Finanzgericht Hamburg Beschluss, 25. Jan. 2018 - 4 K 85/17

bei uns veröffentlicht am25.01.2018

Tatbestand

1

Die Klägerin und Erinnerungsführerin hatte sich in der Hauptsache gegen die Entrichtung einer Steuer gewandt. Das Hauptsacheverfahren ruhte bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in einem Normenkontrollverfahren. Nachdem die beklagte Behörde die angefochtene Steueranmeldung aufgehoben hatte, erklärten die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt.

2

Die Klägerin und Erinnerungsführerin wendet sich mit ihrer Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten des Gerichts, der die Geschäftsgebühr lediglich mit der Regelgebühr von 1,3 angesetzt hat.

Entscheidungsgründe

3

Die gemäß § 149 Abs. 2 zulässige Erinnerung bleibt in der Sache ohne Erfolg. ...

4

Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV

5

Nach Nr. 2300 RVG-VV … erhält ein Rechtsanwalt für die Vertretung seines Mandanten im Vorverfahren eine Geschäftsgebühr, die … mit einem Gebührensatz von 0,5 bis 2,5 berechnet werden kann. Eine Gebühr von mehr als 1,3 darf allerdings nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war … Die Geschäftsgebühr ist eine Rahmengebühr nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG, bei der der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen bestimmt. Ist die Gebühr – wie hier – von einem Dritten – scil. der beklagten Behörde – zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nach § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Nach Nr. 2300 RVG-VV fällt die Geschäftsgebühr in durchschnittlichen Rechtssachen in Höhe von 1,3 an (vgl. BGH Urteil vom 31.10.2006, VI ZR 261/05, NJW-RR 2007, 420). Eine darüber hinausgehende Gebühr kann der Rechtsanwalt nur fordern, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war, also hinsichtlich des Umfangs oder Schwierigkeit über dem sog. Durchschnittsfall lag. ...

6

Unter Berücksichtigung der vorstehend skizzierten Maßstäbe ist vorliegend nur von einem Durchschnittsfall auszugehen, der lediglich den Ansatz der 1,3-fachen Regelgebühr rechtfertigt; die von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin geforderte Erhöhung der Geschäftsgebühr auf 2,5 erscheint unter Einbeziehung aller Umstände, die die Arbeit der Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausmachten, unbillig im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG.

7

Gesamtwürdigung aller Umstände bei der Bemessung der Höhe der Gebühr

8

Der beschließende Senat hat in seinen Beschlüssen vom 22. und 23.01.2017 (4 K 84/17 bzw. 4 K 113/17) im Einzelnen dargelegt, dass ein Einspruchsverfahren, das die Anfechtung einer Steueranmeldung zum Gegenstand hat, sowohl hinsichtlich seines Umfangs als auch hinsichtlich seiner rechtlichen Aspekte einen weit überdurchschnittlichen Rechtsfall beschreibt. Denn die Frage, ob dem Bund für das Steuergesetz ... eine Gesetzgebungskompetenz zustand, erforderte besonders tiefe Kenntnisse des Verfassungsrechts. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mussten sich schon im Einspruchsverfahren auf besondere Weise mit den Gesetzgebungsmaterialen befassen und die Steuer an der bisherigen Judikatur des Bundesverfassungsgerichts ... messen. Des Weiteren mussten sich die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit verschiedenen, rechtlich äußerst schwierigen europarechtlichen Fragestellungen beschäftigen. Bei der Bestimmung der Höhe der Geschäftsgebühr nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG und der Prüfung, ob die Tätigkeit des Rechtsanwalts durchschnittlich oder überdurchschnittlich war, sind freilich alle sachlichen Gesichtspunkte zu würdigen, die für die Arbeit des Rechtsanwalts von Bedeutung sind bzw. waren. Die im Gesetz genannten Kriterien, wie der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der Angelegenheit sowie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, beschreiben keinen abschließenden Katalog der zu berücksichtigenden Kriterien, sondern geben lediglich beispielhaft Kriterien wieder, die Einfluss auf die Arbeit des Rechtsanwalts haben.

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Erzielte Synergieeffekte reduzieren den zeitlichen Aufwand

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Mit Blick auf den vorliegend in Rede stehenden Rechtsstreit ist daher auch zu würdigen, dass die Prozessbevollmächtigten der Klägerin erhebliche Synergieeffekte durch eine beträchtliche Anzahl rechtlich gleichgelagerter Einspruchsverfahren erzielen konnten (vgl. hierzu Thüringer LSG, Beschluss vom 18.11.2015, L 6 SF 1284/15 B, juris; FG Bremen, Beschluss vom 15.11.1993, 2 93 077 E 2, EFG 1994, 313). Die durch die Parallelität der Sachverhalte und rechtlichen Fragestellungen bedingte ganz erhebliche Reduzierung des zeitlichen Aufwands für das konkrete Einspruchsverfahren ist im Rahmen der anzustellenden Gesamtwürdigung aller Umstände maßgeblich zu berücksichtigen (in diesem Sinne ausdrücklich auch BGH, Urteil vom 26.02.2013, XI ZR 345/10, AGS 2013, 252; Thüringer OLG, Beschluss vom 02.02.2005, 9 Verg 6/04, AGS 2005, 201). Die erzielten Synergieeffekte strahlten auch auf die rechtliche Schwierigkeit des Einspruchsverfahrens aus, da die Prozessbevollmächtigten die einmal erarbeiteten Rechtskenntnisse auf die anderen Einspruchsverfahren ohne weiteres übertragen konnten. Vor diesem Hintergrund kann nicht angenommen werden, dass alle – und in concreto auch das vorliegende – Einspruchsverfahren hinsichtlich ihres Umfangs oder ihrer Schwierigkeit überdurchschnittlich waren. Der beschließende Senat ist sich bewusst, dass die gleichgelagerten Einspruchsverfahren jeweils eigenständige Verfahren darstellen, was zur Folge hat, dass die Prozessbevollmächtigten eine Geschäftsgebühr für jedes einzelne Einspruchsverfahren fordern können. Allerdings folgt aus der Eigenständigkeit der jeweiligen Einspruchsverfahren nicht auch, dass die Prozessbevollmächtigten in Bezug auf jedes einzelne Einspruchsverfahren eine Geschäftsgebühr in Höhe von 2,5 geltend machen können. Da die Geschäftsgebühr als Rahmengebühr ausgestaltet ist, müssen die Prozessbevollmächtigten für jedes Einspruchsverfahren vortragen und darlegen, warum (auch) dieser Fall überdurchschnittlich war, was ihnen hinsichtlich des Streitfalles indes nicht gelungen ist. Unter Berücksichtigung aller in die Betrachtung einzubeziehenden Gesichtspunkte und vor dem Hintergrund, dass die Prüfung der Rechtsmäßigkeit der angefochtenen Steueranmeldung sowohl eine verfassungsrechtliche als auch eine europarechtliche Komponente hatte, nimmt der beschließende Senat an, dass zwei Einspruchsverfahren – wie von den Prozessbevollmächtigten in den Verfahren ... geltend gemacht – als überdurchschnittlich zu werten, alle anderen Einspruchsverfahren aufgrund der erzielten Synergieeffekte jedoch als Durchschnittsfall anzusehen sind.

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 14 Rahmengebühren


(1) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermöge

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Bundesgerichtshof Urteil, 31. Okt. 2006 - VI ZR 261/05

bei uns veröffentlicht am 31.10.2006

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 261/05 Verkündet am: 31. Oktober 2006 Holmes, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Finanzgericht Hamburg Beschluss, 22. Jan. 2018 - 4 K 84/17

bei uns veröffentlicht am 22.01.2018

Tatbestand 1 Die Klägerin und Erinnerungsführerin hatte sich in der Hauptsache gegen die Entrichtung einer Steuer gewandt. Über das vom Finanzgericht Hamburg angestoßene Normenkontrollverfahren hatte das Bundesverfassungsgericht ohne mündliche Verh

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(1) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden. Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

(2) Ist eine Rahmengebühr auf eine andere Rahmengebühr anzurechnen, ist die Gebühr, auf die angerechnet wird, so zu bestimmen, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen.

(3) Im Rechtsstreit hat das Gericht ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen, soweit die Höhe der Gebühr streitig ist; dies gilt auch im Verfahren nach § 495a der Zivilprozessordnung. Das Gutachten ist kostenlos zu erstatten.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 261/05 Verkündet am:
31. Oktober 2006
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
RVG § 14; RVG VV Nr. 2400

a) Es ist nicht unbillig, wenn ein Rechtsanwalt für seine Tätigkeit bei einem durchschnittlichen
Verkehrsunfall eine Geschäftsgebühr von 1,3 bestimmt.

b) Zur Frage, wann eine Geschäftsgebühr von 1,3 unbillig sein kann.
BGH, Urteil vom 31. Oktober 2006 - VI ZR 261/05 - LG Wuppertal
AG Wuppertal
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 31. Oktober 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter
Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 17. November 2005 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der aus abgetretenem Recht seines Mandanten klagende Rechtsanwalt und der beklagte Haftpflichtversicherer streiten über die Höhe der dem Kläger aus § 14 RVG i. V. m. Nr. 2400 VV zustehenden Geschäftsgebühr in einer Verkehrsunfallsache , bei der das Fahrzeug seines Mandanten von einer Versicherungsnehmerin der Beklagten beim Rückwärtsfahren beschädigt worden war. Nach der Schadensregulierung durch die Beklagte rechnete der Kläger seine Gebühren nach einem Wert von 1.137,56 € ab, wobei er eine Gebühr von 1,3 nach §§ 13, 14 RVG, Nr. 2400 der Anlage 1 RVG nebst der Pauschale nach Nr. 7002 der Anlage 1 RVG (zuzüglich der Mehrwertsteuer), insgesamt 151,38 €, in Rechnung stellte. Die Beklagte zahlte vorgerichtlich lediglich einen Betrag von 94,56 €, wobei sie von einer Geschäftsgebühr von 0,8 ausging. Nachdem der Kläger den offen stehenden Restbetrag von 56,82 € unter Fristsetzung nachgefordert und hierüber einen Mahnbescheid erwirkt hatte, leistete die Beklagte eine weitere Zahlung in Höhe von 23,76 €, wobei sie eine Geschäftsgebühr von 1,0 zugrunde legte. Den Restbetrag macht der Kläger mit seiner vorliegenden Klage geltend.
2
Das Amtsgericht hat der Zahlungsklage im Wesentlichen stattgegeben und im Übrigen festgestellt, dass die Hauptsache wegen eines Betrages von 23,76 € teilweise erledigt ist. Auf die zugelassene Berufung der Beklagten hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts teilweise abgeändert und - über die Feststellung der teilweisen Erledigung hinaus - die Klage im Übrigen abgewiesen. Mit seiner vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

3
Das Berufungsgericht meint, der Kläger könne keine höhere als die einfache Gebühr verlangen. Die Ermessensausübung des Rechtsanwalts sei zwar bindend, wenn ihm keine Ermessensfehler unterlaufen seien, wobei ihm ein Spielraum von etwa 20% zuzubilligen sei. Der Ansicht des Klägers, dass sich aus dem Zusatz der Nr. 2400 VV ergebe, dass in Verkehrsunfallsachen grundsätzlich 1,3 Gebühren gefordert werden könnten, könne jedoch nicht gefolgt werden. § 14 RVG stelle nicht auf bestimmte Rechtsgebiete ab, sondern fordere eine Bestimmung der Gebühr unter Berücksichtigung des konkreten Einzel- falles. Bezüglich der Bedeutung der Angelegenheit und der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Mandanten ergäben sich hier keine vom Durchschnitt abweichenden Kriterien, allenfalls sei zu berücksichtigen, dass der geltend gemachte Schadensbetrag eher niedrig als hoch einzustufen sei. Deshalb seien bei der Ermessensausübung des Anwalts der Umfang und die Schwierigkeit seiner Tätigkeit maßgeblich heranzuziehen. Nach dem eigenen Vorbringen des Klägers sei die Schadensregulierung einfach gewesen und habe keinen besonderen Umfang gehabt. Die Tätigkeit des Klägers habe sich darin erschöpft , dass er das nicht schwer einzuordnende Unfallgeschehen angehört und die selbstverständlichen Folgen daraus gezogen habe. Im Streitfall hätten sich zum Haftungsgrund überhaupt keine rechtlichen Probleme ergeben, weil sowohl vom Unfallablauf (Rückwärtsfahren) als auch wegen der Bestätigung durch die Beklagte die volle Haftung des Unfallgegners festgestanden habe. Dass dem Mandanten deshalb der volle Reparaturnettobetrag und die Erstattung der Sachverständigenkosten sowie eine angemessene Auslagenpauschale hätten gewährt werden müssen, habe auch keiner schwierigen rechtlichen Beurteilung bedurft, was sowohl das Anspruchsschreiben mit kaum mehr als einer Seite als auch die problemlose, zeitnahe Regulierung durch die Beklagte zeige.

II.

4
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält im Ergebnis revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Unter den vom Berufungsgericht festgestellten besonderen Umständen des vorliegenden Falles ist die Zuerkennung einer lediglich einfachen Geschäftsgebühr im Rahmen des § 14 RVG i. V. m. Nr. 2400 des Vergütungsverzeichnisses der Anlage 1 zu diesem Gesetz aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
5
1. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG bestimmt bei Rahmengebühren wie der Geschäftsgebühr im Sinne der Nr. 2400 VV (ab 1. Juli 2006 wortgleich Nr. 2300) der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr - wie hier - von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nach § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist, wobei ihm nach allgemeiner Meinung auch im Anwendungsbereich des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20% zusteht (vgl. Madert in Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/MüllerRabe , RVG, 17. Aufl. 2006, § 14 Rn. 12 m. w. N.). Die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, dass dieser Spielraum im Streitfall überschritten worden ist, begegnet aus revisionsrechtlicher Sicht keinen Bedenken.
6
a) Nach den nunmehr einschlägigen Bestimmungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ist die Geschäftsgebühr des Rechtsanwalts als Rahmengebühr mit einem Gebührenrahmen zwischen 0,5 bis 2,5 ausgestaltet. Eine Gebühr über 1,3 kann allerdings wegen des Nachsatzes in Nr. 2400 VV (ab 1. Juli 2006 wortgleich Nr. 2300) nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig, mithin überdurchschnittlich gewesen ist (vgl. Gerold /Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl., Nr. 2300, 2301 VV, RZ.28; Podlech-Trappmann in: Kompaktkommentar zum RVG, Nr. 2400 VV, Anm. 4.2.2.2.2; Madert, DAR 2004, 417, 419; Otto, NJW 2004, 1420, 1421; Riedmeyer, DAR 2004, 262; Sonderkamp, NJW 2006, 1477, 1479).
7
b) Welche Geschäftsgebühr bei der Abwicklung eines "durchschnittlichen" bzw. "normalen" Verkehrsunfalls gerechtfertigt ist, ist umstritten. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, eine angemessene Gebühr hierfür sei bei einem Gebührenrahmen zwischen 0,5 und 1,3 zwischen 0,8 und 1,0 anzusiedeln (vgl. die Nachweise bei Sonderkamp, NJW 2006, 1477, 1478 Fn. 3) ein anderer Teil erachtet eine 1,3 Geschäftsgebühr für gerechtfertigt (vgl. OLG München und OLG Düsseldorf, VA 2006, 189 sowie die Nachweise bei Sonderkamp, aaO, S. 1477 Fn. 2).
8
Der letztgenannten Auffassung schließt sich der erkennende Senat an. Sie entspricht der Vorstellung des Gesetzgebers, dass in durchschnittlichen Fällen die Schwellengebühr von 1,3 eine Regelgebühr darstellt und ähnliche Funktionen erfüllt wie die 7,5/10 Gebühr gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO (amtliche Begründung, BT-Drucks. 15/1971 S. 206 f.) und steht in Einklang mit der Bestimmung, dass bei überdurchschnittlichen, weil umfangreichen oder schwierigen Tätigkeiten des Rechtsanwalts eine Geschäftsgebühr über 1,3 gerechtfertigt ist.
9
2. Dies bedeutet aber auch, dass bei unterdurchschnittlichen Fällen die Festsetzung einer Geschäftsgebühr von 1,3 unbillig sein kann. Einen solchen Fall hat das Berufungsgericht aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen ohne Rechtsfehler bejaht.
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a) Danach rief der Mandant den Kläger am Unfalltag, dem 2. August 2004, an und berichtete vom Unfallgeschehen. Dabei wurde ihm telefonisch der Rat erteilt, einen Sachverständigen einzuschalten, was der Mandant auch tat. Mit Schreiben vom 3. August 2004 bestätigte die Beklagte unaufgefordert gegenüber dem Mandanten "nach ihrem jetzigen Kenntnisstand" ihre Eintrittspflicht hinsichtlich der unfallbedingten Schäden an dessen Fahrzeug. Nachdem der Mandant mit dieser Bestätigung am 6. August 2004 beim Kläger erschienen war und dort ausführlich das Unfallgeschehen geschildert hatte, fertigte der Kläger noch am selben Tag ein Anspruchsschreiben von etwas über einer Seite mit einer Schadensersatzforderung in Höhe von insgesamt 1.137,56 €, die den vom Sachverständigen ermittelten Nettobetrag für die Reparatur, dessen Kosten und eine Auslagenpauschale beinhaltete. Noch im August 2004 beglich die Beklagte die Forderung bis auf eine Kürzung der Auslagenpauschale um 5 €. Danach erschien der Mandant noch einmal beim Kläger und erkundigte sich, warum er nur den Nettobetrag und nicht den Bruttobetrag für die Reparatur ersetzt bekommen habe.
11
b) Auf der Grundlage dieser Feststellungen, die das Berufungsgericht dem eigenen Vorbringen des Klägers entnommen hat, ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass dem Kläger für seine Tätigkeit nicht mehr als die von der Beklagten gezahlte Geschäftsgebühr von 1,0 zustehe, aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
12
Insbesondere kann sich der Kläger - entgegen der Auffassung der Revision - nicht darauf stützen, dass die Abwicklung von Verkehrsunfällen "regelmäßig" umfangreiche Vorarbeiten erfordere, denn § 14 Abs. 1 RVG stellt bei der Bestimmung der Rahmengebühren durch den Rechtsanwalt auf die Umstände des Einzelfalles ab, so dass es darauf ankommt, ob tatsächlich umfangreiche Vorarbeiten angefallen sind.
13
Zwar kann aus einer schnellen und problemlosen Schadensregulierung durch den Haftpflichtversicherer des Schädigers nicht stets der Rückschluss gezogen werden, dass die anwaltliche Tätigkeit unterdurchschnittlich gewesen sei. Eine derartige Regulierung kann vielmehr im Einzelfall auf einer vorherigen und womöglich umfangreichen Klärung der Sach- und Rechtslage durch den Rechtsanwalt beruhen. In solchen Fällen widerspräche es dem Sinn und Zweck des § 14 RVG, wenn der Haftpflichtversicherer es durch eine schnelle Regulierung in der Hand hätte, dem Rechtsanwalt die Bestimmung einer angemessenen Vergütung für bereits erbrachte Tätigkeiten zu versagen.
14
Im vorliegenden Fall hat der Kläger jedoch nicht dargetan, dass er tatsächlich entsprechende Vorarbeiten erbracht hat. Das Schreiben der Beklagten vom 3. August 2004, nach ihrem jetzigen Kenntnisstand könne sie ihre Eintrittspflicht hinsichtlich der unfallbedingten Schäden an dem Fahrzeug des Geschädigten bestätigen, mag zwar ein Formularschreiben ohne Schuldanerkenntnis im Rechtssinne gewesen sein. Es zielte jedoch - worauf die Revisionserwiderung zutreffend hinweist - erkennbar darauf ab, den Schadensfall einfach und ohne großen Aufwand abzuwickeln. Demzufolge hat es auch der Kläger nicht für erforderlich erachtet, in seinem daraufhin verfassten Anspruchsschreiben vom 6. August 2004 eingehende Ausführungen zur Unfallsituation und zur Rechtslage zu machen, wie die Revision sie nunmehr nachholt. Vielmehr hat er ersichtlich zunächst einmal abgewartet, ob die Beklagte entsprechend ihrer Ankündigung den zwischenzeitlich vom Sachverständigen ermittelten Sachschaden an dem Fahrzeug seines Mandanten ohne weiteres ersetzen würde, wie es sodann auch geschehen ist. Schließlich hätte der Kläger die nachträgliche Frage des Mandanten hinsichtlich der Umsatzsteuer – worauf das Berufungsgericht mit Recht abgehoben hat – durch einen einfachen Hinweis auf die (neue) Gesetzeslage (§ 249 Abs. 2 Satz 2 BGB) beantworten können. Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
AG Wuppertal, Entscheidung vom 11.03.2005 - 35 C 66/05 -
LG Wuppertal, Entscheidung vom 17.11.2005 - 9 S 101/05 -

(1) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden. Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

(2) Ist eine Rahmengebühr auf eine andere Rahmengebühr anzurechnen, ist die Gebühr, auf die angerechnet wird, so zu bestimmen, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen.

(3) Im Rechtsstreit hat das Gericht ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen, soweit die Höhe der Gebühr streitig ist; dies gilt auch im Verfahren nach § 495a der Zivilprozessordnung. Das Gutachten ist kostenlos zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin und Erinnerungsführerin hatte sich in der Hauptsache gegen die Entrichtung einer Steuer gewandt. Über das vom Finanzgericht Hamburg angestoßene Normenkontrollverfahren hatte das Bundesverfassungsgericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden und das Steuergesetz für mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig erklärt.

2

Nachdem die beklagte Behörde die angefochtene Steueranmeldung aufgehoben und die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt hatten, legte der Senat mit Beschluss vom 14.07.2017 der beklagten Behörde die Kosten des Verfahrens auf.

3

Die Klägerin und Erinnerungsführerin wendet sich mit ihrer Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten des Gerichts, der ihr nicht nur die Festsetzung einer Terminsgebühr für das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, sondern auch die Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen für verschiedene rechtliche und technische Gutachten versagte und überdies die Geschäftsgebühr lediglich mit der Regelgebühr von 1,3 ansetzte.

Entscheidungsgründe

4

Die gemäß § 149 Abs. 2 zulässige Erinnerung führt lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zum Erfolg. ...

5

(Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV)

6

Nach Nr. 2300 RVG-VV ... erhält ein Rechtsanwalt für die Vertretung seines Mandanten im Vorverfahren eine Geschäftsgebühr, die ... mit einem Gebührensatz von 0,5 bis 2,5 berechnet werden kann. Eine Gebühr von mehr als 1,3 darf allerdings nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war ... Die Geschäftsgebühr ist eine Rahmengebühr nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG, bei der der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen bestimmt. Ist die Gebühr - wie hier - von einem Dritten - scil. der beklagten Behörde - zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nach § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Nach Nr. 2300 RVG-VV fällt die Geschäftsgebühr in durchschnittlichen Rechtssachen in Höhe von 1,3 an (vgl. BGH Urteil vom 31.10.2006, VI ZR 261/05, NJW-RR 2007, 420). Eine darüber hinausgehende Gebühr kann der Rechtsanwalt nur fordern, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war, also hinsichtlich des Umfangs oder Schwierigkeit über dem sog. Durchschnittsfall lag. Ob die Tätigkeit des Rechtsanwalts umfangreich oder schwierig und damit überdurchschnittlich war, unterliegt der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle (vgl. etwa BGH, Urteil vom 11.07.2012, VIII ZR 232/11, NJW 2012, 2813; Sächsisches OVG, Beschluss vom 08.10.2012, 5 E 42/12, juris; FG Köln, Beschluss vom 10.09.2013, 10 KO 3987/12, EFG 2013, 2044). Unter Berücksichtigung der vorstehend skizzierten Maßstäbe ist vorliegend nicht von einem Durchschnittsfall auszugehen, der lediglich den Ansatz der 1,3-fachen Regelgebühr rechtfertigt. Der beschließende Senat, der das der streitgegenständlichen Steueranmeldung zugrundeliegende Gesetz dem Bundesverfassungsgericht im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens vorgelegt hat, vermag aus eigener Anschauung zuverlässig zu beurteilen, dass der konkrete Streitfall sowohl von seinem Umfang als auch hinsichtlich seiner rechtlichen Aspekte weit über einem Durchschnittsfall lag. Die Frage, ob dem Bund für das Steuergesetz eine Gesetzgebungskompetenz zustand, erforderte besonders tiefe Kenntnisse des Verfassungsrechts. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mussten sich schon im Einspruchsverfahren auf besondere Weise mit den Gesetzgebungsmaterialen befassen und das Gesetz an der bisherigen Judikatur des Bundesverfassungsgerichts ... messen. Dass diese Fragestellungen auch im anschließenden Klageverfahren relevant wurden, ist insoweit unerheblich ... Ist somit hinsichtlich des Streitfalls davon auszugehen, dass die Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten überdurchschnittlich (Nr. 2300 RVG-VV) war, durften diese die Geschäftsgebühr nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG nach billigem Ermessen in einer Höhe über 1,3 festsetzen. Die konkrete Erhöhung der Geschäftsgebühr auf 2,5 ist angesichts der besonderen Umstände des Streitfalles nicht unbillig im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG. ...

7

Keine Terminsgebühr für das Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht

8

Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 RVG gelten in sonstigen - d. h. in § 37 Abs. 1 RVG nicht erwähnten - Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht die Vorschriften in Teil 3 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 des Vergütungsverzeichnisses (VV) entsprechend. Da das Verfahren der konkreten Normenkontrolle in § 37 Abs. 1 RVG nicht angesprochen wird, bemessen sich im Streitfall die Gebühren des Prozessbevollmächtigten der Erinnerungsführerin nach § 37 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Teil 3 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 VV. Danach (Nr. 3210 RVG-VV) entsteht eine Terminsgebühr grundsätzlich nur aufgrund einer mündlichen Verhandlung, die im Streitfall indes nicht stattgefunden hat. Über das vom beschließenden Senat angestoßene Normenkontrollverfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG i. V. m. § 13 Nr. 11 BVerfGG hat das Bundesverfassungsgericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss vom... entschieden (vgl. § 25 Abs. 2 BVerfGG).

9

Allerdings ist in Nr. 3210 RVG-VV bestimmt, dass Absatz 1 Nr. 1 und 3 sowie die Absätze 2 und 3 der Anmerkung zu Nummer 3104 und Absatz 2 der Anmerkung zu Nummer 3202 entsprechend gelten. Nach dem insoweit allein in Betracht kommenden Absatz 1 der Nr. 3104 RVG-VV entsteht die Terminsgebühr auch, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden wird. Die Voraussetzungen dieses Gebührentatbestandes sind hinsichtlich des Streitfalles jedoch nicht erfüllt. Denn das Bundesverfassungsgericht hat über das Normenkontrollverfahren, für das grundsätzlich eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist (vgl. § 25 Abs. 1 BVerfGG), nicht im Einverständnis mit allen Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden.

10

Das Normenkontrollverfahren ist seinem Wesen nach ein von subjektiven Berechtigungen unabhängiges, objektives Verfahren zum Schutz der Verfassung und dient lediglich der Prüfung von Rechtsnormen am Maßstab des Grundgesetzes (BVerfG, Beschluss vom 22.04.1953, 1 BvL 18/52, BVerfGE 2, 213). An einem solchen Verfahren ist begrifflich notwendig niemand "beteiligt", so dass als "Beteiligte" nur die Verfassungsorgane gelten können, die durch Ausübung des ihnen in § 82 Abs. 2 BVerfGG gewährten Beitrittsrechts eine besondere Rechtsstellung im Verfahren gewonnen haben (BVerfG, Beschluss vom 22.04.1953, 1 BvL 18/52, BVerfGE 2, 213). Dem vorliegend in Rede stehenden Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (...) ist keines der in § 82 Abs. 1 i. V. m. § 77 BVerfGG genannten Verfassungsorgane beigetreten. Die Stellungnahme eines Verfassungsorgans - hier der Bundesregierung - stellt für sich allein keinen Beitritt i. S. d. § 82 Abs. 2 BVerfGG dar. Die Klägerin als Beteiligte des Verfahrens vor dem Gericht, das den Normenkontrollantrag gestellt hat, erhält zwar nach § 82 Abs. 2 BVerfGG Gelegenheit zur Äußerung. Sie ist bzw. war indes nicht Beteiligte i. S. d. § 25 Abs. 1 BVerfGG.

11

Ob das Bundesverfassungsgericht über den Normenkontrollantrag zu Recht ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, hat der beschließende Senat nicht zu beurteilen. Im Rahmen des vorliegenden Erinnerungsverfahrens ist der beschließende Senat vielmehr daran gebunden, dass die Entscheidung über das Normenkontrollverfahren ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss erging.

12

Der beschließende Senat ist sich sehr wohl bewusst, dass sich die Klägerin auf das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht vorbereiten musste und dass sie auch zur Vorlage des beschließenden Senats Stellung genommen hat. Dieser Aufwand ist freilich durch die Verfahrensgebühr abgegolten.

13

Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen für Rechtsgutachten und technische Gutachten

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Es ist in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung geklärt, dass Kosten für Rechtsgutachten grundsätzlich nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Aufwendungen i. S. d. § 139 Abs. 1 FGO anzuerkennen sind und damit nicht zu den erstattungsfähigen Kosten gehören (vgl. nur FG Hamburg, Beschluss vom 24.06.2017, 3 KO 56/17, EFG 2017, 1620; FG München, Urteil vom 15.04.2005, 7 K 5473/02, juris; FG Köln, Beschluss vom 16.09.2002, 10 KO 2211/02, EFG 2003, 56; Hessisches FG, Beschluss vom 09.05.1987, 2 KO 72/87, EFG 1987, 516; BVerfG, Beschluss vom 15.07.1997, 1 BvR 1174/90, BVerfGE 96, 251; Brandis, in: Tipke/Kruse, § 139 FGO, Rz. 26). Dies gilt auch dann, wenn es um die Beantwortung schwieriger, höchstrichterlich noch nicht entschiedener Rechtsfragen geht (vgl. BFH, Beschluss vom 11.05.1976, VII B 79/74, BFHE 119, 14; FG Köln, Beschluss vom 16.09.2002, 10 KO 2211/02, EFG 2003, 56; BVerfG, Beschluss vom 15.07.1997, 1 BvR 1174/90, BVerfGE 96, 251). Denn die Rechtsfindung ist die ureigene Aufgabe des Gerichts. Eine Erstattung von Aufwendungen für sog. Rechtsgutachten ist nur ausnahmsweise möglich, wenn es etwa um Sonderfragen auf dem Gebiet des ausländischen Rechts geht (vgl. Schwarz, in: H/H/Sp, § 139 FGO, Rz. 195; Brandis, in: Tipke/Kruse, § 139 FGO, Rz. 26).

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Unter Berücksichtigung der vorstehend skizzierten Kriterien waren die verfassungs- und europarechtlichen Gutachten bei objektiver Betrachtung für die Führung des Rechtsstreits nicht erforderlich. Die Prüfung der Verfassungs- und Europarechtsmäßigkeit eines Steuergesetzes zählt zu den typischen Aufgaben des für den Rechtsstreit zuständigen und beschließenden Senats. Der Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ging damit fachlich nicht über die Bandbreite des Stoffes hinaus, der von den Mitgliedern des Senats bewältigt werden muss und auch bewältigt wird.

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In der finanzgerichtlichen Rechtsprechung ist ferner geklärt, dass es vor dem Hintergrund des das finanzgerichtliche Verfahren beherrschenden Untersuchungsgrundsatzes die Aufgabe des Gerichts ist, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen und den Umfang einer eventuellen Beweisaufnahme zu bestimmen (vgl. nur FG Hamburg, Beschluss vom 24.06.2017, 3 KO 56/17, EFG 2017, 1620; FG Köln, Beschluss vom 16.09.2002, 10 KO 2211/02, EFG 2003, 56; Schwarz, in: H/H/Sp, § 139 FGO, Rz. 194). Die Erstattungsfähigkeit von Kosten für ein Privatgutachten ist daher in der Regel zu verneinen; die Beteiligten können lediglich bzw. vielmehr jederzeit die Einholung eines Gutachtens durch das Gericht anregen bzw. einen entsprechenden Beweisantrag stellen. Eine Erstattung ist nur in engen Ausnahmesituationen möglich, wenn etwa schwierige technische Fragen zu beurteilen und die Ausführungen des anderen Beteiligten zu diesen Fragen zu entkräften sind (BFH, Beschluss vom 16.02.1971, VII B 43/69, BFHE 101, 484) oder wenn der Beteiligte Behauptungen, die sein Begehren tragen, mangels genügender eigener Sachkunde nur mit Hilfe des Gutachtens substantiiert darlegen und unter Beweis stellen und das Gericht nur so zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen veranlassen kann (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.05.2001, NVwZ-RR 2002, 315). Ein solcher Ausnahmefall ist im Streitfall allein in Bezug auf das von Herrn ... erstellte Gutachten ... gegeben:

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Der beschließende Senat ... und auch das Finanzgericht ... hatten ernstliche Zweifel an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Erlass des Steuergesetzes geäußert und diese Zweifel darauf gestützt, ob die Steuer auf Abwälzbarkeit und damit auf indirekte Wirkung angelegt ist. Vor diesem Hintergrund und im Hinblick darauf, dass die beklagte Behörde in ihrer Klageerwiderung der von den Gerichten vertretenen Auffassung bezüglich der Zweifel an der Abwälzbarkeit der Steuer entgegentrat, durfte die Klägerin ausnahmsweise annehmen, dass sie sich insoweit die fehlende Sachkunde als Grundlage für das eigene Vorbringen und die Auseinandersetzung mit den Äußerungen der beklagten Behörde nur durch die Einholung dieses Gutachtens verschaffen konnte. Dass der beschließende Senat letztlich dieses Gutachten in seinem Vorlagebeschluss nicht verwertet hat, ist in diesem Kontext unerheblich. Denn die Erstattungsfähigkeit von Kosten für Privatgutachten setzt nicht voraus, dass das Privatgutachten die Entscheidung des Gerichts auch tatsächlich beeinflusst hat (vgl. BGH, Beschluss vom 20.12.2011, VI ZB 17/11; BGHZ 192, 140; Schwarz, in: H/H/Sp, § 139 FGO, Rz. 194).

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(1) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden. Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

(2) Ist eine Rahmengebühr auf eine andere Rahmengebühr anzurechnen, ist die Gebühr, auf die angerechnet wird, so zu bestimmen, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen.

(3) Im Rechtsstreit hat das Gericht ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen, soweit die Höhe der Gebühr streitig ist; dies gilt auch im Verfahren nach § 495a der Zivilprozessordnung. Das Gutachten ist kostenlos zu erstatten.