Landesarbeitsgericht Hamm Urteil, 06. Aug. 2014 - 3 Sa 202/14


Gericht
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 21.01.2014 – 3 Ca 168/13 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers auf Zahlung von Branchenzuschlägen für Arbeitnehmerüberlassung in der Metall- und Elektroindustrie für die Monate November 2012 bis September 2013.
3Der Kläger war seit dem 15.03.2010 als Zeitarbeiter bei der Beklagten beschäftigt.
4Grundlage der Beschäftigung war ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 11./12.03.2010. Zur Anwendung von Tarifverträgen enthielt Ziffer 1.1 folgende Regelung:
5„Auf das Arbeitsverhältnis finden die betrieblich und fachlich jeweils einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung, soweit in diesem Anstellungsvertrag nichts anderes vereinbart ist. Dies sind derzeit die zwischen dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen - IGZ e.V. - und der Tarifgemeinschaft der Mitgliedsgewerkschaften des DGB geschlossenen Tarifverträge für die Zeitarbeitsbranche, bestehend aus Mantel-, Entgelt-, Entgeltrahmen- und Beschäftigungssicherungstarifvertrag.“
6Nach Ziff. 5 des Arbeitsvertrages war der Kläger zunächst in die Entgeltgruppe E6 eingruppiert worden. Nachdem die Entgeltgruppen überarbeitet wurden, ist der Kläger seit dem 01.11.2012 in Entgeltgruppe 5 eingruppiert mit einem Tariflohn von 12,21 € pro Stunde.
7Er erhält monatlich 2.300,00 €, wovon 122,85 € übertarifliche Zulage sind.
8Mit Wirkung zum 01.11.2012 schlossen der IGZ und der Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister mit der IG Metall einen Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassung in der Metall- und Elektroindustrie (TV BZ ME)
9Dieser regelt in § 1 den Geltungsbereich wie folgt:
10„Dieser Tarifvertrag gilt:
111.
12Räumlich für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland;
132.
14Fachlich für die tarifgebundenen Mitgliedsunternehmen des Bundesarbeitgeberverbandes der Personaldienstleister BAP und dem Interessenverband IGZ, die im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung Beschäftigte in einem Kundenbetrieb der Metall- und Elektroindustrie einsetzen. Als Kundenbetriebe der Metall- und Elektroindustrie gelten die Betriebe folgender Wirtschaftszweige, soweit sie nicht dem Handwerk zugeordnet sind:
15- ME Metallgewinnung und –verarbeitung Schneideanstalten,
16- Gießereien,
17- Ziereien, Walzwerke und Stahlverformung,
18- Schlossereien, Schweißereien, Schleifereien, Schmiedenstahl,
19- Stahl-, Leichtmetallbau und Metallkonstruktionen,
20- Maschinen, Apparate und Werkzeugbau,
21- Automobilindustrie und Fahrzeugbau,
22- Luft- und Raumfahrtindustrie,
23- Schiffbau,
24- Elektrotechnik, Elektro- und Elektrotechnikindustrie,
25- Hardwareproduktion,
26- Feinmechanik und Optik,
27- Uhrenindustrie,
28- Eisen-, Blech- und Metallwaren,
29- Musikinstrumente,
30- Spiel- und Sportgeräte,
31- Schmuckwaren
32sowie die zu den erwähnten Wirtschaftszweigen gehörenden Reparatur-, Zubehör-, Montage- Dienstleistungen und sonstige Hilfs- und Nebenbetriebe sowie Zweigniederlassungen, sowie die Betriebe artverwandter Industrie.
33Bei Zweifelsfällen hinsichtlich der Einordnung eines Kundenbetriebs gilt als maßgebliches Entscheidungskriterium der im Kundenbetrieb angewandte Tarifvertrag …
343.
35Persönlich für alle Beschäftigten, die im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung an Kundenbetriebe überlassen werden.“
36Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs im Verfahren 3 Ca 702/14 Arbeitsgericht Münster vom 23.05.2014 zum 30.09.2013, der Ansprüche aus diesem Verfahren unberührt ließ.
37Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum ausschließlich bei der Fa. E GmbH im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung eingesetzt. E GmbH ist eines von vielen Tochterunternehmen der E AG mit Sitz in Paderborn. Im Unternehmen der E GmbH sowie in anderen Tochterbetrieben finden die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Anwendung.
38E GmbH ist ein Dienstleistungsbetrieb, der Aufträge im Bereich „Branch&Store Design“ generiert, anschließend individuelle Einbaulösungen erarbeitet und Kundenfilialen gestaltet, u.a. Filialvorräume von Banken.
39Der Kläger machte zunächst in einem persönlichen Gespräch vom 05.12.2005 sowie weiterhin mit E-Mail vom 21.12.2012 und 10.01.2013 die Branchenzuschläge geltend. Die Beklagte lehnte die Zahlung der Branchenzuschläge mit Schreiben vom 03.01.2013 sowie E-Mail vom 24.12.2012 ab.
40Ansprüche auf Gewährung der tariflichen Branchenzuschläge macht der Kläger nunmehr mit der unter dem 01.02.2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage geltend.
41Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Anwendbarkeit des TV BZ ME ergebe sich schon daraus, dass der Entleiherbetrieb die Tarifverträge der Metall- undElektroindustrie anwende und Mitglied im entsprechenden Arbeitgeberverband sei.
42Jedenfalls ergebe sich die Anwendbarkeit daraus, dass der Kundenbetrieb zu einem im Tarifvertrag ausdrücklich erwähnten Hilfs- und Nebenbetrieb gehöre. Der Kundenbetrieb gehöre der Branche der Elektrotechnik bzw. der Elektro- und Elektrotechnikindustrie an. Es komme seiner Meinung nach nicht allein auf die hergestellten Produkte an, sondern darauf, inwieweit der Kundenbetrieb als Hilfs- bzw Nebenbetrieb für die E AG und deren Tochterunternehmen wie auch der X GmbH tätig werde.
43Der Kläger hat beantragt,
44die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.830,00 € brutto zu zahlen, für den Zeitraum 01.11.2012 bis 30.09.2013 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 250,54 € seit dem 01.01.2013, aus 478,86 € seit dem 01.03.2013, aus weiteren 225,45 € seit dem 01.03.2013, aus weiteren 450,90 € seit dem 01.04.2013, aus weiteren 225,45 € seit dem 01.05.2013, aus weiteren 384,06 € seit dem 01.05.2013, aus weiteren 768,12 € seit dem 01.06.2013, aus weiteren 384,06 € seit dem 01.07.2013, aus weiteren 437,79 € seit dem 01.07.2013 und aus jeweils 875,59 € seit dem 01.08., 01.09. und 01.10.2013.
45Die Beklagte hat beantragt,
46die Klage abzuweisen.
47Sie hat die Auffassung vertreten, der Anwendungsbereich des TV BZ ME sei nicht eröffnet. Das Eingreifen des Anwendungsbereichs sei in einem abgestuften Prüfungsschema zu prüfen. Es sei zunächst festzustellen, ob es sich beim Kundenbetrieb um eine eigenständige, abgrenzbare Betriebseinheit handele. Es sei auszuschließen, dass der Kundenbetrieb dem Handwerk zuzuordnen sei. Es sei zu prüfen, ob der Kundenbetrieb einer der nach § 1 Nr. 2 genannten Katalogbranchen zugeordnet werden könne. Sofern kein Betrieb der Katalogbranche vorliege, sei zu prüfen, ob es sich um einen zu den Wirtschaftszweigen gehörenden Reparatur-, Zubehör-, Montage-, Dienstleistungs- oder sonstigen Hilfs- und Nebenbetrieb und eine Zweigniederlassung oder einen Betrieb artverwandter Industrien handele. Weiterhin sei die Frage, ob im Kundenbetrieb ein Tarifvertrag angewandt wird oder die freiwillige Anwendung des TV BZME durch das Zeitarbeitsunternehmen zu prüfen.
48Danach sei festzustellen, dass es sich beim Kundenbetrieb um einen Betrieb handele, der den arbeitstechnischen Zweck habe, Aufträge im Bereich Branch- und Storedesign zu generieren sowie daran anschließend kundenindividuelle Einbaulösungen zu erarbeiten und Kundenfilialen zu gestalten. Konkret würden Filialvorräume von Banken gestaltet. Die Planung sei umfassend von der Gestaltung der Fußböden über Wände, Decken, bis hin zu Ausstattung der Filialen mit Kontoauszugsdruckern und Geldautomaten. Bzgl. der Kontoauszugsdrucker und Geldautomaten sei festzustellen, dass E GmbH als Kundenbetrieb herstellerunabhängig arbeite und eine Produktion nicht stattfinde. Der Zweck des Kundenbetriebes sei dem Dienstleistungssektor zuzurechnen. Es handele sich nicht um einen Katalogbetrieb, denn es sei, wie sich aus „Industrie“ dokumentiere, die Intention, produzierende Betriebe zu erfassen.
49Die Beurteilung des Kundenbetriebes habe auch rein betriebsbezogen und nicht unternehmens- oder konzernbezogen zu erfolgen. Es handele sich bei dem Kunden auch um keinen Nebenbetrieb im Sinne des Tarifvertrags. Nebenbetrieb sei nur eine Betriebsstätte, die mittels einer selbständigen Betriebsorganisation und einer in sich geschlossenen Betriebsfunktion unter eigener Leitung einen eigenen Betriebszweck verfolge, die aber wirtschaftlich dermaßen mit dem Hauptbetrieb verknüpft sei, dass sich der Betriebszweck des Nebenbetriebes nur als Unterstützungsleistung des Hauptbetriebes verstehen lasse ohne den der Hauptbetrieb seinen Betriebszweck nicht erreichen könne. Haupt- und Nebenbetrieb müssten denselben Inhaber haben.
50E GmbH verfüge aber über eine eigene Rechtspersönlichkeit. Sie sei also nicht zur E AG oder einem anderen Betrieb der E AG zu zählen, könne folglich kein Nebenbetrieb im Sinne des TV BZ ME sein. Der Zweifelsregelung in § 1 Ziff. 2 Satz 4 komme kein Gewicht zu, da es sich um keinen Zweifelsfall handele.
51Das Arbeitsgericht hat eine Anfrage an die IG Metall zum Verständnis des Wortlauts im Geltungsbereich des TV BZ ME gerichtet, die diese unter dem 09.07.2013 beantwortet hat. Insoweit wird auf das Schreiben der IG Metall (Bl. 188 GA) Bezug genommen:
52Mit Urteil vom 21.01.2014 hat das Arbeitsgericht die Beklagte antragsgemäß mit Ausnahme bestimmter Zinsansprüche verurteilt.
53Zur Begründung hat es ausgeführt, der TV BZ ME komme kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung zur Anwendung.
54Der persönliche Anwendungsbereich nach § 1 Nr. 3 sei eröffnet.
55Ferner sei der Kläger länger als 6 Wochen ununterbrochen und im streitgegenständlichen Zeitraum durchgehend bei dem Kundenbetrieb eingesetzt, so dass auch die Voraussetzung des § 2 Abs. 2 TV BZME vorliege.
56Nach Auffassung der Kammer sei auch der fachliche Anwendungsbereich des Tarifvertrages aus § 1 Nr. 2 gegeben. Die Beklagte habe den Kläger im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung bei der E GmbH eingesetzt, die die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie anwende. Es handelt sich bei dieser um einen Kundenbetrieb, der ein zum erwähnten Wirtschaftszweig „Hardwareproduktion“ gehörender Dienstleistungsbetrieb sei. Es handele sich bei dem Kundenbetrieb unstreitig nicht um einen Betrieb des produzierenden Gewerbes. Allerdings handele es sich um einen zum Wirtschaftszweig Metall und Elektro gehörenden Dienstleistungsbetrieb, der entsprechend der Zweifelsregelung die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie anwende und somit aufgrund der Zweifelsregelung als Kundenbetrieb der Metall- und Elektroindustrie gelte. Die Regelung in § 1 Nr. 2 Satz 2 TV BZME sei auch nicht so zu verstehen, dass auch die Reparatur-, Zubehör- und Montage- und Dienstleistungsbetriebe gleichzeitig auch Hilfs- und Nebenbetriebe sein müssen. Die Nennung der Dienstleistungs-, Reparatur-, usw.-Betriebe wäre nicht erforderlich gewesen, wenn hierfür jeweils Voraussetzung wäre, dass es sich um Neben- oder Hilfsbetriebe handeln müsse und somit die Identität des Betriebsinhabers erforderlich wäre. Wenn man dies hätte statuieren wollen, hätte es gereicht, die Aufzählung der Dienstleistungs- usw.- Betriebe zu unterlassen und zu formulieren „sowie die zu den erwähnten Wirtschaftszweigen gehörenden Hilfs- und Nebenbetriebe und Zweigniederlassungen“.
57Auch die IG Metall habe die Frage klar dahingehend beantwortet, dass aus Sicht der IG Metall als vertragschließender Tarifvertragspartei die rechtliche Selbständigkeit kein Kriterium sei.
58Danach komme nach Auffassung des Gerichts gerade die Zweifelsregelung bzgl. der Frage, ob der Kundenbetrieb die Tarifverträge Metall und Elektro anwende, zum Tragen.
59Die Ansprüche seien der Höhe nach unstreitig. Bzgl. der Zinshöhe habe der Kläger die übertarifliche Zulage nicht berücksichtigt, was zur Teilabweisung in der Zinsentscheidung geführt habe.
60Gegen das unter dem 14.02.2014 zugestellte Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe im Übrigen Bezug genommen wird, hat die Beklagte unter dem 17.02.2014 Berufung zum Landesarbeitgericht eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 14.05.2014 unter dem 14.05.2014 begründet.
61Sie verbleibt bei ihrer Auffassung, der fachliche Geltungsbereich sei für den Entleiherbetrieb nicht eröffnet. Bei diesem handele es sich um einen Dienstleistungsbetrieb, der Vorräume von Banken gestalte. Auftraggeber seien Banken, er erarbeite kundenindividuelle Lösungen beim Einbau von Hardwaresystemen, wie Geldautomaten und Kontoauszugsdruckern.
62Für die Einordnung sei dabei auf den Betrieb abzustellen.
63Der Entleiherbetrieb unterfalle dabei nicht dem Katalog nach § 1 Ziffer 2 Satz 2 des TV BZ ME, er sei schon kein Industriebetrieb.
64Auch handele es sich nicht um einen Dienstleistungsbetrieb im Sinne der Tarifregelung, weil solche Betriebe nur erfasst seien, soweit es sich um einen Hilfs- oder Nebenbetrieb handele. Dies ergebe sich aus dem Tarifwortlaut, der nur Beispiele für Hilfs- und Nebenbetriebe nenne. Die Eigenschaft als Hilfs- oder Nebenbetrieb erfordere jedoch eine Inhaberidentität.
65Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe auch die IG Metall die gestellte Frage nicht im Sinne des Klägers beantwortet.
66Die Zweifelreglung des Tarifvertrages komme daher nicht zur Anwendung.
67Die Beklagte beantragt,
68das Urteil des Arbeitsgerichts Münster abzuändern und die Klage abzuweisen.
69Der Kläger beantragt,
70die Berufung zurückzuweisen.
71Er verbleibt seinerseits bei seiner Auffassung, der TV BZ ME komme allein schon deswegen zur Anwendung, weil der Entleiherbetrieb die Tarifverträge für die Metall- und Elektroindustrie NRW anwende.
72Richtigerweise sei zudem das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass der Geltungsbereich einschlägig sei, da es sich bei dem Entleiherbetrieb um einen Dienstleistungsbetrieb handele, eine Eigenschaft als Hilfs- oder Nebenbetrieb sei nicht erforderlich. Es komme lediglich darauf an, inwieweit der Entleiherbetrieb für dieE AG oder deren Tochterunternehmen tätig werde.
73Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
74Entscheidungsgründe
75Die Berufung der Beklagten ist zulässig und auch begründet.
76A.
77Durchgreifende Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen nicht.
78Die Berufung ist statthaft gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 b) ArbGG.
79Die Berufung ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 517 ff. ZPO.
80B.
81Die Berufung der Beklagten ist auch begründet.
82Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bezahlung von Branchenzuschlägen nach dem TV BZ ME.
83I.
84Unter den Parteien besteht kein Streit darüber, dass der TV BZ ME über die Bezugnahmeklausel in Ziffer 1.1 des Arbeitsvertrages vom 11./12.03.2010 grundsätzlich zur Anwendung kommen kann, sofern der fachliche Geltungsbereich des TV BZ ME einschlägig ist, weil es sich dann um einen einschlägigen Tarifvertrag handelt.
85II.
86Der fachliche Geltungsbereich aus § 1 Ziffer 2. TV BZ ME ist jedoch nicht eröffnet.
87Der Entleiherbetrieb, bei dem der Kläger während der Dauer des Arbeitsverhältnisses eingesetzt war, stellt keinen Kundenbetrieb im Sinne des tariflichen Geltungsbereichs dar.
881)
89Abzustellen ist nach dem eindeutigen Wortlaut in § 1 Ziff. 2. auf den Betrieb. Die Tarifvertragsparteien verwenden insoweit einen Begriff, der in der tariflichen und betrieblichen Praxis eine feststehende Bedeutung hat, mit dem eine bestimmte Organisationseinheit bezeichnet wird.
90Maßgeblich war daher, welchem Wirtschaftszweig der Betrieb der E GmbH, bestehend aus den Betriebsstätten in Münster und Paderborn, zuzuordnen ist.
912)
92Die Bereichsausnahme für Betriebe des Handwerks kam dabei streitlos nicht in Betracht.
933)
94Der fachliche Geltungsbereich des TV BZ ME ist nicht schon deswegen von vornherein einschlägig, weil der Entleiherbetrieb die Tarifverträge für die Metall- und Elektroindustrie auf alle Arbeitsverhältnisse anwendet und selbst an diese Tarifverträge tarifgebunden ist.
95Der tarifliche fachliche Geltungsbereich stellt maßgeblich auf den Wirtschaftszweig des Kundenbetriebes ab und nicht auf einen dort zur Anwendung kommenden Tarifvertrag. Die Anwendung eines bestimmten Tarifvertrages soll vielmehr nur Kriterium der Einordnung „bei Zweifelsfällen“ sein, was es ausschließt, vorrangig und maßgeblich auf dieses Kriterium abzustellen.
964)
97Der Entleiherbetrieb unterfällt auch nicht einem der Wirtschaftszweige, wie sie abschließend in § 1 Ziffer 2. Satz 2 genannt sind.
98a)
99Die Auslegung tariflicher Bestimmungen hat entsprechend den Grundsätzen der Gesetzesauslegung zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Über den reinen Tarifwortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnormen dann mit zu berücksichtigen, sofern und soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben.
100Hierzu ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, der häufig schon deswegen mit berücksichtigt werden muss, weil nur daraus und nicht aus der einzelnen Tarifnorm auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien geschlossen und nur so bei Mitberücksichtigung des tariflichen Gesamtzusammenhanges der Sinn und Zweck der Tarifnormen zutreffend ermittelt werden kann (BAG 12.12.1973, EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 1; BAG 12.09.1984, EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 14; Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 1 Rz. 397 und 399).
101Erst dann, wenn bei entsprechender Auswertung des Tarifwortlauts und des tariflichen Gesamtzusammenhangs als den in erster Linie heranzuziehenden Auslegungskriterien im Einzelfall noch Zweifel bleiben, kann zur Ermittlung des wirklichen Willens der Tarifvertragsparteien auf weitere Kriterien wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages zurückgegriffen werden, wobei jedoch keine Bindung an eine bestimmte Reihenfolge bei der Heranziehung der weiteren Auslegungsmittel gegeben ist. Maßgeblich sind jedoch zunächst zwingend die am Tarifwortlaut orientierten Auslegungsmittel des Tarifwortlauts und des tariflichen Gesamtzusammenhanges zu berücksichtigen (BAG 12.09.1984, aaO; BAG 10.11.1993, EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 70).
102b)
103Unter Berücksichtigung dieser Kriterien konnte der Entleiherbetrieb nicht einem der katalogmäßig aufgezählten Wirtschaftszweige zugeordnet werden.
104Hardwareproduktion führt die Entleiherin unstreitig nicht aus, sondern beschränkt sich auf Dienstleistungen in Form der Entwicklung kundenindividueller Gestaltungen.
105Alle im Katalog genannten Wirtschaftszweige sind dadurch gekennzeichnet, dass gegenständliche Werke erstellt oder zumindest bearbeitet werden.
106Das Unterfallen des Entleiherbetriebes, der keine Hardware selbst erstellt, unter den Wirtschaftszweig der Elektrotechnik oder der Elektroindustrie scheidet dabei schon deswegen aus, weil die Tarifvertragsparteien ausschließlich die Hardwareproduktion als einschlägig angesehen haben. Daraus ergibt sich in Abgrenzung und im Umkehrschluss, dass die „bloße“ Erstellung von IT-Lösungen nicht dem Geltungsbereich unterfallen soll.
107c)
108Der Entleiherbetrieb fällt schließlich auch nicht als „Dienstleistungsbetrieb“ für eine Hardwareproduktion unter den fachlichen Geltungsbereich.
109aa)
110Auch der Charakter eines Dienstleistungsbetriebes erfordert, damit der fachliche Geltungsbereich eröffnet ist, die Qualifikation als Hilfs- oder Nebenbetrieb.
111Dies ergibt die Auslegung des § 1 Ziffer 2. Satz 2 TV BZ ME.
1121.
113Die maßgebliche Regelung ist noch der Auslegung zugänglich. Der Wortlaut „… und sonstigen Hilfs- und Nebenbetrieben“ lässt noch beide Auslegungsvarianten zu, dass die zuvor genannten Arten von Betrieben auch die Qualifikation als Hilfs- oder Nebenbetrieb haben müssen, als auch die, dass die genannten Betriebsarten selbständig neben den Hilfs- und Nebenbetrieben erfasst werden sollten.
1142.
115Das allgemeine Sprachverständnis führt jedoch zur Annahme, auch ein Dienst-leistungsbetrieb falle nur unter den Geltungsbereich, wenn er gleichzeitig einen Hilfs- oder Nebenbetrieb darstellt.
116Dies ergibt sich aus dem Wortlaut „und sonstigen“.
117Dieser Begriff ist in dem Sinne zu verstehen, dass die zuvor genannten Betriebsarten nur als bestimmte, besonders prägnante Arten von Hilfs- oder Nebenbetrieben erwähnt sind. „Sonstige“ weißt darauf hin, dass auch andere Hilfs- und Nebenbetriebe erfasst sein sollen, auch wenn sie nicht einer der ausdrücklich genannten Betriebsarten unterfallen. Erwähnt sind damit „weitere“ Hilfs- und Nebenbetriebe.
118Hätten die vier genannten Betriebsarten generell unter den Geltungsbereich gefasst werden sollen, wäre es erforderlich gewesen, den Begriff „sonstige“ entfallen zu lassen, stattdessen zu formulieren „ … und Hilfs- und Nebenbetriebe“. Mit der Begrifflichkeit des „sonstige“ wird gerade eine Einheitlichkeit der Eigenschaft von Betrieben als Hilfs- oder Nebenbetrieb herbeigeführt.
1193.
120Das entsprechende Verständnis ergibt sich auch aus dem Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelung nach Sinn und Zweck.
121Hätten die genannten Betriebsarten ohne Rücksicht auf die Eigenschaft alsHilfs- oder Nebenbetrieb erfasst sein sollen, würde dies zu einer Ausweitung des Geltungsbereichs auf Betriebe führen, die nichts mehr mit dem Bereich der Metall- und Elektroindustrie zu tun haben. Beispielsweise wären Betriebe erfasst, die für die bloße Logistik zuständig sind. Das Erfassen solcher Betriebe soll und kann ersichtlich nur gerechtfertigt sein, wenn eine Inhaberidentität mit dem Hauptbetrieb besteht.
122Dem Verständnis steht auch die Auskunft der IG Metall vom 09.07.2013 nicht entgegen.
123Diese ergibt zwar, dass auf den Betriebszweck und die Verbundenheit mit dem Produktionsbetrieb abzustellen sein soll, klärt aber im Übrigen nur die Frage, dass es auf eine rechtliche Selbständigkeit nicht ankommen soll, was auch gerade schädlich wäre. Selbst wenn die Auskunft im Sinne des Klägers zu verstehen wäre, ist sie nicht maßgeblich, da ein solches Verständnis im Wortlaut des Tarifvertrages keinen ausreichenden Niederschlag gefunden hätte.
124bb)
125Um einen Hilfs- oder Nebenbetrieb zu einem Hauptbetrieb handelt es sich bei dem Entleiherbetrieb nicht.
126Zwar definiert der Tarifvertrag selbst nicht, was unter einem Hilfs- oder Nebenbetrieb zu verstehen ist. Es ist dann aber auf die im Arbeits- und Wirtschaftsleben geltenden Begriffsinhalte abzustellen (BAG 25.04.1995, DB 1995, 2071). Für den Charakter eines Hilfs- oder Nebenbetriebes ist seit Jahren in der Rechtsprechung geklärt, dass hierfür eine Identität zwischen Inhaber dieses Betriebes und eines Hauptbetriebes gegeben sein muss (z.B. BAG 01.04.1987, DB 1987, 1643).
127Verwenden die Tarifvertragsparteien daher diese Formulierung, ist davon auszugehen, dass sie die Begrifflichkeit in der üblichen Form verstanden wissen wollen.
128Soweit sie den Begriffen einen anderen Bedeutungsgehalt als dem im Wirtschaftsleben üblichen beilegen wollen, bedarf es der entsprechenden Klarstellung.
129Vorliegend enthält der Tarifvertrag keinerlei Hinweise darauf, dass den Begriffen des Hilfs- oder Nebenbetriebes ein anderes Verständnis zukommen sollte als nach dem allgemeinen Rechtssinn.
130cc)
131Die tarifliche Reglung für Zweifelsfälle ist daher für die Entscheidung des Rechtsstreits ohne Bedeutung, da diese einen „Zweifelsfall“ voraussetzt, der jedoch nicht gegeben ist.
132C.
133Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits als unterlegene Partei nach § 91 ZPO zu tragen.
134Die Revision war nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen

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(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.
(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.
(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.
(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.
(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.
(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.