Europäischer Gerichtshof Schlussantrag des Generalanwalts, 31. Jan. 2019 - C-25/18

ECLI:ECLI:EU:C:2019:86
bei uns veröffentlicht am31.01.2019

Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

JULIANE KOKOTT

vom 31. Januar 2019(1)

Rechtssache C25/18

Brian Andrew Kerr

gegen

Pavlo Postnov,

Natalia Postnova

(Vorabentscheidungsersuchen des Okrazhen sad – Blagoevgrad [Regionalgericht Blagoevgrad, Bulgarien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 – Gerichtliche Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen – Art. 24 Nr. 1 Unterabs. 1 – Ausschließliche Zuständigkeit für Verfahren, die dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben – Art. 24 Nr. 2 – Ausschließliche Zuständigkeit für Verfahren, die die Gültigkeit von Beschlüssen der Organe von Gesellschaften oder juristischen Personen zum Gegenstand haben – Art. 7 Nr. 1 Buchst. a – Besondere Zuständigkeit, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden – Klage auf Zahlung eines Beitrags für die Instandhaltung einer Liegenschaft aufgrund eines Beschlusses einer Wohnungseigentümergemeinschaft ohne eigene Rechtspersönlichkeit – Anwendbares Recht – Anwendbarkeit der Verordnung (EG) Nr. 593/2008“






I.      Einleitung

1.        Welches nationale Gericht ist nach der Brüssel-Ia-Verordnung(2) international zuständig, wenn eine Wohnungseigentümergemeinschaft die Zahlung von Beiträgen zur Instandhaltung einer Liegenschaft durch Klage erzwingen möchte, die säumigen Wohnungseigentümer ihren Wohnsitz aber in einem anderen Mitgliedstaat haben? Diese Frage stellt sich vorliegend anlässlich einer Zahlungsverpflichtung, der Beschlüsse einer Wohnungseigentümergemeinschaft zugrunde liegen, die nach nationalem Recht keine eigene Rechtspersönlichkeit hat.

2.        Das vorlegende Gericht fragt sich in diesem Zusammenhang, ob statt des allgemeinen Gerichtsstands des Wohnsitzes des Beklagten der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsorts der in Rede stehenden Verpflichtung herangezogen werden kann, insoweit es sich bei den in Rede stehenden Zahlungsansprüchen um „Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Brüssel‑Ia-Verordnung handelt. Ferner möchte das vorlegende Gericht erfahren, ob die Rom‑I-Verordnung(3) auf Beschlüsse einer Wohnungseigentümergemeinschaft wie die vorliegend streitgegenständlichen anwendbar ist und nach welchem Statut die Ansprüche aus diesen Beschlüssen materiell-rechtlich zu beurteilen sind.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

1.      Die BrüsselIa-Verordnung

3.        Die Erwägungsgründe 15 und 16 der Brüssel Ia-Verordnung lauten auszugsweise wie folgt:

„(15) Die Zuständigkeitsvorschriften sollten in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten. Diese Zuständigkeit sollte stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. Der Sitz juristischer Personen muss in der Verordnung selbst definiert sein, um die Transparenz der gemeinsamen Vorschriften zu stärken und Kompetenzkonflikte zu vermeiden.

(16) Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten sollte durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind. Das Erfordernis der engen Verbindung soll Rechtssicherheit schaffen und verhindern, dass die Gegenpartei vor einem Gericht eines Mitgliedstaats verklagt werden kann, mit dem sie vernünftigerweise nicht rechnen konnte. …“

4.        Art. 4 Abs. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung sieht vor:

„Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen.“

5.        Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung bestimmt:

„Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden:

1.       a)       wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre;

b)       im Sinne dieser Vorschrift – und sofern nichts anderes vereinbart worden ist – ist der Erfüllungsort der Verpflichtung

-      für den Verkauf beweglicher Sachen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen;

-      für die Erbringung von Dienstleistungen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen;

c)      ist Buchstabe b nicht anwendbar, so gilt Buchstabe a“.

6.        Art. 24 der Brüssel‑Ia-Verordnung sieht u. a. folgende ausschließliche Zuständigkeiten vor:

„Ohne Rücksicht auf den Wohnsitz der Parteien sind folgende Gerichte eines Mitgliedstaats ausschließlich zuständig:

1.      für Verfahren, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem die unbewegliche Sache belegen ist.

2.      für Verfahren, welche die Gültigkeit, die Nichtigkeit oder die Auflösung einer Gesellschaft oder juristischen Person oder die Gültigkeit der Beschlüsse ihrer Organe zum Gegenstand haben, die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Gesellschaft oder juristische Person ihren Sitz hat. Bei der Entscheidung darüber, wo der Sitz sich befindet, wendet das Gericht die Vorschriften seines Internationalen Privatrechts an;

…“

7.        Gemäß Art. 27 der Brüssel‑Ia-Verordnung hat das Gericht eines Mitgliedstaats „sich von Amts wegen für unzuständig zu erklären, wenn es wegen einer Streitigkeit angerufen wird, für die das Gericht eines anderen Mitgliedstaats aufgrund des Artikels 24 ausschließlich zuständig ist“. Nach Art. 28 Abs. 1 derselben Verordnung hat sich das Gericht ebenfalls von Amts wegen für unzuständig zu erklären, wenn seine Zuständigkeit nicht nach der Verordnung begründet ist, soweit der Beklagte mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat sich nicht rügelos auf das Verfahren eingelassen hat.

2.      Die RomI-Verordnung

8.        Nach dem siebten Erwägungsgrund zur Rom-I-Verordnung sollten „der materielle Anwendungsbereich und die Bestimmungen dieser Verordnung … mit der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (‚Brüssel I‘) … im Einklang stehen“. Dementsprechend führt der 17. Erwägungsgrund zur Rom-I-Verordnung aus, dass „die Begriffe ‚Erbringung von Dienstleistungen‘ und ‚Verkauf beweglicher Sachen‘ so ausgelegt werden [sollten] wie bei der Anwendung von Artikel 5 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001, soweit der Verkauf beweglicher Sachen und die Erbringung von Dienstleistungen unter jene Verordnung fallen“.

9.        Nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. f der Rom‑I-Verordnung sind von ihrem Anwendungsbereich „Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht, das Vereinsrecht und das Recht der juristischen Personen, wie die Errichtung durch Eintragung oder auf andere Weise, die Rechts- und Handlungsfähigkeit, die innere Verfassung und die Auflösung von Gesellschaften, Vereinen und juristischen Personen sowie die persönliche Haftung der Gesellschafter und der Organe für die Verbindlichkeiten einer Gesellschaft, eines Vereins oder einer juristischen Person“, ausgenommen.

B.      Nationales Recht

10.      Die Rechtsverhältnisse aus Wohnungseigentum regelt in Bulgarien das Zakon za sobstvenostta (Eigentumsgesetz). Dessen Art. 38 stellt klar, an welchen Teilen eines Wohngebäudes Gemeinschaftseigentum bestehen kann.

11.      Das Zakon za upravlenie na etazhnata sobstvenost (Gesetz über die Verwaltung von Wohnungseigentum, ZUES) legt die jeweiligen Rechte und Pflichten der Eigentümer, Nutzer und Bewohner im Rahmen der Verwaltung von Gemeinschaftseigentum fest. Als Verwaltungsorgane bestimmt dessen Art. 10 die Hauptversammlung und den Verwaltungsrat (Verwalter). Nach Art. 11 Abs. 1 Nr. 5 ZUES bestimmt die Hauptversammlung die Höhe der Beiträge für die Ausgaben für Verwaltung und Instandhaltung der gemeinschaftlichen Bereiche des Gebäudes. Entsprechende Beschlüsse der Hauptversammlung sind gemäß Art. 38 Abs. 2 ZUES nach Maßgabe der bulgarischen Zivilprozessordnung vollstreckbar, wobei eine Rechtsschutzmöglichkeit zwecks Aufhebung des betreffenden Beschlusses nach Art. 40 ZUES besteht. Art. 6 Abs. 1 Nr. 8 ZUES stellt klar, dass Entscheidungen der Verwaltungsorgane der Eigentümergemeinschaft für die Eigentümer bindend sind. Es obliegt ihnen ferner nach Nr. 9 dieser Vorschrift, sich entsprechend den von ihnen gehaltenen ideellen Eigentumsanteilen an Renovierungskosten und an der Bildung entsprechender Rücklagen sowie nach Nr. 10 an den Ausgaben für Verwaltung und Instandhaltung der gemeinschaftlichen Teile des Gebäudes zu beteiligen.

III. Sachverhalt und Ausgangsverfahren

12.      Der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren und nunmehr Beschwerdeführer im Verfahren vor dem vorlegenden Gericht, Herr Kerr, ist Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft einer in der Stadt Bansko (Bulgarien) belegenen Liegenschaft. Er leitete vor dem Rayonen sad Razlog (Kreisgericht Razlog, Bulgarien) ein Verfahren gegen zwei Wohnungseigentümer, Herrn Postnov und Frau Postnova, ein. Dabei ging es um die Zahlung von Beiträgen, die diese aufgrund von Beschlüssen der Hauptversammlung der Wohnungseigentümer in den Jahren 2013 bis 2017 für die Instandhaltung der gemeinschaftlichen Teile des Gebäudes ganz oder teilweise schuldeten. Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Ausgangsverfahren sei mit dem Klageantrag ein Antrag auf Sicherung der Zwangsvollstreckung des eingeklagten Anspruchs gestellt worden.

13.      Angaben zu eventuellen Anträgen der Beklagten oder sonstiger Miteigentümer auf Aufhebung der betreffenden Beschlüsse nach Art. 40 ZUES sind den Ausführungen des vorlegenden Gerichts nicht zu entnehmen.

14.      Die vom erstinstanzlichen Gericht zugrunde gelegte Anschrift der Beklagten befindet sich in der Republik Irland.

15.      Nachdem Mängel der Klageschrift auf Hinweis des in erster Instanz angerufenen Rayonen sad Razlog (Kreisgericht Razlog) behoben worden waren, erklärte sich dieses Gericht für die Entscheidung über die Klage für unzuständig. Gegen diese erstinstanzliche Entscheidung wendet sich nun der Verwalter mit seiner Beschwerde.

IV.    Vorabentscheidungsersuchen und Verfahren vor dem Gerichtshof

16.      Mit Beschluss vom 19. Dezember 2017, eingegangen am 16. Januar 2018, hat das Okrazhen sad – Blagoevgrad (Regionalgericht Blagoevgrad, Bulgarien) dem Gerichtshof nach Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Sind die Entscheidungen von nicht personifizierten Rechtsgemeinschaften, die kraft Gesetzes aufgrund der besonderen Inhaberschaft eines Rechts entstehen, die mit Mehrheit ihrer Mitglieder getroffen werden, aber alle, auch diejenigen, die nicht abgestimmt haben, binden, Grundlage einer „vertraglichen Verpflichtung“ im Hinblick auf die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit nach Art. 7 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung (ЕU) Nr. 1215/2012?

2.      Für den Fall, dass die erste Frage verneint wird: Sind auf solche Entscheidungen die Regeln über die Bestimmung des anzuwendenden Rechts bei Vertragsverhältnissen der Verordnung Nr. 593/2008 anzuwenden?

3.      Für den Fall, dass die erste und die zweite Frage verneint werden: Sind auf solche Entscheidungen die Vorschriften der Verordnung (ЕG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II) anzuwenden, und welche der in der Verordnung genannten außervertraglichen Anspruchsgrundlagen ist hier einschlägig?

4.      Für den Fall, dass die erste oder die zweite Frage bejaht wird: Sind die Entscheidungen nicht personifizierter Gemeinschaften über die Ausgaben für Gebäudeinstandhaltung als „Dienstleistungsvertrag“ im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 593/2008 oder als solche über ein „dingliches Recht“ oder „Miete oder Pacht“ im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. c dieser Verordnung anzusehen?

17.      Im Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof haben die Republik Lettland und die Europäische Kommission schriftlich Stellung genommen.

V.      Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

18.      Nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts wurde das Ausgangsverfahren durch die Beschwerde des erstinstanzlichen Klägers gegen einen Beschluss des Rayonen sad Razlog (Kreisgericht Razlog) eingeleitet, mit dem dieses Gericht sich für die Entscheidung über die erhobene Klage für unzuständig erklärt hat.

19.      Ob das verfahrenseinleitende Schriftstück den Beklagten in erster Instanz nach Maßgabe der geltenden Rechtsvorschriften – hier wohl in Anwendung der Bestimmungen der Zustell-Verordnung(4) – übermittelt worden ist, ist der Vorlageentscheidung nicht ausdrücklich zu entnehmen.

20.      Unter diesen Umständen mag man bei vordergründiger Betrachtung die Frage der Entscheidungserheblichkeit des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens aufwerfen. Denn wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück den Beklagten in erster Instanz nicht zugestellt worden wäre, hätte das in erster Instanz angerufene nationale Gericht seine internationale Zuständigkeit unter Umständen nicht prüfen dürfen. In diesem Fall müsste das Beschwerdegericht dem Rechtsmittel des Verwalters bereits aus diesem Grund stattgeben, ohne dass es auf die Beantwortung der Vorlagefragen ankäme.

21.      Auch wenn die Zulässigkeit eines Vorabentscheidungsersuchens grundsätzlich nicht von der kontradiktorischen Natur des Ausgangsverfahrens – hier des Rechtsmittelverfahrens – abhängt(5), ist in diesem Zusammenhang dennoch hervorzuheben, dass die ordnungsgemäße Übermittlung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks sowohl bei der Prüfung der internationalen Zuständigkeit durch ein nationales Gericht(6) nach den Bestimmungen der Brüssel‑Ia-Verordnung als auch bei der Anerkennung einer späteren Sachentscheidung(7) von erheblicher Bedeutung ist. Als Ausfluss des Anspruchs des Beklagten auf rechtliches Gehör(8) und auf Wahrung seiner Verteidigungsrechte(9) kommt dem Übermittlungserfordernis besondere Bedeutung zu.

22.      Vorliegend vermag jedoch der Umstand, dass der Vorlageentscheidung nicht explizit zu entnehmen ist, ob und gegebenenfalls wie das verfahrenseinleitende Schriftstück den Beklagten übermittelt worden ist, für sich genommen keine Zweifel an der Entscheidungserheblichkeit des Vorabentscheidungsersuchens aufkommen zu lassen.

23.      Für Vorabentscheidungsersuchen, welche die Auslegung des Unionsrechts betreffen, gilt nämlich nach ständiger Rechtsprechung eine Vermutung der Entscheidungserheblichkeit(10). Hinzu kommt, dass der Gerichtshof die fehlende Entscheidungserheblichkeit der ihm gestellten Fragen nur höchst ausnahmsweise feststellt, und zwar dann, wenn sie offensichtlich ist(11). Davon ist hier nicht auszugehen.

24.      Das vorlegende Gericht führt im Übrigen aus, dass die Beschwerde des Klägers sich darauf beziehe, dass die Beklagten bis zum Zeitpunkt des angefochtenen Beschlusses keine Einwände betreffend die Zuständigkeit des Gerichts erhoben hätten. Darüber hinaus betont das vorlegende Gericht, dass seine Feststellungen „in tatsächlicher und rechtlicher Sicht“ auf einer „Prüfung der von den Parteien vorgetragenen Argumente, unter Berücksichtigung der Entscheidung, deren Aufhebung beantragt wird“, getroffen wurden. Dies deutet darauf hin, dass eine Übermittlung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks tatsächlich erfolgt ist.

25.      Jedenfalls ist es Sache des nationalen Gerichts, vor Erlass einer Sachentscheidung, und damit gegebenenfalls nach Erhalt der Antwort des Gerichtshofs zu den vorgelegten Auslegungsfragen, für die ordnungsgemäße Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks, zu sorgen.

26.      Aus alledem ergibt sich, dass faktische Unsicherheiten zum Zeitpunkt und zur Art der Übermittlung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks – sowohl in erster Instanz als auch im anhängigen Beschwerdeverfahren – keine Zweifel an der Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens entstehen lassen können.

VI.    Inhaltliche Würdigung der Vorlagefragen

27.      Das vorlegende Gericht hat dem Gerichtshof vier Vorlagefragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Die erste Vorlagefrage betrifft den besonderen Gerichtsstand für Verträge bzw. für Ansprüche aus einem Vertrag nach Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung. Für den Fall, dass dieser Gerichtsstand nicht greifen sollte, wird eine zweite Frage zur Anwendbarkeit der Rom‑I-Verordnung gestellt. Für den Fall, dass die Rom‑I-Verordnung auf eine solche Fallkonstellation nicht anwendbar sein sollte, wird in einer dritten Frage um Klärung der Anwendbarkeit der Rom‑II-Verordnung(12) ersucht. In seiner vierten Frage bittet das vorlegende Gericht schließlich um Auskunft darüber, ob – aus kollisionsrechtlicher Sicht – die in Rede stehenden Beschlüsse als „Dienstleistungsvertrag“ im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Rom‑I-Verordnung oder als Vertrag über ein „dingliches Recht“ (Buchst. c) bzw. als „Miete oder Pacht“ (Buchst. c) im Sinne von Art. 4 Abs. 1 der Rom‑I-Verordnung anzusehen sind.

28.      Nachfolgend ist dementsprechend zunächst auf die Auslegung der Brüssel‑Ia-Verordnung einzugehen. Es wird sich dabei zeigen, dass die kollisionsrechtlichen Fragestellungen, welche Gegenstand der zweiten bis vierten Vorlagefragen sind, einer Prüfung anhand weiterer Instrumente nicht bedürfen.

A.      Zur Auslegung der BrüsselIa-Verordnung

29.      Die erste Vorlagefrage, betreffend die Auslegung von Art. 7 Nr. 1 Buchst. a der Brüssel‑Ia-Verordnung, bezieht sich auf „Entscheidungen von nicht personifizierten Rechtsgemeinschaften, die kraft Gesetzes aufgrund der besonderen Inhaberschaft eines Rechts entstehen, die mit Mehrheit ihrer Mitglieder getroffen werden, aber alle, auch diejenigen, die nicht abgestimmt haben, binden“. Nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts zum Sachverhalt sind jedoch nicht etwa die jeweiligen Entscheidungen der Wohnungseigentümergemeinschaft Gegenstand des Ausgangsverfahrens, sondern hierauf gestützte Zahlungsansprüche.

30.      Art. 7 Nr. 1 Buchst. a der Brüssel‑Ia-Verordnung(13) sieht einen besonderen Gerichtsstand am Erfüllungsort der jeweiligen Verpflichtung vor, „wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden“(14). Aus systematischer Sicht ist jedoch zunächst hervorzuheben, dass der Rückgriff auf diesen besonderen Gerichtsstand bei Vorliegen einer ausschließlichen Zuständigkeit nach Art. 24 ausgeschlossen ist(15).

31.      Zu diesen ausschließlichen Zuständigkeiten gehören einerseits die in Art. 24 Nr. 1 normierte Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats, in dem eine unbewegliche Sache belegen ist, für Verfahren, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen(16) zum Gegenstand haben. Andererseits gehört dazu auch die in Art. 24 Nr. 2 vorgesehene Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet eine Gesellschaft oder juristische Person ihren Sitz hat, für bestimmte gesellschaftsrechtliche Verfahren(17).

32.      Vor diesem Hintergrund erfordert eine zweckmäßige Beantwortung der ersten Vorlagefrage eine Vorabprüfung der ausschließlichen Zuständigkeiten nach Art. 24 Nrn. 1 und 2 der Brüssel‑Ia-Verordnung. Nur für den Fall, dass keine ausschließliche Zuständigkeit nach diesen Bestimmungen in Frage käme, wäre eine Auslegung des Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung erforderlich.

1.      Zu den ausschließlichen Zuständigkeiten nach Art. 24 der BrüsselIa-Verordnung

a)      Zum ausschließlichen Gerichtsstand bezüglich unbeweglicher Sachen (Art. 24 Nr. 1)

33.      Fraglich ist zunächst, ob Verfahren über Zahlungsansprüche aus Beschlüssen einer Wohnungseigentümergemeinschaft ohne eigene Rechtspersönlichkeit im Zusammenhang mit der Verwaltung der betreffenden Liegenschaft als Verfahren anzusehen sind, „welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen“ oder „die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben“.

34.      Gerade die vierte Vorlagefrage macht deutlich, dass das vorlegende Gericht – allerdings mit Blick auf die Anwendung der Rom-I-Verordnung und ihre eventuelle Bedeutung für die auf die Bestimmung des Erfüllungsorts anzuwendenden materiell-rechtlichen Vorschriften – Zweifel daran hegt, ob das im Ausgangsfall anhängige Verfahren als Verfahren, welches „dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen“ oder „die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen“ zum Gegenstand hat, anzusehen ist.

35.      Der siebte Erwägungsgrund der Rom-I-Verordnung stellt klar, dass die Bestimmungen dieser Verordnung u. a. mit der Brüssel‑I-Verordnung(18) im Einklang stehen sollten. Das vorlegende Gericht geht zudem zu Recht davon aus, dass dieses sogenannte Konkordanzgebot auch für das Verhältnis zwischen Brüssel‑Ia-Verordnung und Rom‑I-Verordnung gilt(19).

36.      Vor diesem Hintergrund ist anzunehmen, dass die Auslegungszweifel des vorlegenden Gerichts in Bezug auf die Frage, ob es vorliegend um dingliche Rechte an einer unbeweglichen Sache geht, sich insoweit auch auf Art. 24 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung beziehen.

37.      Wie bereits ausgeführt ist die Zahlung von ausstehenden Beiträgen, die zwei Miteigentümer für die Verwaltung und Instandhaltung der betreffenden Liegenschaft angeblich schulden, Gegenstand des Ausgangsverfahrens. Damit geht es um Pflichten – um es mit den Worten des vorlegenden Gerichts auszudrücken – aus der Inhaberschaft von Miteigentumsanteilen als dingliche Rechte an einer unbeweglichen Sache.

38.      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist der Begriff des „dinglichen Rechts“ an einer unbeweglichen Sache im Sinne von Art. 24 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung dahin gehend autonom und eng(20) auszulegen, dass das fragliche Recht gegenüber jedermann(erga omnes) wirken muss(21). Zudem fordert die Rechtsprechung, dass der Bestand oder Umfang dieses Rechts Gegenstand des Verfahrens ist(22).

39.      Im Ausgangsverfahren stützt sich die Klage des Verwalters jedoch auf schuldrechtliche Ansprüche der Eigentümergemeinschaft auf Zahlung von Beiträgen für die Instandhaltung der gemeinschaftlichen Bereiche der Liegenschaft. Die dinglichen Rechte der beklagten Miteigentümer am Gemeinschaftseigentum – in Gestalt von ideellen Miteigentumsanteilen – bleiben hiervon zunächst unberührt, so dass eine ausschließliche Zuständigkeit nach Art. 24 Nr. 1 in Anwendung der zitierten Rechtsprechung ausscheiden muss.

40.      Eine andere Beurteilung könnte sich hier jedoch daraus ergeben, dass nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Ausgangsverfahren mit dem Klageantrag ein Antrag auf Sicherung der Zwangsvollstreckung(23) gestellt worden sei, worüber jedoch das erste Gericht nicht entschieden hätte. Ein solcher Antrag könnte sich aber auf die dinglichen Rechte der Beklagten aus ihren Miteigentumsanteilen auswirken, etwa durch Einschränkung ihrer Verfügungsbefugnisse(24). Eine internationale Zuständigkeit aus Art. 24 Nr. 1 Unterabs. 1, 1. Alt. der Brüssel‑Ia-Verordnung wäre damit begründet. Es obliegt demnach dem vorlegenden Gericht, zu ermitteln, welche dinglichen Auswirkungen sich im Ausgangsfall aus dem Antrag auf Sicherung der Zwangsvollstreckung auf die Miteigentumsanteile der Beklagten ergeben könnten(25).

41.      Lediglich der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass die Verwaltung einer Wohnungseigentümergemeinschaft nicht mit der Nutzung einer Liegenschaft gleichgestellt werden kann, weswegen auszuschließen ist, dass „die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen“ Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist.

b)      Zum ausschließlichen Gerichtsstand bezüglich Gesellschaften und juristischer Personen (Art. 24 Nr. 2)

42.      Art. 24 Nr. 2 der Brüssel‑Ia-Verordnung begründet eine ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet eine Gesellschaft oder juristische Person(26) ihren Sitz hat, u. a. für Verfahren, welche die Gültigkeit der Beschlüsse ihrer Organe zum Gegenstand haben (4. Alt.).

43.      Aus der Unterscheidung zwischen Gesellschaften und juristischen Personen kann zunächst geschlossen werden, dass „nicht personifizierte Gemeinschaften“, d. h. Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit, wie wohl die im Ausgangsfall in Rede stehende Wohnungseigentümergemeinschaft nach bulgarischem Recht, von Art. 24 Nr. 2 grundsätzlich erfasst werden, ohne dass hier auf den Begriff der Gesellschaft näher einzugehen wäre.

44.      Allerdings ist anzumerken, dass Art. 24 Nr. 2, 4. Alt. der Brüssel- Ia-Verordnung nur solche Verfahren erfasst, welche die Rechtswirksamkeit eines Beschlusses zum Gegenstand haben.(27) Davon zu unterscheiden sind Verfahren, welche die Durchführung entsprechender Beschlüsse zum Gegenstand haben, wie etwa die in Rede stehende Klage auf Zahlung von Beiträgen aus einem entsprechenden Beschluss.

45.      Festzuhalten ist demnach, dass eine ausschließliche Zuständigkeit nach Art. 24 Nr. 2, 4. Alt. der Brüssel- Ia-Verordnung für ein Verfahren der in Rede stehenden Art nicht greift.

c)      Zwischenergebnis

46.      Für den Fall, dass angesichts des Klagegegenstands im Ausgangsverfahren auch keine ausschließliche Zuständigkeit nach Art. 24 Nr. 1 Unterabs. 1, 1. Alt. der Brüssel‑Ia-Verordnung begründet werden kann(28), ist nun auf die Auslegung des Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung einzugehen.

2.      Zur besonderen Zuständigkeit nach Art. 7 Nr. 1 der BrüsselIa-Verordnung

47.      Mit der ersten Vorlagefrage zur Auslegung des Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung soll im Wesentlichen geklärt werden, ob die in Rede stehenden Zahlungsansprüche als Ansprüche aus einem Vertrag im Sinne dieser Vorschrift anzusehen sind.

48.      Da die Brüssel‑Ia-Verordnung an die Stelle der Brüssel‑I-Verordnung getreten ist, nimmt der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung(29) an, dass die Auslegung der Bestimmungen der letztgenannten Verordnung durch den Gerichtshof auch für die Brüssel‑Ia-Verordnung gilt, soweit die Bestimmungen dieser beiden Rechtsakte der Union als gleichwertig angesehen werden können. Soweit Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung den Vorgängerbestimmungen in Art. 5 Nr. 1 der Brüssel‑I-Verordnung sowie in Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens (in der Folge: EuGVÜ)(30) entspricht, bleibt die Auslegung dieser Vorgängerbestimmungen durch den Gerichtshof auch für Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung maßgeblich(31).

49.      Zu Art. 5 Nr. 1 Buchst. a der Brüssel‑I-Verordnung hat der Gerichtshof entschieden, dass der Abschluss eines Vertrags kein Tatbestandsmerkmal darstellt(32). Dennoch ist für seine Anwendung die Feststellung einer Verpflichtung unerlässlich, da sich die gerichtliche Zuständigkeit nach dieser Vorschrift nach dem Ort bestimmt, an dem die der Klage zugrunde liegende Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Die Wendung „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne dieser Bestimmung kann somit nicht so verstanden werden, dass sie eine Situation erfasst, in der es an einer von einer Partei gegenüber einer anderen freiwillig eingegangenen Verpflichtung fehlt(33).

50.      Daraus zieht der Gerichtshof den Schluss, dass die Anwendung der besonderen Zuständigkeitsregel für Verträge oder Ansprüche aus einem Vertrag voraussetzt, dass eine von einer Person gegenüber einer anderen freiwillig eingegangene rechtliche Verpflichtung bestimmt werden kann, auf die sich die betreffende Klage stützt(34).

51.      Dabei hat der Gerichtshof die erforderliche Freiwilligkeit auch in solchen Fällen angenommen, in denen die streitige Verpflichtung ihre Rechtsgrundlage in Vereinsstatuten bzw. in Beschlüssen von Vereinsorganen(35), in der Ausübung einer Geschäftsführungstätigkeit nach Maßgabe des Gesellschaftsrechts(36), in Rechtsvorschriften(37) aus der Fluggastrechte-Verordnung(38) oder in einer einseitigen Erklärung(39) fand. Diese Fälle zeigen, dass der Gerichtshof das Tatbestandsmerkmal „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ nicht eng auslegt(40), wenngleich in der Rechtsprechung häufig ein formaler Hinweis auf das Regel-Ausnahmeverhältnis zwischen allgemeinem Gerichtsstand nach Art. 4 der Brüssel‑Ia-Verordnung und besonderen Gerichtsständen zu finden ist(41).

52.      Für die Beantwortung der ersten Vorlagefrage ist daher entscheidend, ob im Ausgangsfall „eine von einer Person gegenüber einer anderen freiwillig eingegangene rechtliche Verpflichtung“ auszumachen ist. In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, inwieweit die vom Gerichtshof in der Rechtssache Peters Bauunternehmung(42) zugrunde gelegten Überlegungen für den vorliegenden Fall Geltung beanspruchen könnten. In dieser Rechtssache ging es um die Einordnung einer Zahlungsverpflichtung, die auf der freiwilligen Mitgliedschaft in einer Unternehmensvereinigung fußte. Hierzu stellte der Gerichtshof fest, dass „der Beitritt zu einem Verein zwischen den Vereinsmitgliedern enge Bindungen gleicher Art schafft, wie sie zwischen Vertragsparteien bestehen“(43), so dass es gerechtfertigt sei, für die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ die in Frage stehenden Ansprüche als vertragliche Ansprüche anzusehen(44). Unerheblich sei in diesem Zusammenhang, „ob dieser Anspruch sich unmittelbar aus dem Beitritt oder aber aus diesem Beitritt in Verbindung mit einem Beschluss eines Vereinsorgans ergibt“(45).

53.      Mit Blick auf den Ausgangsfall ist daher zunächst festzuhalten, dass die Modalitäten der Beschlussfassung der Entscheidung, auf welche die Zahlungsforderung gestützt wird(46), oder der Umstand, dass die Aufhebung der betreffenden Entscheidung von den säumigen Miteigentümern nicht beantragt wurde, für die Beurteilung der Freiwilligkeit der Verpflichtung der Miteigentümer aus dieser Entscheidung unerheblich sind.

54.      Hinsichtlich der Mitgliedschaft in der Wohnungseigentümergemeinschaft ist zwar hervorzuheben, dass sie einerseits gesetzlich vorgeschrieben ist, da das hier maßgebliche bulgarische Recht die Verwaltung von Gemeinschaftseigentum durch eine Eigentümergemeinschaft zwingend vorschreibt. Andererseits werden die Einzelheiten der Verwaltung gegebenenfalls durch Vertrag geregelt, und der Eintritt in die Gemeinschaft erfolgt durch freiwilligen Erwerb einer Eigentumswohnung samt Miteigentumsanteilen an den gemeinschaftlichen Bereichen der Liegenschaft. Diese Aspekte rechtfertigen daher die Annahme, dass es sich bei der in Rede stehenden Verpflichtung der Miteigentümer gegenüber der Eigentümergemeinschaft im Ergebnis um eine freiwillig eingegangene rechtliche Verpflichtung handelt(47).

55.      Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit den Zielen, die die Brüssel‑Ia-Verordnung verfolgt. Ausweislich ihrer Erwägungsgründe 15 und 16 sollten „die Zuständigkeitsvorschriften … in hohem Maße vorhersehbar sein“ und „der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten … durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind“. Bereits im Urteil Peters Bauunternehmung(48) hob der Gerichtshof insoweit hervor, dass, „da nach den innerstaatlichen Rechtsordnungen meistens der Ort des Vereinssitzes auch Erfüllungsort für die Verpflichtungen aus der Mitgliedschaft ist, … die Anwendung [des vertraglichen Gerichtsstands] … praktische Vorteile [hat]: Das Gericht des Ortes, an dem sich der Sitz des Vereins befindet, kann nämlich in der Regel die Vereinssatzung, ‑bestimmungen und ‑beschlüsse sowie die Umstände, die mit der Entstehung des Rechtsstreits zusammenhängen, am besten verstehen.“

56.      Diese Überlegungen erscheinen auf die vorliegende Konstellation übertragbar. Wie die lettische Regierung in ihrer schriftlichen Stellungnahme zu Recht betont, steht die Eröffnung eines Gerichtsstands für Ansprüche aus der Verwaltung von Wohnungseigentum am Ort der Beschlussfassung(49), soweit er dem Erfüllungsort der in Rede stehenden Verpflichtung entspricht(50), im Einklang mit der Zielsetzung der besonderen Zuständigkeiten nach Art. 7 Nr. 1, wie sie im 16. Erwägungsgrund zur Brüssel‑Ia-Verordnung zum Ausdruck kommt.

57.      Insbesondere wird dadurch vermieden, dass Zahlungsansprüche gegen Miteigentümer, die gegebenenfalls ihren Wohnsitz in unterschiedlichen Staaten haben, und Fragen zur Gültigkeit der zugrunde liegenden Beschlüsse vor unterschiedlichen Gerichten verhandelt werden.

58.      Auf der Grundlage der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof daher vor, die erste Vorlagefrage dahin gehend zu beantworten, dass unbeschadet einer etwaigen ausschließlichen Zuständigkeit nach Art. 24 Nr. 1 Unterabs.1, 1. Alt. in Verbindung mit Art. 8 Nr. 4 der Brüssel‑Ia-Verordnung Verfahren über Ansprüche aus Entscheidungen, die durch die Mehrheit der Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft ohne eigene Rechtspersönlichkeit getroffen werden, aber alle Mitglieder, auch diejenigen, die nicht abgestimmt haben, binden, als Ansprüche aus einem Vertrag im Sinne von Art. 7 Nr. 1 Buchst. a der Brüssel‑Ia-Verordnung anzusehen sind.

B.      Schlussfolgerungen im Hinblick auf die weiteren Vorlagefragen

1.      Zur zweiten Vorlagefrage

59.      Die zweite Vorlagefrage betreffend die Anwendbarkeit der Rom‑I-Verordnung wurde für den Fall gestellt, dass die erste Frage verneint wird. Da ich dem Gerichtshof vorschlage, die erste Frage zu bejahen, könnte sich dementsprechend die Beantwortung der zweiten Vorlagefrage erübrigen.

60.      Hinsichtlich der Anwendbarkeit der Rom‑I-Verordnung ist jedenfalls zu bedenken, dass diese sich nicht bereits daraus ergibt, dass eine Klage unter den besonderen Gerichtsstand für Verträge oder Ansprüche aus Verträgen nach Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung fällt.(51) Zu beachten sind nämlich die Ausnahmen zum sachlichen Anwendungsbereich der Rom‑I-Verordnung. Nach ihrem Art. 1 Abs. 2 Buchst. f findet die Rom‑I-Verordnung insbesondere keine Anwendung auf „Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht, das Vereinsrecht und das Recht der juristischen Personen …“. Aus diesem Ausnahmetatbestand folgt, dass Zahlungsansprüche einer Rechtsgemeinschaft gegen ihre Mitglieder kollisionsrechtlich nicht nach der Rom‑I-Verordnung zu beurteilen sind, obwohl solche Ansprüche als „Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung, die keinen entsprechenden Ausnahmetatbestand enthält, anzusehen sind(52).

2.      Zur dritten Vorlagefrage

61.      Die dritte Vorlagefrage zur Anwendbarkeit der Rom‑II-Verordnung wird auch nur für den Fall einer negativen Antwort sowohl auf die erste als auch auf die zweite Vorlagefrage gestellt. Mithin erübrigt sich angesichts meines Antwortvorschlags zur ersten Vorlagefrage ihre Beantwortung.

3.      Zur vierten Vorlagefrage

62.      Die vierte Vorlagefrage zur Auslegung von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b bzw. c der Rom‑I-Verordnung wird hingegen für den Fall einer positiven Antwort zur ersten oder zur zweiten Frage gestellt, wenn also aus der Anwendbarkeit des besonderen Gerichtsstands des Erfüllungsorts einer vertraglichen Verpflichtung die Anwendbarkeit der Kollisionsregeln für vertragliche Schuldverhältnisse folgen würde.

63.      Meinen vorangegangenen Erwägungen zur Anwendbarkeit der Rom‑I-Verordnung(53) ist allerdings zu entnehmen, dass diese Verordnung auf das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Rechtsverhältnis ausweislich ihres Art. 1 Abs. 2 Buchst. f grundsätzlich nicht anwendbar ist.

64.      Wie bereits angedeutet(54) ist dennoch erkennbar, dass mit der vierten Vorlagefrage das vorlegende Gericht im Wesentlichen erfahren möchte, inwieweit die Einordnung des Rechtsverhältnisses, welchem im Ausgangsverfahren der streitgegenständliche Zahlungsanspruch zugrunde liegt, sich auf die Rechtsvorschriften auswirkt, die zur Bestimmung des Erfüllungsorts der betreffenden Leistung anzuwenden sind.

65.      Da es nach ständiger Rechtsprechung Aufgabe des Gerichtshofs ist, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben, hat er die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren. Außerdem kann der Gerichtshof veranlasst sein, unionsrechtliche Vorschriften zu berücksichtigen, die das nationale Gericht in seiner Frage nicht angeführt hat(55).

66.      Vor diesem Hintergrund könnten die vom vorlegenden Gericht in der vierten Vorlagefrage zum Ausdruck gebrachten Auslegungszweifel hinsichtlich der Einordnung des Rechtsverhältnisses, das der Zahlungsklage zugrunde liegt, als „Dienstleistungsvertrag“(56) oder als Vertrag über ein „dingliches Recht“(57) bzw. als Miete oder Pacht(58) auch als Fortführung der Auslegungszweifel hinsichtlich Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung verstanden werden. Dafür spricht insbesondere, dass das vorlegende Gericht sich in seiner Vorlageentscheidung auf Art. 68 des Zakon za zadalzheniata i dogovorite (Gesetz über Schuldverhältnisse und Verträge) betreffend die Bestimmung des Leistungsorts einer Forderung bezieht.

67.      Die vierte Vorlagefrage sollte daher umformuliert werden und dahin gehend gedeutet werden, dass sie darauf abzielt, zu bestimmen, ob der Erfüllungsort der in Rede stehenden Verpflichtung nach Art. 7 Nr. 1 Buchst. b zweiter. Spiegelstrich der Brüssel‑Ia-Verordnung zu bestimmen ist.

68.      Für Dienstleistungsverträge enthält Art. 7 Nr. 1 Buchst. b zweiter Spiegelstrich der Brüssel‑Ia-Verordnung nämlich eine Regel zur unionsautonomen Bestimmung des Erfüllungsorts der Verpflichtung, sofern der in Rede stehende Vertrag eine entsprechende Vereinbarung nicht enthält. Maßgeblich ist hiernach der Ort, an dem die vertragscharakteristische Leistung – mithin die Dienstleistungen – nach dem Vertrag erbracht worden ist oder hätte erbracht werden müssen.

69.      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 5 Nr. 1 Buchst. b der Brüssel‑I-Verordnung, dessen Wortlaut mit demjenigen von Art. 7 Nr. 1 Buchst. b der Brüssel‑Ia-Verordnung übereinstimmt, „bedeutet … der Begriff ‚Dienstleistungen‘ zumindest, dass die Partei, die sie erbringt, eine bestimmte Tätigkeit gegen Entgelt durchführt“(59)(60).

70.      Fraglich ist also, in welchem Verhältnis die von den Miteigentümern zu leistenden Beiträge, um deren Zahlung es im Ausgangsverfahren geht, zur Verwaltungstätigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft stehen. Die Tätigkeit besteht im Wesentlichen in der Instandhaltung der Liegenschaft und damit einhergehend im Abschluss von Verträgen unterschiedlicher Nature mit Dritten in Ausführung dieser Geschäftsbesorgungstätigkeit, etwa zur Reinigung und zur Pflege der gemeinschaftlichen Bereiche der Liegenschaft, zur Ausführung von Reparaturen oder zur Energieversorgung.

71.      Zu bedenken ist allerdings, dass diese Geschäftsbesorgungstätigkeit selbst nicht zwingend entgeltlich erfolgt. Dies ist etwa nur dann der Fall, wenn die Verwaltung einer aus Eigentumswohnungen bestehenden Liegenschaft an einen spezialisierten Dienstleister übertragen – und nicht etwa ehrenamtlich durch einen der Miteigentümer durchgeführt – wird. Hinzu kommt, dass die von den Miteigentümern an die Gemeinschaft zu leistenden Beiträge zu einem nicht unwesentlichen Teil der Deckung von Steuern und Abgaben und damit nicht der Erfüllung von vertraglichen Verpflichtungen gegenüber Dritten dienen, die im Namen und für Rechnung der Eigentümergemeinschaft eingegangen wurden.

72.      Angesichts dieser Überlegungen zur gemischten oder jedenfalls uneinheitlichen Natur der in Rede stehenden Beiträge gebieten es meines Erachtens die Prinzipien der Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit der Bestimmung der internationalen Zuständigkeit(61), Art. 7 Nr. 1 Buchst. b zweiter Spiegelstrich der Brüssel‑Ia-Verordnung auf eine Konstellation wie die des Ausgangsverfahrens nicht anzuwenden.

73.      Dementsprechend wäre der Erfüllungsort nach der – gemäß Art. 7 Nr. 1 Buchst. c der Brüssel‑Ia-Verordnung – subsidiären Regel des Art. 7 Nr. 1 Buchst. a der Brüssel‑Ia-Verordnung zu bestimmen, wonach der Gerichtsstand für Verträge oder Ansprüche aus Verträgen im Sinne dieser Bestimmung an dem Ort eröffnet ist, „an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre“.

74.      Für die entsprechende Bestimmung des Erfüllungsorts ist nach der sog. Tessili-Regel(62) die vom anwendbaren Kollisionsrecht des Forumsstaats jeweils zur Anwendung berufene lex causae maßgeblich.

75.      Dabei wäre zu beachten, dass der Erfüllungsort im Sinne des Art. 7 Nr. 1 Buchst. a der Brüssel‑Ia-Verordnung mit Blick auf die konkret streitige Verpflichtung – im Ausgangsfall also die Zahlungsverpflichtung und nicht die vertragscharakteristische Leistung wie nach Buchst. b – zu bestimmen wäre(63).

76.      Daher schlage ich dem Gerichtshof vor, die vierte Vorlagefrage, umzuformulieren, um ihren Bezug zu Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung zu verdeutlichen, und wie folgt zu beantworten:

Art. 7 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung ist dahin gehend auszulegen, dass

–        die Ausführung einer Verwaltungstätigkeit durch eine Eigentümergemeinschaft, in deren Rahmen Entscheidungen über die Ausgaben für Gebäudeinstandhaltung getroffen werden, nicht den „Dienstleistungen“ im Sinne von Buchst. b zweiter Spiegelstrich zuzurechnen ist;

–        der Ort, an dem eine sich aus solchen Entscheidungen ergebende Zahlungsverpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre, nach dem auf das betreffende Rechtsverhältnis nach den Kollisionsregeln des Forumsstaats anwendbaren Statut in Anwendung von Buchst. a zu bestimmen ist.

VII. Ergebnis

77.      Aufgrund der vorstehenden Ausführungen schlage ich dem Gerichtshof vor, das Vorabentscheidungsersuchen des Okrazhen sad – Blagoevgrad (Regionalgericht Blagoevgrad, Bulgarien) wie folgt zu beantworten:

1      Unbeschadet einer ausschließlichen Zuständigkeit nach Art. 24 Nr. 1 Unterabs. 1, 1. Alt. in Verbindung mit Art. 8 Nr. 4, Satz 1 1. Alt. der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 (Brüssel Ia) sind Verfahren über Ansprüche aus Entscheidungen, die durch die Mehrheit der Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft ohne eigene Rechtspersönlichkeit getroffen werden, aber alle Mitglieder, auch diejenigen, die nicht abgestimmt haben, binden, als Ansprüche aus einem Vertrag im Sinne von Art. 7 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 (Brüssel Ia) anzusehen.

2      Art. 7 Nr. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 (Brüssel Ia) ist dahin gehend auszulegen, dass

–      die Ausführung einer Verwaltungstätigkeit durch die Organe einer Eigentümergemeinschaft, in deren Rahmen Entscheidungen über die Ausgaben für Gebäudeinstandhaltung getroffen werden, nicht den „Dienstleistungen“ im Sinne von Buchst. b 2. Spiegelstrich zuzurechnen ist;

–      der Ort, an dem eine sich aus solchen Entscheidungen ergebende Zahlungsverpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre, nach dem auf das betreffende Rechtsverhältnis nach den Kollisionsregeln des Forumsstaats anwendbaren Statut in Anwendung von Buchst. a zu bestimmen ist.


1      Originalsprache: Deutsch.


2      Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1, im Folgenden: Brüssel‑Ia-Verordnung).


3      Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) (ABl. 2008, L 177, S. 6, im Folgenden: Rom‑I-Verordnung).


4      Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (Zustellung von Schriftstücken) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates (ABl. 2007, L 324, S. 79, im Folgenden: Zustell-Verordnung).


5      Vgl. in diesem Sinne insbesondere Urteil vom 3. März 1994, Eurico Italia u. a. (C‑332/92, C‑333/92 und C‑335/92, EU:C:1994:79, Rn. 11 und 13).


6      Vgl. etwa die Verpflichtung zur Aussetzung des Verfahrens nach Art. 19 der Zustell-Verordnung in Verbindung mit Art. 28 Abs. 3 der Brüssel‑Ia-Verordnung, bis die ordnungsgemäße Übermittlung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks festgestellt werden kann.


7      Zur Rechtsfolge einer fehlenden, fehlerhaften oder nicht rechtzeitigen Zustellung im Rahmen der Anerkennung, vgl. Art. 45 Abs. 1 Buchst. b der Brüssel‑Ia-Verordnung.


8      Peiffer E. / Peiffer M., in Paulus D. / Peiffer E. / Peiffer M., Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung (Brüssel Ia), Kommentar, Art. 28, Rn. 18 und 29.


9      Queirolo I., in Magnus/Mankowski, ECPIL Commentary of Brussels Ibis Regulation, Art. 28, Rn. 20. Siehe hierzu bereits Schlussanträge des Generalanwalts Bot in der Rechtssache A (C‑112/13, EU:C:2014:207, Nrn. 53 ff.) und Urteil vom 11. September 2014 (C‑112/13, EU:C:2014:2195, Rn. 51 ff.).


10      Urteile vom 7. September 1999, Beck und Bergdorf (C‑355/97, EU:C:1999:391, Rn. 22), vom 23. Januar 2018, F. Hoffmann-La Roche u. a. (C‑179/16, EU:C:2018:25, Rn. 45), vom 29. Mai 2018, Liga van Moskeeën en Islamitische Organisaties Provincie Antwerpen u. a. (C‑426/16, EU:C:2018:335, Rn. 31), und vom 25. Juli 2018, Confédération paysanne u. a. (C‑528/16, EU:C:2018:583, Rn. 73).


11      Aus der in Fn. 10 angeführten ständigen Rechtsprechung ergibt sich, dass der Gerichtshof die Entscheidung über ein Ersuchen eines nationalen Gerichts nur dann verweigern darf, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind.


12      Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) (ABl. 2007, L 199, S. 73).


13      Vgl. Nr. 5 der vorliegenden Schlussanträge.


14      Die deutsche Fassung dieser Bestimmung weicht insoweit von anderen Sprachfassungen ab, die teils unspezifischer abgefasst sind (englische Fassung „matters relating to a contract“, spanische Fassung: „materia contractual“, französische Fassung: „en matière contractuelle“, ungarische Fassung: „egy szerződés“, italienische Fassung: „materia contrattuale“, rumänische Fassung: „materie contractuală“).


15      Siehe hierzu auch Art. 27 der Brüssel‑Ia-Verordnung.


16      Sowie für die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen.


17      Vgl. Nr. 6 der vorliegenden Schlussanträge.


18      Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1, im Folgenden: Brüssel‑I-Verordnung).


19      Siehe in diesem Sinne schon Urteil vom 15. Juni 2017, Kareda (C‑249/16, EU:C:2017:472, Rn. 32), unter Verweis auf das Urteil vom 21. Januar 2016, ERGO Insurance und Gjensidige Baltic (C‑359/14 und C‑475/14, EU:C:2016:40, Rn. 43).


20      Zu den systematischen und teleologischen Gründen dieses Grundsatzes, siehe bereits meine Schlussanträge in der Rechtssache Schmidt (C‑417/15, EU:C:2016:535, Nrn. 35 und 37) und das Urteil vom 16. November 2016 in derselben Sache (EU:C:2016:881, Rn. 28 ff.).


21      Urteil Schmidt (C‑417/15, EU:C:2016:881, Rn. 31) unter Verweis auf das Urteil vom 17. Dezember 2015, Komu u. a. (C‑605/14, EU:C:2015:833, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).


22      Urteil Schmidt (C‑417/15, EU:C:2016:881, Rn. 30) ebenfalls unter Verweis auf das Urteil Komu u. a. (C‑605/14, EU:C:2015:833, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).


23      Nach Art. 397 Abs. 1 der bulgarischen ZPO kann der Schuldner in diesem Rahmen offenbar mit einem gerichtlichen Verbot belegt werden, über ein Grundstück zu verfügen. Siehe https://e-justice.europa.eu/content_interim_and_precautionary_measures-78-bg-de.do?member=1 (Stand: 26.11.2018).


24      Damit übereinstimmend hat der Gerichtshof im Urteil Komu u. a. (C‑605/14, EU:C:2015:833) entschieden, dass ein Antrag auf Auflösung der Miteigentümergemeinschaft an einer unbeweglichen Sache durch Verkauf, mit dessen Durchführung ein Treuhänder betraut wird, unter den dinglichen Gerichtsstand falle.


25      Sollte sich im vorliegenden Fall die Zuständigkeit der bulgarischen Gerichte aus Art. 24 Nr. 1 Unterabs.1, 1. Alt. der Brüssel‑Ia-Verordnung aus dem Antrag auf Sicherung der Zwangsvollstreckung ergeben, könnte gegebenenfalls die Zuständigkeit dieser Gerichte hinsichtlich der eingeklagten gesicherten Geldforderung nach Art. 8 Nr. 4 derselben Verordnung begründet werden.


26      Auch hier weichen allerdings die einzelnen Sprachfassungen dieser Bestimmung voneinander ab: Die englische Sprachfassung bezieht sich etwa auf „companies or other legal persons or associations of natural or legal persons“.


27      Urteil vom 2. Oktober 2008, Hassett und Doherty (C‑372/07, EU:C:2008:534, Rn. 26).


28      Vgl. hierzu oben, Nr. 40.


29      Urteile vom 16. November 2016, Schmidt (C‑‑417/15, EU:C:2016:881, Rn. 26), und vom 9. März 2017, Pula Parking (C‑551/15, EU:C:2017:193, Rn. 31).


30      Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32).


31      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Juni 2017, Kareda (C‑249/16, EU:C:2017:472, Rn. 27). Siehe zuletzt auch Urteil vom 15. November 2018, Kuhn (C‑308/17, EU:C:2018:911, Rn. 31).


32      Urteile vom 28. Januar 2015, Kolassa (C‑375/13, EU:C:2015:37, Rn. 38), und vom 21. April 2016, Austro-Mechana (C‑572/14, EU:C:2016:286, Rn. 34).


33      Urteile vom 14. März 2013, Česká spořitelna (C‑419/11, EU:C:2013:165, Rn. 46), vom 28. Januar 2015, Kolassa (C‑375/13, EU:C:2015:37, Rn. 39), und vom 21. April 2016, Austro-Mechana (C‑572/14, EU:C:2016:286, Rn. 35). Siehe auch schon zum EuGVÜ, Urteil vom 17. Juni 1992, Handte (C‑26/91, EU:C:1992:268, Rn. 15).


34      Urteile vom 15. Juni 2017, Kareda (C‑249/16, EU:C:2017:472, Rn. 28), vom 14. März 2013, Česká spořitelna (C‑419/11, EU:C:2013:165, Rn. 47), vom 28. Januar 2015, Kolassa (C‑375/13, EU:C:2015:37, Rn. 39), und vom 21. April 2016, Austro-Mechana (C‑572/14, EU:C:2016:286, Rn.36).


35      Urteil vom 22. März 1983, Peters Bauunternehmung (34/82, EU:C:1983:87, Rn. 13).


36      Urteil vom 10. September 2015, Holterman Ferho Exploitatie u. a. (C‑47/14, EU:C:2015:574, Rn. 54).


37      Urteil vom 7. März 2018, Flightright u. a. (C‑274/16, C‑447/16 und C‑448/16, EU:C:2018:160, Rn. 64). Siehe davor schon Urteil vom 9. Juli 2009, Rehder (C‑204/08, EU:C:2009:439, Rn. 28).


38      Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. 2004, L 46, S. 1).


39      Urteil vom 20. Januar 2005, Engler (C‑27/02, EU:C:2005:33, Rn. 53) (Gewinnzusage).


40      Vgl. in diesem Sinne schon Urteil vom 20. Januar 2005, Engler (C‑27/02, EU:C:2005:33, Rn. 48).


41      Urteil vom 14. Juli 2016, Granarolo (C‑196/15, EU:C:2016:559, Rn. 18 und19) unter Verweis auf das Urteil vom 18. Juli 2013, ÖFAB (C147/12C147/12, EU:C:2013:490, Rn. 30 und 31).


42      Urteil vom 22. März 1983, Peters Bauunternehmung (34/82, EU:C:1983:87, Rn. 13).


43      Urteil vom 22. März 1983, Peters Bauunternehmung (34/82, EU:C:1983:87, Rn. 13).


44      Bestätigt wurde dieser Ansatz im Urteil vom 10. März 1992, Powell Duffryn (C‑214/89, EU:C:1992:115), hinsichtlich der Geltung gegenüber Anteilseignern einer Gerichtsstandvereinbarung, die in Gesellschaftsstatuten vorgesehen war, sowie im bereits zitierten Urteil vom 20. Januar 2005, Engler (C‑27/02, EU:C:2005:33, Rn. 45).


45      Urteil vom 22. März 1983, Peters Bauunternehmung (34/82, EU:C:1983:87, Rn. 18).


46      Nach den zitierten Rechtsvorschriften des nationalen Rechts werden die Instandhaltungskosten, an denen sich alle Miteigentümer entsprechend der von ihnen gehaltenen ideellen Anteile zu beteiligen haben, durch Mehrheitsbeschluss der Eigentümerversammlung beschlossen. Der bindende Charakter des entsprechenden Beschlusses knüpft damit nicht daran, ob ein Miteigentümer den Beschluss mitgetragen hat oder nicht.


47      In der Rechtssache C‑421/18 wird der Gerichtshof zu klären haben, ob diese Erwägungen auch auf einen Fall übertragen werden können, in dem eine Rechtsanwaltskammer Beitragszahlungsansprüche gegen eines seiner Mitglieder gerichtlich geltend macht.


48      Urteil vom 22. März 1983, Peters Bauunternehmung (34/82, EU:C:1983:87, Rn. 14).


49      Dieser stimmt darüber hinaus mit der Belegenheit der Liegenschaft überein.


50      Zur Bestimmung des Erfüllungsorts, siehe allerdings meine Ausführungen zur vierten Vorlagefrage unten, Nrn. 62 ff.


51      Die Bezugnahme der Kommission auf das Konkordanzgebot greift insofern zu kurz.


52      Vgl. in diesem Sinne auch: Von Hein in Rauscher, Großkommentar EuZPR/EuIPR, Bd. III Rom I-VO, Rom II-VO, 4. Aufl. 2015, Art. 1 Rom I-VO, Nr. 47.


53      Vgl. oben, Nr. 60.


54      Vgl. oben, Nr. 34.


55      Siehe zuletzt Urteil vom 7. August 2018, Smith (C‑122/17, EU:C:2018:631, Rn. 34). S. auch, statt vieler, Urteil vom 22. Juni 2017, E.ON Biofor Sverige (C‑549/15, EU:C:2017:490, Rn. 72).


56      Vorauszuschicken ist, dass der Begriff der Dienstleistung nach Art. 7 Nr. 1 Buchst. b zweiter Spiegelstrich der Brüssel-Ia-Verordnung dem gleichen Begriff nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Rom-I-Verordnung entspricht. Siehe in diesem Sinne Paulus, in Paulus/Peiffer/Peiffer, Kommentar zur VO (EU) Nr. 1215/2012, Art. 7 Rn. 97 m.w.N.


57      Vgl. hierzu oben, hinsichtlich Art. 24 Nr. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung, Nrn. 33 ff.


58      Vgl. oben, Nr. 41.


59      Vgl. Urteil vom 23. April 2009, Falco Privatstiftung und Rabitsch (C‑533/07, EU:C:2009:257, Rn. 29). Vgl. auch Urteil vom 14. Juli 2016, Granarolo (C‑196/15, EU:C:2016:559, Rn. 37).


60      Bei der Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals lässt der Gerichtshof allerdings die Verschaffung eines „wirtschaftlichen Werts“ als Gegenleistung genügen, wenn eine Zahlungsverpflichtung nicht auszumachen ist. Vgl. etwa Urteil vom 19. Dezember 2013, Corman-Collins (C‑9/12, EU:C:2013:860, Rn. 40).


61      Vgl. Erwägungsgründe 15 und 16 der Brüssel‑Ia-Verordnung.


62      Urteil vom 6. Oktober 1976, Industrie tessili italiana Como (12/76, EU:C:1976:133).


63      Ständige Rechtsprechung seit dem Urteil vom 6. Oktober 1976, De Bloos (14/76, EU:C:1976:134).

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