Bundessozialgericht Beschluss, 01. Dez. 2017 - B 11 AL 66/17 B

ECLI: ECLI:DE:BSG:2017:011217BB11AL6617B0
published on 01/12/2017 00:00
Bundessozialgericht Beschluss, 01. Dez. 2017 - B 11 AL 66/17 B
ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile

Gericht

There are no judges assigned to this case currently.
addJudgesHint

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 29. Juni 2017 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Der Kläger wendet sich gegen einen Rücknahme- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 12.8.2010, gegen den er (erst) nach einer Zahlungsaufforderung unter Geltendmachung von Mahngebühren vom 12.8.2013 "vorsorglich" Widerspruch eingelegt hat, welchen die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.4.2014 zurückgewiesen hat. Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (Urteil des SG vom 12.8.2015; Urteil des LSG vom 29.6.2017). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Beklagte habe den Widerspruch des Klägers zu Recht als unzulässig verworfen. Seinen Vortrag, ein derartiger Bescheid sei ihm nicht zugegangen, werte der Senat als reine Schutzbehauptung, weil er nach seinen Angaben weder das dem Bescheid vorangegangene Anhörungsschreiben der Beklagten vom 13.7.2010, noch den streitgegenständlichen Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 12.8.2010, noch die Zahlungsaufforderung vom 12.8.2010, als auch nicht die Mahnung vom 12.9.2010 erhalten habe. Unter Würdigung der Aussage der als Zeugin vernommenen Ehefrau des Klägers sei auch nicht davon auszugehen, dass diese dem Kläger die für ihn bestimmte Post vorenthalten habe.

2

Mit seiner hiergegen gerichteten Zulassungsbeschwerde macht der Kläger eine Divergenz geltend.

3

II. Die Beschwerde ist nicht zulässig, weil die als Zulassungsgrund geltend gemachte Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht in der erforderlichen Weise dargelegt worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerde ist daher nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG iVm § 169 SGG zu verwerfen.

4

Bezogen auf die Divergenzrüge hat der Kläger zwar in der Beschwerdebegründung ein Urteil des BSG, von dem die Entscheidung des LSG abweichen soll, benannt und ausgeführt, worin die Abweichung zu sehen sein soll. Er trägt vor, die Entscheidung des Berufungsgerichts weiche von dem Urteil des BSG vom 26.7.2007 (B 13 R 4/06 R) und den darin zitierten Entscheidungen der Obersten Gerichtshöfe des Bundes und des Bundesverfassungsgerichts ab. In der Entscheidung des BSG sei ausgeführt worden, "dass ohne eine nähere Regelung weder eine Vermutung für den Zugang eines mit einfachem Brief übersandten Schreibens besteht (…), noch insoweit die Grundsätze des Anscheinsbeweises gelten. (…) Hiernach gilt die Fiktion, ein schriftlicher Verwaltungsakt sei am dritten Tage nach der Abgabe zur Post bekannt gegeben, nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht (…) zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang und seinen Zeitpunkt nachzuweisen." Zweifel bestünden nach diesem Urteil demnach "unter Hinweis auf BFH vom 14.3.1989" schon dann, wenn der Adressat den Zugang - schlicht - bestreite.

5

Eine Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG setzt aber voraus, dass einerseits ein abstrakter tragender Rechtssatz der anzufechtenden Entscheidung und andererseits ein der Entscheidung eines der dort genannten Gerichte zu entnehmender abstrakter Rechtssatz nicht übereinstimmen. Ein abstrakter Rechtssatz liegt nur vor bei fallübergreifender, nicht lediglich auf einer Würdigung des Einzelfalls bezogener rechtlicher Aussage. Das LSG muss der abweichenden Rechtsprechung im Grundsätzlichen widersprochen haben; dagegen genügt nicht ein Rechtsirrtum im Einzelfall, also zB eine fehlerhafte Subsumtion, eine unzutreffende Beurteilung oder ein Übersehen einer Rechtsfrage (BSG Beschluss vom 2.2.2011 - B 13 R 381/10 B - RdNr 9; BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34). Eine solche Abweichung im Grundsätzlichen hat der Kläger nicht dargelegt, weil er dem zitierten Rechtssatz im BSG-Urteil vom 26.7.2007 keine entsprechende Aussage des LSG gegenüber gestellt hat. Vielmehr ergibt sich aus seinem Vortrag, dass das Berufungsgericht die Annahme eines Zugangs des Bescheides vom 12.8.2010 auf eine einzelfallbezogene Würdigung unter Berücksichtigung des bestrittenen Zugangs von insgesamt vier Schreiben des Beklagten in derselben Angelegenheit im nahen zeitlichen Zusammenhang gestützt hat. Dies bringt nicht zum Ausdruck, dass das LSG bei seiner Prüfung von der zitierten Entscheidung des BSG abweichen wollte. Im Ergebnis rügt der Kläger daher lediglich, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht den Kriterien der BSG-Rechtsprechung entspreche, jedoch nicht eine Abweichung im Grundsätzlichen.

6

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

6 Referenzen - Gesetze

moreResultsText

{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu
1 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 02/02/2011 00:00

Tenor Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 3. September 2010 wird als unzulässig verworfen.
{{Doctitle}} zitiert {{count_recursive}} Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Annotations

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

Das Bundessozialgericht hat zu prüfen, ob die Revision statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Revision als unzulässig zu verwerfen. Die Verwerfung ohne mündliche Verhandlung erfolgt durch Beschluß ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.