Europäischer Gerichtshof Urteil, 28. Juni 2017 - C-482/14

ECLI:ECLI:EU:C:2017:499
bei uns veröffentlicht am28.06.2017

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

28. Juni 2017 ( 1 )

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats — Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft — Richtlinie 91/440/EWG — Art. 6 Abs. 1 — Deutsche-Bahn-Konzern — Gewinnabführungsvereinbarungen — Verbot, dem Betrieb der Eisenbahninfrastruktur zugewiesene öffentliche Gelder auf Eisenbahnverkehrsdienstleistungen zu übertragen — Buchhaltungspflichten — Richtlinie 91/440/EWG — Art. 9 Abs. 4 — Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 — Art. 6 Abs. 1 — Nr. 5 des Anhangs — Buchhaltungspflichten — Nach Verträgen getrennte Ausweisung der öffentlichen Zuwendungen für gemeinwirtschaftliche Personenverkehrsleistungen“

In der Rechtssache C‑482/14

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 30. Oktober 2014,

Europäische Kommission, vertreten durch W. Mölls, T. Maxian Rusche und J. Hottiaux als Bevollmächtigte,

Klägerin,

gegen

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch T. Henze und J. Möller als Bevollmächtigte im Beistand von R. Van der Hout, advocaat,

Beklagte,

unterstützt durch

Italienische Republik, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Fiorentino, avvocato dello Stato,

Republik Lettland, vertreten durch I. Kucina, J. Treijs-Gigulis und I. Kalniņš als Bevollmächtigte,

Streithelferinnen,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen sowie der Richter M. Vilaras, J. Malenovský, M. Safjan und D. Šváby (Berichterstatter),

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. März 2016,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. Mai 2016

folgendes

Urteil

1

Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission die Feststellung, dass die Bundesrepublik Deutschland

dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2012/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums (ABl. 2012, L 343, S. 32) (vormals Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 91/440/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft [ABl. 1991, L 237, S. 25] in der durch die Richtlinie 2001/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 [ABl. 2001, L 75, S. 1] geänderten Fassung [im Folgenden: Richtlinie 91/440]) verstoßen hat, dass sie zugelassen hat, dass öffentliche Gelder, die dem Betrieb der Eisenbahninfrastruktur zugeflossen sind, auf Verkehrsleistungen übertragen werden können;

dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 2012/34 (vormals Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 91/440) verstoßen hat, dass sie nicht alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, damit durch die Art der Rechnungsführung die Einhaltung des Verbots, öffentliche Gelder für den Betrieb der Eisenbahninfrastruktur auf Verkehrsleistungen zu übertragen, kontrolliert werden kann;

dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2012/34 (vormals Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung [ABl. 2001, L 75, S. 29]) verstoßen hat, dass sie nicht alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, damit Infrastrukturentgelte nur für die Finanzierung der Unternehmenstätigkeit des Infrastrukturbetreibers verwendet werden;

dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 2012/34 (vormals Art. 9 Abs. 4 der Richtlinie 91/440) sowie aus Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. 2007, L 315, S. 1) in Verbindung mit Nr. 5 des Anhangs der Verordnung Nr. 1370/2007 verstoßen hat, dass sie nicht alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, damit öffentliche Zuwendungen für die Erbringung öffentlicher Personenverkehrsdienste in den entsprechenden Rechnungen getrennt ausgewiesen werden.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 91/440

2

Im vierten Erwägungsgrund der Richtlinie 91/440 heißt es;

„Die künftige Entwicklung und eine wirtschaftliche Nutzung des Eisenbahnnetzes können durch eine Trennung zwischen der Erbringung der Verkehrsleistungen und dem Betrieb der Eisenbahninfrastruktur erleichtert werden. Dies setzt voraus, dass beide Bereiche in jedem Fall ein getrenntes Rechnungswesen erhalten und getrennt verwaltet werden.“

3

Art. 2 Abs. 2 dieser Richtlinie bestimmt:

„Eisenbahnunternehmen, deren Tätigkeit ausschließlich auf den Stadtverkehr, Vorortverkehr oder Regionalverkehr beschränkt ist, sind vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgeschlossen.“

4

Art. 3 dieser Richtlinie definiert „Regionalverkehr“ als „Verkehrsleistungen, die den Verkehrsbedarf einer Region decken“.

5

In Abschnitt II („Unabhängigkeit der Geschäftsführung“) hat Art. 4 dieser Richtlinie folgenden Wortlaut:

„(1)   Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Eisenbahnunternehmen in Bezug auf die Geschäftsführung, die Verwaltung und die innerbetriebliche Verwaltungs-, Wirtschafts- und Rechnungsführungskontrolle eine unabhängige Stellung haben, kraft deren sie insbesondere über ein Vermögen, einen Haushaltsplan und eine Rechnungsführung verfügen, die von Vermögen, Haushaltsplan und Rechnungsführung des Staates getrennt sind.

(2)   Der Betreiber der Infrastruktur ist unter Beachtung der von den Mitgliedstaaten festgelegten Rahmenvorschriften sowie der Einzelvorschriften betreffend die Entgelterhebung und die Kapazitätszuweisung für seine eigene Geschäftsführung, Verwaltung und innerbetriebliche Kontrolle verantwortlich.“

6

In diesem Abschnitt lautet Art. 5 der Richtlinie 91/440 wie folgt:

„(1)   Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit die Eisenbahnunternehmen ihre Tätigkeit dem Markt anpassen und ihre Geschäfte unter der Verantwortlichkeit ihrer leitenden Organe so führen können, dass sie effiziente und angemessene Leistungen zu den bei der geforderten Qualität dieser Leistungen geringstmöglichen Kosten anbieten.

Die Eisenbahnunternehmen müssen nach den Grundsätzen geführt werden, die für Handelsgesellschaften gelten; dies gilt auch für die vom Staat auferlegten Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes, die für das Unternehmen gelten, sowie für die Verträge über Verkehrsdienste aufgrund der Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes, die von dem Unternehmen mit den zuständigen Behörden des Mitgliedstaates abgeschlossen werden.

(2)   Die Eisenbahnunternehmen legen ihre Geschäftsplanung, einschließlich der Investitions- und Finanzierungspläne, fest. Ziel dieser Planung ist eine ausgeglichene Finanzstruktur der Unternehmen und die Verwirklichung der übrigen Ziele der technischen, kommerziellen und finanziellen Geschäftsführung; dabei müssen sie ferner für die Mittel zum Erreichen dieser Ziele sorgen.

…“

7

In der ursprünglichen Fassung von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 91/440 hieß es:

„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um in der Rechnungsführung das Erbringen von Verkehrsleistungen von dem Betrieb der Eisenbahninfrastruktur zu trennen. Ein Transfer von Subventionen von einem Bereich zum anderen ist nicht gestattet.

Dieses Verbot muss auch in der Rechnungsführung der beiden Bereiche zum Ausdruck kommen.“

8

Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 91/440 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass getrennte Gewinn- und Verlustrechnungen und Bilanzen für die Erbringung von Verkehrsleistungen durch Eisenbahnunternehmen einerseits und für den Betrieb der Infrastruktur andererseits erstellt und veröffentlicht werden. Öffentliche Gelder zugunsten eines dieser beiden Tätigkeitsbereiche dürfen nicht auf den anderen übertragen werden.

Dieses Verbot muss auch in der Rechnungsführung der beiden Geschäftsbereiche zum Ausdruck kommen.“

9

Art. 9 Abs. 4 dieser Richtlinie, der dieser durch die Richtlinie 2001/12 hinzugefügt wurde, lautet:

„Bei Eisenbahnunternehmen werden für den Güterverkehr auf der Schiene Gewinn- und Verlustrechnungen und entweder Bilanzen oder jährliche Vermögensübersichten aufgestellt und veröffentlicht. Zuwendungen für gemeinwirtschaftliche Personenverkehrsleistungen sind in den entsprechenden Rechnungen getrennt auszuweisen und dürfen nicht auf Tätigkeitsbereiche übertragen werden, die andere Verkehrsleistungen oder sonstige Geschäfte betreffen.“

10

Die Frist für die Umsetzung dieser Richtlinie wurde in ihrem Art. 15 auf den 1. Januar 1993 festgesetzt.

11

Gemäß Art. 65 der Richtlinie 2012/34 wurde die Richtlinie 91/440 mit Wirkung vom 15. Dezember 2012 aufgehoben. Durch eine am 12. März 2015 veröffentlichte Berichtigung (ABl. 2015, L 67, S. 32) wurde der Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Aufhebung dieser Richtlinie auf den 17. Juni 2015 festgelegt.

Richtlinie 2001/12

12

Im neunten Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/12 heißt es:

„Damit eine leistungsfähige Erbringung von Personen- und Güterverkehrsdiensten gefördert und für transparente Finanzen einschließlich aller von staatlicher Seite gewährten finanziellen Ausgleichsleistungen und Beihilfen gesorgt wird, muss die Rechnungsführung für Personenverkehrsleistungen von derjenigen für den Güterverkehr getrennt sein.“

Richtlinie 2001/14

13

Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten legen die Bedingungen fest, gegebenenfalls einschließlich der Leistung von Vorauszahlungen, um sicherzustellen, dass sich die Einnahmen eines Betreibers der Infrastruktur aus Wegeentgelten, dem Gewinn aus anderen wirtschaftlichen Tätigkeiten und der staatlichen Finanzierung einerseits und die Fahrwegausgaben andererseits unter normalen geschäftlichen Umständen und über einen angemessenen Zeitraum zumindest ausgleichen.

Unbeschadet des etwaigen langfristigen Ziels, dass die Infrastrukturkosten bei allen Verkehrsträgern durch deren Nutzer auf der Grundlage eines gerechten und nichtdiskriminierenden Wettbewerbs der Verkehrsträger gedeckt werden, wenn der Eisenbahnverkehr gegenüber anderen Verkehrsträgern konkurrenzfähig ist, kann ein Mitgliedstaat im Rahmen der Entgeltregelungen der Artikel 7 und 8 von einem Betreiber der Infrastruktur verlangen, seine Einnahmen und Ausgaben ohne staatliche Mittel auszugleichen.“

14

Art. 7 Abs. 1 und 3 dieser Richtlinie sieht vor:

„(1)   Entgelte für die Nutzung der Fahrwege der Eisenbahn sind an den Betreiber der Infrastruktur zu entrichten, dem sie zur Finanzierung seiner Unternehmenstätigkeit dienen.

(3)   Unbeschadet der Absätze 4 und 5 und des Artikels 8 ist das Entgelt für das Mindestzugangspaket und den Schienenzugang zu Serviceeinrichtungen in Höhe der Kosten festzulegen, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen.“

15

Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14 hat folgenden Wortlaut:

„Um eine volle Deckung der dem Betreiber der Infrastruktur entstehenden Kosten zu erhalten, kann ein Mitgliedstaat, sofern der Markt dies tragen kann, Aufschläge auf der Grundlage effizienter, transparenter und nichtdiskriminierender Grundsätze erheben, wobei die bestmögliche Wettbewerbsfähigkeit insbesondere des grenzüberschreitenden Schienengüterverkehrs zu gewährleisten ist. Die Entgeltregelung muss dem von den Eisenbahnunternehmen erzielten Produktivitätszuwachs Rechnung tragen.

Die Höhe der Entgelte darf jedoch nicht die Nutzung der Fahrwege durch Marktsegmente ausschließen, die mindestens die Kosten, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen, sowie eine Rendite, die der Markt tragen kann, erbringen können.“

16

Die Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2001/14 wurde in ihrem Art. 38 auf den 15. März 2003 festgesetzt.

17

Gemäß Art. 65 der Richtlinie 2012/34 wurde die Richtlinie 2001/14 mit Wirkung vom 15. Dezember 2012 aufgehoben. Durch die Berichtigung vom 12. März 2015 wurde der Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Aufhebung dieser Richtlinie auf den 17. Juni 2015 festgelegt.

Verordnung Nr. 1370/2007

18

Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 1370/2007 hat folgenden Wortlaut:

„Jede Ausgleichsleistung im Zusammenhang mit einer allgemeinen Vorschrift oder einem öffentlichen Dienstleistungsauftrag entspricht unabhängig von den Vergabemodalitäten den Bestimmungen des Artikels 4. Jede wie auch immer beschaffene Ausgleichsleistung im Zusammenhang mit einem öffentlichen Dienstleistungsauftrag, der in Übereinstimmung mit Artikel 5 Absätze 2, 4, 5 oder 6 direkt vergeben wurde, oder im Zusammenhang mit einer allgemeinen Vorschrift unterliegt darüber hinaus den Bestimmungen des Anhangs.“

19

Die Nrn. 2 und 5 des Anhangs („Regeln für die Gewährung einer Ausgleichsleistung in den in Artikel 6 Absatz 1 genannten Fällen“) dieser Verordnung sehen vor:

„2.   Die Ausgleichsleistung darf den Betrag nicht überschreiten, der dem finanziellen Nettoeffekt der Summe aller (positiven oder negativen) Auswirkungen der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen auf die Kosten und Einnahmen des Betreibers eines öffentlichen Dienstes entspricht. Die Auswirkungen werden beurteilt anhand des Vergleichs der Situation bei Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung mit der Situation, die vorläge, wenn die gemeinwirtschaftliche Verpflichtung nicht erfüllt worden wäre. Für die Berechnung des finanziellen Nettoeffekts geht die zuständige Behörde nach dem folgenden Modell vor:

Kosten, die in Verbindung mit einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung oder einem Paket gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen entstehen, die von einer oder mehreren zuständigen Behörden auferlegt wurden und die in einem öffentlichen Dienstleistungsauftrag und/oder in einer allgemeinen Vorschrift enthalten sind,

abzüglich aller positiven finanziellen Auswirkungen, die innerhalb des Netzes entstehen, das im Rahmen der betreffenden gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung(en) betrieben wird,

abzüglich Einnahmen aus Tarifentgelten oder aller anderen Einnahmen, die in Erfüllung der betreffenden gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung(en) erzielt werden,

zuzüglich eines angemessenen Gewinns,

ergeben den finanziellen Nettoeffekt.

5.   Führt ein Betreiber eines öffentlichen Dienstes neben den Diensten, die Gegenstand einer Ausgleichsleistung sind und gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unterliegen, auch andere Tätigkeiten aus, so muss die Rechnungslegung für diese öffentlichen Dienste zur Erhöhung der Transparenz und zur Vermeidung von Quersubventionen getrennt erfolgen, wobei zumindest die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein müssen:

Die Konten für jede dieser betrieblichen Tätigkeiten werden getrennt geführt, und der Anteil der zugehörigen Aktiva sowie die Fixkosten werden gemäß den geltenden Rechnungslegungs- und Steuervorschriften umgelegt.

Alle variablen Kosten, ein angemessener Beitrag zu den Fixkosten und ein angemessener Gewinn im Zusammenhang mit allen anderen Tätigkeiten des Betreibers eines öffentlichen Dienstes dürfen auf keinen Fall der betreffenden öffentlichen Dienstleistung zugerechnet werden.

Die Kosten für die öffentliche Dienstleistung werden durch die Betriebseinnahmen und die Zahlungen staatlicher Behörden ausgeglichen, ohne dass eine Übertragung der Einnahmen in einen anderen Tätigkeitsbereich des Betreibers eines öffentlichen Dienstes möglich ist.“

Richtlinie 2012/34

20

Im ersten Erwägungsgrund der Richtlinie 2012/34 heißt es:

„Die Richtlinie 91/440 …, die Richtlinie 95/18/EG des Rates vom 19. Juni 1995 über die Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen [ABl. 1995, L 143, S. 70] sowie die Richtlinie 2001/14 … wurden in wesentlichen Punkten geändert. Da noch weitere Änderungen erforderlich sind, sollten diese Richtlinien aus Gründen der Klarheit neu gefasst und zu einem einzigen Rechtsakt verschmolzen werden.“

21

Art. 6 Abs. 1 und 4 der Richtlinie 2012/34 folgte auf Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 91/440, während Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 2012/34 auf Art. 9 Abs. 4 der Richtlinie 91/440 folgte.

22

Art. 64 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2012/34 sieht vor, dass „[d]ie Mitgliedstaaten … die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft [setzen], die erforderlich sind, um dieser Richtlinie – auch hinsichtlich der Einhaltung durch die betreffenden Unternehmen, Betreiber, Antragsteller, Behörden und sonstigen Stellen – bis zum 16. Juni 2015 nachzukommen. Sie teilen der Kommission unverzüglich den Wortlaut dieser Vorschriften mit“.

23

Gemäß Art. 65 dieser Richtlinie werden „[d]ie Richtlinien 91/440 … und 2001/14 … in der Fassung der in Anhang IX Teil A aufgeführten Richtlinien … unbeschadet der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich der in Anhang IX Teil B genannten Fristen für die Umsetzung der dort genannten Richtlinien in nationales Recht mit Wirkung vom 15. Dezember 2012 … aufgehoben“. Durch die Berichtigung vom 12. März 2015 wurde der Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Aufhebung dieser Richtlinien auf den 17. Juni 2015 festgelegt.

Deutsches Recht

24

§ 9 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I 1993, S. 2378, 2396 [1994 I, S. 2439], im Folgenden: AEG) sieht vor:

„(1)   Öffentliche Eisenbahnen

1.

die sowohl Eisenbahnverkehrs- als auch Eisenbahninfrastrukturunternehmen sind,

2.

a)

die nur Eisenbahnverkehrsunternehmen sind und über ein Mutterunternehmen mit einem Eisenbahninfrastrukturunternehmen, das öffentliche Eisenbahn ist, oder

b)

die nur Eisenbahninfrastrukturunternehmen sind und über ein Mutterunternehmen mit einem Eisenbahnverkehrsunternehmen, das öffentliche Eisenbahn ist, verbunden sind, oder

3.

die als Eisenbahnverkehrs- oder Eisenbahninfrastrukturunternehmen Mutter- oder Tochterunternehmen sind im Verhältnis zu einem Eisenbahninfrastruktur- oder Eisenbahnverkehrsunternehmen, das öffentliche Eisenbahn ist,

haben, auch wenn sie nicht in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft betrieben werden, einen Jahresabschluss und einen Lagebericht nach den für große Kapitalgesellschaften geltenden Bestimmungen des Zweiten Abschnitts des Dritten Buchs des Handelsgesetzbuchs aufzustellen, prüfen zu lassen und offen zu legen. …

(1a)   Öffentliche Eisenbahnen nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 haben in ihrer Buchführung beide Bereiche zu trennen; hierzu gehören getrennte Konten für die Bereiche Erbringung von Verkehrsleistungen und Betrieb der Eisenbahninfrastruktur. Sie haben für jeden Bereich nach Satz 1 und für einen außerhalb dieser Bereiche gelegenen Bereich je eine nach handelsrechtlichen Grundsätzen aufzustellende zusätzliche Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung in den Anhang ihres Jahresabschlusses aufzunehmen. …

(1b)   Öffentliche Gelder zugunsten eines der beiden Tätigkeitsbereiche nach Absatz 1a Satz 1 dürfen nicht auf den anderen übertragen werden. Dieses Verbot muss auch in der Rechnungslegung der beiden Tätigkeitsbereiche zum Ausdruck kommen. Dies gilt auch für Unternehmen nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 und 3.

(1d)   Für öffentliche Eisenbahnverkehrsunternehmen, die sowohl Eisenbahnverkehrsleistungen im Personenverkehr als auch im Güterverkehr erbringen, gilt Absatz 1a entsprechend mit der Maßgabe, dass getrennte Konten sowie eine in den Anhang des Jahresabschlusses aufzunehmende gesonderte Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung nur für den Bereich Schienengüterverkehr aufzustellen sind und an die Stelle dieser Bilanz auch eine Vermögensübersicht treten kann. Öffentliche Gelder für gemeinwirtschaftliche Personenverkehrsleistungen sind in den entsprechenden Buchführungen getrennt auszuweisen und dürfen nicht auf Tätigkeitsbereiche übertragen werden, die andere Verkehrsleistungen oder sonstige Geschäfte betreffen.

…“

25

In § 14 Abs. 4 AEG heißt es:

„Betreiber von Schienenwegen haben ihre Entgelte nach Maßgabe einer auf Grund des § 26 Abs. 1 Nr. 6 und 7 erlassenen Rechtsverordnung so zu bemessen, dass die ihnen insgesamt für die Erbringung der Pflichtleistungen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 entstehenden Kosten zuzüglich einer Rendite, die am Markt erzielt werden kann, ausgeglichen werden. Hierbei können sie Aufschläge auf die Kosten, die unmittelbar auf Grund des Zugbetriebs anfallen, erheben, wobei sowohl je nach den Verkehrsleistungen Schienenpersonenfernverkehr, Schienenpersonennahverkehr oder Schienengüterverkehr als auch nach Marktsegmenten innerhalb dieser Verkehrsleistungen differenziert werden kann und die Wettbewerbsfähigkeit, insbesondere des grenzüberschreitenden Schienengüterverkehrs, zu gewährleisten ist. Die Höhe der Entgelte darf jedoch im Fall des Satzes 2 bezogen auf ein Marktsegment nicht die Kosten, die jeweils unmittelbar auf Grund des Zugbetriebs anfallen, zuzüglich einer Rendite, die am Markt erzielt werden kann, übersteigen. …“

26

Die Zuwendungen für Ersatzinvestitionen in das Bestandsnetz richten sich nach der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung vom 9. Januar 2009, mit Nachträgen vom 4. November 2010 und vom 6. September 2013, abgeschlossen zwischen der Bundesrepublik Deutschland, den Eisenbahninfrastrukturunternehmen der Deutschen Bahn AG und der Deutschen Bahn AG. Diese Vereinbarung wurde durch die mit Wirkung zum 1. Januar 2015 abgeschlossene Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung II (im Folgenden: LuFV II) abgelöst, mit der ein geschlossener Finanzierungskreislauf für Gewinne aus der Infrastruktur implementiert wird, die vollständig an den Bund ausgeschüttet werden und von dort ohne Abstriche wieder in die Infrastruktur zurückfließen.

Sachverhalt

27

Der Deutsche-Bahn-Konzern (im Folgenden: DB-Konzern), der von der Holdinggesellschaft Deutsche Bahn AG (im Folgenden: DB AG) geführt wird, operiert im nationalen und grenzüberschreitenden Personen- und Güterverkehr, im Bereich Logistik und im Bereich der dazugehörigen Dienstleistungen im Schienenverkehr.

28

Gemäß § 9a AEG wird der Betrieb der in Art. 3 Nr. 3 der Richtlinie 2012/34 sowie in deren Anhang I genannten Teile der Eisenbahninfrastruktur durch die DB Netz AG durchgeführt. Die DB Station & Service AG und die DB Energie GmbH betreiben andere Teile der Eisenbahninfrastruktur im Sinne dieser Richtlinie.

29

Beförderungstätigkeiten werden durch spezifische Tochtergesellschaften der DB Mobility Logistics AG, selbst eine 100%ige Tochtergesellschaft der DB AG, durchgeführt, zu denen die DB Regio AG gehört.

30

Die DB AG hat mit ihren Tochtergesellschaften Kontroll- und Gewinnübertragungsvereinbarungen (im Folgenden: Gewinnabführungsvereinbarungen) geschlossen. Diese Vereinbarungen sehen die Übertragung aller Gewinne der betreffenden Tochtergesellschaften auf die DB AG vor, wobei diese Gewinne hinsichtlich ihrer Verwendung keiner Beschränkung unterliegen. Gleichzeitig wird die DB AG verpflichtet, die Verluste ihrer Tochtergesellschaften abzudecken.

Vorverfahren

31

Mit Mahnschreiben vom 22. November 2012 wies die Kommission die Bundesrepublik Deutschland auf einen möglichen Verstoß gegen die Richtlinien 91/440 und 2001/14 sowie die Verordnung Nr. 1370/2007 hin, da bei der Rechnungsführung der DB AG nicht die Verbote beachtet worden seien, öffentliche Gelder für die Eisenbahninfrastruktur, Ausgleichsleistungen für aufgrund gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen erbrachte regionale Personenverkehrsdienste und Entgelte für die Nutzung der Fahrwege der Eisenbahn auf andere Tätigkeitsbereiche, insbesondere den Personenverkehr auf der Schiene, zu übertragen.

32

Mit Schreiben vom 20. März 2013 antwortete die Bundesrepublik Deutschland auf dieses Mahnschreiben der Kommission und wies deren Behauptungen zurück.

33

Am 21. Juni 2013 gab die Kommission daraufhin eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in der sie ihren im Mahnschreiben dargestellten Standpunkt bekräftigte und nicht nur auf die Verordnung Nr. 1370/2007 Bezug nahm, sondern auch auf die am 15. Dezember 2012 in Kraft getretene Richtlinie 2012/34, durch die die Richtlinien 91/440 und 2001/14 in den relevanten Punkten ersetzt wurden. Sie forderte die Bundesrepublik Deutschland darin auf, der mit Gründen versehenen Stellungnahme binnen einer Frist von zwei Monaten nach ihrer Bekanntgabe nachzukommen.

34

Mit Schreiben vom 21. August 2013 antwortete die Bundesrepublik Deutschland auf diese Stellungnahme, indem sie die bereits zuvor geltend gemachten Argumente wiederholte und weiter ausführte.

35

Da die Kommission diese Situation nicht für zufriedenstellend hielt, hat sie beschlossen, die vorliegende Klage zu erheben.

Zur Klage

Zulässigkeit

Zur mangelnden Klarheit der Klage im Ganzen und der einzelnen Rügen

36

Die Bundesrepublik Deutschland macht geltend, den vier von der Kommission erhobenen Rügen mangele es aufgrund unklarer und nicht einheitlicher Begrifflichkeiten sowohl im Ganzen als auch im Einzelnen an Klarheit, was sie daran hindere, die ihr vorgeworfenen Praktiken und Versäumnisse sowie die Tragweite dieser Rügen nachzuvollziehen. Die Kommission habe nicht erklärt, ob die vorgeworfenen Vertragsverletzungen in einer unzureichenden Umsetzung des Unionsrechts, einem unzureichenden Gesetzesvollzug oder einem rechtswidrigen Verhalten als Eigentümerin der DB AG bestünden.

37

Hinsichtlich jeder einzelnen dieser vier Rügen habe die Kommission nicht dargelegt, welches konkrete Verhalten gegen die in Rede stehenden Bestimmungen verstoße, und habe nicht die Vorschrift des nationalen Rechts benannt, deren Inhalt oder Ziel mit dem Wortlaut dieser Bestimmungen unvereinbar sei, sondern lediglich auf die innerhalb des DB-Konzerns geschlossenen Verträge abgestellt.

38

Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

39

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 120 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichtshofs und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs die Klageschrift den Streitgegenstand angeben und eine kurze Darstellung der zur Stützung der Klage geltend gemachten Klagegründe enthalten muss und dass diese Angaben so klar und deutlich sein müssen, dass sie dem Beklagten die Vorbereitung seines Verteidigungsvorbringens und dem Gerichtshof die Wahrnehmung seiner Kontrollaufgabe ermöglichen. Daraus leitet sich ab, dass sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die eine solche Klage gestützt wird, zusammenhängend und verständlich unmittelbar aus der Klageschrift ergeben müssen (Urteil vom 2. Juni 2016, Kommission/Niederlande, C‑233/14, EU:C:2016:396, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40

Der Gerichtshof hat ferner entschieden, dass eine nach Art. 258 AEUV erhobene Klage eine zusammenhängende und genaue Darstellung der Rügen enthalten muss, damit der Mitgliedstaat und der Gerichtshof die Tragweite des gerügten Verstoßes gegen das Unionsrecht richtig erfassen können, was notwendig ist, damit der betreffende Staat sich sachgerecht verteidigen und der Gerichtshof überprüfen kann, ob die behauptete Vertragsverletzung vorliegt (Urteil vom 2. Juni 2016, Kommission/Niederlande, C‑233/14, EU:C:2016:396, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41

Im vorliegenden Fall hat die Kommission, wie der Generalanwalt in Nr. 36 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, in ihrer Klageschrift sowohl die ihrer Ansicht nach von der Bundesrepublik Deutschland verletzten Vorschriften des Unionsrechts als auch die dieser vorgeworfenen Tatsachen genau benannt, und zwar, was die ersten drei Rügen betrifft, das Vorliegen von zwischen der DB AG und ihren verschiedenen Tochtergesellschaften geschlossenen Gewinnabführungsvereinbarungen, aufgrund deren die DB AG über die übertragenen Gewinne zu jedem beliebigen Zweck, ohne Beschränkung und unabhängig von ihrer Herkunft habe verfügen können, und, was die vierte Rüge betrifft, das Fehlen einer getrennten Ausweisung der öffentlichen Zuwendungen für ihre gemeinwirtschaftlichen Verkehrsleistungen in den Rechnungen von DB Regio.

42

Ferner ist festzustellen, dass weder die Formulierung der Klageschrift der Kommission im Ganzen noch die Formulierung jeder einzelnen von ihr erhobenen Rüge Raum lässt für die von der Bundesrepublik Deutschland geäußerten Zweifel hinsichtlich der Frage, ob eine unzureichende Umsetzung des Unionsrechts oder ein unzureichender Gesetzesvollzug oder ein rechtswidriges Verhalten als Eigentümerin der DB AG in Rede steht.

43

Abgesehen von der Tatsache, dass die Kommission seit ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme ausdrücklich erklärt hat, dass die Bundesrepublik Deutschland die streitigen Bestimmungen offenbar formell umgesetzt habe, geht aus der detaillierten Beschreibung der zwischen der DB AG und ihren verschiedenen Tochtergesellschaften geschlossenen Gewinnabführungsvereinbarungen sowie aus der Darstellung der Zusammensetzung und der Übertragung der Gewinne von DB Netz, DB Station & Service sowie DB Energie hervor, dass es nur um die innerhalb des DB-Konzerns bestehenden finanziellen Beziehungen, die sich aus diesen Vereinbarungen ergeben, und nicht um irgendeine unzutreffende Umsetzung der in Rede stehenden Bestimmungen des Unionsrechts geht.

44

Daraus ist zu schließen, dass die Bundesrepublik Deutschland in der Lage war, die Tragweite der ihr vorgeworfenen Verstöße gegen das Unionsrecht zu erfassen.

Zur Rechtsgrundlage der Klage

– Vorbringen der Parteien

45

Die Bundesrepublik Deutschland ist der Auffassung, die vorliegende Klage sei auch unzulässig, weil im Klageantrag die Richtlinie 2012/34 genannt werde, deren Umsetzungsfrist am 16. Juni 2015 ablaufe, d. h. nach dem Zeitpunkt, der für die Würdigung des Vorliegens der Vertragsverletzung, die sie begangen haben solle, maßgeblich sei. Nur die Bestimmungen der Richtlinien 91/440 und 2001/14 seien einschlägig.

46

In ihrer Erwiderung, die eingereicht wurde, nachdem der Rat die Berichtigung vom 12. März 2015, mit der der Aufhebungszeitpunkt der Richtlinien 91/440 und 2001/14 nicht mehr auf den 15. Dezember 2012, sondern auf den 17. Juni 2015 festgelegt wurde, veröffentlicht hatte, bittet die Kommission den Gerichtshof, die mit den Nrn. 1 bis 4 des Klageantrags im Hinblick auf die Richtlinie 2012/34 begehrten Feststellungen, falls nötig, auf die Vorschriften der Richtlinien 91/440 und 2001/14 zu stützen, die in ihrem Schriftsatz hilfsweise angeführt seien.

– Würdigung durch den Gerichtshof

47

Zum Zeitpunkt der Abgabe der mit Gründen versehenen Stellungnahme wie zum Zeitpunkt der Erhebung der vorliegenden Klage waren die Richtlinie 91/440 und die Richtlinie 2001/14 infolge ihrer Aufhebung durch Art. 65 der Richtlinie 2012/34 mit Wirkung vom 15. Dezember 2012 nicht mehr Teil der Unionsrechtsordnung.

48

Daher konnte sich die Kommission, wie der Generalanwalt in Nr. 42 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, nur auf die Richtlinie 2012/34 berufen, und nur diese konnte die von ihr erhobene Klage auf Feststellung der Vertragsverletzung stützen.

49

Wie aus Rn. 1 des vorliegenden Urteils hervorgeht, ist ferner festzustellen, dass die Kommission insbesondere in den Anträgen der vorliegenden Klage darauf geachtet hat, für jede der geltend gemachten Rügen nicht nur den betreffenden Artikel der Richtlinie 2012/34 zu nennen, sondern auch die entsprechende Bestimmung in den Richtlinien 91/440 und 2001/14, wodurch sie jede Unsicherheit bezüglich des Unionsrechts ausgeschlossen hat, anhand dessen die Begründetheit dieser Klage zu beurteilen ist oder was die Tragweite der vorgeworfenen Vertragsverletzung angeht (vgl. entsprechend Urteil vom 22. Oktober 2014, Kommission/Niederlande, C‑252/13, EU:C:2014:2312, Rn. 35 bis 37).

50

Des Weiteren kann die Kommission nach ständiger Rechtsprechung einen Verstoß gegen diejenigen Verpflichtungen feststellen lassen, die sich aus der ursprünglichen Fassung eines später geänderten oder aufgehobenen Unionsrechtsakts ergeben und durch die Bestimmungen eines neuen Unionsrechtsakts aufrechterhalten wurden (Urteil vom 19. Dezember 2013, Kommission/Polen, C‑281/11, EU:C:2013:855, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung). Wie die Kommission in ihrer Erwiderung erklärt, betrifft ihre Klage ausschließlich die Bestimmungen der Richtlinie 2012/34, die bereits in den Richtlinien 91/440 und 2001/14 enthalten waren.

51

Folglich ist die vorliegende Klage insgesamt für zulässig zu erklären.

Begründetheit

52

Vorab und unter Berücksichtigung der Veröffentlichung der Berichtigung vom 12. März 2015, wonach der Zeitpunkt der Aufhebung der Richtlinien 91/440 und 2001/14 nunmehr auf den 17. Juni 2015 festgelegt wird, ist festzustellen, dass die Richtlinien 91/440 und 2001/14 zu dem Zeitpunkt, der für die Beurteilung der Begründetheit der vorliegenden Klage maßgeblich ist (Urteil vom 8. April 2014, Kommission/Ungarn, C‑288/12, EU:C:2014:237, Rn. 29), und zwar dem 21. August 2013, dem Ende der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist, zeitlich anwendbar waren.

53

Daher ist die Begründetheit der vorliegenden Klage auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 91/440 (erste und zweite Rüge), Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14 (dritte Rüge) und Art. 9 Abs. 4 der Richtlinie 91/440 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1370/2007 und Nr. 5 ihres Anhangs (vierte Rüge) zu prüfen.

54

Im Übrigen ist in Rn. 43 des vorliegenden Urteils festgestellt worden, dass die Kommission der Bundesrepublik Deutschland nicht vorwirft, die streitigen Richtlinien falsch umgesetzt zu haben. Es ist daher nicht auf das Vorbringen hierzu einzugehen, mit dem dieser Mitgliedstaat die erste und die dritte Rüge zurückgewiesen hat.

Zur zweiten Rüge: Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 91/440, da die Art der Rechnungsführung der Tochtergesellschaften der DB AG, die mit dem Betrieb von Eisenbahninfrastruktur betraut sind, nicht sicherstelle, dass das Verbot, öffentliche Gelder für die Eisenbahninfrastruktur auf Eisenbahnverkehrsdienstleistungen zu übertragen, kontrolliert werden könne

– Vorbringen der Parteien

55

Mit ihrer zweiten Rüge, deren Begründetheit zunächst zu prüfen ist, wirft die Kommission der Bundesrepublik Deutschland vor, Tochtergesellschaften des DB-Konzerns, die Eisenbahninfrastrukturbetreiber seien, würden ihre Rechnungsführung derart organisieren, dass unter Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 91/440 das Verbot, öffentliche Gelder für den Betrieb der Eisenbahninfrastruktur auf Eisenbahnverkehrsdienstleistungen zu übertragen, nicht kontrolliert werden könne.

56

Da die öffentlichen Gelder, die zum Erwerb von Vermögensgegenständen der Infrastrukturbetreiber verwendet würden, weder in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung noch in der Bilanz aufgeführt würden, lasse sich diesen nicht entnehmen, welche Teile der Gewinne dieser Betreiber, die in Anwendung der streitigen Gewinnabführungsvereinbarungen an die DB AG übertragbar seien, aus öffentlichen Geldern herrührten, und wie sich die Gewinne zwischen den Tätigkeiten des Eisenbahninfrastrukturbetriebs und anderen Tätigkeiten dieser Betreiber verteilten. Dadurch könne die DB AG, an die die undifferenzierten Gewinne ihrer Tochtergesellschaften, die Eisenbahninfrastrukturbetreiber seien, übertragen werden könnten, diese beliebig verwenden.

57

Hierzu macht die Bundesrepublik Deutschland im Wesentlichen geltend, dass die Kommission die streitige Bestimmung unzutreffend auslege, da sie zu Unrecht „Bilanz“ und „Rechnungswesen“ gleichsetze, und dass das darin enthaltene Transparenzerfordernis keine Abbildung der öffentlichen Gelder im externen Rechnungswesen des Unternehmens, und zwar in der Bilanz, der Gewinn-und-Verlust-Rechnung oder dem Geschäftsbericht, erfordere. Es verlange nur eine buchhalterische Trennung zwischen den Verkehrs- und den Infrastrukturunternehmen; dieses Erfordernis sei im vorliegenden Fall erfüllt, da DB Netz, DB Station & Service und DB Energie rechtlich selbständig seien und keine Verkehrsdienstleistungen erbrächten. Diese Bestimmung habe nämlich nicht die zweckentsprechende Verwendungsprüfung zum Gegenstand, sondern nur die Gewährleistung eines gerechten und diskriminierungsfreien Zugangs zur Infrastruktur.

58

Diese Bestimmung enthalte keine weiter gehende und spezifischere Anforderung als die einer Buchführung und Buchhaltung, die sicherstelle, dass das Übertragungsverbot eingehalten werde. Diese beschränkte Pflicht werde durch die Absicht der Kommission bestätigt, im Rahmen des von ihr vorgestellten vierten Eisenbahnpakets die Finanzkreisläufe der Infrastrukturbetreiber und der Verkehrsunternehmen stärker zu trennen.

59

Außerdem würden die Gesellschaften des DB-Konzerns jedes Jahr getrennte Gewinn-und-Verlust-Rechnungen und Bilanzen für die Erbringung von Verkehrsleistungen durch Eisenbahnunternehmen einerseits und für den Betrieb der Eisenbahninfrastruktur andererseits erstellen und veröffentlichen.

60

Schließlich trägt die Bundesrepublik Deutschland vor, die Tatsache, dass die öffentlichen Gelder nicht aktiviert würden, bedeute nicht, dass sie buchhalterisch intern nicht erfasst würden.

– Würdigung durch den Gerichtshof

61

In Bezug auf Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 91/440 ist insbesondere im Licht ihres vierten Erwägungsgrundes festzustellen, dass dieser, wie die Überschrift des Abschnitts, zu dem er gehört, zum Ausdruck bringt, zum Gegenstand hat, eine Trennung zwischen dem Betrieb der Eisenbahninfrastruktur und dem Eisenbahnverkehr sicherzustellen, so dass diese Tätigkeiten getrennt betrieben werden können, aber auch, dass die der einen dieser beiden Tätigkeiten zugeführten öffentlichen Gelder nicht durch Quersubventionierungen von der einen auf die andere übertragen werden können.

62

Zu diesem Zweck verlangt Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 91/440 die Erstellung getrennter Gewinn-und-Verlust-Rechnungen und getrennter Bilanzen für die Erbringung von Verkehrsleistungen durch Eisenbahnunternehmen einerseits und für den Betrieb der Eisenbahninfrastruktur andererseits. Was insbesondere die buchhalterische Behandlung öffentlicher Gelder betrifft, heißt es dort, dass diese es ermöglichen muss, das Verbot ihrer Übertragung zum Ausdruck zu bringen.

63

Dieser Artikel verlangt auch die Veröffentlichung der Rechnungen für die beiden Tätigkeiten des Betriebs der Eisenbahninfrastruktur und der Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen.

64

Daraus folgt, dass der Unionsgesetzgeber, was speziell öffentliche Gelder betrifft, den Unternehmen, die Eisenbahnverkehrsleistungen erbringen und Eisenbahninfrastruktur betreiben, nicht nur vorschreiben wollte, diese Gelder in die Rechnungen aufzunehmen, um ihre buchhalterische Kontrolle zu ermöglichen, sondern auch, diese Rechnungen zu veröffentlichen, um u. a. die Publizität der Informationen bezüglich dieser Gelder sicherzustellen, damit objektiv geprüft werden kann, dass keine Quersubventionierungen zwischen den Tätigkeiten des Betriebs von Eisenbahninfrastruktur und denen des Eisenbahnverkehrs erfolgen.

65

Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 91/440 verfolgt nicht nur ein Ziel genauer buchhalterischer Behandlung, die insbesondere erlaubt, die von den Eisenbahnunternehmen vereinnahmten öffentlichen Gelder zu identifizieren, sondern auch das Ziel externer Transparenz der Verwendung dieser Gelder.

66

Wie der Generalanwalt in den Nrn. 65, 68 und 71 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, beabsichtigte der Unionsgesetzgeber durch die Verwendung des Begriffs „zum Ausdruck kommen“ in dieser Bestimmung, die Kontrolle des Verbots der Übertragung öffentlicher Gelder von der einen Tätigkeit auf die andere zu erleichtern, was ohne die buchhalterische Transparenz der Eisenbahnunternehmen schwerlich erreichbar wäre. Durch diese können Quersubventionen aufgedeckt werden, was ein durchgängiges Ziel der aufeinanderfolgenden Unionsregelungen über den Eisenbahnverkehr sowohl im Rahmen der Verordnung (EWG) Nr. 2830/77 des Rates vom 12. Dezember 1977 über Maßnahmen zur Herstellung der Vergleichbarkeit der Rechnungsführung und der Jahresrechnung von Eisenbahnunternehmen (ABl. 1977, L 334, S. 13) als auch im Rahmen der Richtlinie 91/440 oder der Richtlinie 2001/12 ist.

67

Hierzu ist festzustellen, dass Art. 9 Abs. 4 der Richtlinie 91/440 für Eisenbahnunternehmen, die Personen- und Güterverkehrsdienste erbringen, Buchhaltungs- und Veröffentlichungspflichten ähnlich den in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 91/440 genannten vorsieht und dabei ausdrücklich, wie aus dem neunten Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/12 hervorgeht, das Gebot der Transparenz ihrer Finanzen einschließlich aller von staatlicher Seite gewährten finanziellen Ausgleichsleistungen und Beihilfen erwähnt.

68

Folglich kann entgegen dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 91/440 nicht so ausgelegt werden, dass er die Pflichten der Eisenbahnunternehmen nur auf die Aufnahme der öffentlichen Gelder, die sie erhalten, in ihre Buchhaltung beschränkt, und zwar selbst dann, wenn eine solche Aufnahme geeignet wäre, das Verbot der Übertragung dieser Gelder in der internen Buchhaltung dieser Unternehmen zu kontrollieren.

69

Wie die Bundesrepublik Deutschland im vorliegenden Fall einräumt, erscheinen die von den Tochtergesellschaften der DB AG vereinnahmten öffentlichen Gelder, von denen die Kommission nicht behauptet, dass sie tatsächlich nicht in ihrer Buchhaltung aufgeführt worden seien, nicht in den Rechnungen der Tochtergesellschaften der DB AG. Dieses Versäumnis macht es, wie die Kommission geltend macht, unmöglich, zu bestimmen, inwieweit die von den Infrastrukturbetreibern auf die DB AG übertragenen Gewinne solche Gelder enthalten, und dem in Rn. 66 des vorliegenden Urteils in Erinnerung gerufenen buchhalterischen Transparenzgebot nachzukommen.

70

Folglich hat die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 91/440 verstoßen, dass sie nicht alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, damit durch die Art der Rechnungsführung die Einhaltung des Verbots, öffentliche Gelder für den Betrieb der Eisenbahninfrastruktur auf Verkehrsleistungen zu übertragen, kontrolliert werden kann.

71

Die zweite Rüge greift daher durch.

Zur ersten Rüge: Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 91/440, da die Gewinnabführungsvereinbarungen erlauben, Eisenbahnverkehrsleistungen mit der Eisenbahninfrastruktur vorbehaltenen Geldern zu finanzieren

– Vorbringen der Parteien

72

Mit ihrer ersten Rüge wirft die Kommission der Bundesrepublik Deutschland vor, ein System von Gewinnabführungsvereinbarungen zu akzeptieren, das unter Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 91/440 erlaube, öffentliche Gelder für den Betrieb der Eisenbahninfrastruktur auf Eisenbahnverkehrsleistungen zu übertragen.

73

Von Tochtergesellschaften der DB AG, die auf den Infrastrukturmärkten tätig seien, erzielte und dieser gemäß der Gewinnabführungsvereinbarung übertragene Gewinne seien für die Erbringung von Verkehrsdienstleistungen verwendet worden, und zwar unabhängig von der Herkunft der Gewinne, folglich auch, wenn sie aus öffentlichen Geldern stammten, die für den Betrieb der Infrastruktur gezahlt worden seien.

74

Die Kommission bezieht sich hierbei auf die Deckung von Verlusten von Gesellschaften des DB-Konzerns, die, wie DB Schenker Rail in den Jahren 2009 und 2010, Verkehrsdienstleistungen anbieten. Sie bezieht sich auch auf die Finanzierung des Erwerbs anderer Verkehrsunternehmen durch den DB-Konzern sowie die Verbesserung seiner Zahlungsfähigkeit insgesamt. Hierzu trägt sie vor, DB Netz, DB Station & Service und DB Energie hätten im Zeitraum 2007 bis 2011 nur dank der Einnahmen, die sie aus der Eisenbahninfrastruktur erzielt hätten, und/oder der öffentlichen Gelder Gewinne erwirtschaftet, und daher enthielten die übertragenen Gewinne Teile dieser Gelder im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 91/440.

75

Die Bundesrepublik Deutschland macht zum einen geltend, diese Rüge beruhe auf einer fehlerhaften Auslegung von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 91/440, und zum anderen habe sie diese Bestimmung durch § 9 Abs. 1b AEG korrekt umgesetzt.

76

Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 91/440 hindere nicht daran, dass die Tochtergesellschaften Gewinne erwirtschafteten und sie später an ihre Muttergesellschaft abführten, da er nur die Übertragung der der Eisenbahninfrastruktur zugewiesenen öffentlichen Gelder verbiete und nicht der Einnahmen, die die mit dem Betrieb der Eisenbahninfrastruktur betrauten Unternehmen aus ihrem Geschäftsbetrieb zögen.

77

In ihrer Erwiderung tritt die Kommission der Auslegung von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 91/440 durch die Bundesrepublik Deutschland entgegen. Ihrer Ansicht nach geht aus dem Vorschlag für die Richtlinie 2001/12 hervor, dass mit dieser Bestimmung eine gerechte und nicht diskriminierende Behandlung aller Eisenbahnunternehmen sichergestellt werden sollte. Dieses Ziel könne nur erreicht werden, wenn man die Finanzierung der Infrastruktur in ihrer Gesamtheit betrachte, also auf der einen Seite sämtliche dieser Kosten und auf der anderen Seite sämtliche Einnahmen, d. h. die öffentlichen Gelder und die Netzentgelte.

78

Die Kommission tritt auch dem Vorbringen entgegen, wonach der Begriff „öffentliche Gelder“ in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 91/440 nur die öffentlichen Gelder bezeichne, die aus einem öffentlichen Haushalt aufgrund einer bestimmten gesetzlichen Grundlage gewährt würden. Das Ziel dieser Bestimmung bestehe darin, Quersubventionen zu unterbinden, und sowohl ihr Wortlaut als auch die Vorarbeiten bestätigten, dass es sich um öffentliche Gelder im Sinne der Regelung über staatliche Beihilfen handele, die dieselbe Terminologie verwende.

79

In ihrer Gegenerwiderung wirft die Bundesrepublik Deutschland der Kommission vor, ihre Behauptungen nicht belegt zu haben, und verweist auf die Prüfung dieser Gelder ex ante und ex post durch die Bundesnetzagentur (Deutschland) sowie den Bundesrechnungshof (Deutschland).

80

Die italienische Regierung trägt ihrerseits vor, dass Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 91/440 lediglich Rechnungsführungsvorschriften aufstelle, um der Gefahr von Quersubventionen vorzubeugen. Auch spreche nichts dagegen, dass die Infrastrukturbetreiber Gewinne autonom verwendeten. Der Gerichtshof habe insoweit die Rechtmäßigkeit von Holding-Unternehmensstrukturen anerkannt, und der Ansatz der Kommission laufe – im Widerspruch zu den Art. 4 und 5 der Richtlinie 91/440 – auf eine Einengung der Verwaltungsautonomie der Eisenbahnkonzerne hinaus.

– Würdigung durch den Gerichtshof

81

Gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 91/440 sind Übertragungen öffentlicher Gelder, die für den Betrieb der Eisenbahninfrastruktur gewährt werden, zugunsten der Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen und umgekehrt verboten.

82

Ein Verstoß gegen dieses Verbot setzt also zum einen voraus, dass es sich um eine Übertragung „öffentlicher Gelder“ handelt, und zum anderen, dass diese Übertragung einer anderen als der Tätigkeit zugutegekommen ist, für die die Gelder gewährt wurden.

83

Im Rahmen der vorliegenden Rüge hat die Kommission jedoch jedenfalls nicht rechtlich hinreichend dargetan, dass die Gewinnabführungsvereinbarungen – selbst unterstellt, dass sie zu einer Übertragung öffentlicher Gelder geführt haben können, was die Bundesrepublik Deutschland bestreitet – zu den behaupteten Übertragungen von Beträgen geführt haben, um sie für identifizierbare Eisenbahnverkehrsleistungen zu verwenden.

84

Nach ständiger Rechtsprechung obliegt es in einem Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV der Kommission, das Vorliegen der gerügten Vertragsverletzung nachzuweisen und dem Gerichtshof die erforderlichen Anhaltspunkte zu liefern, anhand deren er das Vorliegen der Vertragsverletzung prüfen kann, und sie darf sich dabei nicht auf irgendeine Vermutung stützen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. November 2012, Kommission/Deutschland, C‑600/10, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:737, Rn. 13, und vom 10. November 2016, Kommission/Griechenland, C‑504/14, EU:C:2016:847, Rn. 111 und die dort angeführte Rechtsprechung).

85

Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die von der Kommission vorgelegten Beweise zu den bestrittenen Tatsachen, nämlich der Verwendung der im Rahmen der Gewinnabführungsvereinbarungen übertragenen Gewinne zur Finanzierung der Eisenbahnverkehrsleistungen mit der Eisenbahninfrastruktur vorbehaltenen Geldern, kaum bis überhaupt nicht dokumentiert und hauptsächlich Indizien sind.

86

Was zunächst das Material betrifft, auf das die Behauptung von Gewinnübertragungen zum Ausgleich der Verluste des Verkehrsunternehmens DB Schenker Rail in den Jahren 2009 und 2010 gestützt wird, gibt die Kommission unter Verweis auf ihre mit Gründen versehene Stellungnahme lediglich an, dass Infrastrukturbetreibergesellschaften des DB-Konzerns Gewinne erwirtschaftet hätten und gleichzeitig die DB AG von den Gesellschaften des DB-Konzerns, die Schienenverkehrsleistungen erbracht hätten, eingefahrene Verluste ausgeglichen habe, ohne jedoch darzutun, dass die für diese Vorgänge verwendeten Beträge auf Gelder zurückgingen, die von einer oder mehreren mit dem Betrieb von Infrastruktur betrauten Gesellschaften des DB-Konzerns stammten.

87

Was sodann das Material betrifft, auf das die Behauptung gestützt wird, Gewinnübertragungen hätten der DB AG erlaubt, den Erwerb von Verkehrsunternehmen zu finanzieren, nennt die Kommission in ihren Schriftsätzen nicht die betreffenden Unternehmen, sondern verweist zu diesem Zweck lediglich auf ihre mit Gründen versehene Stellungnahme, in der nichts anderes als der Firmenname dieser Unternehmen genannt wird und jedenfalls kein Anhaltspunkt dafür, welche Beträge für diese Erwerbe aufgewandt und wie diese finanziert wurden.

88

Was ferner das Material betrifft, auf das die Behauptung gestützt wird, Gewinnübertragungen hätten es ermöglicht, die Rentabilität sowie die Kreditwürdigkeit des DB-Konzerns zu verbessern, verweist die Kommission lediglich auf knappe Bemerkungen in Berichten von Ratingagenturen, die in diesem Punkt wenig aussagekräftig sind.

89

Was schließlich die Behauptung der Übertragung von Gewinnen der DB Netz, der DB Station & Service oder auch der DB Energie betrifft, trägt die Kommission lediglich vor, dass die Gewinne dieser Gesellschaften – von denen sie meint, ohne hierzu konkrete Beweise vorzulegen, dass sie nur dank der durch die Nutzung der Infrastruktur und aus öffentlichen Geldern erzielten Einnahmen erwirtschaftet worden seien – gemäß den Gewinnabführungsvereinbarungen an die DB AG übertragen worden seien, sie führt aber keinen Anhaltspunkt an, anhand dessen sich feststellen ließe, dass diese Gewinne in der Folge für die Finanzierung von Eisenbahnverkehrsleistungen verwendet wurden.

90

Daher ist festzustellen, ohne dass zu prüfen ist, ob die von der Kommission behaupteten Gewinnübertragungen als Übertragung von „Geldern“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 91/440 einzustufen sind, dass der Gerichtshof nicht über hinreichende Anhaltspunkte verfügt, die die Feststellung ermöglichen, dass die streitigen Gewinnabführungsvereinbarungen erlaubt hätten, Eisenbahnverkehrsleistungen mit der Eisenbahninfrastruktur vorbehaltenen Geldern zu finanzieren, und dass die Bundesrepublik Deutschland daher gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 91/440 verstoßen hat.

91

Die erste Rüge der Kommission ist daher zurückzuweisen.

Zur dritten Rüge: Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14, da die Entgelte für die Nutzung der Fahrwege durch Gewinnabführungsvereinbarungen innerhalb des DB-Konzerns zu anderen Zwecken als der Finanzierung der Unternehmenstätigkeit des Infrastrukturbetreibers verwendet würden

– Vorbringen der Parteien

92

Mit ihrer dritten Rüge wirft die Kommission der Bundesrepublik Deutschland vor, dass durch Gewinnabführungsvereinbarungen innerhalb des DB-Konzerns die Entgelte für die Nutzung der Fahrwege unter Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14 zu anderen Zwecken als der Finanzierung der Unternehmenstätigkeit des Infrastrukturbetreibers verwendet würden.

93

Hierzu macht die Kommission geltend, dass die in den Gewinnabführungsvereinbarungen vorgesehene Übertragung der Gewinne der Infrastrukturbetreiber auf die DB AG bedeute, dass die für die Nutzung der Infrastruktur gezahlten Entgelte vom Infrastrukturbetreiber nicht für seine so definierte Unternehmenstätigkeit verwendet würden. Dies gelte jedenfalls dann, wenn ohne Entgelt kein Gewinn erzielt worden wäre, wie es bei DB Netz, DB Station & Service und DB Energie der Fall sei. In einem solchen Fall werden nach Ansicht der Kommission dem Betreiber der Infrastruktur eindeutig Entgelte entzogen und können für andere als für seine Tätigkeiten verwendet werden.

94

Die Bundesrepublik Deutschland, unterstützt durch die Italienische Republik, ist der Auffassung, dass Art. 6 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 1 und Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14 von der Systematik her zuließen, dass die Infrastrukturbetreiber eine gewisse Rendite erzielten, die einen integralen Bestandteil der zu erhebenden Entgelte bilde. Zudem regele keine Bestimmung dieser Richtlinie die Verwendung der von diesen erzielten Gewinne, die sie nach ihrem uneingeschränkten Ermessen an ihre Muttergesellschaft abführen könnten.

95

Deshalb stehe die Richtlinie 2001/14 der Abführung der Gewinne nicht entgegen, sofern diese aus den Entgelten für die Nutzung der Eisenbahninfrastruktur stammten und in deren Berechnung eine angemessene Eigenkapitalrendite des Unternehmens eingeflossen sei. Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 AEG müssten zudem die Entgelte so festgelegt werden, dass sie die Kosten des Eisenbahninfrastrukturbetreibers deckten, wobei eine marktangemessene Rendite hinzugefügt werden könne. Der auf diese Weise erzielte Ertrag führe entgegen der Ansicht der Kommission nicht zu einer Finanzierungslücke bei der Infrastruktur.

96

Schließlich werde diese Auslegung durch einen kürzlich vorgelegten Änderungsvorschlag bestätigt, den die Kommission für das vierte Eisenbahnpaket ausgearbeitet habe und nach dessen Wortlaut es keineswegs erforderlich sei, dass die Einnahmen aus der Nutzung der Infrastruktur ausschließlich zum Betrieb und zur Erhaltung der Schienenwege verwendet würden.

97

In ihrer Erwiderung weist die Kommission darauf hin, dass sich Art. 6 der Richtlinie 2001/14 dadurch erkläre, dass die Infrastrukturentgelte normalerweise nach den direkten Kosten berechnet würden und dass die Infrastrukturunternehmen daher systematisch Verluste erlitten, wenn nicht die öffentliche Hand zumindest einen Teil der Eisenbahninfrastrukturkosten übernehme. Unter diesen Umständen verpflichte Art. 6 der Richtlinie 2001/14 die Mitgliedstaaten, ihrer finanziellen Verantwortung gegenüber den Infrastrukturbetreibern nachzukommen und deren Haushalte auszugleichen.

98

Die Kommission verweist ferner auf eine Stellungnahme des Bundesrats (Deutschland), die ihre Ansicht stütze und die negativen Folgen der Gewinnabführungsverträge aufzeige, sowie auf das Inkrafttreten der LuFV II am 1. Januar 2015, die dieser Besorgnis des Bundesrats dadurch begegnen solle, dass sie vorsehe, dass die Gewinne der Infrastrukturbetreiber direkt an den Bund abgeführt und von diesem wiederum für die Infrastruktur verwendet würden.

99

In ihrer Gegenerwiderung räumt die Bundesrepublik Deutschland ein, dass die Gelder, die DB Netz an die DB AG abführe, ganz oder teilweise aus Trassenerlösen stammten, trägt aber vor, dass diese Gelder ihre Qualifizierung als Entgelte für die Nutzung der Fahrwege der Eisenbahn spätestens dann verlören, wenn sie von DB Netz als Gegenleistung für die Gewährung der Trassennutzung zutreffend vereinnahmt und der Finanzierung der Geschäftstätigkeit zugeführt worden seien.

– Würdigung durch den Gerichtshof

100

Nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14 sind Entgelte für die Nutzung der Fahrwege der Eisenbahn an den Betreiber der Infrastruktur zu entrichten, dem sie zur Finanzierung seiner Unternehmenstätigkeit dienen.

101

Mit ihrer dritten Rüge ist die Kommission im Wesentlichen der Ansicht, es laufe dieser Bestimmung zuwider, dass die Betreiber der Eisenbahninfrastruktur des DB-Konzerns systematisch Gewinne erwirtschafteten, die in der Folge in Anwendung der streitigen Gewinnabführungsvereinbarungen an die DB AG übertragen werden könnten, was somit dazu führe, dass Beträge aus den Entgelten für die Infrastruktur von der DB AG zu anderen Zwecken als der Finanzierung der Unternehmenstätigkeit dieser Eisenbahninfrastrukturbetreiber verwendet werden könnten.

102

Unter diesen Umständen würde ein Verstoß der Bundesrepublik Deutschland gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14 voraussetzen, dass die Kommission zum einen dartut, dass diese Gewinne zumindest zum Teil aus Entgelten für die Infrastruktur im Sinne dieser Bestimmung stammen, um diesen gleichgestellt zu werden, und zum anderen, dass diese Gewinne tatsächlich für andere Zwecke als die Finanzierung der Unternehmenstätigkeit der Betreiber der betreffenden Infrastruktur verwendet wurden.

103

Es ist festzustellen, dass die Kommission jedenfalls nicht rechtlich hinreichend dargetan hat, dass Gewinne der Betreiber der Eisenbahninfrastruktur des DB-Konzerns, die aus Entgelten für die Infrastruktur stammen, ganz oder zum Teil tatsächlich zu anderen Zwecken als der Finanzierung ihrer Unternehmenstätigkeit verwendet wurden.

104

In diesem Zusammenhang ist bereits in Rn. 84 des vorliegenden Urteils darauf hingewiesen worden, dass es der Kommission obliegt, das Vorliegen der gerügten Vertragsverletzung nachzuweisen.

105

Abgesehen von der Tatsache, dass die Kommission nur durch einen impliziten Verweis die Infrastrukturbetreiber benennt, deren Gewinne wegen der Wirkung der Gewinnabführungsvereinbarungen zweckentfremdet worden seien, geht aus ihren in Rn. 93 des vorliegenden Urteils erwähnten Schriftsätzen hervor, dass die Kommission ihre Argumentation im Wesentlichen auf die Tatsache stützt, dass die Abführung der Gewinne der Infrastrukturbetreiber des DB-Konzerns an die DB AG zwangsläufig eine Verwendung zu anderen als den durch Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14 vorgeschriebenen Zwecken voraussetzt. Allerdings erklärt sie selbst, dass der angesprochene Automatismus nur in bestimmten Situationen erwiesen sei, nämlich dann, wenn ohne Entgelt kein Gewinn erzielt worden wäre.

106

Hierzu ist im Übrigen festzustellen, dass die Übertragung von Gewinnen eines Betreibers von Eisenbahninfrastruktur auf einen Dritten wahrscheinlich nicht zwangsläufig die Verwendung der betreffenden Ressourcen zu anderen Zwecken als der Finanzierung der Infrastrukturtätigkeiten dieses Betreibers mit sich bringt, wie es der Mechanismus illustrieren könnte, der sich aus der LuFV II ergibt, mit der ein geschlossener Finanzierungskreislauf für Gewinne aus dem Infrastrukturbetrieb implementiert wird, die vollständig an den Bund ausgeschüttet werden und von dort ohne Abstriche wieder in die Infrastruktur zurückfließen.

107

Es war daher Sache der Kommission, die tatsächlichen Gesichtspunkte, die ihre dritte Rüge stützen, genauer zu bezeichnen.

108

Des Weiteren ist insbesondere in Bezug auf die im Jahr 2009 erwirtschafteten und von DB Netz auf die DB AG übertragenen Gewinne festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland in der Sache bestritten hat, dass die auf die DB AG übertragenen Gewinne aus den Entgelten für die Infrastruktur stammten, indem sie geltend gemacht hat, dass nach dem Geschäftsbericht von DB Netz diese Gewinne hauptsächlich aus der Auflösung von Rückstellungen für Immobilienveräußerungen stammten. Die Kommission hat diese Erklärung jedoch keineswegs in Frage gestellt, sondern lediglich festgestellt, dass die Bundesrepublik Deutschland die anderen angesprochenen Situationen nicht bestritten habe.

109

Ohne dass zu prüfen ist, ob die von den Betreibern der Eisenbahninfrastruktur erzielten und auf Dritte übertragenen Gewinne für die Zwecke von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14 mit Entgelten für die Infrastruktur gleichgestellt werden können, was die Bundesrepublik Deutschland bestreitet, ist daher festzustellen, dass die Kommission nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, dass die genannten Gewinne der Infrastrukturbetreiber des DB-Konzerns ganz oder zum Teil aus Entgelten für die Infrastruktur stammen oder für andere Zwecke als die diesen Betreibern übertragene Finanzierung der Eisenbahninfrastruktur verwendet wurden.

110

Folglich ist die dritte Rüge zurückzuweisen.

Zur vierten Rüge: Verstoß gegen Art. 9 Abs. 4 der Richtlinie 91/440 und gegen Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1370/2007 in Verbindung mit Nr. 5 ihres Anhangs, da die öffentlichen Zuwendungen für gemeinwirtschaftliche Personenverkehrsleistungen in den Rechnungen von DB Regio nicht getrennt ausgewiesen würden

– Vorbringen der Parteien

111

Mit ihrer vierten Rüge wirft die Kommission der Bundesrepublik Deutschland vor, dass die öffentlichen Zuwendungen an DB Regio für gemeinwirtschaftliche Personenverkehrsleistungen entgegen Art. 9 Abs. 4 der Richtlinie 91/440 und Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1370/2007 in Verbindung mit Nr. 5 letzter Gedankenstrich ihres Anhangs in den Rechnungen dieser Gesellschaft nicht nach Verträgen getrennt ausgewiesen würden.

112

Dem Vortrag der Kommission zufolge werden die Ausgleichsleistungen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen ebenso wie die Einnahmen aus Fahrkartenverkäufen lediglich in Form von Gesamt- oder kumulierten Beträgen angegeben, die sich auf alle erbrachten Dienstleistungen bezögen, so dass es nicht möglich sei, im Hinblick auf die Aufdeckung eventueller Quersubventionen festzustellen, ob im Einzelfall diese Ausgleichsleistungen übermäßig seien.

113

Was Art. 9 Abs. 4 der Richtlinie 91/440 betrifft, ist die Bundesrepublik Deutschland der Auffassung, DB Regio als Regionalverkehrsbetreiber falle nach Art. 2 Abs. 2 dieser Richtlinie nicht in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift. Diese Schlussfolgerung ergebe sich aus Art. 3 der Richtlinie 91/440, der „Regionalverkehr“ als „Verkehrsleistungen, die den Verkehrsbedarf einer Region decken“, definiere.

114

Bezüglich des Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1370/2007 legt die Bundesrepublik Deutschland Nr. 5 ihres Anhangs dahin aus, dass er die getrennte Ausweisung der Verträge in der Rechnungsführung nur verlange, wenn ein Dienstleister gleichzeitig Leistungen, für die Ausgleichsleistungen wegen gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen gezahlt würden, und andere Leistungen erbringe. Dies sei nicht der Fall bei DB Regio, die ausschließlich gemeinwirtschaftliche Verkehrsleistungen erbringe.

115

In diesem Zusammenhang räumt die Kommission ein, dass in Nr. 5 dieses Anhangs nicht ausdrücklich von einer Trennung nach Verträgen die Rede sei. Diese Verpflichtung ergebe sich jedoch aus der betreffenden Regelung insgesamt sowie aus dem mit ihr verfolgten Ziel und insbesondere aus Nr. 2 des Anhangs der Verordnung Nr. 1370/2007 in Verbindung mit dessen Nr. 5.

116

In ihrer Gegenerwiderung führt die Bundesrepublik Deutschland in Bezug auf den angeblichen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1370/2007 aus, das Ziel von Nr. 5 dieses Anhangs bestehe nicht in der Vermeidung von Quersubventionen zwischen einzelnen öffentlichen Dienstleistungsaufträgen, sondern zwischen Verträgen, für die eine Ausgleichszahlung gezahlt werde, und solchen, für die keine gezahlt werde.

117

Zur Unterstützung der Bundesrepublik Deutschland trägt die italienische Regierung vor, keine der in Rede stehenden Bestimmungen schreibe vor, jeden Vertrag über die Erbringung gemeinwirtschaftlicher Verkehrsleistungen getrennt zu veröffentlichen.

– Würdigung durch den Gerichtshof

118

Gemäß Art. 9 Abs. 4 der Richtlinie 91/440 sind Zuwendungen für gemeinwirtschaftliche Personenverkehrsleistungen in den entsprechenden Rechnungen der Gewinn-und-Verlust-Rechnungen sowie der Bilanzen getrennt auszuweisen und dürfen nicht auf Tätigkeitsbereiche übertragen werden, die andere Verkehrsleistungen oder sonstige Geschäfte betreffen.

119

Zur Erhöhung der Transparenz und zur Vermeidung von Quersubventionen erlegt Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1370/2007 in Verbindung mit Nr. 5 erster und letzter Gedankenstrich ihres Anhangs den Betreibern eines öffentlichen Dienstes, wenn sie neben den Diensten, die Gegenstand einer Ausgleichsleistung sind und gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unterliegen, auch andere Tätigkeiten ausüben, bestimmte buchhalterische Mindestanforderungen auf. Sie müssen insbesondere dafür sorgen, dass die Konten für jede dieser betrieblichen Tätigkeiten getrennt geführt werden und die Kosten für die öffentliche Dienstleistung durch die Betriebseinnahmen und die Zahlungen staatlicher Behörden ausgeglichen werden, ohne dass eine Übertragung der Einnahmen in einen anderen Tätigkeitsbereich des Betreibers eines öffentlichen Dienstes möglich ist.

120

Auf der Grundlage dieser beiden Bestimmungen wirft die Kommission der Bundesrepublik Deutschland vor, insoweit gegen ihre Verpflichtungen verstoßen zu haben, als die Rechnungen von DB Regio die Zuwendungen für gemeinwirtschaftliche Personenverkehrsleistungen nur global ausweisen würden und nicht, wie es diese Bestimmungen verlangten, nach Verträgen getrennt, was die Aufdeckung eventueller Quersubventionen verhindere.

121

Die Bundesrepublik Deutschland bestreitet die Stichhaltigkeit der vierten Rüge mit der Begründung, dass zum einen die Richtlinie 91/440 auf DB Regio nicht anwendbar sei und zum anderen diese Rüge auf einer fehlerhaften Auslegung der betreffenden Bestimmungen beruhe.

122

Es ist daher in einem ersten Schritt zu prüfen, ob die Richtlinie 91/440 in Anbetracht ihres Art. 2 Abs. 2, der Eisenbahnunternehmen, deren Tätigkeit ausschließlich auf den Stadtverkehr, Vorortverkehr oder Regionalverkehr beschränkt ist, von ihrem Anwendungsbereich ausschließt, tatsächlich auf DB Regio anwendbar ist.

123

Wie der Generalanwalt in Nr. 138 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, verweist die Kommission in ihren Schriftsätzen auf den von DB Regio veröffentlichten Geschäftsbericht für das Jahr 2013, aus dem eindeutig hervorgeht, dass in dieser Gesellschaft nicht nur alle Regionalverkehrsaktivitäten des DB-Konzerns, sondern auch die Verkehre von und aus Deutschland in benachbarte Länder gebündelt sind.

124

Aus diesem von DB Regio selbst veröffentlichten Dokument und insbesondere aus der Erwähnung des grenzüberschreitenden Teils ihrer Tätigkeit geht somit eindeutig hervor, dass diese Gesellschaft ihre Tätigkeit nicht allein auf den in Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 91/440 angesprochenen Stadtverkehr, Vorortverkehr oder Regionalverkehr beschränkt.

125

Daher kann sich die Bundesrepublik Deutschland nicht auf diese Bestimmung berufen, um die Anwendbarkeit der Richtlinie 91/440 auf die buchhalterische Situation von DB Regio auszuschließen.

126

In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob die Kommission der Bundesrepublik Deutschland zu Recht vorwerfen kann – sei es auf der Grundlage von Art. 9 Abs. 4 der Richtlinie 91/440 oder auf der von Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1370/2007 in Verbindung mit Nr. 5 ihres Anhangs –, dass DB Regio in ihrer Buchhaltung die Zuwendungen für gemeinwirtschaftliche Personenverkehrsleistungen nicht individuell, nach Verträgen getrennt ausgewiesen hat.

127

Hierzu ist festzustellen, dass aus dem Wortlaut keiner dieser beiden Bestimmungen hervorgeht, dass die Erbringer von Schienenpersonenverkehrsdiensten, die Leistungen, für die Ausgleichsleistungen wegen gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen gezahlt werden, und zugleich andere Leistungen erbringen, verpflichtet wären, in ihrem Jahresabschluss die Zuwendungen, die sie für ihre gemeinwirtschaftliche Tätigkeit erhalten, individuell, nach Verträgen getrennt auszuweisen.

128

Vielmehr erlegen diese beiden Bestimmungen solchen Betreibern eine Pflicht zur buchhalterischen Trennung ihrer verschiedenen Geschäftsbereiche auf.

129

So verlangt Art. 9 Abs. 4 der Richtlinie 91/440 für die Buchung von Zuwendungen für gemeinwirtschaftliche Personenverkehrsleistungen, zum einen ihre Personenverkehrsleistungen, die aufgrund dieser gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen sichergestellt werden, und zum anderen ihre anderen Tätigkeiten – einschließlich der anderen Verkehrsdienstleistungen – zu trennen. Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1370/2007 in Verbindung mit Nr. 5 ihres Anhangs verlangt seinerseits eine buchhalterische Trennung zwischen den öffentlichen Verkehrsdienstleistungen, für die wegen gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen eine Ausgleichsleistung gezahlt wird, und denen, für die keine gezahlt wird.

130

Dieses Erfordernis der buchhalterischen Trennung der Geschäftsbereiche, das Art. 6 der Richtlinie 91/440 beherrscht, gilt genauso für die Buchung der Erbringung von Verkehrsleistungen durch Eisenbahnunternehmen und den Betrieb der Eisenbahninfrastruktur.

131

Wie der Generalanwalt in den Nrn. 146 und 153 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, kann folglich die von der Kommission vertretene Auslegung, wonach die Unternehmen verpflichtet seien, in ihrem Jahresabschluss die Zuwendungen, die sie für ihre gemeinwirtschaftliche Tätigkeit erhielten, individuell, nach Verträgen getrennt auszuweisen, weder aus Art. 9 Abs. 4 der Richtlinie 91/440 noch aus Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1370/2007 in Verbindung mit Nr. 5 ihres Anhangs abgeleitet werden.

132

Die Tatsache, dass es in Nr. 5 letzter Gedankenstrich des Anhangs der Verordnung Nr. 1370/2007 heißt, dass die Rechnungslegung der Betreiber öffentlicher Dienste keine Übertragung der Einnahmen eines öffentlichen Dienstes in einen anderen Tätigkeitsbereich dieser Betreiber erlauben darf, kann ebenso wie die Tatsache, dass eine Pflicht wie die von der Kommission in Betracht gezogene geeignet wäre, eine größere Transparenz der Tätigkeit der betreffenden Unternehmen sicherzustellen, was die Aufdeckung eventueller Quersubventionen ermöglichen würde, an dieser Schlussfolgerung nichts ändern.

133

Weder die Berufung auf die praktische Wirksamkeit von Art. 9 Abs. 4 der Richtlinie 91/440 noch die Tragweite von Nr. 5 letzter Gedankenstrich des Anhangs der Verordnung Nr. 1370/2007, die sehr allgemein ist und keine praktischen Durchführungsmodalitäten enthält, können nämlich für sich allein eine konkrete Verpflichtung der Mitgliedstaaten wie die von der Kommission angesprochene begründen.

134

Somit kann der Bundesrepublik Deutschland nicht vorgeworfen werden, zugelassen zu haben, dass in den Rechnungen von DB Regio die Zuwendungen für gemeinwirtschaftliche Verkehrsleistungen nur global ausgewiesen werden.

135

Folglich ist die vierte Rüge, mit der ein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 4 der Richtlinie 91/440 sowie gegen Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1370/2007 in Verbindung mit Nr. 5 ihres Anhangs geltend gemacht wird, als unbegründet zurückzuweisen.

136

Nach alledem ist festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 91/440 verstoßen hat, dass sie nicht alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, damit durch die Art der Rechnungsführung die Einhaltung des Verbots, öffentliche Gelder für den Betrieb der Eisenbahninfrastruktur auf Verkehrsleistungen zu übertragen, kontrolliert werden kann.

Kosten

137

Nach Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung kann der Gerichtshof die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Da der Klage der Kommission nur teilweise stattgegeben wird, hat jede Partei ihre eigenen Kosten zu tragen.

138

Nach Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Gemäß diesen Bestimmungen tragen die Italienische Republik und die Republik Lettland ihre eigenen Kosten.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 91/440/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft in der durch die Richtlinie 2001/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 geänderten Fassung verstoßen, dass sie nicht alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, damit durch die Art der Rechnungsführung die Einhaltung des Verbots, öffentliche Gelder für den Betrieb der Eisenbahninfrastruktur auf Verkehrsleistungen zu übertragen, kontrolliert werden kann.

 

2.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

 

3.

Die Europäische Kommission, die Bundesrepublik Deutschland, die Italienische Republik und die Republik Lettland tragen ihre eigenen Kosten.

 

Bay Larsen

Vilaras

Malenovský

Safjan

Šváby

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 28. Juni 2017.

Der Kanzler

A. Calot Escobar

Der Präsident der Dritten Kammer

L. Bay Larsen


( 1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.

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Allgemeines Eisenbahngesetz - AEG 1994 | § 14 Versicherungspflicht


(1) Eisenbahnverkehrsunternehmen und Eisenbahninfrastrukturunternehmen sind verpflichtet, eine Haftpflichtversicherung zur Deckung der durch Unfälle beim Betrieb einer Eisenbahn verursachten Personenschäden und Sachschäden bei einem im Inland zum Bet

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(1) Eisenbahnverkehrsunternehmen und Eisenbahninfrastrukturunternehmen sind verpflichtet, eine Haftpflichtversicherung zur Deckung der durch Unfälle beim Betrieb einer Eisenbahn verursachten Personenschäden und Sachschäden bei einem im Inland zum Betrieb einer solchen Haftpflichtversicherung befugten Versicherer abzuschließen und aufrechtzuerhalten.

(2) Wagenhalter sind verpflichtet, eine Haftpflichtversicherung zur Deckung der durch Unfälle bei der nichtselbstständigen Teilnahme am Eisenbahnbetrieb verursachten Personenschäden und Sachschäden bei einem im Inland zum Betrieb einer solchen Haftpflichtversicherung befugten Versicherer abzuschließen und aufrechtzuerhalten. Satz 1 gilt nicht für die Bundesrepublik Deutschland, die anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die Vertragsstaaten des Abkommens vom 2. Mai 1992 über den Europäischen Wirtschaftsraum.

(1) Eisenbahnverkehrsunternehmen und Eisenbahninfrastrukturunternehmen sind verpflichtet, eine Haftpflichtversicherung zur Deckung der durch Unfälle beim Betrieb einer Eisenbahn verursachten Personenschäden und Sachschäden bei einem im Inland zum Betrieb einer solchen Haftpflichtversicherung befugten Versicherer abzuschließen und aufrechtzuerhalten.

(2) Wagenhalter sind verpflichtet, eine Haftpflichtversicherung zur Deckung der durch Unfälle bei der nichtselbstständigen Teilnahme am Eisenbahnbetrieb verursachten Personenschäden und Sachschäden bei einem im Inland zum Betrieb einer solchen Haftpflichtversicherung befugten Versicherer abzuschließen und aufrechtzuerhalten. Satz 1 gilt nicht für die Bundesrepublik Deutschland, die anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die Vertragsstaaten des Abkommens vom 2. Mai 1992 über den Europäischen Wirtschaftsraum.