Schulungsunterlagen zu standardisieren, die Lehrgänge, Lehrgangsinhalte und Lernunterlagen zu bewerten und zu verbessern. Derartige Ausbildungsinhalte gehen weit über die mitbestimmungsfreie Einweisung der Arbeitnehmer in ihren Arbeitsbereich iSd. § 81 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hinaus.
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b) Die Fortbildung erfolgt innerbetrieblich. Der Begriff der betrieblichen Berufsbildung ist funktional zu verstehen. Demnach ist eine Berufsbildungsmaßnahme immer dann eine betriebliche, wenn der Arbeitgeber Träger oder Veranstalter der Bildungsmaßnahme ist und die Berufsbildungsmaßnahme für die Arbeitnehmer des Arbeitgebers durchgeführt wird (BAG 18. April 2000 - 1 ABR 28/99 - zu B I 2 a bb der Gründe, BAGE 94, 245). Das ist hier der Fall. Die Arbeitgeberin hat rechtlich und tatsächlich beherrschenden Einfluss auf die Durchführung der Fortbildung. Sie bestimmt, wie die Weiterbildung durchgeführt und wer beauftragt wird. Sie betreibt das Trainings- und Schulungszentrum selbst und ist damit Veranstalter und Träger der Maßnahme.
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c) Die in den Anträgen bezeichneten Stelleninhaber sind mit der Durchführung der betrieblichen Berufsbildung beauftragte Personen. Beide Manager sind nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts für die Schulung und Ausbildung des Cockpitpersonals persönlich zuständig und führen sie auch durch. Sie haben nach den Stellenbeschreibungen einen maßgeblichen, verantwortlichen und gestaltenden Einfluss auf die Ausbildung auch des fliegerischen Personals. Beide Manager sind mit der Ausbildung persönlich betraut.
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d) Für die Anwendung des durch § 1 Abs. 3 TV-PV in Bezug genommenen § 98 Abs. 2 BetrVG kommt es nicht darauf an, ob die Ausbilder dem persönlichen Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes oder des TV-PV unterfallen. Dies ergibt sich aus dem Zweck des Beteiligungsrechts aus § 98 Abs. 2 BetrVG. Dieser besteht im Schutz der Arbeitnehmer vor unqualifizierter Fort- und Weiterbildung. Die Beteiligung des Betriebsrats/der Personalvertretung bei der Bestellung der Ausbilder soll eine an den Interessen der Arbeitnehmer orientierte Ausfüllung von Gestaltungsspielräumen bei der betrieblichen Berufsbildung gewährleisten (BAG 24. August 2004 - 1 ABR 28/03 - zu B II 4 b der Gründe, BAGE 111, 350). Auf die Rechtsbeziehung der Ausbilder zum Arbeitgeber kommt es deshalb nicht an.
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e) Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin führt dieses Normverständnis nicht zu einer unzulässigen Ausweitung des Anwendungsbereichs des TV-PV. Der Ausbilder iSd. § 98 Abs. 2 BetrVG wird hierdurch nicht in den in § 2 TV-PV bestimmten persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags TV-PV einbezogen, vielmehr werden lediglich die hiervon erfassten Arbeitnehmer durch das Mitbestimmungsrecht aus § 98 Abs. 2 BetrVG geschützt. Die Auswirkungen auf
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die Person des Ausbilders und das Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem Arbeitgeber sind nur mittelbarer Natur und erweitern nicht den persönlichen Geltungsbereich des TV-PV.
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Schmidt
Koch
Linck
Manfred Gentz
Berg
(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt im Rahmen der gestellten Anträge von Amts wegen. Die am Verfahren Beteiligten haben an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken.
(1a) Der Vorsitzende kann den Beteiligten eine Frist für ihr Vorbringen setzen. Nach Ablauf einer nach Satz 1 gesetzten Frist kann das Vorbringen zurückgewiesen werden, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts seine Zulassung die Erledigung des Beschlussverfahrens verzögern würde und der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt. Die Beteiligten sind über die Folgen der Versäumung der nach Satz 1 gesetzten Frist zu belehren.
(2) Zur Aufklärung des Sachverhalts können Urkunden eingesehen, Auskünfte eingeholt, Zeugen, Sachverständige und Beteiligte vernommen und der Augenschein eingenommen werden.
(3) In dem Verfahren sind der Arbeitgeber, die Arbeitnehmer und die Stellen zu hören, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz, dem Sprecherausschussgesetz, dem Mitbestimmungsgesetz, dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz, dem Drittelbeteiligungsgesetz, den §§ 177, 178 und 222 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, dem § 18a des Berufsbildungsgesetzes und den zu diesen Gesetzen ergangenen Rechtsverordnungen sowie nach dem Gesetz über Europäische Betriebsräte, dem SE-Beteiligungsgesetz, dem SCE-Beteiligungsgesetz, dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung und dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitendem Formwechsel und grenzüberschreitender Spaltung im einzelnen Fall beteiligt sind.
(4) Die Beteiligten können sich schriftlich äußern. Bleibt ein Beteiligter auf Ladung unentschuldigt aus, so ist der Pflicht zur Anhörung genügt; hierauf ist in der Ladung hinzuweisen. Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(5) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Arbeitsgerichts oder seines Vorsitzenden findet die Beschwerde nach Maßgabe des § 78 statt.
(1) Der Betriebsrat hat bei der Durchführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung mitzubestimmen.
(2) Der Betriebsrat kann der Bestellung einer mit der Durchführung der betrieblichen Berufsbildung beauftragten Person widersprechen oder ihre Abberufung verlangen, wenn diese die persönliche oder fachliche, insbesondere die berufs- und arbeitspädagogische Eignung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes nicht besitzt oder ihre Aufgaben vernachlässigt.
(3) Führt der Arbeitgeber betriebliche Maßnahmen der Berufsbildung durch oder stellt er für außerbetriebliche Maßnahmen der Berufsbildung Arbeitnehmer frei oder trägt er die durch die Teilnahme von Arbeitnehmern an solchen Maßnahmen entstehenden Kosten ganz oder teilweise, so kann der Betriebsrat Vorschläge für die Teilnahme von Arbeitnehmern oder Gruppen von Arbeitnehmern des Betriebs an diesen Maßnahmen der beruflichen Bildung machen.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 1 oder über die nach Absatz 3 vom Betriebsrat vorgeschlagenen Teilnehmer eine Einigung nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
(5) Kommt im Fall des Absatzes 2 eine Einigung nicht zustande, so kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, die Bestellung zu unterlassen oder die Abberufung durchzuführen. Führt der Arbeitgeber die Bestellung einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung zuwider durch, so ist er auf Antrag des Betriebsrats vom Arbeitsgericht wegen der Bestellung nach vorheriger Androhung zu einem Ordnungsgeld zu verurteilen; das Höchstmaß des Ordnungsgeldes beträgt 10.000 Euro. Führt der Arbeitgeber die Abberufung einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung zuwider nicht durch, so ist auf Antrag des Betriebsrats vom Arbeitsgericht zu erkennen, dass der Arbeitgeber zur Abberufung durch Zwangsgeld anzuhalten sei; das Höchstmaß des Zwangsgeldes beträgt für jeden Tag der Zuwiderhandlung 250 Euro. Die Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes über die Ordnung der Berufsbildung bleiben unberührt.
(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten entsprechend, wenn der Arbeitgeber sonstige Bildungsmaßnahmen im Betrieb durchführt.
Tenor
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Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Köln vom 24. Juni 2008 - 9 TaBV 74/07 - wird zurückgewiesen.
Gründe
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A. Die Beteiligten streiten über ein Mitbestimmungsrecht bei der Entsendung von Anzeigenredakteuren zu betrieblichen Bildungsveranstaltungen.
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Die Arbeitgeberin betreibt in K einen Zeitungsverlag. Mit Schreiben vom 20. März 2007 beantragte sie die Zustimmung des bei ihr errichteten Betriebsrats zur Durchführung einer betrieblichen Bildungsmaßnahme „Adobe Photoshop CS2 - Firmenseminar“ für die vier Mitglieder der Redaktion Verlagsbeilagen. Dies lehnte der Betriebsrat mit der Begründung ab, er könne nicht erkennen, dass diese Redakteure die Unterrichtung in einem Bildbearbeitungsprogramm für ihre Tätigkeit benötigten. Nachdem auch weitere Verhandlungen zwischen der Arbeitgeberin und dem Betriebsrat zu keiner Verständigung führten, vertrat die Arbeitgeberin im Schreiben vom 16. April 2007 nunmehr die Auffassung, es handele sich um eine mitbestimmungsfreie Bildungsveranstaltung für Tendenzträger iSd. § 118 Abs. 1 BetrVG und führte die Veranstaltung durch.
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Die Anzeigenredakteure sind in der Redaktion Verlagsbeilagen beschäftigt, die der Anzeigenabteilung der Arbeitgeberin zugeordnet ist. In dieser Redaktion werden die Anzeigen und redaktionellen Texte für die Anzeigensonderveröffentlichungen in den Verlagsbeilagen für den K-Stadt-Anzeiger redaktionell vorbereitet. Die Anzeigenredakteure sind zuständig für das Verfassen von Berichten zu Sonderthemen, Messen und Sonderveranstaltungen sowie für das Verfassen von Anzeigen zu firmenbezogenen Themen wie zB Jubiläen sowie Geschäftsneu- oder -wiedereröffnungen, die als Kundenanzeigen gekennzeichnet sind. Die Aufgabe der Anzeigenredakteure besteht in der Aufbereitung des von Kunden angelieferten Wort- und Bildmaterials, der Bearbeitung und dem Verfassen von Texten, ihrer redaktionellen und technischen Ausgestaltung sowie in der Koordinierung sämtlicher Tätigkeiten. Die Anzeigenredakteure nehmen an der Redaktionskonferenz nicht teil. Die von ihnen bearbeiteten Anzeigensonderveröffentlichungen erscheinen ohne Änderungen in einer weiteren K Tageszeitung.
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Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, er habe bei der Durchführung von innerbetrieblichen Bildungsmaßnahmen für die Anzeigenredakteure nach § 98 BetrVG mitzubestimmen. Dem stehe die Regelung des § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht entgegen. Bei den Anzeigenredakteuren handele es sich nicht um Tendenzträger.
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Der Betriebsrat hat beantragt,
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1.
der Arbeitgeberin aufzugeben, es künftig zu unterlassen, einseitig ohne Zustimmung des Betriebsrats oder der Entscheidung einer Einigungsstelle innerbetriebliche Bildungsmaßnahmen für Mitglieder der Redaktion Verlagsbeilagen der Anzeigenabteilung durchzuführen,
2.
der Arbeitgeberin für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gesetzt wird, anzudrohen,
hilfsweise,
3.
festzustellen, dass dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei innerbetrieblichen Bildungsmaßnahmen für Mitglieder der Redaktion Verlagsbeilagen der Anzeigenabteilung zusteht.
- 6
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Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen.
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Das Arbeitsgericht hat dem Unterlassungsantrag entsprochen und der Arbeitgeberin für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld iHv. 1.000,00 Euro angedroht. Gegen diesen Beschluss haben die Arbeitgeberin Beschwerde und der Betriebsrat Anschlussbeschwerde mit dem Ziel eingelegt, der Arbeitgeberin für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld iHv. 10.000,00 Euro anzudrohen. Das Landesarbeitsgericht hat der Beschwerde der Arbeitgeberin entsprochen und die Anschlussbeschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen, ohne sich mit dessen hilfsweise gestellten Feststellungsantrag zu befassen. In der Rechtsbeschwerdeinstanz verfolgt der Betriebsrat seine zuletzt vor dem Landesarbeitsgericht gestellten Anträge weiter.
- 8
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B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Anträge des Betriebsrats zu Recht abgewiesen. Von seinem Unterlassungsantrag und dem hilfsweise gestellten Feststellungsantrag sind Fallgestaltungen erfasst, in denen ein Mitbestimmungsrecht nicht besteht. Der Antrag auf Androhung eines Ordnungsgeldes ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen.
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I. Der vom Betriebsrat als Hauptantrag gestellte Unterlassungsantrag ist zulässig.
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1. Der Antrag bedarf der Auslegung.
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Nach seinem Wortlaut ist er darauf gerichtet, der Arbeitgeberin unter den im Antrag genannten Voraussetzungen die Durchführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung iSd. § 98 BetrVG unabhängig von ihrem Tendenzbezug zu untersagen. Dieses Antragsverständnis entspricht auch dem Willen des Betriebsrats, was dieser in der Anhörung vor dem Senat ausdrücklich bestätigt hat. Der Betriebsrat möchte entsprechend dem von ihm angeführten Anlassfall verhindern, dass die Arbeitgeberin die Anzeigenredakteure ohne seine Zustimmung zu betrieblichen Berufsbildungsmaßnahmen entsendet. Damit erstreckt sich der Unterlassungsantrag auch auf Maßnahmen der Arbeitgeberin, bei denen nicht das „wie“ der betrieblichen Berufsbildungsmaßnahme, sondern ausschließlich das Teilnahmerecht von Anzeigenredakteuren zwischen den Betriebsparteien im Streit ist und bei denen sich das Beteiligungsrecht des Betriebsrats nicht nach § 98 Abs. 1 BetrVG, sondern nach § 98 Abs. 3 und 4 BetrVG richtet.
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2. Mit diesem Inhalt ist der Antrag hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und ggf. vollstreckungsfähig gem. § 85 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 ArbGG iVm. § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Bei einer dem Antrag stattgebenden Entscheidung kann die Arbeitgeberin eindeutig erkennen, welcher Handlungen sie sich enthalten soll und wann sie wegen eines Verstoßes mit der Verhängung eines Ordnungsgeldes rechnen muss.
- 13
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II. Der Unterlassungsantrag ist unbegründet. Der Betriebsrat kann nicht nach § 98 BetrVG beanspruchen, dass die Arbeitgeberin betriebliche Berufsbildungsmaßnahmen für die in der Redaktion Verlagsbeilagen beschäftigten Anzeigenredakteure nur nach seiner Zustimmung oder eines diese ersetzenden Spruchs einer Einigungsstelle durchführt.
- 14
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1. Der vom Betriebsrat gestellte Unterlassungsantrag ist ein Globalantrag. Er erfasst jede Form der Durchführung von betrieblichen Berufsbildungsmaßnahmen, an denen Anzeigenredakteure teilnehmen sollen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ein Globalantrag, der einschränkungslos eine Vielzahl möglicher Fallgestaltungen erfasst, grundsätzlich als insgesamt unbegründet abzuweisen, wenn unter ihn zumindest auch Sachverhalte fallen, in denen sich der Antrag als unbegründet erweist(3. Juni 2003 - 1 ABR 19/02 - zu B II 2 a der Gründe mwN, BAGE 106, 188).
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2. Der Unterlassungsantrag ist schon deshalb unbegründet, weil die Arbeitgeberin betriebliche Berufsbildungsmaßnahmen iSd. § 98 BetrVG für die Mitglieder der Redaktion Verlagsbeilagen ohne die Zustimmung des Betriebsrats durchführen kann, wenn dieser sich damit begnügt, der personellen Auswahlentscheidung der Arbeitgeberin zu widersprechen.
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§ 98 BetrVG sieht ein Mitbestimmungsrecht in mehrfacher Hinsicht vor. Nach § 98 Abs. 1 BetrVG hat der Betriebsrat bei der Durchführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung mitzubestimmen, nach § 98 Abs. 2 BetrVG kann er der Bestellung einer mit der Durchführung der betrieblichen Berufsbildung beauftragten Person widersprechen oder ihre Abberufung verlangen und gemäß § 98 Abs. 3 und 4 BetrVG kann er unter bestimmten Voraussetzungen Vorschläge für die Teilnahme von Arbeitnehmern an Maßnahmen der beruflichen Bildung machen und bei deren Nichtannahme durch den Arbeitgeber über die Auswahl der Teilnehmer mitentscheiden. Das Beteiligungsrecht nach § 98 Abs. 3 und 4 BetrVG setzt aber voraus, dass der Betriebsrat zuvor eigene Vorschläge für die Person der Teilnehmer gemacht hat; entgegen der Vorstellungen des Betriebsrats kann er sich nicht darauf beschränken, der vom Arbeitgeber getroffenen Auswahl zu widersprechen(vgl. BAG 8. Dezember 1987 - 1 ABR 32/86 - zu B II 2 der Gründe, BAGE 57, 114).
- 17
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3. Der Unterlassungsantrag ist auch deshalb unbegründet, weil ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Durchführung von betrieblichen Berufsbildungsmaßnahmen für die bei der Arbeitgeberin tätigen Anzeigenredakteure ausgeschlossen ist, da es sich bei dieser Personengruppe um Tendenzträger handelt und die Maßnahmen tendenzbezogen sind.
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a) Nach § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BetrVG finden die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes auf Unternehmen und Betriebe, die unmittelbar und überwiegend Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung iSv. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG dienen, keine Anwendung, soweit die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebs dem entgegensteht. Durch § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BetrVG wird die Anwendung von Mitbestimmungsrechten ausgeschlossen, soweit durch sie die Pressefreiheit eingeschränkt würde. Die Vorschrift ist eine grundrechtsausgestaltende Regelung, bei deren Auslegung und Anwendung es nicht auf das Gewicht der durch die in Frage stehenden Mitbestimmungsrechte geschützten Belange der Arbeitnehmer ankommt(BVerfG 15. Dezember 1999 - 1 BvR 729/92 - zu II 2 b der Gründe, NZA 2000, 217). Die Beteiligungsrechte des Betriebsrats können daher bei personenbezogenen Maßnahmen in Tendenzbetrieben iSd. § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BetrVG beschränkt sein, wenn diese Tendenzträger betreffen und ihre Ausübung die Freiheit des Verlegers zur Tendenzbestimmung und Tendenzverwirklichung ernsthaft beeinträchtigen und damit dessen durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschütztes Freiheitsrecht verletzen würde(BAG 30. Mai 2006 - 1 ABR 17/05 - Rn. 24 mwN, BAGE 118, 205).
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b) Die Arbeitgeberin ist ein Tendenzunternehmen. Ihr Geschäftszweck ist die Berichterstattung und Meinungsäußerung iSd. § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BetrVG. Der Tendenzeigenschaft der Arbeitgeberin steht der von ihrem Eigentümer verfolgte Erwerbszweck nicht entgegen. Für die Anwendung des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BetrVG ist grundsätzlich der überwiegend verfolgte Unternehmensgegenstand maßgeblich und nicht, ob der Unternehmer mit Gewinnerzielungsabsicht handelt(BAG 1. September 1987 - 1 ABR 23/86 - zu B II 1 b aa der Gründe, BAGE 56, 81). Die Tendenzeigenschaft der Arbeitgeberin wird auch nicht in Frage gestellt, weil sie ihr Anzeigengeschäft mit einem anderen K Zeitungsverlag gemeinsam betreibt. Die unternehmensübergreifende Zusammenarbeit von Unternehmen iSd. § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BetrVG in tendenzgeschützten Bereichen führt nicht zum Verlust des durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Schutzes.
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c) Die in der Redaktion Verlagsbeilagen der Anzeigenabteilung beschäftigten Redakteure sind Tendenzträger.
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aa) Beschäftigte sind Tendenzträger, wenn die Bestimmungen und Zwecke des jeweiligen in § 118 Abs. 1 BetrVG genannten Unternehmens oder Betriebs für ihre Tätigkeit inhaltlich prägend sind(BAG 13. Februar 2007 - 1 ABR 14/06 - Rn. 16, BAGE 121, 139). Dies setzt voraus, dass sie die Möglichkeit haben, in dieser Weise auf die Tendenzverwirklichung Einfluss zu nehmen (BAG 12. November 2002 - 1 ABR 60/01 - zu B II 2 b bb der Gründe mwN, BAGE 103, 329). Eine bloße Mitwirkung bei der Tendenzverfolgung genügt dafür nicht (BAG 18. April 1989 - 1 ABR 2/88 - zu B II 2 c der Gründe mwN, BAGE 61, 305). Wird der Arbeitnehmer auch mit nicht tendenzbezogenen Aufgaben beschäftigt, muss allerdings der Anteil der tendenzbezogenen Aufgaben an der Gesamtarbeitszeit nicht überwiegen. Für seine Eigenschaft als Tendenzträger ist es ausreichend, wenn er überhaupt solche Arbeiten in nicht völlig unbedeutendem Umfang verrichtet (BAG 20. November 1990 - 1 ABR 87/89 - zu B IV 4 a der Gründe, AP BetrVG 1972 § 118 Nr. 47 = EzA BetrVG 1972 § 118 Nr. 57).
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bb) Nach der ständigen Senatsrechtsprechung sind im Medienbereich beschäftigte Personen als Tendenzträger anzusehen, die als Redakteur auf die Berichterstattung und Meinungsäußerung eines Presseunternehmens unmittelbar inhaltlich Einfluss nehmen können(1. September 1987 - 1 ABR 22/86 - zu B 2 a aa der Gründe mwN, BAGE 56, 71). Als eine solche Einflussnahme auf die Tendenzverwirklichung kommen sowohl eigene Veröffentlichungen wie auch die Auswahl und das Redigieren von Beiträgen und Texten Dritter in Betracht (31. Mai 1983 - 1 ABR 57/80 - zu B II 1 b aa der Gründe, BAGE 43, 35). In der Tätigkeit eines Redakteurs vermittelt sich die für einen Zeitungsverlag kennzeichnende Tendenz (30. Mai 2006 - 1 ABR 17/05 - Rn. 23, BAGE 118, 205). Auf dessen presserechtliche Verantwortlichkeit kommt es hingegen nicht an (7. November 1975 - 1 AZR 282/74 - zu 1 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 118 Nr. 4 = EzA BetrVG 1972 § 118 Nr. 9).
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cc) Die Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet die publizistische Betätigung von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht und der Meinung(BVerfG 6. Oktober 1959 - 1 BvL 118/53 - BVerfGE 10, 118, 121). Dies umfasst das Recht, die inhaltliche Tendenz einer Zeitung festzulegen, beizubehalten, zu ändern und diese Tendenz zu verwirklichen (BVerfG 6. November 1979 - 1 BvR 81/76 - BVerfGE 52, 283, 297). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts umfasst der Schutzbereich der Pressefreiheit den gesamten Inhalt eines Presseerzeugnisses, darunter auch die in ihm enthaltenen Werbeanzeigen für Anzeigenkunden (12. Dezember 2000 - 1 BvR 1762/95 - BVerfGE 102, 347, 359). Diese dienen wie andere Nachrichten der Beschaffung und Verbreitung einer Information (10. Mai 1983 - 1 BvR 385/82 - BVerfGE 64, 108, 114; 4. April 1967 - 1 BvR 414/64 - BVerfGE 21, 271, 279). Die Gestaltung und Veröffentlichung von Wirtschaftswerbung in einer Zeitung ist daher Teil des durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Bereichs.
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dd) Danach hat das Landesarbeitsgericht die in der Redaktion Verlagsbeilagen beschäftigten Anzeigenredakteure zu Recht als Tendenzträger angesehen. Ihnen sind überwiegend Tätigkeiten übertragen, aufgrund derer sie auf die Tendenzverwirklichung der Arbeitgeberin Einfluss nehmen können.
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(1) Nach den vom Betriebsrat nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts(§ 559 Abs. 2 ZPO) gehört die Bearbeitung der Texte von Anzeigensonderveröffentlichungen zu den Aufgaben der Anzeigenredakteure. Der überwiegende Teil ihrer Tätigkeit besteht in der Bearbeitung von fremden Texten, die entweder von ihnen selbst oder nach ihren Vorgaben durch beauftragte Redakteure redigiert werden. Daneben obliegt ihnen das Verfassen von längeren Anzeigentexten für Kunden zB aus Anlass von Firmenjubiläen. Auf die Auswahl des veröffentlichten Text- und Bildmaterials und auf deren Bearbeitung haben die Anzeigenkunden der Sonderveröffentlichungen keinen Einfluss.
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(2) Die Anzeigenredakteure wirken danach durch eigene Veröffentlichungen wie auch die Auswahl und die Bearbeitung von Beiträgen und Texten Dritter an der von der Arbeitgeberin herausgegebenen Tageszeitung mit. In den Anzeigensonderveröffentlichungen werden deren Leser über ausgewählte Wirtschaftsbereiche oder Berufsgruppen sowie über Sonderveranstaltungen informiert. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, wonach diese Veröffentlichungen aufgrund ihrer positiven Darstellung der in ihnen enthaltenen Themen meinungsbildenden Charakter haben, ist rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden und wird auch vom Betriebsrat nicht in Frage gestellt. Die Anzeigenredakteure unterliegen keinen Weisungen der Anzeigenkunden. Damit ist ihre Tätigkeit unmittelbar von den tendenzbezogenen Zwecken der Arbeitgeberin geprägt und beschränkt sich nicht auf eine bloße Unterstützung der Anzeigenkunden.
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(3) Die Tendenzträgereigenschaft der Anzeigenredakteure wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass diese nicht an der Redaktionskonferenz teilnehmen oder die Redaktion Verlagsbeilagen der Anzeigenabteilung zugeordnet ist. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt. Die Tendenzträgereigenschaft von Redakteuren richtet sich nach ihrem durch ihre Tätigkeit vermittelten inhaltlichen Einfluss auf den durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Bereich des Presseerzeugnisses und nicht nach ihrer organisatorischen Einbindung in das Verlagsunternehmen. Daneben hat das Beschwerdegericht zu Recht darauf hingewiesen, dass die Arbeitgeberin die Verwirklichung ihrer Tendenz in den Anzeigensonderveröffentlichungen auch auf andere Weise als durch eine Teilnahme der Anzeigenredakteure an der Redaktionskonferenz sicherstellen kann.
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d) Das Beteiligungsrecht des Betriebsrats ist bei der Durchführung von betrieblichen Bildungsmaßnahmen(§ 98 Abs. 1, 3 und 4 BetrVG) gegenüber den Anzeigenredakteuren ausgeschlossen.
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Nach der Rechtsprechung des Senats schützt die Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG die Freiheit eines Verlagsunternehmens, darüber zu bestimmen, ob und auf welche Weise Redakteuren weitergehende Kenntnisse und Fähigkeiten durch die Teilnahme an betrieblichen Bildungsmaßnahmen vermittelt werden. Von deren fachlicher Kompetenz ist die Tendenzverwirklichung des Unternehmens abhängig. Ihre Fähigkeiten und Kenntnisse haben unmittelbaren Einfluss auf ihre berufliche Tätigkeit und spiegeln Eigenart und Tendenz des Unternehmens wieder. Die grundrechtlich verbürgte Tendenzverwirklichung würde daher beeinträchtigt, wenn die Umsetzung der verlegerischen Entscheidung über den Bildungsbedarf von Tendenzträgern von der Zustimmung des Betriebsrats abhinge(30. Mai 2006 - 1 ABR 17/05 - Rn. 25 f., BAGE 118, 205). Diese Erwägungen führen gleichermaßen zum Ausschluss des Mitbestimmungsrechts nach § 98 Abs. 3 und 4 BetrVG, wenn dessen Ausübung dazu führen würde, dass die Anzeigenredakteure nicht an der betrieblichen Berufsbildungsmaßnahme teilnehmen können.
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4. Danach bedarf es keiner Entscheidung, ob sich der Betriebsrat gegen zu erwartende - erstmalige oder wiederholte - Verstöße des Arbeitgebers gegen ein Mitbestimmungsrecht aus § 98 BetrVG unabhängig von den in § 23 Abs. 3 BetrVG vorgesehenen Anforderungen an die Schwere des Verstoßes überhaupt im Wege eines allgemeinen Unterlassungsanspruchs wehren kann.
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III. Der Antrag auf Androhung eines Ordnungsgeldes ist ersichtlich nur für den Fall des Obsiegens mit dem Unterlassungsantrag gestellt. Er ist damit in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht zur Entscheidung angefallen.
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IV. Der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag ist zulässig, aber unbegründet.
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1. Der Antrag ist zulässig.
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a) Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht entgegen, dass er erneut im Rechtsbeschwerdeverfahren gestellt wurde.
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aa) Der Betriebsrat hat den Feststellungsantrag bereits erstinstanzlich in das Verfahren eingeführt. Über ihn musste das Arbeitsgericht nicht entscheiden, da es bereits dem als Hauptantrag gestellten Unterlassungsantrag entsprochen hat. Der Feststellungsantrag ist dem Landesarbeitsgericht aufgrund der Beschwerde der Arbeitgeberin angefallen und in der Anhörung vor dem Beschwerdegericht vom Betriebsrat mit dem Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde zur Entscheidung gestellt worden. Das Landesarbeitsgericht hat ihn im Tatbestand nicht aufgeführt und über ihn ausweislich seiner Entscheidungsgründe nicht entschieden. Der Betriebsrat hätte danach nach § 320 Abs. 1 ZPO eine Tatbestandsberichtigung beantragen und anschließend einen Ergänzungsbeschluss(§ 321 Abs. 1 ZPO) beantragen müssen. Dies ist unterblieben. Mit dem Ablauf der zweiwöchigen Antragsfrist des § 321 Abs. 2 ZPO ist die Rechtshängigkeit des ursprünglich gestellten Feststellungsantrags daher entfallen. Ein übergangener Antrag, dessen Rechtshängigkeit durch Ablauf der Frist nach § 321 Abs. 2 ZPO entfallen ist, kann jedoch erneut in das Verfahren eingeführt werden(BAG 10. März 2009 - 1 ABR 93/07 - Rn. 21, AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 127 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 12).
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bb) Bei dem Feststellungsantrag handelt es sich nicht um eine in der Rechtsbeschwerdeinstanz unzulässige Antragserweiterung.
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Antragserweiterungen sind ebenso wie sonstige Antragsänderungen im Rechtsbeschwerdeverfahren grundsätzlich unzulässig(vgl. etwa BAG 27. Januar 1998 - 1 ABR 38/97 - zu B II 2 der Gründe mwN). Der Schluss der Anhörung vor dem Beschwerdegericht bildet nicht nur bezüglich des tatsächlichen Vorbringens, sondern auch bezüglich der Anträge der Beteiligten die Entscheidungsgrundlage für das Rechtsbeschwerdegericht. Eine Ausnahme hat das Bundesarbeitsgericht aus prozessökonomischen Gründen dann anerkannt, wenn der geänderte Sachantrag sich auf einen in der Beschwerdeinstanz festgestellten Sachverhalt stützen kann (vgl. 26. Oktober 2004 - 1 ABR 37/03 - zu B I 1 a der Gründe, BAGE 112, 238 ). Dies ist bei dem Feststellungsantrag der Fall. Das Prüfprogramm des Senats wird durch ihn nicht erweitert, sondern beschränkt sich auf die bereits im Rahmen des Unterlassungsantrags zu behandelnden Fragen.
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cc) Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO liegen vor. Der Streit über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts betrifft ein betriebsverfassungsrechtliches Rechtsverhältnis. Das erforderliche Feststellungsinteresse ist angesichts des zwischen den Beteiligten bestehenden Streits über das Beteiligungsrecht bei betrieblichen Bildungsmaßnahmen der Anzeigenredakteure gegeben.
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2. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Dem Betriebsrat steht aus den bereits im Rahmen des Unterlassungsantrags erörterten Gründen bei der Durchführung von betrieblichen Berufsbildungsmaßnahmen für Anzeigenredakteure kein Beteiligungsrecht nach § 98 Abs. 1, Abs. 3 und 4 BetrVG zu.
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Schmidt
Linck
Koch
Federlin
Brunner
(1) In den Fällen des § 2a Absatz 1 Nummer 6 wird das Verfahren auf Antrag einer Tarifvertragspartei eines kollidierenden Tarifvertrags eingeleitet.
(2) Für das Verfahren sind die §§ 80 bis 82 Absatz 1 Satz 1, die §§ 83 bis 84 und 87 bis 96a entsprechend anzuwenden.
(3) Der rechtskräftige Beschluss über den nach § 4a Absatz 2 Satz 2 des Tarifvertragsgesetzes im Betrieb anwendbaren Tarifvertrag wirkt für und gegen jedermann.
(4) In den Fällen des § 2a Absatz 1 Nummer 6 findet eine Wiederaufnahme des Verfahrens auch dann statt, wenn die Entscheidung über den nach § 4a Absatz 2 Satz 2 des Tarifvertragsgesetzes im Betrieb anwendbaren Tarifvertrag darauf beruht, dass ein Beteiligter absichtlich unrichtige Angaben oder Aussagen gemacht hat. § 581 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.
(1) Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat über die Personalplanung, insbesondere über den gegenwärtigen und künftigen Personalbedarf sowie über die sich daraus ergebenden personellen Maßnahmen einschließlich der geplanten Beschäftigung von Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen, und Maßnahmen der Berufsbildung anhand von Unterlagen rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Er hat mit dem Betriebsrat über Art und Umfang der erforderlichen Maßnahmen und über die Vermeidung von Härten zu beraten.
(2) Der Betriebsrat kann dem Arbeitgeber Vorschläge für die Einführung einer Personalplanung und ihre Durchführung machen.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für Maßnahmen im Sinne des § 80 Abs. 1 Nr. 2a und 2b, insbesondere für die Aufstellung und Durchführung von Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern. Gleiches gilt für die Eingliederung schwerbehinderter Menschen nach § 80 Absatz 1 Nummer 4.
(1) Arbeitgeber und Betriebsrat haben im Rahmen der betrieblichen Personalplanung und in Zusammenarbeit mit den für die Berufsbildung und den für die Förderung der Berufsbildung zuständigen Stellen die Berufsbildung der Arbeitnehmer zu fördern. Der Arbeitgeber hat auf Verlangen des Betriebsrats den Berufsbildungsbedarf zu ermitteln und mit ihm Fragen der Berufsbildung der Arbeitnehmer des Betriebs zu beraten. Hierzu kann der Betriebsrat Vorschläge machen.
(1a) Kommt im Rahmen der Beratung nach Absatz 1 eine Einigung über Maßnahmen der Berufsbildung nicht zustande, können der Arbeitgeber oder der Betriebsrat die Einigungsstelle um Vermittlung anrufen. Die Einigungsstelle hat eine Einigung der Parteien zu versuchen.
(2) Arbeitgeber und Betriebsrat haben darauf zu achten, dass unter Berücksichtigung der betrieblichen Notwendigkeiten den Arbeitnehmern die Teilnahme an betrieblichen oder außerbetrieblichen Maßnahmen der Berufsbildung ermöglicht wird. Sie haben dabei auch die Belange älterer Arbeitnehmer, Teilzeitbeschäftigter und von Arbeitnehmern mit Familienpflichten zu berücksichtigen.