Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 23. Sept. 2015 - 7 Sa 144/15

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2015:0923.7SA144.15.0A
bei uns veröffentlicht am23.09.2015

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Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Az.: 10 Ca 1243/14 - vom 14. Januar 2015 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin Branchenzuschläge aus dem Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassungen in der Metall- und Elektroindustrie vom 22. Mai 2012 (im Folgenden: TV BZ ME) für die Monate Januar 2014 bis April 2014 beanspruchen kann.

2

Die Klägerin ist seit dem 1. Januar 2014 von der Beklagten als Leiharbeitnehmerin im Wege der Arbeitnehmerüberlassung bei der Firma Z. GmbH in Y-Stadt (im Folgenden: Firma Z.) eingesetzt. Die Firma Z. ist eine hundertprozentige Tochter der W. GmbH mit Sitz in V.-Stadt. Die W. Gruppe als Holdinggesellschaft gehört dem Logistikverband BVL an.

3

Nach dem Handelsregisterauszug (Blatt 177 bis 179 d. A.) hat die Firma Z. den Unternehmensgegenstand "Planung und Entwicklung logistischer Konzepte und Systeme und die mit deren Betrieb zusammenhängenden Dienstleistungen, wie Lagerung, Anarbeitung, Montage von Zulieferteilen zu Modulen und Systemen sowie die Sequenzversorgung der Automobilindustrie".

4

Die Firma U. AG (im Folgenden: Firma U.) ist alleiniger Geschäftspartner der Firma Z..

5

Der von den Parteien unter dem 4. Dezember 2013 geschlossene Arbeitsvertrag enthält unter anderem in § 1 eine Bezugnahme auf Tarifverträge sowie in § 18 Ausschlussfristen. Wegen seines Inhalts im Einzelnen wird auf Bl. 9 ff. d. A. Bezug genommen.

6

Die Klägerin ist Mitglied der IG Metall. Die Beklagte ist Mitglied der Arbeitgebervereinigung iGZ e. V.

7

Der zwischen dem Bundearbeitgeberverband der Personaldienstleister e. V. (BAP) und der iGZ – Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e. V. einerseits und dem IG Metall Vorstand andererseits abgeschlossene TV BZ ME enthält - soweit im vorliegenden Rechtsstreit von Interesse - folgende Regelungen:

8

"§ 1 Geltungsbereich

9

Dieser Tarifvertrag gilt:

10

1. Räumlich. Für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland;
2. Fachlich: Für die tarifgebundenen Mitgliedunternehmen des Bundesarbeitsverband der Personaldienstleister e.V. (BAP) und des Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V. (iGZ), die im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung Beschäftigte in einen Kundenbetrieb der Metall- und Elektroindustrie einsetzen. Als Kundenbetrieb der Metall- und Elektroindustrie gelten die Betriebe folgender Wirtschaftszweige, soweit sie nicht dem Handwerk zuzuordnen sind:

11

- NE-Metallgewinnung und -verarbeitung, Scheideanstalten
- Gießereien
- Ziehereien, Walzwerk und Stahlverformung
- Schlossereien, Schweißereien, Schleifereien, Schmieden
- Stahl-, Leichtmetallbau und Metallkonstruktionen
- Maschinen-, Apparate- und Werkzeugbau
- Automobilindustrie und Fahrzeugbau
- Luft- und Raumfahrtindustrie
- Schiffbau
- Elektrotechnik, Elektro- und Elektrotechnikindustrie
- Hardwareproduktion
- Feinmechanik und Optik
- Uhren-Industrie
- Eisen-, Blech- und Metallwaren
- Musikinstrumente
- Spiel- und Sportgeräte
- Schmuckwaren

12

sowie die zu den erwähnten Wirtschaftszweigen gehörenden Reparatur-, Zube-hör-, Montage-, Dienstleistungs- und sonstigen Hilfs- und Nebenbetrieben und Zweigniederlassungen sowie die Betriebe artverwandter Industrien.

13

Bei Zweifelsfällen hinsichtlich der Einordnung eines Kundenbetriebs gilt als maßgebliches Entscheidungskriterium der im Kundenbetrieb angewandte Tarifvertrag. In dem Vertrag gem. § 12 AÜG ist die Branchenzugehörigkeit festzuhalten. Ohne eine eindeutige Angabe des Kundenbetriebs zum angewandten Tarifvertrag kann das Zeitarbeitsunternehmen den TV BZ ME anwenden.

14

Persönlich: Für alle Beschäftigten, die im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung an Kundenbetriebe überlassen werden.

15

§ 2 Branchenzuschlag

16

(1) Arbeitnehmer erhalten bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Dauer ihres jeweiligen Einsatzes im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung in einen Kundenbetrieb der Metall- und Elektroindustrie einen Branchenzuschlag.

17

(2) Der Branchenzuschlag wird für den ununterbrochenen Einsatz im jeweiligen Kundenbetrieb gezahlt. Unterbrechungszeiten einschließlich der Feiertage, Urlaubs- und Arbeitsunfähigkeitstage, die die Dauer von 3 Monaten unterschreiten, sind keine Unterbrechungen im vorgenannten Sinne.

18

(3) Der Branchenzuschlag beträgt nach der Einsatzdauer in einem Kundenbetrieb folgende Prozentwerte:

19

- nach der sechsten vollendeten Woche 15 %
- nach dem dritten vollendeten Monat 20 %
- nach dem fünften vollendeten Monat 30 %
- nach dem siebten vollendeten Monat 45 %
- nach dem neunten vollendeten Monat 50 %

20

des Stundentabellenentgelts des Entgelttarifvertrages Zeitarbeit, abgeschlossen zwischen dem Bundesverband Zeitarbeit Personaldienstleis-tungen e. V. – BZA - und der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit (im Folgenden ETV BZA) bzw. des Entgelttarifvertrages, abgeschlossen zwischen dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e. V. - iGZ - und der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit (im Folgenden ETV iGZ), je nach Einschlägigkeit.

21

(4) Der Branchenzuschlag ist auf die Differenz zum laufenden regelmäßig gezahlten Stundenentgelt eines vergleichbaren Arbeitnehmers des Kundenbetriebs beschränkt.

22

Bei der Feststellung des Vergleichsentgelts im Kundenbetrieb bleibt das Äquivalent einer durchschnittlichen Leistungszulage der Branche unberücksichtigt.

23

Der Kundenbetrieb hat das regelmäßig gezahlte Stundenentgelt eines vergleichbaren Arbeitnehmers nachzuweisen.

24

(5) Der Branchenzuschlag ist nicht verrechenbar mit sonstigen Leistungen jedweder Art.

25

Der Branchenzuschlag ist jedoch anrechenbar auf gezahlte übertarifliche Leistungen.

26

Bestehende einzelvertragliche Regelungen, aus denen sich für die Beschäftigten günstigere Arbeits- und Entgeltbedingungen ergeben als aus diesem Tarifvertrag und den Tarifverträgen für BZA und iGZ , werden durch diesen Tarifvertrag nicht berührt.

27

(6) Der Branchenzuschlag ist Teil des festen tariflichen Entgelts gemäß § 13.2 MTV BZA bzw. Teil der Grundvergütung gemäß § 2 Abs. 1 Entgelttarifvertrag iGZ.

28

§ 3 Änderung von tarifvertraglichen Bestimmungen

29

Erhält der Arbeitnehmer einen Branchenzuschlag nach diesem Tarifvertrag, entfallen Ansprüche auf Zuschläge nach § 4 ETV BZA bzw. § 5 ERTV iGZ.

30

§ 4 Abweichende Vereinbarungen im Kundenbetrieb

31

(1) Das Entgelt des Arbeitnehmers ergibt sich aus den Entgelttarifverträgen BZA/iGZ in Verbindung mit § 2 dieses Tarifvertrages.

32

(2) Das Zeitarbeitsunternehmen informiert den überlassenen Beschäftigten ab Kenntnis über Vereinbarungen im Kundenbetrieb über Leistungen für den Zeitarbeitsbeschäftigten.

33

(3) Solche Regelungen sind in die vertragliche Vereinbarung zwischen Zeitarbeitsunternehmen und Kundenbetrieb aufzunehmen. Demgemäß hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Leistungen entsprechend den betrieblichen Vereinbarungen im Kundenbetrieb."

34

Die Firma Z. hat mit der Bezirksleitung der IG Metall in T-Stadt eigene Haustarifverträge als Rahmen-, Jahressonderzahlungs-, Entgeltrahmen-, und Entgelt-tarifverträge (Bl. 69 ff. d. A.) geschlossen, die im Wesentlichen die üblichen Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie wiederspiegeln.

35

Die Klägerin hat ihre Forderungen mit Schreiben vom 26. März 2014 (Bl. 4 ff. d. A.) bzw. vom 2. Juni 2014 (Bl. 7 f.) geltend gemacht. Sie verfolgt diese mit der am 7. Juli 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 11. Juli 2014 zugestellten Klage weiter.

36

Die Klägerin war der Ansicht,
letztlich gehöre der Einsatzbetrieb zu der Branche, für die der TV BZ ME gelte. Daraus resultiere eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten für eine einsatzbezogene Zulage, die auf das tarifliche Stundenentgelt aufzuschlagen sei, da der Einsatz letztlich bei der Firma Z. über 9 Monate andauere. Sie sei vor ihrem Beschäftigungsbeginn bei der Beklagten bei einem anderen Zeitarbeitsunternehmen (Firma S.) beschäftigt und ebenfalls als Leiharbeitnehmerin im Weg der Arbeitnehmerüberlassung bei der Firma Z. eingesetzt gewesen.

37

Die Voraussetzungen des TV BZ ME seien erfüllt. Die Firma Z. sei ein Kundenbetrieb im Sinn des Tarifvertrages. Sie hat vorgetragen, diese sei auf dem Gelände der Firma U. in Y-Stadt in den Hallen und Bereichen K 175, K 130, K 156 und K 170 tätig. Die Hallen K 130, K 156 und K 170 seien Hallen der Firma U.. In der Halle 170 werde die Endmontage der Kraftfahrzeuge vorgenommen. Ursprünglich habe die Firma U. die gesamte Produktionskette bis hin zum fertigen verkaufs- und funktionsfähigen Fahrzeug selbst abgedeckt. In jüngster Vergangenheit seien die Prozessabläufe umstrukturiert und Teile ausgegliedert worden. Einen Teil decke nunmehr die Firma Z. ab, die in ihrer Tätigkeit genau - auch hinsichtlich von Werksferien und Betriebsversammlungen - auf die Firma U. abgestimmt sei. Falle die Firma Z. aus, stehe die Produktion bei Firma U. innerhalb kürzester Zeit still. Daher sei die Firma Z. vertraglich zu erheblichen Geldstrafen verpflichtet, sollte es aufgrund ihres Ausfalls zum Bandstillstand bei der Firma U. kommen.

38

Bei der Firma Z. gliedere sich der Prozessablauf im Wesentlichen in zwei Bereiche. Dabei handele es sich um die interne Logistik/Materialmanagement und die Produktion (Sequenzierung und Montage). Mehr als 50 % der Beschäftigten würden in diesem Bereich der Produktion eingesetzt.

39

Im Bereich interne Logistik werde eine Vielzahl von Bauteilen externer Zulieferer angenommen, nach innerbetrieblichem Weitertransport erfolge dann die Waren-lieferung an den Kunden. Im Rahmen der Sequenzierung werde seitens der Firma Z. eine Fertigungsreihenfolge nach vom Kunden exakt vorgegebener Kriterien - genau für ein spezielles Auto - gebildet, das heißt die Bauteile würden in eine vom Kunden exakt vorgegebene Reihenfolge gebracht, bearbeitet und dann an den Kunden geliefert.

40

Im Rahmen der Montagetätigkeit würden einzelne Bauteile zusammengefügt, so dass sie dann letztlich im Rahmen der Endfertigungsstellung des Fahrzeugs auf dem Band in dieses Auto eingearbeitet werden könnten. So nehme die Firma Z. Montagetätigkeiten einzelner Bauteile vor, beispielsweise für Schlosssatz, Türkitt, Schalter, Fensterheber, Hochtöner, Türgriffe und Kappe, Querträgerlenkung, Klimagerät/Heizkammer, Armarturtafel, Handschuhkasten, Abdeckung Armartur-tafel unten/Ablagefach Astra, Signalschalter Wischerheber, Verkleidung Längssäule Kreuzgelenk, Himmel, Toolbox, ABS-Hydrounit, Verkleidung B-Säule, Fahrerairbag, Mittelkonsole, Leitungsbündel, Auspuff vorn (Insignia und Astra), Auspuff hinten (Insignia), Beifahrerairbag, Steuergerät Objektwarner, Führung Fenster, Lichtschalter, Klimaleitungen, Motorraumpaket sowie Dekodrin (Insignia). Es existierten hierfür Produktionsplätze, an denen die Mitarbeiter diese Tätigkeiten ausüben könnten. Es handele sich dabei sowohl um einfache Handgriffe (Ineinanderklipsen von Bauteilen), aber auch um Tätigkeiten, zu denen Hilfsmittel benutzt werden müssten, wie beispielsweise Sauger, Druckluftbohrer oder Druckluftschrauber. In einigen Bereichen gebe es sogar speziell eingerichtete eigene Montagelinien. Nach Fertigstellung würden die vormontierten Bauteile ebenfalls in die SILS-Gestelle verbracht und der Produktion zugeführt. Durch die Mitarbeiter der Firma Z. werde der komplette Himmel (Innenverkleidung Autodach) sowie die komplette Mittelkonsole eines Fahrzeugs hergestellt.

41

Die Tätigkeit der Firma Z. sei daher nur dann sinnvoll, wenn man am Ende der Wertschöpfungskette das fertige funktionsfähige Fahrzeug bei der Firma U. betrachte.

42

Selbst wenn man unterstelle, dass die Firma Z. nicht direkt der Automobilindustrie zuzuordnen sei, so greife der Tarifvertrag doch im Hinblick auf die Dienstleistungs- und sonstigen Hilfs- und Nebenbetriebe, auf die er verweise.

43

Letztlich hätten die Tarifvertragsparteien eine entsprechende Anleitungshilfe in ihren Tarifvertrag aufgenommen, daher in § 1 Ziffer 2 postuliert, in Zweifelsfällen gelte hinsichtlich der Einordnung eines Kundenbetriebes als maßgebliches Entscheidungskriterium der im Kundenbetrieb angewandte Tarifvertrag.

44

Es errechneten sich folgende Differenzbeträge: für Januar 2014 467,08 € brutto, für Februar 2014 365,00 € brutto, für März 2014 356,13 € brutto und für April 2014 408,06 € brutto. Entsprechend den tarifvertraglichen Bestimmungen sei das Arbeitsentgelt jeweils am 15. des Folgemonats zur Zahlung fällig.

45

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

46

die Beklagte zu verurteilen, 1.596,27 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz

47

aus 467,08 € brutto seit dem 15. Februar 2014,
aus 365,00 € brutto seit dem 15. März 2014,
aus 356,13 € brutto seit dem 15. April 2014 sowie
408,06 € brutto seit dem 15. Mai 2014 an sie zu zahlen.

48

Die Beklagte hat beantragt,

49

die Klage abzuweisen.

50

Sie hat vorgetragen,
die Firma Z. als Einsatzbetrieb erfülle nicht die Voraussetzungen des TV BZ ME. Diese sei ein Logistikunternehmen, welches der tariflichen Organisationshoheit der Gewerkschaft R. satzungsgemäß unterfalle.

51

Die Firma Z. mache - zusammengefasst - nichts anderes als dafür zu sorgen, dass beim Kunden die Materialkette nicht abreiße, das heißt dass "just in sequence" die richtigen Bauteile an der richtigen Stelle bereitlägen, damit der Kunde ein Automobil produzieren könne.

52

Die Firma Z. sei nicht im Werk der Firma U. in Y-Stadt im Einsatz. Sie erbringe Logistikleistungen in einer eigenen Halle in räumlicher Nähe zum Werk der Firma U.. Den Transport zwischen der Halle der Firma Z. und der Firma U. übernähmen die Lkws der Firma Z.. Zwar sei es richtig, dass in Halle 170 die Endmontage der Fahrzeuge vorgenommen werde. Allerdings sei die Firma Z. nicht in die Endmontage des Fahrzeugs involviert, sondern liefere allein die benötigten Teile mit eigenen Lkws oder Schleppern bis zu den Andockstellen bzw. teilweise zu den Verbaustellen an. Die Fertigung der Automobile selbst werde sodann von der Firma U. durchgeführt.

53

Die Vergütung, die die Firma Z. erhalte, sei kalkuliert auf Basis des Umfangs ihrer Aufgaben. Demgegenüber würden keine Kosten für Güter berechnet, da die Firma Z. keine Güter produziere. Die Firma Z. habe zudem keine vertraglichen Beziehungen zu den einzelnen Lieferanten, vielmehr bestelle der Kunde die benötigten Bauteile, die dann an die Firma Z. geliefert würden. Die Lieferanten berechneten die Kosten gegenüber dem Kunden. Die Firma Z. werde nicht Eigentümer der Bauteile.

54

Der Ablauf bei der Firma Z. untergliedere sich in drei Betriebsbereiche interne Logistik, Sequenzierung und Montage. Die Klägerin fasse den Bereich "Sequenzierung und Montage" unter den Oberbegriff "Produktion".

55

Der Bereich interne Logistik umfasse die Annahme der Bauteile, den internen Transport sowie die Warenauslieferung an den Kunden. Sequenzierung sei die Bildung einer von dem Kunden für die angelieferten Teile vorgegebenen Reihenfolge und die Lieferung „just in sequence“ an den Kunden. Insgesamt gehöre diese Lagertätigkeit zur Logistik im weiteren Sinn und werde auch durch die Montagetätigkeiten in Form des Zusammenfügens einzelner Bauteile nicht zu einer Produktion oder Industrie qualifiziert. Ohnehin seien die Montagetätigkeiten (ein-faches Klipsen und Schrauben) von wenigen Bauteilen im Gesamtvolumen ein untergeordneter Prozess. Für diese würden keine besonderen Produktionsstätten benötigt. Teilweise würden einfachste Hilfsmittel eingesetzt, wie beispielsweise ein Sauger. Der überwiegende Teil werde von Mitarbeitern per Hand erledigt.

56

Der Ablauf stelle sich im Einzelnen wie folgt dar: Nach dem Wareneingang der insgesamt rund 2500 verschiedenen angelieferten Bauteile seitens der Produkt-lieferanten werde die Ware von den Eingangsmitarbeitern mit Staplern aus den Lkws entnommen und in die Lagerzone verbracht. Dabei werde die äußerlich erkennbare Menge und die Unversehrtheit der Behältnisse geprüft. Soweit die Bauteile nicht umgehend benötigt würden, würden sie zwischengelagert. Im Übrigen werde die Ware nachfolgend sequenziert, das heißt, die unterschiedlichen Bau-teile nach Vorgabe des Kunden in eine definierte Reihenfolge gebracht und an definierte Stellen im sogenannten SILS-Gestell eingefügt. Teilweise würden auch Produktgruppen vormontiert und dann in das zutreffende SILS-Gestell verbracht. Die gefüllten SILS-Gestelle würden dann von sogenannten Schlepperfahrern zum Warenausgang verbracht, wo sie auf Lkws geladen und von Lkw-Fahrern der Beklagten zu dem Werk des Kunden verbracht und von der Firma U. dem Produktionsprozess zugeführt würden. Die geleerten Wareneingangsbehältnisse würden von Staplerfahrern abgeholt.

57

Insgesamt verteilten sich die Mitarbeiter der Beklagten prozentual wie folgt auf die drei Bereiche: Sequenzierung 27,4 % (37,90 MA/Schicht, 75,80 MA/Tag), Mon-tage 26,3 % (36,35 MA/Schicht, 72,70 MA/Tag), Logistik 46,3 % (64,00 MA/Schicht, 128,00 MA/Tag).

58

Bei der Firma Z. werde keinerlei Metallverarbeitung vorgenommen. Die gelieferten Bauteile seien überwiegend aus Kunststoff, wie beispielsweise Schalter, Fensterheber, Gurte, Armaturentafeln etc. Eine Produktion von Gütern finde bei der Firma Z. nicht statt.

59

Die Firma Z. sei auch kein Hilfs- und Nebenbetrieb im Sinn des TV BZ ME wie sich aus der Auslegung der Regelung in § 1 Ziffer 2 S. 2 TV BZ ME ergebe. Dazu genüge nicht, dass der Kundenbetrieb ein Reparatur-, Zubehör-, Montage- oder Dienstleistungsbetrieb sei, vielmehr müsse er auch die Voraussetzungen eines Hilfs- und Nebenbetriebes erfüllen, was sich aus der Formulierung "und sonstigen" als Aufzählungsreihenfolge ergebe. Ein Hilfs- und Nebenbetrieb liege jedoch nur vor, wenn zwischen Inhaber des Hilfs-/Nebenbetriebs und des Hauptbetriebes Personenidentität bestehe. In diesem Sinne habe auch die iGZ in ihrer Stellungnahme (Blatt 196 ff. der Akten) die Auslegung der tariflichen Regelung verstanden.

60

Letztendlich habe die Klägerin den Fälligkeitszeitpunkt falsch bestimmt. Die Löhne würden erst zum 15. Bankarbeitstag des auf den Abrechnungsmonat folgenden Monats fällig. Darüber hinaus müsse für den Fall, dass der Klägerin Branchenzuschläge zustünden, diese sich die übertariflichen Zuschläge und Zulagen, die die Beklagte bisher bezahlt habe, anrechnen lassen.

61

Das Arbeitsgericht Mainz hat die Klage durch Urteil vom 14. Januar 2015 abgewiesen.

62

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung der von ihr geltend gemachten Branchenzuschläge. Der Anwendungsbereich des TV BZ ME sei nach seinem § 1 nicht eröffnet. Bei dem Kundenbetrieb der Firma Z. handele es sich weder um einen Katalogbetrieb im Sinn des § 1 Ziffer 2 noch um einen Hilfs- und Nebenbetrieb oder eine artverwandte Industrie. Auf die Zweifelsregelung des § 1 Ziffer 2 Abs. 2 komme es daher nicht an.

63

Das ergebe eine Auslegung des § 1 TV BZ ME. Für die Beurteilung habe die Kammer die von den Parteien zugrunde gelegten Tätigkeitsbereiche interne Logistik, Sequenzierung und Montage mit den von der Beklagten dargestellten prozessualen Anteilen der Arbeitsleistung der Arbeitnehmer zugrunde gelegt, wonach der Bereich Montage nur circa 26 % der Arbeitnehmertätigkeiten binde. Die Tätigkeiten im Bereich interne Lagerwirtschaft, Logistik und Sequenzierung seien dagegen nicht dem Bereich Automobilindustrie/Fahrzeugbau zuzuordnen, sondern dem Bereich Logistik (Kontraktlogistik).

64

Vorliegend handele es sich auch nicht um einen Hilfs- und Nebenbetrieb im Sinn des § 1 Ziffer 2 Abs. 2 TV BZ ME. Da der Tarifvertrag selbst nicht definiere, was unter einem Hilfs- oder Nebenbetrieb zu verstehen sei, sei auf im Rechtsverkehr übliche, hilfsweise auf die im Arbeits- und Wirtschaftsleben geltenden Begriffsinhalte abzustellen. Für den Charakter eines Hilfs- oder Nebenbetriebs sei erforderlich, dass eine Identität zwischen Inhaber des Neben- oder des Hilfsbetriebs und des Hauptbetriebs gegeben sei. Unternehmen, die selbstständig betrieben würden, könnten mit einzelnen Betrieben nicht Hilfs- oder Nebenbetrieb eines anderen Unternehmens sein, weil das selbstständige Unternehmen durch seinen eigenen Betriebszweck charakterisiert werde. Der Betrieb der Firma Z. sei ein juristisch eigenständiges Unternehmen mit eigenem Betriebszweck. Dieser werde mit eigenen Betriebsmitteln und eigenen Mitarbeitern unter eigenständiger Leitung verwirklicht. Allein die Tatsache, dass sich die Beklagte hinsichtlich der Verrichtung ihrer Tätigkeiten in einer der Firma Q. und nicht der Firma U. gehörenden Halle in unmittelbarer Nähe auf dem Gelände der Firma U. befinde, lasse diesen abgrenzbaren eigenständigen Betriebszweck des selbstständigen Unternehmens nicht entfallen. Dass der Begriff "Hilfs- und Nebenbetrieb" im Sinn des TV BZ ME einschränkend auszulegen sei, folge auch aus einem Vergleich der Regelungen im Geltungsbereich des § 1 TV BZ ME zur Satzung der vertragsschließenden beteiligten IG Metall. Es genüge vorliegend zur Öffnung des Anwendungsbereichs nicht, dass die Firma Z. als Kundenbetrieb auch Montage durchführe oder Dienstleistungen im Bereich Logistik erbringe. Die Aufzählung der zu den erwähnten Wirtschaftszweigen gehörenden Reparatur-, Zubehör-, Montage- und Dienstleistungsbetriebe werde durch das anschließende "und sonstige Hilfs- und Nebenbetriebe" charakterisiert. Der sprachliche Zusammenhang bringe dabei zum Ausdruck, dass Oberbegriff der tariflichen Regelung der Begriff der "Hilfs- oder Nebenbetriebe" sei, die vorherige Aufzählung einzelner Nebenbetriebstätigkeiten nur beispielhaft sein solle und die Voraussetzung, dass diese einen Hilfs- oder Nebenbetrieb darstellten, nicht ersetze.

65

Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz (Bl. 218 ff. d. A.) Bezug genommen.

66

Das genannte Urteil ist der Klägerin am 27. Februar 2015 zugestellt worden. Die Klägerin hat hiergegen mit einem am 24. März 2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 23. März 2015 Berufung eingelegt und diese innerhalb der durch Beschluss vom 20. April 2015 bis zum 27. Mai 2015 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit am 27. Mai 2015 eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag begründet.

67

Zur Begründung der Berufung macht die Klägerin nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 256 ff. d. A.), unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags zusammengefasst geltend, mit dem TV BZ ME hätten die Tarifvertragsparteien für die vom Werkunternehmer im Hauptbetrieb beschäftigten Leiharbeitnehmer - gestaffelt nach der Einsatzdauer im jeweiligen Kundenbetrieb - einen gewissen Ausgleich zur Entgelthöhe der Stammbeschäftigten schaffen wollen.

68

Nach der Definition des Kundenbetriebs in § 1 Ziffer 2 TV BZ ME gälten als Kundenbetrieb der Metall- und Elektroindustrie alle Betriebe der Automobilindustrie. Nach ihrem Verständnis umfasse der Wirtschaftszweig der Automobilindustrie über die Betriebe der Autohersteller und der Automobilzulieferer hinaus den gesamten Wertschöpfungsprozess zur Herstellung des Automobils, angefangen bei Forschung und Entwicklung bis hin zur Vermarktung. Eingeschlossen seien auch Montage- und Logistikbetriebe, die Teilaufgaben bei der Herstellung von Automobilen übernähmen.

69

Vorliegend beinhalteten die von der Firma Z. übernommenen Aufgaben die Warenannahme der von der Firma U. bestellten Bauteile, die Vorsortierung für die Montage im Sinne der Sequenzierung und die Vormontage von circa 85 Teilegruppen und circa 18 Vormontagen und Anlieferung direkt an die Montagelinie genau an jeweils die Stellen, an denen die vorsortierten bzw. vormontierten Bauteile benötigt würden.

70

Die Firma Z. erbringe ihre Leistungen nicht im Rahmen des Kundenauftrags eigenständig in dem Sinne, dass sie selbst eigene Systemlösungen für die interne Logistik entwickle und anwende. Die Aufgaben, die die Firma Z. von der Firma U. übernommen habe, seien vielmehr Teil des Supply Chain-Managements der Firma U.. Die Entscheidungsbefugnisse der Firma Z. beschränkten sich ausschließlich auf den Personaleinsatz, wobei die Anzahl der benötigten Arbeitskräfte ebenfalls durch das von der Firma U. vorgegebene System bestimmt werde. Die Supply Chain der Firma U. sei Teil der Wertschöpfungskette zur Herstellung der Fahrzeuge. In diesem Sinn seien sämtliche von der Firma Z. im Werk Y-Stadt verrichteten Tätigkeiten unmittelbar in die Automobilproduktion eingebunden und daher dem Wirtschaftszweig der Automobilindustrie im Sinn des TV BZ ME zuzuordnen. Der Begriff der Automobilindustrie könne nicht auf die Endproduktion reduziert werden. Die IG Metall bewerte unter dem Oberbegriff Industrielogistik diese Tätigkeiten zur Branche der Automobilindustrie, da sie als Teil der Wertschöpfungskette in die Branche der Automobilindustrie eingebunden seien. Unerheblich sei, dass bei der Firma Z. Kunststoffteile vormontiert würden. Auch auf den Schwierigkeitsgrad der Montagetätigkeiten komme es nicht an. Ebenso sei die Verformung von Materialien nicht konstitutiv für den Begriff der Automobilindustrie. Entscheidend sei, dass ohne die werksinterne Logistik und gegebenenfalls Vormontage kein Automobil hergestellt werden könne.

71

Das Arbeitsgericht habe außerdem den Begriff der Hilfs- und Nebenbetriebe unzutreffend ausgelegt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Auslegung von Tarifverträgen müssten bei der Auslegung eines unbestimmten Oberbegriffs (hier, wenn man das als Oberbegriff begreife: "Hilfs- und Nebenbetriebe") die Regelbeispiele berücksichtigt werden. Sei der Einsatzbetrieb ein zur Automobilindustrie gehörender Montage- und Dienstleistungsbetrieb, so brauche nicht mehr geprüft zu werden, ob auch zugleich die Voraussetzungen eines Hilfs- oder Nebenbetriebes vorlägen.

72

Aber auch, wenn man gesondert überprüfe, ob ein Hilfs- oder Nebenbetrieb vorliege, stehe dies dem Anspruch auf den Branchenzuschlag vorliegend nicht entgegen. Es komme nicht auf die Branchenzuordnung des Einsatzbetriebes an. Vielmehr mache die vom Tarifvertrag angeordnete Erstreckung des fachlichen Geltungsbereichs nur dann einen Sinn, wenn die in § 1 Ziffer 2 2. Hs. TV BZ ME genannten Betriebe außerhalb der eigentlichen Automobilindustrie tätig seien.

73

Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts könne nicht eingewandt werden, dass Haupt- und Nebenbetrieb denselben Inhaber haben, also zum selben Unter-nehmen gehören müssten. In der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 1. April 1987 (4 AZR 77/86) sei es um einen Tarifvertrag gegangen, der seinen Geltungsbereich auf "alle Unternehmen des Einzelhandels (…) einschließlich ihrer Hilfs- und Nebenbetriebe" definiert habe. Auch im Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25. April 1995 (3 AZR 528/94) sei es um die Auslegung eines Tarifvertrags gegangen, der seinen fachlichen Geltungsbereich "für alle (…) selbstständigen Nebenbetriebe oder Betriebsabteilungen gewerblicher Unternehmen mit landwirtschaftlichem (…) Charakter" festgelegt habe. Der TV BZ ME enthalte keinen Unternehmensbezug. § 1 Ziffer 2 TV BZ ME stelle vielmehr ausschließlich auf den Betriebsbegriff ab. Betriebe könnten durchaus verschiedene Inhaber haben und trotzdem im Verhältnis von Hauptbetrieb zu Hilfs- oder Nebenbetrieb stehen. Dies ergebe sich auch aus der Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages. Die Tarifvertragsparteien hätten nämlich in den vorliegend entscheidenden Formulierungen des fachlichen Geltungsbereichs wortwörtlich Teile der Satzung der IG Metall übernommen. Diese definiere in § 1 und § 3 sowie im anhängenden Organisationskatalog die Organisationszuständigkeit ausschließlich betriebs- und nicht unternehmensbezogen. Abzustellen sei nicht auf die rechtliche Inhaberschaft, sondern auf eine organisatorische Zuordnung. Diese sei anzunehmen, wenn, wie vorliegend, das Tätigkeitsfeld des Montage-, Dienstleistungs- oder Hilfs- und Nebenbetriebes in Vorbereitungs- und Unterstützungshandlungen für den Hauptbetrieb bei dessen Herstellung von Automobilen bestehe und dies alles nach strikten Vorgaben des Hauptbetriebes als alleiniger Auftraggeber erfolge. Für diese Auslegung sprächen auch Sinn und Zweck des Tarifvertrages.

74

Sollten nach alledem immer noch Zweifel hinsichtlich der Einordnung bestehen, sei § 1 Ziffer 2 S. 3 TV BZ ME anzuwenden. Vorliegend habe die IG Metall mit der Firma Z. einen entsprechenden Entgelthaustarifvertrag abgeschlossen. Ihre Tarifvertragsauslegung ermögliche auch eine praktikable Abgrenzung des fachlichen Zuständigkeitsbereichs des TV BZ ME. Ferner werde ein vernünftiger und sachgerechter teilweiser Ausgleich der schlechteren Bezahlung von Leiharbeitnehmern gegenüber der Stammbelegschaft erreicht.

75

Bei der Ermittlung der Höhe der Forderung seien sämtliche von der Beklagten als anzurechnende Zulagen ausgewiesenen Beträge berücksichtigt und von dem errechneten Branchenzuschlag in Abzug gebracht worden.

76

Die Klägerin beantragt,

77

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 14. Januar 2015, Aktenzeichen 10 Ca 1243/14,

78

die Beklagte zu verurteilen, 1.596,27 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz

79

aus 467,08 € brutto seit dem 15. Februar 2014,
aus 365,00 € brutto seit dem 15. März 2014,
aus 356,13 € brutto seit dem 15. April 2014
sowie aus 408,06 € brutto seit dem 15. Mai 2014

80

an die Klägerin zu zahlen.

81

Die Beklagte beantragt,

82

die Berufung zurückzuweisen.

83

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 29. Juli 2015, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 286 ff. d. A.), unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vortrags 1. Instanz als rechtlich zutreffend. Sie ist der Ansicht, die Klägerin habe keinen Anspruch auf die geltend gemachten Branchenzuschläge nach dem TV BZ ME. Aufgrund der überwiegenden Betriebstätigkeit des Kundenbetriebs im Logistikbereich sei dieser keiner der in § 1 TV BZ ME genannten Katalogbetriebe. Darüber hinaus sei der Betrieb der Firma Z. auch kein Hilfs- und Nebenbetrieb im Sinn des TV BZ ME. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei Inhaberidentität zwischen Haupt- und Hilfs-/Nebenbetrieb erforderlich, die vorliegend nicht gegeben sei.

84

Sie trägt vor, die Firma Z. habe nie Aufgaben der Endmontage von der Firma U. "übernommen". Die von der Firma Z. durchgeführten Arbeiten seien stets der Automobilproduktion vorgelagert gewesen. Die Firma Z. sei als organisatorisch selbstständiges Unternehmen das logistische Bindeglied zwischen den Produzenten/Herstellern der für den Automobilbau benötigten Bauteile und der Firma U.. Die Firma Z. stelle sicher, dass der Firma U. zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Reihenfolge ("just in sequence") die benötigten Bauteile zur Verfügung stünden. Es handele sich bei der Firma Z. mithin um einen Logistikbetrieb.

85

Der Kundenbetrieb sei nicht Teil des Wirtschaftszweiges der Automobilindustrie. Sie ist der Ansicht, der von der Klägerin verwendete diffuse Begriff der "Wertschöpfungskette" tauge nicht als Abgrenzungskriterium. Die Auslegung des Begriffs "Automobilindustrie und Fahrzeugbau" sei nicht beliebig, sondern habe sich vielmehr daran zu orientieren, ob die Tarifvertragsparteien den verwandten Rechtsbegriff einer eigenständigen Definition zugeführt hätten oder einen feststehenden Begriff verwendeten. Hiervon ausgehend könne der Betrieb der Firma Z. nicht dem Wirtschaftszweig der Automobilindustrie zugerechnet werden. Unter einem Wirtschaftszweig verstehe man eine Zusammenfassung produzierender institutioneller Einheiten, wobei die Zuordnung zu einem Wirtschaftszweig über den Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit erfolge. Mithin sei entscheidend, ob der Kundenbetrieb den Schwerpunkt seiner wirtschaftlichen Tätigkeit im Bereich der Automobilindustrie habe. Für die Einordnung des Betriebs nach seinem Betriebszweck müsse von der arbeitszeitlich überwiegenden Tätigkeit der Mit-arbeiter ausgegangen werden.

86

Unzutreffend sei, dass die Bauteile direkt an die Montagelinie genau an jeweils die Stellen, an denen die vorsortierten bzw. vormontierten Bauteile benötigt würden, geliefert würden. Der weit überwiegende Anteil der bei der Firma Z. gelagerten Bauteile werde vielmehr an einen Sammelort gebracht, von dem aus die Firma U. selbst die Bauteile an die benötigten Stellen liefere. Nur einige wenige Bauteile würden unmittelbar an die Montagelinie gebracht. Die Sequenzierung gehöre zur Logistik im weiteren Sinn und werde auch durch die Montagetätigkeiten in Form des Zusammenfügens einzelner Bauteile nicht zu einer Produktion oder Industrie qualifiziert. Ohnehin seien die Montagetätigkeiten von wenigen Bauteilen im Gesamtvolumen ein untergeordneter Prozess. Einfache Montagetätigkeit sei auch Bestandteil der Kontraktlogistik. Jedenfalls entfalle der weit überwiegende Teil (73,3 %) der Arbeitsstunden auf den Logistikbereich.

87

Der Kundenbetrieb sei auch kein Hilfs- und Nebenbetrieb im Sinn von § 2 TV BZ ME. Dieser habe seinen eigenen Betriebszweck, der dem Bereich Kontraktlogistik zuzuordnen sei und der mit eigenen Betriebsmitteln und eigenen Mitarbeitern unter eigenständiger Leitung verwirklicht werde.

88

Hinsichtlich der Anspruchshöhe habe die Klägerin nicht berücksichtigt, dass nach § 3 TV BZ ME die Zulage nach § 5 ETV iGZ/BAP anzurechnen sei.

89

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23. September 2015 (Bl. 358 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

90

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist auch sonst zulässig.

B.

91

In der Sache hatte die Berufung der Klägerin keinen Erfolg.

92

Die Klägerin hat weder unmittelbar aus § 2 TV BZ ME noch aus dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit § 2 TV BZ ME einen Anspruch auf die begehrte Zulage.

I.

93

Die Bestimmungen des TV BZ ME finden grundsätzlich auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung, da beide Parteien tarifgebunden sind (§§ 4 Abs. 1, 3 Abs. 1 TVG). Dahinstehen kann daher, ob der TV BZ ME auch aufgrund einer arbeitsvertraglichen Bezugnahme Anwendung finden würde. Auch der räumliche und persönliche Anwendungsbereich des TV BZ ME sind gegeben. Die Klägerin wird im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung an Kundenbetriebe in der Bundesrepublik Deutschland überlassen.

II.

94

Der fachliche Anwendungsbereich des TV BZ ME ist jedoch nach seinem § 1 für den streitgegenständlichen Einsatz der Klägerin bei der Firma Z. im Zeitraum von Januar 2014 bis April 2014 nicht eröffnet.

95

Nach § 1 Ziffer 2 TV BZ ME gilt dieser fachlich „für die tarifgebundenen Mitgliedunternehmen des Bundesarbeitsverband der Personaldienstleister e.V. (BAP) und des Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V. (iGZ), die im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung Beschäftigte in einen Kundenbetrieb der Metall- und Elektroindustrie einsetzen“. Die Beklagte ist tarifgebundenes Mitgliedunternehmen des iGZ. Sie setzt im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung Beschäftigte in Kundenbetrieben ein.

96

Bei dem Kundenbetrieb der Firma Z., in den die Klägerin überlassen wurde, handelt es sich aber weder um einen Katalogbetrieb im Sinn des § 1 Ziffer 2 noch um einen zu den im Katalog genannten Wirtschaftszweigen gehörenden Dienstleistungs- und sonstigen Hilfs- und Nebenbetrieb oder eine artverwandte Industrie. Auf die Zweifelsregelung des § 1 Ziffer 2 Abs. 2 kommt es daher vorliegend nicht an. Dies folgt aus einer Auslegung des § 1 Ziffer 2 TV BZ ME.

97

1. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Aus-legung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften, § 133 BGB. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BAG, Urteil vom 18. Februar 2014 - 3 AZR 808/11 - AP Nr. 36 zu § 1 BetrAVG Berechnung; vom 18. November 2004 - 8 AZR 540/03 - AP Nr. 88 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel).

98

2. Danach ist der Betrieb der Firma Z. kein Katalogbetrieb im Sinn des § 1 Ziffer 2 TV BZ ME.

99

Abzustellen ist auf den Kundenbetrieb der Beklagten, also auf die Firma Z., nicht hingegen auf die Firma U.. Der fachliche Geltungsbereich des TV BZ ME wird nach dem insoweit eindeutigen Tarifwortlaut anhand der Organisationseinheit eines „Betriebs“ bestimmt (Thüringer LAG, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 3 Sa 86/14 – Rz. 41; LAG Hamm, Urteil vom 6. August 2014 – 3 Sa 202/14 – BeckRS 2014, 73774). Auf den Einsatz des Leiharbeitnehmers in einem bestimmten Unternehmen oder Konzern der genannten Wirtschaftszweige oder artverwandten Industrien kommt es nicht an.

100

Da die Tarifvertragsparteien den Begriff „Betrieb“ nicht eigenständig definiert haben, ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien diesen Begriff „Betrieb“ in seiner allgemeinen rechtlichen Bedeutung anwenden wollten. Diese ist geprägt durch den betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff. Als Betrieb ist danach die organisatorische Einheit von Arbeitsmitteln zu verstehen, mit deren Hilfe der Arbeitgeber allein oder in Gemeinschaft mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe von technischen und immateriellen Mitteln fortgesetzt einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck verfolgt, der sich nicht in der Befriedigung von Eigenbedarf erschöpft. Ob ein Betrieb der genannten Wirtschaftszweige vorliegt, bestimmt sich also nach dem in dieser organisatorischen Einheit verfolgten arbeitstechnischen Zweck und dessen Zuordnung zu einer der genannten Branchen (Thüringer LAG, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 3 Sa 86/14 – juris Rz. 44).

101

3. Der Kundenbetrieb der Firma Z. ist kein „Kundenbetrieb der Metall- und Elektroindustrie“. In § 1 Ziffer 2 S. 2 TV BZ ME sind die Wirtschaftszweige angeführt, deren Betriebe als Kundenbetrieb der Metall- und Elektroindustrie gelten, soweit sie nicht dem Handwerk zuzuordnen sind. Ein solcher aufgezählter Wirtschaftszweig ist „Automobilindustrie und Fahrzeugbau". Daneben gelten als Kundenbetrieb der Metall- und Elektroindustrie die zu den genannten Wirtschaftszweigen gehörenden Reparatur-, Zubehör-, Montage-, Dienstleistungs- und sonstige Hilfs- und Nebenbetriebe und Zweigniederlassungen sowie die Betriebe artverwandter Industrien.

102

a) Zwar handelt es sich beim Kundenbetrieb der Firma Z. um keinen Betrieb, der dem Handwerk zuzuordnen ist.

103

Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Betrieb im tariflichen Sinne handwerklichen oder industriellen Charakter hat, ist vorrangig, ob die überwiegende Tätigkeit der Arbeitnehmer handwerklich oder nichthandwerklich ist. Dies ist nicht in erster Linie nach gewerberechtlichen, handelsrechtlichen oder betriebswirtschaftlichen Kriterien zu entscheiden, sondern vorrangig danach, ob die überwiegende Tätigkeit der Arbeitnehmer im Betrieb eine handwerkliche oder nichthandwerkliche ist (BAG, Urteil vom 11. März 1981 - 4 AZR 1022/78 - AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Steinmetzgewerbe m. w. N.).

104

Die überwiegende Tätigkeit der Arbeitnehmer im Betrieb der Firma Z. ist keine handwerkliche.

105

b) Beim Kundenbetrieb handelt es sich aber auch nicht um einen reinen Industriebetrieb, sondern um einen Betrieb der Kontraktlogistik. Dabei wird Kontraktlogistik als die „langfristige Übernahme komplexer logistischer Dienstleistungspakete durch (…) sonstige Logistik-Dienstleister“ verstanden. „Dabei werden mehrere Basis-Dienstleistungen wie Transport, Lagerung, Umschlag, (teilweise) Montage und Konfektioniertätigkeiten sowie einfache Produktions- oder Montagetätigkeiten miteinander kombiniert. Der Dienstleister wird damit zum Systemlieferanten für Logistikleistungen“ (http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/83329/kontraktlogistik-v7.html).

106

aa) Der Betrieb der Firma Z. ist kein reiner industrieller Fertigungsbetrieb. Alle im Katalog des § 1 Ziffer 2 TV BZ ME genannten Wirtschaftszweige sind dadurch gekennzeichnet, dass gegenständlich Werke erstellt oder zumindest bearbeitet werden (LAG Hamm, Urteil vom 6. August 2014 – 3 Sa 202/14 – BeckRS 2014, 73774). Genannt sind entweder Industriebetriebe (z. B. Automobilindustrie, Luft- und Raumfahrtindustrie, Elektro- und Elektrotechnikindustrie, Uhren-Industrie) oder Betriebe, die bestimmte Produkte „bauen“ (z. B. Maschinen-, Apparate- und Werkzeugbau, Fahrzeugbau, Schiffbau). Auch Gießereien, Walzwerke, Schlossereien, Schweißereien etc. gehören zweifelsohne zum Produktionsbereich. Hinsichtlich der im Katalog zuletzt genannten Eisen-, Blech- und Metallwaren, Musikinstrumente, Spiel- und Sportgeräte sowie Schmuckwaren ist auf das geschaffene Produkt abgestellt. Aufgrund des vorweggenommenen Bezugs auf die Industrie bereits in der Bezeichnung der Tarifvertrags ist davon auszugehen, dass auch mit diesen letzten Katalogtatbeständen Betriebe erfasst werden sollen, in denen die genannten Produkte angefertigt werden (Mehnert/Stubbe/Haber, BB 2013, 1269, 1273).

107

Vom Kundenbetrieb Firma Z. werden keine "Produkte" hergestellt. Vielmehr erhält die Firma Z. Teile von Lieferanten, die von der Firma Z. zwischengelagert und sequenziert und dann weiter an den Kunden geliefert werden. Soweit einzelne Teile vormontiert werden, entsteht hierdurch kein neues "Produkt". Vermarktungsfähige Güter werden nicht hergestellt. Die Ausgangsstoffe werden durch das Zusammenklipsen oder Verschrauben nicht verändert.

108

bb) Aber auch dann, wenn man die Montagetätigkeiten als „Produktion“ ansieht, handelt es sich bei dem Betrieb der Firma Z. insgesamt nicht um einen Betrieb der Automobilindustrie.

109

In diesem Fall wäre die Firma Z. als Betrieb anzusehen, der sowohl Logistikleistungen erbringen als auch produzieren würde. Dieser Betrieb wäre dann insgesamt im Hinblick auf seine prägende Zweckbestimmung der Logistikbranche zuzuordnen.

110

Bei der Beurteilung, welcher Branche ein Mischbetrieb zuzuordnen ist, ist der Betrieb als Einheit zu betrachten. Die den Betrieb prägende Zweckbestimmung, der Zweck der gesamten betrieblichen Tätigkeit ist für die tarifliche Zuordnung maßgebend (BAG, Urteil vom 18. Oktober 2000 - 10 AZ 455/99 - BeckRS 2000, 30787336). Es ist darauf abzustellen, welche Arbeiten überwiegend in der betreffenden Einheit geleistet werden bzw. welche Merkmale der jeweiligen Einheit ihr Gepräge geben (BAG, Urteil vom 14. April 1971 - 4 AZR 201/70 - AP Nr. 10 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Ein Mischbetrieb wird grundsätzlich von dem Tarifvertrag erfasst, dessen betrieblicher Geltungsbereich den Hauptzweck des Gesamtbetriebes umfasst (BAG, Urteil vom 13. Juni 1957 - 2 AZR 402/54 - AP Nr. 6 zu § 4 TVG Geltungsbereich).

111

Bei der Entscheidung abzustellen ist auf die Anzahl der in den einzelnen Betriebsbereichen eingesetzten Arbeitnehmer sowie auf die Anzahl der in den einzelnen Betriebsbereichen geleisteten Arbeitsstunden (BAG, Urteil vom 18. Oktober 2000 – 10 AZR 455/99 – BeckRS 2000, 30787336; vom 22. April 1987 - 4 AZR 496/86 - AP Nr. 82 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; vom 17. Januar 1996 - 10 AZR 138/95 - NZA 1996, 772, 773; vom 24. August 1994 - 10 AZR 980/93 - NZA 1995, 1116, 1117 m. w. N.; Mehnert/Stubbe/Haber, BB 2013, 1269, 1272). Wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz oder handels- und gewerberechtliche Kriterien wie die Handelsregistereintragung sind dagegen unbeachtlich, solange der Tarifvertrag nicht ausdrücklich auf sie abstellt. Zwar steht es den Tarifparteien frei, die Zuordnung von Mischbetrieben anders zu regeln und dabei auch Konzernzuordnungsgesichtspunkte oder wirtschaftliche Kriterien (zum Beispiel die Abhängigkeit von einem Auftraggeber) zu berücksichtigen (BAG, Urteil vom 19. Oktober 1988 – 4 AZR 354/88 – BeckRS 1988, 30728188; Löwisch/Rieble, Tarifvertragsgesetz, 3. Aufl.2012, § 4 Rn. 206). Vorliegend haben die Tarifvertragsparteien aber keine anderweitige Regelung getroffen.

112

cc) Nach den Angaben der Beklagten entfallen 46,3 % der bei der Firma Z. anfallenden Arbeitsstunden auf den Bereich der Logistik, der nicht der Industrie zuzurechnen ist. Ebenfalls nicht der Industrie, sondern der Logistik zuzuordnen ist der Bereich Sequenzierung (27,4 %). So sind beispielsweise zwischenzeitlich die Beschäftigten der Kontraktlogistik in den Entgelttarifvertrag der Logistikbranche in P-Stadt aufgenommen worden.

113

Selbst wenn man den Bereich Montage (26,3 %) als industrielle Tätigkeit einordnen würde, liegt auf dieser - gemessen an den Arbeitsstunden - nicht der Schwerpunkt. Die Vormontage "prägt" auch nicht die von der Firma Z. erbrachte Gesamtleistung, die vielmehr durch die Bereitstellung von Komponenten "just in sequence" gekennzeichnet ist.

114

Auch die Klägerin geht von den von der Beklagten angegebenen Zeitanteilen für die Bereiche Logistik, Sequenzierung und Montage aus, fasst jedoch die Bereiche Sequenzierung und Montage zu einem einheitlichen Bereich Produktion zusammen. Der Bereich Sequenzierung ist jedoch nach Auffassung der Kammer nicht der Produktion, sondern der Logistik zuzuordnen.

115

b) Der Kundenbetrieb der Firma Z. ist auch nicht wegen seiner räumlichen Nähe zur Firma U. als Betrieb der Automobilindustrie im Sinn des TV BZ ME anzusehen. Allein die räumliche Nähe eines Betriebs zu einem der Automobilindustrie zugehörenden Betrieb macht einen anderen Betrieb nicht auch zu einem der Automobilindustrie zugehörenden Betrieb. Andernfalls müssten auch eine auf dem Betriebsgelände befindliche Bäckerei oder ein Kiosk der Automobilindustrie zugerechnet werden. Dasselbe gilt für eine wirtschaftliche Abhängigkeit von der Firma U. und für die Einbindung in den Supply Chain der Firma U..

116

4. Bei dem Kundenbetrieb der Firma Z. handelt es sich auch nicht um einen Hilfs- und Nebenbetrieb im Sinn des § 1 Ziffer 2 S. 2, 2. Hs. TV BZ ME. Der Kundenbetrieb ist bereits deshalb kein Hilfs- und Nebenbetrieb, weil dies eine Identität des Inhabers des Haupt- und Dienstleistungsbetriebs voraussetzen würde. Unterstellt, der Betrieb der Firma U. sei ein Hauptbetrieb in diesem Sinne, könnte der Betrieb der Firma Z. bereits deshalb nicht Hilfs- und Nebenbetrieb sein, weil es sich bei der Firma Z. um ein anderes selbstständiges Unternehmen als die Firma U. handelt.

117

Durch § 1 Ziffer 2 S. 2, 2. Hs. TV BZ ME wird der fachliche Geltungsbereich des Tarifvertrags auf „die zu den erwähnten Wirtschaftszweigen gehörenden Reparatur-, Zubehör-, Montage-, Dienstleistungs- und sonstigen Hilfs- und Nebenbetrieben und Zweigniederlassungen“ als Kundenbetriebe der Metall- und Elektroindustrie erstreckt.

118

Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung ("sowie die zu den erwähnten Wirtschaftszweigen gehörenden Reparatur-, Zubehör-, Montage-, Dienstleistungs- und sonstigen Hilfs- und Nebenbetrieben") fallen Montage- und Dienstleistungsbetriebe nur dann unter die Vorschrift, wenn sie "sonstige Hilfs- und Nebenbetriebe" sind. Durch den sprachlichen Zusammenhang wird deutlich, dass "Hilfs- und Nebenbetriebe" der Oberbegriff ist, die vorherige Aufzählung einzelner Nebenbetriebstätigkeiten nur beispielhaft sein soll und die Voraussetzung, dass diese einen Hilfs- und Nebenbetrieb darstellen müssen, nicht ersetzt. Hätten die Betriebsarten "Reparatur-, Zubehör-, Montage-, Dienstleistungs"betrieb generell in den fachlichen Geltungsbereich des TV BZ ME fallen sollen, hätte es nahegelegen, nicht "sonstigen Hilfs- und Nebenbetrieben" zu formulieren, sondern die Formulierung "und Hilfs- und Nebenbetriebe" zu verwenden. Mit dem Begriff "sonstige" wird gerade deutlich gemacht, dass alle diese genannten Betriebsarten einheitlich Hilfs- und Nebenbetriebe sind (LAG Hamm, Urteil vom 6. August 2014 – 3 Sa 202/14 – BeckRS 2014, 73774).

119

Die Tarifvertragsparteien haben den Begriff des "Hilfs-" bzw. "Nebenbetriebs" nicht definiert. Da es sich bei den Begriffen "Hilfsbetrieb" und "Nebenbetrieb" aber um gebräuchliche Rechtsbegriffe handelt, ist auch insoweit davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien den Begriff in seiner allgemeinen Bedeutung verstanden haben (vgl. BAG, Urteil vom 21. Juni 2011 - 9 AZR 820/09 - NZA-RR 2012, 365 Rz. 16 m. w. N.; vom 14. Dezember 2004 - 9 AZR 33/04 - BeckRS 2005, 40441). Hinweise auf ein abweichendes Verständnis, einen abweichenden Sprachgebrauch der Tarifvertragsparteien liegen im vorliegenden Fall nicht vor.

120

"Nebenbetriebe" sind nach der allgemeinen Bedeutung Betriebsstätten mit einer selbstständigen Betriebsorganisation und einer in sich geschlossenen Betriebsfunktion, die unter eigener Leitung auch einen eigenen Betriebszweck verfolgen, aber mit dem Hauptbetrieb derart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, dass ihre Aufgabe sich nur als Hilfszweck für die Erreichung des im Hauptbetrieb verfolgten Zwecks darstellt (BAG, Beschluss vom 17. Januar 2007 - 7 ABR 63/05 - NZA 2007, 703, 706 Rz. 23; vom 1. April 1987 - 4 AZR 77/86 – NZA 1987, 593, 594; vom 29. März 1977 - 1 ABR 31/76 – BeckRS 1977, 00157). Dies setzt immanent voraus, dass der Hilfs-/Nebenbetrieb und der Hauptbetrieb von demselben Unternehmen betrieben werden (BAG, Urteil vom 25. April 1995 - 3 AZR 528/94 - NZA 1995, 1205, 1207; LAG Thüringen, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 3 Sa 86/14 – zitiert nach juris Rz. 49; LAG Hamm, Urteil vom 6. August 2014 – 3 Sa 202/14 – BeckRS 2014, 73774; Arbeitsgericht Köln, Urteil vom 1. Oktober 2013 – 14 Ca 2242/13 – juris Rz. 85; Bissels, juris-PR-ArbR 21/2015 Anm. 5; Löwisch/Rieble, Tarifvertragsgesetz, 3. Aufl. 2012, § 4 Rn. 188; Mehnert/Stubbe/Haber, BB 2013, 1269, 1272; Weiss, Kommentar zum EMTV Metall NRW, § 1, Anm. 8; a. A. LAG Köln, Urteile vom 16. Juni 2014 – 4 Sa 145, 151, 155, 337/14 jeweils Rz. 114 ff.).

121

Im Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25. April 1995 (3 AZR 528/94 - NZA 1995, 1205) ging es um die Auslegung eines Tarifvertrages, der seinen fachlichen Geltungsbereich wie folgt bestimmte: "Für alle Betriebe der Land- und Forstwirtschaft einschließlich des landwirtschaftlichen Obst- und Gemüsebaues, des Weinbaues sowie der Teichwirtschaft und der Fischzucht, deren Nebenbetriebe; gemischten Betriebe mit überwiegend landwirtschaftlichem, forstwirtschaftlichem, wein-, obst- oder gemüsebaulichem Charakter; selbständigen Nebenbetrieben oder Betriebsabteilungen gewerblicher Unternehmen mit landwirtschaftlichem, forstwirtschaftlichem, wein-, obst- oder gemüsebaulichem Charakter." In dieser Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht den Begriff des Nebenbetriebs so verstanden, dass es "sich um eine selbständige Einheit zur Verfolgung eines technischen Zwecks handeln" muss, "der mit dem landwirtschaftlichen Zweck des Hauptbetriebes nicht zusammenfällt, aber der Förderung dieses Hauptzweckes zu dienen bestimmt ist. Hierzu gehören insbesondere organisatorisch verselbständigte Produktionseinheiten, in denen die im Hauptbetrieb gewonnenen Erzeugnisse verarbeitet oder sonst verwertet werden, wie z.B. Käsereien, Brennereien, Marmeladefabriken, Keltereien und vergleichbare Einrichtungen. Für die Annahme, dass ein Nebenbetrieb vorliegt, ist aber darüber hinaus auch erforderlich, dass der Betriebsinhaber des Nebenbetriebes derselbe ist wie der des Hauptbetriebes". Mithin hat das Bundesarbeitsgericht den Begriff des "Nebenbetriebs" nicht nur für die Alternative "Nebenbetrieben oder Betriebsabteilungen gewerblicher Unternehmen mit landwirtschaftlichem, forstwirtschaftlichem, wein-, obst- oder gemüsebaulichem Charakter", sondern auch hinsichtlich der Alternative "alle Betriebe der Land- und Forstwirtschaft einschließlich des landwirtschaftlichen Obst- und Gemüsebaues, des Weinbaues sowie der Teichwirtschaft und der Fischzucht, deren Nebenbetriebe" einheitlich dahingehend verstanden, dass ein Nebenbetrieb nur dann vorliegen kann, wenn der Betriebsinhaber des Nebenbetriebes derselbe ist wie der des Hauptbetriebes. Hinsichtlich der Alternative "alle Betriebe der Land- und Forstwirtschaft einschließlich des landwirtschaftlichen Obst- und Gemüse-baues, des Weinbaues sowie der Teichwirtschaft und der Fischzucht, deren Nebenbetriebe" ergibt sich das - entgegen der Ansicht der Klägerin - aber gerade nicht ausdrücklich aus dem Tarifwortlaut.

122

Dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 1. April 1987 (4 AZR 77/86 – NZA 1987, 593, 594) LAG der Manteltarifvertrag für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen vom 13. Dezember 1980 zugrunde, der in seinem § 1 Ziffer 2 S. 1 bestimmt: „Der Tarifvertrag gilt für alle Unternehmen (…) einschließlich ihrer Hilfs- und Nebenbetriebe sowie für die von diesen Betrieben beschäftigten Arbeit-nehmer.“ Zutreffend hat die Klägerin zu dieser Entscheidung darauf hingewiesen, dass in diesem Tarifvertrag durch die Formulierung „ihrer“ Hilfs- und Nebenbetriebe ausdrücklich ein Unternehmensbezug hergestellt wird. Das Bundesarbeitsgericht hat jedoch hinsichtlich des Verständnisses des Begriffs Hilfs- und Nebenbetrieb nur ausdrücklich auf den allgemeinen Rechtssinn abgestellt und zur Begründung ausgeführt: „Unternehmen, die selbstständig betrieben werden, können mit einzelnen Betrieben nicht Hilfs- oder Nebenbetrieb eines anderen Unter-nehmens sein, weil das selbstständige Unternehmen durch seinen eigenen Unternehmenszweck gekennzeichnet ist“ (BAG, Urteil vom 1. April 1987 - 4 AZR 77/86 - NZA 1987, 593, 594; Thüringer LAG, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 3 Sa 86/14 – Rz. 49).

123

Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, wird dieses Auslegungsergebnis insbesondere auch durch einen Vergleich mit dem Zuständigkeitsbereich der tarifschließenden IG Metall gestützt.

124

In den Geltungsbereich des TV BZ ME sind im Vergleich mit der Satzung der IG Metall verschiedene Geschäftsbereiche nicht aufgenommen worden. Neben dem Bereich des Handwerks erstreckt sich der fachliche Geltungsbereich des TV BZ ME nicht auf "Klempnereien, Rohrinstallationen". Von dem zum Organisationsbereich der IG Metall gehörenden Bereich "Informations- und Kommunikationstechnologie, insbesondere Soft- und Hardwareproduktion einschließlich Entwicklung, Beratung und Service sowie alle übrigen IT-Dienstleistungen" nennt § 1 Ziffer 1 TV BZ ME nur die "Hardwareproduktion". Vom Bereich "Eisen-, Blech- und Metall-waren sowie dazugehörige Verpackungsindustrie" ist die "dazugehörige Verpackungsindustrie" im TV BZ ME nicht genannt. Hierdurch wird deutlich, dass die Tarifvertragsparteien gezielt den fachlichen Geltungsbereich des TV BZ ME im Vergleich zum Organisationsbereich der tarifschließenden IG Metall eingeschränkt haben. Inhaltlich betrifft die Einschränkung gerade Bereiche, in denen nicht produziert wird, sondern in denen Dienstleistungen (beispielsweise Verpackung, Softwareproduktion, Entwicklung, Beratung, Service) erbracht werden.

125

Hinsichtlich des Zuständigkeitsbereichs der IG Metall wird außerdem - anders als im TV BZ ME - deutlich gemacht, dass auch Betriebe anderer Unternehmen erfasst sein können. So sind in der Satzung der IG Metall ausdrücklich genannt:

126

"- alle selbstständigen Betriebsabteilungen bzw. Nebenbetriebe anderer Unternehmen, Heimarbeiter, Zwischenmeister und Subunternehmer, wenn sie der Produktion nach unter den vorstehenden Katalog fallen,
- (…)
- alle Betriebe, selbstständigen Betriebsabteilungen bzw. Nebenbetriebe, Heimarbeiter, Zwischenmeister und Subunternehmer, deren Zweck überwiegend darauf gerichtet ist, die unter diesen Organisationskatalog fallenden Betriebe bei der Verwirklichung ihrer Ziele zu unterstützen (z. B. Vor-, End- und Teilfertigung, Teilefertigung, Zulieferung, Weiterver- und -bearbeitung, Erbringung von Dienstleistungen jeder Art, z. B. Transport, Logistik, Montage, Reparatur, Reinigung, Bewachung, Energieerzeugung und -bereitstellung, Kantinen, Versorgungseinrichtungen jeder Art, EDV, Finanzen, Vermögen, Personalwesen, Verwaltung jeder Art, Vertrieb, Handel, Marketing). Dies gilt insbesondere auch für solche Betriebe, selbstständigen Betriebsabteilungen bzw. Nebenbetriebe, Heimarbeiter, Zwischenmeister und Subunternehmer, die aufgrund von Auf- und Abspaltungen, Ausgliederungen und/oder sonstigen unternehmerischen Veränderungen organisatorischer und/oder gesellschaftsrechtlicher Art entstanden sind oder entstehen bzw. tätig sind oder werden."

127

In den Organisationsbereich der IG Metall sind damit zum einen ausdrücklich Betriebe etc. anderer Unternehmen und Subunternehmer aufgenommen. Zum anderen sind ebenfalls ausdrücklich die Tätigkeitsbereiche „Erbringung von Dienstleistungen jeder Art, z. B. Transport, Logistik, Montage“ genannt. Während der TV BZ ME weitgehend die Formulierung der Zuständigkeitsbereiche aus der Satzung der IG Metall übernommen hat, weicht die Formulierung gerade an der - vorliegend zu prüfenden - Stelle entscheidend ab. Dies macht deutlich, dass zwischen den Tarifvertragsparteien gerade keine Einigkeit hinsichtlich der Einbeziehung dieser Bereiche in den fachlichen Geltungsbereich des TV BZ ME bestand.

128

Soweit die Klägerin weiter darauf hinweist, dass der TV BZ ME nicht unternehmens-, sondern - wie der Organisationsbereich der IG Metall ("ein Betrieb - ein Unternehmen") - allein betriebsbezogen sei und es deshalb nur auf die organisatorische Zuordnung ankommen könne, übersieht sie, dass in der Satzung der IG Metall ausdrücklich selbstständige Betriebe anderer Unternehmen oder Subunternehmer einbezogen sind. Daher kann auch aus der von der Klägerin herangezogenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27. September 2005 (1 ABR 41/04 – NZA 2006, 273) zur Auslegung der Satzung der IG Metall nicht hergeleitet werden, dass der TV BZ ME auf Hilfs- und Nebenbetriebe anderer Unternehmen Anwendung findet. Im Übrigen liegt dem vom Bundesarbeitsgericht am 27. September 2005 entschiedenen Rechtsstreit ein Sachverhalt zugrunde, in dem die Betriebe und Unternehmen einem Konzern angehörten.

129

Dass nur Betriebe desselben Unternehmens Hilfs- und Nebenbetriebe im Sinn des TV BZ ME sein können, ergibt sich hingegen auch aus der Ergänzung des Wortlauts "die zu den Wirtschaftszweigen gehörenden Reparatur-, Zubehör-, Montage-, Dienstleistungs- und sonstigen Hilfs- und Nebenbetrieben" um die Ergänzung „ und Zweigniederlassungen“. Der Begriff der Zweigniederlassung ist im Gesetz nicht definiert. Er wird verstanden als räumlich getrennter Teil des Unternehmens eines Kaufmanns, an der er und/oder seine Leute teils abhängig von der Hauptniederlassung (bzw. dem Sitz der Handelsgesellschaft), teils unabhängig von ihr wirken. Die Zweigniederlassung ist keine selbstständige juristische Person (BGH, Urteil vom 24. November 1951 – II ZR 26/51 – BGHZ 4, 62). Auch ihre Nennung stützt daher die Auslegung, dass Dienstleistungsbetriebe nur dann von § 1 Ziffer 2 S. 2 Hs. 2 TV BZ ME erfasst werden, wenn sie sonstige Hilfs- und Nebenbetriebe desselben Unternehmens sind (LAG Thüringen, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 3 Sa 86/14 – juris Rz. 50).

130

Für dieses Auslegungsergebnis sprechen auch Sinn und Zweck der Regelung. Von einem selbstständigen Begriff eines Dienstleistungsbetriebs, der losgelöst von dem bislang von der Rechtsprechung zugrunde gelegten Begriff eines Hilfs- und Nebenbetriebs zur Anwendung des TV BZ ME führen würde, würden unter Umständen völlig artfremde Einsatzbetriebe erfasst, wenn und soweit diese nur Dienstleistungen für einen Kunden erbringen würden, der eindeutig dem TV BZ ME unterfällt (LAG Hamm, Urteil vom 6. August 2014 – 3 Sa 202/14 – BeckRS 2014, 73774; Bissels, jurisPR 5/2015 Anm. 4). Damit würde der Geltungsbereich des TV BZ ME auch auf Betriebe erstreckt, die nicht in den Geltungsbereich der tarifschließenden IG Metall fallen würden, beispielsweise auf eine rechtlich verselbstständigte Bank eines Automobilherstellers. Das kann von den Tarifvertragsparteien jedoch nicht gewollt sein.

131

Für diese Abgrenzung spricht auch der Gesichtspunkt der Praktikabilität des Auslegungsergebnisses. Bei einer anderen Bewertung des Begriffs des Hilfs- und Nebenbetriebs entstünden unlösbare Abgrenzungsschwierigkeiten. Es wäre unklar, welche Merkmale die Montage-, Dienstleistungs- und sonstige Hilfs- und Nebenbetriebe aufweisen müssten, um "zu den erwähnten Wirtschaftszweigen" zu "gehören". Unklar wäre insoweit bereits, welches Kriterium maßgeblich sein sollte (beispielsweise: Anteil am Umsatz?). Für das betroffene Leiharbeitsunternehmen wäre es auch schwierig, die für dieses Kriterium (beispielsweise Anteil am Umsatz) erforderlichen Daten zu ermitteln, insbesondere dann, wenn das Kunden-unternehmen in verschiedenen Wirtschaftszweigen mit sich verändernden An-teilen tätig würde. Dies widerspräche der Intention der Tarifvertragsparteien eine Regelung zu schaffen, die eine rechtssichere Bestimmung zulässt, ob ein Betrieb als Betrieb der Metall- und Elektroindustrie anzusehen ist oder nicht.

132

Schließlich stehen diesem Auslegungsergebnis auch nicht die Ziele des TV BZ ME entgegen. Zwar weist die Klägerin darauf hin, dass der Branchenzuschlag möglichst flächendeckend alle wirtschaftlichen Betätigungen in den im Katalog genannten Wirtschaftskreisen und artverwandten Industrien erfassen wollte. Ein so weit reichendes Ziel hat nach dem Wortlaut im Tarifvertrag selbst aber keinen ausreichenden objektiven Niederschlag gefunden (LAG Thüringen, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 3 Sa 86/14 – juris Rz. 51).

133

Danach ist der Betrieb der Firma Z. kein Hilfs- und Nebenbetrieb im Sinn des § 1 Ziffer 2 S. 2, 2. Hs. TV BZ ME. Zum einen verfolgt der Betrieb der Firma Z. mit eigenem Personal und unter eigenständiger Leitung einen eigenständigen Betriebszweck, nämlich vorrangig die Erbringung von Logistikleistungen "just in sequence". Zum anderen hat die Firma Z. einen anderen Inhaber als die Firma U.. Sie ist ein eigenständiges Unternehmen, an dem die Firma U. nicht beteiligt ist. Allein die Tatsache, dass die Beklagte ihre Tätigkeiten in einer der Firma Q. gehörenden Halle in unmittelbarer Nähe auf dem Gelände der Firma U. befindet, ändert nichts daran, dass die Firma Z. einen eigenständigen abgrenzbaren Betriebszweck verfolgt.

134

5. Auf den im Kundenbetrieb angewandten Tarifvertrag (§ 1 Ziffer 3 Abs. 2 S. 1 TV BZ ME) kommt es nicht mehr an. Auf diesen soll es nach dem eindeutigen Tarifwortlaut nur in Zweifelsfällen ankommen. Ein solcher kann nur dann vor-liegen, wenn nicht festgestellt werden kann, welcher Betriebsart der Kundenbetrieb nach dem Katalog des § 1 Ziffer 2 Satz 2 TV BZ ME zuzuordnen ist oder ob ein Hilfs- oder Nebenbetrieb zu einem der bezeichneten Wirtschaftszweige vorliegt. Die Firma Z. kann jedoch nicht einer der in § 1 Ziffer 2 Satz 2 TV BZ ME angeführten Betriebsarten zugeordnet werden und stellt auch keinen Nebenbetrieb zu einem dieser Wirtschaftszweige dar. Zweifel bei der rechtlichen Bewertung stellen keinen Zweifelsfall im Sinn des § 1 Ziffer 3 Abs. 2 S. 1 TV BZ ME dar. Dieser kann nur bei Zweifeln im Tatsächlichen angewandt werden (LAG Thüringen, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 3 Sa 86/14 – juris Rz. 52).

135

Die Berufung der Klägerin hatte daher keinen Erfolg.

C.

136

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

137

Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG sind im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits erfüllt.

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Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

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Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 64 Grundsatz


(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei

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(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

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(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

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(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

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(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen

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(1) Der Tarifvertrag regelt die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen könne

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(1) Der Vertrag zwischen dem Verleiher und dem Entleiher bedarf der Schriftform. Wenn der Vertrag und seine tatsächliche Durchführung einander widersprechen, ist für die rechtliche Einordnung des Vertrages die tatsächliche Durchführung maßgebend. In

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(1) Der Vertrag zwischen dem Verleiher und dem Entleiher bedarf der Schriftform. Wenn der Vertrag und seine tatsächliche Durchführung einander widersprechen, ist für die rechtliche Einordnung des Vertrages die tatsächliche Durchführung maßgebend. In der Urkunde hat der Verleiher zu erklären, ob er die Erlaubnis nach § 1 besitzt. Der Entleiher hat in der Urkunde anzugeben, welche besonderen Merkmale die für den Leiharbeitnehmer vorgesehene Tätigkeit hat und welche berufliche Qualifikation dafür erforderlich ist sowie welche im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts gelten; Letzteres gilt nicht, soweit die Voraussetzungen der in § 8 Absatz 2 und 4 Satz 2 genannten Ausnahme vorliegen.

(2) Der Verleiher hat den Entleiher unverzüglich über den Zeitpunkt des Wegfalls der Erlaubnis zu unterrichten. In den Fällen der Nichtverlängerung (§ 2 Abs. 4 Satz 3), der Rücknahme (§ 4) oder des Widerrufs (§ 5) hat er ihn ferner auf das voraussichtliche Ende der Abwicklung (§ 2 Abs. 4 Satz 4) und die gesetzliche Abwicklungsfrist (§ 2 Abs. 4 Satz 4 letzter Halbsatz) hinzuweisen.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.

(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.

(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.

(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 5. August 2011 - 3 Sa 60/11 - aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach vom 1. Dezember 2010 - 5 Ca 350/10 - teilweise abgeändert, soweit der Klage stattgegeben wurde.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Berechnung des Altersruhegeldes des Klägers.

2

Der im März 1946 geborene Kläger war seit dem 24. Oktober 1966 bei der Bundesanstalt für Flugsicherung (im Folgenden: BFS) als Fluglotse beschäftigt. Mit Wirkung zum 1. Januar 1993 wurden die Aufgaben der BFS auf die Beklagte übertragen. Die Dienstverhältnisse der Beamten und Angestellten der BFS wurden auf die Beklagte übergeleitet. Der Kläger schloss mit der Beklagten am 28. August/27. September 1993 einen Arbeitsvertrag, der ua. Folgendes vorsieht:

        

§ 1   

        

Vertragsgegenstand

        

…       

        
        

2.    

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Manteltarifvertrag für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 07.07.1993 und den diesen ergänzenden, ändernden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung.

        

…       

        

§ 5     

        

Versorgung

        

Es gilt der Versorgungstarifvertrag vom 07.07.1993.“

3

Der von der Beklagten und der DAG abgeschlossene Tarifvertrag über die Versorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 7. Juli 1993 (im Folgenden: VersTV 1993) sah vor, dass Mitarbeiter, die das 25. Lebensjahr vollendet und mindestens ein Jahr bei der Beklagten oder der BFS beschäftigt waren, Anspruch auf ein Altersruhegeld haben. Am 29. September 2006 vereinbarte die Beklagte mit der Gewerkschaft der Flugsicherung (im Folgenden: GdF) den rückwirkend zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Tarifvertrag über die Versorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (im Folgenden: VersTV 2005). Der VersTV 2005 trat nach seiner Präambel an die Stelle der Versorgungszusage nach dem Tarifvertrag vom 7. Juli 1993. Nach § 6 Abs. 2 VersTV 2005 betrug das Altersruhegeld 0,4 % des ruhegeldfähigen Jahreseinkommens bis zum Durchschnitt der im letzten Beschäftigungsjahr geltenden Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung in den alten Bundesländern zuzüglich 1,2 % des den Durchschnitt der im letzten Beschäftigungsjahr geltenden Beitragsbemessungsgrenze in den alten Bundesländern übersteigenden Teils des ruhegeldfähigen Jahreseinkommens, jeweils multipliziert mit der anrechenbaren Beschäftigungszeit.

4

Am 21. August 2009 schlossen die Beklagte und die GdF den Tarifvertrag über die Versorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (im Folgenden: VersTV 2009). Dieser lautet auszugsweise wie folgt:

        

Präambel

        

Für alle vor 2005 eingetretenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gilt das bisherige Versorgungssystem auf der Grundlage des VersTV 2005 nach der Maßgabe dieses VersTV 2009 (Teil A) weiter. Teil A gilt ferner für alle Empfänger von Versorgungsleistungen aus dem VersTV 1993 oder VersTV 2005 sowie für ehemalige Beschäftigte der DFS, die mit einer unverfallbaren Anwartschaft vor 2009 ausgeschieden waren.

        

…       

        

Teil A

        

§ 1     

        

Geltungsbereich

        

(1)     

Die §§ 1 bis 17 (Teil A) dieses Tarifvertrags gelten für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die vor dem 1. Januar 2005 ein Arbeitsverhältnis mit der DFS aufgenommen haben, unter den Geltungsbereich des Manteltarifvertrages in der jeweils geltenden Fassung fallen und am 1. Januar 2009 noch in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis standen oder sich am 1. Januar 2009 in der Übergangsversorgung für Lotsen oder FDB befanden.

        

…       

        
        

§ 2     

        

Art der Versorgungsleistung

        

(1)     

Folgende Leistungen werden nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen gewährt:

                 

a)    

Altersruhegeld (§ 6),

                 

b)    

vorzeitiges Altersruhegeld (§ 7),

                 

…       

        
        

(2)     

Bemessungsgrundlagen für die Leistung sind versorgungsfähiges Einkommen (§ 4) und versorgungsfähige Beschäftigungszeit (§ 5).

        

…       

        

§ 4     

        

Versorgungsfähiges Einkommen

        

(1)     

Das versorgungsfähige Einkommen ermittelt sich aus den Grundbeträgen nach dem maßgebenden Vergütungstarifvertrag (VTV), aus ggf. festen monatlichen Zulagen nach dem maßgebenden Zulagentarifvertrag (ZTV) und aus dem anteiligen Urlaubs- und Weihnachtsgeld nach dem maßgebenden VTV in den letzten zwölf Beschäftigungsmonaten. … Zeitzuschläge und variable Vergütungsbestandteile bleiben unberücksichtigt.

        

(2)     

Das versorgungsfähige Einkommen wird unterteilt

                 

-       

in den Teil bis zur Splittinggrenze

                 

und     

                 

-       

in den diese Splittinggrenze übersteigenden Teil.

                 

Die Splittinggrenze beträgt 64.800,00 Euro. ...

        

…       

        

§ 5     

        

Versorgungsfähige Beschäftigungszeit

        

(1)     

Als versorgungsfähige Beschäftigungszeit gelten alle Jahre und volle Monate, in denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ununterbrochen aktiv in einem Beschäftigungsverhältnis mit der DFS bzw. unmittelbar vorausgehend der BFS und dem LBA gestanden haben, sowie sonstige, tarifvertraglich anerkannte Beschäftigungszeiten, jedoch nicht über die Regelaltersgrenze hinaus. … Die anrechenbare Beschäftigungszeit ist auf 40 volle Jahre begrenzt.

        

(2)     

Als versorgungsfähige Beschäftigungszeit gilt auch die Zeit, in der die DFS tarifliches Übergangsgeld oder tarifliches Vorruhestandsgeld zahlt, längstens jedoch bis zur Altersgrenze für den vorzeitigen Bezug der gesetzlichen Altersrente für langjährig Versicherte.

        

…       

        
        

§ 6     

        

Altersruhegeld

        

…       

        
        

(2)     

Das jährliche Altersruhegeld setzt sich zusammen aus

                 

-       

0,4 % des versorgungsfähigen Jahreseinkommens bis zur durchschnittlichen Splittinggrenze der letzten 12 Beschäftigungsmonate

                 

zuzüglich

                 

-       

1,2 % des diese Splittinggrenze übersteigenden Teils des versorgungsfähigen Jahreseinkommens, jeweils multipliziert mit der nach § 5 versorgungsfähigen Beschäftigungszeit.

                                   
        

§ 7     

        

Vorzeitiges Altersruhegeld

        

(1)     

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die vorzeitige Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (Vollrente) beziehen und aus der Beschäftigung bei der DFS endgültig ausgeschieden sind, können vorzeitiges Altersruhegeld in Anspruch nehmen. …

        

(2)     

Die Höhe des vorzeitigen Altersruhegeldes errechnet sich wie das Altersruhegeld gemäß § 6 Abs. 2, wobei wegen des früheren Zahlungsbeginns eine Kürzung um 0,5 % für jeden Monat erfolgt, um den der Beginn der Ruhegeldzahlung vor Erreichen der Regelaltersgrenze liegt, maximal jedoch um 18 %.

        

…       

        
        

Teil C

        

Allgemeine und Schlussbestimmungen

        

…       

        
        

§ 24   

        

Inkrafttreten und Laufzeit

        

(1)     

Dieser Tarifvertrag tritt hinsichtlich des Teils B rückwirkend zum 1. Januar 2005, im Übrigen rückwirkend zum 1. Januar 2009 in Kraft. …

        

…       

                 
        

(3)     

Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2009 gilt dieser Tarifvertrag - unbeschadet des nach einer früheren Fassung erworbenen Stammrechts - für alle mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausgeschiedenen ehemaligen Beschäftigten der DFS sowie für alle Bezieher von laufenden Versorgungsleistungen.“

5

Die Splittinggrenze in Teil A § 4 Abs. 2 Satz 2 VersTV 2009 von 64.800,00 Euro entspricht der nach der Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2009 (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2009, BGBl. I S. 2336) geltenden Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahr 2009.

6

Nach dem Zulagentarifvertrag für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 20. August 1993 (im Folgenden: ZTV 1993) erhielten die Mitarbeiter der Beklagten in den operativen Diensten, die für die Ausübung ihrer Tätigkeit eine Erlaubnis und Berechtigungen nach der Verordnung über das erlaubnispflichtige Personal der Flugsicherung und seine Ausbildung vom 1. April 1993 (FSPAV) benötigten, eine operative Zulage (§ 2 Abs. 1 Satz 1 ZTV 1993). Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 ZTV 1993 wurde die operative Zulage für Fluglotsen in unterschiedlicher Höhe je nach Kategorie der Niederlassung bzw. des Betriebsteils gezahlt, in dem sie überwiegend tätig waren. § 2 Abs. 1 Satz 3 Buchst. a ZTV 1993 sah für Fluglotsen drei verschiedene Kategorien von Niederlassungen vor. Der Frankfurter Flughafen fiel in die Kategorie III. Die Höhe der je nach Kategorie zu zahlenden operativen Zulage war in § 2 Abs. 2 ZTV 1993 festgelegt.

7

Durch den 8. Änderungstarifvertrag zum ZTV 1993 vom 28. April 2000 (im Folgenden: ZTV 2000) wurden die Niederlassungen der Beklagten für die Fluglotsen neu kategorisiert. Hintergrund hierfür war ein arbeitswissenschaftliches Gutachten, durch das bestimmte Belastungsparameter - wie zB die Anzahl der von den Fluglotsen zu kontrollierenden Flugzeuge - unter Berücksichtigung weiterer Faktoren neu definiert wurden. § 2 Abs. 1 Satz 3 Buchst. a ZTV 2000 enthielt nunmehr sieben Kategorien von Niederlassungen. Der Tower des Frankfurter Flughafens wurde der Kategorie VII zugeordnet. § 2 Abs. 2 ZTV 2000 lautete nunmehr ua. wie folgt:

        

§ 2   

        

Operative Zulagen

        

…       

        
        

(2)     

Die Zulagen nach Abs. 1 werden ab dem 1. April 2000 monatlich in folgender Höhe gezahlt:

                 

Kategorie I:

…       

                 

…       

        
                 

Kategorie VII:

…       

                 

Erreicht diese Zulage bei unveränderter Tätigkeit nicht die Höhe der am 31. März 2000 gezahlten Zulage, wird der Differenzbetrag als Besitzstandszulage gezahlt.

                 

…“    

8

Für die am Tower des Frankfurter Flughafens beschäftigten Fluglotsen erhöhte sich die operative Zulage dadurch zum 1. April 2000 von 4.368,00 DM brutto auf 5.150,00 DM brutto.

9

Der Kläger war bei der Beklagten bis zum 30. September 1999 als Fluglotse im Tower des Frankfurter Flughafens tätig. Seine aus dem Grundbetrag nach dem Vergütungstarifvertrag und der operativen Zulage nach § 2 ZTV 1993 bestehende monatliche Vergütung belief sich in der Zeit vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember 1998 auf 13.262,00 DM und in der Zeit vom 1. Januar bis zum 30. September 1999 auf 13.674,00 DM. Zudem erhielt der Kläger nach dem zum 1. November 1996 in Kraft getretenen Vergütungstarifvertrag Nr. 3 vom 31. Oktober 1996 für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie dem zum 1. November 1998 in Kraft getretenen Vergütungstarifvertrag Nr. 4 vom 27. November 1998 für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jahren 1998 und 1999 Weihnachts- und Urlaubsgeld iHv. jeweils jährlich 55 % des tariflichen Grundbetrags und der operativen Zulage.

10

Ab dem 1. Oktober 1999 bezog der Kläger von der Beklagten ein Übergangsgeld nach dem Tarifvertrag über die Übergangsversorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Fluglotsen vom 7. Juli 1993 idF des Änderungstarifvertrags vom 27. November 1998 (im Folgenden: Ü-VersTV 1998). Zum 1. November 2004 trat der von der Beklagten mit der GdF abgeschlossene Tarifvertrag über die Übergangsversorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Fluglotsen vom 19. November 2004 in Kraft (im Folgenden: Ü-VersTV 2004), der durch Tarifvertrag vom 21. August 2009 mit Wirkung zum 1. Januar 2009 geändert wurde. Der Ü-VersTV 2004 idF vom 1. Januar 2009 (im Folgenden: Ü-VersTV 2009) bestimmt ua.:

        

§ 5   

        

Höhe des Übergangsgeldes

        

…       

        
        

(4)     

Das Übergangsgeld erhöht sich jeweils zu dem Zeitpunkt, zu dem die Tarifgehälter angepasst werden, um den entsprechenden Prozentsatz.

        

…       

        
        

§ 8     

        

Betriebliche Altersversorgung

        

(1)     

Zeiten, in denen Übergangsgeld bezogen wird, gelten als versorgungsfähige Beschäftigungszeiten i.S.d. Versorgungstarifvertrages der DFS.

        

(2)     

Als versorgungsfähiges Einkommen wird das vor Beginn des Übergangsgeldes bezogene versorgungsfähige Einkommen unterlegt, jeweils dynamisiert mit den Tariferhöhungen bis zum Ende des Bezugszeitraumes. In die Dynamisierung wird eine Veränderung von nicht monatlich wiederkehrenden Vergütungsbestandteilen rechnerisch so mit einbezogen, wie an ihrer Stelle eine höhere lineare Anpassung stattgefunden hätte. Die Unterteilung des versorgungsfähigen Einkommens gemäß § 4 Abs. 2 VersTV erfolgt auf der Basis des Durchschnitts der im letzten Bezugsjahr des Übergangsgeldes geltenden Splittinggrenze.

        

(3)     

§ 7 Abs. 2 in Teil A und B des Versorgungstarifvertrages findet keine Anwendung.“

11

Die tarifliche Vergütung wurde bei der Beklagten zum 1. November 1999 um 3 %, zum 1. November 2000 um 2,8 %, zum 1. November 2001 und zum 1. Mai 2003 um jeweils 3,1 %, zum 1. November 2003 um 0,8 %, zum 1. November 2004 um 1,9 %, zum 1. November 2006 und 2007 um jeweils 3 %, sowie zum 1. November 2008 um 4,8 % erhöht. Zum 1. Mai 2006 erfolgte eine Erhöhung der tariflichen Grundbeträge um 2,5 % sowie der operativen Zulagen um 7 %.

12

Seit dem 1. April 2009 bezieht der Kläger eine gesetzliche Altersrente sowie ein Altersruhegeld von der Beklagten iHv. 3.151,43 Euro. Bei der Berechnung des Altersruhegeldes legte die Beklagte ein dynamisiertes versorgungsfähiges Einkommen des Klägers iHv. 121.385,75 Euro zugrunde. Die sich durch den 8. Änderungstarifvertrag zum ZTV 1993 vom 28. April 2000 ergebende Erhöhung der operativen Zulage für die am Tower des Frankfurter Flughafens beschäftigten Fluglotsen berücksichtigte die Beklagte dabei nicht.

13

Der Kläger hat mit seiner Klage die Einbeziehung der Erhöhung der operativen Zulage am Tower des Frankfurter Flughafens in die Dynamisierung seines versorgungsfähigen Einkommens begehrt. Er hat die Ansicht vertreten, es handele sich hierbei um eine Tariferhöhung iSd. § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009. Unter Berücksichtigung der übrigen tariflichen Entgeltsteigerungen ergebe sich daher ein dynamisiertes versorgungsfähiges Einkommen iHv. 127.818,21 Euro, so dass sich sein Altersruhegeld auf 3.408,73 Euro brutto belaufe.

14

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. April 2009 bis zum 31. August 2010 zusätzliche Betriebsrente iHv. 4.374,10 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 257,30 Euro für jeden Monat beginnend mit dem 1. September 2009, mit dem ersten Tag der jeweiligen Folgemonate und endend mit dem 30. September 2010 zu zahlen und ihm ab dem 1. September 2010 eine Betriebsrente iHv. 3.408,73 Euro brutto im Monat zu zahlen.

15

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

16

Die Vorinstanzen haben der Klage, soweit sie in die Revisionsinstanz gelangt ist, stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

17

Die Revision ist begründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die Klage ist unbegründet. Die Beklagte schuldet dem Kläger ab dem 1. April 2009 kein höheres als das von ihr gezahlte Altersruhegeld iHv. 3.151,43 Euro brutto monatlich. Deshalb steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Zahlung rückständigen Altersruhegeldes für die Zeit vom 1. April 2009 bis zum 31. August 2010 iHv. 4.374,10 Euro brutto zu.

18

I. Die Berechnung des Altersruhegeldes des Klägers bei Eintritt des Versorgungsfalls am 1. April 2009 bestimmt sich nach den Regelungen in Teil A des VersTV 2009 und nach § 8 Ü-VersTV 2009.

19

1. Der VersTV 2009 und der Ü-VersTV 2009 finden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeits- bzw. das (Übergangs-)Versorgungsverhältnis der Parteien Anwendung. § 1 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 28. August/27. September 1993 enthält eine dynamische Verweisung auf die jeweils bei der Beklagten geltenden Versorgungstarifverträge und die Tarifverträge für die Übergangsversorgung. Nach § 1 des Arbeitsvertrags bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Manteltarifvertrag für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 7. Juli 1993 und die den MTV ergänzenden Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung. Sowohl der VersTV 2009 als auch der Ü-VersTV 2009 sind den MTV ergänzende Tarifverträge und werden demnach von der dynamischen Verweisung in § 1 des Arbeitsvertrags erfasst.

20

Aus § 5 des Arbeitsvertrags ergibt sich nichts anderes. Dort ist zwar bestimmt, dass für die Versorgung der Versorgungstarifvertrag vom 7. Juli 1993 gilt. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine statische Verweisung ausschließlich auf diesen Tarifvertrag. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind Verweisungen auf die für die betriebliche Altersversorgung beim Arbeitgeber geltenden Bestimmungen im Regelfall dynamisch. Sie verweisen, soweit keine gegenteiligen Anhaltspunkte bestehen, auf die jeweils beim Arbeitgeber geltenden Regelungen. Will der Arbeitgeber eine Versorgung unabhängig von der jeweils geltenden allgemeinen Versorgungsordnung zusagen, muss er dies deutlich zum Ausdruck bringen (st. Rspr., vgl. etwa BAG 23. April 2013 - 3 AZR 23/11 - Rn. 22). An derartigen Anhaltspunkten fehlt es vorliegend. § 5 des Arbeitsvertrags stellt daher lediglich deklaratorisch klar, dass sich die Versorgung im Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags nach dem Versorgungstarifvertrag vom 7. Juli 1993 richtete (vgl. für einen insoweit wortlautidentischen Arbeitsvertrag bereits BAG 23. April 2013 - 3 AZR 23/11 - Rn. 23).

21

2. Für die Berechnung des Altersruhegeldes des Klägers sind - neben den Bestimmungen in § 8 Ü-VersTV 2009 - die Regelungen in Teil A des VersTV 2009 maßgebend.

22

a) Nach der Präambel des VersTV 2009 gilt für alle vor dem Jahr 2005 eingetretenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das bisherige Versorgungssystem der Beklagten auf der Grundlage des VersTV 2005 nach der Maßgabe des VersTV 2009 (Teil A) weiter. Demgemäß richten sich die Versorgungsansprüche der ehemaligen Beschäftigten der Beklagten, die mit einer unverfallbaren Anwartschaft vor dem Jahr 2009 ausgeschieden sind, nach den gemäß § 24 Abs. 1 und Abs. 3 VersTV 2009 am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Bestimmungen in Teil A des VersTV 2009 (vgl. Satz 2 der Präambel zum VersTV 2009). Teil A § 1 Abs. 1 VersTV 2009 sieht vor, dass die Regelungen dieses Teils ua. für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelten, die vor dem 1. Januar 2005 ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten aufgenommen haben und sich am 1. Januar 2009 in der Übergangsversorgung für Lotsen befanden.

23

b) Die in der Präambel zum VersTV 2009 und in Teil A § 1 Abs. 1 VersTV 2009 genannten Voraussetzungen erfüllt der Kläger. Er ist vor dem Jahr 2009 - nämlich am 30. September 1999 - mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft nach § 1b Abs. 1 iVm. § 30f Abs. 1 Satz 1 BetrAVG aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausgeschieden, er hatte vor dem 1. Januar 2005 ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten aufgenommen und befand sich am 1. Januar 2009 noch in der Übergangsversorgung für Fluglotsen. Damit richten sich seine Versorgungsansprüche nach Teil A des VersTV 2009 iVm. § 8 Ü-VersTV 2009.

24

II. Auf der Grundlage der Regelungen in Teil A VersTV 2009 und in § 8 Ü-VersTV 2009 ergibt sich kein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung eines monatlich 3.151,43 Euro brutto übersteigenden Altersruhegeldes ab dem 1. April 2009.

25

1. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 VersTV 2009 setzt sich das jährliche Altersruhegeld zusammen aus 0,4 % des versorgungsfähigen Jahreseinkommens bis zur durchschnittlichen Splittinggrenze der letzten zwölf Beschäftigungsmonate zuzüglich 1,2 % des diese Splittinggrenze übersteigenden Teils des versorgungsfähigen Jahreseinkommens, jeweils multipliziert mit der nach § 5 VersTV 2009 versorgungsfähigen Beschäftigungszeit. Das versorgungsfähige Einkommen ermittelt sich nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VersTV 2009 aus den Grundbeträgen nach dem Vergütungstarifvertrag, etwaigen festen monatlichen Zulagen nach dem Zulagentarifvertrag sowie aus dem anteiligen Urlaubs- und Weihnachtsgeld in den letzten zwölf Beschäftigungsmonaten vor Eintritt des Versorgungsfalls. Für Fluglotsen, die - wie der Kläger - vor Eintritt des Versorgungsfalls ein Übergangsgeld bezogen haben, werden diese Regelungen durch § 8 Abs. 2 Ü-VersTV 2009 modifiziert. Danach erfolgt die Unterteilung des versorgungsfähigen Einkommens nach § 4 Abs. 2 VersTV 2009 auf der Basis des Durchschnitts der im letzten Bezugsjahr des Übergangsgeldes geltenden Splittinggrenze(§ 8 Abs. 2 Satz 3 Ü-VersTV 2009). Zudem wird als versorgungsfähiges Einkommen das vor Beginn des Übergangsgeldes bezogene versorgungsfähige Einkommen zugrunde gelegt, jeweils dynamisiert mit den Tariferhöhungen bis zum Ende des Bezugszeitraumes (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009).

26

2. Entgegen der Ansicht des Klägers hat die Beklagte bei der Berechnung seines Altersruhegeldes zu Recht ein dynamisiertes versorgungsfähiges Einkommen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VersTV 2009 iVm. § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 iHv. 121.385,75 Euro zugrunde gelegt.

27

a) Das versorgungsfähige Einkommen des Klägers in den letzten zwölf Beschäftigungsmonaten vor dem Beginn seines Übergangsgeldbezugs am 1. Oktober 1999 belief sich auf 177.780,12 DM. Der Kläger erhielt in der Zeit vom 1. Oktober 1998 bis zum 31. Dezember 1998 einen tariflichen Grundbetrag und eine operative Zulage iHv. insgesamt monatlich 13.262,00 DM brutto. In der Zeit vom 1. Januar 1999 bis zum 30. September 1999 betrug der tarifliche Grundbetrag einschließlich der operativen Zulage monatlich 13.674,00 DM brutto. Für die Zeit vom 1. Oktober 1998 bis zum 30. September 1999 ergibt dies einen Betrag iHv. 162.852,00 DM. Hinzu kommen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VersTV 2009 das anteilig zu berücksichtigende Weihnachts- und Urlaubsgeld für die Jahre 1998 und 1999. Im Jahr 1998 erhielt der Kläger ein Weihnachts- und Urlaubsgeld iHv. jeweils 7.294,10 DM (55 % von 13.262,00 DM) und im Jahr 1999 iHv. jeweils 7.520,70 DM (55 % von 13.674,00 DM). Da beide Sonderzahlungen auf das Kalenderjahr bezogen gewährt wurden, ergeben sich ein anteilig zu berücksichtigendes Weihnachts- und Urlaubsgeld für die Zeit vom 1. Oktober 1998 bis zum 31. Dezember 1998 iHv. jeweils 1.823,53 DM brutto und für die Zeit vom 1. Januar 1999 bis zum 30. September 1999 iHv. jeweils 5.640,53 DM brutto. Demgemäß betrug das versorgungsfähige Einkommen des Klägers vor dem Beginn seines Übergangsgeldbezugs insgesamt 177.780,12 DM.

28

b) Die Beklagte hat das versorgungsfähige Einkommen des Klägers vor dem Beginn seines Übergangsgeldbezugs iHv. 177.780,12 DM nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 zutreffend entsprechend den während der Bezugsdauer des Übergangsgeldes bis zum Eintritt des Versorgungsfalls am 1. April 2009 erfolgten prozentualen Tariferhöhungen auf 121.385,75 Euro angehoben. Entgegen der Ansicht des Klägers war die sich durch den 8. Änderungstarifvertrag zum ZTV 1993 vom 28. April 2000 ergebende Erhöhung der operativen Zulage für die am Tower des Frankfurter Flughafens beschäftigten Fluglotsen nicht in die Dynamisierung seines versorgungsfähigen Einkommens mit einzubeziehen. Diese stellt keine Tariferhöhung iSd. § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 dar. Dies ergibt die Auslegung der Norm.

29

aa) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr., vgl. etwa BAG 26. März 2013 - 3 AZR 68/11 - Rn. 25 mwN).

30

bb) Danach ist die Erhöhung der operativen Zulage für die am Tower des Frankfurter Flughafens beschäftigten Fluglotsen durch den 8. Änderungstarifvertrag zum ZTV 1993 vom 28. April 2000 keine Tariferhöhung iSd. § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009.

31

(1) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts spricht bereits der Wortlaut dagegen, die durch den 8. Änderungstarifvertrag zum ZTV 1993 verursachte Erhöhung der operativen Zulage als Tariferhöhung iSd. § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 anzusehen.

32

Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 wird das vor Beginn des Übergangsgeldes bezogene versorgungsfähige Einkommen während der Bezugsdauer des Übergangsgeldes mit den „Tariferhöhungen“ dynamisiert. Die Tarifvertragsparteien haben nicht definiert, was sie unter „Tariferhöhungen“ verstehen. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet eine Tariferhöhung die Erhöhung der ausgehandelten und vertraglich festgesetzten Löhne und Gehälter (vgl. Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache S. 3856 Stichworte: „Tarif“, „Tariferhöhung“). Kennzeichnend für die Tariferhöhung ist damit, dass die für die Bemessung des Entgelts maßgebenden Tarife gesteigert werden. Die Tarifvertragsparteien haben durch den 8. Änderungstarifvertrag zum ZTV 1993 indes nicht die bis dahin in § 2 Abs. 2 ZTV 1993 festgesetzten Tarife für die operative Zulage der Fluglotsen in den nach § 2 Abs. 1 Satz 3 Buchst. a ZTV 1993 bestehenden Kategorien I bis III gesteigert. Vielmehr haben sie die Tätigkeiten der Fluglotsen in den verschiedenen Niederlassungen der Beklagten neu bewertet und infolgedessen die Anzahl der für die Höhe der operativen Zulage maßgebenden Kategorien der Niederlassungen erhöht. Zwar hatten diese Änderungen der tariflichen Regelungen für die Fluglotsen am Tower des Frankfurter Flughafens zur Folge, dass sie eine höhere operative Zulage als zuvor erhielten. Wie die Besitzstandsregelung in § 2 Abs. 2 ZTV 2000 zeigt, ging die neue Kategorisierung der Niederlassungen jedoch nicht zwangsläufig mit einer Erhöhung der operativen Zulage einher. Vielmehr konnte es je nach Einsatzort der Fluglotsen auch zu einer Absenkung der bislang gezahlten operativen Zulage kommen.

33

(2) Der Regelungszusammenhang zeigt zudem, dass die Tarifvertragsparteien mit dem Begriff der Tariferhöhungen iSd. § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 nur an die prozentualen Steigerungen der Tarifentgelte anknüpfen wollten.

34

(a) Nach § 8 Abs. 2 Satz 2 Ü-VersTV 2009 wird eine Veränderung von nicht monatlich wiederkehrenden Vergütungsbestandteilen rechnerisch so in die Dynamik nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 einbezogen, wie an ihrer Stelle eine höhere lineare Anpassung stattgefunden hätte. Damit sollen Erhöhungen des für die Berechnung des Weihnachts- und Urlaubsgeldes maßgeblichen Prozentsatzes des Monatsgehaltes bei der Dynamisierung des versorgungsfähigen Einkommens der Übergangsgeldbezieher berücksichtigt werden. Dies zeigt der tarifliche Gesamtzusammenhang. Da sich das versorgungsfähige Einkommen nur aus den in § 4 Abs. 1 Satz 1 VersTV 2009 genannten Vergütungsbestandteilen ermittelt, kann sich die Bestimmung in § 8 Abs. 2 Satz 2 Ü-VersTV 2009 nur auf Veränderungen in der Höhe des anteilig zu berücksichtigenden Weihnachts- und Urlaubsgeldes beziehen. Sonstige, monatlich nicht wiederkehrende Vergütungsbestandteile, die nach § 8 Abs. 2 Satz 2 Ü-VersTV 2009 eine Veränderung erfahren könnten, fließen nicht in die Ermittlung des versorgungsfähigen Einkommens ein. Auch die Tarifgeschichte bestätigt dieses Verständnis. Bereits der Ü-VersTV 1998 enthielt in § 8 Abs. 2 Satz 2 eine identische Bestimmung. Die Regelung war durch den 2. Änderungstarifvertrag vom 31. Oktober 1996 zum Tarifvertrag über die Übergangsversorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Fluglotsen vom 7. Juli 1993 eingefügt worden, nachdem durch § 8 Abs. 1 des Vergütungstarifvertrags Nr. 2 vom 20. November 1995 für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Höhe des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes von bislang 50 % auf 55 % der monatlichen Vergütung nach dem Vergütungs- und Zulagentarifvertrag angehoben worden war.

35

(b) § 8 Abs. 2 Satz 2 Ü-VersTV 2009 zeigt, dass der Begriff der Tariferhöhungen iSv. Satz 1 nach den Vorstellungen der Tarifparteien nur die prozentualen Steigerungen der Tarifentgelte erfassen soll. Die Regelung will einen Gleichlauf zwischen den Erhöhungen des für die Bemessung des Weihnachts- und Urlaubsgeldes maßgeblichen Prozentsatzes und den Tariferhöhungen iSv. § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 herstellen, indem Erstere bei der Dynamisierung des versorgungsfähigen Einkommens so zu berücksichtigen sind, als ob eine „lineare Anpassung“ stattgefunden hätte. Eine Tariferhöhung iSd. § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 ist nach dem Verständnis der Tarifvertragsparteien damit die lineare Steigerung der Tarifentgelte im Sinne einer prozentualen Anhebung der tariflichen Vergütung.

36

(c) Dafür spricht auch die Regelung in § 5 Abs. 4 Ü-VersTV 2009 zur Dynamisierung des Übergangsgeldes. Danach erhöht sich das Übergangsgeld jeweils zu dem Zeitpunkt, zu dem die Tarifgehälter angepasst werden, um den entsprechenden Prozentsatz. Zwar unterscheiden sich die beiden Dynamisierungsregelungen in § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 und § 5 Abs. 4 Ü-VersTV 2009 insoweit, als im Rahmen von § 5 Abs. 4 Ü-VersTV 2009 Bezugsobjekt für die Anpassung nicht alle der Berechnung des Übergangsgeldes zugrunde gelegten Vergütungsbestandteile, sondern nur die tariflichen Grundgehälter sind(vgl. BAG 14. Januar 2009 - 3 AZR 648/07 - Rn. 24 ff.). Demgegenüber knüpft § 8 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Ü-VersTV 2009 nicht lediglich an die Entwicklung der Tarifgehälter, sondern an die Entwicklung der gesamten dem versorgungsfähigen Einkommen zugrunde liegenden Vergütungsbestandteile an. Abgesehen von dem unterschiedlichen Bezugsobjekt für die Dynamisierung gibt es jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass die beiden Regelungen in ihrem sonstigen Anpassungsmechanismus voneinander abweichen sollten. Die Tarifparteien wollten vielmehr sowohl das Übergangsgeld als auch das versorgungsfähige Einkommen der Übergangsgeldbezieher entsprechend den prozentualen Steigerungen der jeweils für sie maßgeblichen Vergleichsobjekte dynamisieren.

37

(3) Auch der Sinn und Zweck der Regelung in § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 bestätigt das vorliegende Ergebnis. Die Dynamisierung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 soll verhindern, dass die Versorgungsanwartschaft der Übergangsgeldbezieher bis zum Eintritt des Versorgungsfalls durch Kaufkraftverlust entwertet wird. Unverfallbare Versorgungsanwartschaften sind - anders als Betriebsrenten nach § 16 BetrAVG - gesetzlich nicht gegen eine Auszehrung durch Kaufkraftverlust geschützt. Deshalb haben die Tarifvertragsparteien entschieden, das versorgungsfähige Einkommen der Übergangsgeldbezieher an der tariflichen Entwicklung bei der Beklagten teilhaben zu lassen. Bei der Neubewertung der Tätigkeit der Fluglotsen an den einzelnen Niederlassungen der Beklagten durch den 8. Änderungstarifvertrag zum ZTV 1993 vom 28. April 2000 handelt es sich indes nicht um eine Maßnahme, die dem Ausgleich von Kaufkraftverlusten dient. Durch die operative Zulage soll vielmehr die unterschiedliche Beanspruchung der Fluglotsen in den verschiedenen Niederlassungen der Beklagten entlohnt werden.

38

(4) In dieser Auslegung enthält die Tarifbestimmung eine sachgerechte und praktikable Regelung. Mit der Anpassung des versorgungsfähigen Einkommens aller Bezieher einer Übergangsversorgung an die allgemeine tarifliche Entwicklung gilt für alle Fluglotsen eine einheitliche Methode der Dynamisierung. Entgegen der Ansicht des Klägers schreibt § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 gerade nicht vor, dass bei der Bemessung des versorgungsfähigen Einkommens die Vergütungsstrukturen des einzelnen Arbeitnehmers vor Bezug des Übergangsgeldes fortgeschrieben und an spätere Veränderungen angepasst werden. Dynamisiert wird ausschließlich das vor dem Bezug von Übergangsgeld bezogene versorgungsfähige Entgelt. Eine Dynamisierung, die - je nach dem letzten Einsatzort des Fluglotsen - zu unterschiedlich hohen Anpassungen führen könnte, würde diesem erkennbaren Vereinfachungs- und Vereinheitlichungsinteresse der Tarifvertragsparteien zuwiderlaufen.

39

3. Ausgehend von einem dynamisierten versorgungsfähigen Einkommen iHv. 121.385,75 Euro schuldet die Beklagte dem Kläger damit ab dem 1. April 2009 kein höheres als das von ihr gezahlte Altersruhegeld iHv. 3.151,43 Euro brutto monatlich. Selbst wenn im Rahmen der Berechnung nach § 8 Abs. 2 Satz 3 Ü-VersTV 2009 für den Zeitraum vom 1. April 2008 bis zum 31. Dezember 2008 nicht auf die erst seit dem 1. Januar 2009 geltende Splittinggrenze nach § 4 Abs. 2 Satz 2 VersTV 2009, sondern auf die(niedrigere) Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung abzustellen sein sollte, ergäbe sich kein höheres Altersruhegeld. Nach § 3 der Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2008 vom 5. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2797) betrug die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahr 2008 63.600,00 Euro jährlich und 5.300,00 Euro monatlich. Damit beläuft sich der durchschnittliche Wert der vom 1. April 2008 bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung und der vom 1. Januar 2009 bis zum 31. März 2009 geltenden Splittinggrenze auf 63.900,00 Euro. Bei einer maximal anrechenbaren Beschäftigungszeit des Klägers nach § 5 VersTV 2009 iVm. § 8 Abs. 1 Ü-VersTV 2009 von 40 Dienstjahren betragen die Anteile des jährlichen Altersruhegeldes nach § 6 Abs. 2 VersTV 2009 für den unter diesem Betrag liegenden Teil des versorgungsfähigen Einkommens 10.224,00 Euro (0,4 % x 40 x 63.900,00 Euro) und für den darüber liegenden Teil 27.593,16 Euro (1,2 % x 40 x 57.485,75 Euro). Auf der Grundlage eines jährlichen Altersruhegeldes iHv. 37.817,16 Euro brutto ergibt sich damit das von der Beklagten seit dem 1. April 2009 gezahlte monatliche Altersruhegeld iHv. 3.151,43 Euro brutto.

40

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

        

    Gräfl    

        

    Spinner    

        

    Ahrendt    

        

        

        

    Blömeke    

        

    H. Frehse    

                 

(1) Werden einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt (betriebliche Altersversorgung), gelten die Vorschriften dieses Gesetzes. Die Durchführung der betrieblichen Altersversorgung kann unmittelbar über den Arbeitgeber oder über einen der in § 1b Abs. 2 bis 4 genannten Versorgungsträger erfolgen. Der Arbeitgeber steht für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen auch dann ein, wenn die Durchführung nicht unmittelbar über ihn erfolgt.

(2) Betriebliche Altersversorgung liegt auch vor, wenn

1.
der Arbeitgeber sich verpflichtet, bestimmte Beiträge in eine Anwartschaft auf Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung umzuwandeln (beitragsorientierte Leistungszusage),
2.
der Arbeitgeber sich verpflichtet, Beiträge zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung zu zahlen und für Leistungen zur Altersversorgung das planmäßig zuzurechnende Versorgungskapital auf der Grundlage der gezahlten Beiträge (Beiträge und die daraus erzielten Erträge), mindestens die Summe der zugesagten Beiträge, soweit sie nicht rechnungsmäßig für einen biometrischen Risikoausgleich verbraucht wurden, hierfür zur Verfügung zu stellen (Beitragszusage mit Mindestleistung),
2a.
der Arbeitgeber durch Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung verpflichtet wird, Beiträge zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung nach § 22 zu zahlen; die Pflichten des Arbeitgebers nach Absatz 1 Satz 3, § 1a Absatz 4 Satz 2, den §§ 1b bis 6 und 16 sowie die Insolvenzsicherungspflicht nach dem Vierten Abschnitt bestehen nicht (reine Beitragszusage),
3.
künftige Entgeltansprüche in eine wertgleiche Anwartschaft auf Versorgungsleistungen umgewandelt werden (Entgeltumwandlung) oder
4.
der Arbeitnehmer Beiträge aus seinem Arbeitsentgelt zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung leistet und die Zusage des Arbeitgebers auch die Leistungen aus diesen Beiträgen umfasst; die Regelungen für Entgeltumwandlung sind hierbei entsprechend anzuwenden, soweit die zugesagten Leistungen aus diesen Beiträgen im Wege der Kapitaldeckung finanziert werden.

(1) Der Tarifvertrag regelt die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können.

(2) Tarifverträge bedürfen der Schriftform.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 21.01.2014 – 3 Ca 168/13 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134

(1) Der Tarifvertrag regelt die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können.

(2) Tarifverträge bedürfen der Schriftform.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 21.01.2014 – 3 Ca 168/13 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134

(1) Der Tarifvertrag regelt die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können.

(2) Tarifverträge bedürfen der Schriftform.

(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.

(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.

(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.

(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

(1) Der Tarifvertrag regelt die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können.

(2) Tarifverträge bedürfen der Schriftform.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 21.01.2014 – 3 Ca 168/13 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 5. August 2009 - 3 Sa 358/09 - aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 28. Januar 2009 - 2 Ca 189/08 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt wird, dass die Beklagte dem Kläger für das Jahr 2007 32 Tage Urlaub zu gewähren hat.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Urlaubsansprüche des Klägers.

2

Der 1962 geborene Kläger ist seit 1993 für die Beklagte als Journalist tätig; seit 2004 auf der Grundlage eines Honorar-Rahmenvertrags. Im letzten maßgeblichen Honorar-Rahmenvertrag vom 28. Februar 2006 vereinbarten die Parteien - „in der Erwägung, dass ... die Beschäftigten nach dem Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen der Deutschen Welle vom 06.02.2002 ... einen verstärkten sozialen Schutz ohne die Bindungen eines Arbeitsverhältnisses erhalten sollen“ - die freie Mitarbeit des Klägers als „redaktionell“ tätiger „Programmmitarbeiter nach § 16 Satz 1 des Tarifvertrags“(§ 1) in „programmgestaltender Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 des Tarifvertrags“(§ 3). In § 5 des Honorar-Rahmenvertrags heißt es weiter:

        

„Für das gesamte Beschäftigungsverhältnis und für jede zu treffende Einzelvereinbarung gilt der Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen der Deutschen Welle vom 6. Februar 2002 (Tarifvertrag) in seiner jeweils gültigen Fassung.“

3

Der Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen der Deutschen Welle vom 6. Februar 2002 idF vom 29. Juni 2004 (TVaP) enthält ua. folgende Regelungen:

        

„§ 1   

        

Persönlicher Geltungsbereich

        

(1)     

Dieser Tarifvertrag findet Anwendung auf Rechtsverhältnisse, die zwischen arbeitnehmerähnlichen Personen im Sinne von § 12a Tarifvertragsgesetz und der Deutschen Welle durch Dienst- oder Werkverträge begründet werden; abweichende Regelungen im 2. Abschnitt (§§ 7 - 15) und im 3. Abschnitt (§§ 16 - 20) bleiben unberührt. Arbeitnehmerähnliche Personen im Sinne dieses Tarifvertrags sind Mitarbeiter, die die Voraussetzungen der wirtschaftlichen Abhängigkeit nach § 2 und der sozialen Schutzbedürftigkeit nach § 3 erfüllen.

        

...     

                 
        

§ 2     

        

Wirtschaftliche Abhängigkeit

        

(1)     

Die wirtschaftliche Abhängigkeit eines Mitarbeiters ist gegeben, wenn er entweder bei der Deutschen Welle oder bei ihr und anderen Rundfunkanstalten, die zur Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) gehören, mehr als die Hälfte seiner erwerbsmäßigen Entgelte (brutto ohne gesonderte Kostenerstattung) im maßgeblichen Zeitraum bezogen hat. ...

        

(2)     

Maßgeblicher Zeitraum Sinne des Absatzes 1 ist das Kalenderjahr vor Geltendmachung des Anspruchs. ...

                          
        

§ 3     

        

Soziale Schutzbedürftigkeit

        

Die soziale Schutzbedürftigkeit des Mitarbeiters ist gegeben, wenn er innerhalb der letzten sechs Monate vor der Geltendmachung eines Anspruchs aus diesem Tarifvertrag oder seinen Durchführungstarifverträgen mindestens an 42 Tagen (einschließlich Urlaubstage) für die Deutsche Welle und andere ARD-Anstalten aufgrund vertraglicher Verpflichtungen tätig war und seine Einkünfte aus Erwerbstätigkeit im Sinne dieses Tarifvertrags im Kalenderjahr vor der Geltendmachung des Anspruchs nicht mehr als 74.000,- EURO brutto betragen haben.

                 
        

§ 4     

        

Beginn und Ende des arbeitnehmerähnlichen

        

Rechtsverhältnisses

        

(1)     

Das arbeitnehmerähnliche Rechtsverhältnis zur Deutschen Welle beginnt nach dem Eintritt der Voraussetzungen des § 2 und des § 3. Das Gleiche gilt mit Beginn eines Honorar-Rahmenvertrags (§ 18), der eine Honorar-Garantie (§ 20) enthält, oder eines Honorar-Rahmenvertrags, der unmittelbar an die Beendigung eines befristeten Arbeitsverhältnisses anschließt, solange die Einkommensgrenze nach § 2 Abs. 1 nicht unterschritten oder die Einkommensgrenze nach § 3 nicht überschritten wird.

        

(2)     

Das arbeitnehmerähnliche Rechtsverhältnis endet

                 

…       

                 

4.    

mit dem Wegfall der Voraussetzungen des § 2 oder des § 3, oder

                 

...“   

        
4

Der Urlaubstarifvertrag vom 1. Januar 1978 idF vom 29. Juni 2004 (TV Urlaub) bestimmt ua.:

        

„1.     

Urlaubsanspruch

                 

1.1     

Die unter § 1 des Tarifvertrags für arbeitnehmerähnliche Personen der Deutschen Welle vom 06.02.2002 (TVaP) fallenden Mitarbeiter haben - soweit nicht nach § 1 Absatz 2 TVaP ausgeschlossen - unter den Voraussetzungen seiner §§ 2 und 3 Anspruch auf einen bezahlten Urlaub.

                 

…       

        
                                   
        

2.    

Urlaubsdauer

                 

2.1     

Der Jahresurlaub beträgt 31 Arbeitstage.

                 

…       

        
                 

2.3     

Der Urlaub muss innerhalb des laufenden Kalenderjahres, in begründeten Ausnahmefällen spätestens bis zum 30. April des folgenden Jahres, beantragt und nach Möglichkeit zusammenhängend gegeben und genommen werden.

                 

2.4     

Ein vom Mitarbeiter im Kalenderjahr nicht beantragter Urlaub verfällt, es sei denn, dass der Mitarbeiter an der Antragstellung schuldlos verhindert war und diese bis spätestens 1. April des folgenden Jahres nachholt.

                 

2.5     

Lehnt die Deutsche Welle die Zahlung eines Urlaubsentgelts wegen fehlender Anspruchsvoraussetzung ab, so kann der Mitarbeiter nur innerhalb von vier Monaten schriftlich Einspruch dagegen erheben.

                                   
        

3.    

Urlaubsentgelt

                 

3.1     

Der Mitarbeiter erhält von der Deutschen Welle ein Urlaubsentgelt für die Urlaubstage, die ihm nach Ziffer 2.1 und 2.2 des Tarifvertrags zustehen. Das Urlaubsentgelt bemisst sich nach dem Einkommen, das der Mitarbeiter in den letzten zwölf Monaten vor Urlaubsantritt von der Deutsche Welle erhalten hat, einschließlich der von der Deutschen Welle gezahlten tariflichen Leistungen, höchstens 61.000,00 EUR. Es wird dividiert durch 260 und dann mit der Anzahl der Urlaubstage multipliziert. Zum Einkommen zählen nicht die von der Deutsche Welle bezahlten Übernahme- oder Wiederholungshonorare.

                 

…“    

        
5

Auf einem von der Beklagten zur Verfügung gestellten Formular beantragte der Kläger am 16. März 2007 für den Zeitraum vom 18. März bis zum 15. April 2007 Urlaub und Zahlung des Urlaubsentgelts. Er gab sein erwerbsmäßiges Entgelt als freier Mitarbeiter bei der Beklagten im Kalenderjahr vor Antragstellung mit 48.129,90 Euro bei ca. 100 Arbeitstagen in den letzten sechs Monaten vor Antragstellung an. Ferner bezifferte er seine anderen Erwerbseinkünfte als „freier Journalist“ mit ca. 20.000,00 Euro. Am Schluss des Formulars erklärte sich der Kläger bereit, seine Angaben auf Verlangen durch Vorlage von Bescheinigungen einschließlich des Einkommensteuerbescheids zu belegen. Die Beklagte lehnte den Urlaubsantrag des Klägers am 26. März 2007 wegen zu hoher Einkünfte aus Erwerbstätigkeit iSv. § 3 TVaP ab.

6

Laut der beim Finanzamt eingereichten Aufstellung erzielte der Kläger im Kalenderjahr 2006 - neben den Honorareinkünften von der Beklagten und steuerfrei ergänzend gewährten Nachtzuschlägen iHv. 7.586,76 Euro - weitere Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit iHv. 29.434,79 Euro bei gleichzeitigen Ausgaben iHv. 22.333,40 Euro, die das Finanzamt mit einem Gewinn von 7.101,00 Euro veranlagte. Diese Einkünfte resultierten im Wesentlichen aus längerfristig angelegten Tätigkeiten für Magazine und Zeitschriften in den Vereinigten Staaten von Amerika, die mit Aufwendungen für Reisen und Kommunikationsleistungen verbunden waren.

7

Mit Schreiben seines damaligen Prozessbevollmächtigten vom 26. Juni 2007 machte der Kläger seinen Anspruch auf Urlaubsentgelt gegenüber der Beklagten erfolglos geltend. Das Vertragsverhältnis der Parteien endete am 31. Juli 2011.

8

Der Kläger hat mit der am 23. Januar 2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klageschrift, die der Beklagten spätestens am 21. Februar 2008 zugestellt worden ist, von der Beklagten die Zahlung von Urlaubsentgelt für insgesamt 32 Urlaubstage verlangt. Diese resultieren aus einem von 2006 nach 2007 übertragenen Resturlaubstag und 31 Urlaubstagen für 2007.

9

Der Kläger hat gemeint, er sei sozial schutzbedürftig iSd. § 3 TVaP. Die soziale Schutzbedürftigkeit sei anhand des aus journalistischer Tätigkeit herrührenden Gewinns zu bestimmen. Denn nur der Gewinn, nicht aber der getätigte Umsatz lasse Schlussfolgerungen auf die Unabhängigkeit des Mitarbeiters zu.

10

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.857,28 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten seit Klageerhebung zu zahlen.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, der Kläger sei aufgrund seiner Gesamteinnahmen von mehr als 74.000,00 Euro im Jahr 2006 nicht sozial schutzbedürftig. Maßgeblich sei der neben den Honoraren erzielte Umsatz, den der Kläger mit 30.401,63 Euro beziffert habe. Seine angefallenen Betriebskosten könne er nicht in Abzug bringen. Schließlich sprächen Praktikabilitätsgründe dafür, die Schutzbedürftigkeit eines Mitarbeiters anhand der reinen Einnahmewerte zu bestimmen.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision beantragt der Kläger nunmehr festzustellen, dass die Beklagte ihm für das Jahr 2007 Urlaub mit einer Dauer von 32 Tagen zu gewähren und entsprechend Urlaubsentgelt für 32 Urlaubstage zu zahlen hat.

Entscheidungsgründe

13

A. Die zulässige Revision ist begründet. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Kläger nach Ziff. 2.1 TV Urlaub insgesamt Anspruch auf 32 Tage tariflichen Jahresurlaub.

14

I. Die in der Revisionsinstanz erklärte Änderung des Klageantrags, mit dem der Kläger anstelle der ursprünglich verlangten Zahlung des Urlaubsentgelts nunmehr die Feststellung eines Urlaubsanspruchs begehrt, ist zulässig.

15

Der Kläger hat erstmals in der Revisionsinstanz beantragt festzustellen, dass ihm noch 32 Urlaubstage zustehen. Zuvor hat er lediglich die Zahlung des Urlaubsentgelts für diese Urlaubstage im Wege der Leistungsklage geltend gemacht. Diese Änderung ist wirksam, auch wenn der Kläger sie erst in der Revisionsinstanz erklärt hat. Zwar bestehen für Klageänderungen und -erweiterungen in der Revisionsinstanz Hinderungsgründe; denn der Schluss der Berufungsverhandlung bildet nach § 559 ZPO bezüglich des tatsächlichen Vorbringens die Urteilsgrundlage für das Revisionsgericht. Soweit von der Rechtsprechung angenommen wird, der Schluss der mündlichen Verhandlung in zweiter Instanz bilde auch bezüglich der Anträge der Parteien eine bindende Entscheidungsgrundlage für das Revisionsgericht (vgl. BAG 20. Januar 2010 - 5 AZR 99/09 - Rn. 11, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 119 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 16 unter Hinweis auf die st. Rspr.; 28. Juni 2005 - 1 ABR 25/04 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 115, 165; 8. September 1971 - 4 AZR 405/70 - AP BAT §§ 22, 23 Nr. 46), steht dies hier der Antragsänderung nicht entgegen. Denn es ist allgemein anerkannt, dass Antragsänderungen jedenfalls aus prozessökonomischen Gründen dann zugelassen werden können, wenn es sich dabei um Beschränkungen oder Erweiterungen iSv. § 264 Nr. 2 ZPO handelt und der neue Sachantrag sich auf den in der Berufungsinstanz festgestellten Sachverhalt oder auf den unstreitigen Parteivortrag stützt(BAG 23. Februar 2010 - 9 AZR 52/09 - Rn. 35, ZTR 2010, 367). So ist es hier. Es handelt sich um eine Beschränkung iSd. § 264 Nr. 2 ZPO. Sie stützt sich auf denselben Klagegrund. Das Landesarbeitsgericht hat die Anspruchsvoraussetzungen des Urlaubsanspruchs inzident geprüft. Es hat „unproblematisch die erstgenannte Tarifvoraussetzung der 42-tägigen Tätigkeit“ und die weitere Anspruchsvoraussetzung, nämlich die Höhe des Einkommens anhand tatsächlich erhaltener Zahlungen, festgestellt. Dass es aufgrund einer rechtlich fehlerhaften Auslegung des tariflichen Begriffs „Einkommen“ das Überschreiten der anspruchsvernichtenden Einkommensgrenze angenommen hat, ist in diesem Zusammenhang unschädlich.

16

Die Klage auf Feststellung eines Urlaubsanspruchs ist zulässig (vgl. ausführlich BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 12 ff., NZA 2011, 1050).

17

II. Die Klage ist begründet. Der von dem Kläger erhobene Anspruch folgt aus Ziff. 2.1 TV Urlaub. Danach beträgt der Jahresurlaub 31 Arbeitstage. Hinzu kommt ein weiterer aus dem Jahr 2006 übertragener Urlaubstag.

18

1. Der Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2007 ist nicht verfallen. Zwar muss der Urlaub nach Ziff. 2.3 TV Urlaub innerhalb des Kalenderjahres, spätestens aber bis zum 30. April des folgenden Jahres gegeben und genommen werden. Gemäß Ziff. 2.4 TV Urlaub verfällt allerdings - abweichend von § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG - nur ein vom Mitarbeiter nicht im Kalenderjahr beantragter Urlaub. Der Kläger hat seinen Urlaubsanspruch spätestens mit Schreiben vom 26. Juni 2007 und damit innerhalb des Kalenderjahres gegenüber der Beklagten geltend gemacht.

19

2. Entgegen der Auffassung der Beklagten fand der TV Urlaub auf das Vertragsverhältnis der Parteien Anwendung. Gemäß Ziff. 1.1 TV Urlaub haben die unter § 1 TVaP fallenden Mitarbeiter Anspruch auf bezahlten Urlaub. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen der wirtschaftlichen Abhängigkeit gemäß § 2 TVaP und der sozialen Schutzbedürftigkeit nach § 3 TVaP(§ 1 Abs. 1 Satz 2 TVaP).

20

a) Die wirtschaftliche Abhängigkeit des Klägers iSd. § 2 TVaP war gegeben. Er bezog von der Beklagten im Jahr 2006 mehr als die Hälfte seiner erwerbsmäßigen Gesamtentgelte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 TVaP). Das gilt selbst dann, wenn man der Auffassung der Beklagten folgt und nicht nur die erzielten Gewinne, sondern auch seine Bruttoeinnahmen aus anderer selbstständiger Tätigkeit zugrunde legt. Bei der Beklagten bezog er ein Honorar iHv. 48.129,90 Euro zuzüglich Nachtzuschläge iHv. 7.586,76 Euro. Die Bruttoeinnahmen aus anderer selbstständiger Tätigkeit betrugen lediglich 29.434,79 Euro.

21

b) Der Kläger war auch sozial schutzbedürftig iSd. § 3 TVaP.

22

aa) Er war innerhalb der letzten sechs Monate vor Geltendmachung des Anspruchs an mindestens 42 Tagen für die Beklagte tätig (§ 3 TVaP).

23

bb) Der Kläger erzielte vor Geltendmachung des Anspruchs keine Einkünfte aus Erwerbstätigkeit in Höhe von mehr als 74.000,00 Euro brutto im Kalenderjahr.

24

Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kommt es für die Maßgeblichkeit der Einkünfte im Falle selbstständiger Erwerbstätigkeit nicht auf die erzielten Bruttoeinnahmen, sondern auf die nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelten Gewinne an. Dies folgt aus der Auslegung des Tarifvertrags. Ob § 3 TVaP dabei letztlich nur auf Erwerbstätigkeiten für die Beklagte sowie ggf. weitere ARD-Anstalten abstellen will oder sämtliche journalistischen oder überhaupt alle denkbaren Erwerbstätigkeiten betrifft, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Danach erzielte der Kläger im Jahr 2006 einen Gewinn iHv. 7.101,00 Euro. Seine Gesamteinkünfte iHv. 62.817,66 Euro überschritten deshalb nicht die Grenze von 74.000,00 Euro.

25

(1) Diese Auslegung des Begriffs „Einkünfte“ folgt schon aus dem Wortlaut von § 3 TVaP.

26

(a) Die Tarifvertragsparteien greifen in § 3 TVaP - und ergänzend in § 4 Abs. 1 Satz 2 TVaP - die für das Beitrags- und Steuerrecht maßgeblichen Begriffe „Einkünfte“ und „Einkommen“ auf. Es handelt sich dabei terminologisch um feststehende, durch § 15 Abs. 1 SGB IV für das Beitragsrecht und § 2 Abs. 1 und Abs. 5 EStG für das Steuerrecht vorgegebene Begriffe, die wechselseitig im Beitrags- und Steuerrecht miteinander korrespondieren(vgl. Klattenhoff in Hauck/Noftz SGB IV Stand März 2011 § 15 Rn. 1; Kirchhof in Kirchhof EStG 9. Aufl. § 2 Rn. 3). Im Regelfall ist anzunehmen, dass - wenn die Tarifvertragsparteien Rechtsbegriffe verwenden, die sie selbst nicht weiter definieren - der gebräuchliche juristische Bedeutungsgehalt gelten soll (BAG 14. Dezember 2010 - 3 AZR 939/08 - Rn. 18, AP BetrAVG § 1 Auslegung Nr. 11 zur Auslegung von Betriebsvereinbarungen ; vgl. auch BAG 19. Oktober 2004 - 9 AZR 411/03 - zu B II 2 der Gründe mwN, BAGE 112, 203).

27

(b) Die Begriffe „Einkommen“ und „Einkünfte“ werden in vielfachen sozialversicherungs- und versorgungsrechtlichen Regelungen aufgegriffen (vgl. etwa § 11 SGB II, § 14 WoGG, § 2 BEEG, § 11 BAföG, § 53 BeamtVG, § 82 SGB XII - hierzu etwa § 4 Verordnung zur Durchführung des § 82 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 28. November 1962 [BGBl. I S. 692] idF vom 21. März 2005 [BGBl. I S. 818]).

28

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist das Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG sind Einkünfte bei selbstständiger Arbeit der Gewinn, dh. das Bruttoeinkommen aus der selbstständigen Tätigkeit nach Abzug von Werbungskosten und Betriebsausgaben, aber ohne Abzug von steuerlich begünstigten Sonderausgaben und Freibeträgen (vgl. BSG 15. Dezember 1977 - 11 RA 38/77 - juris Rn. 14, BSGE 45, 244).

29

(c) Mit diesem Begriffsverständnis in Einklang steht auch die Wendung „brutto“ im Anschluss an die betragsmäßige Bezifferung in § 3 TVaP. Schon der Gesetzgeber geht im Hinblick auf § 15 SGB IV davon aus, dass die hiernach iVm. § 2 EStG ermittelten Arbeitseinkommen „Bruttoeinkommen“ darstellen(BT-Drucks. 7/4122 S. 32). Diese Bruttobasis erklärt sich aus dem Umstand der Einbeziehung vor Abzug von direkten Steuern und Beiträgen zur Sozialversicherung bzw. Ersatzinstituten (vgl. Klattenhoff in Hauck/Noftz § 15 Rn. 2). Vom Bruttoprinzip in dem Sinne wird auch bei der Festsetzung von Versorgungsbezügen unter hinzutretenden anderweitigen Einkünfte gesprochen (vgl. BVerwG 19. Februar 2004 - 2 C 20.03 - juris Rn. 35, 37, BVerwGE 120, 154).

30

(d) Hierfür spricht zudem, dass der TVaP die Begriffe „Einkommen“ und „Einkünfte“ von dem des „Entgelts“ abgrenzt und mit letzterem durchgängig die Gegenleistungen der Auftraggeberin zur vertragsgemäßen Leistung der Mitarbeiter bezeichnet (vgl. § 2 Abs. 1, § 6 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 9, § 7 Abs. 3, Abs. 4, § 9 Abs. 2, § 11 Abs. 2 TVaP). Mit diesem Begriffsverständnis des Entgelts knüpfen die Tarifvertragsparteien terminologisch wiederum an die generell gebräuchlichen Begriffsinhalte an, die im Fall des Entgelts die Gegenleistungen des Vertragspartners für die vertraglich geschuldete oder erbrachte Leistung umschreiben (vgl. BAG 17. Februar 2009 - 9 AZR 611/07 - Rn. 36, ZUM 2009, 883).

31

(2) Auch der Gesamtzusammenhang des TVaP bestätigt dieses Ergebnis. Wenn nach § 6 Abs. 5 TVaP alle Beschäftigungsjahre als bestandsschutzrelevant gelten, in denen ein Mitarbeiter erwerbsmäßige Gesamteinkünfte im Sinne des EStG iHv. maximal 92.000,00 Euro erzielt hat, lässt sich das mit § 3 TVaP nur in Einklang bringen, wenn auch dort auf die nach den Prinzipien des Einkommensteuer- und Beitragsrechts bemessenen Einkünfte abgestellt wird. Andernfalls ergäbe sich die widersinnige Folge, dass - weil nach § 4 Abs. 2 Nr. 4 TVaP das arbeitnehmerähnliche Rechtsverhältnis bereits automatisch bei Entfallen der Voraussetzungen nach § 3 TVaP endet - der Bestandsschutz für selbstständig anderweit tätige Mitarbeiter weitgehend vereitelt wäre, ohne dass hierfür sachliche Gründe erkennbar wären. Davon, dass die Tarifvertragsparteien dies anstrebten, ist ohne nähere Anhaltspunkte im TVaP nicht auszugehen.

32

(3) Auch Sinn und Zweck des § 3 TVaP stehen mit dieser Auslegung im Einklang.

33

Aus der Überschrift des § 3 TVaP „Soziale Schutzbedürftigkeit“ folgt, dass die Tarifvertragsparteien eine tarifliche Konkretisierung des in § 12a Abs. 1 Nr. 1 TVG genannten Begriffs der sozialen Schutzbedürftigkeit anstrebten, der nach der Rechtsprechung des Senats Leitbildcharakter hat(vgl. BAG 15. Februar 2009 - 9 AZR 51/04 - zu II 2 b cc der Gründe, BAGE 113, 343).

34

Für die Beurteilung der sozialen Schutzbedürftigkeit kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ua. auf die weiteren Einkünfte abgestellt werden, und zwar unter dem Gesichtspunkt, ob die für einen Arbeitnehmer typische Notwendigkeit, seine Arbeitskraft zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz einzusetzen, für eine arbeitnehmerähnliche Person unter Berücksichtigung seiner gesamten Einkünfte noch in vergleichbarer Weise besteht (vgl. BAG 2. Oktober 1990 - 4 AZR 106/90 - juris Rn. 17, 20, BAGE 66, 95; kritisch hierzu Däubler/Reinecke TVG 2. Aufl. § 12a Rn. 53 ff.; Wiedemann/Wank TVG 7. Aufl. § 12a Rn. 39a, 60). Das Bundesarbeitsgericht hat selbst nicht weiter konkretisiert, in welchem Sinne es den Begriff der Einkünfte versteht. Allerdings hat der Bundesgerichtshof im Rahmen des § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG ausdrücklich klargestellt, dass die Beurteilung der sozialen Schutzbedürftigkeit einer arbeitnehmerähnlichen Person nicht etwa aufgrund der Umsätze aus selbstständiger Tätigkeit folgen kann, sondern allein aufgrund der - nach Abzug aller Kosten - verbleibenden Gewinne vor Steuern und privater Versicherungen(BGH 4. November 1998 - VIII ZB 12/98 - zu II 2 b bb der Gründe, BGHZ 140, 11).

35

Dass die Tarifvertragsparteien an eben dieses Verständnis der Schutzbedürftigkeit anknüpfen wollten, liegt nahe. Es fehlt an Anhaltspunkten, dass in § 3 TVaP das Leitbild der sozialen Schutzbedürftigkeit überzeichnet werden sollte. Die Tarifvertragsparteien wollten ihre Regelung im Zweifel rechtskonform ausgestalten.

36

(4) Mit der Revision ist schließlich auch anzunehmen, dass die Tarifvertragsparteien keine ungerechtfertigte Benachteiligung selbstständig und mit erheblichen Aufwendungen tätiger Personen anstrebten. Diese ergäbe sich indes zwangsläufig bei der vom Landesarbeitsgericht angenommenen Zugrundelegung der reinen Bruttoeinnahmen. Auch der von der Revision aufgezeigte Vergleich mit der Berücksichtigung anderweitiger Erträge der Arbeitskraft im Falle des § 74c HGB spricht für ein derartiges Schutzverständnis(vgl. etwa BAG 2. Juni 1987 - 3 AZR 626/85 - zu III 1 a der Gründe, BAGE 55, 309; 25. Februar 1975 - 3 AZR 148/74 - zu II 2 der Gründe, AP HGB § 74c Nr. 6 = EzA HGB § 74c Nr. 15).

37

(5) Diese Auslegung führt auch nicht zu einer Benachteiligung der nicht selbstständig Beschäftigten. Die tariflichen Regelungen schließen nicht aus, dass auch bei nicht selbstständig anderweit tätigen Personen die Werbungskosten in Abzug zu bringen sind (vgl. zur derartigen Handhabe im Rahmen des § 53 BeamtVG: BVerwG 19. Februar 2004 - 2 C 20.03 - BVerwGE 120, 154). Im Übrigen ergäbe sich auch dann, wenn bei nicht selbstständig Tätigen die Werbungskosten unbeachtet blieben, kein sachwidriger Gleichheitsverstoß. Der sozialrechtliche Gesetzgeber geht in § 14 und § 15 SGB IV von eben derselben Unterscheidung aus, die er als sachgerecht ansieht, weil bei Selbstständigen typischerweise Erwerbsaufwendungen anfallen, die nach Umfang und Ausmaß nicht mehr mit den Aufwendungen Unselbstständiger vergleichbar sind(vgl. Klattenhoff in Hauck/Noftz § 15 Rn. 2). Es begegnet keinen Bedenken, wenn sich die Tarifvertragsparteien diese Wertung zu eigen machen.

38

(6) Schließlich spricht auch der Gesichtspunkt der Praktikabilität dafür, dass die Tarifvertragsparteien nicht bloß auf Einnahmen, sondern auf die beitragsrechtlich wie steuerlich relevanten Einkünfte abstellen wollten.

39

Dies liegt schon deshalb nahe, weil die Bemessung der Einkünfte nach § 3 TVaP auf das vorangegangene Kalenderjahr bezogen ist und damit auf eben den Veranlagungszeitraum zurückgreift, der für die steuerliche Bemessung relevant ist(§ 2 Abs. 7 Satz 2 EStG). Für den Tarifunterworfenen ergibt sich bei Übernahme des beitrags- und steuerrechtlichen Ansatzes zudem der Vorzug, auf die Vollständigkeit und Richtigkeit der Bewertungen des Einkommensteuerbescheids zurückgreifen zu können, den bereits der sozialversicherungsrechtliche Gesetzgeber im Rahmen des § 15 SGB IV als wesentlich angesehen hat(vgl. BT-Drucks. 12/5700 S. 92; Klattenhoff in Hauck/Noftz § 15 Rn. 8).

40

(7) Dass offensichtlich auch die tarifliche Handhabung der Beklagten diesen Gesichtspunkt anerkennt, lässt sich zudem aus der Einwilligungsklausel in dem Formular entnehmen, das die Beklagte ihren Mitarbeitern zwecks Beantragung von Urlaub zur Verfügung stellte. Danach erklärte sich der Mitarbeiter mit der Unterschrift unter den Urlaubsantrag damit einverstanden, seine Angaben durch Vorlage seines Einkommenssteuerbescheids zu belegen.

41

3. Der Kläger hat gegen die Ablehnung der beantragten Urlaubsgewährung und Urlaubsentgeltzahlung durch die Beklagte innerhalb von vier Monaten schriftlich Einspruch erhoben. Die Beklagte wies das Urlaubsgesuch am 26. März 2007 zurück. Der Zurückweisung widersprach der Kläger persönlich am 12. Mai 2007 sowie im Wege des per Fax übermittelten Anwaltsschreibens vom 26. Juni 2007. Die Telefaxübermittlung des Schreibens wahrt die tarifvertraglich vorgesehene Schriftform (vgl. BAG 21. September 2010 - 9 AZR 510/09 - Rn. 32, EzA BUrlG § 13 Nr. 61; 16. Dezember 2009 - 5 AZR 888/08 - Rn. 36, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 73 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44).

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B. Die Beklagte hat als die in der Berufung wie auch in der Revision unterlegene Partei die Kosten der von ihr jeweils erfolglos eingelegten Rechtsmittel zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

        

    Düwell    

        

    Suckow    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Preuß    

        

    Merte    

                 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 21.01.2014 – 3 Ca 168/13 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.


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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.