Bundesgerichtshof Urteil, 04. Dez. 2001 - XI ZR 56/01

bei uns veröffentlicht am04.12.2001

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 56/01 Verkündet am:
4. Dezember 2001
Weber,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
Ob der finanziell überforderte Ehepartner oder Lebensgefährte durch
die Mitunterzeichnung des Darlehensvertrages nach dem Willen der
Vertragsschließenden echter Darlehensnehmer oder lediglich Mithaftender
wird, richtet sich ausschließlich nach den Verhältnissen auf
seiten der Vertragsgegner des Kreditgebers.
BGH, Urteil vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01 - OLG Dresden
LG Leipzig
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 4. Dezember 2001 durch den Vorsitzenden Richter
Nobbe und die Richter Dr. Siol, Dr. Müller, Dr. Joeres und
Dr. Wassermann

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 19. Juni 2000 aufgehoben und das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig vom 2. Februar 2000 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Mitverpflichtung der Beklagten aus einem Darlehensvertrag. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Am 28. Juli 1997 schloû die klagende Sparkasse mit dem ehemaligen Lebensgefährten der Beklagten, einem Inhaber von Imbiûstuben,
einen Vertrag über ein Allzweckdarlehen mit einem Nettokreditbetrag von 105.000 DM. Der Kredit sollte bei einem Zinssatz von 9,5% p.a. in 72 Monatsraten über jeweils 1.978,20 DM zurückgezahlt werden. Der Vertrag wurde von der damals 36 Jahre alten Beklagten, einer gelernten Textilfachfrau, als "Kreditnehmer" mitunterzeichnet. Von der Darlehenssumme überwies die Klägerin vertragsgemäû 49.372,74 DM auf das Geschäftskonto ihres früheren Lebensgefährten und verrechnete weitere 55.607,26 DM mit einem von ihm allein aufgenommenen Altkredit. Nachdem er in der Folgezeit einige Zins- und Tilgungsraten trotz mehrerer Mahnungen nicht geleistet hatte, kündigte sie das Darlehen fristlos und forderte ihn und die Beklagte zur Rückzahlung auf.
Die Beklagte, die nach ihren Angaben bei Vertragsschluû längere Zeit arbeitslos war und neben der Betreuung ihres minderjährigen Kindes in den Imbiûstuben des vormaligen Lebensgefährten stundenweise gegen Bezahlung aushalf, hält die von ihr übernommene Verpflichtung für einen sittenwidrigen und daher nichtigen Schuldbeitritt. Die Klägerin ist in erster Linie der Auffassung, die Beklagte sei dem klaren Vertragswortlaut entsprechend gleichberechtigte Mitdarlehensnehmerin.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäû als Gesamtschuldnerin neben ihrem früheren Lebensgefährten zur Zahlung von 105.515,09 DM zuzüglich Zinsen verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgt sie ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision der Beklagten ist begründet; sie führt zur Abweisung der Klage.

I.


Das Berufungsgericht hat zur Begründung seines stattgebenden Urteils im wesentlichen ausgeführt:
Der von der Beklagten geschlossene Darlehensvertrag sei nicht wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Grundsätzlich sei es jedem Volljährigen aufgrund der Vertragsfreiheit als Teil der Privatautonomie unbenommen , auch risikoreiche Geschäfte abzuschlieûen und sich zu Leistungen zu verpflichten, die ihn finanziell schlechthin überforderten oder die von ihm nur unter ganz besonders günstigen Bedingungen, notfalls sogar unter dauernder Inanspruchnahme des pfändungsfreien Einkommens , erbracht werden könnten. Die Sittenwidrigkeit eines Darlehensvertrages wegen finanzieller Überforderung des Darlehensnehmers komme anders als die einer Bürgschaft oder Mithaftungsübernahme, bei der die Gefahr einer Inanspruchnahme in den Hintergrund trete, die Unterschriftsleistung leicht als bloûe Formalität erscheine und das Schutzbedürfnis naher Angehöriger höher sei als bei Mitunterzeichnung eines Darlehensvertrages, in aller Regel nicht in Betracht.
Die Beklagte sei als Mitdarlehensnehmerin anzusehen. Sie habe zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses über ein, wenn auch nur geringes Einkommen verfügt, das zusammen mit den Einnahmen aus dem Gewerbebetrieb ihres ehemaligen Lebensgefährten zur gemeinsamen Lebensführung verwendet worden sei und das im Rahmen der Gesamtschuldnerschaft für das zurückzuzahlende Darlehen habe eingesetzt
werden sollen. Ihr Kind habe bei Abschluû des Vertrages ein Alter und einen Entwicklungsgrad gehabt, welcher zu einer wirtschaftlichen Selbständigkeit seit dem 1. Januar 1999, also rund 1,5 Jahre nach der Kreditaufnahme , geführt habe. Ausgehend hiervon habe sich das Einkommen der Beklagten vergröûert und sich auch eine für eine Arbeitsaufnahme förderliche Unabhängigkeit eingestellt, so daû damals mit einer Steigerung ihrer Einnahmen zu rechnen gewesen sei. Besondere Umstände , insbesondere eine Überrumpelung oder eine Verharmlosung der Unterzeichnung des Vertrages als Formsache durch Mitarbeiter der Klägerin, seien nicht vorgetragen.

II.


Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Dem Berufungsgericht kann nicht gefolgt werden, soweit es meint, die Beklagte sei nach dem Vertragsinhalt echte Mitdarlehensnehmerin. Vielmehr hat sie bei Würdigung der objektiven Umstände zur Absicherung des neuen Kredits ihres damaligen Lebensgefährten im Wege des Schuldbeitritts lediglich die Mithaftung übernommen.
Echter Mitdarlehensnehmer ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur, wer ein eigenes – sachliches und/oder persönliches Interesse – an der Kreditaufnahme hat und als im wesentlichen gleichberechtigter Partner über die Auszahlung sowie die Verwendung der Darlehensvaluta mitentscheiden darf (BGHZ 146, 37, 41; siehe auch Senatsurteil vom 6. Oktober 1998 – XI ZR 244/97, WM 1998, 2366 f.). Ob diese Voraussetzungen im konkreten Einzelfall erfüllt sind, beurteilt sich ausschlieûlich nach den Verhältnissen auf seiten der Mit-
darlehensnehmer. Die kreditgebende Bank hat es daher nicht in der Hand, etwa durch eine im Darlehensvertrag gewählte Formulierung wie z.B. "Mitdarlehensnehmer", "Mitantragsteller", "Mitschuldner" oder dergleichen einen bloû Mithaftenden zu einem gleichberechtigten Mitdarlehensnehmer zu machen und dadurch den Nichtigkeitsfolgen des § 138 Abs. 1 BGB zu entgehen (vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 1998 - XI ZR 244/97, aaO S. 2366; Nobbe/Kirchhof BKR 2001, 5, 6). Danach durfte das Berufungsgericht die Beklagte ± wie die Revision zu Recht geltend macht ± nicht für eine echte Kreditnehmerin halten. Da es die vorgenannten Auslegungsregeln nicht einmal ansatzweise beachtet hat und weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu erwarten sind, kann der erkennende Senat die Vertragsauslegung selbst vornehmen (vgl. etwa BGHZ 124, 39, 45).
Nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsschlieûenden war der ausgereichte Kredit ausschlieûlich für den damaligen Lebensgefährten der Beklagten bestimmt, und zwar für dessen Gewerbebetrieb sowie zur Ablösung eines nur von ihm aufgenommenen Altkredits. Dafür , daû die Beklagte gleichwohl über die Auszahlung und Verwendung der Darlehensvaluta als gleichberechtigte Vertragspartei mitbestimmen durfte und von einem solchen Recht ganz oder teilweise Gebrauch gemacht hat, ist nichts vorgetragen. Nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin ist die Valutierung des Darlehens vielmehr durch Aufrechnung mit ihrer Altkreditforderung gegen den damaligen Lebensgefährten der Beklagten und durch Gutschrift von 49.392,74 DM auf dessen Geschäftskonto erfolgt. Über dieses konnte die Beklagte nicht verfügen. Da sie an den Imbiûbetrieben ihres früheren Lebensgefährten nicht beteiligt war, deutet bei objektiver Betrachtung auch nichts auf ein eigenes ± sachliches und/oder persönliches ± Interesse an der Kreditaufnahme und Mittelverwendung hin. Der Umstand, daû beide auf die
Geschäftseinnahmen angewiesen waren und das neue Darlehen für den Fortbestand des Gewerbetriebes dringend notwendig gewesen sein soll, spricht ebenfalls nicht dafür, die Beklagte als echte Mitdarlehensnehmerin anzusehen, sondern lenkt nur den Blick auf die wirtschaftliche Abhängigkeit der Beklagten bei Abgabe der Mithaftungserklärung.

III.


Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO). Die Mithaftungsübernahme überforderte die Beklagte finanziell in krasser Weise, ohne daû sich für die Klägerin entlastende Umstände anführen lassen.
1. Nach der inzwischen übereinstimmenden Rechtsprechung sowohl des IX. als auch des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs hängt die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB bei Bürgschafts- und Mithaftungsverträgen zwischen Kreditinstituten und privaten Sicherungsgebern regelmäûig entscheidend vom Grad des Miûverhältnisses zwischen dem Verpflichtungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit des Bürgen oder Mitverpflichteten ab (BGHZ 125, 206, 211; 136, 347, 351; 137, 329, 333 f.; 146, 37, 42; BGH, Urteil vom 26. April 2001 - IX ZR 337/98, WM 2001, 1330, 1331; Senatsurteil vom 13. November 2001 ± XI ZR 82/01, Urt.Umdr. S. 6). Zwar reicht selbst der Umstand, daû der Betroffene voraussichtlich nicht einmal die vertragliche Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens oder Vermögens tragen kann, regelmäûig nicht aus, um das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit zu begründen. In einem solchen Falle krasser finanzieller Überforderung wird aber widerleglich vermutet, daû die ruinöse Bürgschaft oder Mithaftung allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner
übernommen wurde und der Kreditgeber dies in sittlich anstöûiger Weise ausgenutzt hat (BGH, Urteil vom 26. April 2001 ± IX ZR 337/98, aaO S. 1331 m.w.Nachw.; Senatsurteil vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01, Urt.Umdr. S. 6 f.).
2. Die in der Literatur geäuûerte Kritik, diese Betrachtungsweise betone zu sehr die krasse finanzielle Überforderung und das persönliche Näheverhältnis zwischen Bürgen oder Mithaftenden und Hauptschuldner und vernachlässige das vom Bundesverfassungsgericht angesprochene Erfordernis einer strukturellen Unterlegenheit des Bürgen oder Mithaftenden sowie die Umstände bei der Haftungsbegründung, insbesondere eine unzulässige Willensbeeinflussung (Habersack/Giglio WM 2001, 1100, 1103; vgl. auch Roth JZ 2001, 1039 f.), ist nicht berechtigt. Mit dem Kriterium des Handelns aus emotionaler Verbundenheit wird den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 89, 214, 231 f.; BVerfG WM 1994, 1837, 1839) Rechnung getragen , den gegenüber der kreditgebenden Bank weitaus unterlegenen Bürgen oder Mithaftenden mit Hilfe der Generalklauseln des Bürgerlichen Rechts vor der Abgabe fremdbestimmter und ungewöhnlich belastender Willenserklärungen zu schützen. Je stärker dabei das Übergewicht des Kreditgebers ist, je gravierender die Belastungen und je enger die persönlichen Beziehungen zwischen Bürgen oder Mithaftenden sind, desto wahrscheinlicher ist es, daû es an einer nüchtern abwägenden , selbstbestimmten Entschlieûung des Bürgen oder Mithaftenden fehlt. Es trifft daher entgegen einer in der Literatur (Medicus JuS 1999, 833, 835 f.; Zöllner WM 2000, 1, 5, 9 f.; Habersack/Giglio aaO S. 1103) vertretenen Ansicht nicht zu, die krasse finanzielle Überforderung und die Nähebeziehung zwischen Mithaftenden und Hauptschuldner seien für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit der Personalsicherheit indifferent (vgl. Tiedtke JZ 2000, 677; Nobbe/Kirchhof aaO; s. auch Kulke
ZIP 2001, 985, 989). Vielmehr ist es gerechtfertigt, dem Gläubiger in den Fällen einer krassen finanziellen Überforderung die Darlegungsund Beweislast für eine im wesentlichen freie Willensentscheidung des Sicherungsgebers aufzubürden. Bei dieser differenzierenden Beurteilung bleiben die Umstände des Einzelfalles keineswegs auûer acht, sondern spielen bei der Widerlegung der tatsächlichen Vermutung einer unzulässigen Willensbeeinflussung eine entscheidende Rolle (st.Rspr., siehe etwa BGHZ 146, 37, 45).
3. Die zum Zeitpunkt der Kreditaufnahme 36 Jahre alte Beklagte war voraussichtlich nicht in der Lage, die im Darlehensvertrag festgelegte Zinslast von monatlich 831,25 DM bei Eintritt des Sicherungsfalls allein zu tragen. Die von ihr bezogene Arbeitslosenhilfe betrug damals ausweislich des vorgelegten Leistungsnachweises lediglich 1.287,10 DM monatlich. Von diesem Betrag waren, selbst wenn man die damals noch bestehende, aber in absehbarer Zeit endende Unterhaltspflicht der Beklagten gegenüber ihrem Kind auûer acht läût, lediglich 49,70 DM monatlich pfändbar. Das von der Beklagten durch stundenweise Mitarbeit in den Imbiûstuben ihres damaligen Lebensgefährten erzielte Einkommen fällt nach dem eigenen Vortrag der Klägerin nicht ins Gewicht. Eigenes pfändbares Vermögen, das sie zur Schuldentilgung hätte einsetzen können, war nicht vorhanden. An der krassen finanziellen Überforderung der Beklagten bei Abschluû des Vertrages kann danach kein Zweifel bestehen.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war aus der maûgebenden Sicht eines seriösen und vernünftigen Kreditgebers innerhalb der 72-monatigen Laufzeit des Darlehens (zu dieser Voraussetzung siehe BGHZ 146, 37, 43; Senatsurteil vom 26. April 1994 - XI ZR 184/93, WM 1994, 1022, 1024) auch nicht mit einer Beseitigung der fi-
nanziellen Leistungsunfähigkeit der Beklagten zu rechnen. Zwar hatte ihr Kind bei Abgabe der Mithaftungserklärung bereits ein Alter erreicht, das eine Betreuung und finanzielle Unterhaltsleistungen in naher Zukunft entbehrlich machte. Da die Beklagte nach ihrem unwidersprochenen Vortrag über einen längeren Zeitraum arbeitslos war, muûte aber die Möglichkeit einer alsbaldigen Ausübung des von ihr erlernten Berufes einer Textilfachfrau unwahrscheinlich erscheinen. Dafür, daû diese Betrachtungsweise nicht der späteren realen Entwicklung ihrer Einkommensverhältnisse entspricht, bestehen auch unter Berücksichtigung der Revisionserwiderung keine Anhaltspunkte.
4. Auch von einer emotionalen Verbundenheit der Beklagten mit ihrem damaligen Lebenspartner, dem Darlehensnehmer, mit dem sie in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebte, ist ebenso wie bei Ehepartnern auszugehen (BGH, Urteile vom 23. Januar 1997 ± IX ZR 55/96, WM 1997, 465 und vom 27. Januar 2000 ± IX ZR 198/98, WM 2000, 410, 412). Die persönliche enge Beziehung zwischen der Beklagten und ihrem damaligen Lebensgefährten sowie die die krasse finanzielle Überforderung begründenden Umstände waren der Klägerin aus den Darlehensverhandlungen entweder bekannt oder sie hat sich einer Kenntnis bewuût verschlossen. Nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 146, 37, 45) lag es daher bei ihr darzulegen und notfalls zu beweisen, daû die Beklagte sich bei Abgabe der Mithaftungserklärung von einer realistischen Einschätzung des wirtschaftlichen Risikos und nicht von fremdbestimmten Motiven hat leiten lassen. Dafür ist hier jedoch nichts dargetan oder ersichtlich.
5. Anders als die Revisionserwiderung meint, ist mit der seit dem 1. Januar 1999 geltenden Insolvenzordnung die Wertungsbasis für eine Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB nicht entfallen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit grundsätzlich der Zeitpunkt des Vertragsschlusses maûgebend (BGHZ 72, 308, 314; 100, 353, 359; 120, 272, 276; 125, 206, 209; 140, 395, 399). Der Darlehensvertrag wurde indes bereits im Sommer des Jahres 1997, also vor Inkrafttreten der Insolvenzverordnung geschlossen. Schon deshalb ist es nicht möglich , das in ihr normierte Verfahren zur Restschuldbefreiung zu berücksichtigen.

IV.


Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) und die Klage abweisen.
Nobbe Siol Müller
Joeres Wassermann

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(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

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13. November 2001
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
BGB § 138 Bb Abs. 1
Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von Mithaftungsübernahmen
naher Angehöriger entwickelten Grundsätze gelten nicht
nur für Kreditinstitute, sondern auch für andere gewerbliche oder berufliche
Kreditgeber im Sinne des Verbraucherkreditgesetzes.
BGH, Urteil vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01 - OLG Schleswig
LG Kiel
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. November 2001 durch den Vorsitzenden Richter
Nobbe, die Richter Dr. Müller, Dr. Joeres, Dr. Wassermann und die
Richterin Mayen

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 19. Januar 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben als es die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 12. Mai 1999 zurückgewiesen hat. Auf die Berufung des Klägers wird das vorbezeichnete Urteil des Landgerichts abgeändert.
Die Zwangsvollstreckung der Beklagten aus der Urkunde des Notarvertreters U. H. vom 29. Oktober 1996 - Urk.-Nr. ... des Notars P., Sch. - wird für unzulässig erklärt, soweit sie sich gegen den Kläger richtet.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Zwangsvollstrekkung aus einer notariellen Urkunde. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde :
Der Vater des Klägers verkaufte der beklagten GmbH, zu deren Unternehmensgegenstand u.a. die Vermittlung von Finanzierungen und Immobilien gehört, mit notariellem Vertrag vom 3. Mai 1996 sein in der Zwangsversteigerung befindliches Hausgrundstück. Nach dem Inhalt des Kaufvertrages war der Käuferin lastenfreies Eigentum zu verschaffen. Entgegen der Vorstellung der Vertragsparteien reichte dazu der vereinbarte Kaufpreis von 175.000 DM jedoch nicht aus. Um die Abwicklung des Kaufvertrages nicht zu gefährden, gewährte die Beklagte dem Vater des Klägers ein Darlehen über 35.000 DM, verlangte aber von seiner Ehefrau und dem Kläger eine vollstreckbare Mithaftungsübernahme.
In notarieller Urkunde vom 29. Oktober 1996 erkannten daraufhin der damals 18 Jahre alte Kläger und seine Eltern an, der Beklagten als Gesamtschuldner 35.000 DM zuzüglich 10% Zinsen zu schulden, verpflichteten sich zur Rückzahlung des Kredites spätestens am 1. Januar 1997 und unterwarfen sich wegen dieser Verpflichtung der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen.
Der Kläger, der nach seiner Darstellung bei Abgabe der notariellen Erklärungen noch die Realschule besuchte und nach zwischenzeitlicher Ableistung des Wehrdienstes arbeitslos ist, ist der Ansicht, der Schuld-
beitritt zur Darlehensschuld seines Vaters sei wegen Verstoßes gegen die guten Sitten und darüber hinaus auch nach § 6 Abs. 1 und § 10 Abs. 1, 2 VerbrKrG nichtig. Die Beklagte hält dem u.a. entgegen, der Kläger habe ihren Angestellten ausdrücklich versichert, das seinem Vater gewährte Darlehen aus eigenen Mitteln zurückzahlen zu können, weil er sich entweder selbständig machen oder als Berufs- bzw. Zeitsoldat verpflichten wolle.
Das Landgericht hat die gegen die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde vom 29. Oktober 1996 gerichtete Klage abgewiesen. Unter Berücksichtigung übereinstimmender Teilerledigungserklärungen der Prozeßparteien und eines von der Beklagten beim Vater des Klägers beigetriebenen Betrages hat das Berufungsgericht die Zwangsvollstrekkung nur insoweit für unzulässig erklärt, als sie sich gegen den Kläger wegen eines über 20.653,07 DM hinausgehenden Teils der Hauptforderung richtet. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt er seinen Antrag, die Zwangsvollstreckung insgesamt für unzulässig zu erklären, weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision des Klägers ist begründet.

I.


Das Berufungsgericht hat das vom Kläger abgegebene Schuldanerkenntnis für wirksam erachtet und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Zwar finde das Verbraucherkreditgesetz auf den vom Kläger in der notariellen Urkunde vom 29. Oktober 1996 erklärten kumulativen Schuldbeitritt zur Darlehensschuld seines Vaters entsprechende Anwendung. Daû die vertraglich festgelegte Laufzeit des Darlehens von weniger als drei Monaten einen die Anwendung des Verbraucherkreditgesetzes ausschlieûenden Zahlungsaufschub im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 3 VerbrKrG darstelle, ändere daran nichts. Da weder die Eltern des Klägers noch er selbst den Kredit innerhalb dieser kurzen Frist hätten zurückzahlen können, sei diese Vereinbarung wegen Umgehung des Verbraucherkreditgesetzes nach § 18 Satz 2 VerbrKrG nichtig. Entgegen der Auffassung des Klägers sei die Mithaftungsabrede aber nicht wegen eines Formmangels unwirksam, weil § 4 VerbrKrG auf einen notariell beurkundeten Kreditvertrag nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 VerbrKrG keine Anwendung finde. Ebensowenig ergebe sich aus § 10 Abs. 1, 2 VerbrKrG ein Nichtigkeitsgrund. Nach seinem klaren Wortlaut verbiete das Gesetz nur den gänzlichen Verzicht des Verbrauchers auf Einwendungen oder deren Verlust durch die Auswirkungen der Verkehrsfähigkeit von Wechseln und Schecks. Dem sei der Fall einer erschwerten Durchsetzung von Einwendungen oder Einreden aufgrund der notariellen Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung nicht gleichzusetzen.
Der Schuldbeitritt des Klägers sei auch nicht sittenwidrig. Die Beklagte habe sich nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des 18 Jahre alten Klägers nicht näher erkundigen müssen. Sie habe
insoweit unwiderlegt vorgetragen, der Kläger habe vor Beurkundung des Schuldanerkenntnisses erklärt, er werde sich selbständig machen oder sich als Berufs- oder Zeitsoldat verpflichten und könne deshalb die übernommenen Verbindlichkeiten erfüllen.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Es liegt eine den Kläger besonders belastende und die Nichtigkeitsfolge des § 138 Abs. 1 BGB auslösende Störung der Vertragsparität vor. Mit seiner gegenteiligen Auffassung hat das Berufungsgericht im Rahmen der erforderlichen Zukunftsprognose einseitig auf die für erwiesen erachteten Angaben des Klägers zu seinen beruflichen Absichten abgestellt, ohne deren fehlenden Realitätsgehalt und die kurze Laufzeit des Darlehens zu berücksichtigen.

a) Nach der inzwischen übereinstimmenden Rechtsprechung des IX. und XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs hängt die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf von Banken mit privaten Sicherungsgebern geschlossenen Bürgschafts- und Mithaftungsverträgen entscheidend vom Grad des Miûverhältnisses zwischen dem Verpflichtungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit des dem Hauptschuldner persönlich nahe stehenden Mitverpflichteten ab (BGHZ 125, 206, 211; 136, 347, 351; 137, 329, 333 f.; 146, 37, 42; BGH, Urteil vom 26. April 2001 - IX ZR 337/98, WM 2001, 1330, 1331). Zwar reicht selbst der Umstand, daû der Betroffene voraussichtlich nicht einmal die vertragliche Zinslast
aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens oder Vermögens tragen kann, regelmäûig nicht aus, um das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit zu begründen. In einem solchen Falle krasser finanzieller Überforderung wird aber widerleglich vermutet, daû er die ruinöse Bürgschaft oder Mithaftung allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Kreditnehmer übernommen und die Bank dies in sittlich anstöûiger Weise ausgenutzt hat (BGH, Urteil vom 26. April 2001 - IX ZR 337/98, aaO S. 1331 m.w.Nachw.). Nach diesen Grundsätzen ist der Schuldbeitritt des Klägers nichtig.

b) Der von der Beklagten erfolglos gepfändete vermögenslose Kläger ist arbeitslos und deshalb nicht in der Lage, die laufenden Zinsen des Darlehens aufzubringen. Etwas anderes war nach der erforderlichen Prognose im Zeitpunkt der Übergabe der Mithaftungserklärung auch nicht zu erwarten.
aa) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist bei der Prognose (vgl. BGHZ 146, 37, 43; Urteil vom 26. April 1994 - XI ZR 184/93, WM 1994, 1022, 1024) auf die vertraglich festgelegte Kreditlaufzeit abzustellen. Ist der Mithaftende innerhalb dieser Zeit voraussichtlich nicht in der Lage, wenigstens die laufenden Zinsen aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens oder Vermögens aufzubringen, so liegt eine krasse finanzielle Überforderung vor.
Hier haben die Vertragsschlieûenden für das ausgereichte Darlehen über 35.000 DM lediglich eine Laufzeit von nicht einmal drei Monaten bis zum 1. Januar 1997 vereinbart. Dafür, daû der Kläger, der bei
Übernahme der Mithaftung am 29. Oktober 1996 nach seinem Vortrag noch die Realschule besuchte und auf die Unterhaltsleistungen seiner Eltern angewiesen war, innerhalb dieses kurzen Zeitraums einen nennenswerten Beitrag zur Tilgung des Kredits werde leisten oder zumindest die vertragliche Zinslast von 10% p.a. werde tragen können, ist nichts dargetan oder ersichtlich. Zugunsten des Klägers greift deshalb die widerlegliche Vermutung ein, daû die Beklagte bei ihrem Mithaftungsverlangen seine emotionale Verbundenheit mit seinen Eltern in sittlich anstöûiger Weise ausgenutzt hat.
bb) Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus , daû das Berufungsgericht die Vertragsklausel über die kurze Laufzeit des Darlehens für eine nach § 18 Satz 2 VerbrKrG nichtige Umgehung des Verbraucherkreditgesetzes erachtet hat und daû die Beklagte auf die alsbaldige Verwirklichung der beruflichen Pläne des Klägers vertraut haben will.
Dabei kann offenbleiben, ob die Auffassung des Berufungsgerichts zutrifft, die vereinbarte Laufzeit des Kredits von weniger als drei Monaten stelle einen Zahlungsaufschub dar, der die Anwendbarkeit des Verbraucherkreditgesetzes gemäû § 3 Abs. 1 Nr. 3 VerbrKrG ausschlieûe, und ob insoweit ein Verstoû gegen das Umgehungsverbot des § 18 Satz 2 VerbrKrG vorliegt. Darauf kommt es schon deshalb nicht entscheidend an, weil die Beklagte, wie vor allem ihre unmittelbar nach dem 1. Januar 1997 eingeleiteten Zwangsvollstreckungsmaûnahmen deutlich zeigen, von einer Wirksamkeit der vertraglichen Regelung ausgegangen
ist und eine zur Nichtigkeit führende Gesetzesumgehung sie im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB nicht entlasten kann.
Der Äuûerung des Klägers, er wolle sich entweder selbständig machen oder als Berufs- bzw. Zeitsoldat verpflichten, kommt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine wesentliche Bedeutung zu. Vielmehr handelt es sich - worauf die Revision zu Recht hinweist - nur um einen allgemeinen Zukunftswunsch eines gerade erst volljährig gewordenen Jugendlichen ohne jede Berufsausbildung. Offenbar wuûte der Kläger zum damaligen Zeitpunkt nicht einmal, in welchem Berufsfeld er eine selbständige Tätigkeit ausüben wollte. Ebenso waren konkrete Hinweise darauf, daû er die von der Bundeswehr für Zeit- oder Berufssoldaten verlangten Einstellungsvoraussetzungen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erfüllen würde, nicht vorhanden. Daû solche vagen und substanzlosen Angaben nicht zur Grundlage einer seriösen und vernünftigen Zukunftsprognose gemacht werden können, liegt auf der Hand.
2. Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO).

a) Entgegen der Auffassung der Beklagten muû sie sich bei der Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB ebenso behandeln lassen wie ein Kreditinstitut.
aa) Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 89, 214, 231 f.; BVerfG WM 1994, 1837, 1839) gebietet die grundrechtlich gewährleistete Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 GG) sowie
das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG) bei typisierbaren Fallgestaltungen, die eine strukturelle Unterlegenheit des einen Vertragsteils erkennen lassen, eine Korrektur geschlossener Verträge, wenn die Vertragsfolgen für den unterlegenen Teil ungewöhnlich belastend sind. Je gravierender die Vertragsfreiheit im konkreten Einzelfall gestört ist und die Folgen für den strukturell unterlegenen Vertragspartner sind, umso dringender ist eine Korrektur geschlossener Verträge mit Hilfe der Generalklauseln des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Nobbe /Kirchhof BKR 2001, 5, 6).
Nach der Lebenserfahrung ist die Unterlegenheit des Bürgen oder Mithaftenden bei Forderungen von Kreditinstituten nach Übernahme ruinöser Bürgschaften oder Mithaftungen finanziell kraû überforderter Ehegatten oder naher Angehöriger in aller Regel besonders groû. Eine ähnliche wirtschaftliche Überlegenheit kommt aber auch bei anderen Kreditgebern in Betracht, insbesondere wenn sie ihre laufenden Einkünfte ganz oder teilweise aus Geldgeschäften beziehen und als Unternehmer im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 VerbrKrG anzusehen sind. So liegen die Dinge auch hier.
bb) Bei der Beklagten handelt es sich um eine Kapitalgesellschaft, die sich gewerbsmäûig neben dem Versicherungs- und Maklergeschäft auch mit der Vermittlung von Finanzierungen und Bausparverträgen befaût. Sie betreibt daher - wenn auch nur im weiteren Sinne - Geldgeschäfte. Das Berufungsgericht hat sie deshalb in anderem Zusammenhang zu Recht als Kreditgeberin im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 VerbrKrG angesehen.

Nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers ist ferner davon auszugehen, daû sein Vater wegen seiner damals schlechten finanziellen Verhältnisse von einer Bank oder Sparkasse kein Darlehen mehr bekommen hätte und der Kaufvertrag über das in der Zwangsversteigerung befindliche Hausgrundstück ohne das Kreditengagement der Beklagten nicht durchgeführt worden wäre. Wenn sie ihm in dieser ausweglosen wirtschaftlichen Lage unter der nicht verhandelbaren Bedingung einer unbeschränkten Mithaftung der Familienmitglieder ein auf dem freien Kapitalmarkt nicht mehr zu erhaltendes Darlehen zur Erfüllung der kaufvertraglichen Verpflichtungen anbot, so geschah dies aus einer wirtschaftlichen Machtstellung heraus, die durchaus mit der eines Kreditinstituts zu vergleichen ist. Nichts spricht daher dafür, an die Wirksamkeit des Schuldbeitritts des völlig mittellosen Klägers weniger strenge Anforderungen zu stellen. Die Beklagte muû sich daher genauso behandeln lassen wie ein Kreditinstitut.

b) Auch stehen einer Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB keine anderen Hinderungsgründe entgegen.
Liegen eine krasse finanzielle Überforderung des Bürgen oder Mithaftenden und ein persönliches Näheverhältnis der vorgenannten Art objektiv vor, so ist es grundsätzlich Sache des Kreditgebers, die tatsächliche Vermutung zu widerlegen, daû der Sicherungsgeber sich nicht von einer realistischen Einschätzung des wirtschaftlichen Risikos, sondern von seiner emotionalen Bindung an den Hauptschuldner hat leiten lassen und der Kreditgeber diese Situation in sittlich anstöûiger Weise
ausgenutzt hat (st.Rspr., siehe etwa BGHZ 146, 37, 45). Dafür ist hier jedoch nichts dargetan oder ersichtlich. Daû der Kläger nach dem Vortrag der Beklagten die Vertragsverhandlungen für seinen fast tauben Vater geführt haben soll, deutet für sich genommen nicht auf eine unbeeinfluûte autonome Willensentscheidung hin. Selbst erfahrene und geschäftsgewandte Personen, die für den ihnen persönlich nahestehenden Kreditnehmer die Kreditgespräche führen, können dabei aus emotionaler Verbundenheit Verbindlichkeiten eingehen, die sie finanziell kraû überfordern und die sie im geschäftlichen Bereich vermutlich niemals eingegangen wären (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2000 - IX ZR 198/98, WM 2000, 410, 413).

III.


Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) und der Klage in vollem Umfang stattgeben.
Nobbe Müller Joeres
Wassermann Mayen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 198/98 Verkündet am:
27. Januar 2000
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein

a) Ob der Bürge durch eine Bürgschaft finanziell kraß überfordert wird, ist allein
aufgrund seiner eigenen Vermögensverhältnisse, nicht auch derjenigen des
Hauptschuldners zu beurteilen (Abweichung vom Senatsurt. v. 18. Januar 1996
- IX ZR 171/95, WM 1996, 519, 521). Eine solche Überforderung liegt jedenfalls
vor, wenn der Bürge voraussichtlich nicht einmal die laufenden Zinsen der
Hauptschuld aufzubringen vermag. Anderweitige Sicherheiten des Gläubigers
sind nur zu berücksichtigen, soweit sie das Haftungsrisiko des Bürgen verringern.

b) Wird der Bürge durch eine Bürgschaft, die er aus emotionaler Verbundenheit
zum Hauptschuldner übernommen hat, kraß überfordert, und ist der Vertrag wirt-
schaftlich sinnlos, steht es der Sittenwidrigkeit der Verpflichtung weder entgegen
, daû der - nicht geschäftsungewandte - Bürge Vertragsverhandlungen im
Namen der Hauptschuldnerin geführt hat, noch daû die Hauptschuld dazu dient,
den Bau eines gemeinsam zu bewohnenden Hauses auf einem Grundstück der
Hauptschuldnerin zu finanzieren, noch daû der Bürge zusätzliche Sicherheiten
aus eigenem Vermögen stellt.

c) Das Vermeiden von Vermögensverschiebungen durch den Hauptschuldner auf
den Bürgen schlieût die Sittenwidrigkeit einer diesen kraû überfordernden Bürgschaft
insgesamt nicht aus, wenn die Höhe der Bürgschaft das berechtigte Sicherungsinteresse
des Gläubigers offenkundig weit übersteigt.
BGH, Urteil vom 27. Januar 2000 - IX ZR 198/98 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. Januar 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Paulusch und die
Richter Kirchhof, Dr. Fischer, Dr. Zugehör und Dr. Ganter

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des Klägers wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 13. Mai 1998 aufgehoben und dasjenige der 9. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 9. Oktober 1997 abgeändert, soweit es zum Nachteil des Klägers ergangen ist.
Es wird festgestellt, daû die Beklagte aus der vom Kläger am 21. Februar 1992 unterzeichneten Bürgschaftsurkunde keine Rechte gegen den Kläger herleiten kann.
Die Anschluûberufung der Beklagten gegen das bezeichnete Urteil des Landgerichts wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Beklagten zur Last.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger übernahm am 21. Februar 1992 eine Höchstbetragsbürgschaft von 1,65 Mio. DM gegenüber der Beklagten zur Sicherung ihrer Darlehensansprüche in gleicher Höhe gegen Frau B., die Lebensgefährtin des Klägers. Mit dem Darlehen wollten der Kläger und Frau B. auf einem dieser allein gehörenden Grundstück ein Wohnhaus bauen. Der Beklagten standen vereinbarungsgemäû weitere Sicherheiten zu. Das Darlehen wurde im Dezember 1992 auf 1,35 Mio. DM zurückgeführt, später aber notleidend und im April 1994 gekündigt. Nach Verwertung von Sicherheiten hat die Beklagte gemäû ihrer Behauptung noch eine Restforderung von 386.685,55 DM zuzüglich Zinsen; als Sicherheit dient ihr weiterhin eine Grundschuld auf einem Grundstück der Mutter des Klägers.
Anfang 1995 trat Frau B. die Ansprüche aus ihrer Witwenrente sowie aus einer Unfallversicherungsrente an den Kläger ab.
Der Kläger beantragt die Feststellung, daû die Beklagte aus der Bürgschaftsurkunde vom 21. Februar 1992 keine Rechte herleiten kann. Das Landgericht hat unter Abweisung der weitergehenden Klage festgestellt, daû die Beklagte derzeit gegen den Kläger keine derartigen Rechte herleiten kann. Die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen; auf die Anschluûberufung der Beklagten hat es die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers.

Entscheidungsgründe:


Das Rechtsmittel führt zur Verurteilung der Beklagten gemäû dem Klageantrag.

I.


Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die zulässige Feststellungsklage sei unbegründet. Die Bürgschaft sei nicht wegen Sittenwidrigkeit nichtig.
Es sei schon zweifelhaft, ob der 1959 geborene Kläger nicht in der Lage gewesen sei, die Bürgschaftsforderung zu begleichen. Zwar habe die Beklagte ihre Behauptung, der Kläger habe vom Unternehmen seiner Lebensgefährtin ein monatliches Einkommen von 4.000 DM erhalten, nicht bewiesen. Der Kläger sei aber Mitinhaber von Anteilen an einem ausländischen Wertpapierfonds gewesen, deren Verkauf im März 1993 einen Erlös von 429.000 DM erbrachte; daû diese Wertpapiere möglicherweise im Innenverhältnis der Hauptschuldnerin allein zustanden, habe der Kläger jedenfalls nicht der Beklagten offenbart. Bis Dezember 1992 habe er von seiner Mutter auch ein Grundstück erlangt, das nunmehr mit einer Grundschuld von 350.000 DM zugunsten der Beklagten belastet sei. Ferner hätten dem Kläger Ansprüche aus einer Lebensversicherung zugestanden, die er zur Sicherung des Darlehens an die Beklagte abgetreten habe. Andererseits seien die von der Hauptschuldnerin gewährten, zusätzlichen umfangreichen Sicherheiten nicht zu berücksichtigen, weil nach
Nr. 6 der Bürgschaftsurkunde die Beklagte gegenüber dem Kläger frei sei, diese Sicherheiten aufzugeben.
Jedenfalls habe die Beklagte ein rechtlich vertretbares Interesse an der Verpflichtung des Klägers gehabt. Denn es habe die Gefahr bestanden, daû die Hauptschuldnerin ihr Vermögen auf den Kläger übertragen würde. Nach dem eigenen Vorbringen des Klägers sei die Möglichkeit einer Vermögensverschiebung Inhalt der Gespräche der Parteien anläûlich der Bürgschaftserklärung gewesen. Daû die Gefahr nicht ferngelegen habe, werde durch die Übertragung der Rentenansprüche im Februar 1995 bestätigt.
Die Umstände des Falles sprächen gegen die Vermutung, daû der Kläger seine Bürgschaftserklärung allein aufgrund einer emotionalen Bindung an seine Lebenspartnerin bei gleichzeitiger Geschäftsungewandtheit abgegeben habe. Vielmehr habe der Kläger ein hohes eigenes Interesse an der Erstellung des Einfamilienhauses auf dem Grundstück der Hauptschuldnerin gehabt, weil er es habe bewohnen wollen, weshalb er zu diesem Zweck auch selbst Ausbauten vorgenommen habe. An allen das Darlehen betreffenden Gesprächen habe er nicht nur persönlich mitgewirkt, sondern auch die Verhandlung aktiver als seine Lebensgefährtin geführt. Indem er sich selbst als Mitantragsteller in einem Darlehensantrag aufgeführt habe, habe er den Hausbau und damit die Darlehensgewährung zur eigenen Angelegenheit gemacht und bereits hierdurch seinen Willen zur eigenen vollen Haftung zum Ausdruck gebracht. Zudem habe er aus seinem Vermögen Sicherheiten für das Darlehen gestellt. Er sei nicht geschäftsungewandt gewesen, nachdem er persönlich in früherer Zeit ein Fuhrgeschäft geleitet habe.

II.


Demgegenüber rügt die Revision: Die Bürgschaft sei sittenwidrig. Ein Sicherungsinteresse der Beklagten habe jedenfalls nicht in Höhe von 1,65 Mio. DM oder auch nur von 1,35 Mio. DM bestanden, weil das Ausfallrisiko durch andere Sicherheiten wesentlich herabgesetzt gewesen sei. Der Kläger werde durch die Bürgschaft, wie der Beklagten von Anfang an bekannt gewesen sei, kraû überfordert. Eigenes Einkommen habe er im Zeitpunkt der Verbürgung nicht gehabt. Die Anteile am ausländischen Wertpapierfonds hätten ausschlieûlich der Hauptschuldnerin zugestanden und seien zudem auch als Sicherheit an die Beklagte verpfändet gewesen. Das von der Mutter des Klägers auf diesen übertragene Grundstück habe für die hohe Schuldsumme nicht annähernd ausgereicht, zumal die Mutter sich ein lebenslängliches Wohnrecht vorbehalten habe. Die gerade erst abgeschlossenen Lebensversicherungen hätten nur einen Rückkaufswert von rund 60.000 DM gehabt und seien der Beklagten ebenfalls sicherungshalber übertragen gewesen.
Der Kläger habe ferner die Bürgschaftserklärung allein aufgrund einer emotionalen Bindung an seine Lebenspartnerin bei gleichzeitiger Geschäftsunerfahrenheit abgegeben. Sein Interesse, in dem Einfamilienhaus auf dem Grundstück der Hauptschuldnerin zu wohnen, stelle nur einen mittelbaren Vermögensvorteil dar, welcher die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB nicht ausschlieûe.

III.


Die vom Kläger am 21. Februar 1992 eingegangene Bürgschaft ist sittenwidrig. Gemäû § 138 Abs. 1 BGB ist eine Bürgschaft insbesondere dann nichtig, wenn der aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner handelnde Bürge finanziell kraû überfordert wird und die Bürgschaft sich auch aus Sicht eines vernünftig denkenden Gläubigers als wirtschaftlich sinnlos erweist. Davon ist hier auf der Grundlage des eigenen Vorbringens der Beklagten auszugehen.
1. Der Kläger wird durch die Bürgschaft kraû überfordert. Da die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts aufgrund der bei Vertragsschluû vorliegenden Umstände und erkennbaren Entwicklungen zu beurteilen ist, ist der Verbürgung im vorliegenden Fall eine Hauptschuld von 1,65 Mio. DM zugrunde zu legen; eine Absenkung um 300.000 DM wurde erst später vereinbart (s.u. IV).

a) Der Bürge ist kraû überfordert, wenn die Verbindlichkeit, für die er einstehen soll, so hoch ist, daû bereits bei Vertragsschluû nicht zu erwarten ist, er werde - wenn sich das Risiko verwirklicht - die Forderung des Gläubigers wenigstens zu wesentlichen Teilen tilgen können (vgl. BGHZ 125, 206, 211; vgl. Senatsurt. v. 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, WM 1998, 2327 f). Davon ist bei nicht ganz geringfügigen Hauptschulden jedenfalls dann auszugehen, wenn der Bürge voraussichtlich nicht einmal die laufenden Zinsen der Hauptschuld aufzubringen vermag. Im Rahmen der Prüfung, ob die Geschäftsgrundlage einer Bürgschaft weggefallen ist, hat der Senat zwar darauf abgestellt, ob der Bürge innerhalb von fünf Jahren nicht einmal ein Viertel der Hauptsumme auf-
zubringen vermag (BGHZ 132, 328, 338; 134, 325, 332). Aufgrund dieses Maûstabes hat er jedoch nie die Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft für eine verzinsliche Hauptschuld bejaht. Soweit den Urteilen in BGHZ 136, 347, 351 f sowie BGHZ 137, 329, 337 f eine Anwendbarkeit des letztgenannten Maûstabes auch im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB entnommen werden könnte, wird das Gegenteil ausdrücklich klargestellt.
Die Bürgschaftssumme von 1,65 Mio. DM überfordert den Kläger kraû. Das Darlehen war mit jährlich 9 %, also monatlich 12.375 DM zu verzinsen. Einen solchen Betrag konnte der Kläger nicht annähernd erwirtschaften. Als gelernter Glaser hatte er ein eigenes Fuhrgeschäft schon vor der hier maûgeblichen Zeit aufgegeben. Eine Erwerbstätigkeit in dem erlernten Beruf oder als Kraftfahrer verschafft erfahrungsgemäû keine Einkünfte in der hier nötigen Gröûenordnung. Für die gegenteilige Ansicht der Revisionserwiderung fehlt jede tatsächliche Grundlage. Insbesondere ist in der Selbstauskunft der Frau B. vom 3. Dezember 1991 für den Kläger als Mitantragsteller kein "monatliches Nettoeinkommen" aufgeführt.
Nach der Behauptung der Beklagten bezog der Kläger zur Zeit der Bürgschaftsübernahme monatlich 4.000 DM von Frau B. für die Führung ihres Speditionsgeschäftes. Das Berufungsgericht hat dies aufgrund der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme für nicht bewiesen gehalten. Sogar wenn man dem - insoweit beweisbelasteten - Kläger ein derartiges Einkommen zurechnet, reicht es nicht annähernd aus, um die monatlich anfallenden Zinslasten abzudecken. Es kommt somit nicht mehr entscheidend darauf an, daû der Kläger zusätzlich die laufenden Prämien für die Lebensversicherung über
250.000 DM aufzubringen hatte, die für das Finanzierungskonzept der Hauptschuldnerin und des Klägers nötig war.

b) In die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Klägers sind nur seine eigenen Vermögensverhältnisse, nicht aber auch diejenigen der Hauptschuldnerin einzubeziehen. Zwar hat der Senat mehrmals entschieden, daû bei der Beurteilung einer krassen Überforderung auch die voraussichtliche Leistungsfähigkeit des Hauptschuldners zu berücksichtigen ist (Urt. v. 18. Januar 1996 - IX ZR 171/95, WM 1996, 519, 521 f; v. 7. März 1996 - IX ZR 43/95, WM 1996, 766, 767; v. 15. April 1997 - IX ZR 112/96, WM 1997, 1045, 1046). Auf dessen Leistungsfähigkeit hat der Senat später jedoch nicht mehr abgestellt (vgl. BGHZ 134, 325, 327; 136, 347, 351 f; Urt. v. 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, WM 1998, 2327 f). Denn der Bürgschaftsfall tritt regelmäûig erst ein, wenn der Hauptschuldner selbst nicht mehr leistungsfähig ist. Das ist sogar der gesetzliche Zweck der Bürgschaft (vgl. § 771 BGB). Dann aber hilft dem Bürgen früher etwa vorhandenes Vermögen des Hauptschuldners nichts. Statt dessen obliegt es dem Gläubiger, sich von vornherein über die individuelle Leistungsfähigkeit etwaiger Bürgen und Mitverpflichteter zu unterrichten und nur jene bei der Höhe ihrer jeweiligen Mitverpflichtung zu berücksichtigen.

c) Das vom Kläger verbürgte Risiko wurde nicht durch sonstige Umstände voll ausgeglichen oder entscheidend herabgemindert.
Bei der Frage der Überforderung sind anderweitige Sicherheiten des Gläubigers nur zu berücksichtigen, soweit sie das Haftungsrisiko des Bürgen vermindern (vgl. BGHZ 136, 347, 352 f; Senatsurteil vom 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, aaO).

Daû die Mutter des Klägers ihm im September 1992 ein jedenfalls in Höhe von 350.000 DM belastbares Grundstück übertrug, hat im vorliegenden Zusammenhang auûer Betracht zu bleiben (s.u. IV). Denn keine Partei behauptet , daû dies schon im Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme im Februar 1992 vorausgesehen oder Verhandlungsgegenstand gewesen sei. Einseitige Hilfeleistungen von Angehörigen des Bürgen zeitlich nach dessen Verbürgung beeinflussen nicht die Beurteilung ihrer Sittenwidrigkeit.
Bei der Beurteilung des Risikos, welches der Bürge eingeht, ist vom vollen Nennwert der Bürgschaft auszugehen, wenn der Gläubiger zwar weitere Sicherheiten erhalten hat, jedoch nicht sichergestellt ist, daû er nur in einem wesentlich geringeren Umfang als der vertraglich festgelegten Haftungssumme in Anspruch genommen wird (BGHZ 136, 347, 352; Senatsurt. v. 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, aaO). Im vorliegenden Falle hat der Beklagte unter Nr. 6 seiner Bürgschaftserklärung anerkannt, daû alle Maûnahmen und Vereinbarungen , welche die Bank hinsichtlich ihrer Ansprüche oder bei der Verwertung anderweitiger Sicherheiten für zweckmäûig erachtet, den Umfang der Bürgschaftsverpflichtung nicht berühren. Darüber hinaus stand es der Beklagten frei, den Erlös aus anderweitig bestellten Sicherheiten zunächst auf solche Ansprüche anzurechnen, die durch die Bürgschaft des Klägers nicht gedeckt sind.

d) Die Beklagte muû die sich danach ergebende finanzielle Leistungsunfähigkeit des Klägers als bekannt gegen sich gelten lassen. Denn nach banküblichen Gepflogenheiten überprüfen Kreditinstitute die geforderten Sicherheiten vor der Hereinnahme grundsätzlich auf ihre Werthaltigkeit. Dementsprechend müssen sie von sich aus Ermittlungen über die Vermögens- und
Einkommensverhältnisse solcher Personen anstellen, die mithaften sollen. Sieht eine Bank von derartigen Nachforschungen ab, befragt sie also insbesondere den Beteiligten nicht nach seiner finanziellen Leistungsfähigkeit, muû sie sich in aller Regel die objektiven Tatsachen als bekannt entgegenhalten lassen (Senatsurt. v. 2. November 1995 - IX ZR 222/94, WM 1996, 53, 54; v. 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, aaO S. 2329 m.w.N.).
Im vorliegenden Falle hat der Kläger in vollem Umfange Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse erteilt und der Beklagten sogar alle von ihm angegebenen Vermögenswerte verpfändet. Er hat ihr nicht etwa vorgespiegelt, mehr Einkommen oder Vermögen zu haben als tatsächlich der Fall war. Die Beklagte selbst geht davon aus, daû Kläger und Hauptschuldnerin die monatliche Belastung für Zins- und Lebensversicherungsbeiträge nur aufbringen konnten, wenn der Erwerber der früheren Spedition der Hauptschuldnerin seinen Zahlungsverpflichtungen nachkam. Die Beklagte hat jedoch nicht beachtet, daû der Umfang der Mitverpflichtung des Klägers seine erkennbar beschränkte Leistungsfähigkeit weit überstieg.
2. Die Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaften finanziell kraû überforderter Ehegatten, die aus emotionaler Verbundenheit zum Hauptschuldner gehandelt haben, findet in der Regel auch Anwendung, wenn Hauptschuldner und Bürge durch eine eheähnliche Lebensgemeinschaft verbunden sind (Senatsurt. v. 23. Januar 1997 - IX ZR 55/96, WM 1997, 465; vgl. auch BGHZ 136, 347, 350). Der Kläger lebte unstreitig in eheähnlicher Gemeinschaft mit der Hauptschuldnerin. Ein solches Lebensverhältnis ist erfahrungsgemäû als ein Beweggrund für einen der Partner geeignet, sich für den anderen in einer Weise zu verpflichten, welche die eigene Leistungsfähigkeit kraû überfor-
dert. Die persönliche Beziehung war der Beklagten aus den Darlehensverhandlungen bekannt.
Das Berufungsgericht hat sich gleichwohl nicht davon überzeugen können , daû der Kläger die überhöhte Bürgschaft aus emotionaler Verbundenheit zu Frau B. übernommen hat. Die Auslegung des Berufungsgerichts bewertet aber lediglich mittelbare Vorteile, die sich der Kläger aus dem Erfolg des finanzierten Bauvorhabens versprochen haben mag, rechtsfehlerhaft als entgegenstehende Umstände. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat stets nur eigene geldwerte Vorteile des kraû überforderten Bürgen aus dem verbürgten Geschäft selbst als einen Umstand angesehen, der ein Handeln allein aus emotionaler Verbundenheit auszugleichen vermag (vgl. Senatsurt. v. 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, aaO S. 2328 f). Der vom Berufungsgericht als wesentlich herausgestellte Umstand, daû der Kläger das auf dem Grundstück der Frau B. zu errichtende Haus mitbewohnen sollte, genügt danach nicht. Miteigentümer sollte der Kläger, soweit dargetan, nicht werden. Das bloûe Mitbewohnen einer aufwendig ausgebauten Villa begründet allenfalls eine Erhöhung des allgemeinen Lebensstandards und stellt somit keinen Vorteil dar, der vernünftigerweise eine hoffnungslose Überschuldung auszugleichen vermöchte. Ein solches Interesse läût sich durch geeignete Anmietungen billiger befriedigen. Dem steht nicht das von der Beklagten zitierte Senatsurteil vom 23. Januar 1997 (IX ZR 55/96, NJW 1997, 1005 f = WM 1997, 465, 466) entgegen : In diesem Fall ging es angesichts der begrenzten Bürgschaftshöhe zwar um eine erhebliche Belastung, nicht aber um eine krasse Überforderung der Bürgin. Statt dessen stand dort allein das Vorliegen einer anders gearteten Fallgruppe der Sittenwidrigkeit zur Entscheidung, nämlich eine unzulässige Einwirkung der Gläubigerin selbst auf die Entschlieûung des Bürgen; nur bei
Prüfung gerade der Verwerflichkeit des Gläubigerhandelns hat der Senat im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung erkennbar ausgleichende Umstände auf Seiten der Bürgin berücksichtigt.
Zum anderen hat das Berufungsgericht darauf abgestellt, daû der Kläger bei den Kreditbesprechungen mit der Beklagten als Verhandlungsführer für die Hauptschuldnerin aufgetreten ist. Insoweit hat er aber in jedem Falle als Vertreter in fremden Namen gehandelt. Allein aus einem derartigen Betreiben fremder Geschäfte folgt nicht ein inhaltliches Eigeninteresse an dem Geschäft. Obwohl der Kläger Verhandlungen für Frau B. geführt hat, hat er der Beklagten nie ein eigenes Sachinteresse am Bau selbst vorgespiegelt. Sie hat den Kläger letztlich auch nicht als Mitantragsteller für das Darlehen behandelt, und es ist nicht dargetan, daû er über dessen Verwendung frei mitbestimmen durfte.
Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung liegt ein Eigeninteresse des Klägers ferner nicht darin, daû er sich in die Zwischenfinanzierung des Bauvorhabens mit einem eigenen Lebensversicherungsvertrag hat einbinden lassen. Der Umstand allein, daû ein Bürge für das Bauvorhaben seines Lebenspartners auf dessen Grundstück zusätzliche Leistungen erbringt, spricht zunächst nur für die emotionale Beteiligung des Bürgen; er bedeutet kein geldwertes Eigeninteresse des Bürgen unmittelbar am Bauvorhaben selbst.
Daû der Kläger möglicherweise nicht geschäftsungewandt war, fällt in diesem Zusammenhang als Beweisanzeichen - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht ins Gewicht: Auch geschäftsgewandte Personen können aus emotionaler Verbundenheit zu einem Lebenspartner Verbindlichkeiten eingehen, die sie kraû überfordern.

Sogar wenn der Kläger - gemäû der unbewiesenen Behauptung der Beklagten - für die Führung der Geschäfte der Frau B. monatlich eine Vergütung von 4.000 DM erhalten hätte, galt eine solche allein seinen persönlichen Einsatz ab; sie begründete keinen Gegenwert für eine Höchstbetragsbürgschaft von 1,65 Mio. DM. Dasselbe trifft, anders als die Revisionserwiderung meint, für die Mitwirkung des Klägers an der Verpfändung der Anteile am Wertpapierfonds zu: Wenn der eine Teil einer Lebenspartnerschaft schon eigene Sachsicherheiten opfert, rechtfertigt dies nicht seine zusätzliche, persönliche Verpflichtung als Bürge in voller Höhe der Hauptschuld. Somit kommt es nicht entscheidend auf die Behauptung des Klägers an, er sei hinsichtlich der Anteile nur Treuhänder für Frau B. gewesen, dieser hätten wirtschaftlich alle Anteile zugestanden.
3. Das Berufungsgericht hat ein rechtlich vertretbares Interesse der Beklagten an der Verpflichtung des Klägers auch in der Gefahr gesehen, daû die Hauptschuldnerin ihr Vermögen auf den Kläger übertragen würde. Es stellt als unstreitig fest, daû eine solche Gefahr Inhalt der Gespräche der Parteien anläûlich der Bürgschaftserklärung war.

a) Das Berufungsgericht hat darin Recht, daû Vermögensverlagerungen gerade zwischen einander emotional verbundenen Personen in dem Fall, daû einer von ihnen die Insolvenz droht, erfahrungsgemäû oft vorgenommen werden. Die Vermeidung solcher Verschiebungen durch den wirtschaftlich zunächst leistungsstärkeren Hauptschuldner kann ein berechtigter Grund sein, von einer ihm nahestehenden Person eine Bürgschaft zu verlangen (BGHZ
128, 230, 234; 134, 325; Senatsurt. v. 23. Januar 1997 - IX ZR 55/96 aaO S. 466; v. 25. November 1999 - IX ZR 40/98, WM 2000, 23, 24 f).

b) Hier durfte die Beklagte jedoch unter diesem Gesichtspunkt keine Bürgschaft in Höhe von 1,65 Mio. DM verlangen. Sie war von Anfang wenigstens in der Lage, sich ganz überwiegend aus anderweitigen Sicherheiten zu befriedigen. Die verpfändeten Wertpapiere (Templeton Growth Fund) und Festgelder deckten anfangs 1.229.000 DM der verbürgten Hauptsumme ab. Für den Rest diente das zunächst unbebaute Grundstück der Hauptschuldnerin als Sicherheit. Sogar wenn dessen Schätzwert von 1 Mio. DM bei realistischer Vorausschau nicht voll zu verwirklichen sein würde, blieb - unter Berücksichtigung auflaufender Zinsen - eine Deckungslücke allenfalls in einer Gröûenordnung von bis zu 400.000 DM. Allein in diesem Umfang konnte die Beklagte durch Vermögensverschiebungen seitens der Hauptschuldnerin gefährdet werden. Der weitere, letztlich unvollendet gebliebene Ausbau des Wohnhauses auf dem Grundstück vergröûerte die Deckungslücke jedenfalls nicht.
Die Entgegennahme einer Bürgschaft durch den Gläubiger ist im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB als Einheit zu werten. Läût er sich eine Bürgschaft stellen, die der Höhe nach sein berechtigtes Interesse offenkundig weit übersteigt , vermag es eine krasse Überforderung des Bürgen nicht einmal teilweise zu rechtfertigen.

IV.


Am 10. Dezember 1992 hat der Kläger im Rahmen der Umschuldungsverhandlungen den Antrag der Frau B. mit unterschrieben, das vereinbarte Darlehen von 1,65 Mio. DM auf 1,35 Mio. DM zu senken. In dem Antrag heiût es auszugsweise [Bl. 28 GA]:
"Folgende bereits vorhandene Sicherheiten haften auch für diesen Kredit : ... Unbefristete, selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaft über DM 1.650.000,00 - H. G. -, vom 21.02.1992 ..." Eine rechtswirksame Bestätigung dieser früheren Bürgschaft liegt darin nicht. Denn ein nichtiger Vertrag wird nicht durch Bestätigung rückwirkend wirksam; er kann nur für die Zukunft neu abgeschlossen werden. Es kommt allerdings in Betracht, die vom Kläger unterzeichnete Erklärung als eine neue, selbständige Verbürgung seinerseits in der Form des § 766 BGB auszulegen. Eine solche, erneute Verbürgung für das nunmehr auf 1,35 Mio. DM festgesetzte Darlehen ist jedoch nicht Gegenstand des genau umschriebenen Feststellungsantrags.
Es kommt deshalb nicht entscheidend darauf an, daû auch die verringerte Bürgschaftssumme die Leistungsfähigkeit des Klägers noch weit überstieg und sich das Risiko seiner Inanspruchnahme wegen des ausgleichenden Wegfalls bisheriger Sicherheiten keinesfalls verringerte.

V.


Das danach rechtsfehlerhafte Urteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 563 ZPO). Der Senat kann selbst in der Sache abschlieûend entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Die Klage ist begründet.
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(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.

Die für die Berufung geltenden Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Versäumnisurteile, über die Verzichtsleistung auf das Rechtsmittel und seine Zurücknahme, über die Rügen der Unzulässigkeit der Klage und über die Einforderung, Übersendung und Zurücksendung der Prozessakten sind auf die Revision entsprechend anzuwenden. Die Revision kann ohne Einwilligung des Revisionsbeklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Revisionsbeklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.