Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 29. Apr. 2016 - 1 WB 27/15
Gericht
Tatbestand
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Der ... geborene Antragsteller ist Berufssoldat. Zuletzt wurde er am ... 2009 zum Oberst befördert und mit Wirkung vom ... 2009 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 16 eingewiesen.
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Mit Schreiben vom 2. März 2015 beantragte der Antragsteller seine Versetzung auf den neu geschaffenen, nach Besoldungsgruppe B 3 dotierten Dienstposten des Abteilungsleiters ... im ....
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Am 14. April 2015 wählte der Abteilungsleiter Personal im Bundesministerium der Verteidigung für diesen Dienstposten ... aus. Neben dem ausgewählten Bewerber waren der Antragsteller sowie ein weiterer Offizier im Dienstgrad Oberst in die engere Wahl gezogen worden.
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Mit Schreiben vom 27. April 2015 legte der Antragsteller gegen seine Nichtauswahl „Beschwerde“ ein.
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Aufgrund einer Entscheidung des Abteilungsleiters Personal vom 10. Mai 2015 wurde die Auswahlentscheidung zugunsten von ... am 12. Mai 2015 aufgehoben und angeordnet, dass das Auswahlverfahren zur Besetzung des Dienstpostens erneut aufgenommen werde. Grund für die Aufhebung war, dass es an einer hinreichenden Vergleichbarkeit der dienstlichen Beurteilungen der betrachteten Bewerber fehle. Der strittige Dienstposten war zum Zeitpunkt der Aufhebung der Auswahlentscheidung noch nicht besetzt; der zunächst ausgewählte Bewerber ... wurde auch nicht mit der kommissarischen Wahrnehmung der Aufgaben des Dienstpostens betraut.
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Nachdem in der Folgezeit keine Einigkeit zwischen dem Antragsteller und dem Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - erzielt wurde, wie die als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewertete „Beschwerde“ vom 27. April 2015 nach Aufhebung der ursprünglich angegriffenen Auswahlentscheidung zu behandeln sei, legte das Bundesministerium der Verteidigung den Antrag - auf Wunsch des Antragstellers - mit einer Stellungnahme vom 6. Juli 2015 dem Senat vor.
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Im gerichtlichen Verfahren beantragte der Antragsteller, das Bundesministerium der Verteidigung zu verpflichten, das noch nicht beendete Auswahlverfahren zur Besetzung des nach Besoldungsgruppe B 3 dotierten Dienstpostens Abteilungsleiter ... im ... zum Abschluss zu bringen und ihn, den Antragsteller, für diesen Dienstposten auszuwählen und auf den Dienstposten zu versetzen. Zur Begründung verwies der Antragsteller darauf, dass er aus dem ursprünglichen Bewerberfeld der einzig verbliebene Kandidat sei; die beiden anderen Bewerber seien inzwischen anderweitig versetzt. Ungeachtet dessen habe er von Beginn an ausgewählt werden müssen, weil er der am besten geeignete Bewerber sei.
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Das Bundesministerium der Verteidigung trat dem unter Hinweis auf seine - dem Antragsteller bereits vorgerichtlich mit Schreiben vom 13. Mai 2015 mitgeteilte - Auffassung entgegen, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach Aufhebung der ursprünglichen Auswahlentscheidung mangels Beschwer unzulässig sei. Es stehe dem Antragsteller frei, im Falle einer erneuten Nichtauswahl wiederum die gerichtliche Entscheidung zu beantragen.
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Am 23. Februar 2016 entschied der Abteilungsleiter Personal im Bundesministerium der Verteidigung, den strittigen Dienstposten nunmehr mit dem Antragsteller zu besetzen. Bei der Auswahl waren neben dem Antragsteller weitere Mitbewerber, die nicht bereits zum Bewerberkreis bei der ursprünglichen Auswahlentscheidung gezählt hatten, mitbetrachtet worden.
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Im Hinblick auf seine Auswahl und seine anschließende Versetzung auf den Dienstposten hat der Antragsteller mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 14. April 2016 den vorliegenden Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt, die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten dem Bund aufzuerlegen. Das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - hat der Erledigungserklärung bereits vorab mit Schreiben vom 24. Februar 2016 zugestimmt.
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Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung - R II 2 - Az.: 487/15 -, die Gerichtsakte des noch offenen parallelen Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes BVerwG 1 WDS-VR 8.15 und die Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A bis D, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
Entscheidungsgründe
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Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 3 WBO nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Für die Kostenentscheidung sind die im Prozessrecht allgemein geltenden Grundsätze maßgebend. Danach ist bei übereinstimmender Erledigungserklärung über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 20 Abs. 3 WBO, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO; stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 22. April 2008 - 1 WB 4.08 - Rn. 8 m.w.N.).
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Billigem Ermessen entspricht es vorliegend, den Antrag, die Kosten des Verfahrens dem Bund aufzuerlegen, abzulehnen, weil der Antrag auf gerichtliche Entscheidung keinen Erfolg gehabt hätte.
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1. Soweit sich die vom Bundesministerium der Verteidigung zutreffend als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewertete "Beschwerde" vom 27. April 2015 auf die erste Auswahlentscheidung vom 14. April 2015 bezog, war der Antragsteller seit der Aufhebung dieser Entscheidung am 10./12. Mai 2015 nicht mehr beschwert. Auch für das Verpflichtungsbegehren, auf den strittigen Dienstposten versetzt zu werden, fehlt seitdem das Rechtsschutzbedürfnis. Denn der Abteilungsleiter Personal im Bundesministerium der Verteidigung hat gleichzeitig mit der Aufhebung der ersten Auswahlentscheidung verfügt, das Auswahlverfahren zur Besetzung des Dienstpostens erneut aufzunehmen und auf der Grundlage vergleichbarer - zum Teil erst noch zu erstellender - dienstlicher Beurteilungen einer neuen Auswahlentscheidung zuzuführen. Mehr konnte der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt nicht beanspruchen.
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2. Der Antragsteller musste den Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 27. April 2015 auch nicht im Hinblick auf die ausstehende zweite Auswahlentscheidung - von der ex ante nicht absehbar war, dass sie zu seinen Gunsten ausfallen würde - aufrechterhalten.
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Wird während eines laufenden Konkurrentenstreits um einen höherwertigen militärischen Dienstposten die angefochtene Auswahlentscheidung aufgehoben und eine neue Auswahlentscheidung getroffen, erstreckt sich der gegen die erste Auswahlentscheidung eingelegte Rechtsbehelf nicht auf die zweite Auswahlentscheidung (BVerwG, Beschluss vom 6. Oktober 2015 - 1 WDS-VR 1.15 - NVwZ-RR 2016, 60 = NZWehrr 2016, 31, jeweils LS und Rn. 32 f.). Der Antragsteller hätte deshalb in dem (nicht eingetretenen) Fall, dass der Abteilungsleiter Personal wiederum einem anderen Bewerber den Vorzug eingeräumt hätte, die zweite Auswahlentscheidung mit einem gesonderten Rechtsbehelf anfechten müssen.
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3. Die Aufrechterhaltung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung vom 27. April 2015 war schließlich nicht geeignet, die Zahl der für die Dienstpostenbesetzung in Betracht kommenden Offiziere auf den der Auswahlentscheidung vom 14. April 2015 zugrundeliegenden Bewerberkreis "festzuschreiben".
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a) Maßgeblich nach Wiederaufnahme des Auswahlverfahrens ist nicht die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der ersten (aufgehobenen), sondern der zweiten (noch zu treffenden) Auswahlentscheidung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. September 2012 - 1 WB 44.11 - juris Rn. 27 m.w.N.; ebenso für das Dienstrecht der Beamten und Richter BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 - BVerwGE 138, 102 Rn. 58). Dies bedeutet auch, dass ggf. ein neues Bewerberfeld und das jeweils aktuelle Beurteilungsbild der zu betrachtenden Bewerber für die neue Auswahlentscheidung in den Blick zu nehmen sind (BVerwG, Beschluss vom 6. Oktober 2015 - 1 WDS-VR 1.15 - NVwZ-RR 2016, 60 = NZWehrr 2016, 31, jeweils Rn. 33).
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b) Soweit der 2. Revisionssenat gebilligt hat, dass ein neu hinzutretender Kandidat - ausnahmsweise - vom Auswahlverfahren ausgeschlossen werden kann, wenn er sich erst lange nach Ablauf einer Bewerbungsfrist beworben hat und das Auswahlverfahren bereits so weit fortgeschritten ist, dass alle Voraussetzungen für die Auswahlentscheidung vorliegen (BVerwG, Beschluss vom 30. April 2012 - 2 VR 6.11 - juris Rn. 3 ff.), ist eine solche Sachverhaltsgestaltung hier nicht gegeben. Nach Aufhebung der ersten Auswahlentscheidung vom 14. April 2015 stand die Vorbereitung der neuen Auswahlentscheidung wegen der Notwendigkeit, aktuelle dienstliche Beurteilungen einzuholen, vielmehr erst in den Anfängen.
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c) Der Antragsteller kann sich schließlich nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung des 2. Revisionssenats berufen, wonach ein Bewerber im Falle des unberechtigten Abbruchs eines Auswahlverfahrens dessen zeitnahe Fortführung mit dem bestehenden Bewerberkreis verlangen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2014 - 2 A 3.13 - BVerwGE 151, 14 Rn. 21 ff.).
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Es liegt hier bereits kein Fall des Abbruchs eines Auswahlverfahrens vor. Der Dienstherr kann ein Auswahlverfahren etwa dann abbrechen, wenn es fehlerhaft ist und nicht mehr zu einer ordnungsgemäßen Auswahlentscheidung führen kann oder wenn eine erneute Ausschreibung erforderlich wird, um eine hinreichende Anzahl leistungsstarker Bewerber zu erhalten (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2014 - 2 A 3.13 - BVerwGE 151, 14 Rn. 19 und Beschluss vom 27. Oktober 2015 - 1 WB 56.14 - juris Rn. 31, jeweils m.w.N.). So liegt der Fall hier indes nicht. Die erste Auswahlentscheidung vom 14. April 2015 wurde nicht deshalb aufgehoben, weil der Dienstherr das Auswahlverfahren für gescheitert und ein neues Auswahlverfahren für erforderlich hielt; es ging vielmehr lediglich darum, das begonnene Auswahlverfahren unter Behebung eines Fehlers fort- und zu Ende zu führen.
Annotations
(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.
(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.
(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.
(1) Soweit dem Antrag auf Entscheidung des Truppendienstgerichts stattgegeben wird, sind die dem Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Truppendienstgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen dem Bund aufzuerlegen. Dies gilt nicht für notwendige Aufwendungen, die dem Beschwerdeführer durch schuldhafte Säumnis erwachsen sind.
(2) Dem Beschwerdeführer können die Kosten des Verfahrens vor dem Truppendienstgericht auferlegt werden, soweit das Gericht den Antrag als offensichtlich unzulässig oder als offensichtlich unbegründet erachtet. Die Kosten des Verfahrens, die er durch schuldhafte Säumnis verursacht hat, sind ihm aufzuerlegen.
(3) Ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegenstandslos geworden, sind die Absätze 1 und 2 unter Berücksichtigung des bisherigen Sachstands sinngemäß anzuwenden.
(4) § 137 Absatz 1 und 2 Nummer 1 bis 3, § 140 Absatz 8, § 141 Absatz 1 und 2 sowie § 142 der Wehrdisziplinarordnung gelten entsprechend.
(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.
(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.
(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.