Bundessozialgericht Beschluss, 17. Dez. 2013 - B 11 AL 82/13 B

bei uns veröffentlicht am17.12.2013

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. Mai 2013 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt die Stundung einer Erstattungsforderung der Beklagten.

2

Den Stundungsantrag des Klägers lehnte die Beklagte wegen Fehlens der Voraussetzungen des § 76 Abs 2 S 1 Nr 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) ab(Bescheid vom 9.2.2011, Widerspruchsbescheid vom 27.10.2011). Die sofortige Einziehung der Rückforderung stelle keine erhebliche Härte dar; zudem werde durch eine Stundung der Anspruch gefährdet.

3

Das Sozialgericht (SG) hat nach mündlicher Verhandlung die auf Aufhebung der Bescheide der Beklagten sowie auf Neubescheidung des Stundungsantrags gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 7.12.2012). Die ursprünglich erlassene Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers ist im Termin aufgehoben worden, weil der Kläger am Verhandlungstag arbeitsunfähig erkrankt gewesen ist. Das SG ist davon ausgegangen, der Kläger werde auch nach einer Stundung nicht eher in der Lage sein, die Forderung der Beklagten zu erfüllen.

4

Gegen dieses Urteil hat der Kläger fristgerecht Berufung eingelegt, diese jedoch zunächst nicht innerhalb der hierfür vom Landessozialgericht (LSG) gesetzten Frist begründet. Daraufhin hat das LSG die Beteiligten zu einer Zurückweisung der Berufung durch Beschluss nach § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört. Innerhalb der zugleich gesetzten Frist zur Stellungnahme hat der Kläger die Berufung begründet und ua vorgetragen, durch eine Stundung werde der Anspruch der Beklagten nicht gefährdet. Zwar blieben seine Einnahmen tatsächlich voraussichtlich konstant; seine Belastungen würden aber stetig geringer. Die Restschuld des Wohnungsbeschaffungsdarlehens schwinde durch stetige Tilgung, die Unterhaltspflicht gegenüber seinem Sohn ende in absehbarer Zeit und seine Ehefrau könne in Kürze die Rückzahlung eines Sparbriefs erwarten.

5

Mit Beschluss vom 21.5.2013 hat das LSG die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG durch Entscheidung der Berufsrichter nach § 153 Abs 4 SGG zurückgewiesen. Eine mündliche Verhandlung sei auch unter Berücksichtigung der Berufungsbegründung des Klägers nicht erforderlich. Dessen Hinweis auf die stetige Darlehenstilgung zeige, dass er bereits gegenwärtig leistungsfähig sei. Unerheblich sei der Verweis auf Vermögenswerte seiner Ehefrau, weil diese offenbar nicht gewillt sei, sich an der Tilgung der Erstattungsforderung der Beklagten zu beteiligen. Auch auf den bevorstehenden Wegfall der Unterhaltspflicht gegenüber seinem Sohn komme es nicht an.

6

Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision rügt der Kläger als Verfahrensmangel eine Verletzung des § 153 Abs 4 SGG mit der Folge der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts und eine Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs. Mit der Vorgehensweise, durch Beschluss gemäß § 153 Abs 4 SGG zu entscheiden, habe das LSG ihm die Möglichkeit der Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung genommen, in der er die - aus Sicht des LSG entscheidungserheblichen, aber nicht vollständig geklärten - Tatsachenfragen hätte beantworten können. Der Auffassung des LSG, es könne ohne mündliche Verhandlung entscheiden, liege eine grobe Fehleinschätzung zugrunde. Es fehle zumindest an einer erneuten Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs 4 S 2 SGG, die erforderlich geworden sei, nachdem sich die Prozesssituation seit der erfolgten Anhörung durch die Vorlage der Berufungsbegründung wesentlich geändert habe.

7

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig und begründet. Der Beschwerdeführer hat einen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG schlüssig bezeichnet(§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Dieser Verfahrensmangel liegt auch tatsächlich vor.

8

Der angefochtene Beschluss des LSG ist unter Verletzung des § 153 Abs 4 SGG ergangen. Damit ist auch der Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt.

9

Nach § 153 Abs 4 S 1 SGG kann das LSG, außer in den Fällen des § 105 Abs 2 S 1 SGG, die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Formale Voraussetzung für eine solche Vorgehensweise des LSG ist die vorherige Anhörung der Beteiligten (§ 153 Abs 4 S 2 SGG). Im vorliegenden Fall fehlt es bereits an einer ordnungsgemäßen Anhörung.

10

Die Anhörungspflicht nach § 153 Abs 4 S 2 SGG ist Ausdruck des verfassungsrechtlichen Gebots des rechtlichen Gehörs, das auch bei Anwendung des vereinfachten Verfahrens im Berufungsrechtszug nicht verletzt werden darf(BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 5 RdNr 5 mwN). Dies beinhaltet nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, dass eine neue Anhörungsmitteilung erfolgen muss, wenn sich gegenüber der ersten Anhörungsmitteilung die Prozesssituation entscheidungserheblich geändert hat (zuletzt BSG vom 28.2.2013 - B 8 SO 33/12 B - Juris RdNr 8; vgl auch ua BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 15 RdNr 10 mwN). Dies ist etwa der Fall, wenn nach Zugang der Anhörungsmitteilung von einem Beteiligten neue entscheidungserhebliche Tatsachen vorgetragen werden (vgl BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 14 RdNr 14 f) oder wenn die Berufung erst dann (substantiiert) begründet wird (Keller in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 153 RdNr 20a unter Hinweis auf BVerwG Buchholz 312 EntlG Nr 32, 50).

11

Im Berufungsverfahren hat sich mit der Vorlage der Berufungsbegründung durch den Kläger eine wesentliche Änderung der prozessualen Situation ergeben. Zum Zeitpunkt der Anhörung nach § 153 Abs 4 S 2 SGG durch das LSG war nicht erkennbar, warum der Kläger das Urteil des SG für unzutreffend hält. Dagegen enthält die Berufungsbegründung substantiierte Angriffe auf die das erstinstanzliche Urteil tragende Erwägung, der Anspruch der Beklagten werde durch eine Stundung gefährdet. Dazu hat der Kläger (nach der Anhörungsmitteilung des LSG) auch neuen Tatsachenvortrag in das Verfahren eingeführt, der - ausgehend von der Rechtsauffassung des LSG - entscheidungserheblich war. Dies gilt insbesondere für die vom Kläger behauptete Verbesserung seiner Zahlungsfähigkeit in naher Zukunft.

12

Unter diesen Umständen durfte der Kläger davon ausgehen, dass das LSG ihm entweder Gelegenheit geben würde, seinen Standpunkt in einer mündlichen Verhandlung zu vertiefen, oder ihm durch eine erneute Anhörungsmitteilung bekanntgeben würde, dass der LSG-Senat sein Rechtsmittel auch unter Berücksichtigung der Berufungsbegründung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Dies hätte dem Kläger etwa Gelegenheit gegeben, vor der Entscheidung des LSG konkrete Beweisanträge zu stellen, um eine weitere Sachverhaltsaufklärung in seinem Sinne zu erreichen (siehe zu dieser Funktion der Anhörungsmitteilung BSG vom 6.6.2001 - B 2 U 117/01 B - Juris RdNr 2). Indem das LSG dies unterlassen und am 21.5.2013 die Berufung des Klägers im Beschlusswege nach § 153 Abs 4 S 1 SGG zurückgewiesen hat, hat es die Anhörungspflicht nach § 153 Abs 4 S 2 SGG und den Anspruch des Klägers auf ein faires Verfahren und auf rechtliches Gehör verletzt.

13

Die angefochtene Entscheidung kann auf dem festgestellten Verfahrensmangel beruhen. Es ist nicht auszuschließen ist, dass das LSG infolge des nach einer weiteren Anhörungsmitteilung zu erwartenden vertieften Sachvortrags des Klägers zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre.

14

Bei dem derzeitigen Verfahrensstand erscheint es dem Senat untunlich, sich zu den Voraussetzungen der begehrten Stundung zu äußern. Hingewiesen sei nur darauf, dass zunächst das Vorliegen oder Fehlen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 76 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB IV zu beurteilen ist, ehe es auf eine eventuelle Ermessensentscheidung der Beklagten ankommen kann.

15

Da die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen, macht der Senat von der Möglichkeit Gebrauch, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen(§ 160a Abs 5 SGG).

16

Die Entscheidung über die Kosten unter Einbeziehung der Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der abschließenden Entscheidung des LSG vorbehalten.

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

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(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder

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(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. (2) Das Landessozialgericht

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(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die

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(1) Einnahmen sind rechtzeitig und vollständig zu erheben. (2) Der Versicherungsträger darf Ansprüche nur1.stunden, wenn die sofortige Einziehung mit erheblichen Härten für die Anspruchsgegner verbunden wäre und der Anspruch durch die Stundung ni

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Tenor Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 27. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.

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(1) Einnahmen sind rechtzeitig und vollständig zu erheben.

(2) Der Versicherungsträger darf Ansprüche nur

1.
stunden, wenn die sofortige Einziehung mit erheblichen Härten für die Anspruchsgegner verbunden wäre und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet wird,
2.
niederschlagen, wenn feststeht, dass die Einziehung keinen Erfolg haben wird, oder wenn die Kosten der Einziehung außer Verhältnis zur Höhe des Anspruchs stehen,
3.
erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beiträge erstattet oder angerechnet werden.
Die Stundung soll gegen angemessene Verzinsung und in der Regel nur gegen Sicherheitsleistung gewährt werden. Im Falle des Satzes 1 Nummer 2 dürfen Beitragsansprüche auch niedergeschlagen werden, wenn der Arbeitgeber mehr als sechs Monate meldepflichtige Beschäftigte nicht mehr gemeldet hat und die Ansprüche die von den Spitzenverbänden der Sozialversicherung und der Bundesagentur für Arbeit gemeinsam und einheitlich festgelegten Beträge nicht überschreiten; die Grenzbeträge sollen auch an eine vorherige Vollstreckungsmaßnahme gebunden werden, wenn die Kosten der Maßnahme in einem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zur Höhe der Forderung stehen. Die Vereinbarung nach Satz 3 bedarf der Genehmigung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Kommt eine Vereinbarung nach Satz 3 nicht innerhalb einer vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales festgesetzten Frist zustande, bestimmt dieses nach Anhörung der Beteiligten die Beträge durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates.

(3) Für Ansprüche auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag trifft die Entscheidung nach Absatz 2 die zuständige Einzugsstelle. Hat die Einzugsstelle einem Schuldner für länger als zwei Monate Beitragsansprüche gestundet, deren Höhe die Bezugsgröße übersteigt, ist sie verpflichtet, bei der nächsten Monatsabrechnung die zuständigen Träger der Rentenversicherung und die Bundesagentur für Arbeit über die Höhe der auf sie entfallenden Beitragsansprüche und über den Zeitraum, für den die Beitragsansprüche gestundet sind, zu unterrichten. Die Einzugsstelle darf

1.
eine weitere Stundung der Beitragsansprüche sowie
2.
die Niederschlagung von Beitragsansprüchen, deren Höhe insgesamt die Bezugsgröße übersteigt, und
3.
den Erlass von Beitragsansprüchen, deren Höhe insgesamt den Betrag von einem Sechstel der Bezugsgröße übersteigt,
nur im Einvernehmen mit den beteiligten Trägern der Rentenversicherung und der Bundesagentur für Arbeit vornehmen.

(4) Die Einzugsstelle kann einen Vergleich über rückständige Beitragsansprüche schließen, wenn dies für die Einzugsstelle, die beteiligten Träger der Rentenversicherung und die Bundesagentur für Arbeit wirtschaftlich und zweckmäßig ist. Die Einzugsstelle darf den Vergleich über rückständige Beitragsansprüche, deren Höhe die Bezugsgröße insgesamt übersteigt, nur im Einvernehmen mit den beteiligten Trägern der Rentenversicherung und der Bundesagentur für Arbeit schließen. Der Träger der Unfallversicherung kann einen Vergleich über rückständige Beitragsansprüche schließen, wenn dies wirtschaftlich und zweckmäßig ist. Für die Träger der Rentenversicherung gilt Satz 3, soweit es sich nicht um Ansprüche aus dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag handelt.

(5) Die Bundesagentur für Arbeit kann einen Vergleich abschließen, wenn dies wirtschaftlich und zweckmäßig ist.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids das Rechtsmittel einlegen, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Ist die Berufung nicht gegeben, kann mündliche Verhandlung beantragt werden. Wird sowohl ein Rechtsmittel eingelegt als auch mündliche Verhandlung beantragt, findet mündliche Verhandlung statt.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

Tenor

Auf die Beschwerden der Kläger wird der Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 1. Februar 2012 - L 7 SO 169/11 - aufgehoben und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen. Die Beschwerden der Kläger gegen die weiteren Beschlüsse des Hessischen Landessozialgerichts vom 1. Februar 2012 - L 7 SO 170/11 und L 7 SO 173/11 - werden als unzulässig verworfen.

Gründe

1

I. Die Kläger machen als Rechtsnachfolger in drei vom Senat verbundenen Verfahren Leistungen ihrer während des Berufungsverfahrens verstorbenen Mutter nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) geltend.

2

Ein Antrag für einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung bei der Beklagten und die Klage zum Sozialgericht Frankfurt blieben ohne Erfolg (Bescheid vom 19.11.2009; Widerspruchsbescheid vom 26.3.2010; Urteil vom 11.8.2010 - S 30 SO 51/10), ebenso ein Antrag und die Klage auf Übernahme einer höheren Telefongrundgebühr als Hilfe zur Pflege (Bescheid vom 18.11.2009; Widerspruchsbescheid vom 25.3.2010; Urteil vom 11.8.2010 - S 30 SO 53/10) sowie ein Antrag und die Klage auf einen höheren Mehrbedarf wegen Alters und Nachweises des Merkzeichens G zu einem früheren Zeitpunkt (Bescheid vom 6.1.2010; Widerspruchsbescheid vom 12.4.2010; Urteil vom 11.8.2010 - S 30 SO 96/10).

3

Nach dem Tod der Mutter am 16.10.2011 haben die Kläger als Rechtsnachfolger die vorliegenden Verfahren (und weitere 16 Berufungsverfahren) fortgeführt. Mit Schreiben vom 5.12.2011, den Klägern zugestellt am 7.12.2011, hat das Landessozialgericht (LSG) - verbunden mit einer Anhörung zur vorgesehenen Entscheidung der Berufung durch Beschluss - darauf hingewiesen, Sozialhilfeansprüche seien grundsätzlich höchstpersönliche Ansprüche, die beim Tode des Berechtigten erlöschten. Dies könne einem Erfolg im Klageverfahren entgegenstehen. Es bestehe Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 23.12.2011. Mit Telefax, gerichtet an das LSG, datiert vom 7.12.2011, das einen gerichtlichen Eingangsstempel nicht trägt und nach der Fußzeile des Empfangsgeräts am 20.12.2011, 13.59 Uhr, eingegangen ist, haben die Kläger vorgetragen, es gebe selbstverständlich vorleistende Dritte bezüglich der geltend gemachten Bedarfe, sodass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) von der Vererblichkeit der Ansprüche auszugehen sei. Mit einem an das LSG gerichteten Telefax, datiert vom 12.1.2012, das einen Eingangsstempel nicht trägt und nach der Fußzeile des Empfangsgeräts am 1.2.2012, 23.23 Uhr, eingegangen ist, haben die Kläger ein weiteres Schreiben vom 12.12.2011 übersandt, in dem sie ausführen, dass sie im Vertrauen auf die spätere Bewilligung Hilfe geleistet hätten und den Bedarf auf kostenaufwändige Ernährung gedeckt hätten.

4

Das LSG hat die Berufung der Kläger betreffend den Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung als unbegründet zurückgewiesen (Beschluss vom 1.2.2012 - L 7 SO 169/11). Der geltend gemachte Anspruch sei jedenfalls mit dem Tode der Hilfesuchenden untergegangen. Die Rechtsnachfolger hätten zwar behauptet, es gebe selbstverständlich vorleistende Dritte, dieser Vortrag sei jedoch so unkonkret, dass er keinen Ansatz für weitere Ermittlungen biete. Auch die Berufung wegen der höheren Telefongrundgebühr hat das LSG zurückgewiesen (Beschluss vom 1.2.2012 - L 7 SO 170/11). Es könne offen bleiben, ob der Anspruch mit dem Tode der Hilfesuchenden untergegangen sei; jedenfalls bestehe kein Anspruch in der Sache, weil der hier zum 1.5.2009 vorgenommene Tarifwechsel, der zusätzlich Internetkosten beinhalte, mit unverhältnismäßigen Mehrkosten iS des § 9 Abs 2 Satz 3 SGB XII verbunden gewesen sei, die der Beklagte nicht zu übernehmen habe. Schließlich wurde die Berufung betreffend den Mehrbedarf wegen Alters und des Nachweises des Merkzeichens G ebenfalls zurückgewiesen (Beschluss vom 1.2.2012 - L 7 SO 173/11). Es könne offen bleiben, ob der Anspruch mit dem Tode der Hilfesuchenden untergegangen sei. Jedenfalls bestehe ein Anspruch in der Sache nicht; denn die Entscheidung des Beklagten, den Mehrbedarf erst mit dem "Besitz" eines entsprechenden Ausweises anzuerkennen, sei nicht zu beanstanden. Auch die Höhe entspreche mit 17 % des maßgeblichen Regelsatzes den gesetzlichen Regelungen. Die Beschlüsse des LSG sind am 9.2.2012 abgesandt und den Klägern am 11.2.2012, der Beklagten am 13.2.2012 zugestellt worden.

5

Gegen die Nichtzulassung der Revision in den bezeichneten Beschlüssen wenden sich die Kläger mit ihren Beschwerden zum Bundessozialgericht (BSG). Sie rügen jeweils Verfahrensmängel (§ 160 Abs 2 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz). Das LSG habe unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung entschieden und damit § 153 Abs 4, § 62 SGG verletzt. Es habe ferner seiner Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 103 SGG) nicht genügt.

6

II. Die Beschwerden der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss vom 1.2.2012 - L 7 SO 169/11 - sind zulässig. Sie sind nach Gewährung von Prozesskostenhilfe fristgerecht erhoben und genügen hinsichtlich der geltend gemachten Verfahrensfehler den Darlegungserfordernissen des § 160a Abs 2 Satz 3 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Mit der Rüge der Verletzung des § 153 Abs 4 SGG ist regelmäßig, auch ohne dies ausdrücklich zu erwähnen, zugleich die Besetzung des Berufungsgerichts nur mit Berufsrichtern und damit ein absoluter Revisionsgrund nach § 202 SGG iVm § 547 Nr 1 Zivilprozessordnung gerügt(BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 13). Nähere Ausführungen zur Kausalität sind deshalb entbehrlich (vgl BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 5 RdNr 10 mwN). Der gerügte Verfahrensmangel liegt auch vor. Auf der Grundlage von § 160a Abs 5 SGG konnte daher der Beschluss aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden.

7

Das LSG hat mit seinem Vorgehen § 153 Abs 4 SGG verletzt. Es hätte nach dem von den Klägern in der Begründung der Beschwerde zutreffend dargestellten Sachstand nicht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden dürfen. Nach § 153 Abs 4 SGG kann das LSG, außer in den Fällen des § 105 Abs 2 Satz 1 SGG, die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Zwar steht diese Entscheidung im pflichtgemäßen Ermessen des Berufungsgerichts und kann nur auf fehlerhaften Gebrauch, dh sachfremde Erwägungen und grobe Fehleinschätzung, überprüft werden (BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 13; SozR 4-1500 § 153 Nr 7). Die Entscheidung des LSG beruht hier aber deshalb auf einer groben Fehleinschätzung, weil es aus seiner Sicht entscheidungserhebliches Vorbringen der Kläger nicht zur Kenntnis genommen hat. Die Kläger haben auf den mit der Anhörung zur Entscheidung durch Beschluss verbundenen Hinweis des Gerichts hin vorgetragen, dass sie selbst im Vertrauen auf die spätere Bewilligung Hilfe vorgeleistet hätten. Diesen Vortrag hat das LSG, das lediglich den Vortrag im vorangegangenen Schreiben als nicht hinreichend substantiiert angesehen hat, nicht weiter zur Kenntnis genommen. Auf den Vortrag, wer als Dritter vorgeleistet hat, kam es nach der Rechtsauffassung des LSG aber an, denn es ist, der Rechtsprechung des BVerwG (BVerwGE 96, 18, 20) folgend, davon ausgegangen, Sozialhilfeansprüche seien nach Maßgabe der §§ 58, 59 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) ausnahmsweise (nur dann) vererblich, wenn der Hilfebedürftige zu Lebzeiten seinen Bedarf mit Hilfe eines im Vertrauen auf die spätere Bewilligung von Sozialhilfe vorleistenden Dritten gedeckt habe, weil der Träger der Sozialhilfe nicht rechtzeitig geholfen oder Hilfe abgelehnt habe.

8

Das LSG hat mit seinem Vorgehen die Kläger überdies nicht vor seiner Entscheidung ordnungsgemäß angehört, sodass auch von daher die Voraussetzungen für eine Entscheidung nach § 153 Abs 4 SGG nicht vorlagen. Auch die Anhörungspflicht nach § 153 Abs 4 Satz 2 SGG ist Ausdruck des verfassungsrechtlichen Gebots des rechtlichen Gehörs, das bei Anwendung des vereinfachten Verfahrens im Berufungsrechtszug nicht verkürzt werden darf(BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 5 RdNr 5 mwN). Es hätte nach dem neuen Tatsachenvortrag der Kläger, der nach Ansicht des LSG entscheidungserheblich gewesen wäre, eine neue Anhörungsmitteilung erfolgen müssen, weil sich gegenüber der ersten Anhörungsmitteilung die Prozesssituation entscheidungserheblich geändert hatte (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 153 RdNr 20 mwN zur stRspr des BSG).

9

Dies wäre auch nach Beschlussfassung erforderlich gewesen. Denn bei Eingang des weiteren Vorbringens war der Beschluss noch nicht wirksam geworden. Gemäß § 142 Abs 1 iVm § 133 SGG werden Beschlüsse, die ohne mündliche Verhandlung ergehen, erst mit der Zustellung wirksam. Vorbringen der Beteiligten, das nach Fristablauf, aber vor der Herausgabe der Entscheidung bei Gericht eingeht, ist von diesem also zu berücksichtigen. Auf Grundlage der Aktenführung kann der Tag des Eingangs des Schreibens der Kläger vom 12.12.2011 zwar nicht mit letzter Gewissheit festgestellt werden, weil ein Eingangsstempel auf jedem der bei Gericht per Telefax eingegangenen Schreiben der Kläger (wie auch schon auf den per Telefax übersandten Schreiben ihrer Mutter) fehlt. Aus der Fußzeile des Telefax, die offensichtlich von einem der Empfangsgeräte des LSG stammt, und der Paginierung der Akte ergibt sich aber, dass dem Gericht das Schreiben jedenfalls vor Absendung des Beschlusses am 9.2.2012 vorlag. Das LSG hätte aufgrund seiner prozessualen Fürsorgepflicht die Vorbereitung der Zustellung des Beschlusses abbrechen, die Sache wieder an sich ziehen und das Vorbringen der Kläger noch einbeziehen müssen (BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 9 und SozR 4-1500 § 153 Nr 6 RdNr 8) und ggf eine erneute Anhörung durchführen müssen.

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Die Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision in den Beschlüssen des LSG - L 7 SO 170/11 und L 7 SO 173/11 - sind dagegen nicht zulässig. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf den Zulassungsgrund des Verfahrensfehlers stützt, muss zu seiner Bezeichnung (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 36). Daran fehlt es.

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Die Kläger bezeichnen mit ihrem Vorbringen zu den beiden genannten Verfahren keine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes in der gebotenen Weise. Sie beziehen sich entgegen den dargelegten gesetzlichen Voraussetzungen nicht auf einen Beweisantrag, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wegen der Entscheidung des LSG im Hinblick auf den geltend gemachten Mehrbedarf nach § 30 Abs 1 SGB XII tragen sie im Übrigen nicht vor, vor dem Hintergrund der Rechtsauffassung des LSG hätten weitere Tatfragen als klärungsbedürftig erscheinen und zur weiteren Sachaufklärung drängen müssen. Sie wenden sich insoweit allein gegen die der Würdigung des LSG zugrunde gelegte Rechtsauffassung, was einen Verfahrensmangel nicht begründet kann.

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Auch soweit sie rügen, ihr Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art 103 Abs 1 Grundgesetz (GG) und § 62 SGG sei verletzt, weil das LSG sie nicht persönlich angehört habe, ist dieser Verstoß bezogen auf beide Verfahren nicht schlüssig dargetan. Die Beschwerdebegründung zeigt bereits nicht auf, weshalb die Möglichkeit des schriftlichen Vortrags nicht ausreichend gewesen sein sollte. Hierauf kann nicht allein aus der nach Auffassung der Kläger unzutreffenden Sachverhaltsfeststellung aufgrund einer abweichenden, von ihnen als fehlerhaft angesehenen Sachverhaltsaufklärung durch das LSG geschlossen werden. Die in § 160 Abs 2 Nr 3 SGG geregelte Beschränkung von Verfahrensrügen kann über den Umweg des § 62 SGG nicht erweitert werden(vgl BSG, Beschluss vom 28.7.1992 - 2 BU 37/92 -, HV-INFO 1993, 1406).

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Soweit die Kläger schließlich als Verfahrensmangel geltend machen, das LSG habe zu Unrecht durch Beschlüsse ohne mündliche Verhandlung gemäß § 153 Abs 4 SGG entschieden, werden diese Verfahrensfehler ebenfalls nicht hinreichend bezeichnet. Wie bereits ausgeführt, kann im (hier angestrebten) Revisionsverfahren insoweit nur überprüft werden, ob das Berufungsgericht von seinem Ermessen, nach § 153 Abs 4 SGG durch Beschluss zu entscheiden, erkennbar fehlerhaft Gebrauch gemacht hat. Solche Umstände legt die Begründung der Beschwerden nicht dar. Da die Verfahrensmängel der Verstöße gegen § 103 SGG sowie gegen Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG nicht hinreichend substantiiert worden sind, kann das diesbezügliche Vorbringen bereits aus diesem Grund einen Verstoß gegen § 153 Abs 4 Satz 1 SGG nicht schlüssig darlegen. Anders als im Verfahren L 7 SO 169/11 ist die Entscheidung des LSG nicht auf fehlende Rechtsnachfolge gestützt.

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Das LSG wird über die Kosten aller drei Beschwerdeverfahren zu entscheiden haben.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Einnahmen sind rechtzeitig und vollständig zu erheben.

(2) Der Versicherungsträger darf Ansprüche nur

1.
stunden, wenn die sofortige Einziehung mit erheblichen Härten für die Anspruchsgegner verbunden wäre und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet wird,
2.
niederschlagen, wenn feststeht, dass die Einziehung keinen Erfolg haben wird, oder wenn die Kosten der Einziehung außer Verhältnis zur Höhe des Anspruchs stehen,
3.
erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beiträge erstattet oder angerechnet werden.
Die Stundung soll gegen angemessene Verzinsung und in der Regel nur gegen Sicherheitsleistung gewährt werden. Im Falle des Satzes 1 Nummer 2 dürfen Beitragsansprüche auch niedergeschlagen werden, wenn der Arbeitgeber mehr als sechs Monate meldepflichtige Beschäftigte nicht mehr gemeldet hat und die Ansprüche die von den Spitzenverbänden der Sozialversicherung und der Bundesagentur für Arbeit gemeinsam und einheitlich festgelegten Beträge nicht überschreiten; die Grenzbeträge sollen auch an eine vorherige Vollstreckungsmaßnahme gebunden werden, wenn die Kosten der Maßnahme in einem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zur Höhe der Forderung stehen. Die Vereinbarung nach Satz 3 bedarf der Genehmigung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Kommt eine Vereinbarung nach Satz 3 nicht innerhalb einer vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales festgesetzten Frist zustande, bestimmt dieses nach Anhörung der Beteiligten die Beträge durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates.

(3) Für Ansprüche auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag trifft die Entscheidung nach Absatz 2 die zuständige Einzugsstelle. Hat die Einzugsstelle einem Schuldner für länger als zwei Monate Beitragsansprüche gestundet, deren Höhe die Bezugsgröße übersteigt, ist sie verpflichtet, bei der nächsten Monatsabrechnung die zuständigen Träger der Rentenversicherung und die Bundesagentur für Arbeit über die Höhe der auf sie entfallenden Beitragsansprüche und über den Zeitraum, für den die Beitragsansprüche gestundet sind, zu unterrichten. Die Einzugsstelle darf

1.
eine weitere Stundung der Beitragsansprüche sowie
2.
die Niederschlagung von Beitragsansprüchen, deren Höhe insgesamt die Bezugsgröße übersteigt, und
3.
den Erlass von Beitragsansprüchen, deren Höhe insgesamt den Betrag von einem Sechstel der Bezugsgröße übersteigt,
nur im Einvernehmen mit den beteiligten Trägern der Rentenversicherung und der Bundesagentur für Arbeit vornehmen.

(4) Die Einzugsstelle kann einen Vergleich über rückständige Beitragsansprüche schließen, wenn dies für die Einzugsstelle, die beteiligten Träger der Rentenversicherung und die Bundesagentur für Arbeit wirtschaftlich und zweckmäßig ist. Die Einzugsstelle darf den Vergleich über rückständige Beitragsansprüche, deren Höhe die Bezugsgröße insgesamt übersteigt, nur im Einvernehmen mit den beteiligten Trägern der Rentenversicherung und der Bundesagentur für Arbeit schließen. Der Träger der Unfallversicherung kann einen Vergleich über rückständige Beitragsansprüche schließen, wenn dies wirtschaftlich und zweckmäßig ist. Für die Träger der Rentenversicherung gilt Satz 3, soweit es sich nicht um Ansprüche aus dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag handelt.

(5) Die Bundesagentur für Arbeit kann einen Vergleich abschließen, wenn dies wirtschaftlich und zweckmäßig ist.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.